Stenographisches Protokoll

28. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 9. Juli 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


 

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28. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                         Mittwoch, 9. Juli 2003

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 9. Juli 2003: 9.00 – 22.53 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäi­schen Union

2. Punkt: Bericht über den Antrag 81/A der Abgeordneten Jakob Auer, Herbert Scheib­ner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Wählerevidenzgesetz 1973, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksbegeh­rengesetz 1973, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsge­setz 1989 geändert werden

3. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 48/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Theresia Haidlmayr, Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsetzung einer Arbeitsgruppe beim Ver­fassungsdienst des Bundeskanzleramtes zur Erarbeitung eines Behinderten-Gleich­stellungsgesetzes unter Einbindung von selbst betroffenen Experten

4. Punkt: Bericht betreffend den Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Ver­waltungsjahr 2001

5. Punkt: Bericht betreffend den Bericht des Rechnungshofes gemäß Art. 1 § 8 Be­zügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2000 und 2001

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Entwicklungszusam­menarbeit (Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, EZA-G), das Beamten-Dienstrechts­gesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richterdienstgesetz, das Lan­deslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Land- und forstwirtschaftliche Landes­lehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert werden (EZA-Gesetz-Novelle 2003)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation, der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung und der Vorbereitenden Kommission für die Organisation des


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Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen zur Änderung des Ab­kommens zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationa­len Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für Indust­rielle Entwicklung über die Errichtung und Verwaltung eines Gemeinsamen Fonds zur Finanzierung größerer Reparaturen und Erneuerungen in deren Amtssitzen im Inter­nationalen Zentrum Wien

9. Punkt: Abkommen über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Südafrika andererseits samt Anhängen und Protokollen sowie Schlussakte und Erklä­rungen

10. Punkt: Änderung von Artikel 1 des Übereinkommens über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können

11. Punkt: Protokoll über die Privilegien und Immunitäten der Internationalen Meeres­bodenbehörde

12. Punkt: Übereinkommen zwischen den an der multinationalen Brigade aus Eingreif­truppen hoher Bereitschaft für Operationen der Vereinten Nationen teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen samt Erklärung der Republik Argen­tinien

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird

14. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über Gleichwertigkeiten im Hochschulbe­reich

15. Punkt: Bericht über den Antrag 148/A der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mares Rossmann, DDr. Erwin Niederwieser, Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz, BGBl. Nr. 145/1988, geändert wird

16. Punkt: Bericht über den Antrag 159/A der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein freiwilliges 10. bzw. 11. Schuljahr

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 13

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 376/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung .................................................................................................... 37

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         162

Redner:

Franz Riepl .................................................................................................................. 163

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 164

Mag. Dr. Josef Trinkl .................................................................................................. 166

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 168


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Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 170

Karl Öllinger ................................................................................................................ 171

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 37

Fragestunde (1.)

Bundeskanzleramt ....................................................................................................... 13

Dr. Günther Kräuter (8/M); Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Herbert Scheibner, Mag. Werner Kogler

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (1/M); Mag. Eduard Mainoni, Dr. Evelin Lichten­berger, Mag. Elisabeth Grossmann

Dr. Peter Pilz (6/M); Doris Bures, Wolfgang Großruck, Herbert Scheibner

Elmar Lichtenegger (4/M); Dieter Brosz, Dr. Peter Wittmann, Peter Haubner

Dr. Christoph Matznetter (9/M); Maria Grander, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Mag. Werner Kogler

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (2/M); Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Karl Öllin­ger, Marianne Hagenhofer

Mag. Werner Kogler (7/M); Stefan Prähauser, Helga Machne, Herbert Scheibner

Dr. Helene Partik-Pablé (5/M); Karl Öllinger, Rudolf Parnigoni, Ing. Norbert Kapeller

Gabriele Heinisch-Hosek (10/M); Ingrid Turkovic-Wendl, Sigisbert Dolinschek, Sabine Mandak

Dr. Andrea Wolfmayr (3/M); Mag. Eduard Mainoni, Dr. Eva Glawischnig, Mag. Christine Muttonen

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 35

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Eduard Mainoni, Hermann Gahr, Kolleginnen und Kol­legen betreffend europäische Regelung der Transitproblematik (183/A) (E) .............................................................. 115

Begründung: Mag. Eduard Mainoni ........................................................................... 117

Bundesminister Hubert Gorbach ............................................................................. 122

Debatte:

Klaus Wittauer ......................................................................................................... ... 128

Hermann Gahr ............................................................................................................ 130

Kurt Eder ..................................................................................................................... 132

Dr. Evelin Lichtenberger ........................................................................................... 134

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................. 136

Georg Keuschnigg ..................................................................................................... 138

Gerhard Reheis .......................................................................................................... 139

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 141

Anton Wattaul ............................................................................................................. 146


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Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 147

DDr. Erwin Niederwieser ........................................................................................... 148

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................. 151

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ..................................................................... 153

Bundesminister Hubert Gorbach ............................................................................. 155

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 158

Gabriele Binder .......................................................................................................... 159

Anita Fleckl ................................................................................................................. 160

Entschließungsantrag der Abgeordneten Klaus Wittauer, Hermann Gahr, Kol­leginnen und Kollegen betreffend europäische Regelung der Transitproblematik – Annahme (E 17) ...  130, 162

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Paket wirksamer innerstaatlicher Maßnahmen gegen die Transitlawine – Ablehnung  143, 162

Entschließungsantrag der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein engagiertes einheitliches Vorgehen Österreichs in der Transit­frage – Ablehnung .................  150, 162

Annahme des Selbständigen Entschließungsantrages 183/A (E) betreffend euro­päische Regelung der Transitproblematik (E 16) ............................................................................................. 162

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (110 d. B.): Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowa­kischen Republik zur Europäischen Union (161 d. B.) ..................................................................................... 38

Redner:

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 38

Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................................................ 40

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 43

Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................................................... 47

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer ............................................................................... 50

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 52

Maximilian Walch ......................................................................................................... 53

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 54

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 58

Karl Donabauer ............................................................................................................ 62

Peter Schieder .............................................................................................................. 64

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 66

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 68

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler ................................................................................. 71

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ............................................................................................. 72

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 73

Dr. Evelin Lichtenberger ............................................................................................. 75

Dr. Werner Fasslabend ................................................................................................ 77

Friedrich Verzetnitsch ................................................................................................. 78

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ............................................................................................. 80

Marianne Hagenhofer .................................................................................................. 81

Mag. Dr. Magda Bleckmann ........................................................................................ 82


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Dr. Evelin Lichtenberger (tatsächliche Berichtigung) ................................................. 84

Dr. Peter Wittmann ...................................................................................................... 84

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Dkfm. Dr. Hannes Bauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der österreichisch-tschechischen Beziehungen im Zuge des Beitrittes der Tschechi­schen Republik zur Europäischen Union und der Einrichtung eines österrei­chisch-tschechischen Zukunftsfonds – Ablehnung .....................................................................................  56, 86

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Dkfm. Dr. Hannes Bauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ratifizierung von zwei Abkommen zwischen Österreich und Tschechien – Ablehnung       57, 86

Entschließungsantrag der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Matthias Ell­mauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung der Menschenrechte durch die Tschechische Republik – Annahme (E 14)          67, 86

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 86

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 81/A der Abge­ordneten Jakob Auer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundes­präsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Wählerevidenzge­setz 1973, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geän­dert werden (162 d. B.)     ............................................................................................................................... 86

Redner:

Stefan Prähauser .......................................................................................................... 87

Jakob Auer .................................................................................................................... 88

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 91

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 92

Kai Jan Krainer ............................................................................................................. 92

Mag. Hans Langreiter .................................................................................................. 95

Helga Machne ............................................................................................................... 96

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 97

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ......................................................................... 98

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 99

3. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Entschließungsan­trag 48/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Theresia Haidlmayr, Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsetzung einer Arbeitsgruppe beim Verfassungsdienst des Bundeskanzler­amtes zur Erarbeitung eines Behinderten-Gleichstellungsgesetzes unter Einbin­dung von selbst betroffenen Experten (164 d. B.) ....................................................................................................................... 99

Redner:

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 100

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 101

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 102

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 103

Maria Grander ............................................................................................................. 105

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ....................................................................... 106

Theresia Haidlmayr (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 107

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 164 d. B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Einsetzung einer Arbeitsgruppe beim Verfassungsdienst


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28. Sitzung / Seite 6

des Bundeskanzleramtes zur Erarbeitung eines Behinderten-Gleichstellungsge­setzes unter Einbindung von selbst betroffenen Experten (E 15)               ............................................................................................................................. 107

4. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Tätigkeitsbe­richt (III-1 und Zu III-1 d. B.) des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 2001 (160 d. B.) ..................................... 107

Berichterstatter: Hermann Gahr ................................................................................. 107

Redner:

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 108

Hermann Gahr ............................................................................................................ 110

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 111

Mag. Dr. Magda Bleckmann .............................................................................  114, 173

Ing. Erwin Kaipel ........................................................................................................ 174

Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 175

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 176

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 177

Hermann Krist ............................................................................................................ 178

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 179

Gerhard Reheis .......................................................................................................... 181

Dr. Christian Puswald ................................................................................................ 182

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler .............................................................. 182

Rosemarie Schönpass .............................................................................................. 184

Kenntnisnahme des Berichtes ..................................................................................... 185

5. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht (III-3 d. B. und Zu III-3 d. B.) des Rechnungshofes gemäß Art. 1 § 8 Bezüge­begren­zungsgesetz für die Jahre 2000 und 2001 (42 d. B.)               ............................................................................................................................. 185

Berichterstatter: Dr. Günther Kräuter ........................................................................ 186

Redner:

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 186

Edeltraud Lentsch ...................................................................................................... 188

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 189

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 191

Christian Faul ............................................................................................................. 192

Karl Öllinger ................................................................................................................ 193

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler .............................................................. 195

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 196

Kenntnisnahme des Berichtes ..................................................................................... 197

6. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvor­lage (81 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Entwick­lungszusammenarbeit (Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, EZA-G), das Be­amten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetenge­setz 1948, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert werden (EZA-Gesetz-Novelle 2003) (149 d. B.)           ............................................................................................................................. 197

Redner:

Petra Bayr ................................................................................................................... 197

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 199

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 200

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 202

Mag. Walter Posch ..................................................................................................... 204


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Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner ...................................................... 205

Carina Felzmann ........................................................................................................ 207

Mag. Christine Muttonen ........................................................................................... 208

Mag. Eduard Mainoni ................................................................................................. 209

Mag. Ulrike Lunacek (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 210

Mag. Dr. Alfred Brader .............................................................................................. 210

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Bayr, Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierungsplan für die österreichische Entwicklungszusammenarbeit – Ablehnung            198, 211

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 211

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (96 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (150 d. B.) ...................... 212

8. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (11 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation, der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung und der Vorbereitenden Kommis­sion für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Öster­reich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über die Er­richtung und Verwaltung eines Gemeinsamen Fonds zur Finanzierung größerer Reparaturen und Erneuerungen in deren Amtssitzen im Internationalen Zentrum Wien (151 d. B.) ...... 212

9. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (14 d. B.): Abkommen über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Südafrika andererseits samt Anhängen und Protokollen sowie Schlussakte und Erklärungen (152 d. B.) .................................................................... 212

10. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvor­lage (21 d. B.): Änderung von Artikel 1 des Übereinkommens über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (153 d. B.)                                                                                                                                                              212

11. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvor­lage (62 d. B.): Protokoll über die Privilegien und Immunitäten der Internationalen Meeresbodenbehörde (154 d. B.)                     212

12. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvor­lage (73 d. B.): Übereinkommen zwischen den an der multinationalen Brigade aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft für Operationen der Vereinten Nationen teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen samt Erklärung der Republik Argentinien (155 d. B.) ............................................................ 212

Redner:

Walter Murauer ........................................................................................................... 213

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 213

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 214

Johann Ledolter ......................................................................................................... 215


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28. Sitzung / Seite 8

Annahme des Gesetzentwurfes in 150 d. B. ............................................................... 216

Genehmigung der fünf Staatsvertrages in 11, 14, 21, 62 und 73 d. B. ........................ 216

Beschlussfassungen im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 11, 14, 21 und 62 d. B.               ............................................................................................................................. 216

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (119 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungs­gesetz 1992 geändert wird (179 d. B.)                        217

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (12 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über Gleichwer­tigkeiten im Hochschulbereich (180 d. B.) ..................... 217

Redner:

Josef Broukal .............................................................................................................. 218

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................... 221

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 223

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 226

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 227

Mag. Melitta Trunk ..................................................................................................... 229

Silvia Fuhrmann ......................................................................................................... 230

Dr. Robert Rada .......................................................................................................... 231

Mag. Dr. Magda Bleckmann ...................................................................................... 232

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 233

Josef Broukal (tatsächliche Berichtigung) ................................................................. 235

Dr. Andrea Wolfmayr ................................................................................................. 235

DDr. Erwin Niederwieser ........................................................................................... 236

Mag. Dr. Alfred Brader .............................................................................................. 237

Dieter Brosz ................................................................................................................ 238

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Broukal, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Abschaffung der Studiengebühren und Verbesserungen des Studienförderungsgesetzes – Ablehnung              233, 241

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Broukal, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Stu­dium – Ablehnung ......................  236, 241

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Studiengebühren – Ablehnung .................................................  238, 241

Annahme des Gesetzentwurfes in 119 d. B. ............................................................... 241

Genehmigung des Staatsvertrages in 12 d. B. ............................................................ 242

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 148/A der Abge­ordneten Werner Amon, MBA, Mares Rossmann, DDr. Erwin Niederwieser, Die­ter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz, BGBl. Nr. 145/1988, geändert wird (190 d. B.)         ............................................................................................................................. 242


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28. Sitzung / Seite 9

16. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 159/A der Abge­ordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein freiwilliges 10. bzw. 11. Schuljahr (191 d. B.)                   242

Redner:

Werner Amon, MBA ................................................................................................... 242

DDr. Erwin Niederwieser ........................................................................................... 243

Mares Rossmann ....................................................................................................... 243

Dieter Brosz ................................................................................................................ 243

Silvia Fuhrmann ......................................................................................................... 244

Dr. Robert Rada .......................................................................................................... 244

Mag. Dr. Alfred Brader .............................................................................................. 244

Heidrun Walther ......................................................................................................... 245

Christian Faul ............................................................................................................. 246

Mag. Christine Muttonen ........................................................................................... 246

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 247

Annahme der beiden Gesetzentwürfe .......................................................................... 248

Eingebracht wurden

Petition .......................................................................................................................... 35

Petition betreffend „Chancengleichheit gehörloser Menschen im österreichischen Bildungssystem“ (Ordnungsnummer 11) (überreicht von den Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg, Mag. Christine Lapp, Dr. Helene Partik-Pablé und Theresia Haidlmayr)

Bürgerinitiative ............................................................................................................ 35

Bürgerinitiative betreffend „Chancengleichheit gehörloser Menschen im österrei­chischen Bildungssystem“ (Ordnungsnummer 5)

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 35

46: Protokoll vom 3. Juni 1999 betreffend die Änderung des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 (Proto­koll 1999) samt Erklärung der Republik Österreich

173: Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004 – ZivRÄG 2004

174: Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, das Rechtsanwaltstarif­gesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich sowie die Notariatsordnung geändert werden

175: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Haftungsüber­nahme für von der Gesellschaft „Österreichische Bundesbahnen“ bei der „EUROFIMA“ (Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahn­material) aufzunehmende Anleihen, Darlehen und sonstige Kredite geregelt wird, geändert wird

177: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Ständigen Sekre­tariat des Übereinkommens zum Schutz der Alpen über dessen Amtssitz

178: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Jemen über die Förderung und den Schutz von Investitionen


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28. Sitzung / Seite 10

193: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Umstellung des Grund­buchs auf automationsgestützte Datenverarbeitung und die Änderung des Grund­buchsgesetzes und des Gerichtskommissärsgesetzes (Grundbuchsumstellungs­gesetz – GUG) geändert wird (GUG-Novelle 2003)

Bericht ........................................................................................................................... 37

III-41: Bericht über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2002); Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten

Mag. Eduard Mainoni, Hermann Gahr, Kolleginnen und Kollegen betreffend euro­päische Regelung der Transitproblematik (183/A) (E)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines Bundesrah­mengesetzes für die Fischerei durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (184/A) (E)

Josef Broukal, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Studiengebüh­ren und Verbesserungen des Studienförderungsgesetzes (185/A) (E)

Josef Broukal, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur besseren Ver­einbarkeit von Beruf und Studium (186/A) (E)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtliche Absicherung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften (187/A) (E)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung der Notstands­hilfe als Leistung der Arbeitslosenversicherung (188/A) (E)

Silvia Fuhrmann, Elmar Lichtenegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Fair Play“ für die österreichische Jugend (189/A) (E)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend nationale Um­setzung der EU-Agrarreform (190/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine überfällige Kyoto-Offensive im Verkehrsbereich (191/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend finanzielle Entwicklung des Familienlastenausgleichsfonds (633/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angele­genheiten betreffend einen beabsichtigten Beitritt Österreichs zu dem Community Development Carbon Fund (CDCF) (634/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Ange­legenheiten betreffend die ungeklärte Spendenaffäre der österreichischen Dependance der Stiftung Menschen gegen Minen (MgM) bzw. deren Nachfolgeorganisation En­semble contre les mines (ECM) (635/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend einen beabsichtigten Beitritt Öster­reichs zu dem Community Development Carbon Fund (CDCF) (636/J)


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Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt (637/J)

Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend fragwürdige Vorgangsweisen des BMI im Begutachtungsverfahren am Bei­spiel von Amnesty International (638/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zivildienerzuweisung Juni 2003 (639/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ver­mittlungstätigkeiten und Provisionen an Ernst Karl Plech (640/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Vermittlungstätigkeiten und Provisionen an Ernst Karl Plech (641/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Vermittlungstätigkeiten und Provisionen an Ernst Karl Plech (642/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vermittlungstätigkeiten und Provisionen an Ernst Karl Plech (643/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Vermittlungstätigkeiten und Provisionen an Ernst Karl Plech (644/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vermittlungstätigkeiten und Provisionen an Ernst Karl Plech (645/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Vermittlungstätigkeiten und Provisionen an Ernst Karl Plech (646/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Vermittlungstätigkeiten und Provisionen an Ernst Karl Plech (647/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Vermittlungstätigkeiten und Provisionen an Ernst Karl Plech (648/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Vermittlungstätigkeiten und Provisionen an Ernst Karl Plech (649/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Vermittlungstätigkeiten und Provisionen an Ernst Karl Plech (650/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Vermittlungstätigkeiten und Provisionen an Ernst Karl Plech (651/J)

Hermann Krist, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Zunahme der Zahlungsunfähigkeit von privaten Haushalten und Einzelpersonen auf Grund der ansteigenden Arbeitslosigkeit (652/J)


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Dr. Christian Puswald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Eurofighter-Gegengeschäfte (653/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Stand d. Strafvollzugs d.i.WEB I Strafverfahren verurteilten Personen (654/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend die Besetzung des Gendarmeriepostenkommandos Mürzzuschlag (655/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend ausschließliche Anwendung des § 207b StGB gegen homosexuelle Männer (656/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Postenschacher im Kärntner Schulwesen bei der Bestellung von Bezirks- und Landesschulinspektoren (657/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen (397/AB zu 379/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (398/AB zu 383/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dietmar Hoscher, Kolleginnen und Kollegen (399/AB zu 387/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen (400/AB zu 392/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (401/AB zu 510/J)



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Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle sehr herz­lich.

Wir haben heute die erste Fragestunde in dieser Gesetzgebungsperiode. Ich begrüße den Bundeskanzler, der heute bei der Fragestunde zur Verfügung steht.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Einem und Mag. Prammer.

Fragestunde

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen jetzt zur Fragestunde, die ich um 9 Uhr 30 Sekunden eröffne.

Da dies die erste Fragestunde ist und viele Abgeordnete neu sind, möchte ich die An­frage stellenden Abgeordneten darum ersuchen, dass sie die Anfrage wörtlich vortra­gen beziehungsweise verlesen, weil das dann mit dem Insert in der Übertragung über­einstimmt. Bitte keine Begründung und kein Kurzreferat! Bei den Zusatzfragen – jede Fraktion hat jeweils eine Zusatzfrage – bitte eine Frage und nicht zwei; ich werde, wenn zwei Fragen gestellt werden, abläuten. Und die Regierungsmitglieder bitte ich um kurze Antworten.

Die Anzahl der Fragen ist auf zehn erhöht worden, und wir werden sehen, ob wir die­sen Parcours zustande bringen.

Bundeskanzleramt

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr, um 9.01 Uhr, zur Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kräuter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich verlese im Sinne der Geschäftsordnung die 1. Anfrage:

8/M

„Warum hat die Bundesregierung ohne rechtliche Grundlage den Abfangjägerkauf vor­zeitig unterzeichnet und damit verhindert, dass Rabatte im Ausmaß von bis zu 20 Pro­zent lukriert werden können?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter, Sie wissen natürlich ganz genau, dass nicht die Bundesregierung unterzeichnet hat, sondern der Verteidi­gungsminister, und zwar gestützt auf einen Beschluss von National- und Bundesrat. Das heißt, das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren ist abgeschlossen. Das Ge­setz tritt voraussichtlich am 7. oder 8. August in Kraft, und die Unterzeichnung erfolgte


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mit aufschiebender Wirkung mit jenem Tag, an dem dieses Gesetz in Kraft tritt. Das ist rechtlich völlig in Ordnung – der Verteidigungsminister hat das intern durch Experten geklärt und fünf externe Gutachten beigeholt. Das ist also rechtlich gut abgesichert, und ich danke ihm dafür sehr herzlich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Zuerst ein kleiner Hinweis: Es hat nicht der Verteidigungsminister unterschrieben, wie Sie behaupten, sondern Beamte im Auf­trag der Bundesregierung. Aber, Herr Bundeskanzler, inzwischen ist ja bekannt, dass der Finanzminister intensiv für den Kauf der teuersten Flugzeuge interveniert hat – zum Schaden der Steuerzahler. (Abg. Großruck: Wer sagt denn das? – Weitere Rufe: Wer sagt das?) Und wenn man bedenkt, dass er im Unvereinbarkeitsausschuss (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Frage! Frage!) am 3. März im Jahr 2000 gesagt ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter, kom­men Sie zur Frage!

 


Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (fortsetzend): Ich komme zur Frage, Herr Präsi­dent. Er hat dort behauptet, dass er keine Firmenkontakte hat. (Abg. Scheibner: Frage!)

Daher die Frage: Was sagen Sie, Herr Bundeskanzler, zu diesem Bruch der Rechts­staatlichkeit, zu diesem Bruch des Vertrauens (Abg. Großruck: Setz dich nieder!) gegenüber der Bevölkerung?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Irgendwann einmal müssen Sie der Öffentlichkeit erklären, wie man ein Gegengeschäftsvolumen von 4 Milliarden € abschließen und einen günstigen Kaufpreis von 1,959 Millionen € errei­chen soll, ohne jemals mit den zuständigen Verkäufern Verhandlungen zu führen. Wie Sie das zusammenbringen, das würde ich mir gerne einmal von Ihnen erklären lassen, und vor allem die Öffentlichkeit wäre darauf neugierig!

Ich bin froh, dass die Beamten des Verteidigungsministeriums und der Minister und der Finanzminister und der Wirtschaftsminister hier Gegengeschäfte im Ausmaß von 4 Mil­liarden € herausgeholt haben. Gerade in der jetzigen Konjunktursituation ist das wahr­scheinlich das attraktivste und wichtigste Geschäftsprogramm und Impulsprogramm für die österreichische Wirtschaft, das man sich nur wünschen kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Fekter, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Werter Herr Bundeskanzler! Als Oberösterreicherin interessiert mich natürlich besonders: Wie sieht die Streuung bei den Gegengeschäften aus? Sind diese regional irgendwo konzentriert, oder haben auch wir Oberösterreicher etwas davon?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Da natürlich jetzt Abge­ordnete aus allen Bundesländern und wahrscheinlich auch Zuseher aus allen Bundes­ländern zusehen und zuhören, freue ich mich, sagen zu können, dass Oberösterreich sehr gut abschneidet – das ist richtig –, dass aber auf Grund des enormen Volumens der Gegengeschäfte Gott sei Dank auch in allen anderen Bundesländern wirklich posi­tive Wirkungen zu finden sind.

Ich darf Ihnen zwei Beispiele nennen, die ich mir herausgesucht habe – da schlägt das Herz des ehemaligen Wirtschaftsministers etwas höher –: Die Firma FACC aus Ried –


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das ist eine Firma, die sich vor allem auf den Flugzeugbau spezialisiert hat – bekommt durch diese Gegengeschäfte innerhalb der nächsten eineinhalb Jahre 300 neue Mit­arbeiter. Das heißt, von 650 Mitarbeitern wird auf 900 Mitarbeiter aufgestockt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Innerhalb des nächsten Jahres soll ein Umsatzplus von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr errungen werden. Daran sieht man also, wie solche sinnvollen Beschaffungen, die wir im Interesse der Sicherheit Österreichs tätigen müssen, ganz konkret auch für die Arbeitsplätze etwas bringen.

Das zweites Beispiel ist ein mittelständisches Unternehmen aus Wien, TTTech – das haben viele wahrscheinlich überhaupt noch nie gehört –: Das ist ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitern – großteils Forscher, Akademiker, also Mitarbeiter mit Universitätsab­schluss –, die sich vor allem Chipentwicklung für den Automobilbereich vorgenommen haben. Durch EADS bekommen sie jetzt nicht nur Audi, sondern wahrscheinlich auch Mercedes dazu, haben einen Einstiegsöffner für den Airbus Transportflieger A400M und nehmen damit immerhin eine Aufstockung um 20 bis 40 Mitarbeiter vor. – Von solchen Beispielen könnten wir Dutzende bringen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Scheibner, bitte.

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! In der Erst­anfrage der SPÖ war von vorzeitiger Unterzeichnung die Rede. Ich frage Sie: Wie lange ist, nach Ihrem Wissen, diese Abfangjägerbeschaffung bereits geplant (ironische Heiterkeit des Abg. Öllinger), und unter welchen Bundesregierungen war sie bereits geplant? (Abg. Dr. Fischer: Das wissen Sie nicht? – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen. – Abg. Mag. Molterer – in Richtung des Abg. Dr. Fischer, auf die SPÖ weisend –: Vielleicht haben Sie es vergessen, Herr Präsident! Das kann ich ver­stehen! – Abg. Öllinger – in Richtung des Abg. Scheibner –: Fragen Sie den Bundes­kanzler, wie spät es ist! – Abg. Scheibner: Das habt ihr auch schon vergessen?!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Der ehemalige Verteidigungsminister weiß das natürlich, Herr Präsident Fischer! Aber offensichtlich wissen es manche Anfrage­steller nicht, dass das ja ein Jahre zurückreichender Fall ist. Ich habe mir übrigens – weil ich damit gerechnet habe, dass irgendjemand diese Frage stellen wird – den Rechnungshofbericht herausgesucht, den ja der frühere Verteidigungsminister ganz bewusst erbeten hat, damit Klarheit und Transparenz geschaffen wird.

Der Rechnungshof hat – das ist im vorigen Jahr publiziert worden – massiv kritisiert, dass nicht schon viel, viel früher – er hat bereits das Jahr 1988 erwähnt – begonnen wurde, diesen Beschaffungsvorgang einzuleiten. Ich erinnere mich noch genau, dass der frühere Bundeskanzler Klima im November 1998 die Beschaffung zwar für sinnvoll erklärt hat, aber im Verteidigungsrat darum gebeten hat, dass man Verständnis dafür haben möge, dass in der nächsten Legislaturperiode entschieden werden soll. – Das war 1998, vor fünf Jahren!

Dann hat Verteidigungsminister Scheibner auf Grund einer Empfehlung des Verteidi­gungsrates die Beschaffung eingeleitet – sehr transparent, geprüft vom Rechnungshof, nichts wurde beanstandet. Wir haben voriges Jahr ... (Abg. Dr. Kräuter: Aber nur die Ausschreibung!) – Natürlich mit einer Ausschreibung, selbstverständlich! (Abg. Dr. Kräuter: Die Vergabe nicht!)

 


Wir haben voriges Jahr dann die Typenentscheidung getroffen und nach der Wahl dann die entsprechenden Finanzierungsgesetze vorgelegt. Daher: Ein klares, rechts­staatliches und vernünftiges Verfahren.

Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundeskanzler! Können Sie aus­schließen, dass diese Geschäfte, die Sie nunmehr als Gegengeschäfte bezeichnet haben, nicht auch ohne den Abfangjägerkauf zustande gekommen sind, und wie halten Sie es denn mit der Empfehlung des Rechnungshofes, nur jene Geschäfte tatsächlich als Gegengeschäfte zu bezeichnen, die nachweislich erst nach In-Kraft-Treten des Grundgeschäftes, also des Abfangjägerkaufs, gemacht werden?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Sie wissen ganz genau, wie schwierig es, überhaupt in einer Konjunktursituation wie der jetzigen, ist, wichtige Industrieprojekte an Bord zu ziehen. Ich halte es daher für ganz wichtig, dass wir eine solche für unsere Sicherheit notwendige Beschaffung damit verknüpfen, dass wir das Maximum für unsere Arbeitsplätze und für unsere Wirtschaft dabei herausholen.

Wir werden das prüfen, es wird eine ganz genaue, transparente Auflistung der Ge­schäfte geben, die hier erreicht wurden. Das wird von den Wirtschaftsforschern über­prüft werden. Wir werden ihnen Vorschläge machen über das Volumen, und sie können jeden einzelnen Fall dann transparent und kritisch prüfen. Nur: Mit Kritik allein wäre kein einziges Geschäft an Land gezogen worden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage mit der Num­mer 1/M der Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer an den Bundeskanzler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

1/M

„Welche Erwartungen setzen Sie in die Regierungskonferenz der Europäischen Union, die die Ergebnisse des Konvents zur Zukunft Europas zu beraten hat?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Im Moment tagt der Kon­vent zum letzten Mal – heute und morgen –, und ich glaube, dass der Konvent zur Re­form der Verfassung oder zur Erarbeitung einer Verfassung für Europa sehr gute Arbeit geleistet hat. Es stehen einige ganz wichtige Eckpunkte, die früher strittig gewesen sind, heute für alle Mitgliedsländer – 25 Mitgliedsländer – der Union außer Streit:

Das ist zunächst einmal die gesamte Frage der Rechtspersönlichkeit der Union. Wenn man irgendwann einmal, in zehn oder 20 Jahren, mit einer Stimme im UNO-Sicher­heitsrat abstimmen kann oder wenn bei den internationalen Finanzinstitutionen wie Währungsfonds und Weltbank einmal die Union auftreten wird – noch ist das nicht möglich, aber einmal wird das der Fall sein –, dann ist die Voraussetzung dafür die Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union.

Der zweite, ganz wichtige Punkt ist jener, dass man die Charta der Grundrechte erst­mals verbindlich in den Verfassungstext aufnimmt.

Ein dritter Bereich: Das Parlament wird gestärkt und bekommt praktisch durchgehend Mitentscheidungs- und Mitbestimmungsrechte. Es gibt ein klares Bekenntnis zur quali­fizierten Mehrheitsabstimmung als Grundprinzip. Es gibt in vielen Bereichen Verbesse­rungen, Vereinfachung der Verfahren zur Abstimmung in der Union, aber vor allem gibt es auch in der Institutionenfrage einige ganz wichtige Fortschritte wie etwa die Schaf-


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fung eines europäischen Außenministers. Das wird ja heute und morgen eines der spannendsten Themen sein, ob die 25 Länder und die 105 Konventmitglieder bereit sind, die Außenpolitik unter das Primat einer qualifizierten Mehrheitsabstimmung zu stellen. Wenn das gelingt, dann ist das, glaube ich, ein wirklicher Durchbruch. Ich gebe aber auch zu, dass es bei einigen Themen – für die Deutschen etwa im Bereich der Einwanderungspolitik, für die Briten oder die Schweden im Bereich der Steuerpolitik, für uns etwa in Fragen der Wasserressourcen oder in der Frage der Institutionen – Be­denken gibt, und das muss in der Regierungskonferenz gründlich beraten werden, natürlich unter Einbindung des Hohen Hauses.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Baumgartner-Gabit­zer, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Wie be­urteilen Sie die Ergebnisse des Konvents in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Es liegen von 80 bis 90 Prozent aller Euro­päer ganz klare Wünsche vor, dass wir endlich zu einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik finden. Und das heißt natürlich, dass niemand die anderen blockie­ren darf. Es darf nicht mehr passieren, dass wir, so wie im Fall Irak, einfach blockiert werden, dass der Riss quer durchgeht. Man muss sich hier, auch wenn es mühsam ist, zu einer europäischen Linie durchringen, und wir brauchen auch dafür die Konzepte und die Instrumente. Übrigens ist das auch ein Argument dafür, dass man im Bereich der Luftraumüberwachung zu einem europäischen Modell übergeht und nicht jeder irgendeine Insellösung entwickelt, sondern dass wir letztlich gemeinsam handlungs­fähig sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Mainoni, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundeskanz­ler! Der Europäische Verfassungskonvent in Brüssel hat sich für die Mehrstimmigkeit in der gemeinsamen Außenpolitik ausgesprochen, hingegen bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere beim Streitkräfteeinsatz, das Einstimmig­keitsprinzip vorgeschlagen. Wie stehen Sie dazu?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das halte ich für richtig, denn in Fragen der militärischen Einsatzmöglichkeit, wo es ja unter Umständen um die Gesundheit und um das Leben von jungen Menschen, die sich für den Frieden einsetzen, geht, muss es die Einstimmigkeit in der Union auch weiterhin geben.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Lichten­berger, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Herr Bundeskanzler! Am Schluss des Konvents war EURATOM schließlich ein Thema, und ich bin heute noch froh und dankbar, dass alle Österreicher, auch der Regierungsvertreter in Ihrem Auftrag, meine Initiative zur Änderung des EURATOM-Protokolls unterstützt haben. Allerdings haben wir im Konvent keine breite Mehrheit dafür erreicht.

 


Meine Frage: Werden Sie auf der nächsten Regierungskonferenz etwas – und wenn ja, was? – in der Angelegenheit der EURATOM-Frage unternehmen, die derzeit absolut unbefriedigend gelöst ist und gerade für Österreich und die atomfreien Staaten fatal gelöst ist? Werden Sie dort einen Vorschlag unterbreiten, und wenn ja, welchen?


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Präsident Dr. Andreas Khol: Das sind schon mehrere Fragen, aber der Herr Bundes­kanzler wird sie beantworten.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete Lichtenberger weiß sich in der guten Gesellschaft von uns allen, da trennt uns ja nichts, da sind wir alle der glei­chen Meinung: Der EURATOM-Vertrag gehört integriert. Das wäre auch sinnvoll. (Abg. Dr. Glawischnig: Abgeschafft!) Es würde damit auch eine parlamentarische Zustim­mung des Europäischen Parlaments ... (Abg. Öllinger: Abschaffen!) – Nun gut, aber, entschuldigen Sie, eines muss schon klar sein: dass wir Sicherheitsmaßnahmen inner­halb Europas brauchen, um die Atomkraftwerke zumindest kontrollieren zu können. Das steht ja hoffentlich außer Streit! (Beifall bei der ÖVP.)

Darauf möchte ich eigentlich schon Wert legen, dass man nicht sagt: abschaffen!, son­dern dass es darum geht, den EURATOM-Vertrag qualitativ so zu integrieren, dass das Europäische Parlament mitreden kann, dass höchstmögliche Sicherheitsstandards ge­währt werden und dass natürlich auch das Recht jedes Landes, etwa Atomkraftfreiheit innerhalb seiner Grenzen verankern zu dürfen, absolut gewahrt bleibt. Wir werden das selbstverständlich bei der Regierungskonferenz diskutieren.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Grossmann, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Gibt es Punkte im Rahmen der Regierungskonferenz, die Ihnen unabdingbar erscheinen und für die Sie auch von Ihrem Vetorecht Gebrauch machen würden? – Ich ersuche Sie, diese Frage präzise zu beantworten, denn ich meine, die Österreicherinnen und Öster­reicher haben ein Recht darauf.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Das ist ein Thema für ein Referat und nicht für eine kurze Fragestunde. Wir werden das ja noch etliche Male be­sprechen. Und abgesehen davon ist der Konvent jetzt ja noch nicht einmal fertig. Ich würde Ihnen daher jetzt empfehlen: Warten wir die Ergebnisse des Konvents ab, und dann setzen wir uns zusammen, so wie wir das immer gemacht haben, werden die Position Österreichs besprechen und gemeinsam erarbeiten, und dann gehen wir in die Regierungskonferenz. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit sind wir mit der 2. Anfrage fertig. Ich bitte nun Herrn Abgeordneten Dr. Pilz, die 3. Anfrage zu stellen.

 


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

6/M

„Warum wurde nur der Firma EADS erlaubt, ein Anbot über 18 Stück Abfangjäger zu legen, obwohl das Anbot der Firma SAAB über 18 Stück zum halben Preis des EADS-Anbotes eine Ersparnis von 900 Millionen € Anschaffungskosten und jährlich bis zu 20 Millionen € Betriebskosten gebracht hätte?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter Pilz! Sie sind doch sonst immer so stolz darauf, dass Sie gut informiert sind. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Sie müssten doch wissen, dass die Firma EADS nicht ein Anbot über 18 Stück gestellt hat, sondern eines über 24 Stück, so wie alle anderen Mitbewerber, und dass das die Grundlage für die Typenentscheidung gewesen ist. Und die österreichische Bundes­regierung – Herbert Scheibner und ich haben das intensiv diskutiert – hat im Zuge des


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Hochwassers vor einem Jahr (Abg. Eder: Mein Gott! – ironische Heiterkeit bei den Grünen) autonom entschieden, dass wir nicht 24, sondern 18 Flieger bestellen. Das hat jeder in Österreich verstanden – außer Ihnen offenkundig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Pilz, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Herr Bundeskanzler! Wenn Sie selbst lachen müssen, erübrigt sich ohnehin die Qualifizierung Ihrer Antwort. (Unruhe im Saal. – Prä­sident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Deswegen meine Zusatzfrage:

Herr Bundeskanzler! Warum decken Sie persönlich eine überhastete und vorgezogene und zu diesem Zeitpunkt nicht notwendige Unterschrift unter den EADS-Vertrag, bevor alle konkreten Hinweise auf den Verdacht einer Schiebung des Vergabevorgangs durch den Finanzminister gerichtlich und parlamentarisch ausreichend untersucht sind? (Abg. Dr. Cap: Das ist eine gute Frage!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter Pilz! Wenn Sie mich lieb anlächeln, darf ich ja zurücklächeln. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nein! „Lieb“ lächelt er nicht!) Das halte ich eigentlich für nichts Unangenehmes in der politischen Arena. Aber Sie sind sehr ernst geworden und haben wiederum Ihren Uralt-Vorwurf der Schiebung und des Überfalls wiederholt – alles Dinge, die nicht stimmen.

Ich habe gerade erzählt: Fünf Jahre ist es her, dass Bundeskanzler Viktor Klima die gesamte Beschaffung verschoben hat. (Abg. Scheibner: Das wird man doch nicht nochmals machen!) Also bitte, ein Überfall mit fünf Jahren Anlaufzeit ist nicht wirklich ein überraschender Überfall. Das wissen Sie ganz genau, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens sage ich Ihnen ganz offen: Ich decke überhaupt nichts, außer dass ich mich mit voller Kraft dafür einsetze, dass Österreich nicht das einzige Land ist, das sich der Lächerlichkeit preisgibt, dass es seine Souveränität nicht zu Lande und in der Luft verteidigen kann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen und Bravoruf bei der ÖVP.)

Und ich werde jeden Minister unterstützen, der dies tut!

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Bures, bitte.

 


Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Es geht ja darum, dass bekannt ist, dass der Herr Finanzminister von Anfang an direkt und sehr massiv in das Beschaffungswesen rund um die Abfangjäger eingegriffen hat. Mich würde interessie­ren, ob eigentlich Sie in der Ministerratssitzung vom 2. Juli 2002 darüber informiert wurden, dass der Finanzminister Gespräche mit Vertretern von EADS, mit den Herren Rauen und Bischoff, geführt hat. Waren Sie darüber informiert?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Also Ihr „liebenswürdiger“ Kampf gegen den Finanzminister in Ehren, aber die Anfragen in dieser Fragestunde sind an mich gerich­tet, und ich kann Ihnen dazu nur noch einmal Folgendes sagen: Die Entscheidung, für welche Type wir uns festlegen sollen, kam ausschließlich aus dem Verteidigungsminis­terium!

Es gab eine ganz klare Weichenstellung. (Abg. Mag. Kogler: Gar nichts war klar!) Die Beamten des Verteidigungsministeriums haben immer gesagt: Wir wollen keine Ge­brauchtlösung! Und ich unterstütze das vollinhaltlich, denn jedes gebrauchte Produkt


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hätte wiederum die Gefahr einer österreichischen Insellösung bedeutet, die nicht in den europäischen Gesamtkontext eingebunden ist.

Zweiter Punkt: Wir hätten in zehn Jahren wieder die gleiche lächerliche Diskussion gehabt, ob sich ein souveräner Staat überhaupt verteidigen soll und darf. (Zwischenruf des Abg. Murauer.)

Jetzt haben wir eine Entscheidung, die für die nächsten 30 Jahre angelegt ist. Ich begrüße das! Die Entscheidung über die Type – ob Gripen oder Eurofighter – kam aus­schließlich vom Verteidigungsministerium. Die Profis in der Beschaffungskommission haben mehrheitlich für den Eurofighter – für den Typhoon – votiert. Ich bin technisch ein Anfänger, ich habe dazu keine persönliche Meinung, decke aber hundertprozentig diesen Beschluss, denn ich glaube, Österreich braucht eine glaubhafte Sicherheit nach innen und nach außen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Großruck, bitte.

 


Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Geschätzter Herr Bundeskanzler! (Abg. Mag. Kogler: Vierzeiler! – Abg. Eder: Der Großruck darf auch fragen?) Nach der Fest­stellungsfrage des Kollegen Pilz, in der er wieder suggerieren wollte, dass kriminelle Machenschaften im Spiel seien ... (Rufe bei der SPÖ: Frage!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, stellen Sie Ihre Frage!

 


Abgeordneter Wolfgang Großruck (fortsetzend): Meine Frage lautet:

Wie hat der Rechnungshof das Ausschreibungsverfahren des Bundesministeriums für Landesverteidigung beurteilt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Ich habe hier den Be­richt, der auf Ersuchen des Verteidigungsministers erstellt wurde, um wirklich Transpa­renz und Klarheit sicherzustellen. Es ist dabei klar und deutlich herausgekommen, dass, erstens, der Rechnungshof kritisiert, dass mit der Beschaffung zu spät begon­nen wurde. Herbert Scheibner und seinem Team ist es zu danken, dass dies in der vergangenen Legislaturperiode endlich gelungen ist. Zweitens sagt der Rechnungshof eindeutig, dass die Begründung des Landesverteidigungsministeriums, mit der ge­brauchte Flugzeuge abgelehnt wurden, absolut plausibel erscheine. Und drittens hat der Rechnungshof festgestellt, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Aus­schreibung in irgendeiner Art und Weise gelenkt worden sei.

Das entzieht all Ihren Verdächtigungen, meine Damen und Herren von der Opposition, jeden Boden! Geprüft, und für richtig befunden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Klubobmann Scheibner, bitte.

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Es wird immer behauptet, diese Abfangjäger seien nicht notwendig. Meine Frage lautet: Gibt es in der österreichischen Bundesverfassung und in der österreichischen Rechtsordnung einen Ansatzpunkt für eine Verpflichtung, den Luftraum auch wirklich überwachen zu kön­nen? (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Fischer: Der weiß überhaupt nichts!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich verstehe die aufbrandende Heiterkeit in den Reihen der Opposition nicht ganz, denn ich habe immerhin eine Stellungnahme des Verfassungsdienstes in Auftrag gegeben (Abg. Öllinger – eine Ausgabe des Bun-


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des-Verfassungsgesetzes in die Höhe haltend –: Im Gesetz!), die ganz eindeutig zu dem Schluss kommt, dass ein Staat wie Österreich verpflichtet ist, sein Hoheitsgebiet abzusichern, und zwar zu Lande und in der Luft. In dieser Stellungnahme wurden auch namhafte österreichische Völkerrechtler von Zemanek bis Verdross zitiert.

Ich darf Ihnen hier nur ein einziges Zitat vortragen: Verdross etwa hat auf die Frage, mit welchen Mitteln sich ein Staat verteidigen muss, festgehalten, dass sich ein Staat nicht damit entschuldigen könne, dass die Gesetzgebung der Regierung nicht die nöti­gen Verteidigungsmittel bewilligt hat, weil jeder Staat für alle seine Organe verantwort­lich ist.

Meine Damen und Herren! Das ist geltende Rechtslage. Frühere sozialdemokratische Bundeskanzler, Verteidigungs- und Finanzminister haben dies gewusst. Sie haben es nur leider vergessen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen damit zur 4. Anfrage, der Anfrage des Abgeordneten Lichtenegger an den Bundeskanzler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Meine Frage:

4/M

„Wie laufen die Vorbereitungen für die Fußballeuropameisterschaft 2008?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Die Öffentlichkeit weiß vielleicht, dass die Euro 2008 die drittgrößte Sportveranstaltung der Welt sein wird. Es ist eine besondere Ehre und Auszeichnung für uns, dass wir in diesem Jahr die Gastgeber sein werden. Wir werden gemeinsam mit den Gebietskörperschaften, mit den Städten und Gemeinden zig Millionen € in die sportliche Infrastruktur, in die Sta­dien, in die Trainingseinheiten investieren. Wir werden mit „Challenge 2008“ ein zu­sätzliches Programm starten, damit die österreichische Fußballnationalmannschaft dort auch wirklich eine erfolgreiche Vorstellung bieten kann. Ich bin ein alter Fußballan­hänger und leide manchmal bei den gegenwärtigen Resultaten darunter, dass wir nicht allen Erwartungen oder Wünschen entsprechen können.

„Challenge 2008“ wird uns die Möglichkeit geben, eine neue österreichische Fußball­nationalmannschaft, gestützt auf junge Kräfte, ins Leben zu rufen. Übrigens möchte ich Karl Schweitzer sehr danken, der sich diesem Ziel sehr verpflichtet hat und gemeinsam mit der Bundesliga und dem ÖFB jetzt auch eine sinnvolle Ausländerregelung für die österreichische Meisterschaft ins Leben gerufen hat. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Lichtenegger, bitte.

 


Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): In welchem Status befindet sich der Bau beziehungsweise die Adaptierung der Stadien in den Austragungsorten Wien, Salzburg, Innsbruck und insbesondere Klagenfurt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wien, Salzburg, Innsbruck stehen, müssen aber adaptiert werden. Wir werden in diesen Bereichen wahrscheinlich wesentliche In­vestitionen tätigen müssen. In Klagenfurt steht das „Europa-fit“-Stadion noch nicht. Planungen dafür müssen jetzt aufgenommen werden. Der Klagenfurter Standort ist fixiert. Wir müssen sicherstellen, dass wir die Stadien durch Auf- und Rückbauten so wettbewerbsfähig machen, dass das auch wirklich gut funktioniert.


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Der Zeitplan sieht so aus, dass die UEFA verlangt, dass die Stadien bereits am 1. Sep­tember 2006 fertig und in Betrieb sein müssen. Das ist ein sehr enger Zeitplan. Wir werden im Juli und August die Verhandlungen führen. Das nächste Meeting auf Exper­tenebene ist am 5. August 2003 in Salzburg. Wir wollen im heurigen Herbst die Finan­zierungsverträge unter Dach und Fach bringen, sodass dann im nächsten und im über­nächsten Jahr Planung und Bau vorangetrieben werden können, damit das auch wirk­lich ein Erfolg wird.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Brosz, bitte.

 


Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Bundeskanzler! Die Bewerbung wurde ja von allen Parteien unterstützt. Wir waren uns aber damals auch darüber im Klaren, dass es neben den positiven Effekten für den Tourismus insbesondere im Bereich des Verkehrs und der Ökologie Belastungen geben wird.

Daher meine Frage: Welche finanziellen Mittel wird die Bundesregierung zur Verfügung stellen, um die Verkehrsströme auf umweltfreundliche öffentliche Verkehrsmittel umzu­lenken?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wir werden nicht extra Mittel zur Verfügung stellen, sondern all unsere Investitionshilfen sollen diesem Ziel dienen. Wie Sie mit Recht gesagt haben, müssen, wenn wir so ein Großereignis veranstalten, bereits inner­halb der Baumaßnahmen und der Logistik alle Voraussetzungen dafür geschaffen wer­den, dass das ein wirklich ökologisch verträgliches Projekt sein wird.

Wir haben dafür auch einige gute Beispiel von anderen Großveranstaltungen sehr ge­nau studiert. Karl Schweitzer und sein Team nehmen sich dieser Frage besonders an. Dieses „Green Project“ wird ein ganz wichtiger Bestandteil der Euro 2008 sein.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Witt­mann, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Bundeskanzler! In Deutschland ist an­lässlich der Weltmeisterschaft 2006 ein ökologisches Konzept der einzelnen Standorte entwickelt worden, wie insbesondere die Ver- und Entsorgung, die Müll- und Abwas­serproblematik gelöst werden soll. Ich vermisse ein derartiges Konzept in Österreich. Ist so etwas geplant? Wenn ja, wann wird damit begonnen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Diese Frage habe ich eigentlich schon mit der Beantwortung der Anfrage des Abgeordneten Brosz von der grünen Fraktion mit beantwortet. Selbstverständlich wollen wir aus genau diesen Erfahrungen Deutsch­lands und anderer Großveranstalter lernen. Das wird ein ganz wichtiger, integrierender Bestandteil unseres Projekts sein!

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Haubner, bitte.

 


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Gibt es im Hinblick auf die Euro 2008 Förderungsmaßnahmen des Bundeskanzleramtes im sportlichen Bereich? (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Wir haben jährlich Mittel mit einem Volumen von etwa 370 000 € zur Verfügung gestellt, für Trainingslehrgänge, es werden 30 Jugendliche gezielt angesprochen und beworben. Bei allen großen Ver-


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einen gibt es Fußballakademien – entweder schon in Arbeit oder in Vorbereitung. Es wird eigentlich zum ersten Mal ein ganz großes, umfangreiches Fußballnachwuchs-Projekt in die Wege geleitet. Wir erwarten uns davon auch wichtige Impulse für die sportliche Bilanz der Euro 2008. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Den nächsten Fragenkomplex leitet Herr Abgeordneter Dr. Matznetter ein. (Oje-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

9/M

„Halten Sie es im Lichte der andauernden wirtschaftlichen Stagnation für zielführend, dass die österreichische Bundesregierung dadurch in Untätigkeit verharrt, dass sie die für 2003 ohnehin vorgesehene Steuersenkung im Volumen von 2,5 Milliarden € nicht auf 2004 vorzieht?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Einspruch, Euer Ehren! Wir verharren nicht in Untätigkeit! Wir haben bereits zwei Konjunkturpakete beschlossen. Wir ziehen einen wichtigen Teil der Steuersenkung von 2005 auf 2004 vor, haben dazu ganz wichtige Impulse in der Infrastruktur, in Forschung und Bildung gesetzt und damit, glaube ich, auch eine Erklärung dafür, warum wir in puncto Beschäftigungslage doch deutlich besser dastehen als vergleichbare Länder wie etwa Deutschland oder auch verschie­dene Nachbarländer wie die Schweiz, die wirtschaftlich in einer vergleichbaren Situa­tion sind. Diese haben seit sieben Jahren keine Steigerungsraten und haben massive Probleme bekommen. Gleiches gilt für die Holländer.

Jeder versucht nun, gegenzusteuern. Was ich mir wünsche, ist, dass wir noch mehr auf europäischer Ebene gemeinsam tun, dann hätten wir, so glaube ich, einen Zusatz­nutzen, der nicht unbeträchtlich wäre. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Kann die Untätigkeit der Bundes­regierung, insbesondere des Finanzministers, vielleicht darin liegen, dass er offen­sichtlich durch das Land tingelt, dort Vorträge hält und 7 000 € pro Vortrag einnimmt, ohne diese Einnahmen der Staatskasse zuzuführen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das ist wieder eine Ihrer üblichen plumpen Verdächtigungen gegen den parteifreien Finanzminister (Zwischenrufe bei der SPÖ), sie steht übrigens auch in keiner Weise im Zusammenhang mit der an mich gestellten Anfrage. Das wissen Sie ganz genau!

Und ich sage Ihnen noch etwas dazu: Jeder von uns bekommt manchmal die Gelegen­heit, Vorträge zu halten. Und so wie Karl-Heinz Grasser und ich versucht jeder von uns, wenn er ein solches Angebot bekommt, das in irgendein soziales Projekt umzu­lenken. Wenn Sie dagegen sind, dann sagen Sie das öffentlich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Ungeheuerlich!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Grander, bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

 



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Abgeordnete Maria Grander (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Die Budget­begleitgesetze wurden beschlossen, ebenso der erste Teil der Steuerreform. Meine Frage lautet: Wer profitiert von der jüngst beschlossenen ersten Etappe der Steuerre­form am meisten?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Wir haben einen Teil der Steuerreform vorgezogen, nämlich eine Steuersenkung ab 1. Jänner 2004. Alle, die weniger als 14 500 € haben – das sind immerhin 200 000 Menschen in Österreich –, werden ab 1. Jänner 2004 überhaupt keine Steuer mehr zahlen.

Zweiter Punkt: Ungefähr 200 000 Einzelgesellschaften, Personengesellschaften wer­den massiv davon profitieren, dass jene Gewinne, die nicht aus dem Betrieb herausge­nommen und privat verwendet werden, sondern weiter im Betrieb arbeiten und dort für Investitionen oder für Arbeitsplatzsicherheit sorgen, wesentlich niedriger besteuert werden.

Dritter Bereich: Die unsinnige Idee des 13. Umsatzsteuermonats – das Jahr hat norma­lerweise 12 Monate, aber 13 Mal werden Steuern kassiert – wird abgeschafft. Dies ist ein gewaltiger Impuls, der immerhin einen Nettoeffekt von an die 20 Milliarden Schilling oder 1,5 Milliarden € im heurigen Jahr ausmacht. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann, bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Wird bei der Steuerreform 2005, die immerhin ein Volumen von 2,5 Milliarden € haben soll, auch Augenmerk auf eine nicht nur geringfügige, sondern wesentliche Vereinfa­chung des Steuersystems gelegt? Und: Wäre es möglich, auch diese auf 2004 vorzu­ziehen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wenn wir 2005 eine große Reform machen – ich bin sehr dafür, da das ja ein Herzstück der Regierungsarbeit sein wird –, dann muss man, glaube ich, viel mehr tun als nur die Tarifschrauben drehen, da muss wirklich überlegt werden: Wie gehen wir in die Systematik hinein? Wie können wir ein einfacheres und damit auch ergiebigeres Steuersystem schaffen?

Wenn man das ernstlich will, dann – das weiß jeder Profi – muss man sich dafür auch Zeit nehmen und mit Experten, mit Wirtschaftstreuhändern, mit den Sozialpartnern Ver­handlungen aufnehmen, dann muss auch genügend Zeit zur Begutachtung zur Verfü­gung stehen, und gerade die Wirtschaftsunternehmer müssen sich rechtzeitig darauf einstellen können.

Ich glaube schon, dass dieser Systemumstieg richtigerweise mit 1. Jänner 2005 ange­setzt wird. Das heißt, wir haben den Herbst und das Frühjahr 2005 zur Verfügung, um dieses große Projekt sinnvoll umsetzen zu können.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundeskanzler! Alle Expertenbe­rechnungen weisen aus, dass die bisherigen Maßnahmen der Regierung in den Jahren 2004 und 2005 Nettobelastungen sowohl für Haushalte als auch für den Wirt­schaftssektor erzeugen und erst 2006 positive Nettoeffekte auftreten werden. Warum also sind Sie nicht bereit, einen Teil der Steuerreform, einer Steuersenkung – auch angesichts der Konjunkturlage – vorzuziehen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 



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Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Das ist ganz simpel, denn jede Scheinentlastung, die Sie jetzt machen, wird zwei Jahre später mit einem neuen Belastungspaket beantwortet. Das haben wir in der Vergangenheit oft genug erlebt. Ich bin dazu nicht bereit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit haben wir auch diesen Fragenkomplex abge­arbeitet.

Die 6. Anfrage kommt von Herrn Abgeordnetem Dipl.-Ing. Mag. Regler. – Herr Abge­ordneter, stellen Sie Ihre Frage!

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

2/M

„Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung gesetzt, die die bessere Performance Österreichs bei den Konjunkturdaten – vor allem beim Export und bei den Arbeitslosen­daten – insbesondere im Vergleich zu Deutschland gebracht hat?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Erstens, wie schon erwähnt, zwei Konjunk­turpakete, die zusammen mit der Steuersenkung am 1. Jänner 2004 ein Gesamt-Ent­lastungsvolumen von 1 Milliarde € entwickeln werden.

Zweiter Punkt: Die Reform des Arbeitsmarktservice greift voll. In Deutschland beträgt etwa die Vermittlungsdauer pro Arbeitslosen 33 Wochen, in Österreich wird jeder Arbeitslose im Durchschnitt innerhalb von 15 Wochen erfolgreich auf eine neue Stelle vermittelt.

Wenn Sie sich diese Dinge ansehen, dann kommen Sie auf einige ganz interessante Details drauf. In den letzten Monaten sind in 9 von 15 Mitgliedstaaten die Arbeitslosen­raten massiv angestiegen, wir liegen im Prozentsatz in etwa gleich (Abg. Öllinger: Was? Wir liegen gleich?), und das ist angesichts der schwierigen Situation durchaus beeindruckend. Deutschland etwa hatte 2002 8,6 Prozent Arbeitslose, im Mai dieses Jahres 9,4 Prozent. Österreich liegt mit 4,3 Prozent gleich. In Schweden ist der Wert um ein halbes Prozent angestiegen, in den Niederlanden ist er von 2,7 Prozent auf fast 4 Prozent angestiegen.

Man sieht also sehr deutlich: Alle sind davon betroffen, die Konjunkturkrise in Europa trifft uns alle. Manche bewähren sich besser, wie etwa die Skandinavier, aber auch wir. Daher müssen wir uns an den Besten messen und auch diese als Beispiele nehmen: Mehr für Bildung und Forschung, mehr in die Infrastruktur! Das ist aber genau das, was wir tun! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Mit 1. Mai 2004 werden 10 Staaten der Europäischen Union beitreten. Welche Impulse für Österreich erwarten Sie durch diese Beitritte?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Der wichtigste Impuls ist bereits spürbar: Wir haben in den letzten zehn Jahren enorme Exportsteigerungen zu verzeichnen ge­habt. Auch im letzten Jahr gab es immerhin noch einen Zuwachs von fast 7 Prozent. Wir exportieren derzeit um ungefähr 14 Milliarden € beziehungsweise ein Sechstel all unserer Exporte nach Mittel- und Osteuropa.


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Gerade jetzt sieht man, dass dieses Projekt der Erweiterung der Union – es gibt ja auch Perspektiven etwa für weitere Länder wie Rumänien, Bulgarien oder die West­balkanstaaten Kroatien, Serbien und so weiter, wo wir zweistellige Zuwachsraten im Export erreichen konnten – für uns besonders wichtig ist – wir haben uns ja auch be­sonders dafür eingesetzt, aus politischen, aus friedenssichernden, aber auch aus wirt­schaftlichen Gründen – und vollinhaltlich greift.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann, bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Wie schätzen Sie die von der Regierung geplanten Maßnahmen zur Konjunkturbele­bung im Hinblick auf die Positionierung im internationalen Vergleich, also im internatio­nalen Ranking ein? Gehen Sie davon aus, dass wir unsere doch sehr gute Position halten oder gegebenenfalls verbessern können?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordnete! Das Ziel muss sein, dort, wo wir sehr gut sind, das hohe Niveau zu halten, und dort, wo wir echte Schwächen aufweisen, besser zu werden.

Das hohe Niveau kennen Sie! Wir sind das sicherste Land, wir sind in der ökologischen Bilanz ganz vorne, wir haben uns in puncto Unternehmerinvestitionen im letzten Jahr auf Platz 1 behauptet. Wir sind in vielen Bereichen, in der Bildung etwa, sehr gut.

Nachholbedarf gibt es in der Bürokratiereform – schlankerer Staat, weniger Verwal­tungsverfahren –, Nachholbedarf gibt es sicherlich bei Forschung und Entwicklung, bei der Infrastruktur, Nachholbedarf gibt es bei gewissen Überregulierungen, auch in den wirtschaftlichen Verfahren.

Und genau dort setzen wir an! Das jetzige Rezept gegen die Konjunkturkrise heißt also ganz einfach: notwendige Strukturreformen und bürokratische Vereinfachungen – ge­nau das, was wir uns vorgenommen haben.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundeskanzler! Seit es diese Bundesregie­rung gibt, hören wir immer – trotz steigender Arbeitslosenzahlen! –: Es geht uns ja noch besser als den anderen, etwa Deutschland. (Abg. Dr. Fekter: Vollbeschäftigung in Oberösterreich! – Abg. Ellmauer: Rot-Grün in Deutschland!)

Herr Bundeskanzler! Welche Maßnahmen in Bezug auf neue Arbeitsplätze, in Bezug auf Qualifikation setzt diese Bundesregierung tatsächlich, um die steigenden Arbeits­losenzahlen zumindest einzudämmen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ganz konkret: Wir haben ein Sonderpro­gramm für 5 000 Jugendliche. Wir haben massive Anstrengungen im Bereich der Lehr­lingsausbildung unternommen. Zum ersten Mal gibt es 1 000 € Prämie für jeden Lehr­ling. (Abg. Öllinger: Die steigen aber!) Das ist ganz interessant: Wir haben jetzt inner­halb eines Jahres einen Zuwachs von etwa eindreiviertel Prozent bei den Lehrvertrags­abschlüssen. Also: Diese Offensive greift durchaus – trotz des schwierigen wirtschafts­politischen Umfelds.

Wir haben das Recht auf Qualifikation für ältere Mitarbeiter eingeführt.

Wir haben jetzt mit den Gegengeschäften einen Konjunkturimpuls von 1 Milliarde € innerhalb des nächsten Jahres vor uns. (Abg. Mag. Kogler: Unfassbarer Unsinn!)


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Wir kämpfen massiv darum – Hubert Gorbach etwa –, dass wir auf der europäischen Ebene über die transeuropäischen Netze etwa 14 Milliarden € für österreichische Ver­kehrsprojekte nutzbar machen. 20 Prozent – das sind immerhin fast 2,5 Milliarden € – wird die Europäische Union dazu beisteuern.

Also ich glaube, da sind einige ganz konkrete, massive Impulse auf der Schiene. (Bei­fall bei der ÖVP. – Abg. Marizzi: Das sind alles nur Plakate!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Hagenhofer, bitte.

 


Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Sie haben es ja selbst gesagt: Auch uns in Österreich geht es mit der Arbeitslosenrate nicht gut. Wir haben die höchste Arbeitslosenrate seit 1945.

Meine Frage: In einer Situation, in der das Wirtschaftswachstum gleich null ist, ist es notwendig, öffentliche Investitionen als Anreiz zu tätigen. Warum liegt Österreich mit 1,1 Prozent an öffentlichen Investitionen an letzter Stelle innerhalb der Europäischen Union?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Darf ich auf einen unverdächtigen Zeugen verweisen: Der Ihnen nahe stehende Generaldirektor der PORR, Pöchhacker, hat gestern in einer Wirtschaftspressekonferenz den Bund mit seinen Investitionen sehr gelobt. Er hat gesagt, die Bauwirtschaft in Österreich ist deswegen relativ gut unter­wegs, weil der Bund in die Infrastruktur enorm investiert. (Abg. Mag. Posch: Das be­antwortet die Frage nicht!)

Und das stimmt: 40 Prozent mehr als in der vergangenen Periode, 1999, für Schiene und Straße. – Das ist unsere Antwort.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nun zum nächsten Fragenkomplex, zur Anfrage 7/M. Herr Abgeordneter Mag. Kogler stellt die Frage.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

7/M

„Wieso kostet den Steuerzahler und die Steuerzahlerin die Anschaffung der Eurofighter rund 2 Milliarden €, obwohl Sie, Herr Bundeskanzler, die Gründung einer Wirtschafts­plattform zur teilweisen oder vollständigen Finanzierung des Abfangjägerankaufes an­gekündigt haben?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Mit den Gegengeschäften, Herr Abgeordne­ter, von 4 Milliarden € werden wir mit Sicherheit den überwiegenden Teil des Kauf­preises, ich würde einmal sagen: zwischen 60 und 65 Prozent, hereinbekommen, denn bei einer Abgabenquote von nicht ganz 45 Prozent – vorsichtig gerechnet – bekommen Sie mit 200 Prozent Gegengeschäft das herein. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundeskanzler! Wie erklären Sie sich dann, dass eine Großzahl der Firmen, die öffentlich als Gegengeschäftspartner genannt wurden, bestreiten, in kolportierter Höhe Gegengeschäfte abzuschließen beziehungsweise überhaupt in einen Gegengeschäftsplan eingebunden zu sein. – Und in diesem Zusammenhang das Zitat des EADS-Chefmanagers, Division Eurofighter, Herrn Aloysius Rauen, es würde nirgends so viel gelogen wie bei Grabreden und bei Gegengeschäften. (Heiterkeit bei den Grünen.)

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Sie reden offensichtlich mit den Falschen, Herr Abgeordneter. Reden Sie mit denen, die wirklich von den Gegengeschäften profi­tieren! (Abg. Öllinger: Mit wem?) Da werden Sie eine ganz andere Antwort bekom­men.

Rauen hat mit Recht öffentlich festgestellt: Österreich hat hervorragend verhandelt und hat vor allem im Gegengeschäftsprojekt mehr herausgeholt als jeder andere ver­gleichbare Kunde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Prähauser, bitte.

 


Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Die von Ihnen ge­nannte Wirtschaftsplattform zur Finanzierung der Abfangjäger hat ja so nicht stattge­funden, denn sonst müsste die Bezahlung dieser Flieger nicht aus dem österreichi­schen Budget erfolgen.

Aus diesem Grund eine zweite Frage an Sie: Sie haben auch gesagt, dass die Be­triebskosten, die in Zukunft ja nicht unbedeutend sind, nicht aus dem Bundesheer­budget bestritten würden. Wie schaut das für die Zukunft aus? (Abg. Dr. Fekter: Herr Präsident! Greifen Sie ein!) Der Luftwaffenchef Wolf sieht darin eine große Gefahr ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Frage ist schon gestellt! – Bitte, Herr Bundeskanz­ler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wie ich dem Abgeordneten Kogler gerade gesagt habe: Natürlich gibt es die Wirtschaftsplattform, wo alle Firmen, die davon profi­tieren, zusammengeschlossen sind. Sie kritisieren ja immer wieder die hohe Abgaben­quote. Wenn wir fast 45 Prozent Abgabenquote haben, dann – rechnen Sie hoch! – sind das bei 200 Prozent 90 Prozent. (Abg. Mag. Kogler: Wer ist in der Plattform?)

Ich bin ja sehr, sehr vorsichtig und rechne daher mit den unmittelbaren Effekten. Und wenn wir da über die künftigen Einnahmen für den Haushalt 60 bis 65 Prozent herein­bekommen, dann ist das, glaube ich, ein absolut sinnvolles Geschäft. – Und bitte, ehrlich gesagt: Über Angelegenheiten des Verteidigungsministeriums sollten Sie sich schon beim zuständigen Minister erkundigen, nicht bei mir.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Machne.

 


Abgeordnete Helga Machne (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Die Überwachungsflug­zeuge sind für Österreich wichtig. Nicht weniger wichtig sind für mich die Gegenge­schäfte im Hochtechnologiebereich – hoffentlich auch für Osttirol.

Meine Frage: Was ist der Mehrwert der EADS, abgesehen davon, dass EADS Best­bieter bei der militärischen Beurteilung war?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Der letzte Satz ist wichtig: dass eben der Typhoon auch wirklich der technisch beste Flieger gewesen ist. – Was übrigens voll­kommen unbestritten ist. Manche kritisieren ja sogar, dass er zu gut ist für den öster­reichischen Gebrauch. Ich bin schon der Meinung: Wenn man etwas kauft, dann soll es eigentlich auch eine vernünftige Investition in die österreichische Sicherheit sein. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Mehrwert, meine Damen und Herren, ist auf zwei Punkten:

Erstens einmal: der wirkliche Einstieg in die europäische Hochtechnologie. Das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt, denn wir werden ja nicht mit den Billigproduzen­ten der Welt mithalten müssen, sondern wir müssen uns spezialisieren. Wir müssen


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viel stärker in die besten Produktschienen hineingehen. Und da bieten uns gerade die europäische Luftfahrtindustrie und die Automobilindustrie entsprechende Möglichkei­ten.

Und der zweite Mehrwert ist: Wenn wir ein solches Gerät kaufen, das von den größten europäischen Armeen in der Zukunft verwendet wird – Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien –, dann ist es doch sinnvoll, dass Österreich bei einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik mitmachen kann und nicht ein ganz anderes Gerät kauft, das in diese europäischen Strukturen nicht einbindbar ist.

Daher glaube ich, dass das sowohl militärisch als auch wirtschaftlich und vom Europa­gedanken her eine richtige Entscheidung ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Scheibner, bitte.

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Durch welche Bestimmungen im Beschaffungsvertrag ist gesichert, dass das Volumen von 4 Milliar­den € an Gegengeschäften auch im vorgegebenen Zeitraum erfüllt wird?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Es gibt den Beschaffungsvertrag, der vom Verteidigungsministerium unterschrieben wurde mit Wirkung ab In-Kraft-Treten des Gesetzes – dort ist dieser Punkt enthalten –, und dazu gibt es ein eigenes Vertrags­werk, ein sehr umfangreiches Vertragswerk, das Wirtschaftsminister Bartenstein mit seinen Beamten ausverhandelt hat – natürlich von Angesicht zu Angesicht mit dem Verkäufer, sonst hätten wir das ja niemals herausverhandeln können. Dort ist minutiös festgelegt, welcher Schritt, welche Überprüfung, welches Controlling innerhalb welchen Zeitraumes eintreten muss, welches Pönale bei Nichterfüllung eintritt.

Wir werden das auch ganz transparent öffentlich darstellen. Jeder wird sich über Inter­netseiten überzeugen können, welche Geschäfte bereits anerkannt sind, welche im Laufen sind. Wirtschaftsexperten werden dies überprüfen und bewerten, denn die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, was mit ihrem Geld geschieht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nunmehr zum 8. Anfragekomplex, zur Anfrage 5/M der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé an den Bundeskanzler. – Bitte, Frau Abgeordnete, formulieren Sie die Frage.

 


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Meine Frage lautet:

5/M

„Planen Sie im Rahmen der im Regierungsprogramm vereinbarten Änderungen im Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrecht der öffentlich Bediensteten auch Sonderrege­lungen für den Exekutivdienst?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Wir arbeiten jetzt auf drei Schienen:

erstens im Rahmen des neuen Mitarbeiterrechts des Bundes;

zweitens sollen im Rahmen der Schwerarbeiterregelung, die Herbert Haupt als Gene­rationenminister verhandelt, besonders gefährdete Berufsbilder anerkannt werden;


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und drittens wollen wir bei der Harmonisierung der Pensionssysteme Wert darauf legen, dass diese Gedanken in einem Lebensarbeitszeitmodell auch Platz finden.

Also: Alle drei Schienen sollen zu dem gewünschten Ziel führen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass die Exekutivbeamten im Rahmen der öffentlich Bediens­teten eine besondere Stellung haben: Sie haben einen besonders gefährlichen Beruf. Glauben Sie nicht, dass es notwendig ist, dieser Besonderheit des Berufes auch durch eigene Bestimmungen im Besoldungsrecht Rechnung zu tragen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ja. – Wobei noch die Frage offen ist: Sollen diese besonderen Bestimmungen in einem Gesamtgesetz, in einem Bundesmitarbei­tergesetz, wo dann eben besondere Einzelteile aufgeführt sind, Platz haben, oder soll ein eigenes Gesetz gemacht werden? Darüber werden wir uns sicherlich im Parlament noch unterhalten. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundeskanzler! Wie soll die Harmonisie­rung der Pensionssysteme funktionieren, wenn im Entschließungsantrag der Regie­rungsparteien schon von Beginn an, abgesehen von den Sonderregelungen bei den Politikerpensionen, wieder festgeschrieben ist, berufsständische Spezifika bei Ge­werbe und Bauern und berufsspezifische Notwendigkeiten bei den Beamten sollen einen eigenständigen Weg garantieren. Wie kann da eine Harmonisierung stattfinden?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter, so ist es aber nicht ge­meint. (Abg. Öllinger: Es steht so drinnen!) Nein, so ist es nicht gemeint – das ist jetzt Ihre Interpretation! –, sondern es soll eigentlich gesichert sein, dass wir auch in den berufsspezifischen Bereichen genauer unterscheiden. Es versteht doch kein Mensch, dass heute zum Beispiel Bauern oder Selbständige eine andere Vermittlungsnotwen­digkeit haben als Arbeiter oder Angestellte. Das muss natürlich harmonisiert werden.

Es muss aber auch umgekehrt gesichert sein, dass Schwerarbeiter nach berufsständi­schen oder berufsspezifischen Notwendigkeiten die Chance haben, etwa früher in Pension gehen zu können, ohne jetzt auf die völlige Unvermittelbarkeit warten zu müssen. – Das ist der Grundgedanke, und den halte ich für vollkommen richtig.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Parnigoni, bitte.

 


Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Ich halte es für absolut richtig, dass der verantwortungsvolle und schwere Dienst der Exekutivbeamten, die notfalls auch ihr Leben für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger einsetzen müssen, bei der Pensionsfrage entsprechend berücksichtigt wird. Sie sind aber bei der Beantwortung der Frage der Kollegin Partik-Pablé ausgewichen und haben nicht klar geantwortet. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er hat meine Frage beantwortet!)

Ich frage Sie daher ganz konkret: Planen Sie ein Exekutivdienstgesetz für die Kollegin­nen und Kollegen in diesem Bereich?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Die Frage der Frau Abgeordneten Partik-Pablé habe ich sehr präzise beantwortet.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Kapeller, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Ein Lebensarbeitszeitmodell bei der Exe­kutive ist notwendig, Harmonisierung ist aber das Zukunftsthema bei den Pensionen. Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Wie beurteilen Sie den Fortschritt bei den Gesprä­chen mit den Sozialpartnern zur Harmonisierung der Pensionssysteme?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wir haben den Entschließungsantrag des Hohen Hauses sehr ernst genommen. Vizekanzler Haupt und ich haben sofort mit den Sozialpartnern Gespräche aufgenommen, die eigentlich sehr ermutigend verlaufen. Wir haben auch Expertengruppen eingesetzt, die jetzt über den Sommer die Eckpunkte und die konkreten Umsetzungsschritte erarbeiten sollen.

Wenn ich das Ziel außer Streit stellen darf, haben wir uns darauf geeinigt, dass wir ein beitrags- und leistungsorientiertes System wollen, wo 65 das Zieljahr sein wird, ab dem man in Pension gehen kann, 45 Jahre, und dies soll zu 80 Prozent des Durchschnitts des Einkommens mit entsprechender Aufwertung führen. Da arbeiten wir jetzt weiter, und im Herbst werden wir sicherlich Konkreteres präsentieren können.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit haben wir die 8. Anfrage beantwortet.

Wir kommen zur 9. Anfrage der Abgeordneten Heinisch-Hosek. Bitte, Frau Kollegin, formulieren Sie die Frage.

 


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

10/M

„Welche konkreten Auswirkungen hatten die Maßnahmen zur Jugendbeschäftigung des so genannten Konjunkturbelebungspaketes September 2002 auf die Jugend­arbeitslosigkeit und den Lehrstellenmarkt?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich habe in einer früheren Frage schon ver­sucht, darauf einzugehen. Wir haben eine Steigerung der abgeschlossenen Lehrver­träge um 1,5 Prozent. Wir haben die Lohnnebenkosten für Lehrlinge deutlich abge­senkt. Wir haben jetzt etwa 7 490 Jugendliche in JASG-Maßnahmen und noch einmal 10 275 Jugendliche im Sonderprogramm in Beschäftigung.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Wie erklären Sie sich dann die Tatsache, dass, basierend auf den Daten des AMS und den „Zuckerln“ für die Wirtschaft, wenn ich das so sagen darf, die Zahl der Arbeit suchenden Jugend­lichen – wir müssen ja die, die in Maßnahmen sind, eigentlich dazurechnen – Monat für Monat steigt, während das Lehrstellenangebot in Wirklichkeit um über 3 Prozent ge­sunken ist?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Sie müssen aber genau schauen, wo es ge­sunken ist. Die wirklichen Probleme haben wir in Wien. (Beifall bei der ÖVP. – Wider­spruch bei der SPÖ.) Das stimmt! Das ist einfach so. Oder in den Städten; so können Sie es auch sagen. Das Problem ist tatsächlich, dass wir zum Beispiel im Westen Österreichs mehr angebotene Plätze haben als Jugendliche. Daher muss man ganz nüchtern sehen: Wir haben hier eine Ungleichzeitigkeit, und wir nehmen dieses Thema


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sehr ernst und arbeiten mit den Sozialpartnern da sehr eng zusammen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Turkovic-Wendl, bitte.

 


Abgeordnete Ingrid Turkovic-Wendl (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Wir liegen bei der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen in Österreich in puncto Arbeitnehmer mit 28 Prozent ganz, ganz weit hinten. Der Schnitt in Europa beträgt 38 Prozent. Schön wäre es, wenn es bei uns wie in Schweden wäre: dort sind es 66 Prozent!

Welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung besonders für die älteren Arbeitneh­mer?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete! Es ist immerhin schon eine Steigerung um 2 Prozent innerhalb der letzten beiden Jahre zu verzeichnen, und die Maßnahmen sind: Lohnnebenkostensenkung für die Älteren, und zwar massive, deutliche Senkungen, Recht auf Qualifikation und, so glaube ich, insgesamt ein Be­wusstseinswandel. Wir haben auch am 1. Mai ganz bewusst versucht, die Wirtschaft einzubinden und für dieses Thema des Marktes und der Bedürfnisse älterer Arbeitneh­mer zu interessieren, und ich glaube, das beginnt zu wirken.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dolinschek, bitte.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Wie schaut die österreichische Jugendbeschäftigung im internationalen Vergleich aus?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hervorragend! Wir sind unter den besten drei. Ich glaube sogar, in der letzten Statistik könnten wir uns auf Platz 2 vorgearbeitet haben, also wir sind hier absolut gut. Aber wir sollen nicht nur auf die anderen schauen, sondern wir müssen auch genau überlegen, was wir selbst noch besser machen können. Aber international stehen wir gut da. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Aber nur in der Statistik!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mandak, bitte.

 


Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Herr Bundeskanzler! Trotzdem ist es so, dass allein in Österreich 3 500 Jugendliche eine Lehrstelle suchen. In Oberösterreich hat die Jugendarbeitslosigkeit im letzten Jahr um 48,6 Prozent zugenommen, also mehr als in Wien. Glauben Sie trotzdem, dass Sie eine erfolgreiche Jugendarbeitsmarktpolitik machen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Sicher, Frau Abgeordnete. Gerade der Blick über die Grenzen beweist, dass sich Österreich in einer sehr schwierigen wirtschaft­lichen Situation hier erstklassig behauptet. Das ist keine Frage, das ist objektiv über­prüfbar. Trotzdem denken wir jeden Tag darüber nach: Was können wir ganz konkret tun, um Jugendlichen den Einstieg in eine Ausbildungschance oder in einen Betrieb zu ermöglichen? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit haben wir die 9. Anfrage erledigt und kommen zur 10. Anfrage, die Frau Abgeordnete Dr. Wolfmayr an den Herrn Bundeskanzler stellt. – Bitte.

 


Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Ich möchte Sie fragen:


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3/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie, um die österreichische zeitgenössische Kunst inter­national bestmöglich zu positionieren?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Teilnahme an den internationalen Buchmes­sen – Frankfurt, Leipzig –, Teilnahme an den großen Biennalen – Venedig, Sao Paulo, jetzt auch Shanghai beispielsweise.

Ein besonderer Schwerpunkt, den Kulturstaatssekretär Franz Morak sehr stark ins Zentrum gerückt hat, ist die Architektur. Wir haben eine ganze Reihe von Architektur-Präsentationen, die international Furore machen. Wir haben die große Ausstellung „Design Now Austria“ in Japan, in Hongkong, in Australien. Wir haben im Kulturforum New York eine große Architekturausstellung gehabt. In Paris wurde die Vorarlberger Bauschule präsentiert.

Wir haben im Bereich der bildenden Kunst einige wichtige Akzente gesetzt – und vor allem auch in der Verlagsförderung einige Impulse. Dort ist es besonders wichtig, denn dort schaut es für einen kleinen Markt wie Österreich nicht gerade beruhigend aus.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Meine Zusatzfrage: In welcher Form wird das Werk Bruno Gironcolis, das ja als Österreich-Beitrag bei der Biennale große Aner­kennung gefunden hat, künftig museal zugänglich gemacht werden?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich persönlich habe es immer als Schande empfunden, dass diese zum Teil natürlich spektakulären, großen Plastiken und Werke von Gironcoli in irgendwelchen Kammerln oder Abstellräumen untergebracht worden sind, und es ist der Initiative der Frau Landeshauptmann Klasnic und der Familie Her­berstein zu danken, dass ab dem nächsten Jahr eine große Präsentation, eine dauer­hafte Präsentation der Werke von Gironcoli auf Schloss Herberstein möglich sein wird. Das kostet eine Menge, aber ich glaube, das ist es wert, und dieser große Künstler verdient es auch wirklich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mainoni, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundeskanz­ler! Die EU-Erweiterung Richtung Osten ist zweifellos auch für die kultur- und kunst­politische Entwicklung bedeutsam.

Meine Frage lautet: Welche Initiativen im Kunstbereich haben Sie gesetzt, um der be­vorstehenden Erweiterung auch in diesem Zusammenhang Rechnung zu tragen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Franz Morak hat seit dem Jahr 2000 regel­mäßig jedes Jahr Kulturministertreffen und Kulturpolitikertreffen mit den mittel-, ost- und südosteuropäischen Verantwortlichen in Österreich abgehalten, und zwar nicht nur in Wien, sondern auch in Innsbruck, Salzburg und Graz. Ich verweise auch darauf, dass er gerade im Filmbereich, in der „Diagonale“, mit der Ernennung eines Verant­wortlichen einen ganz bewussten Akzent für Südosteuropa gesetzt hat.

Wir bemühen uns für das nächste Jahr, rund um den 1. Mai 2004 einen besonderen künstlerischen Schwerpunkt zu setzen, wo wir, die Länder, uns einfach gegenseitig präsentieren. Ich glaube, die Erweiterung wird dann ein Erfolg werden, wenn wir uns auch neugierig aufeinander machen und nicht nur glauben, das sei ein Projekt der


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Eliten oder der Politiker oder der Diplomaten, sondern das muss selbstverständlich auch ein Projekt der Wirtschaft und auch der Künstler, der Bürgergesellschaft, der lokalen Kolorite werden, diesseits und jenseits der Grenze. Und Franz Morak koordi­niert da eine, glaube ich, recht spannende Initiative.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Glawischnig, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Bundeskanzler! Seit Sie dieses Amt ausüben, sind im Bereich der Repräsentation von österreichischer Kunst und Kultur im Ausland die Mittel massiv gekürzt worden. Es gibt dramatische Einbrüche, Einsparun­gen um die Hälfte und die Schließung von Kulturinstituten.

Welches politische Konzept verfolgen Sie mit dieser Aushungerungspolitik?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Abgeordnete Glawischnig, ich hätte Sie da etwas zeitgemäßer eingeschätzt, denn im Prinzip müssen Sie doch ganz ehrlich sagen: Wenn man zurückblickt auf die frühere Auslandskultur mit den berühmten Kul­turinstituten, dann muss man feststellen, dass da viel Geld in die Erhaltung von Gebäuden hineingeflossen ist.

Ich würde mir gerade von Ihnen erwarten, dass Sie mit mir übereinstimmen, dass heute die Präsentation zeitgenössischer Kunst und Kultur nicht mehr über ein Gebäude im Zentrum von Paris gemacht werden muss. Das findet heute über private Veranstal­tungssäle statt, über Internet, über die modernen Kommunikationsformen. Und dort wird wesentlich mehr Geld eingesetzt als früher!

Die Mittel für die Gebäudeerhaltung, das ist richtig, wurden reduziert, mit Ausnahme einiger weniger Prestigeprojekte, etwa des Kulturforums New York. Im Bereich der Ge­bäudeerhaltung versuchen wir tatsächlich, die Leistungen eher zurückzunehmen, und zwar zugunsten der lebenden Kunst. Das halte ich auch für richtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Muttonen, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Da Sie sich so für die Förderung der zeitgenössischen österreichischen Kultur einsetzen, würde mich sehr interessieren, warum beispielsweise die Förderungen für das MICA, das für die Förderung und Positionierung zeitgenössischer österreichischer Musik im In- und im Ausland steht, in den letzten Jahren sukzessive um rund 30 Prozent reduziert wurden und warum auch die Förderungen für EU-Projekte eingestellt wurden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Die Projektförderung von gemeinsamen EU-Projekten kann sicherlich nicht reduziert worden sein, ganz im Gegenteil. Im heurigen Jahr ist etwa mit der Kulturhauptstadt Graz ein geradezu spektakulärer zusätzlicher Impuls, übrigens gerade für die Musik, entstanden. Das müssen Sie natürlich auch zu dem jetzt laufenden Kulturbudget mit dazurechnen.

Das ist übrigens auch manchmal ein Problem unserer kulturpolitischen Debatte: dass viele Dinge, die eben gleichzeitig stattfinden, aber nicht ausschließlich im Kunstbudget ihren Niederschlag finden, einfach weggeblendet werden.

 


Gerade heuer, würde ich sagen, geschieht für die zeitgenössische Musik und Kunst wesentlich mehr als früher. Darauf können wir gemeinsam stolz sein, dank Graz. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Präsident Dr. Andreas Khol: Die 60 Minuten der Fragestunde sind abgelaufen, und ich bedanke mich sowohl bei den Fragestellern als auch beim Herrn Bundeskanzler für die kurzen Fragen und die kurzen Antworten. Wir haben es eigentlich selten geschafft, zehn Anfragen in einer Stunde zu beantworten. Ich hoffe, dass das in Zukunft mit allen Regierungsmitgliedern so gut gehen wird.

Einlauf und Zuweisungen

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 GOG auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 397/AB bis 401/AB.

2. Regierungsvorlagen:

Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004 – ZivRÄG 2004 (173 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich sowie die Notariatsordnung geändert werden (174 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Haftungsübernahme für von der Gesellschaft „Österreichische Bundesbahnen“ bei der „EUROFIMA“ (Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial) aufzunehmende Anleihen, Darlehen und sonstige Kredite geregelt wird, geändert wird (175 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Umstellung des Grundbuchs auf automationsgestützte Datenverarbeitung und die Änderung des Grundbuchsgesetzes und des Gerichtskommissärsgesetzes (Grundbuchsumstellungsgesetz – GUG) geän­dert wird (GUG-Novelle 2003) (193 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 11 betreffend „Chancengleichheit gehörloser Menschen im österreichi­schen Bildungssystem“; überreicht von den Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg, Mag. Christine Lapp, Dr. Helene Partik-Pablé und Theresia Haidlmayr,

Bürgerinitiative Nr. 5 betreffend „Chancengleichheit gehörloser Menschen im österrei­chischen Bildungssystem“.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 176/A (E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend: Der Jugend faire Chancen für die Zukunft eröffnen,


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Antrag 182/A der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Schwarzunternehmerbekämpfungsgesetz erlassen wird und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitsmarktförde­rungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsge­setz, das Bundesvergabegesetz 2000, das Fremdengesetz 1997, die Gewerbeord­nung 1994, das Firmenbuchgesetz, die Bundesabgabenordnung, das GmbH-Gesetz, das Strafgesetzbuch, das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden;

Außenpolitischer Ausschuss:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Ständigen Sekretariat des Übereinkommens zum Schutz der Alpen über dessen Amtssitz (177 der Beilagen);

Finanzausschuss:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Jemen über die Förde­rung und den Schutz von Investitionen (178 der Beilagen);

Gesundheitsausschuss:

Antrag 177/A (E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Qualitätskontrolle in Krankenanstalten,

Antrag 178/A (E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines gesamtösterreichischen Qualitätssicherungsplans sowie Schaffung einer bundesweiten Qualitätskontrolle;

Justizausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch zur Umsetzung der Fair Value-Richt­linie geändert wird (Fair Value-Bewertungsgesetz-FVBG) (176 der Beilagen);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 181/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Gewährleistung einer gentechnikfreien Landwirt­schaft und Saatgutproduktion in Österreich;

Verfassungsausschuss:

Gesetzesantrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Unvereinbarkeiten für oberste Organe und sonstige öffentliche Funktionäre geändert wird (135 der Bei­lagen),

Antrag 180/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volkszählungsgesetz 1950 geändert wird;

Verkehrsausschuss:

Protokoll vom 3. Juni 1999 betreffend die Änderung des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 (Protokoll 1999) samt Erklärung der Republik Österreich (46 der Beilagen);

Wirtschaftsausschuss:

Antrag 179/A (E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Missstände im Bereich des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes;


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b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbe­richt 2002) (III-41 der Beilagen).

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Abgeordneten Mag. Mainoni, Gahr, Kolleginnen und Kollegen haben vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 183/A (E) der Abgeordneten Mag. Mainoni, Gahr, Kolleginnen und Kollegen betreffend europäische Regelung der Transitproblematik dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 376/AB

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters teile ich mit, dass das gemäß § 92 GOG gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 376/AB durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Erarbeitung der Kri­terien für die erhöhte Lehrlingsausbildungsprämie durchzuführen.

Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrages verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist weiters vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 7 bis12, 13 und 14 sowie 15 und 16 der Tagesordnung jeweils zusammenzu­fassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen damit in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 9 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 158 Minuten, Freiheitliche 108 sowie Grüne 117 Minuten.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag beitreten, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.


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1. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (110 der Bei­lagen): Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Repub­lik zur Europäischen Union (161 der Beilagen)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu Punkt 1 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Klubobmann Mag. Molterer. 10 Minuten Redezeit. – Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


10.07

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Staatssekretäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dieser Novelle zur Bundesverfassung schaffen wir die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für den Beitrittsvertrag, für den Beschluss des Beitrittsvertrages für zehn neue Mitglieder der Europäischen Union.

Es ist dies ein historischer Schritt, meine Damen und Herren! Es ist dies eine histo­rische Weichenstellung. Es ist dies ein Meilenstein, den wir seitens der Österreichi­schen Volkspartei aus vollem Herzen und mit voller Überzeugung begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich freue mich auf diesen 1. Mai des kommenden Jahres 2004, auf jenen 1. Mai, meine Damen und Herren, der in die Geschichte eingehen wird, weil das jener Tag ist, an dem die Europäische Union die größte, umfassendste und aus meiner Sicht auch poli­tisch bedeutendste Erweiterung dieser Europäischen Union umsetzen wird.

Meine Damen und Herren! Die Bedeutung dieses Schrittes liegt aus meiner Sicht darin, dass Europa durch die Europäische Union Grenzen überwindet, dass diese Euro­päische Union und dieser Geist der Europäischen Union, dieser integrative Geist Europas, letztendlich die Grundlage und die Ursache dafür gewesen sind, dass wir das Jahr 1989 erleben durften, meine Damen und Herren.

Ich halte fest – und das ist aus meiner Sicht eines der ganz großen, historischen Ver­dienste dieses Integrationsgedankens, der der Europäischen Union zugrunde liegt –, dass die Teilung Europas, dieser, ich würde sagen, Irrtum der Geschichte, der drama­tische Folgen für Millionen von Menschen gehabt hat, überwunden werden konnte.

Meine Damen und Herren! Die Österreichische Volkspartei war, ist und bleibt eine Europapartei aus voller Überzeugung. (Abg. Scheibner: Nicht immer!) Ich erinnere daran, dass es der Eintritt der Österreichischen Volkspartei in die Bundesregierung im Jahre 1987 gewesen ist, der diese Beitrittsstrategie Österreichs zur Europäischen Union mit neuem Leben erfüllt hat! Und der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ist untrennbar mit der Österreichischen Volkspartei und vor allem auch mit Dr. Alois Mock verbunden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung setzt klarerweise und konsequen­terweise diesen Europakurs fort. Und wir haben gemeinsam mit der Freiheitlichen Par­tei Österreichs im Arbeitsübereinkommen dieser Bundesregierung ein ganz klares Be­kenntnis zur Europäischen Union und ein ganz klares Bekenntnis zur Erweiterung der Europäischen Union festgeschrieben. Das gilt, das ist unsere Leitlinie, meine Damen


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und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Viele Menschen fragen mich, aber sicher nicht nur mich, sondern auch Sie, meine Damen und Herren: Warum ist diese Erweiterung der Europäischen Union von so großer, ja von historischer Bedeutung?

Meine Damen und Herren! Für uns gibt es vier wesentliche Gründe dafür. Der erste Grund ist: Österreich ist mit dieser Erweiterung der Europäischen Union, mit dieser Erweiterung um zehn neue Staaten wieder dort, wo wir uns immer gefühlt haben, wo uns aber über viele Jahrzehnte hinweg die Geschichte einen Platz verwehrt hat. Wir sind wieder im Zentrum, im Herzen Europas, und nicht zuletzt deswegen wird auch häufig die Bundeshymne zitiert: Wir sind wieder ein starkes Herz inmitten dieses Kon­tinentes. Und es wird an uns liegen, meine Damen und Herren, ob wir diese neue Mög­lichkeit, ob wir diesen Platz mitten im Herzen Europas auch tatsächlich offensiv für unser Land und damit auch für Europa nutzen können.

Ich denke, dass viele Konzepte, vor allem das Konzept der regionalen Partnerschaft, die richtige Antwort auf diese neue Chance sind, und wir werden auch – das sage ich im Bewusstsein dieser neuen möglichen Rolle – getestet werden, ob wir diesen Ansprüchen tatsächlich gerecht werden.

Das ist auch eine neue Chance für den Raum Wien. Und ich erkenne in der histori­schen Perspektive – schon damals wurde diese Bedeutung unterstrichen –, in dieser Dreieckssituation zwischen Wien, Prag und Budapest auch einen Impulsgeber für Europa, und selbstverständlich werden wir diese Chance auch gemeinsam mit Press­burg nützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum zweiten Aspekt, der mir wichtig ist: Mit dieser Erweiterung wächst auch die Stabi­litäts- und Friedenszone, die diese Europäische Union als eines der wichtigsten Ergeb­nisse des Erfolgsprojektes Europa nun auf weitere Länder ausdehnt.

Ich sage Ihnen aus voller Überzeugung: Es wird auch nicht bei der Europäischen Union der 25 bleiben können, nein, Europa wird auch in Zukunft wachsen, die Euro­päische Union wird größer werden. Rumänien und Bulgarien stehen an der Eintritts­pforte, und ich halte es auch für richtig, dass Kroatien in diesen Prozess mit aufgenom­men wird, damit wir diese Zone von Stabilität und Frieden erweitern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist natürlich auch die wirtschaftliche Entwicklung vor diesem Hintergrund zu sehen. Gerade die letzten Jahre haben uns doch gezeigt, dass wir von der Erweiterung auch wirtschaftlich massiv profitieren. Denken Sie nur etwa an die Exportraten! Gerade der Export in diese Länder ist es, der die wirtschaftliche Dynamik Österreichs und damit den Standort beeinflusst und massiv mit bestimmt.

Ich weiß aus meiner früheren Tätigkeit, dass etwa im Bereich der Investitionen im Be­reich Umwelt, die in den neuen Staaten getätigt werden müssen – Stichwort Abwasser, Wasserversorgung –, für unsere Unternehmen eine ganz große Chance besteht. Damit können Ökonomie und ökologische Zielsetzungen auch in Einklang gebracht werden.

Selbstverständlich ist dieses Europa auch eine Zone der Sicherheit. Es ist daher auch im Interesse Österreichs gelegen, dass diese Erweiterung umgesetzt wird.

Das österreichische Interesse und das europäische Interesse bestärken mich darin, massiv, ganz klar und dezidiert dafür einzutreten, dass die Erweiterung im Zeitplan um­gesetzt wird. Meine Damen und Herren! Was Europa stärkt, hilft Österreich. Das muss die Devise in diesem Zusammenhang sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)


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Natürlich ist es richtig und legitim, dass dabei unsere Interessen, die Interessen der Bevölkerung unseres Landes, nicht nur berücksichtigt, sondern auch entsprechend umgesetzt werden. Ich denke, etwa die Übergangsfrist auf dem Arbeitsmarkt ist ein derartiges Interesse; oder die Grenzregionen, oder die Frage der nuklearen Sicherheit, oder, dass historisches Unrecht endlich der Vergangenheit angehört und durch men­schenrechtskonforme Lösungen ersetzt wird. Ich begrüße daher die Erklärung des tschechischen Ministerpräsidenten Špidla ausdrücklich und sehe das als einen ganz wichtigen ersten Schritt, der uns in die richtige Richtung bringt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich danke der Bundesregierung dafür, dass auf Basis des Arbeitsübereinkommens die Erweiterung offensiv angegangen wird. In der Offensivstrategie liegt der Erfolg.

Das gilt – und das sei abschließend gesagt – übrigens auch für das Parlament. Ich denke, meine Damen und Herren, dass neben der Professionalisierung der parlamen­tarischen Arbeit auch die Europäisierung der Arbeit hier im österreichischen National­rat auf der Tagesordnung stehen sollte. Wir müssen uns noch viel mehr als bisher mit der Frage Europa beschäftigen! Wir müssen uns noch viel mehr als bisher mit der Auf­gabe des Nationalrates und der Parlamente für die europäische Integration ausein­ander setzen! Und ich denke mir, dass es gerade in den neuen Mitgliedsländern nicht ausschließlich eine Frage der Regierungen und der Verwaltung sein kann, Europainte­gration zu betreiben, sondern dass das die massive Aufgabe der Parlamente sein muss, damit auch die Bürgerinnen und Bürger auf diesem Weg mitgenommen werden.

Wir in Österreich müssen diesbezüglich Vorbild sein. Daher appelliere ich auch an die Fraktionen, neben der Professionalisierung der parlamentarischen Arbeit auch die Europäisierung dieses österreichischen Parlaments zu unterstützen. (Abg. Dr. Nieder­wieser: Das hältst du nicht aus!) Das ist die beste Investition dafür, Europa bürgerfähig und auch bürgerverständlich zu machen. Diese Aufgabe wird uns niemand abneh­men – wir tragen dafür die Verantwortung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.17

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Auch er hat sich eine Redezeit von 10 Minuten vorgenommen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


10.18

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, die Erweiterung der Europäi­schen Union ist ein gewaltiger, historischer Schritt vorwärts. Und die Frage ist: Worin besteht der historische Charakter dieses Schrittes?

Wir dürfen, glaube ich, nie vergessen, dass die Gründung der Europäischen Gemein­schaft und dann der Europäischen Union einen wesentlichen und tieferen Sinn gehabt hat, nämlich die Wunden, die der Zweite Weltkrieg in Westeuropa geschlagen hatte, zu heilen und über ein Konzept der Integration zu Frieden und Stabilität in Europa zu kommen.

Dieses Modell der europäischen Integration hat sich für Westeuropa in den letzten fünf Jahrzehnten absolut bewährt. Und nach der historischen Chance des Jahres 1989 hat sich die Europäische Union richtigerweise dazu entschlossen, das gleiche Konzept, das für Westeuropa erfolgreich war, nun auch anzuwenden, um die Teilung Europas nach 1945 durch den Eisernen Vorhang zu überwinden, und das gleiche Konzept, nämlich Integration und Kooperation, als Instrument für Frieden und Stabilität anzu­wenden.


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Wir alle – nämlich alle Staaten der Europäischen Union, die heute schon Mitglied sind, und jene Länder, die bald beitreten werden – gehen von der gleichen Hoffnung aus, nämlich dass das gleiche Konzept, das in Westeuropa erfolgreich war, nun auch für einen größeren Teil Europas in Richtung Osten, Südosten und Mitteleuropa erfolgreich sein wird. Garantien für einen Erfolg gibt es nie. Es kommt immer darauf an, was aus diesen Chancen tatsächlich gemacht wird.

Wenn die letzten Monate auch dadurch geprägt waren, dass die Europäische Union darüber diskutiert hat, wie man funktionsfähig bleiben kann, wenn 25 oder in Zukunft gar mehr Staaten Mitglied der Europäischen Union sind, und es dabei auch zu Ent­schlüssen gekommen ist, müssen wir wissen, dass wir uns dabei nicht auf einer gesicherten empirischen Grundlage bewegen, sondern dass die Einigungen, die nach bestem Wissen und Gewissen getroffen wurden, dazu dienen sollen, die Europäische Union funktionsfähig zu erhalten. Aber auch dafür gibt es keine Garantie. Der politische Wille, diese Erweiterung erfolgreich zu gestalten, kann und darf nicht mit dem 1. Mai des Jahres 2004 enden, sondern die Herausforderungen müssen danach ganz ent­scheidend bewältigt werden. Dabei gibt es, so meine ich, einige Fragen, die uns sowohl in Österreich ganz besonders interessieren, die aber auch geostrategisch von entscheidender Bedeutung sind.

Mit dieser Erweiterung der Europäischen Union erleben wir zum ersten Mal auch etwas, was vielleicht in vielen der neuen Mitgliedstaaten zu Diskussionen führen wird. Die Europäische Union ist heute eine hoch integrierte Gemeinschaft mit Wirtschafts­union, mit Währungsunion, mit Binnenmarkt, mit einer Reihe von Wettbewerbsregeln und begleitenden Politiken. All die, die schon bisher Mitglied der Europäischen Union waren, konnten das mitbestimmen und mitgestalten. All die, die jetzt neu dazukommen, steigen natürlich bereits auf einem hohen Entwicklungsstand ein und hatten bei der Gesamtheit dessen, was sich in der Vergangenheit entwickelt hat, keine Mitgestal­tungsmöglichkeit.

Jetzt werden wir das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen können und zurückdre­hen wollen, aber eine Schlussfolgerung müssen wir in jedem Fall daraus ziehen: Die neuen Mitgliedstaaten müssen merken, und zwar möglichst rasch merken, dass sie an der weiteren Ausgestaltung der Europäischen Union auch ein entsprechendes Mit­spracherecht haben. Was heißt das? – Das heißt, dass wir in relativ kurzer Zeit über eine Weiterentwicklung der Europäischen Union nachdenken müssen, damit die neuen Mitgliedstaaten auch mit Recht den Eindruck erhalten, das ist nicht nur ein Haus, in das wir einziehen, sondern das ist ein gemeinsames Ganzes, an dem wir auch tat­sächlich mitwirken können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweiter Aspekt, der, wie ich meine, wesentlich ist, ist der, den Herr Klubobmann Molterer angesprochen hat, als er sagte, das dürfe keine Erweiterung oder Integration nur der Regierungen sein und darüber hinaus gehend der Eliten, sondern auch der Parlamente und, ich nehme an, auch der Bevölkerungen. Ich glaube, dafür gibt es eine gute Grundlage. Ich finde, die Ergebnisse bei den Volksabstimmungen in den einzel­nen Beitrittsstaaten haben doch sehr ermutigende Ausmaße angenommen. Also wenn man in der Vergangenheit Skepsis gehabt hat, ob es zum Beispiel in Polen eine Mehr­heit geben wird, auf Grund einer sehr starken, wenn man so will, rechtspopulistischen Opposition gegen die Erweiterung, wenn es auch hinsichtlich der Mehrheiten in ande­ren Staaten Zweifel gegeben hat, dann, muss ich sagen, hat die Realität gezeigt, dass die Ausmaße der Zustimmung sehr hoch waren, in nahezu allen Staaten bedeutend höher waren als bei den Volksabstimmungen zum Zeitpunkt des Beitrittes Österreichs zur Europäischen Union.

Das ist, glaube ich, ein gutes Zeichen dafür, dass die Bevölkerungen der neuen Mit­gliedstaaten sehr wohl erkennen, was die gemeinsame Zielsetzung ist und wohin sie


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sich in Zukunft orientieren werden und orientieren wollen. Auch das ist eine große Chance, die wahrzunehmen ist, denn all diese Grundlagen, die heute vorhanden sind, werden wir noch brauchen, um die Probleme zu lösen, die vor uns liegen. Und die Probleme sind und bleiben gravierende.

Wir werden in den mittel- und osteuropäischen Staaten selbstverständlicherweise auch einen ökonomischen Transformationsprozess haben. Man braucht sich nur anzu­schauen, wie hoch der Anteil der landwirtschaftlichen Produktion in Westeuropa heute ist und wie hoch er nach wie vor in den mittel- und osteuropäischen Staaten ist. Da wird es eine ganz grundsätzliche Veränderung der Wirtschaftsstruktur geben, mit den damit verbundenen Problemen.

Wir werden ein zweites Problem haben: dass auf Grund des Wohlfahrtsgefälles zwi­schen den heutigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den neuen Mitglied­staaten dieses neue Europa nicht nur größer und nach außen hin auch stärker wird, sondern dass auch der Wettbewerbsdruck innerhalb der Europäischen Union zuneh­men wird, weil Menschen mit ähnlicher Qualifikation in Österreich oder in Deutschland oder in Frankreich über eine ganz andere Einkommenshöhe verfügen, als das heute in Tschechien, in Ungarn oder in den baltischen Staaten der Fall ist. Da soll man sich keinen Illusionen hingeben. Das wird zu einem Zunehmen des Wettbewerbsdrucks führen.

Es wird zum Dritten die Herausforderung geben, dass sich auch viele Konzernzentra­len überlegen, wo sie sich in Zukunft in Europa ansiedeln werden, und es wird natürlich auch der Steuerwettbewerb verschärft werden. Ich verweise nur darauf, dass in der Slowakei vor kurzem die Regel 19/19/19 beschlossen wurde, das heißt: 19 Prozent Mehrwertsteuer, 19 Prozent Körperschaftsteuer und 19 Prozent Einkommensteuer. Das heißt klarerweise, dass es auch auf der Ebene der Besteuerung einen enormen Wettbewerb in dieser erweiterten Europäischen Union geben wird.

Man könnte die Liste dieser Herausforderungen fortsetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Zum Thema Verkehr und Transit wird heute sicher noch bei der Dringlichen Anfrage gesprochen werden. Aber wir müssen uns nicht vor diesen Her­ausforderungen fürchten. Ich sage nur, wir müssen die jetzt gute Stimmung sowohl in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union als auch in den neu beitretenden Staaten dazu verwenden, um die anstehenden Herausforderungen auch wirklich zu bewältigen, denn nur dann wird letztendlich die Erweiterung der Europäischen Union ein Erfolg für alle Teilnehmenden sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es besteht für die österreichische Sozial­demokratie überhaupt kein Zweifel an der Richtigkeit und Wichtigkeit des Projektes der Erweiterung der Europäischen Union. Die SPÖ als eine Partei europäischer Gesin­nung, die vorbehaltlos zum Projekt der europäischen Integration steht, wird diesen Pro­zess nach Kräften unterstützen und mittragen. Ich möchte aber gleichzeitig sagen, dass all das, was wir hier im österreichischen Nationalrat in einem Entschließungsan­trag der Parlamentsparteien zur Vorbereitung der Erweiterung der Europäischen Union vereinbart haben, bis zum heutigen Tag noch nicht zu 100 Prozent eingelöst ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang die Kollegen der anderen Fraktionen an das erinnern, was wir vereinbart haben.

Wir haben vereinbart, im Zusammenhang mit der Erweiterung der Europäischen Union eine große Infrastrukturoffensive in Richtung Norden, Osten und Südosten durchzufüh­ren, um die Verkehrsanbindung zu den Beitrittsstaaten zu verbessern. – Diesbezüglich ist leider, seit wir diesen Antrag beschlossen haben, relativ wenig geschehen.

Wir haben uns geeinigt, dass wir in Österreich eine Qualifikationsoffensive für die österreichischen Arbeitnehmer brauchen, damit es für sie auf Grund des gestiegenen


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Wettbewerbsdruckes in der erweiterten Europäischen Union auch bessere Chancen geben wird. – Auch auf diesem Sektor ist leider relativ wenig geschehen.

Wir haben uns auch darauf geeinigt, spezifische Programme für die österreichischen Grenzregionen zu erarbeiten, damit nämlich der Übergang ins erweiterte Europa, wie heute in einer Zeitung der Bürgermeister von Gmünd richtigerweise sagt, diese letzte Chance auch tatsächlich wahrgenommen werden kann. – Auch bei diesen grenzüber­greifenden und Grenzlandprojekten gibt es bis zum heutigen Tag relativ wenig Konkretes.

Das heißt nicht, dass alles verloren ist, das heißt nur, dass, wenn jetzt die Erweiterung der Europäischen Union am 1. Mai des nächsten Jahres kommen wird, all das, was bisher nicht geschehen ist, eben dann parallel zum Erweiterungsprozess stattfinden muss. Nur wäre es eine völlige Illusion, zu glauben, dass man, wenn jetzt die Erweite­rung vollzogen wird, all das vergessen kann, was – das haben wir richtigerweise gemeinsam erkannt – die Begleitmusik der Erweiterung auch in Österreich darstellen sollte. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch eine politische Be­merkung zum Schluss machen. Herr Abgeordneter Molterer hat gesagt, wir konnten die Rolle, die wir wahrnehmen wollten, nicht wahrnehmen, weil sie uns von der Ge­schichte versagt geblieben ist. – Herr Abgeordneter Molterer! Geschichte ist nicht etwas, was nur geschieht, Geschichte wird gestaltet und geprägt von politischen Akteu­ren, von politischen Parteien, von Bewegungen, von Menschen. Und dass die Ge­schichte des 20. Jahrhunderts von seinem Beginn bis zu seinem Ende mit allen Höhen und vor allem auch den fatalen Tiefen so ausgesehen hat, wie sie ausgesehen hat, das war für Österreich nicht nur ein erlittener Teil, sondern Österreicherinnen und Öster­reicher haben sich sehr aktiv daran beteiligt.

Wenn wir heute die Chance haben, mit der Erweiterung der Europäischen Union nicht einen Schlussstrich unter die Geschichte des 20. Jahrhunderts zu ziehen, sondern ganz im Gegenteil eine Ouvertüre, eine Neueröffnung eines größeren Europas des 21. Jahrhunderts zu vollziehen, dann sollten wir einige der Fehler, die unsere Vorfah­ren im 20. Jahrhundert begangen haben, nicht mehr begehen. Dann werden wir die Chancen der Erweiterung auch wirklich wahrnehmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


10.32

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Beschlussfassung dieses Bundesverfassungsgesetzes setzen wir einen weiteren Schritt, einen formalen Schritt in Richtung Umsetzung der Erweiterung der Europäischen Union. Ich darf das gerade auch für meine Fraktion sagen, die Regierungsparteien – und zumindest jetzt, das war nicht immer so –, alle politischen Parteien im österreichischen Parlament bekennen sich zum Projekt eines gemeinsamen, eines geeinten, eines friedlichen Europas. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben auch immer gesagt, dieses Europa ist mehr als die damals bestehende Europäische Gemeinschaft, als die jetzt bestehende Europäische Union, sondern dieses Europa ist eine Wertegemeinschaft gegründet auf eine jahrhundertelange Ge­schichte, auf eine Vielfalt der Völker und Kulturen, aber zumindest in den letzten 50 Jahren auch gegründet auf dem Versuch, unabhängig von der vielfältigen Ge-


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schichte der Nationen, der vielfältigen Schicksale der Völker die Zukunft gemeinsam zu gestalten. Dieses Projekt und damit auch das Projekt der Vergrößerung des institutio­nellen Europas ist, wie ich meine, gerade für Österreich von ganz besonderer Bedeu­tung.

Wir haben uns immer zu diesem gemeinsamen Europa bekannt. Deshalb bekennen wir uns auch grundsätzlich zum Projekt der Erweiterung der Europäischen Union. Für uns war es aber auch genauso wichtig, dass wir bei diesem Erweiterungsprozess auch die Interessen Österreichs und unserer Bevölkerung berücksichtigen, so wie das selbstverständlich jedes andere Land der Europäischen Union im Hinblick auf seine eigenen Interessen und die Interessen der eigenen Bevölkerung tut. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, dass wir selbstverständlich von diesem gemeinsamen Europa profitiert haben und auch in Zukunft profitieren werden: im wirtschaftlichen Bereich, im regional­politischen Bereich, wenn ich nur an unsere Ziel-1-Gebiete denke, im Bereich der Qualitätsstandards, ob das im Produktionsbereich oder etwa im Umweltbereich ist – wir merken, wenn wir international unterwegs sind, den Unterschied gerade in diesem Bereich, ob ein Land Mitglied der Europäischen Union ist oder nicht –, aber und viel­leicht vor allem auch im sicherheitspolitischen Bereich.

Es wurde schon gesagt, am Beginn dieses europäischen Einigungsgedankens standen das Ziel und der Wille, in Europa keinen großen Krieg mehr zwischen europäischen Nationen zuzulassen. Es ist zwar nicht gelungen, wenn wir gerade an die neunziger Jahre denken, Kriege in Europa zu vermeiden, aber es ist doch wenigstens gelungen, sicherzustellen, dass zwischen den Mitgliedern der Europäischen Union Kriege, militä­rische Konflikte unmöglich geworden sind. Das ist eines der Jahrhundertprojekte, die diese europäische Einigung auch für uns und für die Zukunft gebracht haben. Und deshalb ist es auch aus sicherheitspolitischen Gründen notwendig, dieses Projekt und dessen Erweiterung zu unterstützen.

Wenn ich einige der Kandidatenländer hernehme, etwa das Baltikum, dann, muss ich sagen, ist es ein sicherheitspolitisches Signal, dass erstmals auch ehemalige Länder der Sowjetunion jetzt Mitglied in dieser europäischen Familie werden können. Dann ist das ein Signal, dass eines der großen ungelösten sicherheitspolitischen Probleme, wie etwa jenes von Zypern, jetzt endlich eine Chance auf Lösung hat. Und es war das richtige Signal Europas, dass gesagt worden ist, wir werden nicht einen Teil dieser ge­teilten Republik in die Europäische Union, die Gemeinschaft der europäischen Staaten aufnehmen, sondern nur die gesamte Nation, Gesamtzypern, und wir verlangen eine Lösung dieses Problems, wo sich Politiker beider Seiten über viele Jahre eigentlich ganz bequem auf dem Status ausgeruht haben, wenn ich das hier so salopp sagen darf, und wir auch lange nach Ende des Kalten Krieges in Europa eine geteilte Repub­lik akzeptieren mussten. Auch hier durch diese Erweiterung eine Chance für die betref­fende Bevölkerung in dieser Region auf eine Lösung.

Meine Damen und Herren! Aber ich glaube, dass wir noch vieles an Hausaufgaben zu leisten haben werden, um allen Zielen eines funktionierenden, geeinten Europas auch wirklich zum Durchbruch zu verhelfen, etwa bei den Institutionen. Es wurde schon gesagt, die Europäische Union ist noch lange nicht so weit, in Wahrheit auch auf diese Erweiterungsrunde Rücksicht zu nehmen und vorbereitet zu sein. Wenn wir uns vorstellen, dass das nach wie vor ungelöst ist – es sind zwar im Verfassungskonvent der Europäischen Union einige Leitlinien gesetzt worden, auch bei den letzten EU-Gipfeln, aber eine Lösung für diese Erweiterung, was die Entscheidungsmechanismen anbelangt, was die internen Verwaltungsprozesse anbelangt, haben wir noch nicht auf den Tisch bekommen. Ich erwähne nur die Rahmenbedingungen für die Erweiterung, die auch für uns von ganz besonderer Bedeutung sind und auch eine Bedingung für


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unsere Zustimmung zu diesem Erweiterungsprozess gewesen sind, etwa eine Lösung bei der Freizügigkeit der Arbeitskräfte. Ich bin sehr froh darüber, dass wir infolge einer siebenjährigen Übergangslösung heute die Möglichkeit haben, der Bevölkerung zu sagen: Wir haben auf eure Sorgen Rücksicht genommen, dass es durch die Erweite­rung möglicherweise zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit in Österreich kommen könnte.

Es war für uns wichtig, dass wir im Verhandlungsprozess auch die Interessen der österreichischen Bevölkerung etwa angesichts der Gefährdung durch grenznahe Atom­kraftwerke berücksichtigt und durch die Einrichtung des Melker Prozesses auch da einen Weg zu einer gemeinsamen Lösung geschaffen haben. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist für uns notwendig – und das ist eine offene Frage –, dass wir unserer Bevölke­rung auch etwa bei der Frage des Transits signalisieren, dass wir ihre Sorgen und die täglichen Nöte auch berücksichtigen und dass wir bei aller Liberalisierung der Ver­kehrswege in Europa fordern werden und fordern müssen, dass auch die Europäische Union ihre Verantwortung wahrnimmt, wenn es darum geht, den Schutz der Bevölke­rung vor Lärm und Verkehrsbelästigung zu garantieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da kann auch nicht akzeptiert werden – da fehlt es auch noch an Bewusstsein bei den Vertretern der einzelnen Nationen im Europaparlament –, dass die Volksvertretung der europäischen Bevölkerung so nonchalant über die Anliegen der Bevölkerung eines Mit­gliedslandes hinweggeht und mit Abstimmungen und Entschließungen dort genau in die andere Richtung geht.

Solange dieses Bewusstsein im Europäischen Parlament nicht vorhanden ist, nämlich dass man die Sorgen aller Länder berücksichtigen muss, wird es notwendig sein, dass die nationalen Parlamente und die nationalen Regierungen, damit auch die österrei­chische Bundesregierung, auf die Sorgen und Ängste der eigenen Bevölkerung Rück­sicht nehmen und diese bei den Vertragsverhandlungen und einzelnen Diskussionen in den Institutionen entsprechend einbringen – und das betrifft auch die Frage, welche Materien in Zukunft weiter dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegen müssen; auch das ist für die Zukunft ein wichtiges Thema. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Letztlich geht es auch darum, die Menschenrechtsstandards in der Europäischen Union zu unterstützen. Ich habe nicht verstanden, dass man auch in Österreich der Meinung ist, dass man nur deshalb, weil man die Anliegen eines Teiles oder der ge­samten österreichischen Bevölkerung vertritt, irgendetwas blockiert, dass man deshalb eine anti-europäische Gesinnung unterschreibt.

Meine Damen und Herren! Im Gegenteil! Ich glaube, dass dieses gemeinsame Europa, auch das geeinte Europa, das vergrößerte Europa, nur dann eine Zukunftschance hat, wenn es auch vom Bewusstsein der Bevölkerung in diesen Ländern getragen ist – und nicht nur von Institutionen, Politikern, von medialen Meinungen und der Bürokratie in den Institutionen und in den Ländern. Wir schaffen dieses Europabewusstsein nur dann, wenn wir der Bevölkerung signalisieren, dass wir ihre Sorgen und Wünsche ernst nehmen, dass wir auch in Europa und gegenüber Europa Volksvertreter sind – nicht Institutionenvertreter. Dieser Aufgabe und dieser Verantwortung haben wir uns in Österreich und als Österreicher in der Europäischen Union zu stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da ich von den Menschenrechten gesprochen habe: Es ist dies aus unserer Sicht keine Initiative gegen ein Land, wenn wir deren Einhaltung fordern. Es kann doch kein großes Problem sein, wenn wir etwa über die Beneš-Dekrete diskutieren – eine offene Frage, eine bilaterale Frage; wenn man die Europäische Union als Wertegemeinschaft sieht, dann ist es aber auch eine multilaterale Frage –, dass ein demokratisches Land


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wie die Tschechische Republik, die in den letzten zehn, zwölf Jahren eine sehr gute, eine sehr positive Entwicklung gemacht hat, in diesem Bereich einen Schlussstrich unter eine dunkle Seite der eigenen Vergangenheit zieht. Ich glaube und hoffe, dass es bis zur Ratifizierung auch diesbezüglich – erste Signale waren ja positiv – eine Lösung geben wird.

Wir wollen heute mit einem Entschließungsantrag genau diesen Interessen der öster­reichischen Bevölkerung, der Vertriebenen, die dieses Land, nachdem sie Furchtbares mitgemacht hatten, mit aufgebaut haben, nachdrücklich zum Durchbruch verhelfen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich sage es noch einmal: Das ist keine Drohung, das ist kein Ausspielen von Nationali­täten oder Länderinteressen, sondern das selbstverständliche Vertreten von Prinzipien, von Werten (Abg. Mag. Mainoni: Menschenrechte!) – und dazu gehören selbstver­ständlich und an erster Stelle die Menschenrechte. (Abg. Mag. Mainoni: So ist es!)

Meine Damen und Herren! Zum Schluss zur Sicherheitspolitik – als ehemaliger Vertei­digungsminister möchte ich mich, auch wenn meine selbst gewählte Redezeit schon abgelaufen ist, dazu nicht verschweigen. Ich meine, dass das Projekt einer Gemeinsa­men Außen- und Sicherheitspolitik zukunftsweisend sein muss – ohne Scheuklappen, ohne Schranken, jedoch mit der entsprechenden Bedachtnahme und Vorsicht, aber auch Konsequenz. Die Europäische Union ist in diesem Bereich aber leider noch nicht so weit, wie wir es uns wünschen würden.

Nach den Erfahrungen des Balkankrieges hat man sehr rasch ein Projekt der gemein­samen Sicherheits- und Verteidigungspolitik initiiert, mit ersten Erfolgen, aber erinnern wir uns nur wenige Wochen zurück: Als es angesichts des Irak-Krieges darum ging, eine einheitliche europäische politische, vielleicht auch militärische Haltung einzuneh­men, waren all die guten Vorsätze einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wieder vergessen. Es gab zwei Blöcke in Europa: die einen, die gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika die Militäraktion im Irak durchführten, und die ande­ren, die dagegen waren.

Wenn wir in Europa es nicht schaffen, Entscheidungsmechanismen und gemeinsame Strukturen auf der politischen und der militärischen Ebene zu initiieren und herzustel­len, dann wird dieses Ziel einer gemeinsamen Sicherheits-, Verteidigungs- und Außen­politik nur auf dem Papier bestehen bleiben.

Aber dabei ist das doch eines dieser Identität stiftenden Merkmale: dass man Solidari­tät bekundet mit den Menschen in Europa, dass man signalisiert: Wenn ein Mitglieds­land der Europäischen Union bedroht ist – egal durch wen oder was –, wird die ge­samte Union, werden alle Staaten dieser Union dem bedrängten Staat und seiner Be­völkerung zu Hilfe kommen, solidarisch und konsequent. Das sollte für die Zukunft das Ziel sein – und dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass dann, wenn in unserem Umfeld Krisenherde entstehen oder Krisen ausbrechen, der dort bedrohten Bevölkerung Unter­stützung gewährt wird.

Man sieht: Das geeinte Europa ist ein wichtiges Projekt, es ist ein großes Projekt, es ist ein schwieriges Projekt. Wir haben in der Vergangenheit viel erreicht, und ich glaube, gerade durch kritische Stimmen, durch die Ablehnung einer oft unbegründeten Eupho­rie schaffen wir es, Schritt für Schritt in Österreich und in den anderen Ländern das Bewusstsein zu schaffen, dass ein gemeinsames, ein geeintes Europa keine Gefahr, sondern eine Chance für die Zukunft darstellt.


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In diesem Sinne bekennt sich auch meine Fraktion – kritisch, aber konsequent – zu diesem Projekt eines friedlichen, eines gemeinsamen, eines geeinten Europas. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung wird eingestellt. – Herr Abgeordneter, bitte.

 


10.47

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal ergibt es sich, dass man seine Rede damit beginnen muss, dass man sich den Ausführungen der Vorredner anschließt. Es besteht auch nach unserer Meinung kein Zweifel, dass wir historische Daten schon hinter uns haben und uns in einer Periode befinden, die spätere Generationen mit dem Etikett „historische Tragweite“ versehen werden: Kopenhagen im Dezember 2002: Abschluss der Ver­handlungen; Athen im April 2003: Unterzeichnung der Verträge; jetzt der beginnende Ratifizierungsprozess und der Abschluss, wenn man so will, der vorläufige Abschluss, mit den gemeinsamen Wahlen zum EU-Parlament in einem Jahr.

Der Erweiterungsprozess der EU ist auf Schiene und unaufhaltbar – und so soll es auch sein, das möchte ich der einen oder anderen Kollegin aus dem freiheitlichen Klub mitteilen. Frau Abgeordnete Rosenkranz war sich vorgestern, glaube ich, ziemlich sicher, dass sie heute nicht zustimmen wird; ich hoffe, sie hat es sich inzwischen anders überlegt.

Der Prozess, der hier abläuft, ist etwas, was es, glaube ich, weltgeschichtlich in dieser Form noch nicht gegeben hat. Der Vorspann sozusagen, also das endgültige Fallen des Vorhanges, der 40, 50 Jahre lang Europa getrennt hat – ob er nun eisern war oder nicht –, das, was 1989 begonnen hat, findet nun sein vorläufiges Ende; sein vorläufi­ges Ende, weil ja Bulgarien, Rumänien und andere Länder, insbesondere auf der Balkanhalbinsel, derzeit noch nicht beitreten werden, aber dies zweifellos später tun werden.

Für die drei baltischen Länder, die Herr Klubobmann Scheibner mit Recht hier beson­ders hervorgehoben hat, für Polen, Ungarn, die Tschechische Republik und so weiter, für all diese Länder, die bis vor 14 Jahren im direkten Einflussbereich des sowjetischen Imperiums gestanden sind, ist das ein wesentlicher und, ich möchte das hinzufügen, ein nicht selbstverständlicher Schritt, wenn man bedenkt, dass sie bis vor 14 Jahren auf wesentliche Souveränitätsrechte haben verzichten müssen und nun der Europäi­schen Union beitreten, was ja bis zu einem gewissen Grad formal wieder mit dem Ver­zicht auf Souveränitätsrechte verknüpft ist. Aber trotzdem machen sie diesen Schritt (Abg. Mag. Molterer: Freiwillig!), und das ist nur zu begrüßen und zu unterstützen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Mag. Mol­terer.)

Ich freue mich, dass, wenn ich richtig zugehört habe, keiner meiner Vorredner das Wort „Osterweiterung“ erwähnt hat, sondern „Erweiterung der Union“. Nur zur Erinne­rung: Prag liegt geographisch westlicher als Wien. Und manchmal fragt man sich, ob es nur geographisch so ist.

Hinsichtlich dieses friedlichen Zusammenwachsens eines Kontinents oder von drei Vierteln eines Kontinents – vorläufig – frage ich mich manchmal: Erleben wir das trotz der Verletzungen der vergangenen Jahrhunderte, zuletzt im Zweiten Weltkrieg, oder wegen dieser Verletzungen? Es ist ja nicht so, dass wir nur im 20. Jahrhundert ein­ander die Köpfe eingeschlagen hätten, sozusagen, das war ja in den Jahrhunderten


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davor auch der Fall, wenn auch sozusagen in normalen Kriegen und nicht in der neuen Kategorie des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts. Aber wäre das zustande gekommen ohne diese Erfahrungen?

Diese Frage lässt sich natürlich nicht beantworten, denn es gibt andere geographische Regionen, die über Jahrzehnte ähnliche Erfahrungen gemacht haben, und es geht trotzdem nicht oder zumindest noch nicht. Jeder, der einmal in Israel oder Palästina zu Besuch war, weiß, wie schwierig es ist, mit den beiden Seiten in ein Gespräch über die Frage zu kommen: Wie viel kann man vergessen, wie viel muss man vergessen im wechselseitigen Interesse? Wie gelingt es, dass sich der Hass nicht von Generation zu Generation vererbt?

Ich möchte damit in keiner Weise Europa sozusagen als vorbildlich hinstellen, weil wir alle wissen, wie viel hier nicht funktioniert, aber es wäre schön, wenn in diesen wesent­lichen Fragen auch in anderen Regionen derartige Prozesse in Gang kämen.

Ich habe auch Herrn Klubobmann Scheibner sorgfältig zugehört, wie und in welcher Form er über die Beneš-Dekrete gesprochen hat. Ich glaube, in diesem Ton kann man tatsächlich über diese Frage reden. Es steht außer Frage, dass im Zuge der Vertrei­bungen schwerstwiegende Menschenrechtsverletzungen passiert sind. Ich würde mich aber freuen, wenn dann gerade von österreichischer Seite her im gleichen Atemzug immer dazugefügt werden würde, dass die Vertreibungen nach 1945 natürlich nicht zu­fällig passiert sind, sondern nur verständlich sind vor dem Hintergrund der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Nazis (Abg. Scheibner: Das ist aber keine Rechtferti­gung!) und dessen, was die Nazis in der Tschechoslowakei angerichtet haben.

Zweitens würde ich mich freuen, wenn im gleichen Atemzug auch immer hinzugefügt werden würde, dass derselbe Beneš vor 1938 oder 1939, jedenfalls vor der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Deutschen, eine Politik betrieben hat, die wir alle doch nur vollinhaltlich unterstützen können. Tausenden von Flüchtlingen aus Österreich und Deutschland wurde in der Tschechoslowakei Asyl gewährt, Politikern, Intellektuellen, Künstlern, Autoren, Sozialisten, Kommunisten, Katholiken – you name it. Niemand Geringerer als Thomas Mann hat von der Beneš-Regierung vor der Besetzung der Tschechoslowakei die tschechische Staatsbürgerschaft erhalten, um ihn sozusagen vor dem Zugriff der Nazis zu schützen. – Auch das ist Beneš. Und gerade wir sollten diesen Aspekt hervorheben, wenn wir über die Geschichte nach 1945 sprechen. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Beitrittsländer werden die europäischen Standards in allen Rechtsgebieten über­nehmen, selbstverständlich, im Laufe der Zeit, mit verschiedenen Übergangsregelun­gen und so weiter. Aus der Sicht der Grünen war es immer ein besonders interessanter Aspekt der Erweiterung der EU, dass natürlich auch die umweltpolitischen Standards übernommen werden müssen. Und, nebenbei gesagt, es eröffnen sich auch Ge­schäftschancen für österreichische Firmen im Bereich der verschiedensten Umwelt­technologien.

Aber es werden auch die Menschenrechtsstandards, die Bürgerrechtsstandards, so­weit sie in der jetzigen Europäischen Union festgeschrieben sind, übernommen werden müssen, darunter Punkte wie Medienfreiheit und alles, was mit Meinungsäußerungs­freiheit zusammenhängt.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass in dem den EU-Vorsitz führenden Staat ausge­rechnet ein Ministerpräsident regiert, der in diesen Punkten alles andere als europäi­sches Vorbild, sei es für die EU-14 – außerhalb Italiens –, sei es für die neuen Beitritts­länder, sein kann. Das ist eine Ironie der Geschichte, die später nur eine Fußnote sein wird, nehme ich an, aber ich möchte das ausdrücklich erwähnen, damit nicht der Ein­druck entsteht, die EU-15 würden jetzt in allen wichtigen Bereichen Vorbild sein gegen-


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über den Beitrittsländern. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Wir können uns selbst hin und wieder sozusagen am Ohrläppchen ziehen, was da noch alles nicht in Ordnung ist. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt einige Fragen, die ich noch anschneiden möchte, weil mir da jeweils sozusagen irgendwie die Perspektive zu fehlen scheint: die Wanderungsproblematik. Natürlich wird es neue Wanderungsströme geben innerhalb der erweiterten Union. Niemand weiß genau, wie viele, aber es wird sie geben.

Ich möchte nur daran erinnern – ich bin alt genug, dass ich das selbst noch so einiger­maßen bewusst erlebt habe –: Österreich war in den fünfziger Jahren bis mindestens Mitte der sechziger Jahre ein Netto-Auswanderungsland, nach Deutschland, nach Schweden, nach Kanada, nach Australien, ja sogar bestimmte südamerikanische Län­der waren damals vom Pro-Kopf-Einkommen her reicher als Österreich und daher in­teressante Auswanderungsländer, zum Beispiel Argentinien und Uruguay. Österreich hat das gut überlebt. Es sind damals Hunderttausende Menschen ausgewandert – sie blieben zum Teil Österreicher, zum Teil auch nicht.

In den späten sechziger und in den siebziger Jahren war Österreich ein Netto-Einwan­derungsland, aus verschiedenen Gründen, die wir hier nicht zu rekapitulieren brau­chen. Und insofern hat es mich schon überrascht, dass der Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer eine solch restriktive Position eingenommen haben bezüglich Frei­zügigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Die ursprüngliche Forderung, erst dann Freizügigkeit, wenn 80 Prozent des österreichischen Lohnniveaus erreicht sind, war ja – entschuldi­gen Sie, wenn ich das so sage, meine Kollegen von der Gewerkschaft, die ja in allen Fraktionen vertreten sind – hanebüchen, denn dann hätten ja Griechenland, Italien und Portugal auf der Stelle aus der EU austreten müssen.

Gut, diese Geschichte ist vorbei. Es gibt halbwegs akzeptable Übergangsregelungen, auch wenn sie aus unserer Sicht, aus der Sicht der Grünen, stark übertrieben sind und sich auch in vielen Gesprächen mit den Botschaftern der Beitrittsländer kein Hinweis darauf ergeben hat, dass diese langen Übergangsfristen notwendig sind.

Noch ein Wort zur Ökonomie. Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, dass Österreich in besonderer Weise schon profitiert hat von der so genannten Ost­öffnung seit 1989 und in besonderer Weise von der Erweiterung um die zehn neuen Länder profitieren wird. Das ist richtig. Wir haben das – auch ich selbst – in Diskussio­nen über Chancen und allfällige Gefahren der EU-Erweiterung immer wieder hervorge­stellt. Aber Unbehagen empfinde ich schon, wenn man dieses Argument in den Vorder­grund stellt. Denn was wäre, wenn Österreich nicht diese geographische Gunstlage hätte, würden wir dann gegen die Erweiterung der Union sein? – Sicher nicht, hoffe ich doch. Länder wie Portugal und Spanien haben keine unmittelbaren Vorteile aus der EU-Erweiterung und werden sie trotzdem, wie ich sehr annehme und hoffe, befür­worten.

Ich finde, wir sollten diesen Aspekt nicht zu sehr in den Vordergrund stellen, er hat etwas Krämerisches – ich muss das so sagen – an sich. Stattdessen sollten wir hin und wieder ein Gedankenexperiment machen und fragen: Was wäre beispielsweise 1970 gewesen, wenn damals das Angebot der Führer des – ich sage es immer so – sowjetischen Imperiums gekommen wäre: Wir ziehen uns aus diesen mitteleuropäi­schen Ländern zurück; was seid ihr, was ist Europa bereit dafür zu bezahlen? Hätten wir uns dann wirklich um 0,1 Prozent des BIP gestritten, so wie im Zusammenhang mit der Neugestaltung des EU-Budgets auf Grund des Beitritts der neuen Länder? Hätten wir nicht ein Zehnfaches gerne bezahlt? (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vor­sitz.)


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Wir haben einfach Glück gehabt! Wir haben Glück gehabt, dass das sowjetische Imperium so schnell – in historischen Dimensionen gesehen – implodiert ist. Aber um diese 0,1 oder 0,2 Prozent des BIP, die die Transfers an die Beitrittsländer, die notwen­dig und richtig sind, kosten werden, sollten wir uns nicht ernsthaft streiten.

Wir haben jetzt ein historisches Ereignis vor uns, aber das eine oder andere Unbe­hagen bleibt, weil die Mühen der Ebene noch vor uns liegen. Damit meine ich insbe­sondere die Folgen des Versagens von Nizza. In Nizza ist es seinerzeit nur gelungen, das Allernotwendigste zu beschließen, was die Erweiterung betrifft, wie beispielsweise die Anzahl der Sitze im Europäischen Parlament, die wohl feststehen muss, wenn nächstes Jahr die gemeinsamen Wahlen sind. Aber in vielen anderen Fragen, was die gesamte Entscheidungsfähigkeit, die Entscheidungseffizienz in der alten, geschweige denn in der neuen Union mit 25 Ländern betrifft, war Nizza ein Flop, wie wir alle wissen.

Nur auf Grund dieser übereinstimmenden Einschätzung – mögen auch die offiziellen Reden nachher anders gewesen sein – ist der Konvent, der unter anderem auch die Aufgabe hat, sich zu überlegen, wie die Entscheidungsfähigkeit der Union verbessert werden kann, seinerzeit zustande gekommen, ein Konvent, bei dem im Übrigen, wenn ich recht informiert bin, die neuen Beitrittsländer schon dabei waren und mitzureden berechtigt waren.

Meine Damen und Herren! Die Grünen glauben, dass die Erweiterung richtig, notwen­dig und unerlässlich ist – damit sie wirtschaftlich, politisch, kulturell ein Erfolg wird, liegt noch viel Arbeit vor uns. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen so­wie bei Abgeordneten der ÖVP, der SPÖ und der Freiheitlichen.)

11.02

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

 


11.02

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele meiner Vorred­ner, eigentlich alle, haben darauf hingewiesen, und ich möchte mich dem anschließen: Es ist heute wirklich ein besonderer Tag für das Parlament. Die Erweiterung der Euro­päischen Union ist etwas – so habe ich alle verstanden –, wozu wir mit vollem Herzen ja sagen und wo wir Abgeordnete uns freuen, dass wir hier mit dabei sein können.

Es werden heute mit diesem Verfassungsgesetz die Grundlagen für die Ratifizierung in Österreich, für die EU-Erweiterung gelegt. Die Erweiterung ist eine historische Chance. Sie besiegelt die Zusammenführung des europäischen Kontinents. Die früheren kom­munistischen Länder Mittel- und Osteuropas sind willkommene und gleichberechtigte Partner in Europa.

Jeder von uns, der die Grenze zu einem ehemals kommunistischen Land einmal passiert hat und die Schikanen und den totalitären Machtanspruch am eigenen Leib erlebt hat, muss heute Freude und Befriedigung darüber empfinden, dass die Grund­sätze der Demokratie, der Freiheit, der Achtung der Menschenrechte, der Rechtsstaat­lichkeit und auch der Marktwirtschaft sich letztendlich durchgesetzt haben.

Natürlich gibt es Anpassungsbedarf. Es ist die bislang letzte und auch größte Verände­rung der Europäischen Union, die ja von ursprünglich sechs Mitgliedstaaten auf neun, auf zwölf und dann auf 15 Länder angewachsen ist und nun im Jahre 2004 auf 25 Mit­glieder erweitert wird. Das erzeugt Anpassungsdruck – meine Vorredner haben viel­fach darauf hingewiesen –, und das wird auch sicherlich nicht einfach zu bewältigen sein.


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Es entsteht der weltweit größte gemeinsame Wirtschaftsraum von 500 Millionen Bür­gern. Diese Erweiterung ist für Österreich aus verschiedenen Gründen ganz besonders wichtig. Zum einen, weil wir – wie mein Klubobmann bereits gesagt hat – von der Rand- in die Zentrallage rücken, ins Herz Europas, wie es in unserer Bundeshymne bereits prophetisch vorgezeichnet worden ist. Von den zehn Erweiterungsländern sind vier unmittelbare Nachbarn Österreichs, wir haben 1 300 Kilometer gemeinsame Grenze mit ihnen. Wir haben eine gemeinsame Geschichte, und wir haben, wahr­scheinlich vor allem in Ostösterreich, vielfach auch gemeinsame Vorfahren. Und wir haben eine intensive wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Ich sehe das anders als Sie, Herr Klubobmann Van der Bellen. Ich empfinde es nicht als kleinkrämerisch, wenn Argumente der Wirtschaftlichkeit und des Wirtschaftsraumes vorgebracht werden, weil eine gesunde Wirtschaft die Grundlage für ein ordentliches, schönes Leben ist und wir alle daran arbeiten müssen, dass wir genau diese Lebens­grundlagen für unsere Bürgerinnen und Bürger auch schaffen. Genau das sollten wir eigentlich auch den Ländern Mittel- und Osteuropas zubilligen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der Handel mit den mittel- und osteuropäischen Ländern hat stetig zugenommen. Seit 1995 wachsen die österreichischen Exporte in diese Länder jährlich durchschnittlich um 12,5 Prozent. Die Direktinvestitionen in Osteuropa werden von den österreichi­schen Unternehmen besonders geschätzt: 60 Prozent der österreichischen Direktin­vestitionen gehen genau in diese mittel- und osteuropäischen Länder. Österreich ist in dieser Region der fünftgrößte Investor. Wir sind in Slowenien und auch in Kroatien, das Sie erwähnt haben und das ja hoffentlich auch einmal Teil der Europäischen Union sein wird, überhaupt der größte Investor.

Natürlich gibt es Anpassungsschwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Hier gibt es eine siebenjährige Übergangsregelung. Ich glaube, dass diese für den österreichischen Arbeitsmarkt ausreichend Zeit bietet, sich anzupassen.

Insgesamt gesehen sind durch die Ostöffnung, die Erweiterung mehr Arbeitsplätze geschaffen worden. Diese Angst vor dem Wegfall von Arbeitsplätzen ist zwar verständ­lich, aber weitgehend unbegründet.

Wir als Österreichische Volkspartei haben die Erweiterung immer schon als Chance begriffen, wir waren immer dafür, und wir werden auch heute freudigen und frohen Herzens dafür stimmen. Auch die Österreicherinnen und Österreicher haben die ursprüngliche Skepsis abgelegt, ihre Skepsis ist in Zustimmung und mittlerweile auch schon in Akzeptanz umgeschlagen. Während noch 1998 55 Prozent der österreichi­schen Bevölkerung gegen die Erweiterung waren, waren Anfang 2001 bereits 53 Pro­zent dafür. Das ist eine unglaubliche Veränderung. Die Österreicherinnen und Österrei­cher haben gespürt, dass sich hier eine österreichische und eine europäische Chance bietet.

Uns gibt die Erweiterung Anlass zu Freude, letztendlich gibt es auch keine Alternative dazu. Aus der Vielzahl der Kommentare, die sich mit der Erweiterung beschäftigt haben, hat mir einer besonders gefallen; ich möchte daraus auch zitieren. Hedwig Kainberger hat in den „Salzburger Nachrichten“, so meine ich, die Diskussion auf den Punkt gebracht. Sie hat natürlich auch auf die Risiken dieser Erweiterung aufmerksam gemacht, letztendlich hat sie aber gemeint – das möchte ich zitieren –:

„Bei Fragen wie diesen ist es wie sonst im Leben: Es sind meist jene besser dran, die sich mit Selbstvertrauen, Mut sowie Faszination für Chancen auf Neues einlassen, als jene, die in Anbetracht von Sorgen, Risiken und Problemen zaudern und zurück­schrecken.“


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Ich freue mich, dass alle vier Parlamentsparteien nicht zaudern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.09

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

 


11.09

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Es ist eine herrliche Gelegenheit, anlässlich des heutigen Tagesordnungspunktes ein wenig über künftige Perspektiven, über die Rolle Österreichs in der Europäischen Union zu diskutieren. Es ist klar, dass es hier keine Politik der Positionslosigkeit oder der Mitte geben kann, sondern es ist die Frage, auf welcher Seite wir bei diesen Entwicklungsprozessen stehen werden.

Eine wesentliche Seite wird die sein, dass wir natürlich nicht dafür eintreten können, dass die Europäische Union irgendwann einmal zu einem losen Zollverein verkommt – wobei ich unterstellen möchte, dass das vielleicht das eine oder andere EU-Mitglied aus einer anderen nationalen Überlegung heraus im Hinterkopf hat –, sondern wir müssen eintreten für einen Vertiefungsprozess, der die Europäische Union institutionell diese Erweiterungsprozesse auch wirklich verkraften lässt.

Es ist ein bisschen widersprüchlich, wie sich das im Moment abspielt, aber es geht möglicherweise in die Richtung, dass sich so etwas wie ein Kern in Europa herausbil­det. Und dieser Kern, der sich auch in der politischen Praxis, in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik anhand des Beispieles des Irak-Kriegs und der Ausein­andersetzung mit den Vereinigten Staaten dargestellt hat, dieser Kern scheint Paris und Berlin, Frankreich und Deutschland zu sein – interessanterweise eine rot-grüne Regierung und eine konservative Regierung.

Da muss sich natürlich Österreich die Frage stellen: Was ist unsere Position, wenn sich so ein Kern herausbildet? Verstehen wir uns jetzt im Widerspruch zu diesem möglichen Prozess, oder verstehen wir uns als Vermittler, als Gesprächspartner oder vielleicht sogar als Teil dieses Kerns? Diese Zusammenarbeit zwischen Paris und Berlin drückt sich ja auch im wirtschaftlichen Bereich aus, wenn jetzt begonnen wird, diesen Stabili­tätspakt etwas zu lockern, um damit einen Spielraum für eine Wirtschaftspolitik zu finden, die sowohl die rot-grüne Regierung in Deutschland als auch die konservative Regierung in Frankreich im Moment – so scheint es mir – zu entwickeln begonnen haben. Es handelt sich hierbei um eine Deficit-spending-Politik, mit der sie glauben, die wirtschaftliche Entwicklung, die Beschäftigung optimaler in den Griff zu bekommen.

Da stellt sich diese Frage, und sie hat sich nicht nur in der konkreten Situation des Irak-Krieges gestellt. Darum habe ich für diese Formulierung der „Politik der Mitte“ über­haupt kein Verständnis gehabt, ich konnte sie gar nicht verstehen: Was war der Defi­nitionshintergrund von „Politik der Mitte“, außer dass sie eine Nichtpositionierung dar­gestellt hat, die von niemandem honoriert werden kann? Diese Formulierung ist auch keine Rollenbeschreibung. So wird Österreich natürlich à la longue kein gefragter Part­ner, kein Ort der Begegnung sein, wie es früher der Fall war, als ein nicht allzu großes, aber durchaus bedeutendes Land wie Österreich diese Rolle wirklich erfüllen konnte.

Genauso betrifft das die Form der Integration, wenn ich an die aktuelle Debatte rund um die Äußerungen Silvio Berlusconis denke, der die Verbindung zwischen konservati­ven und rechtspopulistischen Elementen in seiner Politik umsetzt, was andere konser­vative Parteien nicht zugelassen haben. Da denke ich wieder an die Konservativen in Frankreich und in Deutschland, aber ich könnte auch andere Beispiele bringen, die sich frei gemacht haben von den EU-feindlichen Rändern, die für diese rechtspopulis­tischen Elemente keinen Platz haben – Rot-Grün sowieso nicht.


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Das sind so wichtige Elemente, wo man auch Position beziehen muss, denn dieser Ausspruch Berlusconis gegenüber dem Abgeordneten Schultz hat auch ein innenpoli­tisch-rechtspopulistisches Kalkül gehabt, vor allem das, was danach gekommen ist, wie das dann von den Parteifreunden Berlusconis und von Berlusconi selbst gehandlet wurde. Das Gleiche macht ja jetzt sein Staatssekretär für Tourismus, um ja möglichst viele deutsche Urlauber davon abzuhalten, nach Italien zu fahren. Diese Art von Politik hat ja auch wirtschaftliche Konsequenzen sondergleichen. Wenn die „Kronen Zeitung“ Recht behält und die dann alle zu uns kommen, dann habe ich zwar vom österreichi­schen Standpunkt aus gesehen eine gewisse Registrationsbereitschaft, aber trotzdem ist das für die europäische Integration keine positive Entwicklung!

Daher auch Augenmaß bei weiteren Erweiterungsschritten! Es muss einmal verdaut werden, was sich jetzt an Erweiterung abspielt. Es ist die Frage, wie sich dann Europa beziehungsweise Österreich positioniert, wenn es gilt, die Frage zu beantworten, ob es weiter diesen Unilateralismus der Amerikaner geben soll, diese wirtschaftliche Domi­nanz der Amerikaner, vielleicht auch die außenpolitische, militärische Dominanz. Wie stellen wir uns dem? Was für eine Position haben wir dazu? Wird es weiter die „Politik der Mitte“ sein: Österreich als Beobachter, als Kommentator? Wenn die Frau Außen­minister und hin und wieder auch der Herr Bundeskanzler im Außenpolitischen Aus­schuss oder bei anderen Gelegenheiten auftreten, dann hat das meistens so einen journalistischen Charakter. Da wird geschildert, da wird berichtet, da wird dargestellt, aber man kann so schwer herausfinden: Was ist eigentlich der Handlungsspielraum, und was sind die Handlungsziele und das Selbstverständnis und die Rolle, die Öster­reich da erfüllen soll?

Das ist etwas, was, glaube ich, ganz, ganz wichtig ist, nämlich auch im Hinblick auf die Vermittlung gegenüber der Bevölkerung, damit sie sich dann auch damit identifizieren kann, nicht nur mit der Rolle, die Österreich in der Europäischen Union spielt, sondern auch mit dem, was die Europäische Union und Österreich gemeinsam wollen, um sich dieser wachsenden Konkurrenz mit positiven und negativen Auswirkungen global, welt­weit, aber auch in Europa unter den Bedingungen der Erweiterung stellen zu können. Darauf sollte Österreich vorbereitet sein, von der politischen Konzeption her und im Übrigen natürlich auch in arbeitsmarktpolitischer, beschäftigungspolitischer und wirt­schaftlicher Hinsicht. Das sind ja die größten Defizitbereiche, die unsere Kritik hervor­rufen, mit der sich die Regierung in der Öffentlichkeit und hier im Haus noch auseinan­der zu setzen haben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

11.15

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Walch. – Bitte.

 


11.16

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Werter Herr Staatssekretär! Eine besondere Stunde haben wir heute im Plenum des Nationalrates: die Erweiterung der Europäischen Union steht auf der Tagesordnung. (Abg. Oberhaidinger: Danke, Herr Kollege, danke!) – Ich muss euch ja immer ein bisschen aufklären! – Die EU-Familie soll um zehn Mitglieder wach­sen, Europa wächst zusammen. Das ist sicher ein richtiger und wichtiger Schritt in Bezug auf Wirtschaftsverbindungen, Sicherheitsfragen, Umweltfragen und vieles mehr. Österreich hat jetzt die Chance, in der zukünftigen EU speziell mit Tschechien besser zusammenzuarbeiten. Wenn wir jetzt gemeinsam im Boot sind, können wir sie auch besser auf unsere Probleme hinweisen.

Wir Freiheitlichen wären sehr skeptisch gewesen, wenn die Erweiterung sofort und ohne Wenn und Aber durchgezogen worden wäre. Dadurch wäre ein großer Nachteil für die Arbeitnehmer, für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, weil die Lohnunterschiede


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zwischen Tschechien und Österreich ... (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger.) Kol­lege, bin ich am Wort oder du? – Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass die siebenjährige Übergangsregelung für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gekommen ist, weil es kata­strophal gewesen wäre, wenn die Billigstarbeitnehmer aus Tschechien nach Österreich eingereist wären und unsere österreichischen oder oberösterreichischen Arbeitnehmer arbeitslos geworden wären. Dasselbe gilt auch für die Betriebe. (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

Was aber für mich als oberösterreichischen Abgeordneten ganz wichtig ist, sind die Umweltstandards. Wie ihr wisst, kämpfen wir über die Parteigrenzen hinweg gegen das gefährliche AKW Temelin. Leider haben uns die Kollegen und Kolleginnen in der EU aus anderen Ländern in dieser Frage den Rücken gekehrt und nehmen die Interessen der Österreicher nicht mehr wahr. Der Herr Bundeskanzler hat den „Melker Prozess“ in Gang gesetzt, damit die Sicherheitsstandards entsprechend eingehalten werden. Jetzt müssen wir die Möglichkeit beim Schopf packen, die Zeit nützen und über die Partei­grenzen hinweg mit den tschechischen Politikern und mit dem Betreiber weiterverhan­deln, damit dieses Kraftwerk, vor dem die österreichische Bevölkerung in den grenz­nahen Gebieten große Angst hat, stillgelegt wird.

Ganz wichtig bei dieser Erweiterung sind die Transit- beziehungsweise Verkehrspro­bleme. Daher ist es ganz wichtig, die Bahn auszubauen, die Strecke zwischen Linz und Prag; der erste Schritt ist ja schon vollzogen. Wir haben einen guten Infrastrukturminis­ter, der schauen wird, dass dies auch verwirklicht wird.

Ganz wichtig für mich als Mühlviertler ist der Ausbau der ehemaligen B 310, der jetzi­gen S 10; dieser muss zügig vorangehen. Wir sind jetzt dabei, den Verlauf der Trassen festzulegen. Im Bezirk Freistadt gibt es leider eine Fraktion, die ihre eigenen Interessen und nicht die der Bevölkerung vertritt. Es ist leider ein SPÖ-Abgeordneter, der mit Volksbefragungen und vielem mehr versucht, dieses Projekt zu verhindern. Ich ersuche wirklich, gemeinsam mit der Bevölkerung und den Betroffenen, den Zehn­tausenden Tagespendlern, die in den Zentralraum nach Linz pendeln, jetzt endlich diese Linie zu vertreten und das Projekt nicht zu verzögern. Dass diese Interessen der Tagespendler wahrgenommen werden, ist für mich ganz wichtig. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was auch ganz wichtig ist: Wenn jemand wie die Tschechische Republik zur Familie EU dazukommt, dann muss er dafür sorgen, dass menschenrechtswidrige Bestimmun­gen aus seinem Rechtsbestand, die Unrechtsdekrete beseitigt werden.

Die österreichische Bundesregierung ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat ein Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz für die Österreicher geschaffen, und genau das verlange ich auch von den KollegInnen in der tschechischen Regierung: dass ein Topf gegründet wird, aus dem die Vertriebenen eine kleine Entschädigung bekom­men. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.20

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

 


11.21

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst mit ein paar grundsätzlichen Bemerkungen bezüglich dieses Ermächtigungsgesetzes und dieses ersten Schrittes, den wir hier im Nationalrat setzen, für die Erweiterung der EU begin­nen.


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Für uns Grüne ist diese Erweiterung tatsächlich das Friedensprojekt in diesem Europa. Wir haben das auch schon lange, bevor Österreich beigetreten ist, gesagt. Für uns war immer klar, dass Europa mehr ist als diese Europäische Union. Dieses Zusammen­wachsen kostet natürlich auch Geld – das hat schon mein Klubobmann Van der Bellen gesagt –, Geld, das sehr wohl notwendig ist. Es kostet aber nicht nur Geld, sondern es braucht auch Phantasie und Mut, um Dinge, die vorbei sind, vorbei sein zu lassen und um in die Zukunft dieses gemeinsamen neuen Europas des 21. Jahrhunderts zu schauen. (Beifall bei den Grünen.)

Es geht auch darum, die Dinge jetzt gemeinsam anzugehen und nicht mehr zu ver­suchen, gegeneinander aufzutreten, so wie das in den rund 45 Jahren, in denen uns der Eiserne Vorhang getrennt hat, der Fall war. Dies war wirklich keine gedeihliche Zeit, weder für die Menschen im Ostblock noch für die Menschen in unseren Grenz­regionen. Es ist eben notwendig, die Dinge gemeinsam zu tun.

Von unserer Seite her hat es schon seit längerem Vorschläge gegeben, ähnlich wie es zwischen Deutschland und Tschechien 1997 vereinbart wurde, eine gemeinsame österreichisch-tschechische Erklärung zu verfassen, in der jedes Land die Verantwor­tung eingesteht, die es für die Fehler und für die Verfehlungen, die im jeweiligen Land während der NS-Zeit und danach geschehen sind, hatte. Das ist mit dieser deutsch-tschechischen Erklärung gelungen. Und seit damals werden die deutsch-tschechischen Beziehungen gemeinsam aufgearbeitet.

In Österreich ist dies leider nicht geschehen, meine Damen und Herren, und das be­dauern wir sehr. Das hat wohl auch damit zu tun, dass seit dem Jahr 2000, seitdem es diese Bundesregierung gibt, auch die EU-Politik in eine Richtung gegangen ist, die eher das Trennende und nicht die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund gestellt hat. Wir haben das lange und breit immer wieder diskutiert, und ich möchte dafür einen Begriff verwenden, den vorgestern der österreichische Politikwissenschafter Dr. Helmut Kramer beim 70. Geburtstag von Peter Jankowitsch erwähnt hat. Er hat davon gespro­chen, dass es in den letzten Jahren so etwas wie eine „dynamische Stagnation“ gab. Das heißt also, es wurde immer wieder ein Schritt vor und wieder einer zurück ge­macht, aber eigentlich ist nichts weitergegangen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterleh­ner.) Zum Glück gab es die EU, die die Dinge dann doch vorangetrieben hat. Zum Glück gab es doch ein gemeinsames Vorangehen von Seiten der Union, und diese Zusammenarbeit sollten wir auch in Zukunft stärken.

Ich bin jetzt etwas erstaunt gewesen, dass vor mir Kollege Walch ans Rednerpult getreten ist und nicht – wie schon vorher angekündigt – Frau Kollegin Rosenkranz, die ihren Antrag einbringen möchte. Ich habe mir gedacht, vielleicht wollte es die ÖVP nicht, dass der Herr Bundeskanzler dann auf diesen Antrag antworten muss, denn die­ser geht in eine Richtung, die doch weit über das, was im Regierungsübereinkommen festgehalten ist, hinausgeht.

Sollte es dieser Antrag sein, der auch mir schon vorliegt, dann steht darin, dass die Bundesregierung ersucht wird, „bis zur bevorstehenden Ratifizierung ... sicherzustel­len, dass ... eine menschenrechtskonforme Lösung“ mit Tschechien „erzielt wird“. – Im Regierungsabkommen steht nur, dass die Regierung das „anstrebt“, in diesem Antrag aber geht es um ein „Sicherstellen“. Da frage ich mich schon, Frau Rosenkranz, Herr Bundeskanzler: Was haben Sie vor, wenn das bis zur Ratifizierung im Herbst nicht ge­lingt? Was heißt das dann? Wird dann die FPÖ vielleicht doch nicht zustimmen, so wie das Frau Rosenkranz vorgestern angekündigt hat, aber gestern wieder zurückgezogen hat – ich nehme an, heute werden wohl alle zustimmen. (Abg. Mag. Posch: Der „mutige Widerstand“ der Freiheitlichen!) Geht dieses Spiel also weiter? Drohen Sie wieder einmal ein bisschen, und ziehen Sie es dann wieder zurück?


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Herr Bundeskanzler! Warum spielen Sie hier mit? – Der einzige Grund, den ich mir vor­stellen kann, warum Sie da mitspielen, ist, dass Ihnen der eigene Machterhalt um eini­ges wichtiger ist als die gute Nachbarschaft mit Tschechien. Meine Damen und Herren, darum geht es Ihnen anscheinend! (Beifall bei den Grünen.)

Dieser Antrag, den Sie von FPÖ und ÖVP hier gemeinsam einbringen werden, wird die guten Beziehungen zu Tschechien nicht fördern, das kann ich Ihnen schon jetzt sagen.

Viel wichtiger wäre es – und ich bedauere es sehr, dass Sie da nicht mit uns mit­gehen –, jetzt im Sinne dieser deutsch-tschechischen oder tschechisch-deutschen Erklärung von 1997, über die Sie, Herr Bundeskanzler, in Göttweig beim Europaforum am 29. Juni auch mit dem tschechischen Premierminister Špidla gesprochen haben, vorzugehen. Sie haben sehr begrüßt, dass Špidla damals die Gültigkeit der Aussagen der tschechisch-deutschen Erklärung von 1997 auch auf Österreich und jene Deutsch­sprachigen, die zu Österreichern wurden, ausgedehnt hat.

Es würde durchaus Sinn machen, und es wäre auch notwendig, da weitere Schritte zu setzen. Diese wären zum Beispiel – dazu bringe ich einen Antrag ein –, einen gemein­samen österreichisch-tschechischen Zukunftsfonds zu errichten, so wie es ihn mit Deutschland gibt und so wie es Tschechien im Rahmen des Vyšegrad-Abkommens mit allen anderen Nachbarstaaten hat, nur nicht mit Österreich.

Herr Bundeskanzler! Da ist Handlungsbedarf gegeben, und ich hoffe, dass Sie da doch in Zukunft auch mit Ihrem Koalitionspartner weiter gehen werden, denn es ist notwen­dig, gemeinsame Initiativen zu setzen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bringe nun folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ulrike Lunacek, Hannes Bauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der österreichisch-tschechischen Beziehungen im Zuge des Beitrittes der Tschechischen Republik zur Europäischen Union und der Einrichtung eines öster­reichisch-tschechischen Zukunftsfonds

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, die weitere Integration Europas dafür zu nützen, die bilateralen Beziehungen zur Tschechischen Republik, im Sinne der Erklärungen der beiden Regierungschefs Vladimir Spidla und Wolfgang Schüssel, vom 29.06.2003 beim Europaforum in Göttweig, zu verbessern. Die beiden Regierungen mögen durch die Einrichtung eines österreichisch-tschechischen Zukunftsfonds ein Klima der Ver­söhnung herbeiführen, das zur positiven Mitgestaltung Europas beiträgt, damit auch ein vertrauensvolles und gut nachbarliches Miteinander erreicht wird.

*****

Meine Damen und Herren! Das ist der Weg, den wir gehen sollten – und nicht mit einem Antrag quasi wieder Drohungen aussprechen: Wenn Tschechien das nicht tut, dann ... – Was passiert dann? Dann stimmt die FPÖ nicht zu? – Meine Damen und Herren und Herr Bundeskanzler! Ich erwarte von Ihnen hier ganz klare Aussagen. Und ich erwarte von den Freiheitlichen, dass sie sich an diese Erklärung der Bundesregie­rung halten und nicht wieder ständig andere Wege gehen. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie das nämlich tun, dann ist das ein Bruch Ihres Regierungsabkommens, Herr Bundeskanzler und meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Und das müsste wohl Konsequenzen haben. Ich bin neugierig, was dann geschehen wird.


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Es gibt noch einen zweiten Punkt, der in diesem Zusammenhang ein Defizit des Han­delns der österreichischen Bundesregierung aufzeigt. Gerade mit Tschechien waren die Beziehungen in den letzten Jahren nicht gerade einfach, und trotzdem liegt seit zwei Jahren – ich habe das schon ein paar Mal hier angesprochen – ein von den jewei­ligen Ministern unterzeichnetes Abkommen für Grenzgänger und Praktikanten vor. Wir haben in der letzten Legislaturperiode nur eines der beiden in den Ausschuss ge­bracht, dort wurde es dann vertagt; das andere erblickte gar nicht einmal das Licht des Ausschusses. Es ist mittlerweile zwei Jahre her, dass dieses Abkommen unterzeichnet wurde – ein Abkommen, das gerade für die arbeitende Bevölkerung in diesen Regio­nen Besserungen bedeuten würde. Jetzt ist es im März auf der Tagesordnung eines Ministerrates gestanden, von der es wieder heruntergenommen wurde, und seitdem liegt es wieder in irgendeiner Schublade.

Meine Damen und Herren! Gerade im Zuge des Erweiterungsprozesses, im Zuge der Verbesserung der Beziehungen zu Tschechien wäre es doch notwendig, diese Abkom­men einzubringen! (Beifall bei den Grünen.)

Deswegen bringe ich einen zweiten Antrag ein, der lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ulrike Lunacek, Hannes Bauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ratifizierung von zwei Abkommen zwischen Österreich und Tschechien

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechischen Republik über die Beschäf­tigung in Grenzzonen (756 d. B. XXI. GP) sowie das Abkommen zwischen der Repub­lik Österreich und der Regierung der Tschechischen Republik über den Austausch von Arbeitnehmern zur Erweiterung der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse (757 d. B. XXI. GP) zur Ratifizierung vorzulegen.

*****

Meine Damen und Herren! Das sind die Schritte, die gesetzt werden müssen, um die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern zu verbessern – und nicht diese impliziten Drohungen, die wir auch heute wieder hier hören werden.

Herr Bundeskanzler! Ich denke, Sie sind aufgefordert – Sie werden jetzt nach mir das Wort ergreifen –, hier ganz klare Worte zu sprechen, und zwar auch zu Ihrem Koali­tionspartner. Wenn es mit diesen impliziten Drohungen der Freiheitlichen weitergeht, dann, Herr Bundeskanzler, ist das tatsächlich ein Bruch Ihres Regierungsabkommens. Es wird dies die Erweiterung zum Glück nicht gefährden, denn die Zweidrittelmehrheit in diesem Hohen Haus ist gesichert, doch für Ihre Koalition heißt das nichts Gutes. (Beifall bei den Grünen.)

11.30

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Lunacek und Bauer betreffend Verbesserung der österreichisch-tschechischen Beziehungen ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Gleiches gilt für den Entschließungsantrag Lunacek, Bauer betreffend Ratifizierung von zwei Abkommen zwischen Österreich und Tschechien. Die Abstimmung erfolgt nach Ende dieser Debatte.

 


Zu Wort gelangt der Herr Bundeskanzler. – Bitte.


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28. Sitzung / Seite 58

11.31

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst danke ich allen vier Fraktionen, dass sie heute diesem Verfassungsgesetz, das die Ratifizierung ermöglichen wird, zustimmen werden. Das ist, so glaube ich, ein ganz wichtiges Signal auch nach außen. Wir haben immer schon ein etwas eigenartiges ver­fassungsrechtliches Verfahren gewählt, indem wir zuerst ein Verfassungsgesetz be­schließen, um dann nicht einzeln ausweisen zu müssen: was ist am Beitrittsvertrag verfassungsändernd, was ist nicht verfassungsändernd – aber anyway.

Wir haben daher zwei Ratifizierungsschritte zu tun; heute findet der erste statt, und ich freue mich sehr, dass es eine hoffentlich einvernehmliche Zustimmung dazu geben wird.

Die Erweiterung ist längst Realität. Wenn Sie heute einen Europäischen Rat oder einen Ministerrat besuchen, dann haben Sie bereits heute alle 25 Mitgliedsländer rund um den Tisch versammelt. Das heißt, die Erweiterung wird bereits gelebt und ist auf allen Ebenen und Ecken spürbar.

Wir Österreicher sind stolz und ich bin auch persönlich stolz darauf, dass Österreich zum Unterschied von manchen Dingen, die heute hier gesagt worden sind, und auch zum Unterschied von manchen journalistischen Kommentaren, in denen geschrieben und kritisiert wird, Österreich hätte dabei nichts Konkretes gemacht, wir hätten uns eher auf eine Beobachterrolle zurückgezogen, doch einiges zu Wege gebracht hat. Unter unserem Vorsitz im Herbst 1998 – ich war damals Vorsitzender des Allgemeinen Rates – sind die Verhandlungen begonnen worden, haben wir zum ersten Mal mit sechs Kandidaten die ersten Kapitel eröffnet und haben damit eigentlich diesen Zug gestartet, der heute in die Schlussphase – Ratifizierung – tritt und am 1. Mai 2004 seinen Abschluss finden wird.

Ich bin auch deswegen sehr stolz darauf, weil es für uns tatsächlich eine historische Chance ist, die uns geographisch ins Herz Europas bringt, die uns aber auch zum ersten Mal die Möglichkeit eröffnet, mit like-minded countries, die geographisch, kultu­rell, geschichtlich, aber auch prioritätenmäßig in der Sachpolitik vieles verbindet, eine Gruppe zu bilden, dies es bisher nicht gegeben hat. Die Benelux-Staaten haben ihre gemeinsame Kooperation, die Nordic countries haben ihre regelmäßigen Zusammen­künfte und unterstützen einander.

Österreich war in der Union der 15 allein. Wir haben zwar mächtige, große Nachbarn wie Italien, Deutschland, die mit uns punktuelle gemeinsame Initiativen gesetzt haben, aber das ist etwas ganz anderes als eine Gruppe von ähnlich gelagerten, ähnlich großen, gleich großen Ländern, die gemeinsam etwas verändern wollen. Jetzt, mit dieser Erweiterung, haben wir vor allem mit unseren Nachbarländern und in der regio­nalen Partnerschaft mit Polen und Slowenien die Möglichkeit, dass wir auch gemein­sam auftreten können. Das ist in der neuen Union natürlich ein ganz wesentlicher Vorteil, und wir sollten diese Chance, die unsere Außenministerin sehr konsequent vor­bereitet hat, auch wirklich nützen.

In der Union mit 25 Mitgliedstaaten ist selbst ein Großer allein auf ziemlich verlorenem Posten. Er braucht Bündnispartner. Und in dieser neuen Union soll und wird Österreich eine Mitteleuropagruppe mitbilden können, die hoffentlich dann auch in dieser Union sehr viel Positives bewegen kann.

Zweitens: Heute schreibt ein außenpolitischer Kommentator: Österreich hat nichts ge­macht. – Wer sich die Realität ansieht – und ich bitte wirklich, von diesen Wiederholun­gen von immer gleichen Debattenbeiträgen, die nicht heute gekommen sind, aber in den Kommentaren wird das oft wiederholt, wegzugehen –, weiß, dass das Gegenteil der Fall ist.


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In diesen Kommentaren heißt es etwa, wir hätten, außer ein paar Investitionen in der Wirtschaft, in diesem Bereich zu wenige Netzwerke. – Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben zum Beispiel alleine 84 Twinning-Projekte mit den Nachbarländern und mit den Erweiterungskandidaten. Wir haben 84 ganz konkrete Netzwerke, im Rahmen derer wir über unsere Verwaltung, über unser Know-how, über unsere Experience den Beitritts­kandidaten helfen.

Wir haben eine Fülle von grenzüberschreitenden Initiativen. Wir haben überall in Öster­reich entlang der Grenze bilinguale Schulen; man muss sich halt nur der Mühe unter­ziehen, dort einmal hinzugehen. Dort findet übrigens in Schüleraufsätzen eine hervor­ragende geschichtliche Aufbereitung der Zeit des Nationalsozialismus oder der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Es ist eigentlich beglückend zu sehen, dass gerade die junge Generation in einer viel unbefangeneren Art und Weise mit der Zeitge­schichte umgeht, sie als Basis, als Ausgangspunkt nimmt, um Gegenwart und Zukunft zu gewinnen. Das ist eigentlich sehr viel mehr, als man üblicherweise hier wahrnimmt, und das ist nicht etwas, was die Regierung anschafft. Wir unterstützen natürlich solche Projekte, aber das sind Dinge, die von unten her wachsen.

Wer erlebt, wie etwa im Burgenland, in der Steiermark, in Kärnten, im östlichen oder nördlichen Niederösterreich die Bürgermeister, die Bezirkshauptleute oder die Bürger­vereine diesseits und jenseits der Grenze miteinander ständig in Kontakt sind, wer erlebt, was an gemeinsamem Kulturaustausch bereits Platz gegriffen hat, der weiß, dass hier sehr viel mehr da ist, als bei uns oft auf der großen tagespolitischen Bühne rezipiert wird.

Ein weiterer Punkt, die Wirtschaft betreffend: Auch hier sei gesagt, dass Österreich, das ein kleines Land in Europa ist, in Mitteleuropa wirtschaftlich und kulturell sicher zu den Großen zu rechnen ist. Wir sind in Slowenien, in Kroatien auf Platz 1, was die Investitionen betrifft, in der Slowakei auf Platz 2, in Ungarn und Tschechien auf Platz 3 und in Bulgarien auf Platz 4. Und das verbessert sich, weil wir de facto heute ein Volu­men an Investitionen und damit eine Kombination von Standorten haben. Machen wir uns da nichts vor! Ich persönlich bin glücklich über jeden, der versucht, diesseits und jenseits der Grenze mit einer Kombination der Vorteile, die etwa in Südböhmen oder in Westungarn gegeben sind, und der Vorteile auf österreichischer Seite, mit höchster Qualität und mit Forschungsintensität eine Weltmarktposition aufzubauen, die wir ohne diese Standbeine diesseits und jenseits der Grenze niemals hätten.

Deswegen bin ich auch der Meinung, dass es gut ist, dass wir quasi Sicherheitsbestim­mungen haben, wie die Arbeitsmarktfristen von sieben Jahren, aber ich bin davon überzeugt, dass wir innerhalb dessen, was wir heute an Möglichkeiten haben, ob das Praktikanten sind, ob das Grenzgängerabkommen sind, einen größtmöglichen Spiel­raum eröffnen müssen, damit wir diese Chance für die österreichische Wirtschaft und ihre Arbeitsplätze auch wirksam ausschöpfen können. Und das werden wir natürlich mit den Sozialpartnern tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist die Frage bezüglich der Hausaufgaben hier in Österreich aufgeworfen worden, und da ist Kritik laut geworden. Es ist etwas dran an der Kritik, denn wir haben zum Teil sehr lange Verfahren gerade etwa bei Verkehrsprojekten, die wir jetzt deutlich verkürzt haben. Überlegen Sie einmal, eine Autobahn zu bauen oder ein größeres Eisenbahn­projekt grenzüberschreitend zu planen: Das ist eine wahnsinnige Geschichte. Das dauert Jahre, um nicht zu sagen mindestens ein Jahrzehnt. Wir haben das jetzt be­schleunigt, und wir haben jetzt, so glaube ich, einige ganz wesentliche Projekte bereits in der Planungs- oder Verwirklichungsphase, wobei uns die Union bei vielen Projekten helfen wird.


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Das betrifft einmal den ganzen Straßenbereich, die notwendige Verbindung der A 5 und der A 6. Ich sage hier ganz offen: Ich bin als Wirtschaftsminister damals eher ein­gebremst worden, auch von meinen eigenen Parteifreunden, aber ich glaube, dass diese Verbindung, diese Autobahnverbindung Linz–Prag, wie immer man es nennt, dieses höchstrangige Straßennetzwerk dringend notwendig ist. Das Gleiche gilt nach Brünn, gilt für die A 6. Das Gleiche gilt für die Straßenverbindung von der Ostautobahn hinauf nach Kittsee. Das ist einfach notwendig. (Abg. Dr. Glawischnig: Schienen sind auch notwendig!) Und wir werden genauso auch im Bereich Heiligenkreuz und in ande­ren Bereichen diese notwendigen Straßenbauten brauchen.

Genauso wichtig, in vielen Bereichen sogar noch wichtiger, sind die Schienenanbin­dungen. Und da ist jetzt vor allem die andere Seite dringend gefordert, denn in die Schiene wird meiner Meinung nach von den Beitrittskandidaten zu wenig investiert. Wir werden dies tun. Wir haben auch Gott sei Dank die Zustimmung von Seiten der Union, dass etwa im Süden Österreichs die Anbindung Spielfeld nach Laibach, aber natürlich auch der Ausbau der ganzen Westbahn, die nichts anderes als eine solche Verbin­dungsstrecke ist, erfolgen wird. Das heißt also: Ja, hundertmal ja dazu, dass wir in der Infrastruktur vieles tun werden.

Zu den Programmen für die Grenzregionen: 230 Millionen € für die grenzüberschreiten­den, noch einmal so viel für die Grenzregionen in den heutigen Mitgliedstaaten. Das sind, glaube ich, ganz gewichtige Argumente, die wir durchaus als Antwort denen geben können, die glauben, dass wir zu wenig gemacht haben.

Folgendes möchte ich noch hinzufügen – leider konzentriert sich die Debatte schon wieder zu stark auf die Tschechen –: Vergessen Sie nie, dass wir für die Ungarn bei­spielsweise in der ungarischen Sprache immer die „Schwager“ sind! Wir sind da viel, viel mehr, und ich bitte auch, das in der Debatte hier zu berücksichtigen. Die Ungarn arbeiten gerne mit uns zusammen. Sie freuen sich auf die gemeinsame Familiensitua­tion mit uns!

Betreffend Slowaken – das sage ich jetzt auch in Richtung der Grünen, die heute so tun, als hätten sie niemals irgendwelche kritischen Töne über die Grenze hinweg ge­sagt –: Denken Sie nur an Bohunice! Denken Sie daran, was damals oft für Töne gekommen sind bis hin zu Veto-Drohungen, und wie wir das in einer anderen, wie ich glaube, positiven Art überbrückt haben! Heute sind die Slowaken und die Österreicher nicht nur auf der politischen Ebene engst befreundet, sondern gerade auch in den wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen, in den Bürgerkontakten gibt es eine ganz enge Zusammenarbeit.

Ähnliches gilt für das nicht immer ganz einfache Verhältnis mit den Slowenen. Heute ist das eine ungetrübte politische Freundschaft geworden. Denken Sie daran, dass es früher nicht selbstverständlich war, dass ein slowenischer Ministerpräsident nach Österreich gekommen ist und freimütig alle heiklen Themen angesprochen hat.

Heute funktioniert das auf der Ebene Präsident, Ministerpräsident, Regierung, Parla­ment, bis hinunter zur Bürgergesellschaft ganz außerordentlich gut gemeinsam mit unseren Bundesländern Steiermark und Kärnten. Und so muss es sein! Daher: Nicht nur ein Thema herausnehmen, sondern die ganze Breite sehen!

Bezüglich Südpolen: Krakau ist von Wien gleich weit entfernt wie etwa Bregenz. Das sind Regionen, die für uns wirtschaftlich, kulturell und gesellschaftlich größte Bedeu­tung haben. Wir müssen uns genauso um diese Fragen kümmern und nicht nur die wenigen – zugegeben – offenen Punkte und offenen Fragen sehen, die uns manchmal trennen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Erlauben Sie mir aber, dass ich gerade beim tschechisch-österreichischen Verhältnis etwas mehr in die Tiefe gehe! Das wird zum Teil, so finde ich, ein wenig oberflächlich diskutiert. Es war sehr, sehr schwierig, Frau Abgeordnete Lunacek, überhaupt einen Dialog in Gang zu setzen. Eines sage ich Ihnen schon, weil Sie hier auf Deutschland und Tschechien hingewiesen haben: Warum gab es keine weitere Erklärung? – Weil die tschechische Seite gar nicht bereit gewesen ist, über diese deutsch-tschechische Erklärung hinauszugehen! (Abg. Mag. Lunacek: Da muss Österreich eine ähnliche Erklärung machen! Da muss die Initiative von Österreich kommen!)

Aber diese Initiative hat es doch fünfmal gegeben! Sie glauben doch nicht, dass ich an diesem Thema vorbeigegangen bin. Das ist mit dem Hinweis abgelehnt worden, dass es genug sei.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich finde es eine ganz großartige Geste vom tschechi­schen Ministerpräsidenten Špidla, dass er vor eineinhalb Wochen in einer für ihn innenpolitisch extrem schwierigen Situation nach Göttweig gekommen ist. Der Mann verfügt mit seiner Koalition über eine Mehrheit von nur einer Stimme im Parlament, und die Kommunisten versuchen gerade mit verschiedensten Gesetzesinitiativen und mit viel Störpotential, diesen Versöhnungsprozess zu unterminieren.

Ich habe es großartig gefunden, dass Špidla nach Göttweig gekommen ist und öffent­lich erklärt hat, in die Worte des Bedauerns der tschechischen Seite seien in vollem Maße auch jene damaligen deutschsprachigen Einwohner der böhmischen Länder ein­zubeziehen, die nach dem Krieg Bewohner von Österreich geworden sind.

Darf ich Ihnen sagen, was da dahinter steckt? – Zum ersten Mal hat damit ein tschechi­scher Ministerpräsident anerkannt, dass die deutsch-tschechische Erklärung in ihrer Substanz genauso, eins zu eins, die heutigen Österreicher mit einschließt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist ein ganz wichtiger Schritt nach vorne, und ich danke Špidla auch dafür.

Zweitens: Er hat die Unannehmbarkeit der damaligen Vertreibung und die Übernahme der moralischen Verantwortung für die Vertreibung wiederholt. Aber noch etwas ist neu hinzugekommen, ich will das hier nochmals anführen. Ich zitiere wörtlich:

„So kann ich erneut jedem versichern, dass heute keine der geprüften Rechtsnor­men“ – das sind einzelne Beneš-Dekrete – „aus der Nachkriegszeit neue Rechtsver­hältnisse begründen kann. Was die Normen auf dem strafrechtlichen Bereich an­belangt, sind auch ihre Wirkungen nachweislich überwunden. In der Tschechischen Republik kann man heute danach weder Strafen verhängen, noch in der Nachkriegs­zeit verhängte Strafen vollstrecken.“

Für den Nichtinsider: Was heißt das? – Das heißt erstens, dass das Amnestiegesetz abgeschafft werden wird. Das ist nicht eine Forderung, die wir jetzt erheben. Das steckt konkret hinter diesem Satz. Das ist etwas, was übrigens der österreichische Nationalrat und das Europäische Parlament immer für sinnvoll und notwendig erachtet haben. Aber es ist gut, dass er das von sich aus sagt.

Zweitens bedeutet das, dass damit die In-absentia-Urteile – einige könnten rein theore­tisch in der Tschechischen Republik noch immer vollstreckt werden – ein für alle Mal der Vergangenheit angehören.

Ich sage das deswegen, weil das Ganze oft kompliziert klingt und manchmal auch schwierig umzusetzen ist. Wir sehen also, dass da in den letzten Wochen wirklich etwas Positives geschehen ist. Frau Abgeordnete, das ist keine „dynamische Stagna­tion“; ich bitte Sie wirklich, diese Fortschritte ein bisschen ehrlicher zu beschreiben, das ist sehr viel mehr: Das ist eine echte politische Weiterentwicklung in die richtige Rich-


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tung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Dahinter steckt sehr viel Arbeit. Es hat die Außenministerin und auch ich, es hat der Bundespräsident, der Nationalratspräsident, der Bundesratspräsident, es haben alle daran gearbeitet, damit dies möglich wird: die Erklärung, die positive Begrüßung Öster­reichs anlässlich des tschechischen Referendums, wenige Tage darauf die gemein­same Erklärung der tschechischen Regierung, über die lange – acht Stunden! – disku­tiert worden ist; dann meine Einladung an Špidla, nach Göttweig zu kommen, seine große Rede dort; die große Erklärung von Václav Klaus unmittelbar nach seiner Wahl zum tschechischen Präsidenten. – All das sind Schritte auf dem richtigen Weg.

Worum ich Sie heute ersuche, ist, das Ganze zu sehen und nicht eine kleine inner­österreichische Debatte abzuwickeln. In Wirklichkeit – seien wir doch ehrlich! – freuen wir uns alle darauf, dass die Probleme von einst wie etwa der Eiserne Vorhang, die Teilung Europas, die wirtschaftliche Schädigung, abgeschnittene Blutgefäße, abgestor­bene wirtschaftliche, bürgerliche, kulturelle und sonstige Kontakte, die es zwischen den Gesellschaften gegeben hat, jetzt der Vergangenheit angehören.

Freuen wir uns daher darauf! Setzen wir heute ein gemeinsames Zeichen, dass wir uns auf diese neue, historische Chance wirklich freuen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.47

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Das hinter uns lie­gende 20. Jahrhundert hat Europa dramatisch verändert.

Der Einstieg in dieses Jahrhundert war anders als der Ausstieg. Wesentlich war, dass die Bürger Europas zwei dramatische Kriege erleben mussten. Das hat natürlich Leid gebracht und auch Bewusstsein dafür hinterlassen. Und das war sicherlich der Grund dafür, dass man sich seit mehr als 50 Jahren auf allen Ebenen bemüht, dieses Europa stabil zu machen, dieses Europa wieder zusammenzuführen und alle Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich dieses Europa gut entwickeln kann, dass Friede, Freiheit und Wohlstand gesichert sind. Das sind, so glaube ich, in Wirklichkeit die großen Ent­wicklungsprozesse!

Als im Jahre 1989 der Eiserne Vorhang gefallen ist, haben wir alle mit Bewunderung zugeschaut und gefragt: Wird das wohl gut gehen? – Keiner von uns war in der Lage, nur annähernd das anzudenken, was wir heute und hier vollziehen können. Wir haben allen Grund dazu, glücklich zu sein, wir haben allen Grund dazu, dankbar zu sein, nämlich all jenen, die hier großartige Arbeit geleistet haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es war Vizekanzler Mock – das ist unbestritten –, der auch im Parlament und in unse­rem Land damit begonnen hat, um 1990 eine Stimmung aufzubauen, nämlich in die Richtung, dass wir nach Europa gehen müssen. Das war nicht leicht, es war kaum jemand von den politischen Verantwortungsträgern mit dabei. Es ist aber ihm und unserer Partei gelungen, hier letzten Endes eine große Gemeinschaft aufzubauen und eine Zustimmung in diesem Parlament durchzusetzen.

Frau Mag. Lunacek hat heute hier gesagt, es sei viel zu wenig gemacht worden. Ich möchte Sie – Frau Magister, Sie haben schon bessere Reden gehalten als diese (Abg.


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Dr. Glawischnig: Sie auch!) – nur daran erinnern, dass es gerade Ihre Partei war, die den Beitritt Österreichs zur EU verhindern wollte. Sie waren es!

Ein Zweites: Schauen Sie, was Ihr Herr Voggenhuber vor zwei Wochen im Europäi­schen Parlament gemacht hat! Er hat sogar eine fraktionsübergreifende Initiative torpe­diert, und zwar in der Art, dass er etwas verlangt hat, was niemand erfüllen konnte.

Das ist nicht Europapolitik! Damit nützen Sie unserem Land nicht, damit schaden Sie unserem Land enorm. Diese Politik lehnen wir ab, das muss Ihnen einmal ganz klar gesagt werden! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner.)

Da heute mehrmals gesagt wurde, dass große Probleme mit der Tschechischen Republik bestehen, stelle ich fest: Es gibt dort sehr wohl Diskussionen. Aber der heutige Prozess und diese ganze Entwicklung gehen ja dahin, dass zehn Staaten dieser Gemeinschaft beitreten und dass es dadurch einen ganz dynamischen Schritt nach vorne gibt. Nach Erweiterungsprozessen, bei denen nacheinander immer drei Staaten dazugekommen sind, kommen jetzt zehn auf einmal dazu. Das ist eine wahr­lich große Sache!

Wenn man meint, Österreich habe zu wenig gemacht, dann muss ich sagen, man möge sich in dieser Stunde schon daran erinnern, dass der „Melker Prozess“ für Europa etwas ganz Bedeutendes, etwas ganz Wichtiges war. Es waren unsere politi­schen Kräfte, die da verhandelt haben und nicht nur eine Kontrolle bezüglich AKWs, sondern auch die Einklagbarkeit von Verfehlungen durchsetzen konnten. Sie hatten darüber hinaus die Vision, dass es ein atomfreies Europa geben soll. Das wird zwar in der nächsten Zeit nicht erfüllbar sein, aber wir haben zumindest einmal ein klares Ziel definiert. Das ist, so glaube ich, wahrlich eine Europa-Politik, die herzeigbar ist, für die man sich nicht zu genieren braucht und die auch nicht kritisiert werden muss. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner. )

Es gibt einige weitere Dinge, die heute schon in Zusammenhang mit der Arbeitnehmer­freizügigkeit und mit der Dienstleistungsfreiheit angesprochen wurden. Wir wissen, es gibt natürlich Emotionen, Spannungen, es gibt Sorgen, das ist legitim. Mit den beiden diesbezüglichen Regelwerken ist ein maßvoller Übergang geschaffen worden. Das Ziel muss nicht sein, zu verhindern, dass jemand nach Österreich kommt, sondern das Ziel muss sein, dass wir in Europa Arbeit schaffen!

Herr Dr. Cap, wenn Sie immer Ihren ewigen Vortrag darüber halten, dass Österreich auf dem Arbeitsmarkt so wenig gut drauf ist – das haben Sie heute gesagt –, dann sage ich Ihnen: Diese Frage wird ein Land nie alleine lösen können. Das kann man in Zukunft nur länderübergreifend und europäisch lösen.

Wir alle haben das Ziel, dass Vollbeschäftigung in Europa das ist, was wir letzten Endes erreichen müssen. Nur das erzeugt auch Wohlstand, den wir ebenfalls alle wollen. Es muss weiters unser Ziel sein, eine sozialpolitische Angleichung jener Länder zu erreichen, die wahrlich noch keine Entwicklung haben, die heute noch ganz schwie­rige Situationen vorfinden, damit sie sich dorthin bewegen, wo wir heute sind. Das sind die Herausforderungen, das sind die Aufgaben, die wir heute mit diesem Ermächti­gungsgesetz in weiterer Folge fortsetzen.

Eines sei gesagt: Natürlich ist klar, dass wir neben vielen anderen Dingen die Ver­kehrswege nachzubessern und auszubauen haben. Da haben wir in der Vergangenheit manches versäumt, meine Damen und Herren von der SPÖ! Wir waren zwar in der Regierung mit Ihnen, aber die Verkehrsministeragenden waren Ihre Sache, nicht unsere! Da muss bitte mit aller Kraft nachgearbeitet werden.

Der Generaldirektor von PORR hat gesagt, dass Österreich in diesem Bereich eine beispielgebende, gute Position einnimmt. Ich sage, wir Österreicher haben Grund


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dazu, stolz darauf zu sein, dass wir diese Entwicklung auch erkannt haben und diese nutzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es gäbe noch viel zu sagen. Ich denke, das Europa von morgen muss nach außen geschlossen sein, muss stark und selbstbewusst sein, muss aber nach innen eine Organisationsstruktur haben, die offen und demokratisch ist und die dem Prinzip der Subsidiarität entspricht. Nur dann werden Friede, Freiheit, Wohl­stand und Stabilität auch auf diesem Kontinent gewährleistet sein. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bucher.)

11.54

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte.

 


11.54

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Klubobmann Molte­rer hat am Schluss seiner Rede gesagt, er hoffe, dass auch das Parlament bei dieser Gelegenheit europäischer wird. – Wenn das nicht bloß heißt, dass neben der rot-weiß-roten Fahne auch die Europafahne im Sitzungssaal aufgezogen wird, wofür ich im Übrigen wäre (demonstrativer Beifall bei der ÖVP), sondern wenn das auch inhaltlich etwas bedeutet, dann würde ich ihm erwidern: Fangen wir damit an, am besten heute und gleich!

Heute bei dieser Debatte war das ein typischer Fall dafür, dass man auf europäische Gegebenheiten keine Rücksicht nimmt. Heute tagt der Europa-Konvent, daher können heute jene Abgeordneten, die das österreichische Parlament im Konvent vertreten, bei dieser Debatte hier, die quasi um dasselbe Thema geht, nicht anwesend sein. Gestern hätten sie anwesend sein können, aber da konnte diese Debatte nicht stattfinden. Ich weiß nicht, warum. Es schien nicht so gewesen zu sein, dass der Herr Bundeskanzler keine Zeit gehabt hätte, denn er hat ja die Zeit gefunden, hier als „Misstrauensantrags­bewältigungshelfer“ für den Finanzminister aufzutreten. (Heiterkeit des Abg. Dr. Cap.) Also an seiner Zeit kann es nicht gelegen sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es kann auch nicht an der Frau Außenministerin gelegen sein, denn sie ist ja heute auch nicht da. Es wäre also egal gewesen, ob sie bei einer solchen Debatte gestern nicht da gewesen wäre oder heute nicht da ist. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn wir es mit der Europäisierung des Parlaments ernst nehmen, dann heißt das auch, dass man Rücksicht nimmt, wenn Parlamentarier für das Parlament offiziell in europäischer Mission unterwegs sind. Dann sollte man auf diese Kollegen auch Rücksicht nehmen.

Zum Thema selbst: Die Erweiterung der Europäischen Union ist etwas Wichtiges, nicht nur für Europa, auch für jedes Land, auch für Österreich. Ich bin froh darüber, dass sich Österreich nicht zögernd dazu bekennt, sich nicht Zeit lässt, sondern heute hier den ersten von zwei Beschlüssen im Nationalrat fasst. Das ist ein wichtiges Signal für all diese Länder, das ist ein wichtiges Signal auch für die anderen Mitgliedstaaten der EU. Ich glaube, es ist auch notwendig, dass begleitend dazu Maßnahmen gesetzt wer­den. Mein Kollege Einem, der, wie gesagt, heute nicht da sein kann, hat gestern in einer Pressekonferenz schon aufgezeigt, wo unserer Meinung nach genügend und wo unserer Meinung nach zu wenig oder nichts gemacht wurde.

Was die Frage der Aufgaben bis zur Ratifizierung angeht, so möchte ich zu diesem Antrag betreffend die Beneš-Dekrete sagen, dass vieles von dem, was dieser Antrag inhaltlich will, in Wirklichkeit auch von uns Sozialdemokraten zu unterschreiben wäre.


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Aber die Verknüpfung mit der Ratifizierung ist der Grund dafür, warum es uns nicht möglich ist, diesem Antrag zuzustimmen. Nach dem Redebeitrag des Herrn Bundes­kanzlers und des Kollegen Donabauer wundere ich mich auch, dass Sie, Kollege Donabauer, diesem Antrag zustimmen können, eben wegen der darin erfolgenden Verknüpfung mit der Ratifizierung.

Wenn das ein Signal an die anderen ist, dann müssen wir auch sehen, dass das ein Signal an gewisse Staaten ist, die in diesem Moment Hoffnung, aber nicht Freude haben, weil sie selbst noch nicht dabei sind. Deshalb ist es gut, wenn unser Bekenntnis zu dieser Erweiterung auch ein Bekenntnis zu weiteren Erweiterungen bedeutet. All jene Staaten in Europa, welche die Bedingungen erfüllen – und das heißt nicht nur wirtschaftliche Bedingungen und Acquis, das heißt auch Kopenhagen-Regelungen und anderes –, sollen auch ihren Platz in der Europäischen Union haben, und sie sollen wissen, dass wir dafür eintreten.

Die Zeit, die das dauern wird, wird wahrscheinlich in manchen Fällen noch länger sein. Aus diesem Grund müssen wir auch Vorkehrungen dafür treffen, dass diese Staaten jetzt weder das Gefühl haben, ausgeschlossen zu sein, noch real von den europäi­schen Prozessen ausgeschlossen sind. Daher heißt es, Vorsorge zu treffen. Auf Grund meiner Funktion im Europarat möchte ich natürlich darauf hinweisen, dass diese Vor­sorge auch darin bestehen kann, den Europarat als gesamteuropäische Einrichtung zu nützen, um diesen Staaten, die jetzt nicht in der EU sind und auch in nächster Zeit nicht in die EU kommen werden, dennoch die Möglichkeit zu bieten, gleichberechtigt an den europäischen Prozessen teilzunehmen. Da wird es auch wichtig sein, dass die Mitgliedschaft in der Europäisch Union für die Menschen nicht ein Weniger an Rechten bedeutet.

Derzeit ist es so, dass ein Bürger jedes Mitgliedstaates des Europarates oder jedes Unterzeichnerstaates der Menschenrechtskonvention auch individuell Zugang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen seinen Staat hat. Dadurch, dass in EU-Staaten neben dem nationalen Recht auch das EU-Recht gilt, darf das aber nicht heißen, dass ein Bürger zwar gegen Angelegenheiten, die nationales Recht sind, zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen kann, aber nicht gegen jene, die neues europäisches Recht oder EU-Recht sind.

Deshalb ist es so wichtig, dass dieser Bereich nicht als einklagbarer Bereich auf dem Menschenrechtssektor für den Einzelnen in Europa dadurch verschwindet, dass sein Land in der EU ist oder der EU beitritt. Deshalb ist es so wichtig, dass die EU als Ganzes, wenn sie Rechtspersönlichkeit hat, der Menschenrechtskonvention beitritt und ein Teil von dieser Menschenrechtsgemeinschaft wird, denn dann kann sich der einzelne Bürger bei Menschenrechtsverletzungen sowohl auf staatlicher als auch auf europäischer Ebene an einen Gerichtshof wenden.

Ähnliches gilt auch noch für folgende Bereiche – auch das soll nicht vergessen wer­den –: Sozialcharta, Antifolterkonvention, lokale Selbstverwaltung, Kulturkonvention, Schutz der nationalen Minderheiten, Charta der Minderheitensprachen, Konvention über Menschenrechte und Biomedizin. All das sind Bereiche, wo ähnliche Vorgangs­weisen gewählt werden sollen.

Unser Ziel muss es sein, denen, die neu sind, auf diesem Platz zu helfen, denen, die noch hinein wollen, auf diesem Weg zu helfen und gemeinsam ein gleichberechtigtes Gesamteuropa zu errichten. (Beifall bei der SPÖ.)

12.01

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Schieder! Ich habe erst auf Grund Ihres Hin­weises wahrgenommen, dass die Europafahne nicht da ist, die wir seit Jahren hier im Plenum haben. Soweit ich jetzt mit Hilfe des Telefons feststellen konnte, wurde sie für


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eine andere Veranstaltung im Haus verwendet (Heiterkeit) – und ist nicht zeitgerecht zurückgegeben worden. Sie wird ab morgen wieder da sein, und vielleicht werden wir trotz allergrößter Sparsamkeit eine zweite Europafahne anschaffen. (Allgemeiner Bei­fall.)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. Wunschgemäße Redezeit: 8 Mi­nuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


12.02

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Sehr verehrte Herren Staatssekretäre! Tatsächlich scheint die EU-Erweiterung ein guter Anlass zu sein, um es zu einer zweiten Europafahne zu bringen.

Am Vorabend der EU-Osterweiterung muss man eines ganz klar sagen: Mit der Erwei­terung der Europäischen Union um zehn Länder wird diese ein ungeheuer verstärktes geopolitisches Gewicht erlangen. Das ist eine Rolle, der man sich gar nicht entziehen kann, und das bedeutet einerseits eine große Chance, aber andererseits natürlich auch eine große Bürde, und das ist auch mit großen Risken verbunden, wie man im Zuge der Debatte um den Irakkrieg feststellen konnte. Da hat es sich schon ganz deutlich gezeigt, dass diese Europäische Union, gerade wenn sie sich jetzt erweitert, nur dann erfolgreich leben und auch überleben können wird, wenn sie nach innen größtmögliche Stabilität zeigt. Andernfalls wäre sie ein Koloss auf tönernen Füßen, dem kein langes Leben beschieden wäre.

Diese Stabilität ist natürlich nicht nur eine, die auf der oberen politischen Ebene pro­klamiert werden kann, sondern sie muss auch tatsächlich zwischen den Völkern statt­finden. Das heißt, es ist eine Lebensnotwendigkeit, dass die Völker untereinander Respekt und Achtung vor dem jeweils anderen haben.

Diese Notwendigkeit erfordert – vor allem auch für eine gemeinsame Zukunft –, dass man mit der Vergangenheit im Reinen ist. Das haben auch Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Sozialdemokraten, in Ihrem Papier zur EU-Erweiterung, festgestellt, nämlich, dass nur bei bewältigter Vergangenheit eine gemeinsame Zukunft möglich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Vergangenheit muss so bewältigt sein, dass man nicht mit einer Hypothek in eine neue Phase geht. Es gibt aber Hypotheken, und eine dieser Hypotheken sind die Beneš-Dekrete und das Straffreistellungsgesetz. Dazu muss gesagt werden: Die Beneš-Dekrete und dieses Amnestiegesetz sind die rechtliche Grundlage für die Ver­treibung von 3,5 Millionen Menschen. 241 000 Menschen haben das rettende Öster­reich nicht erreicht, vor allem alte Menschen, Frauen und Kinder. Die Amnestiegesetze versuchen zu rechtfertigen, was im Zusammenhang mit dieser Vertreibung an Gräueln geschehen ist.

Da gibt es jetzt natürlich die Ansicht: Ziehen wir einen Schlussstrich darunter, Vergan­genheit muss vergangen sein! Das wäre eine Ansicht, der man vielleicht noch etwas abgewinnen könnte, wenn sie nach allen Seiten vertreten werden würde. Doch dann gibt es auch jene Ansicht, die besagt, dass die Beneš-Dekrete totes Recht sind. Genau das ist der entscheidende Punkt!

Ich darf Sie in diesem Zusammenhang an das Rechtsgutachten des Völkerrechtlers Blumenwitz erinnern, der darin Folgendes sagt:

„Die Beneš-Dekrete ... sind nicht obsolet. Aufgehoben wurden nur jene Dekrete, die unmittelbar der Durchführung der Vertreibung dienten oder die Ansiedlung der neuen Bevölkerung regelten. Alle staatsangehörigkeits- und eigentumsrechtlichen relevanten Präsidialdekrete sind weiterhin in der Sammlung geltender tschechischer Gesetze ent­halten und nach tschechischer höchstrichterlicher Rechtsprechung auch Grundlage der


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neuen Rechtsordnung. ... Alle das Eigentum und den staatsangehörigkeitsrechtlichen Status betreffenden Dekrete gelten fort und müssen angewendet werden, wenn die tschechische Gesetzgebung, Verwaltung oder Rechtsprechung auf sie verweisen. Be­deutsame Beispiele für diese ‚Nachbefolgung sind die nach 1991 erlassenen Resti­tutionsgesetze. Nach der Entscheidung des tschechischen Obersten Gerichtshofs vom 29. Juni 2000 müssen die Dekrete der Nachkriegszeit nicht nur nachbefolgt, sondern auch ‚nachvollzogen werden. Zivilverfahren müssen ausgesetzt und Enteignungsver­fahren nach altem Recht abgeschlossen werden.“ – Zitatende.

Das ist ein eigentlich unwidersprochen gebliebenes Gutachten eines anerkannten Völ­kerrechtsexperten, der dieses vor zwei Jahren erstellt hat. Damit deckt sich auch die politische Beobachtung, denn es hat zum Beispiel – seine schwierige Lage natürlich verstehend, möchte ich das sagen – Premier Spidla am 7. Mai gegenüber der „Frank­furter Allgemeinen Zeitung“ auf die Frage, was mit den Beneš-Dekreten nun sei, ge­sagt, sie seien gültig und werden gültig sein.

In ebendieselbe Kerbe schlug Außenminister Svoboda vorige Woche in einem Radio­interview, zitiert in der „Presse“ vom 2. Juli, wo er Folgendes sagte:

„Es geht um die Behandlung der Menschen während der Abschiebung. Niemand hat gesagt, dass die Abschiebung selbst unannehmbar wäre.“

In diese Richtung zielen auch jene Bestrebungen – wie Sie wissen, haben Klaus und Spidla eine Verfassungsnovelle in Auftrag gegeben –, die „fehlerhafte Gesetzesinter­pretationen“ im Zusammenhang mit Restitutionsfragen und den Beneš-Dekreten ver­hindern sollen. Das hieße dann, dass jede von den Beneš-Dekreten abweichende Rechtsmeinung verfassungswidrig wäre.

Ich stelle daher fest: So, wie es bis jetzt ist, sind die Beneš-Dekrete nicht totes Recht, sondern sie sind lebendes Unrecht!

Dem entgegen stehen allerdings andere Signale, die durchaus als äußerst erfreulich zu beurteilen sind. Ich stelle auch fest, dass das, was Spidla beim Europaforum vor einer Woche gesagt hat, ein erster Schritt in die richtige Richtung ist und dass alles zu unter­stützen ist, was in diese Richtung weiterführt. Ich stelle hier auch fest: Es gibt keine Gegnerschaften, keine Feindschaften zwischen Völkern, die nicht revidierbar sind.

Die Geschichte der Deutschen und der Tschechen war eine über 900 Jahre bei weitem und über weite Strecken überaus erfolgreiche (Beifall bei den Freiheitlichen), und so muss es auch wieder sein. Nur wird es zu dieser gemeinsamen Zukunft nur dann kom­men können, wenn in gegenseitigem Respekt und mit Rücksicht auf die jeweils ande­ren Prinzipien bei der Sicht der vergangenen Geschehnisse gehandelt wird und wenn ausgeräumt wird, was ausgeräumt werden muss.

Ich bringe, um auch zu bestärken, dass dieser Weg fortgesetzt werden muss, folgen­den Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Ellmauer, Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Dr. Fassl­abend, Wattaul, Prinz, Walch, Ing. Kapeller und Kollegen betreffend die Sicherung der Menschenrechte durch die Tschechische Republik

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
28. Sitzung / Seite 68

„Die Bundesregierung wird ersucht, bis zur bevorstehenden Ratifizierung des Vertra­ges über den Beitritt der Tschechischen Republik und der anderen Staaten zur Euro­päischen Union sicherzustellen, dass in weiteren Gesprächen mit der Tschechischen Republik über die Frage jener Gesetze und Dekrete aus den Jahren 1945 und 1946, die sich auf die Vertreibung von einzelnen Volksgruppen in der ehemaligen Tschecho­slowakei beziehen, unter Einbindung der betroffenen Interessenvertretungen eine men­schenrechtskonforme Lösung erzielt wird.“

*****

Damit steht dieser Entschließungsantrag auch in der Tradition von Beschlüssen dieses Parlaments und österreichischer Landtage, zum Beispiel des niederösterreichischen Landtages, aber auch des Europäischen Parlaments. Das ist eine gute Tradition, denn sie versucht zu erzielen, dass sich menschenrechtswidrige Gesetzespassagen nicht in europäischen Rechtsordnungen verstecken können. Eine Verfassung, die in dieser Weise nicht konsistent ist, ist übrigens auch sehr leicht zu erschüttern und sehr gefährdet.

Damit komme ich zur Antwort an die Kollegin Lunacek: Als der Bundeskanzler in sehr beeindruckender Weise über die Schwierigkeiten, die natürlich die tschechische Seite hat, gesprochen hat und auch herausgestrichen hat, wie positiv da manches zu sehen ist, da habe ich mir gedacht, ich würde mir wünschen, Sie würden ebenso entschieden und nachdrücklich die österreichischen Interessen vertreten, wie es offenbar Tsche­chien mit den tschechischen Interessen tut.

Herr Bundeskanzler, Sie haben zu Pfingsten 2001 den Karlspreis von der Sudeten­deutschen Landsmannschaft entgegengenommen, und Sie sind damit eine besondere Verpflichtung eingegangen. Wir alle aber haben sie auch, denn wir sind österreichische Politiker, die gerade in dieser entscheidenden Frage darauf achten müssen, dass die österreichischen Interessen – so schwierig die Lage auch sein mag, aber sie ist nun einmal so, und man wird sie nicht dadurch erleichtern, dass man die Tatsachen nicht zur Kenntnis nimmt und versucht, sich darüber hinwegzuschwindeln – vertreten wer­den, und wir alle werden Sie dabei unterstützen, die Sache zu einem guten Ende zu führen.

Wir alle haben darauf zu achten, dass es in den Verhandlungen mit der Tschechischen Republik dazu kommt, dass eine menschenrechtskonforme Lösung gefunden wird. Das erfordert der Respekt vor den Opfern, das erfordert vor allem die Selbstachtung unseres Landes, und es ist auch ein Prinzip der politischen Klugheit, die gemeinsame Zukunft in Europa nicht mit einer ungeheuren Hypothek zu belasten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.11

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Rosenkranz soeben vorgetragen hat, ist genügend unterstützt und steht somit zur Ver­handlung und dann auch zur Abstimmung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Wunschgemäße Redezeit: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


12.11

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Staatssek­retäre! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Bundeskanzler hat heute in seiner Rede kritisiert, es gebe immer wieder die gleichen Debattenbeiträge. Er hat das in Richtung kritischer Journalisten gemeint, die die österreichische Erweiterungspolitik kritisch kommentiert haben. Ich denke, die Wiederholung immer gleicher Debattenbei-


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träge wäre vor allem an eine Adresse zu richten, und zwar an die Adresse der Frei­heitlichen Partei. (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe am Montag, nachdem ich telefonisch informiert worden bin, zuhause den Computer eingeschaltet und habe mir dann über Internet die aktuellen Zeitungsbe­richte angesehen. Dabei habe ich mit großer Überraschung die Wiederholung eines Debattenbeitrages durch eine Regierungspartei festgestellt, die das in dieser Form mittlerweile seit fünf Jahren tut, nämlich in der Form eines Nein zur EU-Erweiterung.

Wir beschließen heute ja nur das Ermächtigungsgesetz. Die Erweiterung ist noch lange nicht Realität, denn es muss noch ein Ministerratsbeschluss gefasst und auch noch der Erweiterungsvertrag hier im Parlament ratifiziert werden. Ich möchte von den Freiheit­lichen jetzt endlich einmal wissen, was das ständige Spiel mit der Drohung eines Nein zur EU-Erweiterung bedeutet. Was bedeutet es, dass im Wahlkampf vom Parteichef bei der Schlusskundgebung am Viktor-Adler-Markt in die Menge „hineingedonnert“ wurde: Lasst euch bei der Osterweiterung nicht täuschen, lasst euch nichts hinters Licht führen!?

Dieser ehemalige Wahlkämpfer ist jetzt Vizekanzler. Was bedeutet das, was er da gesagt hat, für die Erweiterung tatsächlich? In den letzten fünf Jahren haben Sie jeden Wahlkampf dazu benutzt, gegen die EU-Erweiterung Stimmung zu machen, das zu einer negativen Kampagne zu machen, und dieses Ihr Spiel ist sichtlich nicht zu Ende.

Wenn es eine Forderung gibt, die man aus der Rede von Bundeskanzler Schüssel übernehmen kann, dann ist es die: Bitte beenden Sie diese Debattenbeiträge! Verhal­ten Sie sich wie eine Regierungspartei, anstatt ständig hin und her zu schwanken und einmal ja und einmal nein zu sagen! Missbrauchen Sie dieses größte friedenspolitische Projekt nicht für Ihre innerparteilichen Kämpfe und für Ihre Wählerklientel-Kampagnen, denn das ist es wirklich nicht wert! (Beifall bei den Grünen.)

Die „Salzburger Nachrichten“ beschreiben das heute übrigens in einer Glosse mit der Überschrift „erbärmlich“, und ich kann dem wirklich nur beipflichten. Ich hätte mir ge­wünscht, dass wir den heutigen Tag etwas anders begehen würden, als ausschließlich wieder gegen diese Erweiterung, die in den Köpfen noch nicht vollzogen worden ist, und zwar von einem wesentlichen politischen Teil dieser Republik, zu Felde zu ziehen.

Ich möchte auch auf ein paar Ausführungen der Kollegin Rosenkranz eingehen, die wieder ein bilaterales Problem herangezogen hat, um zur EU-Erweiterung einen De­battenbeitrag zu leisten. Wir Grünen haben sehr großes Interesse daran, dass es zu einer Aufarbeitung der Geschichte kommt. In diesem Zusammenhang möchte ich dar­auf verweisen, wie lange Österreich dafür gebraucht hat.

Unser Interesse ist jetzt nicht ein nationales, und zwar in dem Sinne, dass wir unbe­dingt Recht haben möchten, sondern unser Interesse gilt dem Ziel, dass in der tsche­chischen Gesellschaft Verständnis für die Vorgänge entsteht und ein neues Bewusst­sein dafür geschaffen wird und dann eine Aufarbeitung erfolgt. Dafür braucht man Zeit, und das soll im Dialog und nicht in Form von Drohungen geschehen.

Das, was Sie heute mit Ihrem Entschließungsantrag wieder gemacht haben, ist die Verknüpfung der Arbeit, die auf beiden Seiten getan werden muss, mit dem Beitritts­vertrag. Das ist mir völlig unverständlich, und ich verstehe auch nicht, wie man in der Sache selbst, nämlich in der Frage der Beneš-Dekrete, auch nur einen Schritt weiter­kommen möchte.

Ich möchte Sie da an Folgendes erinnern: Letztes Jahr hat es einen verbalen Schlag­abtausch zwischen FPÖ-Politikern und tschechischen Spitzenpolitikern gegeben, der uns keinen einzigen Schritt nach vorne gebracht hat, sondern nur noch weiter zurück­geworfen hat. Also Ihre Strategie ist mir völlig unbegreiflich, wenn es um eine Aufarbei-


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tung der Geschichte gehen soll in dem Sinne, dass man eine neue Basis schafft, auf der die nächste Generation Menschenrechte in einem anderen historischen Zusam­menhang betrachtet kann als in jenem der fünfziger Jahre. (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben dazu 45 Jahre lang gebraucht. Dass das in Gesetze eingeflossen ist, hat bei uns bis zum Jahre 1998 gedauert. Stichworte: Kunstrückgabegesetz, erst viel später dann ein Entschädigungsfonds. Ich wiederhole: Wir haben dazu 45 Jahre gebraucht! Die Tschechische Republik diskutiert jetzt zehn Jahre als freie Republik über dieses Problem. Nehmen wir uns die Zeit und geben wir uns auch den Raum für einen Dialog!

Ich möchte noch auf ein anderes Problem zu sprechen kommen, das mit der Erweite­rung in sehr engem Zusammenhang steht, nämlich auf die Vertiefung der Europäi­schen Union, und aktuell darauf verweisen, dass im Moment gerade die Schlussdis­kussion im so genannten EU-Konvent über die neue Verfassung stattfindet. Dort tut sich ein Riesenproblem auf, und mich wundert es, dass der Bundeskanzler zu diesem Problem kein einziges Wort verloren hat und auch in der Fragestunde sehr lässig darüber hinweggegangen ist, nämlich die Frage: Was bedeutet der Euratom-Vertrag in der jetzt bestehenden Form, wenn er für immer und ewig in der Europäischen Verfas­sung verankert ist?

Dieses Problem kann man gar nicht ernst genug nehmen. Was bedeutet das für die europäischen Bürger, die unter Umständen über eine europäische Verfassung abstim­men werden oder müssen oder wollen oder können, in welcher diese demokratiefeind­lichen Bestimmungen, wonach sich eine Industrie selbst eine Schutzzone schafft und die Atomkraftpolitik einfach weiter fortführt, enthalten sind? Das als einen Teil der Euro­päischen Verfassung zu akzeptieren, können, glaube ich, weder die österreichischen Bürgerinnen und Bürger noch andere atomkraftfreie Staaten.

Unter den Beitrittswerbern sind im Übrigen sechs der neuen zehn Staaten atomkraft­frei, nur vier sind atomkraftwerbende Staaten. Es gibt nicht einmal Mindestanforderun­gen, nicht einmal eine parlamentarische Kontrolle des Europaparlaments, nicht einmal Gegenstimmen gegen milliardenhohe Fördersubventionen. Wenn das nicht geändert wird, dann kann meiner Meinung nach Österreich zu dieser Verfassung nicht ja sagen.

Ich frage mich: Wie wird dieses Problem behandelt? Der Bundeskanzler hat dazu kein einziges Wort verloren. Er gab uns keine Antwort auf die Frage: Wie werden wir das machen, wie kommen wir aus dieser Sackgasse heraus? Im Oktober beginnt die Regierungskonferenz, und das, was jetzt eigentlich notwendig wäre, sehe ich nicht einmal in Umrissen am Horizont, nämlich das zur absoluten Priorität zu machen, damit dieses Europäische Verfassungsprojekt nicht an dieser Frage scheitert.

Der Herr Bundeskanzler ist dringend aufgerufen, diese Frage ernster zu nehmen, nachdem die Bemühungen Österreichs im Konvent gescheitert sind, mit seinem Anlie­gen durchzukommen. – Dieses Anliegen hat im Übrigen nicht der Regierungsvertreter dort eingebracht, sondern meine Kollegin Eva Lichtenberger, und Herr Farnleitner hat sich dieser Initiative für eine Lösung dieser heiklen Frage EURATOM nur ange­schlossen.

Wenn es bis heute Abend nicht geschafft wird, diese Frage zu lösen, dann muss das zur absoluten Chefsache erklärt werden. Ich glaube, wir können den österreichischen Bürgerinnen und Bürgern nicht erklären, dass wir weiterhin Milliarden an europäischen Steuergeldern in diese Dinosaurierindustrie stopfen und noch dazu unsere Sicherheit auch die nächsten Jahre weiterhin gefährden. Ich fordere Sie daher auf, endlich aufzu­wachen und endlich Aktivitäten in diese Richtung zu setzen! (Beifall bei den Grünen.)

 


12.18


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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Reg­ler. – Bitte.

 


12.18

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herrn Staatssekretäre! Hohes Haus! Es ist für mich eine ganz besondere Freude und Aus­zeichnung, heute zu diesem Tagesordnungspunkt, der mir persönlich immer ein Her­zensanliegen war und auch noch immer ist, sprechen zu dürfen.

Unsere Verfassung sieht natürlich nichts vor, denn das konnte noch nicht vorausgese­hen werden, wie die Vorgangsweise ist, wenn Österreich einem Staatenbund angehört und andere Staaten diesem Staatenbund beitreten, und daher müssen wir nun die ver­fassungsrechtliche Grundlage für den kommenden Abschluss der Beitrittsverträge schaffen.

Was passiert? – Zehn Länder treten diesem großen europäischen Friedensprojekt der Europäischen Union bei, darunter vier unserer Nachbarstaaten, die der ehemaligen Donaumonarchie angehört und damit zu uns gehört hatten. Was das ganz Phantas­tische dabei ist – Bundeskanzler Schüssel betont das immer wieder –, das ist der Um­stand, dass diese Einigung auf freiwilliger Basis geschieht, nicht durch Zwang erfolgt, indem ein Gebiet annektiert wird. Auf freiwilliger Basis schließen sich die europäischen Staaten zusammen.

Eine besondere Freude für mich ist auch, dass die baltischen Staaten dabei sind. Ich kann mich noch gut erinnern: Im Gymnasium habe ich mich immer sehr für Geschichte interessiert, und dabei war mir das Schicksal der drei baltischen Staaten, die durch den Nationalsozialismus dem Sowjetimperium ausgeliefert wurden, ein besonderes Anlie­gen. Ich habe mir oft die Frage gestellt, ob ich es jemals erleben werde, dass diese Staaten wieder frei werden. Daher war es für mich wirklich berührend, zu erleben, dass das Sowjetimperium implodiert ist und diese Staaten die Freiheit bekommen haben.

Ich bin kurz nach der Erlangung der Freiheit durch diese drei baltischen Staaten gereist und habe gesehen, was übrig geblieben ist: aufgelassene Kolchosen mit 50, 100 Trak­toren, die nicht mehr in Betrieb waren; es hat sich niemand mehr darum gekümmert. Die Bauern haben ein Stück Land zur Verfügung gestellt bekommen, und ich habe ge­sehen, wie ein Bauer selbst den Pflug gezogen und sein Sohn ihn geführt hat. Es gab kein Tier mehr, das ihn hätte ziehen können, und es gab keinen Traktor mehr, der in Betrieb genommen werden konnte. – Und diese Staaten haben den Anschluss ge­schafft. Sie sind jetzt wirklich in der Lage, der Europäischen Union beizutreten. Man kann nur sagen: Hut ab vor dieser phantastischen Leistung der Oststaaten, die nach dem Ende der Herrschaft des kommunistischen Regimes jetzt den Anschluss an Europa schaffen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Man sollte auch nicht immer vor allem Angst haben. Wenn zum Beispiel gesagt wird, jetzt kommt die totale Verkehrslawine auf uns zu, so möchte ich Folgendes festhalten, meine Damen und Herren: Wir haben ja mit den Beitrittsländern schon seit langem so genannte Europa-Abkommen. Es ist bereits viel für den Freihandel getan worden, die Wirtschaftsbeziehungen sind bereits sehr stark ausgebaut, sodass man nicht sagen kann, jetzt wird eine Transit- oder sonstige Verkehrslawine über uns hereinbrechen. Viel von dem ist bereits geschehen, und da sich das Wirtschaftswachstum in den Bei­trittsländern langsamer entwickelt, als wir angenommen haben, als auch viele Gut­achten am Beginn der neunziger Jahre zum Ausdruck gebracht haben, brauchen wir nicht zu befürchten, dass da so viel passieren wird.

Außerdem werden diese künftigen neuen Mitgliedstaaten auch unsere Umweltstan­dards und Sozialstandards übernehmen. Denken wir nur an die Schadstoffemissions­grenzen für neue Kraftfahrzeuge, denken wir an die Lärmklassen der Luftfahrzeuge,


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die auf den Flugplätzen landen dürfen, oder denken wir an die schon abgeschlossenen Eisenbahn-Kooperationen, die Österreich mit diesen Ländern eingegangen ist, damit möglichst viel Transport auf der Bahn abgewickelt werden kann. Auch die Sozialstan­dards für die Lenker, für das fliegende Personal et cetera werden sicherlich viel Positi­ves beitragen.

Auf einen Punkt möchte ich noch besonders hinweisen, nämlich darauf, dass die Transeuropäischen Netze nunmehr zusammengeschlossen werden. Bundeskanzler Schüssel hat schon darauf hingewiesen, dass wir nicht mehr die TEN-Netze in den alten Ländern der Europäischen Union und die Helsinki-Korridore im TINA-Prozess in den neuen Staaten haben, sondern jetzt ist das Gesamtprojekt fertig, jetzt wurden die Zusammenschlüsse festgelegt, und das wird auch eine entsprechend gute Verkehrsan­bindung auf Straße, Schiene und auch auf der Donau bringen. Auf die Donau darf man nicht vergessen; auch die Donau östlich von Wien, südlich von der Freudenau, muss auf die notwendigen 25 Dezimeter Wassertiefe ausgestaltet werden.

Es wurde gesagt, dass wir viel zu wenig Vorleistungen erbracht haben. Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang möchte ich nur auf den Zwischenbericht der Bundesregierung zur Erweiterung der Europäischen Union hinweisen, der im Aus­schuss bereits diskutiert worden ist. Österreich hat bereits sehr, sehr viel getan. Den­ken wir an die Infrastruktur, zum Beispiel an den viergleisigen Ausbau der Westbahn; denken wir an die Unterinntal-Trasse, die bereits in Angriff genommen worden ist; denken wir an die zweigleisige Bahnstrecke über den Schober-Pass, die im nächsten Jahr fertiggestellt wird; denken wir an den Lainzer Tunnel, der gebaut wird, an die Süd­rampe der Tauern-Bahn, die in drei bis vier Jahren fertig sein soll, ebenso an die drei Fahrstreifen in jede Fahrtrichtung auf der Westautobahn, an die Fertigstellung der Pyhrnautobahn und so weiter.

Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, und wir können wirklich mit großer Freude der Erweiterung der Europäischen Union entgegensehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.24

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster am Wort ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. – Bitte.

 


12.24

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal meine große Freude dar­über zum Ausdruck bringen, dass durch dieses Ermächtigungsgesetz der erste Schritt zur Ratifizierung gesetzt wird. Als einer, der Jahrzehnte hindurch nahe dem Eisernen Vorhang gelebt hat, weiß ich, wie wichtig die Aufarbeitung der Folgen der Teilung Europas, die Überwindung der Nachkriegsgeschichte ist. Ich weiß, dass einfache Spa­ziergänger beschossen wurden, weil sie einen Schritt zu weit gemacht haben. Nur jemand, der das weiß, kann wirklich ermessen, was es bedeutet, dass dieses Europa zusammenwächst, dass man den Weg zu einem gemeinsamen Europa findet.

Diesem gemeinsamen Europa wurde ja schon einiges prognostiziert: dass es nicht die erwartete wirtschaftliche Entwicklung nehmen wird, und auch vom Niedergang Europas wurde schon gesprochen. – Das Gegenteil ist eingetreten! Europa hat immer mehr Strahlkraft bekommen, und immer mehr Länder, immer mehr Staaten wollen sich diesem Europa anschließen, wollen sich einbinden in diesen großen Prozess.

Geschätzte Damen und Herren! Dabei geht es aber nicht nur um die wirtschaftliche Integration. Das ist natürlich wichtig, und ich weiß, dass Europa – wenn man das öko­nomisch ausdrückt – mit einem großen Wachstumsgürtel vom norditalienischen Indust-


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riegebiet über Paris, über das Ruhrgebiet bis hin nach London zweifellos einen starken Wachstumsgürtel hat, dass es aber mit einem nicht auskommen wird. Ein zweiter wich­tiger Wachstumsgürtel wird entstehen, und dieser wird sich von der Adria über Öster­reich bis nach Berlin und Stockholm entwickeln. Diese zwei mächtigen Wachstums­gürtel werden dann für Europa bedeutsam sein, und das bedeutet auch, dass wir mittendrin sind – besonders die Ostregion Österreichs –, und das ist auch die Chance für die künftigen Mitgliedsländer.

Ich meine aber, dass neben diesen ökonomischen Effekten auch jene besonders zu berücksichtigen sind, die unter Umständen diese friktionsfreie Entwicklung Europas nicht unbedingt gewährleisten; so etwa Probleme, die vielleicht im Dienstleistungsbe­reich oder am Arbeitsmarkt liegen. Diesbezüglich haben wir eine gute Vorarbeit geleis­tet, nämlich vernünftige 7-Jahres-Übergangsfristen geschaffen, die aber nicht nur an­hand der offiziellen statistischen Daten gemessen werden dürfen, sondern es muss auch ein Aufbau grenzüberschreitender Konzepte erfolgen, wo auch „empfundene Parameter“ ihren Niederschlag finden. Wir müssen alles tun, um eine friktionsfreie Ent­wicklung der Zukunft zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Es ist auch wichtig, anzumerken, dass man über solch historische Augenblicke in den Medien doch nicht von einer „Fortsetzung des blauen Theaters“ sprechen sollte. Wir sollen erkennen, dass ein Unrechtsakt nicht durch einen anderen Unrechtsakt – hier angesprochen von Frau Rosenkranz – wegzu­diskutieren oder auszugleichen ist. Ein Unrechtsakt bleibt ein Unrechtsakt, aber die Aufarbeitung dieser historischen Ereignisse erfordert einen anderen Zugang.

Ich als Vorsitzender der EUREGIO zwischen Westslowakei, Südmähren und dem Weinviertel habe zum Beispiel eine hervorragende Zusammenarbeit über die Partei­grenzen hinweg mit allen politisch Verantwortlichen in diesen Regionen aufgebaut. Es gibt überhaupt keine Diskussionsprobleme, auch wenn man dieses Thema anspricht, weil einfach die menschliche Komponente so wichtig ist. Ich habe in der EUREGIO auch das erste Jugendparlament ins Leben gerufen. Drei Jahre gibt es nun dieses Jugendparlament, und wissen Sie, was das Einzigartige daran ist? – Die große Politik hat manchmal Probleme, aber das Jugendparlament diskutiert in einer Offenheit, von der alle angesteckt werden sollten!

Das nächste Jugendparlament tagt in Hohenau an der March, und ich möchte alle ein­laden, einmal als Beobachter daran teilzunehmen, um zu sehen, mit welcher Selbstver­ständlichkeit sich die jungen Menschen begegnen. All jene, die das nicht können, sollten sich einen Ruck geben und diesen Themen auch mit dieser Selbstverständlich­keit begegnen.

Geschätzte Damen und Herren! Nützen wir die Chance, diese gemeinsamen Räume zu unseren Lebensräumen der Zukunft zu machen! – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.29

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. – Bitte.

 


12.29

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Es ist das heute – das haben schon alle meine Vorredner unterstrichen, das kann ich auch selbst unterstreichen, auch für meine Fraktion, denke ich – ein sicher sehr wichtiger Beschluss und eine wichtige Ent-


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scheidung, und die Rolle der FPÖ wurde hier von unserem ersten Redner, von Herrn Klubobmann Scheibner, bereits ganz klar dargelegt.

Er hat ein klares Bekenntnis abgegeben, und er hat – und das ist wichtig – auch klar Kritik geübt. Das ist auch immer der Weg der FPÖ gewesen: klare Bekenntnisse, Kritik, wo sie nötig ist oder wo sie Platz finden darf oder soll, aber am Ende des Tages – und das ist ein viel strapaziertes Wort in den letzten Monaten – eine vernünftige Entschei­dung.

Mein Vorredner, Herr Kollege Bauer, hat schon den „Kurier“ zitiert; ich habe die ent­sprechende Ausgabe sogar mitgenommen: „Blaues Theater geht weiter: Nein zur Ost­erweiterung“. – Meine geschätzten Damen und Herren! Ich möchte einmal etwas ganz deutlich klarstellen in diesem Hohen Haus: Es gibt kein „blaues Theater“! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Es gibt klare Positionierungen der FPÖ. Es gibt ein klares Bekenntnis der FPÖ zur Erweiterung. Aber – und das ist auch wichtig und das muss in diesem Hohen Haus Platz haben – es gibt ein klares Bekenntnis zu den Anliegen aller, und nicht nur zu jenen eines Teiles!

Gerade die Kollegen von der Opposition fordern das immer. Bei jeder Gelegenheit wird das gefordert. Warum kann man es in diesem Zusammenhang nicht auch fordern? Ich bin davon überzeugt, dass wir am Ende der Debatte bei der Abstimmung sehen wer­den, wer zustimmt und wer nicht, und dann, meine geschätzten Damen und Herren, fordere ich all jene Kolleginnen und Kollegen, die permanent Kritik an der FPÖ äußern, auch auf, sich hier am Rednerpult einmal dafür zu entschuldigen. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.)

Frau Kollegin Glawischnig, Sie müssen mir zuhören! Hören, denken, sprechen – ein ganz wichtiger Aspekt hier im Hohen Haus; das habe ich auch selbst schon lernen müssen.

Es ist nämlich ganz klar, meine geschätzten Damen und Herren – und dazu stehe ich als freiheitlicher Abgeordneter auch –, dass für uns Temelίn ein Thema ist. Es ist ganz klar, dass für uns die Beneš-Dekrete ein Thema sind. Und es ist auch ganz klar, dass die AVNOJ-Bestimmungen ein Thema sind; Beschlüsse, die in den Kriegszeiten im ehemaligen Jugoslawien gefällt worden sind. – Aber, und das möchte ich ganz klar sagen, wir wollen nicht verhindern – das ist nicht richtig, das stimmt ganz einfach nicht! Und es stimmt auch nicht, dass wir blockieren wollen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Wir werden uns bis zum Schluss nachhaltig für konstruktive Lösungen einsetzen. Wir als Freiheitliche Partei werden uns auch bis zum Schluss für die Aussetzung der Beneš-Dekrete, für ein klares Bekenntnis der Tschechi­schen Republik und für ein klares Bekenntnis der Kroaten und der Slowenen einset­zen. Das werden wir uns von Ihnen nicht verbieten lassen! (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Gerade in diesem geeinten Europa, welches die Freiheitliche Partei nie in Frage ge­stellt hat, gerade in diesem geeinten Europa soll und muss auch Platz sein, über diese Dinge einmal ganz offen zu sprechen. Das ist gar keine Frage, und das werden wir auch machen.

Schauen wir einmal nach Slowenien, nach Kroatien – es bewegt sich etwas. Ich habe heute im Vorfeld meiner Rede ein Gespräch mit dem Bürgermeister von Gurk geführt, der Sprecher der Vertriebenen und dieser Organisationen in Kärnten ist. Er hat mir berichtet, es gebe hier sehr konstruktive Gespräche. (Zwischenruf bei den Grünen.) Ich sage es ja, ich unterstütze es ja.

Die Slowenen und Kroaten sind sehr wohl bereit, Zeichen zu setzen, uns sozusagen zu signalisieren, dass das Vergangenheit ist und dass unter diese Vergangenheit so wie


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in vielen anderen Bereichen auch einmal ein Schlussstrich gezogen werden sollte. Deshalb hoffe ich, dass wir, was die Beneš-Dekrete betrifft, auch einmal diesen Schlussstrich ziehen können und dann in aller Ruhe über diese Thematik nachdenken können. Dass hier Unrecht von allen Seiten geschehen ist, will niemand außer Streit stellen, nur sollte das Recht vielleicht auch für alle Seiten wieder hergestellt werden.

Es gibt aber auch – das möchte ich noch ganz kurz anreißen – viele andere schwierige Probleme, die im Zuge der Erweiterung zu lösen sind. Das Transitproblem etwa – bereits oft diskutiert, und es wird heute Nachmittag sicherlich noch einmal ausführlich diskutiert werden. Oder das Agrarproblem – es kommen sehr viele agrarisch starke Staaten in den nächsten Jahren dazu. Es wird sicherlich nicht einfach sein, die Spange zu ziehen zwischen den klein- und kleinststrukturierten Betrieben von Österreich, vom Bergland, und den großen und wirklich Größtbetrieben, wie wir sie zum Beispiel in Ungarn vorfinden. Ich war selbst drei Jahre dort, ich weiß, wie ein Betrieb geführt wird, der tausend Milchkühe hat, die dreimal am Tag gemolken werden, und der 10 000 Liter Stalldurchschnitt pro Kuh aufweist.

Das muss man sich vorstellen! Das ist nicht einfach, und das werden Aufgaben sein, geschätzte Damen und Herren, da werden wir uns anstrengen müssen – gar keine Frage! Wir werden nicht so leicht zu einem Ergebnis kommen. Die Agrarpolitik – wir haben gestern ausführlich darüber diskutiert – wird hier noch sehr stark gefordert sein, um zu Ergebnissen zu kommen.

Thema Arbeitsplatzpolitik. – Es stimmt, es gab gute Verhandlungen für Übergangs­lösungen, aber auch diese Übergangslösungen werden irgendwann zu Ende sein, und man wird irgendwann einmal darüber sprechen müssen, wie es weitergeht.

Abschließend, auch wenn Sie es nicht hören wollen, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ und den Grünen: Die FPÖ ist insgesamt ein stabiler Regie­rungspartner. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Die FPÖ wird Ihnen zeigen, warum Sie hier auf der einen Seite und wir auf der anderen sitzen. (Abg. Öllinger: Das ist Woodoo, was Sie da aufführen!) Das ist eine ganz klare Sache, man wird es noch sehen.

Sie werden irgendwann zur Kenntnis nehmen müssen, dass Ihre Kampagne gegen die FPÖ wegen einer angeblichen Zerstrittenheit innerhalb der FPÖ zu nichts führt. Wir werden mit einem starken Herbert Haupt, mit einem starken Jörg Haider (Abg. Öllin­ger: Nennen Sie nicht so viele Namen, sonst fällt gleich wieder einer!) und mit einer starken Parlamentsgruppe gemeinsam den Weg der Zukunft von Österreich in ein geeintes Europa beschreiten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ruf bei den Grünen: Lei, lei!)

12.36

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenber­ger. – Bitte.

 


12.36

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Vorredner hat den Mund heute ja recht voll genommen und Versprechungen ge­macht, deren Haltbarkeit wir in Kürze werden überprüfen können – vor allem wenn die Landtagswahlen in Oberösterreich und Tirol so ausgehen, wie die derzeitigen Umfra­gen vermuten lassen. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

Herr Kollege! Sie haben beschworen, dass Sie eine geschlossene Partei sind und dass es kein „blaues Theater“ gibt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sorgen Sie sich um Ihre eigene Partei, Frau Kollegin!) Überlassen Sie es bitte irgendwo auch der Meinungsfrei­heit, Vorgänge in der Freiheitlichen Partei auf diese oder jene Weise interpretieren zu


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können. Das würde Ihnen sehr gut anstehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nun zur Frage der Erweiterung. Wir gehen heute hier nur einen ersten Schritt in einem historischen Prozess, dessen Bedeutung offensichtlich weitgehend unterschätzt wird – das merkt man auch an einigen Debattenbeiträgen sehr stark –, und es liegt viel Arbeit, und dabei geht es vor allem auch um Versöhnungsarbeit, vor uns.

Im Europäischen Konvent war es zum Beispiel schon eine Selbstverständlichkeit, dass sich die Kolleginnen und Kollegen aus den Beitrittsländern am Diskussionsprozess gleichberechtigt und vollinhaltlich beteiligt haben. Es war manchmal faszinierend, mit wie viel Enthusiasmus sie in diesen Prozess hineingehen, aber auch, wie hoch ihre Erwartungen an uns in Bezug auf Kooperation und Kooperationsbereitschaft sind.

Ich komme zu einem Punkt – Herr Präsident Khol ist jetzt nicht hier, aber man wird es ihm, davon bin ich überzeugt, sicher ausrichten –, den man sich im Selbstverständnis der Österreicher schon noch einmal genau anschauen muss. Am 16. April fand im Parlament eine Feierstunde zur Unterschrift unter die Erweiterung statt, und dazu waren alle Kolleginnen und Kollegen aus den Beitrittsländern eingeladen. Sie waren auch hoch repräsentiert und bekamen vom Herrn Präsidenten Khol ein Buch ge­schenkt – ein Buch, das erschreckend deutlich zeigt, mit welchem Selbstverständnis manche Politiker in Österreich diese Erweiterungsphase betrachten. Das Buch trägt den Titel „Von der Donaumonarchie zur Europäischen Union“.

Meine Damen und Herren! Nach den historischen Ereignissen des letzten Jahrhun­derts ein so tituliertes Buch den Vertreterinnen und Vertretern der Beitrittsländer als Geschenk in die Hand zu drücken, das zeigt ein Selbstverständnis der historischen Rolle Österreichs auf, das sehr zu hinterfragen ist und im Interesse einer positiven und gleichberechtigten Zusammenarbeit mit unseren zukünftigen Partnerinnen und Partnern, die noch enger mit uns kooperieren werden, auch geändert werden sollte.

Meine Damen und Herren! Wenn das Ihr Geschichtsverständnis ist, dass Sie die Euro­päische Union als die Fortsetzung des Habsburger-Reiches sehen, dann gute Nacht, schöne Gegend! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir haben heute wieder ein Musterbeispiel dafür erlebt, dass man im allerletzten Augenblick noch schnell ein paar Hürden errichten, noch schnell ein paar Steine ins Getriebe werfen will, damit man sich ja nicht gut verstehen kann unter Nachbarn. Wir werden – hiemit komme ich auch zu den Problemen, die wir mit dieser Erweiterung gemeinsam zu bewältigen haben – eine offene, gleichberech­tigte Gesprächsbasis mit unseren Nachbarn brauchen, um die bilateralen Probleme, die existieren und die im Zuge der gemeinsamen wirtschaftlichen Entwicklung noch auf uns zukommen werden, adäquat lösen zu können.

Wir werden die Energiepolitik mit unseren Nachbarn diskutieren müssen. Dazu brauchen wir aber eine intakte Gesprächsbasis, um mögliche Konflikte entsprechend austragen zu können. Wenn aber mit solchen historischen Reminiszenzen, mit so einer Haltung der Verweigerung, wie sie sich ja bei den Freiheitlichen abzeichnet, in diese Gespräche gegangen wird, dann belasten wir das Ganze mit einer Hypothek, die nur schwer zu bewältigen sein wird.

Unsere gemeinsame zukünftige Geschichte – zwischen Österreich und den Nach­barn – braucht eine intakte Gesprächsbasis. Ich appelliere daher an die Freiheit­lichen, sich endlich einmal von ihrer Uralt-Rhetorik zu verabschieden und das 21. Jahr­hundert zu betreten! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


12.42


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Stenographisches Protokoll
28. Sitzung / Seite 77

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fassl­abend. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.42

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass die bevorstehende EU-Erweiterung auf wirtschaftlichem Gebiet eine große Herausforderung darstellt, aber auch eine große Veränderung mit sich bringen wird, ist den meisten klar. Wie stark diese Veränderung sein wird, kann man etwa daran erkennen, dass wir heute einen Exportanteil von 60 Prozent, der in die EU-Länder geht, haben; er wird in Zukunft ungefähr drei Viertel ausmachen.

Zweifellos haben allein unsere Nachbarn – Polen als mitteleuropäisches Land zählt ja da dazu – dabei einen Hauptanteil. Den wenigsten ist bewusst, dass etwa der Export­anteil, der nur in diese fünf Länder – Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowe­nien – geht, fast doppelt so groß wie jener ist, der in sämtliche BENELUX- und nordi­schen Ländern innerhalb der Europäischen Union geht. Das heißt, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Finnland, Schweden und Dänemark haben nicht sehr viel mehr als die Hälfte des Exportanteils dieser neuen mitteleuropäischen EU-Länder. Wenn man einen globalen Vergleich heranzieht, dann wird es eigentlich erst so richtig dras­tisch: Diese fünf Länder haben einen um ein Drittel höheren Exportanteil als die Länder Amerika, Russland, China, Japan und Indien zusammen. Das zeigt doch ganz klar auf, wie wichtig Nachbarschaft auch auf wirtschaftlichem Gebiete ist.

Trotzdem ist die wirtschaftliche Schiene dabei eigentlich nur eine Nebensache. – Ich selbst bin ganz an der Grenze in einem Haus, das sich nur wenige hundert Meter vom damaligen Eisernen Vorhang entfernt befunden hat, aufgewachsen. Ich habe es fast wöchentlich miterlebt, dass dort nicht nur Stacheldrahtzäune sichtbar waren und Minenfelder angelegt wurden, sondern auch wie man in der Nacht mit Leuchtspur­munition nach Flüchtlingen gesucht hat. Keine Woche ist vergangen, ohne dass nicht auf der anderen Seite Schüsse gefallen sind.

Ich glaube daher, dass wir gerade diesen Aspekt, den Friedensaspekt, im Vordergrund sehen müssen. Meiner Überzeugung nach ist das nicht nur das Ende der Teilung Europas, die in Jalta beschlossen worden ist, sondern damit wird gleichzeitig auch eine mehr als hundertjährige Phase der Konfrontation beendet, eine Konfrontation – aus welchen Gründen auch immer: egal, ob das nationale, dynastische, religiöse, kulturelle oder wirtschaftliche Momente waren, die da mitgespielt haben – überwunden. Es geht nun zum ersten Mal in eine Phase der ständigen Zusammenarbeit, und dabei geht es nicht nur um eine Phase von einigen wenigen Jahren, sondern um eine ständige, dauerhafte Zusammenarbeit.

Europa gewinnt Stabilität, und zwar durch die Stabilisierung Mitteleuropas, aber auch in der Form, dass geo-strategisch gesehen in Zukunft fast der gesamte Ostseeraum zur EU gehört und dass gleichzeitig auch zwei ganz wichtige Drehscheiben im Mittel­meer – Zypern auf der einen Seite mit seiner ganzen Bedeutung für den Nahen Osten, und auf der anderen Seite auch Malta mit einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung für den nordafrikanischen Raum – zur EU dazu kommen.

Worum es geht, ist, dass wir versuchen müssen, diese Chancen entsprechend umzu­setzen und zu nutzen. Wichtig ist dabei zweifelsohne, dass die Entscheidungsfähigkeit Europas gleichzeitig entsprechend mit aufgebaut wird, sodass durch die Erweiterung allein nicht nur sozusagen eine mengenmäßige Stärkung, sondern auch eine innere Vertiefung erfolgt.

Dieser Anlass sollte auch dazu genutzt werden, sowohl ein Wort zur Vergangenheits­bewältigung als auch zur Zukunft zu sagen. Selbstverständlich muss von uns ange-


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sprochen werden, dass 3 Millionen Menschen vertrieben und enteignet wurden, 3 Mil­lionen Menschen, von denen fast eine Viertelmillion auf elendigliche Art und Weise ums Leben gekommen ist. Und es ist in diesem Zusammenhang auch über die Not­wendigkeit zu sprechen, nicht nur eine Geste zu setzen, sondern die Beseitigung von Gesetzen, die ein derartiges Unrecht bis in die heutige Zeit fortschreiben, zu bewirken. Da muss eine Änderung angestrebt werden – und ich glaube, dass das geradezu eine Selbstverständlichkeit sein muss.

Entscheidend scheint mir jedoch dabei zu sein, dass das nicht der Aspekt ist, der im Vordergrund ist, sondern dass wir uns auseinander setzen mit dem, was in der Zukunft geschehen soll. Da haben wir zweifellos noch auf vielen Gebieten Aufholbedarf. Es gibt mit vielen dieser Länder intensive Beziehungen, aber wir alle sind gefordert – gerade in den nächsten Zeiten –, diese Beziehungen noch zu intensivieren und zu verbessern. Wir alle sind gefordert, für die gesamte Region ein Entwicklungskonzept, das von der Wirtschafts- bis zur Sicherheits-und Kulturpolitik geht, weiter auszubauen. Und wir alle sind gefordert, die menschlichen Kontakte zu diesen Mitbürgern zu verbessern.

Wenn wir das tun, dann, glaube ich, kann gerade unsere Generation einen ungeheuer wertvollen Beitrag dazu leisten, dass nicht nur ein Schlussstrich unter die Vergangen­heit gezogen wird, sondern dass die Zukunft nicht nur Stabilität, sondern auch Frieden und Freiheit bringt für die Menschen in Mitteleuropa, aber darüber hinaus auch für den gesamten Kontinent. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf für die anwesenden Mitglieder der Präsidialkon­ferenz kurz darauf hinweisen, dass wir für 13 Uhr eine Sitzung geplant hatten; diese wird aber erst nach Erledigung dieses Tagesordnungspunkts und nach der Abstim­mung stattfinden. Ich schätze, dass das gegen 13.15 Uhr sein wird.

*****

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.48

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich glaube, dass wir mit dem Ermächtigungsgesetz heute die österrei­chische Basis für eine grundlegende Veränderung sowohl in politischer, wirtschaftlicher als auch sozialer Hinsicht auf die Landkarte Europas zeichnen. Ich bin überzeugt da­von, dass viele Staaten in Europa gerne die derzeitigen Wachstumsraten von Litauen, Lettland oder Estland übernehmen würden.

Es ist dies ein guter Beweis dafür, wie wichtig diese Erweiterung ist, und es ist, wie ich meine, auch ein gutes Zeichen, dass die EU-Erweiterung mit der Aufnahme der zehn neuen Staaten im kommenden Jahr nicht beendet wird, sondern bereits jetzt wieder weitere Debatten über eine darüber hinausgehende Erweiterung stattfinden.

Wenn man in Österreich über Europa diskutiert, so wird das vielfach mit „Brüssel“ ver­wechselt, es werden Bedrohungen, Ängste, Hoffnungen laut, aber viel zu wenig wird eigentlich bewusst, welche Auswirkungen das ganz konkret auf Österreich hat. Die meisten Regionen Österreichs sind auf Grund der acht Staaten, die rund um Österreich liegen, Grenzgebiete. 85 Prozent der österreichischen Bevölkerung lebt in diesen Regionen. Der größte Anteil der wirtschaftlichen Entwicklungen findet in diesen Regio­nen statt.

Deswegen ist es ganz besonders wichtig, dass es auch um die Frage der Erweiterung nicht nur aus rechtlicher Sicht, nicht nur aus Sicht einer Weiterentwicklung Europas geht, sondern vor allem auch um die Sicherung und Weiterentwicklung wirtschaftlicher


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und sozialer Stabilität in Österreich und in den Erweiterungsstaaten, die rund um Österreich liegen. Wichtig ist das, wie ich meine, gerade für den europäischen Integra­tionsprozess, denn sonst wird Europa immer als ein etwas fern liegendes Gebilde angesehen, obwohl wir mitten in diesem Europa leben.

Es geht auch darum, dass die negativen Entwicklungen, die wir allenthalben da oder dort erleben – wie zum Beispiel Lohndumping, das angedroht wird –, nicht als Gefahr nach außen signalisiert werden, sondern als Herausforderung, genau gegen diese negative Entwicklung gemeinsam aufzutreten.

Ich glaube, dass es mit eine Herausforderung der Erweiterung darstellen muss, das Lohn- und Sozialniveau auch an das österreichische oder EU-Durchschnittsniveau anzugleichen, und wir uns nicht damit begnügen sollten, dass man hier immer wieder auf die fernere Zukunft vertröstet, sondern dass man das konkret als Arbeitsauftrag im Sinne des vor uns stehenden Erweiterungsprozesses sehen sollte. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben es ja auch in unserem Lande, wenn man zum Bespiel an die haarsträubenden Praktiken im so genannten Frächter­skandal denkt, wo LKW-Fahrer aus östlichen Nachbarländern auf schändlichste Weise ausgenützt und auf schändlichste Art und Weise um ihren gerechten Arbeitsanteil ge­bracht wurden. Oder denken wir etwa daran, dass erst in der Vorwoche wieder in der Presse über organisierte Schwarz- und Scheinarbeitsnetzwerke berichtet wurde, wo zum Beispiel ein einzelner Mann, der in Kärnten beheimatet sein soll, innerhalb von zehn Jahren 1 238 Scheinfirmen gegründet und vorbei an jeder steuer-und sozialrecht­lichen Behörde Österreichs gewerkt hat und sozusagen ein Träger für illegale Beschäf­tigung in unserem Lande war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich lade Sie ein, unserem gestern einge­brachten eigenständigen Antrag betreffend Schwarzarbeits- und Schwarzunterneh­mensbekämpfung beizutreten, weil das mit eine Maßnahme sein muss – vor allem zum Schutz der vielen, ja hunderttausenden österreichischen Unternehmungen, aber auch der Arbeitnehmer, die es in unserem Lande gibt –, dass nicht mit illegalen Praktiken die Wirtschaftsentwicklung behindert wird und dem Staat und damit der Gemeinschaft sowohl Steuern als auch Sozialabgaben entzogen werden. Da wird es davon abhän­gen, inwieweit diese Koalitionsregierung bereit ist, in ein für Österreich so wichtiges Gesetzeswerk mit einzutreten, das die ordentlich agierenden Unternehmungen in den Vordergrund rückt – und nicht der Schwarzarbeit und dem Schwarzunternehmertum das Wort redet. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluss kommend: Wichtig scheint mir auch zu sein, auf zwei Ereignisse aufmerksam zu machen. Heute wurde ja bereits mehrfach diese siebenjährige Übergangsfrist angesprochen. Wir sollten diese nicht sozusagen als Beruhigungspille verwenden, um Menschen, die Angst vor der Entwick­lung haben, zu beruhigen, sondern wir sollten die Herausforderungen sehen, die in dieser siebenjährigen Übergangsfrist liegen. Es geht ja nicht um sieben Jahre in einem Stück: Nach zwei Jahren werden wir zu beweisen haben, ob diese Übergangsfristen notwendig sind; nach einem weiteren Prozess von drei Jahren neuerlich. Da gilt es – und das fordere ich auch von der Bundesregierung, aber auch von den einzelnen Landesregierungen ein –, grenzüberschreitende Aktivitäten zu setzen. Denkbar ist zum Beispiel, dass Arbeitsmarktverwaltungen auch über Grenzgebiete hinweg mit den bei­trittswilligen Staaten zusammenarbeiten, dass etwa auch Arbeitsstiftungen beziehungs­weise Schulungsmaßnahmen eingerichtet werden. Das ist meiner Meinung nach eine Herausforderung, die sich uns stellt.


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Wir haben nach wie vor das Problem – ich nenne als Beispiel das Burgenland –, dass wir beispielsweise im Jahr 2002 eine Arbeitslosenrate von 8,6 Prozent hatten. Wenn man jedoch diesbezüglich die dem Burgenland gegenüberliegenden Komitate ver­gleicht, kann man feststellen, dass zum Beispiel in Györ die Arbeitslosenrate 4 Pro­zent, im Nordburgenland hingegen 6 Prozent beträgt. Im Komitat Vas beträgt sie 4,6, im Mittelburgendland hingegen 8,7 Prozent; im Komitat Zalas 6,3 Prozent, im Süd­burgenland 7 Prozent.

Das sind ganz konkrete Fakten, wo es meiner Meinung nach Not tut, mehr gemeinsam zu tun – und nicht nur die Frage der großen Politik der europäischen Vereinigung zu sehen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend vor allem an die niederöster­reichischen Abgeordneten eine Bitte richten. Ich finde es bedauerlich, dass dieses Magazin (der Redner hält eine Ausgabe von „Raum & Ordnung“ in die Höhe) einge­stellt wird. Es ist das ein Magazin, das vom Land Niederösterreich herausgegeben wird: „Raum & Ordnung“, und das bitte im Vorfeld der EU-Erweiterung! In dieser letzten Ausgabe wird sehr detailliert über Erweiterungsprozesse, die über die Grenzregionen hinweg gehen, berichtet. Es wäre gut, würde es solche Exemplare auch in Zukunft geben. (Beifall bei der SPÖ.)

12.54

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Ach­leitner. – Bitte.

 


12.54

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Die EU-Erweiterung bietet neue Chancen: große Chancen für die Wirtschaft, für neue Arbeitsplätze, die insbesondere für die Grenzregionen von großer Bedeutung sein werden. Die EU-Erweiterung sollte aber auch Chancen bieten, mit Tschechien über das störanfällige Atomkraftwerk Temelín Gespräche zu führen und die Einhaltung von Sicherheitsstandards einzufordern. (Beifall bei den Freiheit­lichen.)

Dieses Ungeheuer an unserer Grenze ist nach wie vor extrem unsicher und sowohl ökonomisch als auch ökologisch äußerst fragwürdig. Die Vielzahl von Zwischenfällen bedeutet, dass Sicherheitsbedenken nach wie vor höchst aktuell sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die österreichische Bevölkerung und insbesondere die Oberösterreicher haben auf Grund dieser vielen Störfälle große Angst, Angst, die von uns ernst genommen wird, Angst, die von allen Parteien ernst genommen werden muss.

Stellen Sie sich vor, meine Damen und Herren, was mit den Menschen im Mühlviertel, in Linz, ja in ganz Österreich geschieht, wenn dort ein Unfall im Ausmaß des Reaktor­unglücks von Tschernobyl passiert! Dass die Angst berechtigt ist, wird auch in einem neuen Bericht von den Experten bestätigt. Diese sagen, dass zwar Verbesserungen von tschechischer Seite gemacht wurden, dass aber dennoch wesentliche Sicherheits­fragen nach wie vor ungelöst sind; die offensichtlichen Defizite sind nach wie vor evident.

Auch der Atombeauftragte der oberösterreichischen Landesregierung Radko Pavlovec meint, dass die Kritik betreffend Sicherheitsmängel auf Expertenebene voll bestätigt worden ist. Auch der oberösterreichische Landeshauptmann spricht von einer „Provo­kation der Sonderklasse“, wenn der tschechische Industrieminister Milan Urban angibt, dass Temelín durch zwei zusätzliche Reaktoren erweitert werden soll.


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Wir ersuchen daher die zuständigen Minister und insbesondere den Herrn Bundes­kanzler, sicherzustellen, dass sich die tschechische Regierung weiterhin zum „Melker Prozess“ bekennt und die darin festgehaltenen Sicherheitsauflagen erfüllt, dass mit Nachdruck auf die vollständige und vollinhaltliche Umsetzung der Vereinbarung von Brüssel bestanden wird – und dass auch mit Nachdruck auf die mehrfach belegte Un­rentabilität des AKW Temelín, und zwar sowohl in volkswirtschaftlicher als auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht, verwiesen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei aller berechtigten Euphorie für die EU-Erweiterung dürfen die Ängste der Österreicher und Österreicherinnen nicht ignoriert werden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf: Aber auch nicht geschürt werden!)

Wir Freiheitlichen werden jedenfalls in dieser lebenswichtigen Frage weiter am Ball bleiben, um mit aller Kraft für die Schließung von gefährlichen Atomkraftwerken, wie eben Temelín, zu kämpfen, denn unser aller gemeinsames Ziel muss es sein, in einem atomfreien Europa zu leben. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.58

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

 


12.58

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist unumstritten, dass die Sozial­demokratie immer aus friedens- und wirtschaftspolitischen Überlegungen heraus für die Erweiterung der Europäische Union war und ist. Wir erkennen schon, dass 51 Pro­zent der Österreicherinnen und Österreicher für die EU-Erweiterung sind, wissen aber auch, dass vor allem zum Teil bei Frauen, zum Teil in Grenzregionen und bei jenen, die um ihre Arbeitsplätze fürchten, da besondere Aufklärung notwendig ist, besondere Vorsicht geboten ist, besondere Aktivitäten zu setzen sind.

Bei allen wirtschaftlichen Interessen und Erfordernissen muss es so sein, dass Europa im Interesse der Bürgerinnen und Bürger liegt. Das heißt, das erweiterte Europa wird dann akzeptiert und getragen, wenn gespürt wird, dass tatsächlich die Freiheiten gelebt werden und sich sichtbare Veränderungen im positiven Sinne zeigen.

Ein wesentliches Augenmerk ist dabei auf die Stärkung der Grenzregionen zu richten, denn dort ist es auch sehr schnell spürbar, dass Veränderungen eintreten oder möglich sind. Es ist für Grenzregionen unbedingt notwendig, dass auch in Hinkunft Förderun­gen gegeben werden. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Nur ein Beispiel: Das Gefälle bei den Arbeitskosten zwischen Tschechien, Bayern und Oberösterreich ist eins zu sieben. Das heißt, die Grenzregionen brauchen verstärkt Ko­operationen, müssen Kooperationen ausdehnen können, brauchen aber auch Partner­schaften in politischen, kulturellen und sozialen Dialogen. Es ist für Menschen in Grenzregionen unverständlich, dass die Gewährung von Lehrstellenförderung – um nur ein kleines Beispiel zu nennen – dann, wenn sich der Ausbildungsplatz in der benach­barten ausländischen Grenzregion befindet, nicht möglich ist, dass aber bei anderen Dienstverhältnissen – wenn zum Beispiel ein Tischler eine Arbeit sucht und im benach­barten Grenzgebiet einen Arbeitsplatz findet – der Arbeitsplatz gefördert werden kann. Das sind kleine Beispiele, die die Menschen bewegen, wobei diese Divergenzen aber auch leicht behoben werden können.

Oder ein anderes Beispiel: die freie Arztwahl. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Grenzgänger – Herr Staatssekretär, ich ersuche Sie, das dem Herrn Bundeskanzler besonders dringlich mitzuteilen – haben während der aktiven Arbeitszeit die Möglich-


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keit der freien Arztwahl sowohl im benachbarten Ausland als auch im Heimatwohnort. Wenn nun der Grenzgänger in Pension geht, ist diese freie Arztwahl im benachbarten Bayern oder auch in jedem anderen benachbarten Grenzgebiet nicht mehr möglich.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das sind Situationen, die die Menschen un­mittelbar betreffen, und wenn wir an diesen Dingen weiterarbeiten, so werden die Men­schen sagen: Diese Europäische Union hat für mich persönlich etwas gebracht.

Die EU-Erweiterung ist eine Chance, eine gewaltige Chance, wenn wir aus der Erfah­rung lernen, wenn wir die EU als positive Veränderung für die Bürger wahrnehmbar machen – ich verweise noch einmal auf die freie Arztwahl und auf die Lehrstellenförde­rung in den Grenzregionen – und wenn wir für die Grenzregionen auch Ziele setzen und dazu erfahrene Regionen um Tipps bitten.

Wenn wir uns zum Beispiel das Ziel setzen, Österreich zu einer der zehn innovativsten Regionen in Europa zu machen, dann stellt sich die Frage, woran es liegen kann, dass Österreich bei der Ausschöpfung der Strukturmittel, also jener Mittel, die bei Verände­rungen durch die EU-Erweiterung die Regionen stützen sollen, säumig ist. Österreich, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, liegt bei dieser Ausschöpfung der Strukturmittel an zwölfter Stelle der 15 EU-Mitgliedsländer. Das heißt, rund 60 Prozent der Mittel für die Regionen sind ausgeschöpft, aber 101 Millionen Schilling – das betrifft noch das Jahr 2001 – liegen in Brüssel und wurden nicht abgeholt.

Regionale Innovationen im Bereich der Aus- und Weiterbildung, im Bereich der Weiter­bildung für in Beschäftigung Stehende, im Bereich der Beschäftigung im High-Tech-Sektor, die Schaffung neuen Wissens durch Forschung und Entwicklung und daraus resultierende Patente wären ein Schritt in die richtige Richtung. Mit diesen Mitteln wäre es möglich, diese Schritte zu setzen, den Menschen die Ängste zu nehmen, Rücksicht auf Umwelt- und Sozialdumping zu nehmen und dieses nicht zuzulassen.

Und eine letzte Bitte: Bei weiteren Abkommen zum Schutz von Investitionen und bei Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung sollte man danach trachten, auch die Grundarbeitsnormen von Arbeitszeit und Arbeitnehmerschutz im Sinne der Inter­nationalen Arbeitsorganisation in Genf einzubauen.

Ich würde Sie bitten, das für künftige Beitrittskandidaten zu berücksichtigen und die Menschen in den Regionen beziehungsweise die Menschen in den jeweiligen Ländern auch zu schützen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grüne­wald.)

13.05

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. – Bitte.

 


13.05

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ja nett, dass sich die Grünen, wie den Worten der Frau Kollegin Lichtenberger zu entnehmen war, solche Sorgen um die FPÖ machen. (Abg. Mandak: Nicht um die FPÖ, um die EU-Erweiterung!) Es ist wirklich rührend, wie Sie sich hier kümmern, aber ich glaube, Sie sollten sich mehr Sorgen um das Abstimmungsverhalten Ihrer Kollegen machen, wenn es im Europäischen Parla­ment um die Transitabstimmung geht.

Ich erinnere Sie daran – vielleicht wissen Sie das gar nicht –: Es hat am 3. Juli die zweite Lesung über den Caveri-Bericht stattgefunden. Dabei ging es um das Thema „Freie Fahrt durch Österreich“; es hat dazu einen Abänderungsantrag betreffend die Euro-3-LKWs gegeben, die ungefähr 80 Prozent des bisherigen Transits ausmachen.


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Diese sollten in die Übergangslösung mit einbezogen werden, was bedeutet hätte, dass es für sie keine freie Fahrt durch Österreich gegeben hätte.

Und was glauben Sie, wie das Abstimmungsverhältnis nicht nur der Freiheitlichen, son­dern der anderen österreichischen Parlamentarier bei diesem Abänderungsantrag aus­gesehen hat, als es darum gegangen ist, dass es keine freie Fahrt durch Österreich gibt? – Freiheitliche, SPÖ- und ÖVP-Abgeordnete haben für Österreich gestimmt, aber die Abgeordneten der Grünen haben gegen diesen Abänderungsantrag gestimmt. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und den Grünen.)

32 Grüne und somit auch Ihr Kollege Voggenhuber und Ihre Kollegin Echerer haben gegen diesen Abänderungsantrag gestimmt. Damit haben sie verhindert, dass wir eine bessere Verhandlungsposition für Österreich gehabt hätten, denn allein diese Stimmen hätten ausgereicht, um ein besseres Ergebnis zu erzielen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist nicht wahr, Frau Kollegin!) Sie brauchen sich keine Sorgen um die Freiheit­lichen zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Scheibner – in Richtung der Grünen –: Das ist peinlich!)

Sie spielen sich immer als Transitapostel auf. Da hätten Sie die Möglichkeit gehabt, sich mit Ihrem Abstimmungsverhalten zu Österreich zu bekennen und gegen die freie Fahrt durch Österreich aufzutreten. Sie respektive Ihre Kollegen haben es nicht getan. Sie haben Ihr Glaubensbekenntnis über Bord geworfen. Also bitte machen Sie sich Sorgen um Ihre eigenen Kollegen und nicht um die FPÖ! (Abg. Dr. Lichtenberger: Haben Sie den Text des Antrages gelesen, Frau Kollegin? Der Inhalt war eine Kata­strophe!)

Und machen Sie sich auch keine Sorgen um die Koalition, denn was ein Bruch ist oder was nicht, das entscheidet nicht die Opposition, wie Sie sich das vielleicht wünschen würden, sondern das entscheidet die Koalition ganz alleine und sonst niemand! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Uns Freiheitlichen geht es darum, dass die EU-Erweiterung österreichverträglich ist. Das heißt nicht, dass wir hier blockieren, sondern dass wir das Bestmögliche für Öster­reich herausholen, und es muss wohl auch hier in diesem Haus legitim sein, darüber zu reden und diese Dinge aufzuzeigen.

Ich erinnere Sie daran: Als es noch darum ging, Übergangsfristen auszuverhandeln, beziehungsweise als wir Freiheitliche gefordert haben, es müsse Übergangsfristen für den freizügigen Verkehr der Arbeitnehmer geben, damit es zu Besserstellungen für Österreich kommt, damals war noch eine rot-schwarze Regierung im Amt und damals hat es geheißen, wie schrecklich und wie furchtbar das sei. Das sei ja eine Anti-EU-Haltung, wenn man Übergangsfristen fordert. Heute und jetzt sind alle froh darüber, dass unser Sozialminister diese Übergangsfristen ausverhandelt hat und dass wir sie haben. Sogar Kollege Verzetnitsch spricht davon, wie gut das ist. Wir sind froh dar­über, dass es einen freiheitlichen Sozialminister gibt, der genau dieses ausverhandelt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sogar Stoiber sagt, dass diese Einführung der siebenjährigen Übergangsfristen gut war und gut ist. Er stellt weiters fest, dass es traurig ist, dass sich die deutsche Regie­rung diesbezüglich nicht eingesetzt hat, denn dass diese Fristenregelung überhaupt zustande gekommen ist, ist vor allem der ÖVP/FPÖ-Regierung zu verdanken und somit auch unserem Sozialminister, während leider die rot-grüne deutsche Bundes­regierung vorher zu wenig getan hat. So würde es also ausschauen, wenn es eine rot-grüne Bundesregierung wie in Deutschland gäbe.

Das ist keine Beruhigungspille, Kollege Verzetnitsch, sondern diese Übergangsfristen sind notwendig und wichtig. Und es ist eben leider so: Wenn es noch eine sozialis-


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tische Regierung gäbe, gäbe es diese Übergangsfristen anscheinend gar nicht, weil Sie ja nicht einmal dazu bereit waren, das auszuverhandeln.

Es muss, wenn wir uns über die Qualität des Erweiterungsprozesses und die Erweite­rungsvorbereitung Gedanken machen, auch in diesem Haus möglich sein, Kritik anzu­bringen und Dinge beim Namen zu nennen, ohne das große Ganze in Frage zu stellen. Es muss ja wohl in einem Land, in dem es freie Meinungsäußerung gibt, auch für eine Freiheitliche Partei möglich sein, Dinge aufzuzeigen, Dinge beim Namen zu nennen und zu sagen, was noch nicht erledigt worden ist.

Es hat mich gefreut, heute vom Bundeskanzler zu hören, dass er meint, dass die Amnestiegesetze fallen werden. Das ist gut so. Es ist begrüßenswert, dass sich dieser Verhandlungserfolg abzeichnet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss ja wohl für die Freiheitliche Partei und auch für jede andere Partei in Österreich möglich sein, hier eine Meinungsäußerung abzugeben und eine EU-kritische Haltung an den Tag zu legen (Abg. Mag. Lunacek: Was ist denn EU-kritisch?), denn es ist nicht alles eitel Wonne in der großen EU. Es gibt viele Probleme, und wir werden nicht müde werden, sie aufzuzeigen, auch wenn es Ihnen allen nicht gefällt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.11

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.11

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Meine Vorrednerin hat in ihrer Rede festgestellt, dass das Abstimmungsverhalten der Grünen im Europäischen Parlament entscheidend dafür gewesen wäre, dass der Antrag Swoboda/Rack nicht angenommen wurde. – Das ist unrichtig.

Richtig ist hingegen, dass für die Annahme dieses Antrages die absolute Mehrheit der Stimmen erforderlich und nicht die Mehrheit der Anwesenden ausreichend gewesen wäre. (Abg. Dr. Bleckmann: Es geht darum, wie Sie abgestimmt haben!) Frau Kolle­gin, informieren Sie sich über europarechtliche Fragen, bevor Sie darüber reden!

Eines muss man einfach noch dazusagen: Lesen Sie den Antrag, bevor Sie ihn vertei­digen! Er weicht kilometerweit von der österreichischen Position ab. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wattaul: Dagegen gestimmt habt ihr! Schämen Sie sich!)

13.12

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

 


13.12

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Staatsekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Abschließend zu diesem Tagesordnungspunkt ist festzuhalten, dass breiter Konsens, große Übereinstimmung gegeben ist, diesen Beitrittsprozess nicht nur zu unterstützen, sondern auch zu leben und letztendlich der österreichischen Bevölkerung auch die Überzeugung mitzugeben, dass wir diesen Beschluss der Erweiterung in ihrem ureigensten Interesse tragen werden.

Es ist nur irgendwie schade, dass man diesem Beschluss hier einen Wermutstropfen mitgibt, indem man den endgültigen Ratifizierungsprozess von einer Klausel abhängig macht, die zur Sicherstellung einer Lösung betreffend Beneš-Dekrete dienen soll. Ich glaube, dass es nicht notwendig wäre, hier noch Barrieren aufzubauen, sondern man sollte mit voller Überzeugung in ein neues Europa gehen, man sollte nicht neue


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Schwierigkeiten aufbauen. Es ist vieles aus der Rede der Abgeordneten Rosenkranz zu unterstützen, kein Zweifel, aber es ist wirklich nicht notwendig, eine neu Barriere aufzubauen und einen Entschließungsantrag mit einer Sicherstellungsklausel der Lösung zu verbinden, denn ich glaube, das ist das falsche Signal an die Beitrittsstaa­ten, insbesondere an Tschechien.

Die Erweiterung bietet die Möglichkeit, dieses Europa den Bürgern näher zu bringen, es ist eine Möglichkeit, mit den Nachbarstaaten gemeinsam eine friedliche Erweiterung Europas sicherzustellen, es ist eine Möglichkeit, die soziale Bruchstelle an unserer Ostgrenze auszugleichen, es ist eine Möglichkeit, die jüngste Geschichte aufzuarbeiten und letztendlich zu einem gemeinsamen Weg dieses Europas zu finden. Es ist weiters eine Möglichkeit, es kulturell zu verankern, sozial zu verankern, aber letztendlich auch den Einzelnen davon zu überzeugen, dass diese Idee es wert ist, dafür einzustehen. Daher sind solche Anträge wahrscheinlich nicht zweckdienlich.

Es sind auch Zeitungsmeldungen nicht zweckdienlich und nicht nützlich, die von einem Veto zum Beitritt sprechen, insbesondere wenn diese Signale von einer Regierungs­partei kommen. Das sind die falschen Signale, die man an die Beitrittswerber schickt, das sind die falschen Ausgangspunkte. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist auch schade, dass man jene Maßnahmen, auf die man sich am 23. Novem­ber 2001 verständigt hat, im Jahr 2002 vollkommen vergessen hat. Es wurde von einer Infrastrukturoffensive gesprochen, es wurde von einem Infrastrukturprogramm gespro­chen – in Wirklichkeit hat es kein Infrastrukturprogramm gegeben, sondern ein Spar­programm gerade zum falschen Zeitpunkt, zu dem man sich auf die EU-Erweiterung vorbereiten hätte müssen. Es ist zu keiner Qualifikationsoffensive der Arbeitnehmer in Österreich gekommen, die notwendig wäre, um sich auf einen erweiterten europäi­schen Markt vorzubereiten, und es sind viele Versäumnisse eingetreten, die dazu füh­ren werden, dass diese Erweiterung Österreich leider unvorbereitet trifft. Wenn ich dar­über lese, dass ein funktionierendes, hochwertiges Verkehrsnetz strukturell erst 2015 vorhanden sein wird, wenn man 2002 nichts dafür gemacht hat und 2003 nur Alibiaktio­nen setzt, dann ist man zu spät dran.

Sie, Frau Abgeordnete Bleckmann, die Sie sich jetzt rühmen, dass in diesen Verträgen Übergangsfristen enthalten sind, möchte ich daran erinnern – dass Sie es nicht wissen, schreibe ich dem Umstand zu, dass Sie noch nicht so lange im Parlament sind –, dass bereits sozialdemokratische Regierungsmitglieder diese Übergangsfristen verhandelt haben und dass auch immer, in jeder Verhandlungsphase, davon ausgegangen wurde, dass derartige Übergangsfristen notwendig sind, um eine wirklich für beide Seiten gedeihliche Erweiterung zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube daher, dass man heute hier in diesem Parlament ein Chance verpasst, die Einigkeit demonstrativ zu zeigen, zu zeigen dass man für diese Erweiterung ist, und zwar bedingungslos, sehr wohl aber die Diskussion in manchen Bereichen aufrecht­erhält. Man hätte das auch signalisieren könne, man hätte das hier mit einem demonst­rativen Akt der Einigkeit nach außen tragen können. Es wäre ein wichtiges Signal für die eigene Bevölkerung gewesen, es wäre aber auch ein wichtiges Signal für die be­nachbarten EU-Länder gewesen, dass Österreich hier eine einheitliche Meinung ver­tritt.

Stattdessen errichtet man eine neue Beitrittsbarriere. Man signalisiert, dass man neue Schranken aufbaut, man signalisiert nicht den unbedingten Willen, dieses Europa, das die Friedenssicherung für die nächsten Jahre, wahrscheinlich für die nächsten Jahr­hunderte bedeuten kann, auch tatsächlich bedingungslos zu leben. Und das ist schade


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an diesem Tag. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Alles, was bedingungslos ist, ist nicht wirklich gescheit!)

13.18

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Ein­gang in 110 der Beilagen.

Da es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf um ein Bundesverfassungsgesetz handelt, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen An­zahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf zu­stimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist in dritter Lesung ebenfalls einstimmig ange­nommen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie den Grünen.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Lunacek, Dr. Bauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verbesse­rung der österreichisch-tschechischen Beziehungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Lunacek, Dr. Bauer, Kollegen und Kolleginnen betreffend Ratifizierung von zwei Abkommen zwischen Österreich und Tschechien.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zu Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Rosenkranz, Ellmauer, Kolleginnen und Kollegen betreffen Sicherung der Men­schenrechte durch die Tschechische Republik.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen. (E 14.)

2. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 81/A der Abgeordneten Jakob Auer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidenten­wahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Wählerevidenzgesetz 1973, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksabstim­mungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden (162 der Beilagen)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tages­ordnung.


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Stenographisches Protokoll
28. Sitzung / Seite 87

Als erster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Prähauser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


13.20

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Der zu behandelnde Gegenstand, die Änderung der Wahlordnung, wäre ein ge­eignetes Instrument, einen Vier-Parteien-Beschluss herbeizuführen. Die Grundvoraus­setzung dafür wäre natürlich eine entsprechende gemeinsame Diskussion gewesen.

Wir Sozialdemokraten können diesen Antrag leider nicht unterstützen, und zwar aus folgenden Gründen. Wir glauben, dass nicht alle, die in den Wahlvorgang eingebunden sind, entsprechend gleich honoriert werden; im Klartext: dass die kleinen Gemeinden gegenüber den größeren Städten eindeutig bevorzugt werden. Ich möchte aber auf keinen Fall den kleinen Gemeinden ihre Tüchtigkeit im Durchführen von Wahlen ab­sprechen. Ich meine nur, dass es einen Unterschied macht, ob man in einer Gemeinde mit hundert Einwohnern die Auflagefristen, die Wahldurchführung, die Evidenzbehand­lung abwickelt, was teilweise auch in der gängigen Geschäftszeit möglich ist, wogegen man in Städten automatisch eine Magistratsabteilung zur Verfügung stellen muss, in welcher der Aufwand entsprechend höher und anders ist.

Aus diesem Grund glaube ich, dass man da nicht sorgsam genug in der Ausgewogen­heit war. Es hätte mehrere Möglichkeiten gegeben, gemeinsam etwas auszudiskutie­ren; ich meine Verkürzungen von Auflagefristen, Wählerevidenzen, deren Häufigkeit der Einsichtnahme in der letzten Zeit radikal zurückgegangen ist, oder die Entlohnung von Mitarbeitern für Arbeitsstunden an Wochenenden, die vielleicht so nicht notwendig sind, also in erster Linie Einsparungen. Auf Basis der anstehenden Kosten hätte man dann entsprechend eine neue Bewertung durchführen sollen.

Wenn man weiß, dass es durch die Einführung des ZMR noch wesentlich einfacher geworden ist, diese Dinge zu „handlen“, wundert es mich umso mehr, dass hier nicht entsprechend vorgegangen wurde. Wir haben in der Vergangenheit im Land Nieder­österreich ein Beispiel zur Kenntnis nehmen dürfen. Da wurden schon einige Verein­fachungen durchgeführt, und das hat zu aller Zufriedenheit geklappt. Das sollte man sich vielleicht in Zukunft für weitere Überlegungen als Grundlage nehmen.

Man kann in diesem Gesetzentwurf zwar eine wirkliche Entbürokratisierung feststel­len – es ist nun vorbei mit den 15 bis 20 Formularen, die der Bürgermeister oder die Administration als Beweis für geleistete Stunden abzuwickeln hatte; das fällt jetzt weg, weil Pauschalbeträge abgegolten werden, von 30 Cent bis 75 Cent für Präsident­schaftswahlen mit Stichwahl –, das ist schon eine gewisse Erleichterung, hat aber noch keine Einsparungen mit sich gebracht.

Wenn man aus dem Gesetz auch herausliest, dass der Bund zwei Jahre Zeit hat, das Geld an das Land zu überweisen, dann bin ich doch dankbar dafür, dass der Einwand des Präsidenten Fischer im Ausschuss bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen dazu geführt hat, dass man nun auch dem Landeshauptmann die Zeit sehr knapp gestaltet, das Geld weiterzugeben. Das könnten wir aus unserer Sicht so wie im Ausschuss auch hier unterstützen, wenngleich mir da ein zweiter Punkt, den ich noch anmerken möchte, besonders wehtut, weil es darüber aus meiner Sicht eine Vier-Parteien-Einigung gab, und zwar die Klarstellung der Stichtage für die Erstwähler. Warum dieser Tagesordnungspunkt heute nicht aufscheint, ist mir ein Rätsel. Möglicherweise glaubt man, für die nächsten Wahlen auf die Stimmen der jungen Leute verzichten zu können, aber ich bin dann gerne bereit, die Antwort zur Kenntnis zu nehmen. Das wäre auch ein guter Grund gewesen, hier wieder über etwas gemeinsam abzustimmen.

Ich glaube, dass eine Erleichterung gegeben ist, die Einsparungsmöglichkeiten jedoch nicht ausgereizt wurden. Aber für mich ist besonders entscheidend, dass hier nicht alle


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Stenographisches Protokoll
28. Sitzung / Seite 88

gleich behandelt werden. Aus diesem Grunde kann meine Fraktion diesem Antrag leider nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.25

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.25

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Landauf, landab hört man immer: Bürokratieabbau ist ange­sagt! Modernisierung der Verwaltung, große Veränderungen seien notwendig, „schlan­ker Staat“ und alles Mögliche werden in diesem Zusammenhang genannt.

Wie schaut es dann tatsächlich im Kleinen aus, Herr Kollege Prähauser? Dort, wo spürbar, rasch und effizient Erleichterungen für die Gemeinden machbar wären: beim Wahlkostenersatz auf Bundesebene, jenem Punkt in einem Initiativantrag, den wir jetzt, hier und heute, behandeln! „Pauschalierung statt Papierflut“, verehrte Damen und Herren, hat Dr. Hink – er ist heute auch als Zuhörer hier – im offiziellen Organ des Ge­meindebundes geschrieben, das wurde massiv gefordert. Und wie Recht hat er damit: „ein babylonischer Papierkrieg für geringe Entschädigungen“!

Verehrte Damen und Herren! Um welche Summen geht es hier überhaupt? – Einige hundert Euro für kleinere und mittlere Gemeinden! Natürlich wäre es wünschenswert, dass da vielleicht mehr gegeben werden könnte. Aber dieser Betrag, der in Hinkunft pro Kopf – oder pro Wahlberechtigten, um das genau zu formulieren – zur Verfügung stehen wird, ist der Mittelwert aus mehreren Wahlen, errechnet vom Bundesministe­rium für Inneres.

Ich habe mir einen derartigen Antrag mitgenommen. (Der Redner hält eine Broschüre in die Höhe.) Bisher waren für eine Gemeinde mit knapp tausend Wahlberechtigten, wie dies in meiner Gemeinde gegeben ist, rund 24 Blätter notwendig – manche beid­seitig bedruckt und beschrieben –, um den Nachweis erbringen zu können, wie viele Stunden der Mitarbeiter X oder die Mitarbeiterin Y gearbeitet hat, welche Reinigungs­kosten, welche Stromkosten angefallen sind, und so weiter – also ein bürokratischer Hürdenlauf!

Da hat es seit langem den Wunsch gegeben – und ich glaube, er ist berechtigt –, hier eine Pauschalierung vorzunehmen, damit in Hinkunft automatisch die Kosten pro Wahlberechtigten, die im langjährigen Schnitt ermittelt und damit auch fixiert worden sind, abgegolten werden können. Denn interessant war eines: Nicht nur, dass man da einen relativ umfangreichen bürokratischen Nachweis zu erbringen hatte, habe ich als Gemeinde dann per Bescheid mitgeteilt erhalten, ob die beanspruchten Kosten zu Recht oder zu Unrecht eingebracht worden sind. Ich nenne als Beispiel nur die EU-Wahl von 1999: Da wurde mit Oktober 2002 per Bescheid mitgeteilt, dass wir etwas über 300 € erhalten. Nicht anders war es bei der Nationalratswahl 1999.

In der oberösterreichischen Landtagswahlordnung und in Niederösterreich sieht dies anders aus. Offizielles und amtliches Wählerauflageverzeichnis, das ergibt so viele Wahlberechtigte mal so und so viel Cent, und die Sache hat sich. Das wird auto­matisch abgewickelt.

Da verstehe ich dann unter keinen Umständen die SPÖ-Argumentation, dass die tat­sächlichen Kosten nicht berücksichtigt worden wären und die Städte ungleich höhere Kosten hätten. Bisher höre ich immer: Je größer, desto effizienter wird gearbeitet. Was ist da jetzt plötzlich los? Die großen Städte müssten doch noch effizienter arbeiten können! – Auch dieses Argument wurde im Ausschuss von meiner Kollegin Machne eindeutig widerlegt, verehrte Damen und Herren von der SPÖ!


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28. Sitzung / Seite 89

Was – das sei auch gesagt – den Hinweis betrifft, dass sich Landeshauptleute oder Finanzreferenten die Wahlkostenersätze noch einige Zeit sozusagen auf ihren Konten im jeweiligen Bundesland behalten würden, sodass klarzustellen sei, dass diese Mittel unverzüglich weiterzugeben sind: Wir haben einerseits dem berechtigten Einwand des Gemeindebundes in der Publikation, aber auch dem Hinweis des Präsidenten Fischer im Ausschuss damit Rechnung getragen, dass ich hier einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Auer und Scheibner zum Antrag 81/A in der Fassung des Ausschussbe­richtes in 162 der Beilagen einbringe und diesen in seinen Kernpunkten erläutere:

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen, dass jeweils im zweiten Satz im Anschluss an das Wort „Pauschalentschädigungen“ das Wort „unverzüglich“ eingefügt wird.

Ich begründe zu Z 1: Durch die Einfügung des Wortes „unverzüglich“ bei der Weiterlei­tung der Pauschalentschädigungen an die Gemeinden soll sichergestellt werden, dass die Landeshauptmänner diese Pauschalentschädigung sofort nach Anweisung durch den Bundesminister auch tatsächlich an die Gemeinden auszahlen. Damit wird einer Anregung im Verfassungsausschuss am 1. Juli dieses Jahres nachgekommen, um eine möglichst rasche Auszahlung des pauschalierten Kostenersatzes an die Gemein­den sicherzustellen.

Zu Z 2 bis 4: In diesen Ziffern erfolgen Korrekturen zu verschiedenen Textierungs­mängeln.

Herr Präsident! Ich bitte, diesen Antrag zu vervielfältigen und zu verteilen, und ersuche, diesen Antrag mit in die Debatte einzubeziehen und ihm die Zustimmung zu geben.

Verehrte Damen und Herren! Ich habe mich gefragt, wie es denn wirklich möglich ist, dass in den großen Städten – oder sagen wir es doch offen: in Wien!, und wenn Wien nicht will, darf die SPÖ nicht – höhere Kosten gegeben sind. (Abg. Dr. Glawischnig: Der Städtebund ist aber nicht Wien!) In diesem Problembereich wird vielleicht meine Kollegin Machne etwas Licht ins Dunkel bringen, das wird durchaus interessant sein.

Ich bin auch gerne dazu bereit, Herr Kollege Prähauser, über den Hinweis zu diskutie­ren, dass es wichtig wäre, über die Dauer der Auflageverzeichnisse und all diese Dinge nachzudenken. Sie werfen uns vor, dass dies nun nicht berücksichtigt worden wäre. Faktum ist aber auch, dass zum SPÖ-Antrag 95/A, wozu Sie heute kritisch vermerkt haben, dass er nicht auf der Tagesordnung stünde – darin geht es um die Senkung des Wahlalters –, von Ihrer Seite im Ausschuss keine einzige Silbe vorgebracht wurde. Bleiben Sie doch bei der Wahrheit, und halten Sie uns nicht etwas vor!

Ich freue mich heute wirklich darüber, dass endlich einmal – in Wirklichkeit ist es ja eine Kleinigkeit – ein erster Schritt einer Entbürokratisierung gemacht werden kann. Ich danke dem Kollegen Klubobmann Scheibner dafür, dass er uns unterstützt hat und dass er mitgegangen ist, damit einmal unnötiger bürokratischer Aufwand beseitigt wird. Vor über zehn Jahren habe ich versucht, die Sache zu problematisieren; ich bin fast ein wenig traurig, weil es so lange gedauert hat. (In Richtung SPÖ:) Nur sei das auch ein Hinweis darauf, dass mit Ihrer Seite, verehrte Damen und Herren, unter sozialis­tischen Innenministern so lange Zeit nichts möglich war! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.32

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben in seinen Kernpunkten erläu­terte Antrag der Abgeordneten Auer, Scheibner ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.


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28. Sitzung / Seite 90

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung vervielfältigen und verteilen; er wird auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Jakob Auer, Herbert Scheibner und Kollegen zum Antrag 81/A in der Fassung des Ausschussberichtes (162 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Ausschussbericht in 162 der Beilagen beigedruckte Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. In Art. I Z 1 (§ 124 Abs. 3 der Nationalrats-Wahlordnung 1992), Art. II Z 1 (§ 25 Abs. 3 des Bundespräsidentenwahlgesetzes 1971), Art. III Z 1 (§ 85 Abs. 3 der Euro­pawahlordnung), Art. IV Z 1 (§ 12 Abs. 3 des Wählerevidenzgesetzes 1973), Art. V Z 1 (§ 15 Abs. 3 des Europa-Wählerevidenzgesetzes), Art. VI (§ 23 Abs. 3 des Volksbe­gehrengesetzes 1973), Art. VII Z 1 (§ 18 Abs. 3 des Volksabstimmungsgesetzes 1972) und Art. VIII Z 1 (§ 19 Abs. 3 des Volksbefragungsgesetzes 1989) wird jeweils im zwei­ten Satz im Anschluss an das Wort „Pauschalentschädigungen“ das Wort „unverzüg­lich“ eingefügt.

2. In Art. II Z 1 (§ 25 Abs. 2 des Bundespräsidentenwahlgesetzes 1971), Art. III Z 1 (§ 85 Abs. 2 der Europawahlordnung), Art. IV Z 1 (§ 12 Abs. 2 des Wählerevidenzge­setzes 1973), Art. V Z 1 (§ 15 Abs. 2 des Europa-Wählerevidenzgesetzes), Art. VI (§ 23 Abs. 2 des Volksbegehrengesetzes 1973), Art. VII Z 1 (§ 18 Abs. 2 des Volksab­stimmungsgesetzes 1972) und Art. VIII Z 1 (§ 19 Abs. 2 des Volksbefragungsgesetzes 1989) wird das Wort „Verbraucherindex“ durch das Wort „Verbraucherpreisindex“ er­setzt.

3. Art. II (Bundespräsidentenwahlgesetz 1971) wird folgende Z 3 angefügt:

„3. In § 24 Abs. 1 wird das Zitat „§§ 122 bis 126 NRWO“ durch das Zitat „§§ 122, 123, 125 und 126 NRWO“ ersetzt.“

4. In Art. V Z 1 (§ 15 Abs. 3 des Europa-Wählerevidenzgesetzes) entfällt nach dem Wort „innerhalb“ das Wort „innerhalb“.

Begründung:

Zu Z 1:

Durch die Einfügung des Wortes „unverzüglich“ bei der Weiterleitung der Pauschalent­schädigungen an die Gemeinden soll sichergestellt werden, dass die Landeshaupt­männer diese Pauschalentschädigung sofort nach Anweisung durch den Bundesminis­ter auch tatsächlich an die Gemeinden auszahlen. Damit wird einer Anregung im Ver­fassungsausschuss am 1. Juli dieses Jahres nachgekommen, um eine möglichst rasche Auszahlung des pauschalierten Kostenersatzes an die Gemeinden sicherzu­stellen.

Zu Z 2 – 4:

In diesen Ziffern erfolgen Korrekturen zu verschiedenen Textierungsmängeln.

*****

 



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Stenographisches Protokoll
28. Sitzung / Seite 91

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.33

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das Problem, mit dem wir uns hier zu beschäftigen haben, ist ein sehr diffiziles. Wir waren im Ausschuss sehr überrascht, dass die Vorbereitung zu diesem Gesetz eigentlich eine sehr oberflächliche war: Es gab einen Initiativantrag mit einer Zehn-Zeilen-Begründung. Wir haben im Ausschuss die Problempunkte erst nach langer Diskussion verstehen können. Es ist auch im Nachhinein wenig an zusätz­lichem Datenmaterial zur Verfügung gestellt oder erklärt worden, warum genau diese Pauschalierung gewählt worden ist und warum man der Forderung des Gemeindebun­des zu 100 Prozent entspricht, der Forderung des Städtebundes jedoch nicht.

Mir leuchtet das also nicht ein. Es geht hier nicht um „die SPÖ gegen die Regierung“ oder um „Wien gegen die Gemeinden“, sondern der Städtebund als Ganzes spricht sich gegen diese Regelung aus. Es wäre für uns als Oppositionspartei sehr gut gewe­sen, hätte es diesbezüglich vielleicht ein Begutachtungsverfahren gegeben oder hätten wir das irgendwie nachvollziehen können. Es geht hier um Kostentransparenz, es geht um die Frage: Wie viel kostet das? (Abg. Großruck: Seit zehn Jahren ...!) – Sie sagen, Sie haben jetzt zehn Jahre diskutiert. Ich finde, dann ist es wohl wert, ein Gesetz legis­tisch ein bisschen besser als mit einer Zehn-Zeilen-Begründung vorzubereiten! Es gibt sichtlich auch mehr Zahlenmaterial, nur haben Sie es nicht vorgelegt.

Aber grundsätzlich: Die Pauschalierung ist gut, richtig und wichtig, und sie erspart im Verwaltungsbereich Kosten, das ist überhaupt keine Frage. Doch bis jetzt haben Sie mir noch nicht klarmachen können, warum man da keinen Konsens mit den Gebiets­körperschaften erreichen konnte, wenn man schon zehn Jahre lang diskutiert hat. Warum erfüllen Sie die Gemeindebundforderungen zu 100 Prozent und die Städte­bundforderungen nicht? – Das leuchtet mir nicht ein.

Es ist nach wie vor die Frage offen, ob es nicht tatsächlich eine Schwankungsbreite bei diesen Pauschalkostenersätzen gibt und ob es nicht einen Unterschied macht, dass man in größeren Städten so etwas wie längere Öffnungszeiten braucht, einfach um das für eine größere Menge von Menschen mit anderen Bedürfnissen als in den Gemein­den zu bewältigen, und ob das nicht wirklich auf die Pauschalkostenersätze durch­schlägt. Dazu haben Sie leider auch kein Argument verloren oder das näher erklärt.

Wir hätten diesem Gesetz an und für sich gerne zugestimmt, hätten wir hier mehr Transparenz darüber gehabt, was tatsächlich Ihre Beweggründe sind, das jetzt so zu machen, wie Sie es machen. (Abg. Großruck: Wenn ihr einen Bürgermeister hättet, würdet ihr zustimmen!) – Sie können sich dann gerne zu Wort melden; im Ausschuss haben Sie das nicht getan. – Das ist jetzt die Begründung dafür, dass wir diesem Antrag in der Form nicht zustimmen werden.

Etwas Mahnendes möchte ich jetzt noch als Juristin aussprechen. Vor kurzem fand im Parlament eine Enquete über Gesetzesfolgenabschätzung von der Gesellschaft für Gesetzgebungslehre statt. Dort sind wir als Gesetzgeber massiv kritisiert worden, einerseits wegen der Quantität der Gesetze, andererseits wegen der Qualität. Ich würde mir wünschen, dass es bei solchen Bestimmungen, die teilweise auch in das Verfassungsrecht hineingehen, eine bessere, umfassendere, detailliertere, qualitäts­vollere Vorbereitung gibt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.36

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



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28. Sitzung / Seite 92

13.36

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass Herr Abgeordneter Auer – auch auf Grund seiner persönlichen Erfahrung in der Kommunalpolitik – auch im Ausschuss sehr um­fassend dargelegt hat, zu welchen Widrigkeiten und zu welch hohem Verwaltungsauf­wand die bis jetzt geltende Regelung bei den Wahlkampfkostenersätzen geführt hat und dass es nicht sinnvoll ist, dies so weiterzuführen.

Natürlich waren da kleinere Gemeinden bisher krass benachteiligt, weil sie auf Grund der wesentlich geringeren Ressourcen und der geringeren Möglichkeiten, flexible Lösungen für ihren Aufwand bei der Abhaltung von Wahlen durchzuführen, eben weni­ger Möglichkeiten als größere Städte, aber auch größere Gemeinden haben. Es kann schon sein, dass es durch die Flexibilität, die vor allem Großstädte bei der Einzelab­rechnung an den Tag gelegt haben, vielleicht sogar zu einer entsprechend höheren Aufwandsentschädigung gekommen ist.

Aber wir wollen ja eine möglichst gerechte Lösung haben, und wir wollen vor allem eine Lösung haben, die möglichst effizient und Kosten einsparend ist. Deshalb glaube ich, dass dieser Vorschlag, dieser Entwurf, dieser Gesetzesantrag auf eine Pauschalie­rung dieser Kosten genau diesen Intentionen entspricht. Es wird Verwaltung einge­spart, es ist gerechter, und möglicherweise ist die Flexibilität, die größere Gemeinden oder Städte an den Tag gelegt haben, jetzt schwieriger als bisher umzusetzen. Trotz­dem denke ich, dass das eine sehr sinnvolle Maßnahme ist.

Zum Abgeordneten Prähauser, der gefragt hat, warum man hier nicht auch den Wahl­rechtsänderungsantrag mit auf die Tagesordnung gesetzt hat, worin wir die Stichtags­regelung einvernehmlich verbessert beziehungsweise neu geregelt haben: Ich sage Ihnen ganz offen, auch ich hätte mir gewünscht, dass wir das heute mit umfassen, weil das auch eine schöne Wahlrechtsdebatte gewesen wäre, wie wir sie schon in der ersten Lesung hatten.

Die Präsidiale hat sich anders entschieden, wie ich höre – ich war bei dieser Sitzung nicht anwesend –, mit dem auch nachvollziehbaren Grund, dass das eine sehr interes­sante Vorlage ist, eine Konsensmaterie, die man nicht in diese ohnehin überfrachtete Tagesordnung eingliedern wollte. Stattdessen werden wir – und darauf, dass das auch wirklich passiert, werden wir aufpassen, auch in der Präsidiale – in einer der ersten Nationalratssitzungen im Herbst an prominenter Stelle über das Wahlrecht und auch über diese Änderungen diskutieren. Ich glaube, das ist auch sinnvoll, nützlich und not­wendig. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.39

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Krainer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.39

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Kollege Scheibner, ich habe Ihnen ohnehin schon gesagt, ich habe immer öfter den Eindruck, dass die FPÖ nicht weiß, was sie tut. Aber das gilt in dem Fall nicht nur für die FPÖ, sondern auch für die ÖVP. (Abg. Scheibner: Ein ganz ein Obergescheiter!)

Wir haben im Verfassungsausschuss zwei Anträge behandelt, die beide Wahlrechts­materien betreffen. Der eine war ein Zwei-Parteien-Antrag im Disput, an dem es viele Kritikpunkte gibt; meiner Ansicht nach berechtigte Kritikpunkte. (Abg. Hornek: Da bin ich mir nicht sicher! – Ruf bei den Freiheitlichen: Werden Sie uns die verraten?) – Die werden sie dann noch hören. Der zweite Antrag war ein Vier-Parteien-Antrag, ein kon­sensueller Antrag.


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28. Sitzung / Seite 93

Am Freitag, den 4. Juli, war die Präsidiale. Kollege Scheibner war nicht dort. Das macht es aber auch nicht besser, wenn die linke Hand der FPÖ nicht weiß, was die rechte tut. (Abg. Scheibner: Das ist ein Obergescheiter!) Die ÖVP und die FPÖ lehn­ten dort in kleinkoalitionärer Eintracht die Behandlung des Antrags heute ab. Am Mon­tag, den 7. Juli, gaben die beiden Klubobleute eine gemeinsame Pressekonferenz. Und was taten beide? – Sie kündigten beide an, dass heute dieser Antrag behandelt wer­den wird, den sie noch am Freitag abgelehnt haben. Das ist ein bisschen peinlich.

Aber das ist noch nicht alles! Die Pressekonferenz reichte nicht, sie machten auch noch eine Presseaussendung, in der sie beide noch einmal Folgendes ankündigten – ich kann das wörtlich zitieren –: „Wählen mit 18“, sagt Kollege Molterer. „Das Wahlalter wird auf 18 Jahre festgelegt“, sagt Kollege Scheibner. (Abg. Scheibner: Das wird ja auch gemacht!) In dieser Woche, steht hier, in dieser Woche!

Aber das ist noch lange nicht alles, was an dieser Diskussion peinlich beziehungsweise ein spannendes Schauspiel ist. Ich hoffe, dass diese Verlegung auf den 24. September nichts mit dem 28. September zu tun hat. (Abg. Jakob Auer: Das sind Landtagswah­len!) Das sind nur wenige Tage vor der Wahl. (Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ja, da gibt es Landtagswahlordnungen, natürlich. Aber lassen Sie mich einmal aus­reden. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jakob Auer.) – Beruhigen Sie sich, Kollege. Ich weiß, es ist unangenehm für Sie, und das hören Sie nicht gerne, aber Sie werden es sich trotzdem anhören müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jakob Auer: Der kennt sich überhaupt nicht aus! – Ruf bei der ÖVP: So ein Blödsinn! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich hoffe, dass es nichts damit zu tun hat, dass Sie wenige Tage vor der Wahl noch einmal zeigen wollen, was für ein „großartiges“ Herz für junge Leute Sie haben. Wenn Sie nämlich wirklich eines hätten, dann hätten wir diesen Antrag schon vor Wochen be­schließen können und hätten auch den Landtagen genügend Zeit gegeben, ihre Land­tagswahlordnungen festzulegen und auch jenen jungen Leuten in Oberösterreich und Tirol, die zwischen ... (Abg. Jakob Auer: Das geht sich nicht aus! – Abg. Scheibner: Geht nicht! Er kennt sich schon wieder nicht aus!)

Natürlich wäre sich das ausgegangen. Wenn es Ihnen ein Anliegen gewesen wäre, könnten bereits alle, die zwischen 1. Jänner ... (Abg. Neudeck: Warum haben Sie das nicht schon 1998 beschlossen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.) – Ja, die 18-Jährigen könnten schon wählen, wenn es Ihnen ein Anliegen wäre. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Das ist eine Hasspolitik! – Heftiger Wider­spruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Alles mit der Ruhe, bitte! Wenn ihr durcheinander schreit, höre ich euch nicht. Ein Zwischenruf nach dem anderen, dann komme ich zurecht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

Am Tag der Sitzung des Verfassungsausschusses war auch noch spannend, wie sich plötzlich alle Federn auf den Hut stecken wollten: In der Früh haben die Grünen mit einer Presseaussendung der Kollegin Glawischnig angefangen, in der sie behauptet hat, der Vier-Parteien-Antrag ginge auf eine Initiative der Grünen zurück. Das habe ich spannend gefunden. Und eine Stunde später konterte die ÖVP: Stimmt nicht, das ist eine Initiative der Kollegin Fuhrmann. (Ruf bei der ÖVP: Jawohl!) Das stimmt aber beides nicht! Die Grünen haben zwar einen eigenen Antrag eingebracht, das stimmt, nämlich die alte Stichtagsregelung einzuführen. Die ÖVP hat aber überhaupt keine Initiativen in dieser Frage gesetzt. Wahr ist vielmehr, dass der Vier-Parteien-Antrag zu 90 Prozent wortwörtlich identisch ist mit dem Antrag, den die SPÖ in diesem Haus im März eingebracht hat. – So viel zum Sich-mit-fremden-Federn-Schmücken. (Beifall bei


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28. Sitzung / Seite 94

der SPÖ. – Abg. Hornek: Das ist ein 90-Prozent-Federl! – Abg. Neudeck: Dass ein junger Mensch so kleinlich sein kann!)

Zum gegenständlichen Antrag. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) – Viel Spaß!

Kollege Auer! (Abg. Dr. Jarolim: Simplicissimus!) Zum Antrag: Hundertprozentig unter­stütze ich die Intention, wenn man sagt, man will die Bürokratie, die Sie sehr bildreich dargestellt haben, in diesem Bereich abbauen. Dass man für ein paar hundert Euro viele Stunden lang sitzt und irgendwelche Zettel sammeln muss, dass das zwei Jahre dauert und hundert Beamte das kontrollieren, dass das nicht der Weisheit letzter Schluss ist, das sehen wir genau so. Aber das, was Sie jetzt machen wollen, ist, Ungleiches gleich zu behandeln. Eine Wahl in einem Dorf mit einigen hundert Einwoh­nern, bei der das Wahllokal drei, vier Stunden offen hat, die im Gemeindeamt stattfin­det, bei der der Gemeindesekretär und eine Gemeindeangestellte die Leiter der Wahl­behörde sind, ist ganz etwas anderes, als wenn zum Beispiel in Klagenfurt, also kein Ort, in dem die SPÖ großartig das Sagen hätte, Wahllokale angemietet werden müssen, weil es nicht genug gemeindeeigene Lokale gibt. (Abg. Neudeck: Dann soll doch die SPÖ ihre Parteilokale zur Verfügung stellen!)

Das heißt, dort muss man viel Geld in die Hand nehmen, um Wahllokale anzumieten, was eine kleine Gemeinde nicht machen muss. (Abg. Hornek: Das glaube ich nicht!) Bisher war es so, dass diese ihre höheren Kosten geltend machen konnten. (Abg. Scheibner: Es gibt ja auch Schulen! – Ruf bei der ÖVP: Da gibt es andere öffentliche Gebäude!) – Ja, in Klagenfurt gibt es zu wenige öffentliche Gebäude, zu wenige Schulen. (Ruf bei der ÖVP: Dort gibt es weniger Schulen als in anderen Städten? Das glauben Sie wohl selber nicht!) Bitte, fragen Sie Ihren Kollegen von der ÖVP, der ist dort Bürgermeister. Fragen Sie ihn einmal, wieso er Wirtshäuser als Wahllokale an­mietet! Fragen Sie ihn, nicht mich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hornek: Warum soll es gerade in Klagenfurt zu wenige Räume geben?)

Fragen Sie Ihren Kollegen von der ÖVP, der ist Bürgermeister in Klagenfurt, fragen Sie ihn, wieso das der Fall ist! (Abg. Mag. Hoscher: Die kennen ihre eigenen Leute nicht!)

Zweiter Unterschied: Die Stadt mit den höchsten Kosten ist meines Wissens Graz. Jetzt kommen Sie mir nicht damit, dass dort früher die Roten den Bürgermeister gestellt haben, denn der jetzige Bürgermeister war früher Finanzstadtrat. Die höchsten Kosten bei Wahlen hat die Stadt Graz, und es macht nun einmal einen Unterschied, ob ein Wahllokal zehn Stunden, elf Stunden lang offen hat oder nur zwei oder drei Stun­den. Die Kosten, die die einzelnen Gemeinden haben, sind daher unterschiedlich. Das, was Sie hier machen wollen, ist, Ungleiches gleich zu behandeln, und das ist unserer Ansicht nach nicht Sinn und Zweck einer Verwaltungsvereinfachung. Das erinnert mich irgendwie an den Vorwurf der Gleichmacherei, den ich immer eher von dieser Seite gehört habe, allerdings gegen Gruppierungen, die seit 1959 nicht mehr im Hause vertreten sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen, weil Sie hier Ungleiches gleich behandeln wollen, werden wir diesen An­trag auch ablehnen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Vorher informieren!)

13.46

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Langreiter. – Bitte. (Abg. Hornek – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Langreiter –: Klär ihn auf! – Abg. Mag. Langreiter: Sie verstehen es ja nicht! – Abg. Jakob Auer: So einen Topfen!)

 



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28. Sitzung / Seite 95

13.47

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich will jetzt nicht unbedingt in eine Wahlrechtsdebatte einsteigen, weil der Antrag, der heute auf der Tagesordnung steht, so einfach und simpel ist. Über die Herabsetzung des Wahlalters werden wir uns in diesem Hohen Haus noch Gedanken machen kön­nen. Klubobmann Scheibner hat es bereits gesagt: Die heutige Tagesordnung ist über­frachtet. Und über Vereinfachungen in der Wahlordnung werden wir uns auch noch Gedanken machen können. (Abg. Dr. Jarolim: Ich weiß nicht, was da alles überfrach­tet ist!)

Letztendlich ist der Antrag doch einfach: Ob eine zehnseitige Begründung notwendig ist, ja oder nein, ich verstehe nicht, was daran kompliziert sein soll. Entscheidend ist, dass wir den Wahlkostenersatz pauschalieren, weil sonst der Verwaltungsaufwand enorm ist. Und Salzburg und Oberösterreich, um das ergänzend anzubringen, haben in ihren Landtagswahlordnungen mittlerweile auch schon die Herabsetzung des Wahl­alters beschlossen.

Bisher war ein Schreiben an die Landesregierung zu verfassen, wonach gemäß so und so der Wahlordnung beantragt wird, die entstandenen Kosten zu ersetzen für die Über­bringung des Wahlakts an die Bezirkshauptmannschaft, Kilometergeld, Personalkosten für Überstunden laut Lohnzettel, Verköstigung, Programm- und Verarbeitungskosten für eine Stunde EDV-Einsatz inklusive Pauschale für Papier. Die Lohnzettel der im An­trag angeführten Dienstnehmer werden vorgelegt. Die für die Vorbereitung und Durch­führung der Wahl aufgewandten Überstunden sind mit Gelbstift gekennzeichnet. Für die angeführten Überstunden wird der Dienstgeberanteil von 20,4 Prozent und der Wohnbauförderungsbeitrag von 0,5 Prozent hinzugerechnet, als Beilage der Kostener­satz und die einzelnen Lohnzettel. Der Akt ist ungefähr drei Zentimeter dick. Das, multi­pliziert mit der Anzahl der Gemeinden des Landes Salzburg – es sind derzeit 119 Ge­meinden –, wird die Aktenlage wieder um einiges höher.

Das alles, damit dann ein Bescheid kommt, der zum Ausdruck bringt, dass die Druck­kosten zur Gänze ersetzt werden und die übrigen Kosten mit etwa einem Drittel be­dient werden. In der Begründung ist verankert, dass jene Kosten, die auch entstanden wären, wenn keine Wahl stattgefunden hätte, nicht ersetzt werden, wie zum Beispiel die Verköstigung, weil zu essen brauchen wir alle etwas. Das ist also das Endprodukt dieses Verwaltungsakts, und da steht der Verwaltungsaufwand wirklich in keinem Ver­hältnis mehr zum Ergebnis.

Insbesondere den Kleingemeinden wird mit der Neuregelung auch die Tür geöffnet, also denjenigen Gemeinden, die bisher keinen Kostenersatz geltend gemacht haben. Sie werden endlich auch etwas bekommen.

Meine Damen und Herren! Auch die Ausschussfeststellung, dass die Gelder unverzüg­lich angewiesen werden sollten, wie das im Juristen-Neudeutsch auch heißt, nämlich ohne schuldhaftes Zögern, wie ich das einmal gelernt habe, sollte im Interesse dieser Gemeinden sein.

Ich meine, man braucht nicht immer den Beleidigten als Städtebund, als sonstige Kör­perschaft zu spielen und vom Verhandlungstisch wegzugehen. Ich habe das auch bei der Kommission für Siedlungswasserwirtschaft gemerkt, wo sich der Städtebund aus mehreren Gründen auch nicht mehr an den Tisch setzt. Wie auch immer, der Städte­bund verlässt den Verhandlungstisch und kehrt nicht zu konstruktiven Gesprächen zurück.

Meine Damen und Herren! So kompliziert ist die Materie wirklich nicht, dass Sie hier nicht mitgehen können. Das könnten wir also ruhig auch gemeinsam beschließen,


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denn letztendlich ist das auch im Interesse der von Ihnen geführten Gemeinden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.50

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Machne. – Bitte.

 


13.50

Abgeordnete Helga Machne (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Verehrte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! „Schilda in Österreich“, so titelte die Kommunalfachzeitschrift für die Gemeinden, und geschehen ist es in Piesting. Gemeint ist der Wahlkostenersatzbescheid für die Gemeinde Piesting, und ich möchte Ihnen das als Beispiel vor Augen führen. Im Dezember 2000 hat die Ge­meinde für die Nationalratswahlen 1999 11 797 S beantragt und hat dann einen Bescheid bekommen, in dem nur 11 796,93 S, also 7 Groschen weniger, genehmigt wurden. Es ist höchste Zeit, dass hier ein einfach zu vollziehendes und gerechtes Ge­setz erlassen wird. Ich verstehe die Kollegin Glawischnig nicht ganz, wenn sie hierin ein diffiziles Problem erblicken will. Mehr Transparenz kann man gar nicht haben.

Meine Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen! Es ist mir eigentlich unverständlich, dass Sie in dieser Sache nicht mitstimmen, da Sie doch immer Verwal­tungsvereinfachung und Bürokratieabbau verlangen. Man muss sich nur einmal vor­stellen, dass derzeit fast 3 000 Gemeinden je einen Antrag mit 24 Blättern erstellen müssen, und dann bekommen sie nach ungefähr zwei Jahren 30 Prozent der Kosten ersetzt. Eine kleinen Gemeinde wie Amlach bei Lienz, und das ist wieder ein Beispiel, mit zirka 300 Einwohnern bekommt dann 33,23 €.

Ja wundert es Sie, meine Damen und Herren, dass viele Gemeinden überhaupt keinen Antrag stellen, weil sie die Verwaltungskosten scheuen und sich denken: Für die paar Euro mache ich mir nicht die Arbeit! Es ist klar, dass der Verwaltungsaufwand wesent­lich mehr kostet als die paar Euro, die sie bekommen.

Ich bin davon überzeugt, dass das heute zu beschließende Gesetz einen enormen Bürokratieabbau für alle Gebietskörperschaften, für Bund, Länder und Gemeinden bringt und tausende Stunden spart. Ich meine auch, dass es ein absolut gerechtes System ist: zirka 0,5 € pro Einwohner.

Aber ich möchte hiezu auch noch etwas anmerken: Wahlleiter und Wahlbeisitzer er­bringen ihre Arbeit zumindest in Osttirol – ich gehe davon aus, auch im Großteil Öster­reichs – ehrenamtlich und kostenlos. (Ruf bei den Freiheitlichen: Aufpassen!) Wie ich aber gehört habe, werden in einigen Städten für Wahlbeisitzer und Wahlleiter Kosten­ersätze in nicht unbeträchtlicher Höhe geleistet. (Abg. Neudeck: Die müssen sie aber gleich an die Partei weitergeben!) Diese Kostenersätze werden mancherorten an die Partei weitergegeben. Das ist für mich in Ordnung, denn jeder kann mit seinem Geld machen, was er will. Allerdings bin ich der Meinung, dass diese Beiträge die jeweilige Gemeinde für sich beschließen und dann auch bezahlen soll. Es ist ja auch nicht so, dass eine große Gemeinde viel weniger bekommt. Wenn sie 1 Million Einwohner hat, dann bekommt sie immerhin 500 000 €, und das ist ja nicht ganz wenig.

Ich bedauere sehr, dass der Städtebund in dieser Sache nicht mitgeht. Lienz ist schließlich und endlich auch schon sehr lange Mitglied des Städtebundes. Für uns, so habe ich herausgefunden, hat sich die Situation verbessert. Und ich denke, für viele Gemeinden in Österreich und auch für Städte wird sich die Situation verbessern.

Zum Schluss ein weiteres Beispiel: Lienz hat für die Nationalratswahl im Novem­ber 2002 5 300 € bekommen und wird nach dem neuen System ohne Bürokratie 6 600 € bekommen. Auch Verwaltungsstunden werden wir einsparen. Und die Ge-


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meinde Amlach hat 33,23 € bekommen und wird dann 160 € bekommen. Das ist eine gewaltige Verbesserung für kleine Gemeinden. Die großen Gemeinden müssen sich eben überlegen, etwas einzusparen.

Aber ich möchte schon noch etwas erwähnen, wenn ich darf: Es ist von längeren Öff­nungszeiten gesprochen worden. Natürlich haben wir auch zehn Stunden geöffnet. Es ist ja nicht so, dass wir nur drei Stunden offen haben. Es gibt aber kleine Gemeinden, die wesentlich weniger lang offen haben, aber daher auch weniger bekommen. (Abg. Krainer: Falsch! Das ist falsch!)

Meine Damen und Herren! Helfen Sie Verwaltung einsparen, und helfen Sie mit, Schilda in Österreich zu beenden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.55

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. – Bitte.

 


13.55

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir bekamen vorhin einen schönen Anschauungsunterricht über den Unterschied zwischen jemandem, der weiß, wovon er spricht, nämlich Bürgermeis­ter Auer, und jemandem, der ein reiner Theoretiker ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was Kollege Krainer an völliger Ahnungslosigkeit geboten hat – er kommt gerade her­ein –, das ist nicht zu überbieten, denn die Landtagswahlordnungen, Kollege Krainer, haben nichts mit dem zu tun, was wir hier beschließen. (Abg. Krainer: Natürlich!) Nehmen Sie das zur Kenntnis! Ich kenne die steirische Landtagswahlordnung. Diese beinhaltet schon längst die Regelung, zu der wir hier erst kommen.

Zweiter Punkt: Das ist heute ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit zwischen großen und kleinen Gemeinden, und es ist unser Ansinnen in allen Bereichen, zu mehr Gerechtig­keit zu kommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch wenn wir von der ÖVP in großen Gemeinden wie in der zweitgrößten Gemeinde Österreichs, in der Stadtgemeinde Graz, den Bürgermeister stellen, halten wir an unse­rem Prinzip, zu mehr Gerechtigkeit zu kommen, fest. (Abg. Eder: Da ist keine Gerech­tigkeit!) Wir sind auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit.

Ein weiterer Punkt, den ich hier sehr deutlich unterstreichen darf: Kollegin Glawischnig hat im Verfassungsausschuss beklagt, dass in kleinen Gemeinden nicht so lange ge­öffnet sei. Was ist das Entscheidende für uns alle? Eine möglichst hohe Wahlbeteili­gung zu erreichen. Ich denke, hierin sind wir uns einig. (Abg. Krainer: Das bedeutet aber auch höhere Kosten!)

Kollege Krainer! Das sage ich Ihnen als stellvertretendem Vorsitzenden der SPÖ Land­straße: Unser Ziel ist es nicht, auf das Niveau von Wien mit 66,6 Prozent Wahlbeteili­gung bei der letzten Gemeinderats- und Landtagswahl herunterzugehen. Unser Ziel ist es, die Wahlbeteiligung möglichst hochzuhalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Abg. Krainer: Und wie war die Wahlbeteiligung in Graz? – Abg. Mag. Wurm: Graz!) Und bei der Wahlbeteiligung sind die kleinen Gemeinden, das sage ich Ihnen, weit effizienter als die Bundeshauptstadt Wien. (Abg. Krainer: Und wie hoch war die Wahlbeteiligung in Graz im dritten Bezirk?) Daher ist die vorliegende Kostenregelung ein wichtiger Schritt, um einerseits insgesamt Kosten einzusparen und andererseits zu mehr Gerechtigkeit zu kommen.

Noch etwas sei hier nur mit einem Satz erwähnt, weil wir es an anderer Stelle diskutie­ren sollten. Das, was wir heute regeln, ist ja nur die Abgeltung für die ortsgebundene


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Ausübung des Wahlrechts. Das, was mich traurig stimmt, weil das vorhin auch von der SPÖ beklagt worden ist, ist, dass wir heute noch nicht die Regelung bezüglich der 18-Jährigen beschließen. Was mich traurig stimmt, ist, dass Sie verhindern, dass wir auch noch eine zweite Möglichkeit bekommen, wählen zu können, nämlich mittels Briefwahl. (Abg. Krainer: Dann reden Sie hier nicht herum, sondern legen Sie einen entsprechen­den Vorschlag vor!)

Ich sage es Ihnen ganz direkt: In Deutschland, zum Beispiel in Bayern, war zuletzt die Faktenlage so, dass bereits jeder Fünfte, also 20 Prozent per Briefwahl ihre Stimme abgegeben haben. (Abg. Krainer: Ja, dann bringen Sie doch den Antrag ein!) Sie und Ihr geschäftsführender Klubobmann Cap flüchten sich in diesem Punkt noch immer in Ausreden. Vor kurzem erst hat Cap wieder wörtlich gesagt:

Es ist noch kein manipulationsfreies Briefwahlmodell gefunden. – Zitatende. (Abg. Krainer: Legen Sie doch einen Vorschlag vor!) – Wie der Schelm denkt, so spricht er, kann ich dazu nur sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Grad­wohl: Ausgerechnet Sie sagen das! Sie sollten sich schämen!)

Faktum ist, dass Sie beim Wahlrecht wie in kaum einem anderen Bereich auf der Bremse stehen. Dafür sollten Sie sich schämen, Sie haben Recht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Krainer: Vorsicht! – Abg. Dr. Jarolim: Das war bemer­kenswert uninformiert heute! – Rufe bei der ÖVP: Jarolim! Jarolim! – Abg. Dr. Rasin­ger: „Eurolim“!)

13.58

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Staatssekretär Mag. Schweitzer. – Bitte. (Anhaltende Rufe bei der ÖVP: Jarolim! „Eurolim“! Jarolim!)

Herr Staatssekretär, ergreifen Sie das Wort! – Bitte.

 


13.58

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jarolim! Es steht mir nicht zu, Kolle­gem Krainer die Unterschiede zwischen den einzelnen Wahlordnungen und die Zu­ständigkeit für die einzelnen Wahlordnungen zu erklären. (Abg. Dr. Jarolim: Da haben Sie Recht!)

Deshalb bleibe ich bei den Fakten, und Faktum ist, dass diese Regelung ein klassi­sches Beispiel für Bürokratieabbau in unserem Lande ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Faktum ist, dass die bisher gültige Regelung zur Benachteiligung kleinerer Gemeinden geführt hat. Faktum ist – und das ist auch für Sie nachvollziehbar –, dass es bisher sehr große Schwankungsbreiten in der Bezahlung pro Kopf gegeben hat, und in der Regel sind diese Schwankungen immer zugunsten der großen Gemeinden ausgefal­len. (Abg. Krainer: Das stimmt doch nicht!)

Herr Kollege Krainer! Ein hoher Verwaltungsaufwand insbesondere bei der Vergütung der Kosten für die Führung der Wählerevidenz – und das war ja das Problem der kleinen Gemeinden – hat dazu geführt, dass rund 1 500 Gemeinden überhaupt darauf verzichtet haben, einen Vergütungsantrag zu stellen.

Mit dieser Regelung ist man also dem Wunsch zahlreicher Gemeinden nachgekom­men. Es wundert mich, dass Bürgermeister kleinerer Gemeinden von der SPÖ gegen diesen Antrag stimmen, obwohl ihre Gemeinden von dieser Neuregelung profitieren werden. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Typisch Parteipolitik! – Abg. Krainer: Weil es unge­recht ist!)


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Da frage ich mich zum Beispiel beim Kollegen Kaipel schon, wie er seine Gegen­stimme in seiner Gemeinde rechtfertigen wird, wo doch durch diese Regelung die kleinen Gemeinden endlich den großen gleichgestellt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der vorliegende Entwurf enthält Pauschalierungsregelungen für sämtliche Wahlereig­nisse sowie auch für die Vergütung der bei der Führung der Wählerevidenz und der Europa-Wählerevidenz einschließlich der Datenübermittlung an den Bundesminister für Inneres oder das Land entstandenen Kosten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darum geht es! Für den Bund ist diese Rege­lung aufkommensneutral, aber für die Gemeinden, die sich bis jetzt über die Kosten nicht allzu viele Gedanken gemacht haben, wird es etwas problematischer. – Das ist aber Sache der großen Gemeinden, die Sie vertreten haben. (Abg. Krainer: Klagen­furt! Graz!) – Auch Klagenfurt, aber das ist nicht das Problem der Bundesregierung oder des Parlaments, das in diesem Fall für Bürokratieabbau votiert, sondern das Pro­blem Klagenfurts. Der Verwaltungsaufwand wird jedenfalls in erheblichem Ausmaß reduziert, und darum geht es.

Somit ist der vorliegende Initiativantrag ein Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung und führt zu einer verbesserten Gerechtigkeit beim Kostenersatz. Das sollte im Interesse aller Beteiligten sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.02

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 162 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Jakob Auer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 162 der Beilagen unter Berücksichtigung des Abänderungsantra­ges der Abgeordneten Jakob Auer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür eintreten, ersuche ich um ein diesbezüg­liches Zeichen. (Abg. Prinz – in Richtung des Abg. Reheis –: Gerhard! Bürgermeis­ter!) – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetz­entwurf zustimmen, um ein Zeichen. – Es ist dies ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetz­entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

3. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Entschließungsantrag 48/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Theresia Haidlmayr, Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsetzung einer Arbeitsgruppe beim Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes zur Er­arbeitung eines Behinderten-Gleichstellungsgesetzes unter Einbindung von selbst betroffenen Experten (164 der Beilagen)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ordnung.


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Der Herr Berichterstatter hat sich nicht zu Wort gemeldet.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. – Bitte.

 


14.05

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Diese Bundesregierung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Lebens­situation behinderter Menschen zu verbessern. Dazu gehört vor allen Dingen, dass Artikel 7 der Bundesverfassung, wonach niemand auf Grund seiner Behinderung be­nachteiligt werden darf, mit Leben erfüllt wird.

Es wurde nun eine Arbeitsgruppe in der Bundesregierung eingesetzt, die ein derartiges Gleichstellungsgesetz ausarbeiten soll. Was dabei wichtig ist: dass dort Betroffene selbst mitarbeiten und ihre Lebensrealität einbringen.

Untersucht man die Gesetzesbestimmungen auf diskriminierende und benachteili­gende Faktoren, wird man bald fündig. Ein paar Beispiele aus der Praxis:

Barrierefreies Bauen: Sie möchten am Abend ins Theater gehen und denken sich, die Josefstadt ist nicht schlecht. Sie rufen an, wollen eine Karte bestellen, aber die freund­liche Chefin meint, na ja, das Theater sei nicht rollstuhlgerecht; den Rollstuhl müssen Sie an der Garderobe abgeben, den Rest können Sie zu Fuß gehen. – Kein Problem.

Oder zum Thema Urlaubszeit: Sie wollen verreisen. Es kann Ihnen passieren – wie vor kurzem einer jungen Rollstuhlfahrerin –, dass Sie von der AUA nicht mitgenommen werden. Wenn Sie glauben, mit dem Zug zu verreisen sei besser, dann muss ich sagen, es kann Ihnen bei den ÖBB passieren, dass Sie im Gepäckwagen fahren müssen, weil kein Platz im normalen Abteil ist.

Wenn Sie ein behindertengerechtes Taxi bestellen wollen, müssen Sie ebenfalls oft lange warten – unter Umständen sogar bis in den Herbst nach der Urlaubszeit.

Eine Gruppe junger geistig behinderter Menschen hat beschlossen, sich selbst zu ver­treten. Sie wollen nicht immer nur von BetreuerInnen über ihre Anliegen und darüber, was gut für sie ist, entscheiden lassen. Sie beschlossen, einen Verein zu gründen – PEOPLE FIRST Wien –, was nicht ging, da alle Mitglieder besachwaltet sind und kein Vorstand zustande kam.

Ein anderes Beispiel: Einer meiner Freunde ist blind und surft mit seinem Computer im Internet, allerdings tappt dieser Computer zumeist im Dunkeln, weil die Seiten nicht den Accessibility-Bestimmungen entsprechen.

Es gibt also sehr viel zu tun, sehr viel Arbeit für diese Arbeitsgruppe, und das muss jetzt wirklich sehr rasch und gut angegangen werden.

Sie werden sich jetzt fragen: Kommt bei Huainigg das Thema Gebärdensprache gar nicht mehr vor? – Stimmt nicht, ich habe nicht darauf vergessen. Auch hier ein Bei­spiel: Ein Gebärden-Dolmetscher hat mir vor kurzem von einem besonderen Erlebnis erzählt. Er wurde nämlich von einem Vater gerufen, der einmal mit seinem Sohn reden wollte. – Man muss sich das vorstellen! Es kam in dieser Familie kaum zu Gesprächen. Die Eltern konnten auch nicht Gebärdensprache, da ihnen immer wieder angeraten wurde, diese nicht zu lernen. Es braucht also auch wirklich die Anerkennung der Ge­bärdensprache. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.09

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

 



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14.09

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir schreiben das Jahr 2003, das ist das Europäische Jahr der Men­schen mit Behinderungen. Nach wie vor kommt es in unserem Land vor, dass zum Bei­spiel eine blinde Juristin nicht zur Richteramtsanwärterprüfung zugelassen wird, dass zum Beispiel Gruppen von behinderten Menschen aus Lokalen verwiesen werden oder dass einem Rollstuhlfahrer der Besuch des Parlaments anlässlich einer Sondersitzung verwehrt wurde, weil keine Begleitperson dabei war. (Abg. Großruck: Wo kommt das vor?) Menschen mit Behinderungen werden diskriminiert und massiv benachteiligt.

Meistens werden bei Menschen mit Behinderungen die Menschen selbst als das Pro­blem betrachtet. Von der Gesellschaft wird es immer als Ziel angesehen, die Beein­trächtigungen der Menschen mit Behinderungen durch Therapie oder Training auszu­gleichen, und nicht, die Rahmenbedingungen zu ändern.

Hohes Haus! Menschen haben ein Recht auf selbständiges Leben und gesellschaft­liche Teilhabe. Wir müssen die Unterschiedlichkeit und auch die Vielfalt im Mensch­sein – eben auch von Menschen mit Behinderungen – anerkennen und fördern.

Wesentlich ist, dass die Rahmenbedingungen geändert werden – Rahmenbedingun­gen in Fragen der Ausbildung, der Bildung, der Erwerbs- und der Einkommenssitua­tion. Es ist notwendig, dass auch behinderte Menschen mit ihrem Einkommen auskom­men können und dass die Teilhabe und der Zugang zum kulturellen und öffentlichen Leben sowie der Zugang zu Informationen gewährleistet sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Natürlich sind auch Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass behinderte Men­schen in die Berufswelt und in die Arbeitswelt integriert werden können und dort ihren Platz haben, aber auch der Zugang zur Politik und die demokratische Teilhabe müssen gewährleistet sein.

Alle vier Parteien haben heuer im Februar einem Antrag zugestimmt, dass zur Errei­chung der Gleichstellung behinderter Menschen in unserem Land ein Gleichstellungs­gesetz erarbeitet werden soll. Die Arbeitsgruppe wurde dann nicht im Bundeskanzler­amt situiert, sondern im Sozialministerium. Jetzt erhält diese Arbeitsgruppe jedoch den Auftrag der Bundesregierung, und ich denke, es ist ein wichtiger Punkt, dass diese Thematik sozusagen nicht in einem Fachministerium hängen bleibt.

Unserer Meinung nach ist es sehr wichtig, dass auch die legistische Einbindung des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes gewährleistet ist. Die legistische Ver­ankerung ist dringend notwendig, damit die Rahmenbedingungen ebenfalls auf gesetz­licher Ebene durchgesetzt werden können.

Hohes Haus! In Deutschland gibt es bereits ein Gleichstellungsgesetz. Die Eckpfeiler, die wir in der parlamentarischen Auseinandersetzung und Diskussion setzen wollen, müssen in die Richtung gehen, dass wir dort, wo es erforderlich ist, Sanktionen erar­beiten, dass wir die Sensibilisierung an den Anfang unserer Maßnahmen – auch unse­rer gesetzlichen Maßnahmen – stellen und dass wir in unserer Gesellschaft offensiv dafür eintreten, dass behinderte Menschen als gleichberechtigt anerkannt werden.

Es ist wesentlich, dass wir diese veränderten Rahmenbedingungen gesetzlich fest­schreiben, die dann nicht nur im heurigen Jahr gelten, sondern für das ganze Jahr­hundert.

Wichtig ist meiner Meinung nach auch, dass es eine Verbandsklage für Behinderten­verbände geben soll, damit diese die Interessen behinderter Menschen verstärkt durchsetzen können.

Entscheidend ist auch, dass wir bestehende Behörden für den Verfahrensweg nutzen können, damit diese Behörden, die schon im Umgang mit behinderten Menschen Er-


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fahrung haben – wie zum Beispiel das Bundessozialamt –, eingreifen und für behin­derte Menschen Ansprechpartner und Kämpferinnen und Kämpfer sein können.

Hohes Haus! Es ist unsere parlamentarische Verantwortung, ein Gleichstellungsgesetz zu erarbeiten. Es ist wesentlich und wichtig, dass wir heute darüber diskutieren. Ich verspreche Ihnen, dass das nicht das letzte Mal sein wird, sondern dass wir uns auf Grund der Ergebnisse in den Arbeitskreisen und in den Arbeitsgruppen auch weiterhin auf parlamentarischer Ebene damit auseinander setzen werden.

Weiters ist es wichtig, dass nicht im Nacktschneckentempo gearbeitet wird, sondern dass wir den Motor für veränderte Rahmenbedingungen für behinderte Menschen voll aufdrehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.14

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

 


14.14

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Einerseits ist es ja eigentlich sehr erfreulich, dass wir uns in letz­ter Zeit so oft hier im Parlament über das Behinderten-Gleichstellungsgesetz unterhal­ten, denn das zeigt Engagement und auch Interesse an diesem Gesetz. Ich muss aller­dings sagen, dass hier im Parlament das Interesse an unserer Diskussion nicht sehr groß ist: Sehr viele Kollegen ziehen es vor, diese Materie nicht mit uns zu diskutieren, was mir wirklich sehr Leid tut. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Einerseits ist es also positiv, dass wir so oft darüber diskutieren, aber andererseits gibt das natürlich auch zu denken, weil andere europäische Länder uns weit voraus sind, was die Behandlung behinderter Menschen betrifft. Dort haben behinderte Menschen nämlich bereits jenen Stellenwert, der ihnen gebührt. Sie können dort auch ohne große Probleme am ganz gewöhnlichen Leben teilnehmen – was in Österreich leider Gottes noch nicht so ist – und können ihre Ansprüche auch rechtlich durchsetzen.

Diesen Schritt vom „armen Hascherl“, das bedauert wird und das ununterbrochen von Sozialeinrichtungen betreut werden muss, zum selbstbewussten Menschen mit Rechtsanspruch wollen wir mit dem Behinderten-Gleichstellungsgesetz setzen. Mir ist natürlich klar, dass das sehr schwierig und sicher ein langer Weg ist und allein mit einem Gesetz wahrscheinlich noch nicht erreicht werden kann.

Wir haben schon gesehen, dass es 1998 Vorarbeiten zum Behinderten-Gleichstel­lungsgesetz gegeben hat. Da sind alle Gesetzesmaterien unter dem Aspekt gesichtet worden, wo es Behinderungen und Diskriminierungen gegenüber behinderten Men­schen gibt. Ich habe allerdings keine sehr großen Erfolge dieser Durchforstung be­merkt.

Nach wie vor ist es für behinderte Menschen sehr schwierig, ja oft unmöglich, am ganz normalen Leben teilzunehmen. Das äußert sich zum Beispiel im Bestehen von bau­lichen Barrieren. Ich könnte die Aufzählung, die Herr Kollege Huainigg begonnen hat, fortsetzen und sehr viele Beispiele bringen, gerade auch was das Theater anlangt. Wenn Sie schon ein Theater mit einem Behindertensitz erwischt haben, dann haben Sie oft einen derart schlechten Platz, dass ein sehbehinderter Mensch keine Chance hat, das Stück mitzuverfolgen.

Ein weiteres Beispiel sind die öffentlichen Bäder: Es werden überall ganz moderne Bäder gebaut, aber niemand denkt daran, dass ein gehbehinderter Mensch auch ins Wasser hinein und wieder heraus möchte. In den Hotels – Vier- oder Fünfstern­hotels! – gibt es ganz tolle Pools, aber es wird nicht darauf geachtet, dass dort ein


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Behinderter hinein- und wieder herauskann. Dasselbe gilt für die Kinopaläste und so weiter. Das lässt sich fortsetzen.

Die Schwierigkeit, am „normalen“ – unter Anführungszeichen – Leben teilzunehmen, ergibt sich auch aus Unsensibilitäten, die die nicht behinderten Menschen immer wie­der an den Tag legen, wenn es darum geht, einem behinderten Menschen zu begeg­nen. Sie ergibt sich aber auch aus finanziellen Engpässen. Ich denke da zum Beispiel daran, dass die Pensionisten selbstverständlich Anspruch auf Erhöhung ihrer Pensio­nen erheben. Dasselbe selbstverständliche Recht fehlt hinsichtlich der Pflegevorsorge für Behinderte.

Ich bitte jetzt Sie von der Opposition, dass Sie nicht sagen: Na ihr könnt es ja durch­setzen! – Sie wissen ja ganz genau: Als Sie noch in der Regierung waren (Abg. Öllin­ger: Wir waren nicht in der Regierung!) und das Pflegegeld eingeführt wurde, hat es nachher keine Erhöhungen mehr gegeben, weil es ungeheuer schwierig ist, diese großen finanziellen Forderungen durchzusetzen. Deshalb sage ich ja: Wir müssen alle zusammenarbeiten, damit wir etwas erreichen, damit wir diesen steinigen Weg gehen und ihn zu einem Erfolg führen. Steter Tropfen höhlt den Stein! – Diese Aufforderung richtet sich auch an die Opposition.

Ich glaube, dass wir mit den Arbeiten zum Antidiskriminierungsgesetz die besten Vor­aussetzungen dafür schaffen, auch in Österreich einen europäischen Standard einzu­führen und den behinderten Menschen das Gefühl zu geben, dass sie nicht mehr die sozial Befürsorgten sind, sondern gleichberechtigte Menschen mit Rechtsansprüchen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.19

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

 


14.19

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stimmt: Steter Tropfen höhlt den Stein. Seit 1997 kämpfe ich für ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz, und irgendwo, irgend­wann sind auch schön langsam Ihre Ohren ein Stück weit aufgegangen, und Sie haben eingesehen, dass es dieses Behinderten-Gleichstellungsgesetz geben muss.

Es ist genau sechs Jahre her – es war im Juli 1997 –, dass die Grünen – und das war ich, das kann niemand abstreiten! – gemeinsam mit der österreichischen Behinderten­bewegung zumindest einmal die Verfassungsbestimmung durchgesetzt haben. Damals im Juli sind alle, inklusive mir selbst, da gestanden, und jeder von uns hat gesagt: Jetzt müssen wir diese Verfassungsbestimmung mit Inhalten füllen! Jetzt müssen wir diese Verfassungsbestimmung zum Leben erwecken! – Die Einzige, die sie am Leben erhalten hat, war ich, indem ich Ihnen gegenüber mit der Forderung nach einem Behin­derten-Gleichstellungsgesetz ständig Druck gemacht habe. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die einzigen Initiativen, die es in den letzten sechs Jahren in diese Richtung gegeben hat, sind die der Grünen, nämlich die zwei Initiativanträge für ein Behinderten-Gleich­stellungsgesetz, die Anträge für die Anerkennung der Gebärdensprache (Abg. Dr. Par­tik-Pablé: Machen Sie doch nicht Parteipolitik daraus!), die Anträge für die Erhöhung des Pflegegeldes et cetera (Abg. Dr. Partik-Pablé: Machen Sie doch nicht Parteipolitik daraus! Wir wollen doch gemeinsam arbeiten!) – ich könnte Ihnen das, wenn Sie wollen, noch kiloweise präsentieren –, mit dem Ergebnis, dass Sie alle das abgelehnt haben. Deshalb sind wir erst dort, wo wir jetzt sind. Das muss einmal klargestellt werden.


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Frau Partik-Pablé, es ist ganz nett, wenn Sie sagen, die Opposition solle mitarbeiten. Wir haben bis jetzt die Hauptarbeit gemacht – mit dem Ergebnis (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber wir waren ja auch in der Opposition, und ich habe mitgearbeitet!), dass die Regierungsparteien sich dazu verschwiegen haben. So ist es ganz einfach. – Aber das war jetzt nur eine Analyse des Ist-Zustandes. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Lange bevor Sie im Parlament waren, habe ich schon mitgearbeitet!) – Frau Pablé, ich höre Sie nicht! Ich habe das Hörgerät abgeschaltet, weil ich damit gerechnet habe, dass Sie mir wieder dreinreden werden.

Ich bin froh, dass es mir gelungen ist, zu erreichen, dass es jetzt diese Arbeitsgruppe im Auftrag des Bundeskanzlers gibt. Es ist jetzt zwar noch in letzter Minute versucht worden, die Arbeitsgruppe ins Sozialministerium zu verschieben, aber da geht eben nichts, solange die Haidlmayr da herinnen sitzt. Wir haben sie dort, wo sie hingehört, nämlich beim Bundeskanzler, und zwar unter Einbeziehung des Verfassungsdienstes, denn ohne Verfassungsdienst machen wir gar nichts! – So ist es.

Diese Arbeitsgruppe haben wir also, und – das kann ich, ohne überheblich zu sein, sagen – da steht „Haidlmayr“ darauf! (Ironische Heiterkeit des Staatssekretärs Mag. Schweitzer.) Die Haidlmayr ist die Urheberin, die es ermöglicht hat, dass wir heute darüber diskutieren können, wie weit wir bereits sind. Darauf bin ich stolz, und das sage ich auch jedem! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn Sie sagen, es sei bereits Vorarbeit geleistet worden und es werde ja bereits etwas gemacht, weil die österreichische Rechtordnung durchforstet worden sei, dann sage ich: Das stimmt. Es ist die Durchforstung der Bundesgesetze erfolgt. Allerdings hat sich jedes Ministerium nur so weit beteiligt, wie es wollte, und genau so war dann auch das Ergebnis.

Diese Bestimmungen, Frau Partik-Pablé – ich weiß nicht, ob Sie es wissen –, die wir damals gefunden haben, die bereits in den Gesetzen als diskriminierend identifiziert wurden, sind bis heute – bis auf ganz wenige Ausnahmen – noch immer diskriminie­rende Bestimmungen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Na, haben Sie nicht gehört? Ich habe ja gesagt: Wenig Erfolg! Ich gebe es ja zu! Das ist ein steiniger Weg! Mehr kann ich ja nicht sagen!) Nichts haben Sie gemacht, absolut gar nichts! – So ist es eben.

Es ist mir auch gelungen, zu erreichen, dass wir jetzt die Gebärdensprache endlich zu ihrem Leben als Sprache erwecken. Heute wird ein Unterausschuss zur Anerkennung der Gebärdensprache installiert. Ich hoffe, dass es selbstverständlich ist, dass wir in diesem Unterausschuss sowohl ein Experten-Hearing abhalten als auch eine Geset­zesvorlage erarbeiten können, damit gehörlose Menschen endlich das Recht haben, ihre Sprache zu sprechen und auch in ihrer Sprache angesprochen zu werden.

Frau Lapp, Sie haben gesagt: Wir müssen jetzt ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz machen. Ich bitte Sie ganz herzlich im Interesse der behinderten Menschen: Tun Sie das nicht! (Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp.) Das ist Aufgabe der behinderten Men­schen, das ist Aufgabe der ExpertInnen in diesem Bereich. Dem Parlament und jenen, die nicht behindert sind, sind wir dankbar, wenn sie bereit sind, es mit uns zu beschlie­ßen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp.)

Setzen Sie uns bitte kein Gesetz vor, an dem nicht die behinderten Menschen als Ex­perten in eigener Sache federführend beteiligt waren! Wir haben gesehen, was heraus­kommt, wenn nichtbehinderte Menschen für uns Gesetze machen. Das sind dann immer Gesetze, die wir wieder bekämpfen müssen.

Noch ein Punkt zur Valorisierung des Pflegegeldes: Ja, natürlich haben die SPÖ und die ÖVP die Valorisierung des Pflegegeldes im Jahr 1996 abgeschafft. Das ist ohne­dies nicht unbekannt. Nur, Frau Partik-Pablé: Wir könnten sie schon lange wieder


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haben, wenn Sie einmal bereit gewesen wären, einer Valorisierung zuzustimmen! Das haben Sie nicht getan. Ich erwarte mir jetzt von Ihnen, dass Sie das Behinderten-Gleichstellungsgesetz, das von den betroffenen Experten jetzt in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsdienst erarbeitet wird, mit uns hier im Parlament verabschieden und dass Behinderten-Gleichstellung bedeutet, dass für behinderte Menschen gleiches Recht gilt wie für nichtbehinderte Menschen.

Behindertengleichstellung ist kein sozialer Akt, sondern ein Menschenrecht! Dieses Menschenrecht muss, sage ich jetzt, heuer auch für Österreich beschlossen werden, denn wir dürfen keine U-Boote mehr sein, und wir müssen einklagbare Rechte erhal­ten – und zwar überall! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich könnte Ihnen auch noch schnell einige Beispiele für Alltagsdiskriminierung aufzäh­len, aber ich glaube, es geht darum, dass endlich einmal im Parlament die Bereitschaft gegeben sein muss, dass die Abgeordneten ein von den Betroffenen und von den Experten ausgearbeitetes Gesetz beschließen. Das ist das Ziel, das wir in Österreich erreichen müssen.

Sie, meine Damen und Herren, sind aufgefordert, auch in Ihren Ländern bereits kund­zutun, dass es ein Bundes-Behinderten-Gleichstellungsgesetz geben wird, denn auch die Länder sind dann gefordert, ihre Aufgaben rasch zu erledigen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ und ÖVP.)

14.26

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Grander. – Bitte.

 


14.26

Abgeordnete Maria Grander (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu den Anmerkungen von Frau Mag. Lapp bezüglich der blinden Richterin möchte ich nur Folgendes mitteilen: Wie mir meine Kollegin Elisabeth Scheucher-Pichler berichtet, ist diese blinde Richterin inzwischen am Jugendamt in Klagenfurt beschäftigt. Es gibt also sehr wohl Menschen, die diesen Menschen eine Chance geben und sie anstellen.

Die gesellschaftspolitische Situation behinderter Menschen hat sich in Österreich in den letzten Jahren sehr geändert. Vorurteile und gegenseitige Ressentiments konnten reduziert werden, und behinderte Menschen sind auch im Alltag und auf der Straße von „unsichtbaren Bürgern“ zu sichtbaren Mitmenschen geworden.

In der Behindertenpolitik kam es in den letzten Jahrzehnten zu einem Paradigmen­wechsel: Weg vom behinderten Menschen als Objekt der Fürsorge hin zu einer selbst­bestimmten Behindertenbewegung – das ist etwas, was für meine Begriffe sehr wichtig ist –, weg von der wohlgemeinten Entmündigung hin zum gleichberechtigten Miteinan­der, weg vom Aussondern und Verstecken hin zur Integration in allen gesellschaft­lichen Bereichen und zur Präsenz im öffentlichen Raum, weg von kontraproduktiven Schutzbestimmungen hin zu Gleichstellung und Menschenrechten.

Dies stellt die Politik, die von behinderten Menschen und für behinderte Menschen ge­macht wird, vor neue Aufgaben. Behinderte Menschen sind Expertinnen und Experten und sollen als solche auch in der Politik und durch die Politik ihre Lebensbedingungen mitgestalten, wie es auch meine Vorrednerin, Frau Haidlmayr, bereits eingefordert hat. Viele ehemalige Schutzbestimmungen für behinderte Menschen werden heute von den Betroffenen selbst als diskriminierend empfunden. So darf etwa ein blinder Mensch, auch wenn er juristisch gebildet ist, keinen Vertrag alleine rechtsgültig unterschreiben.

Anlässlich des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen hat die österrei­chische Bundesregierung ein umfassendes Maßnahmenpaket mit den Schwerpunkten


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Barrierefreiheit, Integration am Arbeitsplatz und Medien geschnürt, das die Lebens­situation behinderter Menschen in Österreich nachhaltig verbessern wird.

Die österreichische Bundesregierung wird Barrieren und Diskriminierungen in den Köp­fen und in den Gesetzen beseitigen, das heißt, ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz erarbeiten, welches unter anderem die Sicherstellung einer barrierefreien Nutzung von Um- und Neubauten im gesamten öffentlichen Bereich inklusive des öffentlichen Ver­kehrs und der Verkehrsflächen, den barrierefreien Zugang zu e-Government und e-Learning sowie die Anerkennung der Gebärdensprache beinhaltet.

Ich möchte kurz einen Schwenk zum Pflegegeld machen: Ich halte das Pflegegeld für eine der wichtigsten Errungenschaften der letzten Jahre. Es besteht auf Seiten der Be­hinderten der große Wunsch, auch die Pflege und deren flexible Organisation im Sinne eines selbstbestimmten Lebens selbst in die Hand zu nehmen. Ich erachte es als über­aus wichtig, dass die Betroffenen das Pflegegeld als Barleistung erhalten und damit entscheiden können, wer sie wann, wo und wie betreut. (Beifall bei der ÖVP.)

Den behinderten Menschen geht es darum, trotz ihres Pflegebedarfs im Leben zu ste­hen. Für viele dieser behinderten Menschen reicht das derzeitige Pflegegeld nicht aus, um Assistenzleistungen in ausreichendem Maße bezahlen zu können. So kommt es auch heute noch immer wieder dazu, dass junge behinderte Menschen im Altersheim untergebracht sind. Da bedürfte es – dies ist einfach eine Anregung meinerseits – einer offenen Pflegestufe mit Stundenabrechnung.

Die Erarbeitung eines Entwurfs für ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz durch die Einsetzung der Arbeitsgruppe der Bundesregierung unter Einbeziehung der betroffe­nen Expertinnen und Experten, der Ressorts und des Verfassungsdienstes des Bun­deskanzleramtes soll noch heuer erfolgen. Basierend auf diesem Entwurf soll die Bun­desregierung noch bis Ende dieses Jahres dem Parlament eine Regierungsvorlage für ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz zuleiten. Ich fordere uns alle auf, diese Zielset­zung tatkräftig zu unterstützen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.31

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Staatssekretär Mag. Schweitzer. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


14.31

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Haidlmayr, Sie können sich natürlich auch gemein­sam mit Kollegin Partik-Pablé und vielen anderen, die sich hier schon seit Jahren für die Anliegen der Behinderten eingesetzt haben, zugute halten, dass diese Bundes­regierung in ihr Regierungsprogramm die Erarbeitung eines Behinderten-Gleichstel­lungsgesetzes aufgenommen hat und diesbezüglich bereits an die Arbeit gegangen ist.

Wie Sie wissen, wurde eine Arbeitsgruppe zwischen Bundeskanzleramt und Sozial­ministerium ... (Abg. Haidlmayr: Stimmt nicht!) Ja, natürlich, Frau Kollegin Haidlmayr! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.) Der Bundeskanzler hat unabhängig von dieser Entschließung mit dem in diesen Fragen ressortzuständigen Bundesminis­ter für soziale Sicherheit (Abg. Haidlmayr: Nein! Stimmt nicht! Nein! Schauen Sie sich an, ...!), Generationen und Konsumentenschutz, Vizekanzler Mag. Herbert Haupt, ver­einbart, Frau Kollegin Haidlmayr, dass in seinem Ressort, nämlich im Ressort des Herrn Sozialministers, eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Behinderten-Gleich­stellungsgesetzes eingerichtet werden soll. (Abg. Haidlmayr: Nein! Ist ja nicht wahr!) Frau Kollegin Haidlmayr! Ich glaube, dass ich da ein bisschen einen Informationsvor-


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sprung habe. Lassen Sie mir diesen! Ich werde Sie dann noch gerne persönlich im Detail informieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Kollegin Haidlmayr, lassen Sie mich einfach bei den Fakten bleiben (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter): Die Konstituierung dieser Gruppe ist am 20. Mai dieses Jah­res erfolgt, worauf auch der Entschließungsantrag in seiner geänderten Fassung Rück­sicht nimmt, und die Beteiligung des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts in jeder Arbeitsgruppe – weil wir ja Untergruppen bilden werden, so wie Sie das fordern – ist auch gesichert. Es freut mich, Ihnen allen mitteilen zu können, dass Ihr gemein­sames Anliegen von dieser Bundesregierung nicht nur aufgenommen wurde, sondern dass bereits an der Lösung der Probleme gearbeitet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.33

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Haidlmayr zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


14.33

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Der Herr Staatssekretär hat behauptet, dass es eine Arbeitsgruppe im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz geben wird. – Das ist unrichtig! Der Herr Staatssekretär hat wahrscheinlich eine falsche Fassung des Abänderungsantrages.

Richtig ist vielmehr, dass diese Arbeitsgruppe im Vizekanzleramt angesiedelt ist und nicht im Sozialministerium, weil es hier nämlich um keine soziale Frage geht, sondern um eine Menschenrechtsfrage. – Ich kann Ihnen gerne die Letztfassung des Abände­rungsantrages zukommen lassen. – Ich habe nämlich dafür gekämpft, dass die Arbeits­gruppe eben nicht im Sozialministerium eingerichtet wird, sondern im Vizekanzleramt mit Beteiligung des Verfassungsdienstes. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ. – Staatssekretär Mag. Schweitzer: Nicht beim Sozialminister Haupt, sondern beim Vizekanzler Haupt! – Ruf bei der SPÖ: Das war eine Blamage jetzt!)

14.34

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 164 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist einstimmig angenommen. (E 15.)

4. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Tätigkeitsbericht (III-1 und Zu III-1 der Beilagen) des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 2001 (160 der Beilagen)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. (Widerspruch des Abg. Gahr.) – Ich bitte um Vergebung! – Bitte, Herr Berichterstatter.

 


Berichterstatter Hermann Gahr: Berichtigung zum Bericht des Rechnungshofaus­schusses betreffend den Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungs­jahr 2001 (III-1 und Zu III-1 der Beilagen, 160 der Beilagen):


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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eine Druckfeh­lerberichtigung betreffend den Bericht des Rechnungshofausschusses 160 der Bei­lagen vornehmen:

Im Bericht muss es im viertletzten Satz statt „Ing. Kurt Scheuch“ richtigerweise „Dipl.-Ing. Uwe Scheuch“ heißen.

Ich bitte Sie, diese Druckfehlerberichtigung zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich eröffne die Debatte und erteile dem ersten Redner, Herrn Abgeordnetem Dr. Kräuter, das Wort.

 


14.36

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wann rückt eigentlich ein Rechnungshof in den Mittelpunkt des Interesses? Wann ist auf Kontroll­institutionen besonderes Augenmerk gerichtet? – Das ist dann der Fall, wenn Regie­rungen, wenn Minister rechtlich problematisch, politisch unsauber und verantwortungs­los handeln. Daher, meine Damen und Herren, hat der österreichische Rechnungshof wahrlich Hochsaison, und ich möchte Ihnen, Herr Präsident des Rechnungshofes, und Ihren Beamtinnen und Beamten danken für das ungeheure Arbeitspensum, das Sie zu erledigen haben. Danke schön! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Der ist aber ... gewöhnt, von vorher!)

Aber auch die parlamentarischen Kontrollgremien rücken in den Mittelpunkt, meine Damen und Herren. Warum eigentlich der „kleine Untersuchungsausschuss“? Nun, Anträge auf die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen schmettern Sie ja regel­mäßig ab! (Abg. Neudeck: Meinen Sie den Unterausschuss des Rechnungshofaus­schusses?) Und wenn man, Kollege Neudeck, Dringliche Anfragen stellen will (Abg. Schöls: Kennen Sie die Verfassung?), dann verhindern Sie das, indem Sie sich selbst irgendetwas fragen. Und wenn es gelingt, eine Dringliche Anfrage zu stellen – na ja, dann fehlen die Antworten oder es wird falsch informiert. (Abg. Neudeck: Also, weil Sie eine Antwort nicht verstehen!)

Daher, meine Damen und Herren, steht auch der „kleine Untersuchungsausschuss“ im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. (Abg. Schöls: Das ist der Ständige Unteraus­schuss des Rechnungshofausschusses, wenn Sie die Verfassung kennen!) Und morgen, lieber Kollege, haben Sie die Gelegenheit, einem Antrag zuzustimmen, in dem es um eine Permanenzerklärung dieses „kleinen Untersuchungsausschusses“ den Sommer über geht. (Abg. Schöls: Der Ständige Unterausschuss des Rechnungshof­ausschusses! – Sie sollten ...!)

Herr Minister Grasser hat ja dem „Kurier“ gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass er in diesem Jahr den ganzen Sommer durcharbeiten möchte. (Abg. Neudeck: Nur weil Ihnen die Themen fehlen, werden wir das nicht machen!) Wir werden ihn morgen fragen, welche Tätigkeiten er sich im Sommer vorstellt. Der Phantasie sind ja hier keine Grenzen gesetzt. (Abg. Neudeck: Kollege Kräuter! Nur weil Ihnen die Themen fehlen, machen wir das nicht!) Aber schon heute, Kollege Neudeck, appelliere ich an Sie und an die Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, sich hiezu positiv zu äußern. (Abg. Schöls: Sie wissen nicht einmal, wo Sie drinnen sind!)

Es geht ja bei diesen Themen um wichtige Dinge, wie etwa um die ÖIAG. Es ist gewis­sermaßen Gefahr im Verzug. Beispielsweise fordert ja Präsident Fiedler seit Jah­ren ein Konzept, eine Strategie, was die ÖIAG betrifft. „Die ÖIAG hat keine Strategie“, sagt Ditz. (Der Redner hält eine Seite aus der „Presse“ in die Höhe.) Es ist nicht lange her: 5. Juli 2003. – Auch Kollege Stummvoll erinnert sich noch dunkel an den Schüssel-


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Ditz-Kurs. – Also die ÖIAG hat keine Strategie, und daher, meine Damen und Herren, ist es wichtig, hier zu untersuchen.

Der FPÖ möchte ich überhaupt nahe legen, diesem Antrag in ihrem eigenen Interesse zuzustimmen, denn das soziale Profil hat die FPÖ ja längst abgelegt. (Abg. Neudeck: Wenn Sie unser Interesse im Auge haben, dann war es immer schlecht für uns!) Sollten noch Spuren von der seinerzeitigen Aufdeckerpartei vorhanden sein, sollten Sie diese Restbestände retten wollen, meine Damen und Herren von der FPÖ, dann wer­den Sie ja morgen zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte natürlich auch an die ÖVP appellieren, dass hier über den Sommer durch­gearbeitet wird. Aber die ÖVP wird andere Sorgen haben, denn es ist fatal, meine Damen und Herren, dass ausgerechnet Staatssekretär Finz in der Steuersache Grasser erheben soll. Wenn man so beobachtet, wie der Herr Staatssekretär und der Herr Minister auf der Regierungsbank sitzen, dann kann man sehen, dass der Herr Staatssekretär, wenn Grasser hilflos im Netz der eigenen Verstrickungen zappelt, immer wohlmeinend lächelt, und wenn die Opposition Fakten auf den Tisch legt, dann schüttelt er den Kopf.

Meine Damen und Herren! Da gibt es nur eine Konsequenz: ein unabhängiges Prü­fungsteam unter der Leitung des Herrn Präsidenten Fiedler. Die SPÖ hat das verlangt. Da wird sich schon eine rechtliche Konstruktion finden lassen, Herr Staatssekretär! Das ist kein Problem. Auch Herr Professor Van der Bellen fordert das und beispiels­weise auch Hannes Androsch, den ja die ÖVP sehr gerne zitiert, wenn es gerade einmal in den Kram passt. (Staatssekretär Dr. Finz: Aber das stimmt ja nicht so!)

Aber, Herr Staatssekretär, ich möchte Ihnen davon abraten, sich persönlich länger mit der Steuercausa Grasser zu befassen. Sie stecken nämlich selber schon ganz schön tief in allem, was mit diesem Verein, mit Herrn Kabinettchef Winkler, mit der Homepage und der Kontrolle zu tun hat.

Wenn Sie, Herr Staatssekretär, im heutigen Ö1-„Mittagsjournal“ gemeint haben, es werde unbeeinflusst von äußeren Einflüssen kontrolliert, na dann werde ich einmal eine interne Weisung an die Finanzbehörden in der Causa Grasser zitieren, die eine neue Dimension eröffnet:

An alle: Anfragen zu Karl-Heinz Grasser – Die Nachricht lautet: Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Etwaige Anfragen über den Herrn Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser beziehungsweise Anfragen über einen Verein im Zusammenhang mit seiner Person sind ausnahmslos an die Pressestelle, Mag. Winkler, weiterzuleiten bezie­hungsweise anfragende Personen sind an Mag. Winkler zu verweisen. Die Finanzlan­desdirektion GA 1 ist darüber zu informieren. Mit freundlichen Grüßen. – Zitatende. (Rufe bei der SPÖ: Peinlich! Ungeheuerlich! Rücktritt! – Abg. Parnigoni: Ein Skan­dal ...! – Staatssekretär Dr. Finz: Das stimmt nicht! – Abg. Neudeck: Ist das eine Wei­sung oder eine Nachricht?)

Meine Damen und Herren! Das ist ein Beweis für eine politische Vertuschungsaktion der Sonderklasse. Das ist eine glatt rechtswidrige Weisung und bedeutet eine neue Dimension. Das ist ein beispielloser, ein bodenloser neuer Skandal in der Causa Grasser. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Es stellt sich nur mehr die Frage, wie lange Bundeskanzler Schüssel das planiert, ignoriert und toleriert. Ich prophezeie Ihnen: schon viel zu lange! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mandak.)

 


14.42


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gahr zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Parnigoni: Der Finz war jetzt eh schon lange genug Staatssekretär, der kann es jetzt auch schon! Wozu brauchen wir den noch?)

 


14.42

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes mit Beamten­schaft! Wir diskutieren heute den Rechnungshofbericht 2001, und im Gegensatz zu Kollegen Kräuter werde ich mich mit diesem Rechnungshofbericht beschäftigen und nicht mit einer Homepage oder irgendwelchen sonstigen Causen. (Abg. Dr. Matz­netter: Das ist viel zu unangenehm! Das verstehen wir!)

In drei Ausschusssitzungen wurde der vorgelegte Rechnungshofbericht intensiv disku­tiert. Er gibt uns einen tollen Überblick über die Prüfergebnisse. Ich bedanke mich, dass er zeitgerecht eingebracht wurde, zeitgerecht in den parlamentarischen Prozess gekommen ist und die Prüfungsergebnisse übersichtlich und transparent darstellt. Danke daher nochmals an Präsident Fiedler und seine Beamtenschaft, welche jeder­zeit Auskunft gibt und informiert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Als neuer Abgeordneter im Rechnungshofausschuss habe ich auch erlebt, dass es durchaus gegenüber allen Parteien sehr kritisch zugeht. Ich halte das für die Demo­kratie und die Offenheit nach außen für sehr, sehr wichtig und auch richtig.

Gerade für junge Parlamentarier – das darf ich eingangs einmal feststellen – bietet der Rechnungshofausschuss einen tollen Einblick in verschiedene Fachmaterien. Wir bekommen Hintergründe und Praktiken im Staat genau aufgezeigt, und es besteht die Chance, im Rechnungshofausschuss einen echten Dialog mit Beamten und Experten zu führen.

Der Rechnungshof als Kontrollinstrument findet innerhalb und außerhalb der Politik ins­gesamt große Zustimmung. Damit wird auch die hervorragende Arbeit des Teams um Dr. Fiedler bestätigt. Der Rechnungshofausschuss ist ein Ausschuss, welcher der Opposition als Kontrollinstrument dient. Kollege Kräuter macht auch sehr regelmäßig in den Ausschusssitzungen darauf aufmerksam. Trotzdem finden wir immer einen Kon­sens bezüglich der Tagesordnung.

Ich darf an dieser Stelle auch noch einmal danke sagen, und zwar dem Vorsitzenden, Herrn Abgeordneten Kogler, welcher sehr darum bemüht ist, objektiv zu sein. Auch wenn es bisweilen Themen gibt, die vielleicht nicht ganz dem Rechnungshofbericht zuzuordnen sind, so nehmen wir das zur Kenntnis, in letzter Zeit etwa die Politikerbe­züge oder die Eurofighter. Nichtsdestotrotz: Wir haben ein gutes Klima im Ausschuss, und das ist, glaube ich, das Wichtigste.

Nun zu den Schwerpunkten des Rechnungshofberichtes 2001, welche wir im Aus­schuss diskutieren konnten, nämlich die Auswirkungen der ÖIAG-Gesetze im Bereich der Post/Telekom, die Österreichischen Galerien Belvedere, das System des österrei­chischen Gesundheitswesens und der betrieblichen Pensionsvorsorge sowie der IT-Einsatz in den Sozialversicherungsanstalten der gewerblichen Wirtschaft und der SV der Bauern. Aber auch das Thema Asfinag und die Ausgliederung des hochrangigen Straßennetzes wurden im Rechnungshofbericht 2001 behandelt.

Um auch nach außen zu zeigen, dass dieser Ausschuss produktiv arbeitet, sei es mir erlaubt, hier im Plenum ein konkretes Beispiel zu präsentieren: das Schulungskonzept im Bundesministerium für Inneres. Der Rechnungshof hat darin vier Mängel aufgezeigt. Er kritisiert, dass es eine getrennte Grundausbildung zwischen Bundessicherheits­wache und Bundesgendarmerie gibt, der Exekutivdienst unterschiedliche Lehrgänge


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betreibt und dass es eine Vielfalt von Ausbildungseinrichtungen und wenig Effizienz bei dieser Nutzung gibt.

Der Rechnungshof hat nun vorgeschlagen, die Schulungseinrichtungen zu reduzieren und damit jährlich 2 Millionen € einzusparen. Auch die Ausbildung der leitenden Beam­ten erfolgt in gemeinsamen Lehrgängen, beim Auswahlverfahren ist nur die fachliche Qualifikation geprüft worden, die persönliche Eignung jedoch leider nicht. Und die dezentrale berufsbegleitende Fortbildung hat einen Zusatzaufwand in der Beschaffung verursacht.

Die Empfehlungen des Rechnungshofes wie Harmonisierung der Lehrgangsstrukturen, Reduzierung der Schulungseinrichtungen und verstärkte Überprüfung der persönlichen Eignung wurden aufgenommen. Bundesminister Strasser hat dies bereits sehr konse­quent umgesetzt: Es gibt ein Reformkonzept für die Schulungen, 40 Prozent Personal­einsparungen im Schulungsbereich, nur mehr 10 statt 16 Standorte im Bereich der Schulungen; und – das wichtigste Projekt! – die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie wird laut Rechnungshofpräsident Fiedler weitere Einsparungen zwischen 75 und 150 Millionen € bringen.

Insgesamt hat der Rechnungshof meiner Überzeugung nach seinen Auftrag bestens erfüllt. Dass er auch in Zukunft eine budgetäre Basis hat, hat Präsident Fiedler dan­kenswerterweise bereits festgestellt. Es gibt natürlich noch unerfüllte Wünsche wie ein eigenes Dienstrecht, man wird aber darüber im Gespräch bleiben.

Der Rechnungshof ist ein Instrument, welches Sparsamkeit und schonenden Umgang mit Steuergeldern einfordert. Wir müssen im öffentlichen Bereich effizienter und besser werden. Und der Rechnungshof ist ein Garant dafür, dass wir auch in Zukunft ein un­abhängiges und wirksames Prüfungsinstrument haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.47

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.48

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Der Anerkennungs- und Dankeserklärung kann man sich durchaus anschließen, ich möchte sie sogar verstärken: Ich durfte nämlich von Ihren Fähigkeiten in besonderer Weise Kenntnis erhalten.

Wenn man sich nämlich in den Rechnungshof begibt – also örtlich gesehen – und mit den Beamten vor Ort ein paar besondere Prüfungsergebnisse auswertet, dann, muss ich sagen, bekommt man den Eindruck, dass hier eine der profundesten und zweck­mäßigsten Institutionen der Republik an sich – ich will jetzt nicht wiederholen: ein Organ des Nationalrates – im wahrsten Sinne des Wortes, im besten Sinne des Wortes am Werk ist, und zwar zum Nutzen des Gesamten, und das wiederum aus verschiede­nen Gründen:

Erstens: die pure Prophylaxe. – Es wird sehr vieles in dieser Republik nicht geschehen, was geschehen würde, gäbe es den Rechnungshof nicht! Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Bezüglich Umsetzung der Verbesserungsvorschläge wäre es wün­schenswert, würden die überprüften Exekutivstellen das eine oder andere rasch über­nehmen.

Manchmal – und damit bin ich beim dritten Punkt – müssen wir uns selber stärker ein­laden, Empfehlungen des Rechnungshofes Folge zu leisten beziehungsweise sie viel­leicht besser zu verstehen, denn oft – oder zumindest manchmal – stellt sich heraus, dass für manch kritisierenswerte Vorgangsweise nicht einmal so sehr die überprüfte


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exekutive Stelle die Verantwortung trägt, sondern letztlich die gesetzlichen Vorgaben entsprechende Unklarheiten oder falsche Zielrichtungen erzeugen.

Es gibt also mindestens drei Sphären, für die der Rechnungshof immer wieder Hin­weise gibt, die man noch besser nützen könnte. Unterm Strich aber muss ich sagen: Jede der dort getätigten Investitionen hat nach wie vor einen – um es im mikroökono­mischen Jargon auszudrücken – wesentlich höheren Grenznutzen, als die Grenzkos­ten dort ausmachen.

Ich weiß, Sie bleiben trotzdem bescheiden, denn diese meine Aussage würde, ökono­misch begründet, wiederum dazu führen, dass man dort allenfalls noch mehr Beamte einsetzen müsste, weil ja ... (Zwischenruf der Abg. Lentsch.) – Bitte, Frau Kollegin? (Abg. Lentsch: So leise heute?) – Zu leise heute? Ich habe gedacht, auf Grund dieses Lobs und der Konsenswürdigkeit dieses ersten Teils meiner Ausführungen bin ich ein­mal ganz vorsichtig, weil das, was ich in den letzten Tagen gesagt habe, wie ich ver­merkt habe, ein bisschen heftiger war.

Aber zurück zu dieser Sache: Der Rechnungshof bleibt bescheiden, stellt diese Forde­rungen gar nicht. Allerdings sage ich nach wie vor, das, was er tut, würde auch recht­fertigen, dass man dort sogar mehr investiert. Der Rechnungshof geht aber mit gutem Beispiel voran und sagt: Wir kommen mit dem Gegebenen aus.

Auf die Schwierigkeiten, die allenfalls bei jenen Tätigkeiten lauern, die dem Rech­nungshof zugeschrieben und zugewiesen werden, werde ich nur kurz eingehen können. Da sind manche geradezu, wie ich sagen würde, wesensfremde Tätigkeiten gelagert. Es ist im Übrigen auch unser Job, hier andere Zielvorgaben zu machen.

Ich möchte, weil wir von der Institution als solcher gesprochen haben, das Thema Dienstrecht aufgreifen und muss den Kollegen und Fraktionsführer der ÖVP im Aus­schuss schon darauf hinweisen und umso heftiger und herzlicher dazu einladen, dass wir uns dieses Themas in Vier-Parteien-Gesprächen rasch annehmen sollten. Die letz­ten Anläufe dazu stammen aus der vergangenen Gesetzgebungsperiode, die aus mehr oder weniger nachvollziehbaren Gründen abgekürzt wurde. Nun sollten wir diese Sache eigentlich schon längst wieder gemeinsam angehen.

Ich kann dazu nur sagen: Wir Grüne – ich weiß es auch von der SPÖ – können mit dem gesamten Entwurf, der letztlich aus dem Hause Fiedler gekommen ist, jedenfalls sehr gut leben. Er ist klar durchstrukturiert, da brauchen wir selber eigentlich gar nicht mehr sehr viel Arbeit zu leisten. Das, was fehlt, sind nur die fraktionellen Beratungen, und diesbezüglich möchte ich schon gerne wissen, warum diese nicht vorangehen.

Wir könnten uns im Frühherbst an einen Tisch setzen und schauen, ob wir das nicht rasch in ein entsprechendes Gesetz gießen können. Ich halte das für wichtig genug. Der Herr Präsident hat bei Gelegenheit, wenn ich ihn richtig verstanden habe – ich nehme an, er wird sich noch dazu äußern –, ganz vorsichtig, wie es eben seine Art ist, bereits seine Befürchtung ausgedrückt: Na ja, von so viel Lob alleine kann man auch nicht leben, denn in jenen Bereichen, in denen man wirklich etwas von den Fraktionen bräuchte, bekennen sich zwar alle dazu, man fragt sich also – „man“, also der Rech­nungshof –, warum da nichts weitergeht. – Das ist auch eine Einladung, gemeinsam etwas weiterzubringen.

Der Tätigkeitsbericht selber ist naturgemäß sehr umfangreich. Ich habe mir vorgenom­men, keines der Einzelkapitel herauszugreifen, weil dafür ohnehin die Ausschussbera­tungen das bessere Instrument sind, der Ausschuss das bessere Forum ist. Was man jedoch im Tätigkeitsbericht schon erkennen kann, ist Folgendes: Wenn Sie den allge­meinen Teil des Berichts verfolgen, dann werden Sie sehen, welche Tätigkeiten der


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Rechnungshof insgesamt außer – „außer“ ist gut – den speziellen Prüfungen im Voll­zug bestimmter Gesetze macht, und das ist eine ganze Menge.

Da ist eine ganze Reihe wichtiger Materien angeführt, über die es sich alle aus aktuel­lem Anlass zu sprechen lohnen würde. Das kann ich mir jetzt nicht ganz verkneifen: Ich erwähne etwa das Unvereinbarkeitsgesetz. Die Präsidiale hat sich soeben darüber unterhalten, wie es denn ist, wenn die Damen und Herren Minister Honorare bekom­men, die möglicherweise in Konflikt mit § 2 und § 3 des Unvereinbarkeitsgesetzes stehen.

Der Rechnungshof ist auch in die Vollziehung des Parteiengesetzes involviert. Wir haben gerade jetzt wieder erfahren, welch segensreiche Institution die Industriellenver­einigung für manche Interessenträger und Parteien ist. Es ist schon die Frage, ob das Parteiengesetz nicht in dem Punkt novellierungsbedürftig ist, dass bestimmte Interes­senvertretungen nicht diesen Bonus genießen dürfen, dass Spenden, die über eine Interessenvertretung an Parteien oder ähnliche politische Organisationen, Vorfeld­organisationen, geleistet werden, völlig anonymisiert werden. Ich mache darauf auf­merksam, dass die analoge Regelung im deutschen Gesetz genau das ab einer be­stimmten Spendenhöhe untersagt.

Es sind also lauter lohnenswerte Themen, die mir da einfallen. Aber dazu bin ich nur angeregt worden, weil ich das umfangreiche Tätigkeitsfeld des Rechnungshofes im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen geführt bekommen habe.

Ich möchte noch kurz beim Kapitel „Hauptprobleme der öffentlichen Finanzkontrolle“ bleiben, weil der Rechnungshof darin schon mehr dazu sagt als in seinem Tätigkeits­bericht ein Kapitel weiter oben. Da geht er nämlich in die Materie ein und entdeckt Mängel.

Ich nehme gleich den ersten Bereich heraus, der hier erwähnt wird: „Finanzielle Aus­wirkungen rechtsetzender Maßnahmen“. – Da gibt es ganz unterschiedliche Bereit­schaften der Ministerien, diesen Bestimmungen – das sind ja Bestimmungen, die aus dem Bundeshaushaltsrecht resultieren – Folge zu leisten. Es wäre natürlich wün­schenswert, dass man, da es in den Ministerien ja die Beamten dafür gibt, insbeson­dere bei den Regierungsvorlagen derartige Abschätzungen vornimmt, dass man ein bisschen danach trachtet, das Niveau anzuheben und sich allenfalls an den besten Ministerien zu orientieren.

Sehen Sie, Herr Staatssekretär, da wir das Vergnügen haben, dass Sie die Regierung gerade bei diesem Punkt vertreten: Das Finanzministerium sollte mit bestem Beispiel vorangehen! Und die entsprechende Statistik ist ja auch nicht so schlecht für das Finanzministerium.

Ich darf nur wieder einen kurzen aktuellen Verweis machen: Ich habe Sie schon einmal hier im Haus darauf aufmerksam gemacht, dass – und es wundert mich eigentlich, dass es da so wenig Resonanz gibt – im Zuge des bundesfinanzgesetzlichen Ermäch­tigungsgesetzes, das in das Budgetbegleitgesetz hineingepackt wurde, bezüglich der Beschaffung der Kampfflugzeuge dieser Vorgabe in keiner Weise entsprochen wurde. Es ist zwar dort hineingeschrieben worden, wie hoch der Betrag ist – und das ist natür­lich richtig und wichtig, denn ohne diesen ginge es gar nicht –, besagte Vorgabe des Bundeshaushaltsrechts, nämlich die finanziellen Auswirkungen dieser Maßnahmen zu beschreiben, wurde jedoch in keiner Weise erfüllt.

Das hätte aber dazu geführt, dass, wenn schon nicht die Bewertungskommission zur Beschaffung von Kampfflugzeugen am Schluss die Betriebskosten – ein wichtiger Bestandteil, weil langfristig größter Kostenfaktor – in die Bewertung mit einfließen hat


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lassen, wenigstens das Gesetz, das wir hier beschlossen haben, dieser Vorgabe hätte entsprechen müssen. Das war aber nicht der Fall.

Herr Staatssekretär, wenn Sie doch bitte im Zuge dieser Debatte dazu Stellung neh­men wollen! Vielleicht kann das noch nachgereicht werden. Ich sage Ihnen nur: Das Budgetbegleitgesetz Artikel 69 hat diesen Vorgaben auf gröblichste Weise widerspro­chen, indem keine Silbe über die Folgekosten dieser Maßnahme verloren wurde. Das ist ganz klar gegen die Intentionen des Bundeshaushaltsrechts!

Ich habe meine Redezeit eigentlich schon ausgeschöpft und möchte mich am Schluss nur mehr den Ausführungen des Kollegen Kräuter anschließen, und zwar in jenem Punkt, bei dem es darum geht, den kleinen Untersuchungsausschuss – immerhin ein Unterausschuss des Rechnungshofausschusses – über den Sommer arbeiten zu lassen. Mein Appell geht an die Damen und Herren von der ÖVP, mindestens aber so sehr an jene der FPÖ, denn wir haben ja von dieser Stelle immer ausgerichtet bekom­men, das Parlament möge über den Sommer arbeiten.

Ich sage: Jawohl, arbeiten wir! Es ist oberste Aufgabe des Parlaments zu kontrollieren. Und einzige Aufgabe dieses Kontrollausschusses ist es zu kontrollieren. Es gibt eigent­lich keinen plausiblen Grund dafür, über den Sommer, wenigstens in zwei, drei Sitzun­gen, der Sache nicht weiter nachzugehen.

Frau Bleckmann, erklären Sie uns bitte Ihren Standpunkt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Bleckmann: Du hast mir jetzt keine Zeit mehr gelassen!)

14.58

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. Redezeit bis zum Aufruf des Dringlichen Antrages: 2 Minuten. (Abg. Dr. Bleckmann – auf dem Weg zum Rednerpult –: Sehr charmant!) – Bitte, Frau Abge­ordnete.

 


14.58

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Damen und Herren! Ich danke für die restliche Redezeit von zwei Minuten. Kollege Kogler, das wird nicht reichen, um unseren Standpunkt zu erklären. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Es braucht etwas länger. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Aber zunächst auch von unserer Seite her ein herzliches Dankeschön an den Rech­nungshof für die ausführliche und gute Unterlage und den Tätigkeitsbericht. Ich nehme vorab jenen Teil, den ich mir im nächsten Rechnungshofbericht wünschen würde, das, was wir alle gefordert haben, nämlich eine Prüfung der ESTAG, der Energieholding der Steiermark. Ich glaube ich, es wäre sehr wichtig und notwendig, dass dieses Unterneh­men genauer überprüft wird. Nun wird auf Wunsch der Landesregierung veranlasst, dass der Bundesrechnungshof prüfen soll. Die Prüfung des Landesrechnungshofes allein wird nämlich nicht ausreichen, da es auch hier einige Vernetzungen und Ver­quickungen gibt. Ebenso ist die Prüfung eines Wirtschaftsprüfers nicht ausreichend, um die wirklichen Gebarungen und politischen Verquickungen, die da vorhanden sind, genau zu überprüfen und abzuchecken.

Ich lege nur kurz für jene, die die Zusammenhänge nicht kennen, dies dar: Es gibt die Energieholding der Steiermark, an der sich das französische Unternehmen EdF mit 3 Milliarden Schilling beteiligt hat. Von diesem Geld hat das Land Steiermark nie etwas gesehen. Aber man hat sich damit über Beteiligungen in einige Unternehmen einge­kauft. Es gibt dann auch noch eine Beteiligungsgesellschaft, die sich HGI Beteili-


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gungs AG nennt. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Darin finden sich viele gemeinsame Beteiligungen, die mit dem Strombereich eigentlich nichts zu tun haben.

All das sind Punkte, die absolut aufklärungswürdig sind und die aufzuklären wir dann auch den Rechnungshof bitten werden.

15.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Sie kennen die Ge­schäftsordnung. Es ist 15 Uhr, daher muss ich Sie unterbrechen, auch ohne rote Lampe.

(Beifall bei den Freiheitlichen für die das Rednerpult verlassende Abg. Dr. Bleck­mann.)

Frau Kollegin Bleckmann, wollen Sie nach der Dringlichen weiterreden? (Rufe bei den Freiheitlichen: Ja!) – Gut!

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über diesen Punkt der Tagesordnung, da­mit die verlangte Behandlung eines Dringlichen Antrags gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Eduard Mainoni, Hermann Gahr, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend europäische Regelung der Transitproblematik (183/A) (E)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selb­ständigen Antrages 183/A (E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

„Der zunehmende Transitverkehr durch Österreich stellt insgesamt eine Herausforde­rung an die Verkehrspolitik dar. Um den Problemen im Zusammenhang mit dem Tran­sitverkehr in ökologischer und gesundheitlicher Hinsicht Rechnung zu tragen, wurde bereits vor Jahren ein Transitvertrag mit einer sogenannten Ökopunkteregelung ausge­handelt, der aber bedauerlicherweise nur als befristete Regelung konstruiert war.

Mit Jahresende 2003 läuft die derzeit geltende Ökopunkteregelung gemäß Protokoll Nr. 9 des Beitrittsvertrages zur Europäischen Union aus. Ziel dieser Regelung war eine dauerhafte und nachhaltige Schadstoffreduktion im Ausmaß von 60% des Ausgangs­wertes von 1991. Dieses Ziel wurde bisher nicht erreicht. Auch der Österreich bereits 1994 mit der Erklärung Nr. 34 zum Beitrittsvertrag zugesagte Vorschlag für eine neue Wegekostenrichtlinie liegt noch nicht vor.

Österreich hat hingegen hinsichtlich der ebenfalls im Beitrittsvertrag verankerten Infra­strukturausbauten insbesondere im Bereich der Bahn bereits zahlreiche Maßnahmen umgesetzt. Darüber hinaus ist es in zähen Verhandlungen gelungen, im Rahmen der Erstellung einer Prioritätenreihung der TEN-Projekte durch die sogenannte Van Miert-Gruppe, weit überdurchschnittlich viele österreichische, nämlich 5 von insgesamt euro­paweit nur 19 Infrastrukturvorhaben zu verankern: Neben der Brennerroute können demnach auch die Donauachse sowie die Anbindung Wiens nach Norden und von Graz Richtung Marburg mit bevorzugter Förderung rechnen. Damit wird die Verlage­rung des im Zuge der EU-Erweiterung zweifellos weiter zunehmenden Transitverkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger ermöglicht.


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Diese Maßnahmen tragen auch der Tatsache Rechnung, dass nicht nur auf der Nord-Süd-Achse sondern auch auf der Ost-West-Achse ein steigendes Verkehrsaufkommen bewältigt werden soll.

Das geltende Ökopunktesystem mit seiner Zielsetzung der dauerhaften und umweltge­rechten Reduzierung der durch den LKW-Verkehr verursachten Lärm- und Schadstoff­emissionen hatte nämlich auch insofern einen gesamteuropäisch positiven Effekt, als neben der sehr rasch erfolgten LKW-Flottenerneuerung auch die Verlagerung auf die Schiene und die Forcierung des kombinierten Verkehrs in ganz Europa begünstigt wurde.

Da es aber auf europäischer Ebene noch nicht gelungen ist, die für eine nachhaltige Verkehrspolitik notwendigen Rahmenbedingungen zur Lösung der durch den LKW-Verkehr verursachten Umweltprobleme vor Auslaufen des Ökopunktesystems in Kraft zu setzen, ist es erforderlich, eine effektive Übergangsregelung herbeizuführen um sicherzustellen, dass es zu keinem Rückschritt am Weg zu einem tatsächlichen, nach­haltigen Verkehrssystem kommt.

Dies wäre allerdings der Fall, wenn die im Protokoll Nr. 9 EU-primärrechtlich festge­schriebenen verkehrspolitischen Rahmenbedingungen für die Sicherstellung oben ge­nannter Zielsetzungen ersatzlos auslaufen würden.

Österreich hat im Zuge der Verhandlungen über eine Übergangsregelung im Anschluss an das geltende Ökopunktesystem stets betont, dass – insbesondere auch vor dem Hintergrund der bevorstehenden Erweiterung der Europäischen Union – auch nach dem 1. Jänner 2004 spezifische langfristige Lösungen auf europäischer Ebene in Kraft sein müssen, die den ununterbrochenen Schutz der gesamten österreichischen Bevöl­kerung und der Umwelt vor den Belastungen des Straßengüterverkehrs gewährleisten und die die aufgrund der Anwendung des Ökopunktesystems erreichten Verbesserun­gen für die Umwelt auch nach Auslaufen des geltenden Ökopunktesystems Ende 2003 nachhaltig und dauerhaft sicherstellen.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ergebnisse der zweiten Lesung zur Tran­sitübergangsregelung im Europäischen Parlament am 3. Juli 2003 hinzuweisen. Das Europäischen Parlament weist in seinen Erwägungen u.a. zwar ausdrücklich in Bezug auf die Alpenkonvention darauf hin, dass Belastungen und Risiken im Bereich des inneralpinen und alpenquerenden Verkehrs auf ein Maß zu senken sind, das für Men­schen, Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume erträglich ist, allerdings tragen die vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Maßnahmen dieser Zielsetzung nicht Rechnung, da insbesondere die Befreiung des Transitverkehrs mit Euro 3-LKW von der Ökopunktepflicht sowie eine nur mehr partielle Geltung dieser Übergangsrege­lung für bestimmte Verkehrsachsen im Alpenraum die nachhaltige und umweltfreund­liche Verkehrsentwicklung in Frage stellen würden. Ein gemeinsamer, fraktionsüber­greifender Abänderungsantrag österreichischer Abgeordneter zum Europäischen Par­lament zu diesen beiden Punkten blieb jedoch in der Minderheit. Er wurde nicht einmal von allen österreichischen Delegationen unterstützt.

Aufgrund des bevorstehenden Vermittlungsverfahrens erscheint es dringlich, nochmals mit allem Nachdruck auf den österreichischen Standpunkt hinzuweisen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an die Bundesregierung gemäß § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 1 GOG-NR folgenden

Dringlichen Antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Die Bundesregierung wird ersucht, ihre intensiven Bemühungen, in den Verhandlungen im Rahmen der EU unter Einbeziehung aller verantwortlichen österreichischen Manda­tare und Organisationen eine den österreichischen Bedürfnissen in ökologischer Hin­sicht Rechnung tragende Wegekostenregelung durchzusetzen und bis zu deren In­krafttreten eine tragfähige Übergangsregelung zur Fortführung des Ökopunktesystems im gesamten Bundesgebiet zu schaffen, konsequent fortzusetzen.

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühest möglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantrag­steller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.“

*****

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Begründung des Dringlichen Antrages erteile ich Herrn Abgeordnetem Mag. Mainoni das Wort. Die Redezeit darf 20 Minuten nicht über­schreiten. – Herr Abgeordneter, bitte.

 


15.01

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Transit hat derzeit eine sicherlich zentrale Stellung in der österreichischen Politik. Auch wenn es von anderen tagespolitischen Themen überlagert wird, so ist es gerade wegen seiner Nachhaltigkeit und seiner möglichen negativen Auswirkung für ganz Österreich das sicherlich zentrale Thema hier im Haus.

Der Transitverkehr, und das ist auch Faktum, hat zwar nur einen geringen Anteil am österreichischen Gesamtverkehr, nämlich zirka 8 Prozent, allerdings, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind einzelne Korridore durch den Transitverkehr extrem belastet. So beträgt zum Beispiel am Brenner der Anteil des Transitverkehrs über 90 Prozent, und gerade die geographische Lage, aber vor allem auch die topogra­phische Lage, die Gebirgstäler, machen die Situation für die dort wohnende Bevölke­rung unerträglich.

Meine Damen und Herren! Unsere Solidarität ist gefragt, wenn die Menschen in diesen transitverkehrsbelasteten Tälern nicht mehr schlafen können, körperlichen Belastungen ausgesetzt sind und gesundheitliche Schäden davontragen. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Ich weiß schon, dass der Brennerpass und auch die Tauernautobahn-Scheitelstrecke relativ weit entfernt von Wien und noch viel weiter entfernt von Brüssel sind, aber es ist eine Frage der Solidarität, den Menschen dort zu helfen. Wir müssen die Menschen schützen, die in diesen Tälern wohnen.

Um nur an einem Beispiel zu veranschaulichen, wie dramatisch die Situation dort ist: Wenn in einem dieser Transit-Alpentäler eine Lärmbelastung von 71 dB, hervorgerufen durch LKW-Güterverkehr, entsteht, so ist in 1,1 Kilometer Entfernung und bei einem Höhenunterschied von 300 Metern noch immer eine Lärmbelastung von 51 dB zu verzeichnen.

Sie sehen, dass durch diese Trichterwirkung, dass durch die besondere topogra­phische Lage eine sehr, sehr dramatische Situation für die dort wohnende Bevölkerung gegeben ist. Und das macht auch den Unterschied zu anderen verkehrsbelasteten Lagen aus. Naturlandschaften mit den dort wohnenden Menschen werden durch den LKW-Transit beeinträchtigt und zerstört. Wir können und dürfen hier nicht tatenlos zusehen, meine sehr gehrten Damen und Herren! (Allgemeiner Beifall.)


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Ich bedanke mich sehr, vor allem auch für den Applaus der Opposition, weil ich der Meinung bin, dass es sich hier um eine Materie handelt, in der wir danach trachten sollten, eine gemeinsame Vorgangsweise zu wählen, weil diese gemeinsame Vor­gangsweise gerade in Brüssel gefragt ist.

Lassen Sie mich nun auf Details zu sprechen kommen.

Ein erstes Detail: die Verkehrsprognosen. – Studien belegen, dass der gesamte Straßengüterverkehr in Österreich ohne Maßnahmen, das heißt, wenn er also wirklich ab 2004 frei rollen würde, bis zum Jahr 2010 um 50 Prozent zunimmt und bis zum Jahr 2015 um insgesamt 70 Prozent ansteigen wird, wobei – und das muss auch dazu­gesagt werden, sehr geehrte Damen und Herren – 35 Prozent auf die angenommene Liberalisierung des grenzüberschreitenden Straßengüterverkehrs aus den mittel- und osteuropäischen Ländern zurückzuführen sein werden. Das heißt: Das jetzt aktuelle Problem und Thema ist der Nord-Süd-Transit, in Zukunft ist aber für Österreich auch der Ost-West-Transit ein überaus wichtiges Thema. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser besonderen Situation Österreichs wurde schon 1993 Rechnung getragen. Die Europäische Union hat unserem Land damals eine Transitlösung zuerkannt. Man er­kannte damals bereits die Schwierigkeit, und das ist wichtig im rechtlichen Zusammen­hang bis heute und bis hin zu unseren Forderungen in der Zukunft. Allerdings wurde damals – und diese Kritik muss man anbringen – im Transitvertrag leider kein Passus vorgesehen, der bei Nichterfüllung des Zieles des Transitvertrages automatisch eine Übergangsregelung vorgesehen hätte.

Und, meine Damen und Herren, das Ziel des Transitvertrages ist eben nicht erreicht worden. Das ursprüngliche Ziel war es, nach der 1991 geltenden Schadstoffregelung den Schadstoffanteil um 60 Prozent zu senken. Das ist nicht geschehen, und das heißt, die Auswirkungen des Transits sind gravierender, als damals angenommen wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch eine statistische Zahl, die beweist, wie dramatisch Österreich von diesem Transitverkehr, vom alpenüberquerenden Güterver­kehr betroffen ist: Von den europäischen Staaten, die entlang der Alpen liegen, also Schweiz, Frankreich und Österreich, hat Österreich die höchste Verkehrsbelastung.

Einige Zahlen – Schiene und Straße zusammen –: Die Verkehrsbelastung der Schweiz beträgt jährlich 29 Millionen Tonnen, die Verkehrsbelastung Frankreichs 51 Millionen Tonnen, die Verkehrsbelastung Österreichs im Vergleich dazu 93 Millionen Tonnen! Daran erkennt man, wie stark Österreich durch diesen Transitverkehr belastet ist.

Insbesondere bei der Straße schneidet Österreich extrem schlecht ab. Dazu noch einige Zahlen: Der Anteil der Straße am Modal-Split des alpenüberquerenden Transit­verkehrs beträgt in der Schweiz 8,9 Millionen Tonnen – ist dort also nur sehr, sehr ge­ring –, in Frankreich 40,8 Millionen Tonnen, und Österreich ist wieder Spitzenreiter mit 61,1 Millionen Tonnen, meine Damen und Herren.

Allein diese Zahlen beweisen, wie wichtig und wie dringend notwendig eine künftige Regelung ist. (Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen.)

Diese überproportional hohe Verkehrsbelastung hat in Österreich besonders gravie­rende Auswirkungen auf die Bevölkerung und vor allem auch auf die Umwelt. Es wird darauf hingewiesen – durch die Alpenkonvention, und es ist auch rechtlich verankert –, dass gerade Österreich zu den sensiblen Alpenzonen zählt. Studien belegen, dass der gleiche Verkehr – und das ist ganz wichtig! – mit gleicher Schadstoffemission im Flachland nur ein Drittel der NOx-Konzentration verursacht, die er in den Gebirgstälern bewirkt. Das heißt: bei gleicher Schadstoffemission drei Mal so viel NOx-Konzentration


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in den Gebirgstälern wie am Flachland! Auch das ist ein weiterer Beweis dafür, dass hier dringender Handlungsbedarf gegeben ist.

Zu den Auswirkungen auf Europa – weil immer wieder vom Alleingang Österreichs die Rede ist, von der Solitär-Situation, wie es auch immer wieder heißt –: Es ist für ganz Europa von eminenter Bedeutung, dass diesbezüglich etwas geschieht, denn der Straßenverkehr hat nämlich nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa unbestrit­ten negative Auswirkungen. Alpine Öko-Systeme reagieren besonders empfindlich auf Luftschadstoffe und Schadstoffablagerungen. Ein ökologisch intakter Alpenraum – und das wurde uns in den vergangenen Jahren ja drastisch vor Augen geführt – schützt vor Lawinenabgängen, Murenabgängen und vor Erosionen. Er ist ein Gebiet von gesamt­europäischer Bedeutung hinsichtlich Topographie, Klima, Gewässer, Vegetation, Tier­welt, Landschaft und Kultur, und jede Beeinträchtigung dieser Funktion kann katastro­phale Folgen für den gesamteuropäischen Raum nach sich ziehen.

Meine Damen und Herren! Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen sind nicht zu über­sehen. Es ist ein echtes wirtschaftliches Problem, das sich hier entwickelt hat, da auf Grund der hohen Schadstoffbelastungen in bestimmten Regionen mittlerweile keine Betriebsansiedelungen mehr erfolgen können. Laut einer mir vorliegenden Bilanz übersteigen die vom Straßengüterverkehr verursachten externen Kosten, nämlich 7 Prozent des EU-Bruttoinlandsproduktes, den von ihm hervorgerufenen Nutzen, der nur mehr 6 Prozent des EU-BIP beträgt. Das belegt eine WHO-Studie aus dem Jahr 1999; also das ist nicht nur irgendeine Statistik, die möglicherweise geschönt ist.

Viel wichtiger als die wirtschaftlichen Auswirkungen, meine sehr geehrten Damen und Herren – der Herr Bundesminister hat es ja schon sehr oft erwähnt –, sind aber die gesundheitlichen Auswirkungen. Dieselbe WHO-Studie aus dem Jahr 1999 belegt die dramatischen Folgen für Österreich, die durch die Luftverschmutzung allein durch den Straßenverkehr jährlich verursacht werden: 2 400 vorzeitige Todesfälle, 2 700 zusätz­liche Fälle von chronischer Bronchitis bei Erwachsenen, 20 000 zusätzliche Fälle chro­nischer Bronchitis bei Kindern unter 15 Jahren, 15 000 zusätzliche Asthma-Attacken bei Kindern und über 1,3 Millionen zusätzliche Krankenstandstage! – Meine Damen und Herren, wieder nicht eine Österreich-Studie, die beweisen soll, wie dramatisch die Situation ist, sondern ein WHO-Bericht aus dem Jahr 1999.

Und nun zur rechtlichen Situation, sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses. – Österreich wurden anlässlich des Beitrittsvertrages 1995 insbesondere zwei Dinge primärrechtlich von der Kommission und der Europäischen Union zugesichert, und das ist auch wichtig für unsere weiteren Verhandlungen: erstens die dauerhafte Emissionsreduktion um 60 Prozent – seit 1991 bis zum Zeitpunkt des Auslaufens –, die ja bekanntlich nicht erreicht wurde, und zweitens, dass eben bis zum Auslaufen des Vertrages europäische Rahmenbedingungen in Kraft sein werden, die eine nachhaltige Verkehrspolitik für ganz Europa gewährleisten. Auch das ist noch nicht geschehen.

Das sind primärrechtliche Zusagen der EU an Österreich anlässlich des Beitrittsvertra­ges von 1995. Leider sind diese Zusagen bis heute nicht erfüllt. Selbst die Europäische Kommission, sehr geehrte Damen und Herren, kommt in ihrem Bericht, der mit Unter­stützung der Europäischen Umweltagentur verfasst wurde, zu dem Schluss, dass das im Protokoll 9 festgelegte Ziel, also die 60-prozentige Schadstoffreduktion, nicht er­reicht wurde. – Die EU-Kommission selbst kommt also zu diesem Ergebnis, und eine ergänzende Studie der Europäischen Umweltagentur kommt ebenfalls zu diesem Ergebnis.

Daher ist heute Österreich aus meiner Sicht formalrechtlich in der Situation, das Recht auf eine neue Regelung zu bekommen, aber in der faktischen Situation, für eine Über­gangsregelung kämpfen zu müssen.


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Mit 31. Dezember dieses Jahres läuft die geltende Ökopunkte-Regelung gemäß Proto­koll 9 des Beitrittsvertrages zur Europäischen Union aus. Ziel dieser Regelung – ich wiederhole es hier, weil es so wichtig ist – war und ist eine dauerhafte und nachhaltige Schadstoffreduktion im Ausmaß von 60 Prozent des Ausgangswertes 1991. Dieses Ziel, sehr geehrte Damen und Herren, wurde bisher nicht erreicht. Auch die Österreich bereits 1994 mit der Erklärung Nummer 34 zum Beitrittsprotokoll zugesagte Wegekos­tenrichtlinie existiert de facto noch immer nicht. Meine Damen und Herren, hier sind nicht wir säumig, sondern säumig ist in erster Linie rechtlich gesehen die Europäische Union. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

Ich möchte aber auch auf den gesamteuropäischen Nutzen der Ökopunkte-Regelung zu sprechen kommen, da ich vereinzelt ja immer wieder Stimmen höre, dass diese Ökopunkte-Regelung möglicherweise gesamteuropäisch im Transitbereich eine Behin­derung für die Lobbys darstellt. Auch hier gibt die Bilanz dieser Ökopunkte-Regelung Recht. Das geltende Ökopunkte-System mit seiner Zielsetzung der dauerhaften und umweltgerechten Reduzierung der durch den LKW-Verkehr verursachten Lärm- und Schadstoffemissionen hat insofern gesamteuropäisch einen positiven Effekt, als es dadurch erstens zu einer Flottenerneuerung der Frächter, Transportunternehmer und Spediteure gekommen ist, zweitens damit aber auch die Verlagerung auf die Schiene zusätzlich angeregt wurde und sie – drittens – natürlich auch der Forcierung des kom­binierten Verkehrs in ganz Europa zugute kommt.

Da es bedauerlicherweise auf europäischer Ebene noch nicht gelungen ist, die für eine nachhaltige Verkehrspolitik notwendigen europäischen Rahmenbedingungen zu schaf­fen – ich habe es bereits ausgeführt –, ist es erforderlich, eine effektive Übergangs­regelung weiterzuführen, um sicherzustellen, dass es zu keinem Rückschritt auf dem Weg zu einem tatsächlichen nachhaltigen Verkehrssystem kommt.

Meine Damen und Herren! Es wäre tatsächlich ein Rückschritt, wenn jetzt nichts mehr unternommen würde, also wenn diese Regelung ersatzlos mit Ende dieses Jahres aus­laufen würde. Es wäre das Ziel der Reduktion der Schadstoffe damit nicht erreicht, sondern der gegenteilige Effekt, nämlich ein sprunghafter Anstieg der Schadstoffemis­sionen, wäre die logische Folge.

Was die Notwendigkeit einer Übergangsregelung angeht, meine sehr geehrten Damen und Herren, so hat Österreich im Zuge der Verhandlungen über eine solche Regelung im Anschluss an das geltende Ökopunkte-System stets betont, dass auch angesichts der bevorstehenden Erweiterung der Europäischen Union auch nach dem 1. Jänner 2004 spezifische langfristige Lösungen auf europäischer Ebene in Kraft sein müssen. Es wird auch der Ost-West-Transit auf uns zukommen, und es bedarf einer Österreich-Regelung dazu, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Die Verhandlungen zur Übergangsregelung befinden sich vor Beginn der dritten Lesung nur mehr im Vermittlungsverfahren. Ich komme dann noch gesondert auf das Abstimmungsverhalten am 3. Juli zu sprechen. Die Ergebnisse der zweiten Lesung waren absolut unbefriedigend. Das Europäische Parlament weist in seinen Erwägun­gen unter anderem zwar ausführlich in Bezug auf die Alpenkonvention darauf hin, dass Belastungen und Risken im Bereich des inneralpinen und alpenüberquerenden Ver­kehrs auf ein Maß zu senken sind, das für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume erträglich ist, allerdings tragen die vom Europäischen Parlament vorge­schlagenen Maßnahmen dieser Zielsetzung ja überhaupt nicht Rechnung.

Da wird die Doppelbödigkeit sichtbar, dass im Europäischen Parlament manche der Meinung sind, diese Ziele nicht verfolgen zu müssen, sondern, ganz im Gegenteil, einen freien Verkehr durch Österreich gewährleisten zu müssen. (Beifall bei den Frei­heitlichen sowie der Abg. Mag. Wurm.)


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Hohes Haus! Es gilt die Leistungen Österreichs im Zusammenhang mit dem Beitritt zur Europäischen Union und den damit verbundenen Verträgen aufzuzeigen. Österreich hat im Hinblick auf eine langfristige und nachhaltige europäische Verkehrspolitik bereits viele Vorleistungen erbracht. Sie werden sie alle kennen, aber ich weise noch einmal darauf hin, weil es auch in den zukünftigen Verhandlungen wichtig ist, das im Unterbe­wusstsein präsent zu haben.

Erstens: Unsere Verpflichtungen aus dem Protokoll 9 im Bahnbereich sind vollkommen erfüllt worden. Seit In-Kraft-Treten des Transitvertrages hat Österreich allein im Kombi­verkehr 800 Millionen € aufgewendet. Darüber hinaus hat Österreich in dieser Zeit ins­besondere im Hinblick auf den Ausbau der Bahninfrastruktur, die Steigerung der Attraktivität der Bahn und des Kombiverkehrs eine Reihe von Investitionen getätigt. So wurde etwa der transitrelevante Schienenausbau Brenner – Tauern – Schober – Sem­mering – Wechsel – Donau vorangetrieben. Insgesamt wurden seit 1995 8,3 Milliar­den € investiert, davon allein in den Jahren 2000 bis 2002 – und an dieser Stelle ein Lob für die Regierung! – 4 Milliarden €.

Für die nächsten zehn Jahre, meine sehr geehrten Damen und Herren, plant Öster­reich weitere Investitionen in die Schienenhaupttransitachsen im Ausmaß von insge­samt 11 Milliarden €. Hinzu kommt noch die ausdrückliche Bereitschaft Österreichs – Sie wissen es –, seinen Beitrag zur Errichtung des Brenner-Basistunnels zu leisten, die voraussichtlich in etwa 5 Milliarden €, so schätzt man, oder auch mehr kosten wird, wenn eine 20-prozentige Kofinanzierung durch die Europäische Union gewährleistet ist und vor allem auch die Möglichkeit einer wirksamen Querfinanzierung eröffnet wird.

Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als der italienische Verkehrsminister am 1. April dieses Jahres hier im Haus zu Besuch war und es unserem Verkehrs- und Infrastruk­turminister gelungen ist, einen Vertrag zu unterzeichnen, der wenigstens den Weg dorthin weist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber auch der Straßenausbau ist einer der Bereiche, in denen wir unsere Aufgaben erfüllt haben. In den nächsten zehn Jahren werden wir über 6 Milliarden in den Straßenbau, der notwendig ist, investieren.

Ich darf ganz kurz noch auf das Abstimmungsverhalten vom 3. Juli zu sprechen kom­men: Es waren 231 : 191 Stimmen, bei 50 Enthaltungen. Es ist bemerkenswert, dass die Grünen einer Regelung, die von uns – also von Österreich – gewünscht wurde, nicht zugestimmt haben.

Ich sage auch dazu – Sie haben es heute korrigiert –, dass es am Ergebnis nichts ge­ändert hätte. Allerdings, und das ist schon auch wichtig: Es wäre ein wichtiges, großes Signal gewesen, wenn alle in Österreich vertretenen Parteien im Europäischen Parla­ment hier zugestimmt hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deshalb bringe ich folgenden Dringlichen An­trag ein: 

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Mainoni, Gahr, Wattaul, Mag. Karin Hakl, Lichtenegger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend europäische Regelung der Transitproblematik

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, ihre intensiven Bemühungen, in den Verhandlungen im Rahmen der EU unter Einbeziehung aller verantwortlichen österreichischen Manda­tare und Organisationen eine den österreichischen Bedürfnissen in ökologischer Hin­sicht Rechnung tragende Wegekostenregelung durchzusetzen und bis zu deren In-


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krafttreten eine tragfähige Übergangsregelung zur Fortführung des Ökopunktesystems im gesamten Bundesgebiet zu schaffen, konsequent fortzusetzen.

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Es handelt sich dabei um ein gesamtösterreichi­sches Thema, das meiner Ansicht nach über die Parteigrenzen hinausgehen sollte, denn ein Erfolg ist nur dann gewährleistet, wenn wir alle gemeinsam dieses Anliegen tragen, und deshalb ersuche ich auch um Zustimmung zu diesem Antrag. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.21

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich der Herr Bun­desminister für Verkehr, Innovation und Technologie zu Wort gemeldet.

Die Redezeit, Herr Bundesminister, soll 20 Minuten nicht übersteigen. Das Lämpchen leuchtet, aber Sie können weiterreden. – Bitte.

 


15.21

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Hubert Gorbach: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Herr Kollege Staats­sekretär! Frau Staatssekretärin! Ich werde diese 20 Minuten vermutlich nicht benöti­gen, weil mein Vorredner, Herr Abgeordneter Mainoni, schon sehr viel an Argumenten gebracht hat. Er gehört offensichtlich zu jenen, die die Unterlagen sehr gut studiert haben und wissen, was geschehen ist und wie die Dinge liegen, sodass ich eigentlich nur wenig ergänzen muss. Vor allem aber muss ich etwas unterstreichen.

Ich fange dort an, wo er aufgehört hat, nämlich mit dem Appell, dass es insbesondere im Verkehrsbereich Probleme gibt, die gemeinsam, parteiübergreifend und Parteigren­zen überschreitend behandelt werden sollten, insbesondere, wenn es dabei um Ver­kehrsprobleme geht, die nicht nur keine Ideologie brauchen, um gelöst zu werden, son­dern die auch nur dann einer Lösung zugeführt werden können, wenn man im Ausland, international, gemeinsam auftritt und eine Sprache spricht.

Ich habe das am Beginn meiner neuen Funktion auch hier deponiert und den Appell an Sie gerichtet, dass man doch prüfen möge, ob gerade solche Themen, eben Verkehrs­themen, die die gesamte Bevölkerung berühren und bei denen man oft die gemeinsa­men Anliegen erkennt, nicht Gegenstand von gemeinsamen Anträgen und Beschlüs­sen sein könnten. Ich bemühe mich auch ehrlich, nicht nur im internationalen, sondern auch im nationalen Bereich hier einen Konsens zu finden.

Ich habe mich deshalb auch gleich auf den Weg gemacht, um die EU-Fraktionen im EU-Parlament, sowohl die Grünen wie auch die Roten und natürlich auch die ÖVP und die eigene Fraktion optimal zu informieren, sie gemeinsam zu treffen, um dort eine Information zu platzieren. Ich habe auch eine Informationsmappe zum Thema „Transit­vertrag – Ökopunktesystem“ zusammenstellen lassen und diese Mappe gemeinsam mit allen EU-Abgeordneten bearbeitet.

Ich habe mich darüber gefreut, dass auch alle großes Interesse gezeigt haben, und hatte zumindest eine Zeit lang das Gefühl, dass wirklich alle erkennen, es geht nicht um ein freiheitliches, sozialdemokratisches, konservatives, ÖVP-, EVP- oder Grünen-Thema, sondern es geht um ein österreichisches Thema.

Der Vorredner hat es schon sehr richtig gesagt – die Problematik wurde hoffentlich von allen erkannt –: Die Problematik ist die, dass man Österreich auf Grund seiner beson­deren geographischen, aber auch topographischen Situation in Europa vor dem Beitritt zur EU – also vor 1994, vor der Abstimmung – eine besondere Regelung in Form des


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so genannten Transitvertrages zugestanden hat, der im Wesentlichen zwei Dinge bein­haltet und auch zwei wesentliche Ziele hat: Erstens eine Begrenzung der Zahl der transitierenden LKWs und zweitens – damit verbunden und vermutlich noch wichtiger – eine Reduktion der Schadstoffausstöße um 60 Prozent, und zwar eine nachhaltige Reduktion um 60 Prozent. Das heißt, dass man nach dem Auslaufen des Transitver­trages, also nach zehn Jahren, Ende 2003, nicht so tun kann, als wäre nie etwas gewesen, und freie Fahrt voraus. Es kann nicht so sein, dass das erreichte Ziel dann wieder untergraben, unterminiert und dann auch ad absurdum geführt werden kann.

Diese zwei Ziele hat man also vereinbart, und das ist nicht nur ein moralisches An­recht, sondern auch Primärrecht, wie Juristen bereits erklärt haben und wie es auch Gutachten und Abhandlungen bestätigen.

Man hat damals aber verabsäumt – das möchte ich schon erwähnen, ohne irgend­welche Schuldzuweisungen; aber es ist einfach für die Sachlage wichtig zu wissen und zu erklären –, auf die Wegekostenrichtlinie einzugehen, die damals versprochen wurde. Deshalb auch das zeitliche Limit von zehn Jahren beim Transitvertrag, weil man von Seiten der EU versprochen hat, die Wegekostenrichtlinie zu schaffen, die ebenfalls die Möglichkeit geben werde, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu ver­lagern. Es hieß, diese Richtlinie würde in zehn Jahren in Kraft sein, sodass man dann den Transitvertrag nicht mehr brauchen werde.

Man hat es verabsäumt, den Eventualfall zu berücksichtigen: Was passiert, wenn der Transitvertrag Ende 2003 ausläuft und die Wegekostenrichtlinie als Instrument zur Regulierung des Transitverkehrs noch nicht in Kraft ist? – Ein Satz hätte vermutlich genügt, etwa: Sollten die Wegekostenrichtlinien bis dahin noch nicht in Kraft sein, dann verlängert sich der Transitvertrag automatisch um ein Jahr. – Dann hätten wir alle die­ses Problem nicht, mit dem ich schon seit Monaten, eigentlich seit meinem Amtsantritt beschäftigt bin und für dessen Lösung ich in Brüssel und überall in Europa, wo es Sinn macht, im Interesse Österreichs intensiv eintrete.

Aber diesen Satz gibt es eben nicht, und Tatsache ist, dass einige Mitgliedsländer natürlich den zeitlichen Druck ausnützen, weil sie wissen, wenn man sich nicht einigt – das ist aus der Sicht der anderen eine gute Position –, wenn man sich auf keinen Kompromiss einigt, dann läuft der Transitvertrag aus, und dem freien Warenverkehr ist dann im wahrsten Sinne des Wortes Tür und Tor geöffnet. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das heißt, dass ich in der unangenehmen und auch skurri­len Situation bin, für etwas quasi als Bittsteller auftreten zu müssen, das uns nicht nur moralisch, sondern auch primärrechtlich zusteht, und das ist keine einfache Situation.

Ich habe trotzdem versucht, mit Unterstützung – ich möchte das besonders betonen – auch der Abgeordneten Hannes Swoboda, des SPÖ-Abgeordneten im EU-Parlament, sowie Reinhard Rack, der mich sehr unterstützt hat, und auch Mercedes Echerer von den Grünen, die mir Termine bei der grünen Europafraktion ermöglicht hat, diesbezüg­lich voranzukommen.

Mit meinen Argumenten bin ich überall spätestens nach einer Stunde auf offene Ohren gestoßen und habe für die guten Argumente der österreichischen Position immer Zu­stimmung erfahren. Und das Resümee war immer: Ja hätten wir das früher gewusst, dann hätten wir uns auch anders verhalten können!

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen das deshalb, weil das eine sehr interessante Materie ist, bei der man wirklich mit Fakten arbeiten muss. Zum Teil haben wir sie vom Kollegen Mainoni gehört. Ich mache aber noch einmal auf die gesundheitlichen Auswir­kungen aufmerksam.


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Es gibt eine Studie der WHO, die ich auch in mehreren Reden auf europäischer Ebene im Verkehrsministerrat präsentiert habe. Es ist immer sehr still geworden, wenn ich er­klärt habe – ich betone, unwidersprochen, weil das nicht auf irgendeiner Annahme der FPÖ oder der ÖVP, also einer österreichischen Partei oder Einrichtung beruht, sondern auf Daten der WHO! –, dass Untersuchungen zeigen, dass auf Grund der Luftver­schmutzung, ausgehend vom Straßengüterschwerverkehr – natürlich nicht nur vom Transit, aber vom Transit eben auch, und am Brenner haben wir eben 90 Prozent Transit und nur 10 Prozent hausgemachten LKW-Verkehr! –, dass auf Grund dieser Belastung pro Jahr 2 400 vorzeitige Todesfälle zu verzeichnen sind, 2 700 zusätzliche Fälle von chronischer Bronchitis bei Erwachsenen, 20 600 Fälle von chronischer Bron­chitis bei Kindern unter 15 Jahren, 15 000 zusätzliche Asthma-Attacken bei Kindern und 1,3 Millionen zusätzliche Krankenstandstage pro Jahr!

Wenn man sich diese Zahlen einmal überlegt, dann versteht man auch besser, dass Österreich nicht eine „Extrawurst braten will“, wie es ein deutscher Politiker einmal aus­gedrückt hat, sondern dass Österreich ein Recht hat auf das, was zugesagt wurde, nämlich auf eine nachhaltige Schadstoffreduktion um 60 Prozent und ein Limit bei der Anzahl der transitierenden LKWs.

Meine Damen und Herren! Interessant wäre natürlich auch noch, Folgendes zu wis­sen – ich bin froh, dass Abgeordneter Mainoni die Zahlen, was das Transportvolumen betrifft, hier genannt hat –: Wie verhält sich das Gesamtvolumen der Transporte im Vergleich Schiene/Straße, weil man daran ja auch erkennt – auch wieder ohne Schuld­zuweisungen; ich versuche, eine wirklich entideologisierte Verkehrspolitik zu betrei­ben –, dass wir einen enormen Nachholbedarf, insbesondere was die Schiene betrifft, haben, und zwar gerade im grenzüberschreitenden Güterverkehr.

Zu den von dir, Kollege Mainoni, genannten 90 Millionen Tonnen an Gütern – diese Statistik stammt aus dem Jahre 2000 –, die jährlich über Österreichs Alpenbogen transportiert werden, muss man wissen, dass davon 60 Millionen Tonnen, also zwei Drittel, auf der Straße und 30 Millionen Tonnen auf der Schiene transportiert werden. Verhältnis dabei also: zwei Drittel Straße, ein Drittel Schiene.

Bei den diesbezüglichen 50 Millionen Tonnen an Transporten in Frankreich – laut einer Studie des Raumplanungsinstitutes Bern, und diese Studie ist neutral und unangefoch­ten – verhält es sich so, dass davon 40 Millionen Tonnen auf der Straße und 10 Mil­lionen Tonnen auf der Schiene erfolgen. Also auch ein schlechtes Verhältnis, noch schlechter als in Österreich.

In diesem Zusammenhang zu den Zahlen der Schweiz – man verzeihe mir, wenn ich immer wieder die Schweiz als Beispiel strapaziere, aber ich tue das nicht, weil ich Vor­arlberger bin und Vorarlberg an die Schweiz angrenzt, sondern deshalb, weil es dabei um einen interessanten Vergleich geht –: Bei den 30 Millionen Tonnen an Transporten, die jährlich über den Schweizer Alpenbogen gehen, ist das Verhältnis genau umge­kehrt: Von den 30 Millionen werden 20 Millionen Tonnen auf der Schiene und 10 Millio­nen Tonnen auf der Straße transportiert, also genau umgekehrt wie in Österreich.

Damit, meine Damen und Herren, möchte ich aufzeigen, dass wir das gemeinsame Interesse haben sollten, den Nachholbedarf, was den grenzüberschreitenden Güterver­kehr in den Alpenbögen anlangt, gemeinsam zu klären beziehungsweise das gemein­sam zu regeln. Und ich glaube, das Hauptaugenmerk wird dabei wohl dem Brenner-Basistunnel gelten müssen.

Ich bin auch froh darüber, dass es uns gelungen ist, den Brenner-Basistunnel mit einem Investitionsvolumen von immerhin 4,5 bis 5 Milliarden € in die so genannten TEN, in die Transeuropäischen Netze, zu bringen. Diese werden, wie Sie ja sicherlich wissen, von der EU besonders gefördert, und zwar mit 50 Prozent der Planungskosten


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und jetzt mit bis zu 20 Prozent – entgegen früheren Absichten, wonach es bis zu 10 Prozent sein sollten – der Investitionskosten.

Das ist ein Erfolg, wie ich mich überhaupt freue, dass von über 100 eingereichten Pro­jekten für diese wichtigsten europäischen Korridore insgesamt 18 vorgeschlagen wer­den, eben als Ergebnis der „Van-Miert-Gruppe“, dieser „high-level group“. Von diesen 18 vorgeschlagenen Projekten sind zwei wirklich vollkommen unbestritten: das Satelli­tensystem GALILEO und die Meeresküstenstraße, also Autobahnen. Bei den weiteren 16 Projekten sind fünf österreichische dabei: entweder zu 100 Prozent beziehungs­weise sind wir davon so berührt, dass wir damit sehr zufrieden sein können, geht es doch dabei immerhin um ein Investitionsvolumen in Höhe von 14 Milliarden €.

TEN-Projekte in Österreich werden – wenn es so bleibt, wie es jetzt vorgeschlagen ist – von der EU kofinanziert beziehungsweise wird die Hälfte der Planungskosten mit­finanziert. Das bringt uns nach vorne, ist es doch so, dass der österreichische General­verkehrsplan, der ja bereits beschlossen wurde, sehr auf die Entwicklung in Europa abgestimmt ist.

Wir sind dabei, diesen Generalverkehrsplan zu evaluieren, insbesondere was seine Richtigkeit in Bezug auf die Osterweiterung, aber auch eine Süderweiterung der EU anlangt. Da ist alles sozusagen abzuklopfen, ob das noch stimmt. Im Wesentlichen stimmt dieser Plan sicherlich, und deshalb ist es erfreulich, wenn es hiefür zusätzliche EU-Mittel gibt, um eben gewisse Projekte, die wichtig sind, vorziehen zu können. Und das werden wir selbstverständlich auch tun. In diesem Zusammenhang denke ich ins­besondere an den Bereich der Schiene. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Auch einem Politiker, der schon ein bisschen länger in diesem Geschäft ist – wie das eben bei mir der Fall ist –, tut es weh, wenn dann solche Vorwürfe wie heute von Ihnen, Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger, kommen, man wolle das Volk hinters Licht führen und Ähnliches mehr. – Sie sagten das auf Grund einer angeblichen Aussage meines italienischen Amtskollegen Lunardi.

In diesem Zusammenhang möchte ich schon auch sagen, dass ich mich sehr bemühe, mit meinem italienischen Kollegen Lunardi in der Transitfrage etwas weiterzubringen, und zwar nicht nur deshalb, weil Italien gemeinsam mit den Niederlanden und Belgien zu jenen gehört, die im Rat eine Fortsetzung der Transitlösung abgelehnt haben, son­dern auch deshalb, weil man ja weiß, dass Italien im zweiten Halbjahr 2003 den EU-Ratsvorsitz hat, wobei einige glauben, dass das negativ für Österreich wäre.

Ich habe das jedoch zum Anlass genommen, anlässlich eines informellen Treffens des Verkehrsministerrates in Neapel, und zwar am vergangenen Wochenende, eine Stun­de lang – außerhalb des Protokolls – mit meinem italienischen Kollegen Lunardi dar­über zu reden, wie er denn vorhat, diese Ratsvorsitzführung, diese Präsidentschaft im Hinblick auf Österreich und dessen besonderes Anliegen „Transitvertrag“ auszuüben.

Ich glaube, sagen zu können, es ist schön, dass mir Lunardi in diesem Gespräch, und zwar vor Beamten, also vor Zeugen, zugesichert hat, dass er das diesbezügliche Ver­mittlungsverfahren so rasch wie möglich einleiten und nichts unternehmen wird, um diese Sache zu verzögern, wäre das doch sozusagen die Trumpfkarte im Ärmel der Italiener, die in Wahrheit gegen eine Verlängerung der Transitlösung sind.

Mein italienischer Kollege Lunardi ist also bestrebt, sein Amt sehr souverän und sehr neutral auszuüben, ja im Gegenteil: Er hat mir zwar zugestanden, dass er da eine eher schwierige Situation und Position hat, aber die Präsidentschaft so versteht, dass er Österreich helfen muss, damit diese Frage in den zuständigen Gremien zumindest behandelt wird. – Entgegengesetzte Behauptungen sind also nicht richtig!


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Ich habe mich natürlich erkundigt, was von Lunardi gestern auf europäischer Ebene tatsächlich gesagt wurde. Meinen Informationen nach hat Lunardi gesagt, dass er das Vermittlungsverfahren im Hinblick auf die Landtagswahlen in Tirol beschleunigen wolle, um für die Bürgerinnen und Bürger ein Ergebnis zu bekommen. – Das ist doch eine Super-Aussage von Lunardi – und nichts anderes! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger, Sie sollten sich eher auf Protokolle und tatsäch­lich Gesagtes konzentrieren – und weniger darauf, was irgendeine Agentur verbreitet. Ich sage Ihnen jetzt, was diesbezüglich wirklich gesprochen wurde, damit das ein für alle Mal klar ist.

Nochmals: Ich bemühe mich wirklich sehr, da etwas im Sinne Österreichs vorwärts zu bringen, und ich setze mich auch gerade mit den diesbezüglich schärfsten Gegnern Österreichs intensiv zusammen. Ich bringe Ihnen dann gleich noch ein Beispiel. Hören Sie mir zu, Frau Abgeordnete Lichtenberger, und unterstellen Sie mir hier nicht etwas, was wirklich ungeheuerlich ist! Diese Ihre Unterstellung ist nämlich in Wahrheit ein Skandal – und nicht das, was Sie als Skandal vermuten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mit meinen Amtskollegen Stolpe und Lunardi habe ich über den Brenner-Basistunnel gesprochen und in diesem Zusammenhang einmal mehr den – informellen – Anlauf gemacht, meinen deutschen Kollegen Stolpe davon zu überzeugen, dass der „kleine Transit“ in Vorarlberg, nämlich der so genannte Hörbranz-Transit, für die Deutschen nicht so wichtig ist und sie daher auch keine Sonderregelungen brauchen, weil sie bis­her ohnehin immer genug Ökopunkte aus dem Reservetopf hatten.

Ich habe Stolpe gebeten, sich zu überlegen, allfällige Sonderformulierungen aus dem Vertrag herauszunehmen. – Stolpe hat mir zur Antwort gegeben: Da gibt es in Bayern einen Nicht-Parteifreund von mir, der im Herbst Wahlen hat – und mit dem sei momen­tan nicht gut zu reden! – Darauf, sozusagen im selben Atemzug, sagte Lunardi zu mir: Und wie ist das in Tirol? Wenn man mit dir, Hubert, schon nicht über die Nachtfahrver­bote reden kann, kann man dann mit dem Tiroler Landeshauptmann darüber reden? – Darauf meine Antwort: Sicherlich schlecht, solange ihr Italiener eine sture Haltung ein­nehmt, was eine Nachfolgeregelung in Sachen Transitvertrag betrifft – und zweitens gibt es im Herbst nicht nur in Bayern, sondern auch in Tirol Wahlen! – Das war’s auch schon!

Also von einem Aufweichen nach den Wahlen kann keine Rede sein! Und: Zu dem, was ich da gesagt habe, stehe ich jederzeit, denn das ist, wie ich glaube, wirklich nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Dabei geht es um das Bemühen, bilateral und auf freundschaftlicher Ebene etwas für Österreich herauszuholen. Und das werde ich auch in Zukunft tun – völlig unabhängig davon, wie Sie von den Grünen das dann kommen­tieren werden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dass sich etwas bewegt hat, Frau Abgeordnete Lichtenberger, meine Damen und Herren, sieht man ja auch daran, dass am 19. Juni 2001 EU-Kommissarin Loyola de Palacio in einem Interview erklärt hat – und nach wie vor dazu steht –: Für eine Verlän­gerung des im Jahre 2003 auslaufenden Ökopunktesystems gäbe es keine Chance für Österreich; ab dann müssten für den Transit durch Österreich die Regeln des freien Warenverkehrs gelten. – Also eine klare Position.

Wissen Sie, was am 28. März in Brüssel passiert ist? – Auf Grund intensiver Ge­spräche hat de Palacio zugesagt, die Position des Rates, wenn ich es schaffe, eine qualifizierte Mehrheit für eine Nachfolgeregelung zu finden, zu übernehmen und mit zu vertreten – und das tut sie jetzt auch. Also sie hat innerhalb von zwei Jahren auf Grund


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guter Argumente, wie ich meine, ihre Position um 180 Grad zugunsten Österreichs gewendet, und ich hoffe, das bleibt auch so.

Wenn Sie sich im Übrigen die Mühe machten, sich die Entwicklung anzuschauen, dann würden Sie sehen – wir sind noch nicht am Ziel, das gebe ich schon zu, und es wird auch schwierig genug sein, so durchs Ziel zu laufen, dass wir froh sein können –, dass bei der ersten Lesung im EU-Parlament immerhin noch 81 Prozent für die Liberalisie­rung gestimmt haben, nämlich 430 Abgeordnete für den Caveri-Bericht, bei der zweiten Lesung im Plenum waren es noch 231, während 191 für den österreichischen Antrag gestimmt haben, wo die Grünen leider nicht mitgestimmt haben. 346 haben für Caveri gestimmt, 102 gegen den Caveri-Bericht. – Also man sieht daraus, meine Damen und Herren, dass sehr viel Bewegung in die Diskussion gekommen ist. Und ich glaube, das ist auch die verdammte Pflicht und Aufgabe eines Verkehrsministers, der die Interes­sen der Österreicherinnen und Österreicher in dieser sensiblen und schwierigen Frage sehr ernst nimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Lichtenberger, ich sage Ihnen noch etwas dazu: Dass sehr viel Be­wegung in diese Situation hineingekommen ist, sieht man ja auch daran, dass Holland, also die Niederlande bei den Gegnern einer Transitverlängerung waren und die neue Verkehrsministerin Peijs jetzt sogar Kompromissvorschläge in die Diskussion einbringt, die im Vermittlungsverfahren noch sehr interessant sein könnten. Sie kennen hoffent­lich den Kompromissvorschlag Peijs, der eigentlich für Österreich ein sehr annehm­barer wäre.

Damit komme ich jetzt zum Schluss. Worum geht es? – Ich glaube, wir sollten auch die Bevölkerung nicht mehr länger hinhalten und sagen, was noch machbar ist. Machbar ist, wenn es gut geht, dass wir die Euro-3-LKWs in das Ökopunkte-System bekom­men – das wäre der große Unterschied zu Caveri, und das ist übrigens auch im Antrag Swoboda/Rack gewesen: Euro-3 ökopunktepflichtig. Warum die grüne Europafraktion da nicht mitgestimmt hat, bleibt mir wahrscheinlich auf ewig ein Rätsel. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger.)

Der zweite Punkt ist, dass möglichst das ganze österreichische Bundesgebiet öko­punktepflichtig ist und somit als transitgeregelt gilt und nicht nur die drei Achsen Brenner, Pyhrn und Tauern. Wenn wir nämlich die Euro-3 nicht im Ökopunkte-System haben, sind 80 Prozent des Transits in Österreich liberalisiert, wenn wir es dann nur noch auf die drei Achsen beschränken, die restlichen 20 auch. Meine Damen und Herren! Dann bräuchten wir kein Papier zu unterschreiben, damit wäre nämlich die Bevölkerung hinters Licht geführt.

Jetzt mein Appell: Kämpfen wir die restlichen Wochen und Monate doch gemeinsam, damit wir diese Kompromisslösung, die zwar nicht das Gelbe vom Ei ist, aber besser als nichts, zustande bringen, und schauen wir noch einmal weiter nach vorne, indem wir gemeinsam die Wegekostenrichtlinien, die jetzt endlich einmal im Entwurf auf dem Tisch liegen, die im September erstmals vorgestellt werden, die einen Hoffnungsschim­mer dahin gehend darstellen, in eineinhalb Jahren vielleicht dann wenigstens regulie­ren zu können, endlich zum europäischen Gesetz machen und diese nicht schon kritisieren – was jetzt auch wieder passiert, leider auch von Ihrer Fraktion –, bevor sie überhaupt andiskutiert wurden. Diese werden ja erst am 23., 24. Juli in der Kommis­sion behandelt und dann zur Diskussion freigegeben, und Sie machen sie jetzt schon wieder nieder. Das ist keine gute europäische Politik, die den österreichischen Interes­sen entgegenkommt.

Ich werde mich anders verhalten und mich auch in Zukunft konstruktiv im Sinne aller Österreicher einbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


15.44


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Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf. Die Gesamtredezeit jedes Klubs beträgt 25 Minuten.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Wittauer. 10 Minuten Redezeit. – Herr Abgeordneter, bitte.

 


15.45

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Frau Staatssekretär! Frau Abgeordnete Lichtenberger, ich würde Sie schon auffordern, in der Frage der Transitproblematik und auch der Lösungsansätze ebenso gerade wie unser Minister Gorbach den Weg zu beschreiten und ihn nicht – ich sage einmal: indirekt oder direkt – einer Lüge zu bezichtigen. Ich glaube, wir sollten zu unserem Minister stehen und mit solchen Aussagen die Öffentlichkeit nicht verun­sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Erst durch freiheitliche Politik im Verkehrsministerium ist Bewegung in die Aufarbeitung der Probleme, die Verkehr schlussendlich einmal verursacht, gekommen.

Die Erstellung des Generalverkehrsplanes für Österreich wird ein wesentlicher Bau­stein sein, um langfristig gezielt Verkehr von der Straße auf die Schiene umzuleiten. Gerade die gezielten Investitionen in die Schiene ermöglichen es, eine echte Alterna­tive für den Transport von Gütern anzubieten. Wir haben in den letzten Tagen und Wo­chen sehr oft die Problematik des Transits diskutiert. Probleme, die durch 30-jährige verfehlte sozialdemokratische Verkehrspolitik und den Ausverkauf österreichischer In­teressen durch einen von Sozialdemokraten abgeschlossenen Transitvertrag verur­sacht wurden, können nicht binnen vier Jahren gelöst werden. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Über die Zielsetzung, nämlich den Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren des Schwer- und auch des Personenverkehrs durch erhöhte Emissionen und Lärm, besteht breiter Konsens. Ganz Österreich ist davon betroffen, und mit der Osterweiterung wird es zu einem starken Anstieg kommen. Wenn man Tirol mit 5 000 LKW pro Tag be­trachtet, dann schaut das sehr gering aus, aber in der Lage ist das natürlich sehr viel. Auf der Süd-Tangente fahren 150 000 Autos. Also ich glaube, wir sollten schauen, dass für alle Bereiche Österreichs, wo diese Problematik vorhanden ist, Lösungsan­sätze gefunden werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Bei der Betrachtung gibt es zwei wesentliche Seiten: Erstens die Verhandlungen mit der EU, die von unserem Verkehrsminister Hubert Gorbach ausgezeichnet geführt wur­den, um auf europäischer Ebene eine Lösung zu finden. Durch einen Transitvertrag, den nicht wir Freiheitliche unterstützt haben und der auslaufen wird, sind dem freien Warenverkehr Tür und Tor geöffnet. Der Lobbyismus der Frächter und die Interessen großer Mitgliedstaaten haben sich in dieser Frage bis heute meistens durchgesetzt.

Der Einzige, der die Interessen Österreichs vertritt und nicht von vornherein kapituliert, ist unser Verkehrsminister Hubert Gorbach: in der Frage der EU-Wegekostenrichtlinie, in der Frage der Ökopunkte-Regelung – wir wissen, das ist sehr schwierig – und bei der ökologischen Weiterentwicklung der fahrleistungsabhängigen LKW-Maut. Es ist Hubert Gorbach zu verdanken, dass endlich Bewegung in die Frage der Querfinanzie­rung und der Mitfinanzierung von Schienengroßprojekten, wie zum Beispiel beim Bren­ner-Basistunnel, gekommen ist.

De Palacio. – Gerade bei ihr hat die Überzeugungsarbeit gewirkt. Sie hat öffentlich ge­sagt, dass sie eine 20-prozentige Mitfinanzierung des Brenner-Basistunnels unterstüt­zen wird. Ich weiß, wie viel Arbeit das war. Wir Tiroler danken dir dafür.


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Wir werden dich weiterhin unterstützen, so wie du uns unterstützt, um die Trendumkehr in der Frage des Transits in Europa zu erreichen. Ich weiß, du wirst bis zum letzten Augenblick dafür kämpfen.

Zweitens: die Maßnahmen auf nationaler Ebene. Schon in den Regierungsverhandlun­gen wurde mit wesentlicher Unterstützung von dir die Novellierung des IG-Luft zur Effizienzsteigerung und Verfahrensbeschleunigung mit hineinverhandelt. Binnen kurzer Zeit – auch da hätte es ohne deine Unterstützung nicht funktioniert – wurde die Novel­lierung des IG-Luft im Parlament beschlossen.

Das Immissionsschutzgesetz sieht vor, dass bestimmte Luftschadstoffe ständig ge­messen werden. Im Falle einer Überschreitung des festgelegten Grenzwertes sind die Ursachen festzustellen. Auf dieser Basis muss ein Maßnahmenkatalog von den Lan­deshauptleuten erstellt und umgesetzt werden, um die Schadstoffkonzentration in der Luft zu verringern. Die Länder übernehmen damit auch eine große Verantwortung, denn sie sind es, die auf Basis des IG-Luft Nachtfahrverbote, sektorale Fahrverbote und andere Maßnahmen setzen sollen, die zur Verringerung der Schadstoffe und des Lärms führen sollen.

Die Kritik an dir durch maßgebliche Abgeordnete der Sozialdemokraten und auch der Grünen ist verfehlt. Dort, wo sie wesentliche Verantwortung tragen – dazu gehört auch Tirol mit dem für den Verkehr zuständigen Landeshauptmann-Stellvertreter Gschwent­ner, der Sozialdemokrat ist –, haben sie versagt, haben sie kläglich versagt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch ein Landeshauptmann van Staa macht in dieser Frage nur Scheinpolitik. (Abg. Parnigoni: Haben sie nicht schon den Auflösungsbeschluss gefasst?) Eine Grundvor­aussetzung dafür, um auf europäischer Ebene Erfolg zu haben, ist die Gleichstellung aller. Ein deutscher LKW unterscheidet sich nicht von einem österreichischen LKW. Diese Unglaubwürdigkeit in der Landespolitik macht es dem Verkehrsminister sehr schwer, Argumente für eine umfassende Transitlösung zu finden. Deshalb fordere ich alle Tiroler Abgeordneten des Nationalrates auf, in ihren Landesgruppen zum Wohle unserer Tiroler Bevölkerung diese Überzeugungsarbeit zu leisten. Pseudo-Nachtfahr­verbote und sektorale Fahrverbote zu beschließen, um das Scheitern ihrer eigenen Verkehrspolitik auf Landesebene zu verschleiern, kann nicht zukunftsorientierte Politik sein.

Ich weiß, Hubert, dass du im Kampf gegen den Transit hinter der Tiroler Bevölkerung stehst, und dafür möchte ich dir herzlich danken. Die Opposition stellt immer in Zweifel, dass der Generalverkehrsplan tatsächlich wie vorgesehen zur Umsetzung kommt. Ich möchte aus der heutigen „Kronen Zeitung“ zitieren:

Überschrift: „Milliarden für Verkehr lassen Baubranche rasant wachsen“:

„Endlich eine positive Nachricht in der allgemeinen Wirtschaftsflaute: Bauindustrie und -gewerbe dürften heuer mit 1,4 % doppelt so stark wachsen wie die Gesamtwirtschaft. Auch der Jobabbau ist fast beendet. Hauptgrund ist der massive Ausbau von Verkehrs­wegen; alleine bei Bahn und Autobahnen um je über 1 Milliarde Euro.

Im Einzelnen gibt die Schienengesellschaft SCHIG erstmals überhaupt mehr als eine Milliarde aus. Die ASFINAG steckt heuer 660 Mio. Euro in Straßen-Neubauten (38 % mehr als 2002) und 300 Mio. in die Instandhaltung. Nächstes Jahr sind insgesamt sogar mehr als 1,1 Milliarden Euro geplant. Zusätzlich bekommen die Bundesländer 522,5 Mio. Euro aus dem Budget für die ihnen übertragenen Bundesstraßen.“ – Zitat­ende. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Auch in konjunkturschwachen und schwierigen Zeiten wie diesen setzt man mit der Umsetzung des Generalverkehrsplanes ganz klare und positive Wirtschaftsimpulse.


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Auch die Baubranche wird es dir danken und die vielen Arbeiter, denen du damit ihren Arbeitsplatz sicherst. Für den Ausbau des Straßennetzes werden heuer 1,319 Milliar­den € ausgegeben, die Investitionen in die Schiene werden fast dreimal so hoch sein. Damit ist erkennbar, wo freiheitliche Politik ihre Prioritäten setzt.

In den nächsten zehn Jahren werden 4,7 Milliarden € in die Straße investiert, 12,4 Mil­liarden € in die Schiene, 79,9 Millionen € in die Donau als Wasserstraße. Das sind Leistungen, auf die diese Bundesregierung stolz sein kann. Dir, lieber Hubert, wünsche ich weiterhin viel Glück. Wir werden dich unterstützen, damit deine positive Politik für den Menschen, für Österreich weiterhin so erfolgreich ist. (Beifall bei den Freiheit­lichen.)

Ich möchte noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wittauer, Gahr eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag betreffend europäische Regelung der Transitproblematik

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, Maßnahmen, die in der Zeit vor dem Inkrafttreten einer neuen EU-Wegekostenrichtlinie von den betroffenen Ländern zur Reduzierung schädlicher Auswirkungen des Verkehrs in ökosensiblen Zonen wie beispielsweise Alpentälern ergriffen werden, soweit sie sinnvoll und rechtlich möglich sind, bestmög­lich zu unterstützen.

*****

Ich bitte auch Sie, die Damen und Herren von der Opposition, dies zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Wittauer eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Wittauer und Gahr zur Transitproblematik ist hinreichend unterstützt und steht mit in Debatte.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gahr. 8 Minuten Wunschredezeit. – Herr Abge­ordneter, Sie sind am Wort.

 


15.53

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Der heutige Dring­liche Antrag zur europäischen Transitproblematik soll einen nationalen Schulterschluss bringen, damit wir in Österreich einheitlich auftreten und mit geeinter Sprache nach Brüssel gehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister Gorbach hat es heute hier eindrucksvoll dargestellt: Es gab in der Vergangenheit Versäumnisse, und es gibt einfach zu wenige Verbündete, wenn ich das ganz global zusammenfassen darf. An der Tatsache, dass der Verkehr europaweit, auch durch die bevorstehende Osterweiterung, zunimmt, können wir uns alle nicht vor­beitragen. Wir müssen dies zur Kenntnis nehmen. Wir müssen aber trotzdem ver­suchen, als Land im Herzen Europas die europäische Verkehrsstrategie mitzugestalten und positiv hinauszutragen.

Österreich ist wahrlich in Europa ein Land, welches versucht, ökologische Prinzipien in der Verkehrspolitik zu verankern, welches aber intensiv auch darauf einwirkt und Druck macht, die Kostenwahrheit zu steigern, die Gesundheit der Menschen und den Schutz


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der Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt und insgesamt den Lebensraum in den Vor­dergrund stellt. Aber wir müssen auch darauf Rücksicht nehmen, dass wir den Wirt­schaftsraum Europa und Österreich nicht gefährden.

Also die Hauptproblematik ist derzeit in der Nord-Süd-Achse gegeben, und – ich habe es betont – mit der EU-Osterweiterung wird auch der Ost-West-Verkehr zunehmen.

Unser zukünftiger Auftrag ist klar im heutigen Entschließungsantrag dargelegt, dass wir nämlich mit einer Insellösung keinen Erfolg haben, sondern wir brauchen politische Einigkeit im Land und über das Land hinaus. Tirol – und hier sind ja heute viele Tiroler Abgeordnete im Einsatz – hat, um die Belastung für die Bevölkerung erträglich zu halten, Sofortmaßnahmen gesetzt, welche ein sektorales Fahrverbot und ein Nacht­fahrverbot beinhalten. Kollege Mainoni hat es gesagt, es gibt in Tallagen die dreifache Belastung für die Bevölkerung. In der Inntalschiene, im Wipptal und bis zum Brenner leben 240 000 Menschen. Und diese Menschen fordern von uns Abgeordneten und von der Politik gesamtheitlich Schutz und Maßnahmen. Tirol hat reagiert und bewusst Maßnahmen gesetzt. Wir sind aber nicht so selbstherrlich, dass wir annehmen, dass wir mit diesen Maßnahmen auf Dauer das Auslangen finden, sondern unsere Maßnah­men sollen dazu beitragen, die besonderen Belastungen aufzuzeigen. Und ich glaube, es ist eine gute Unterstützung für einen Minister und einen Bundeskanzler, welcher in Brüssel auftritt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist also eine Notwehrmaßnahme, und es soll so dramatisch klingen, damit wir für die Zukunft eine befriedigende und bessere Transitlösung erhalten. Es ist aber auch ein Auftrag an die EU, im Zuge der Wegekostenrichtlinie besonders auf die sensiblen Zonen – da leben Menschen, da gibt es Tourismus – Rücksicht zu nehmen. Und ich bin Bundesminister Gorbach dankbar, dass er eigentlich auch die Tiroler Vorschläge zwar nicht ganz massiv verteidigt, aber mitträgt und sie unterstützt und damit, glaube ich, in seiner Verhandlungsposition gestärkt ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

Die Hauptpunkte dieses Dringlichen Antrages sollen lauten: Noch vor Auslaufen des Transitvertrages soll es eine tragfähige Übergangsregelung bis zum In-Kraft-Treten der neuen EU-Wegekostenrichtlinie geben. Dabei ist auf die bereits im Transitvertrag fest­geschriebenen Zielsetzungen hinsichtlich der Schadstoffreduzierung, aber auch der Reduzierung des Lärms, insbesondere in ökosensiblen Regionen des Alpenraums, wie er vom Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention umfasst ist, Bedacht zu nehmen.

Der zweite hauptsächliche Inhalt dieses Dringlichen Antrags: Bei den Verhandlungen zur neuen EU-Wegekostenrichtlinie ist im Besonderen darauf zu achten, dass in öko­sensiblen Gebieten Zuschläge zur außerhalb dieser Gebiete zulässigen Mauthöhe ein­gehoben werden können. Ich glaube, mit dem Road-Pricing setzen wir ein Signal. Ich hoffe, dass dieses so funktioniert, dass es mehr Kostenwahrheit und Transparenz bringt. Diese Mehreinnahmen daraus sollten zweckgebunden im Wege der Querfinan­zierung für den Ausbau der Schieneninfrastruktur verwendet werden.

Kollege Wittauer hat ja einen Zusatzantrag eingebracht, welcher es uns ermöglicht, im dritten Schwerpunkt innerstaatliche Maßnahmen zu setzen. Ich bin durchaus Landes­hauptmann van Staa verpflichtet und dankbar, dass er da eine sehr starre Haltung und sehr stabile Haltung gegenüber dem Umfeld einnimmt, denn es braucht in der Transit­frage nicht nur seichte Worte, sondern auch Fakten und Beweise, welche man auf den Tisch legen muss.

Als Abgeordneter und Einbringer des heutigen Dringlichen Antrages betone ich, wir wollen nicht die Parteipolitik in den Vordergrund stellen, sondern ich appelliere an alle Abgeordneten. Wir müssen in der Frage Transit gemeinsam auftreten, Position bezie­hen – nur so werden wir in Europa ernst genommen! Uneinigkeit im eigenen Land


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schwächt die Position von Bundeskanzler Schüssel, aber natürlich auch von Bundes­minister Gorbach. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir brauchen mehr Solidarität, um von den benachbarten Ländern ernst genommen zu werden. Ich bin hier gewissermaßen enttäuscht. Man sieht natürlich auch oft Einflüsse von bevorstehenden Wahlen, wie es der Bundesminister heute ja dargestellt hat. Aber trotzdem, wir bräuchten mehr Solidarität in Deutschland, wir bräuchten mehr Solidarität aus sozialdemokratischen Ländern ... (Abg. Reheis: Das habt ihr ja versäumt!)

Wir haben überhaupt nichts versäumt, sondern es hat rote Verkehrsminister gegeben. In der EU, lieber Kollege Reheis, stimmen halt auch sehr viele sozialdemokratische Länder gegen unsere Positionen. Das ist Tatsache und auch beweisbar. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit diesem Dringlichen Antrag stärken wir insgesamt die österreichische Position. Da­her bitte ich über die Parteigrenzen hinweg um Zustimmung aller Fraktionen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.59

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Eder zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.00

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Staatssekre­tär! Erlauben Sie mir, doch einige Bemerkungen zu dem Dauerbrenner Transit zu machen.

Ich glaube, wenn die Regierungsfraktionen heute an sich selbst einen Dringlichen An­trag stellen, hier aktiv zu werden, dann zeigt das ja nur um so deutlicher (Abg. Gahr: Dass endlich die Roten zustimmen müssen!) – und das tut ja am meisten weh, dafür kann der Herr Bundesminister überhaupt nichts –, dass eben drei Jahre in der Ver­kehrspolitik verloren gegangen sind, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es war der Bundesminister Schmid, es war Frau Kollegin Forstinger, es war dann der nächste Kollege (Abg. Gahr: Es war Einem!) – es ist dann nicht Einem gekommen, sondern Reichhold. (Abg. Scheibner: Das hat jetzt lange gedauert!) Auch die Ge­schichte sollten Sie ein bisschen anschauen.

Nunmehr haben wir Herrn Minister Gorbach und Herrn Staatssekretär Kukacka, bei denen ich den Eindruck habe – ich sage das jetzt sehr subjektiv –, dass sie sich zum ersten Mal wirklich intensiv bemühen, in dieser Frage weiterzukommen. Bisher ist das nämlich nicht geschehen. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Das meine ich völlig im Ernst! Wenn hier immer wieder von gemeinsamen Anträgen und von gemeinsamer Vorgangsweise gesprochen wurde – und auch der Herr Minister hat heute wieder betont, dass man hier gemeinsam vorgehen soll –, dann muss ich auch sagen, dass ich den Versuch gemacht habe, heute mit Kollegem Wittauer über einen Antrag, den wir eingebracht haben, und über einen Antrag, der von Ihnen ein­gebracht wurde, so zu diskutieren, dass wir doch gemeinsam zu einer Lösung kommen könnten. – Aber zu dieser gemeinsamen Lösung kommt es eben nicht! Das ist ein bisschen schade bei dieser Frage. (Abg. Gahr: Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?)

Wir hätten auch in dieser Frage, bevor der Dringliche Antrag formuliert wurde, mitein­ander reden sollen, denn der Formulierung „die Bundesregierung wird ersucht, ihre


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intensiven Bemühungen konsequent fortzusetzen“ kann man nicht zustimmen, weil sie sich eben drei Jahre lang nicht intensiv bemüht hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Gerade vorhin haben Sie gesagt, dass wir uns bemüht haben!)

Kollege Scheibner, wenn Sie jetzt, fünf Minuten vor zwölf oder schon zu spät, an sich selbst einen Dringlichen Antrag stellen, dann ist das ein bisschen billig! (Abg. Scheib­ner: Es besteht aber schon noch ein Unterschied zwischen Regierung und Parlament!)

Wir haben einen eigenen Antrag gestellt, und Sie haben die Gelegenheit, dem Antrag, den wir gestellt haben, auch zuzustimmen. Dann könnten wir vice versa auch zustim­men! Mir ist aber gesagt worden, dass ihr unserem Antrag nicht zustimmt, daher tut es mir Leid, wenn wir Ihrem Antrag auch nicht zustimmen können. So ist die Politik nun einmal! Das tut mir Leid, aber wir haben nicht damit angefangen, sondern ihr habt da­mit angefangen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sprechen wir jetzt zum Beispiel über Finan­zierungsfragen! Kommissarin de Palacio war vor etwa zwei Jahren in Wien – damals war Ministerin Forstinger aktiv – und hat uns damals bereits gesagt, dass es durchaus möglich wäre, dass Österreich 20 Prozent Finanzierungsbeitrag für den Brenner-Basis­tunnel von der EU bekommen könnte. Ich war selbst in diesem Gremium anwesend, als das gesagt wurde. Seit damals ist aber nichts mehr weiter geschehen! Damals hätte man gleich dabei bleiben sollen. Heute ist man schon stolz, wenn man hört, dass 10 bis 20 Prozent vielleicht möglich sind. Auch daran merkt man deutlich, dass doch einiges versäumt wurde.

Wenn ich heute im „WirtschaftsBlatt“ lese, dass Herr Direktor Lindenberger meint, dass Zweckbindungen für den Tunnelbau durchaus vernünftig wären – er hat auch Informa­tionen von der EU-Verkehrskommissarin de Palacio, die meint, dass auch eine Quer­finanzierung von der Straßenmaut hin zur Bahn möglich wäre; das ist etwas, das ich durchaus begrüßen würde – und eine moderate Anhebung des Road Pricing etwa in einem Bereich von fünf bis neun Cent pro Kilometer in Aussicht stellt, um die Finanzie­rung von österreichischer Seite auf die Beine zu stellen, dann liegen wir jetzt wieder genau dort, wo wir unseren Plan „Wege in die Zukunft“ angesetzt haben, nämlich bei den Road Pricing-Einnahmen. Dabei möchte ich gar nicht erwähnen, dass man diese Road Pricing-Einnahmen schon längst haben könnte, wenn sich bei der ÖVP nicht immer die Frächterlobby durchgesetzt hätte. Aber das ist nun einmal so! Auch damit müssen wir leben. Da sind sicherlich bis zu 40 Milliarden Schilling verloren gegangen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch Herr Kollege Mainoni hat heute hier sehr sach­lich referiert. Ich kann vieles davon unterstreichen, vor allem auch seinen Satz, dass die Fragen der Verkehrspolitik ja nicht nur die Nord-Süd-Routen, sondern auch die Ost-West-Routen betreffen. – Heute Vormittag haben wir mit Zweidrittelmehrheit die Zu­stimmung gegeben, dass zehn neue Staaten in die EU aufgenommen werden. Darüber bin ich sehr froh. Ich muss aber auch klar sagen – und ich betone das immer wieder –: Wenn wir nicht rechtzeitig Maßnahmen setzen, um diese rund 70 bis 80 Prozent an Güterverkehrzuwachs in der Ostregion auf die Schiene zu bringen, dann werden wir auf der Straße ersticken.

Herr Bundesminister, das wird eine der zentralen Aufgaben sein! Und ich kann es nicht oft genug sagen: Auch wir von der Opposition bieten diesbezüglich Zusammenarbeit an. Es geht mir nicht nur darum, in irgendeiner Form zu kritisieren, sondern es geht mir vor allem darum, dass wir entsprechende Lösungsansätze finden und dass wir ins­besondere auch die Bahnlinien – Sie haben das ja selbst auch erwähnt – in diesen neuen Ländern so forcieren, dass wir den Zuwachs an Güterverkehr, der kommen wird, entsprechend abfangen können.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Redezeit ist leider schon wieder zu Ende. Man könnte zu diesem Thema noch sehr viel sagen. Ich möchte jetzt aber nur noch sagen: Wir betreiben diesbezüglich keine grundsätzliche Oppositionspolitik, son­dern machen durchaus auch das Angebot, in heiklen Fragen miteinander zu arbeiten! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.06

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichten­berger. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


16.06

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute zweieinhalb bis drei Stunden Zeit, um in diesem Haus über die Pro­blematik des Transitvertrags konzentriert zu diskutieren. Wir befinden uns in einer Situation, die es wert ist, diskutiert zu werden.

Wir stehen auf europäischer Ebene derzeit letzten Endes vor einem Desaster. Wesent­liche Teile aus dem Transitvertrag wurden quasi schon herausgeschossen, und das, was bis zum jetzigen Verhandlungsstand noch übrig geblieben ist, ist bei weitem nicht ausreichend. Meine Damen und Herren! Wir sind weit davon entfernt, in die Transit­ströme auf der Straße überhaupt noch regulierend eingreifen zu können. Wir schreiben heute ein wesentliches Datum. Das sollten Sie sich alle vor Augen halten!

Etwas ist klar – der Tiroler Landtag hat immer darauf aufmerksam gemacht und macht nach wie vor darauf aufmerksam, und auch jeder Verkehrspolitiker und jede Verkehrs­politikerin, die den Transitvertrag in seiner Gesamtheit studiert haben, wissen das –: Ohne Obergrenze ist das gesamte Ökopunkte-Verwaltungssystem zahnlos, und zwar schlicht und einfach deswegen, weil es keine Maßnahmen mehr gibt, wenn die Zahl der Ökopunkte überschritten wird. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen!

Damit komme ich zur Diskussion auf europäischer Ebene. Meine Damen und Herren! Sie plädieren immer dafür, dass man zu einem Schulterschluss kommen und gemein­same Anträge stellen sollte. – Sie können sich gerne in Tirol erkundigen: Ich bin be­kannt dafür, dass das immer eines meiner Hauptanliegen war und dass ich immer versucht habe, bis zum Ende kompromissbereit zu sein, um die Sache selbst voran­zutreiben. Das ist meine Tradition, und auf dieser baue ich auf, vor allem in der Transit- und Verkehrsfrage. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Das, was in diesem gemeinsam abgeschickten Paket ent­halten ist, muss auch etwas wert sein. Wenn gar nichts mehr darin enthalten ist – wie etwa in bestimmten Anträgen, die im Europäischen Parlament zur Abstimmung gelangt sind –, dann ist das ja kein Vorantreiben der Sache mehr, sondern ein Nachgeben, bevor man überhaupt nachgeben muss. Das ist das Problem, vor dem wir in dieser gesamten Diskussion gestanden sind.

Herr Minister! Ich kenne die politischen Gegner, die Sie und die wir alle in dieser Sache haben. Ich kenne sie sehr gut. Ich habe mit ihnen diskutiert, und ich habe versucht, alles mir Mögliche zu tun, um sie zu überzeugen. Das müssen Sie mir bestätigen, denn das wissen Sie selbst aus Ihren Gesprächen. Aber irgendein kleiner Inhalt, der mehr ist als das, was im Lunardi-Bericht vorgeschlagen ist, muss schon noch enthalten sein.

Meine Damen und Herren! Sie haben heute einen Antrag vorgestellt, in dem steht, dass Sie für den Transitvertrag eine Nachfolgeregelung für das ganze Bundesgebiet haben wollen. Das ist eine vernünftige Geschichte. Ich meine auch, dass wir, bevor wir nicht etwas neues Gutes haben, vom Alten so wenig wie möglich hergeben dürfen. Der Antrag Rack war aber ganz klar auf den Alpenraum beschränkt. Das heißt, dass viele Bundesländer Österreichs schlicht hinausgefallen wären. Das war unter anderem ein


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Grund, warum die Grünen nicht mitgestimmt haben und nicht mitstimmen konnten. Soll ich Ihnen den Antragstext vorlesen? Ich habe ihn mit! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Gorbach.)

Herr Minister! Sie haben heute Ihre Sicht der Dinge betreffend die gestrige Aussage Lunardis im Ausschuss des Europäischen Parlaments vorgestellt. Sie haben gesagt, dass Sie persönlich nichts angeboten hätten, was einer Aufweichung der österreichi­schen Haltung entspricht. (Abg. Mag. Hakl spricht mit dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Gorbach.)

Darauf gibt es jetzt drei mögliche Antworten: Entweder jemand anderer hat etwas ohne Ihr Wissen angeboten, oder die APA-Meldung berichtet schlicht eine Unwahrheit, oder Minister Lunardi hat die Unwahrheit gesagt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Kann alles vor­kommen!) Wenn zum Beispiel Variante zwei oder drei richtig wären, dann müsste ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Frau Abgeordnete Hakl, sprechen Sie jetzt nicht mit dem Herrn Minister, denn er wird gerade von der Rednerin angesprochen!

 


Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (fortsetzend): Das war ja die Absicht. – Wenn zum Beispiel Variante zwei oder drei richtig wären, dann hätte man wohl zu dieser Sache sofort ein Dementi in Umlauf bringen müssen, um dem Gesprächspartner klar zu signalisieren: Der Bundesminister hat nichts gesagt, was einer Aufweichung der österreichischen Haltung entspricht. – Dies ist aber nicht geschehen! Herr Minister, ich weiß nicht, ob Sie etwas gesagt haben oder wer sonst etwas gesagt hat oder ob die Aussage Lunardis hier richtig wiedergegeben wurde! Aber wenn das so stimmt, meine Damen und Herren, dann ist das ein skandalöses Datum für die gesamte Transitpolitik!

Alle Entscheidungen bis nach den Landtagswahlen aufzuschieben und dann erst auf­zuweichen wäre nämlich ein unzumutbarer und nicht hinzunehmender Schritt in Anbe­tracht der heute schon deutlich und ausführlich geschilderten Belastungen, die aus dem Transitverkehr kommen und die unsere – und nicht nur unsere – Bevölkerung schwer treffen! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Der gesamte Alpenbogen ist hievon betroffen, und das ist ein Punkt, auf den ich noch einmal gesondert hinweisen will: Wir alle sind jetzt gefor­dert; ich weiß von einigen Kolleginnen und Kollegen, dass sie das auch so sehen. Wir müssen international im Alpenbogen eine Allianz schmieden, denn ich glaube, wir können uns nur gemeinsam gegenüber unseren jeweiligen Zentralregierungen durch­setzen und klarmachen, dass der Alpenbogen auf Grund meteorologischer, emissions­technischer und lärmtechnischer Besonderheiten nicht gleich zu behandeln ist wie das Flachland.

Meine Damen und Herren! Meine Kollegin Moser wird einen Antrag einbringen, der be­gleitende Maßnahmen enthält, die dazu notwendig sind, um erstens die österreichische Glaubwürdigkeit wiederherzustellen und zweitens eine konkrete Lösung noch lange vor der Wegekostenrichtlinie anzubieten. Kollegin Moser wird unseren gemeinsamen An­trag einbringen, der die Verhandlungsposition, die auch der Tiroler Landtag immer ein­stimmig vertreten hat, aufgreift und der weitere Maßnahmen für den innerstaatlichem Bereich, die für ganz Österreich notwendig und wichtig sind, noch einmal vorstellt und darstellt.

Es wird uns nämlich leider nicht helfen – und damit möchte ich zum Schluss kom-
men –, wenn wir nur auf die Wegekostenrichtlinie allein hoffen und warten. Mit dieser Maßnahme allein werden wir es nicht schaffen!

Meine Damen und Herren! Der erste Entwurf – und normalerweise ist der erste Entwurf der Kommission immer ein sehr ambitionierter – sieht lediglich einen möglichen Zu-


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schlag von 20 Prozent für sensible Zonen vor. Mit 20 Prozent Zuschlag können wir aber gegenüber der Schweiz nicht erreichen, dass der derzeitige Umwegverkehr, der jetzt der Schweiz ausweicht, weil Österreich der „billige Jakob“ in Europa ist, in die Schweiz zurückverlagert wird. Hier müssen die Grünen ihre warnende Stimme erheben und deutlich machen, dass wir für den Alpenraum mehr brauchen, denn sonst wird sich in diesem Bereich überhaupt nichts bewegen.

Herr Minister, Sie wissen selbst, dass der erste Vorschlag der Kommission immer sehr ambitioniert ist und im Rat dann „herunterverhandelt“ wird. Sie werden mit Ihren Amts­kollegen eine schwierige Aufgabe haben. Ich kenne einige, die von diesen Zuschlägen nicht sehr begeistert sind, obwohl es schon ein paar andiskutierte Kompromisse gege­ben hat.

Da Sie ganz entsetzt waren, dass ich diese Aussage Lunardis aufgegriffen habe, möchte ich Ihnen schon sagen: Den Überbringer der schlechten Botschaft zu be­schimpfen oder zu bestrafen löst das Problem nicht. Es ist die schlechte Botschaft selbst, welche die Schwierigkeit macht! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.15

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.15

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine ge­schätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Die Transitproblematik wurde von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern bereits ausführlich beleuchtet. Es ist dies sicherlich ein Thema – das wurde schon gesagt – das in diesem Hohen Haus genügend Platz finden soll und muss, weil es uns alle be­schäftigt. Dieses Thema muss jeden Österreicher und jede Österreicherin beschäfti­gen, denn davon hängen unser Lebensraum, unsere Umwelt und damit auch unsere Zukunft ab.

Neben Tirol und Salzburg, die hier als wirklich massiv betroffene Länder sehr oft ge­nannt werden, ist allerdings auch Kärnten vom Transitproblem stark betroffen. (Zwi­schenruf des Abg. Wattaul.) – Kollege Wattaul! Selbstverständlich sind auch Nieder­österreich, Wien und Oberösterreich davon betroffen. Das Transitproblem ist gesamt­österreichisch zu sehen. Ich glaube aber, dass Tirol, Salzburg, Kärnten und eben auch Vorarlberg auf Grund der Topographie besondere Probleme haben. Enge Täler und spezielle klimatische Bedingungen tragen zusätzlich dazu bei, dass die Auswirkungen von Schadstoffemissionen sowie Lärm in diesen Regionen zusätzlich und für die Be­völkerung negativ spürbar sind.

Ich bin aber froh, dass bereits die erste schwarz-blaue beziehungsweise damals noch blau-schwarze Regierung einen Generalverkehrsplan sozusagen auf die Reise ge­schickt hat, mit dem echte Weichenstellungen vorgenommen wurden und in dem wir uns dazu bekannt haben, dass sowohl auf der Straße als auch im Schienenverkehr Veränderungen vorzunehmen sind und massiv investiert werden muss, um einen Grundstein dafür zu legen, dass Österreich in diesem Bereich nicht ins Hintertreffen gerät.

Als Kärntner Abgeordneter denke ich jetzt vor allem an den Vollausbau des Gräbern-Tunnel im Packabschnitt, an die Ausbaustrecke zwischen dem Packsattel und Modriach beziehungsweise an die volle Anbindung von Villach oder auch an die zweite Katschberg- und Tauern-Tunnelröhre. Bei diesem Nadelöhr an dieser Scheitelstrecke besteht schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten dringender Bedarf, dass etwas geschieht. (Abg. Dr. Lichtenberger: Sollte man nicht lieber die Bahn ausbauen?)


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Hinsichtlich Schienenverkehr denke ich vor allem an den Ausbau der Koralmstrecke, die sicherlich gerade für den Raum im Osten sehr wichtig ist. Ich denke aber auch an den Ausbau der Tauernbahn. Dort kommt es zu einem zweigleisigen Ausbau, womit wiederum ein Nadelöhr geschlossen wird.

Meine geschätzten Damen und Herren! Damit setzen wir wiederum – und das ist wich­tig – ein Zeichen, dass wir natürlich auch die Schiene für wichtig erachten. Wir werden in Zukunft aber nur dann, wenn hier ein zweigleisiger Ausbau vorhanden ist, entspre­chende Möglichkeiten haben und Chancen nutzen können. Zusätzlich werden unzäh­lige Bahnhöfe erneuert.

Sehr viel Geld wird auch in Lärmschutzmaßnahmen investiert, sowohl im Straßen- als auch im Schienenausbau. Lärm quält die Anrainer ganz besonders, und daher liegt ihnen Lärmschutz besonders am Herzen. So wurde zum Beispiel im Liesertal vor mitt­lerweile über 20 Jahren eine Autobahn gebaut, die heute so nicht mehr gebaut werden würde. Daher sind wir es der Bevölkerung dieses Tales auch schuldig, dafür zu sorgen, dass mit guten Lärmschutzmaßnahmen und -einrichtungen das Leid, das ihr zugefügt wurde, zumindest erträglich wird.

Noch etwas ist in diesem Zusammenhang wichtig: Wir haben den Grundstein dafür gelegt, dass speziell durch entsprechende Ausschreibungsmodalitäten – ich habe das hier schon oft gesagt und wiederhole es sehr gerne noch einmal – auch Klein- und Mittelbetriebe in den Regionen endlich einmal die Chance bekommen, an einem sol­chen Großprojekt zu partizipieren. Die Zeiten sind nämlich vorbei, in welchen aus­schließlich große Unternehmungen oder Konzerne eine Brücke oder eine Straße bauen dürfen. Wir haben jetzt erreicht, dass wirklich auch regionale Betriebe und Bau­unternehmen mit 20, 30 oder 100 Mitarbeitern eine Chance haben, an solchen Projek­ten teilzunehmen. Damit stärken wir die Wirtschaft, den Standort unseres Landes und damit unsere Heimat! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Verkehrspolitik ist aber nicht nur im Großen eine wichtige Thematik, sondern Verkehrspolitik hat auch im Kleinen viel Bedeutung. Es sei mir erlaubt, auch hier noch einmal auf ein Thema einzugehen, das ich schon das eine oder andere Mal vorgebracht habe, weil ich glaube, dass es wichtig ist. Wir haben in Kärnten, im südlichsten Bundesland, das sehr oft aus verschiedensten – oft auch nur politisch motivierten – Gründen in aller Munde ist, auch verkehrstechnische Probleme. Deshalb möchte ich mich hier noch einmal dafür einsetzen, dass wir ganz klar gegen die Doppelmaut auftreten müssen. Ich möchte hier deponieren, dass Kärnten speziell als Urlaubsland und auch von der Wirtschaftlichkeit her gesehen das Problem hat, dass Doppelmaut gezahlt werden muss. Das ist sicherlich nicht einfach für Kärnten, und diesbezüglich sollte etwas geschehen.

Ich sehe es als ganz wichtig an, dass die Tauernschleuse erhalten bleibt. Ich meine, das ist ein Versprechen, das wir hier in diesem Hohen Haus für Kärnten, aber auch für Salzburg abgeben müssen. Die Tauernschleuse ist eine touristische Einrichtung, die wir dringend benötigen, eine Einrichtung, die Hunderte Pendler jeden Tag benützen. Außerdem erinnere ich an die schreckliche Katastrophe im Tauern-Tunnel. Hätten wir damals diese Schleuse, die schon oft totgesagt wurde, nicht gehabt, meine geschätz­ten Damen und Herren, dann hätten wir jedes Wochenende einen Verkehrskollaps erlebt, so aber konnte dieser durch die Ausweichrouten Tauernschleuse und Felber­tauern abgewendet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abschließend ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang – für alle anderen hoffe ich, dass es nur ein Kärntner Problem ist; für uns ist es aber nicht einfach –: Es wurden uns die Abendflüge gestrichen. Das heißt, wir haben am Abend keine Flugverbindung


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mehr von Wien nach Klagenfurt; das ist einerseits für uns Parlamentarier nicht ganz einfach, andererseits ist es sicher auch für viele Wirtschaftstreibende nicht einfach, die täglich oder sehr oft mit dem Flugzeug nach Wien müssen, aber nach 20 Uhr keine Chance mehr haben, wieder zurückzukommen.

Das sind Bereiche, die vielleicht nicht die gesamteuropäische Transitproblematik über­lagern sollten, ich denke aber, dass man den Dringlichen Antrag und diesen Tag auch dafür nützen sollte, auf diese Probleme hinzuweisen, denn durch die Lösung solcher Probleme werden wir auch wieder ein Stück weiterkommen. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

16.21

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Keuschnigg. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


16.22

Abgeordneter Georg Keuschnigg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Frau Lichtenberger, ich verstehe Sie eigentlich nicht. – Und das, was ich jetzt sage, hat etwas mit Umgang und Diskussionskultur zu tun.

Herr Bundesminister Gorbach hat versucht, die Aussagen von Herrn Lunardi korrekt darzustellen. Er hat dargestellt, dass er gesagt habe, dass Lunardi im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen etwas für die Bevölkerung machen wolle, und dass nicht da­von gesprochen worden sei, dass man etwas auf die Zeit nach den Wahlen ver­schiebe.

Ich denke, da liegt es schon auch ein bisschen am Umgang miteinander und an der Diskussionskultur, denn warum halten Sie das, was Ihnen ein Bundesminister sagt, nicht für korrekt? Es ist ja durchaus möglich, dass es stimmt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger.)

Jetzt zur Sache. Die österreichische Transitpolitik besteht, von vielen Facetten abgese­hen, aus vier Hauptkomponenten. Erstens: die Frage der Übergangsregelungen für den Transitvertrag, die Frage der Nachfolgeregelung. Zweitens: der große Block der Wegekostenrichtlinie mit der Einrichtung sensibler Korridore und der Frage der Quer­finanzierung. Aus Tiroler Sicht ist drittens die Errichtung der Zubringerstrecke im Inntal und viertens des Brenner-Basistunnels besonders wichtig.

Ich meine, wir sollten bei dieser Debatte nicht aus den Augen verlieren, wo wir im Gesamtprozess in Summe stehen. Es gibt eine Reihe von Fakten, und diese besagen, dass wir nicht so erfolglos sind.

Eine der jüngsten Maßnahmen ist die Verordnung des LKW-Nachtfahrverbotes und sektoraler Fahrverbote auf der Inntal- und Brennerstrecke. Ich glaube, dass gerade diese Maßnahmen der gesamten europäischen Diskussion neuen Schwung verliehen haben und dass die europäische Verkehrs- und Transitdiskussion dadurch unter Druck gesetzt wird, weil damit bewusst gemacht wird, dass die Geduld begrenzt ist und dass Gesundheit und Umwelt nicht disponibel sind. Ich meine, dass die Entwicklung im Europäischen Parlament auch in dieser Hinsicht zu interpretieren ist.

Faktum ist, dass die Inntal-Eisenbahn, die Zubringerbahn zum Brenner-Basistunnel, durchgesetzt wurde und dass sie im Bau begriffen ist. Das ist eine sehr große Sache.

Wir stehen beim Brenner-Basistunnel vor dem Durchbruch im Hinblick auf die Pla­nungs- und Errichtungsgesellschaft. Es liegen schon sehr viele Vorarbeiten vor.

Faktum ist auch, dass die Europäische Union 20 Prozent dieser Maßnahme bezahlen wird und dass Österreich bei den Verhandlungen über die TEN-Projekte einen sehr


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großen Teil des Kuchens abschneiden konnte, dass es fünf von 19 großen Projekten unterbringen konnte. – Das alles zeigt, dass wir einen unumkehrbaren Prozess haben, dass wir sehr weit fortgeschritten sind.

Nun zur Frage Transitvertrag und Ökopunkte. Das, was diesbezüglich im Europaparla­ment abgelaufen ist, ist, so glaube ich, fast von historischer Bedeutung: dass zwischen der ersten und der zweiten Lesung zwischen 20 und 30 Stimmen – ganz genau kann man das nicht orten, aber diese Größenordnung stimmt – zugunsten Österreichs in Bewegung gekommen sind. Es ist das ein Prozess, der uns sagt, dass wir letztlich – wie soll ich sagen? – grünes Licht sehen könnten, dass ein Umschwung in unserem Sinne gegeben ist.

Es ist also kein Wunder, Frau Lichtenberger, wenn Sie hier versuchen, von den Fakten abzulenken.

Der gemeinsame Antrag im Europaparlament hatte vor allem die Einbindung der Euro-3-LKW zum Ziel. Und da 80 Prozent der LKW unter diese Kategorie fallen, ist das ja nicht nichts.

Es ist sehr bedauerlich, dass die Grünen da nicht mitgemacht haben – nicht, weil das in der Sache sofort den Erfolg gebracht hätte, sondern weil sie einfach die Richtung des Umdenkens in Europa zugunsten unserer Verkehrsproblematik verstärkt hätten.

Das soll uns aber nicht beirren. Unsere Aufgabe ist es, unbeirrbar weiterzuarbeiten, weiterzukämpfen. Jetzt kommt die sensible Phase in Hinblick auf das Vermittlungsver­fahren, das im Herbst stattfinden wird. Wir können da nur unbeirrbar weiterarbeiten und auf allen Ebenen das Lobbying fortsetzen. Ich glaube auch weiterhin an die Machbar­keit eines guten Ergebnisses.

Wir haben gestern über die Agrarpolitik gesprochen. Und auch in diesem Bereich haben wir feststellen können, dass eine zielstrebige, konsequente Arbeit auch auf europäischer Ebene Erfolge bringt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin davon überzeugt, dass auch die Europäische Union Kompromisse braucht. Sie braucht ein akzeptables Ergebnis für Österreich und mit Österreich. Die Europäische Union kann es sich von innen heraus nicht leisten, drüberzufahren und eine Lösung zu haben, die gegen ein ganzes Mitgliedsland wirkt.

Ich denke, wir haben die Chance auf ein akzeptables Ergebnis. Und ich möchte an Sie alle, insbesondere aber an die Opposition appellieren: Lassen Sie uns das Machbare miteinander machen, versuchen wir, Einigkeit in der Vorgangsweise herzustellen! Beim heutigen Antrag ist das nicht möglich gewesen. Aber in Hinblick auf die wesentlichen Schritte, die zu erfolgen haben, auf die prägende Phase dieses Einigungs- und Vermitt­lungsprozesses im Herbst wäre es unbedingt notwendig, dass wir gemeinsam und sehr präzise die österreichische Position vertreten. Lassen Sie uns das gemeinsam ver­suchen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.28

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reheis. Frei­willige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Wattaul – in Richtung des sich mit einem Laptop zum Rednerpult begebenden Abg. Reheis –: Jetzt nimmt er auch schon den Laptop mit! Vom Broukal abgeschaut! – Ruf bei der ÖVP: Nicht den Broukal imitieren!)

 


16.29

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ich imitiere nieman­den, wenn ich den Laptop mit an das Rednerpult bringe, sondern ich möchte Sie nur


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auf etwas aufmerksam machen, da wir über Transit diskutieren, und zwar auf die Homepage des Transitforums: Schauen Sie hinein unter „www.transitforum.at“!

Dort gibt es ein Zitat von einem Bauern – 57 Jahre alt, Rudolf Siller –, das ich hier brin­gen darf. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ich sage ja, die Bauern sind wichtig!) Er sagt etwas, was sehr treffend ist, nämlich:

„Michael Gaismayr wurde erstochen, Andreas Hofer erschossen – und wir sollen ver­giftet werden!“

Man muss sich die Entwicklung auf den Transitrouten anschauen – sie wurde heute schon vom Kollegen Mainoni beeindruckend dargestellt –, die Zahlen dessen, was auf uns zukommt, wenn sich der Verkehr ungeregelt so weiterentwickelt! (Abg. Ross­mann: Wer hat die Ökopunkte verhandelt?)

Ich darf Ihnen noch eine Prognose zur Kenntnis bringen, eine Prognose für die Jahre 1999 bis 2015, wonach mit folgenden Zuwächsen beim Straßengüterverkehr in und durch Österreich zu rechnen ist: im Binnenverkehr um 31 Prozent, bilateral gesamt um 126 Prozent, bilateral Österreich-Ost plus 312 Prozent, bilateral Ost-West plus 190 Prozent, Transit West-West plus 72 Prozent, Transit Ost-West plus 220 Prozent und Transit insgesamt plus 89 Prozent. Da habe ich jetzt den Brenner mit den Zu­wachsraten gar nicht mitgerechnet, weil ich hier nicht nur über den Brenner sprechen möchte, sondern über ganz Österreich, da die Transitproblematik ganz Österreich betrifft und nicht nur die Brenner-Route. Wir müssen natürlich auch für ganz Österreich tätig werden.

Es wurde heute auch die Wegekostenrichtlinie angesprochen. Herr Minister! Ich habe hier eine Analyse des VCÖ, sie ist gestern veröffentlicht worden, die besagt, dass der Entwurf der EU-Wegekostenrichtlinie weiterhin eine Zunahme des LKW-Verkehrs brin­gen würde. Die Kritik lautet, dass die Umwelt und die Interessen der LKW-geplagten Menschen in diesem Entwurf nicht berücksichtigt wurden. Vor allem wünscht sich der VCÖ, dass die Regierung und Österreichs Abgeordnete gemeinsam für Verbesserun­gen eintreten.

Wir wollen auch gemeinsam für Verbesserungen eintreten, aber dazu braucht es natür­lich gemeinsame Besprechungen und auch Entschließungsanträge, die im Vorfeld schon gemeinsam formuliert und diskutiert werden und nicht irgendwelche Unwahrhei­ten enthalten, wie zum Beispiel Fortsetzung der „intensiven Bemühungen“ um konse­quente Arbeit in der Verkehrspolitik. Das war nämlich in der Vergangenheit nicht der Fall.

In Wirklichkeit ist der heutige Dringliche Antrag eine Bankrotterklärung der Bundes­regierung und einer Regierungspartei, lieber Kollege, die seit dem Jahr 2000 die Ver­kehrsminister stellt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Haben Sie jetzt extra wegen dem Zitat den Laptop mitgenommen? Das hätte man auch herunterschreiben können!)

Ich erinnere: Bundesminister Schmid, Bundesministerin Forstinger, Bundesminister Reichhold – das sind drei Minister, die schon eine Zeit lang zum Einarbeiten gebraucht haben, bis sie sich überhaupt mit dem Thema beschäftigen konnten.

Bundesminister Reichhold hat hier ein schweres Erbe angetreten, aber ich denke, dass Bundesminister Reichhold bisher die Transitanliegen Österreichs am glaubwürdigsten vertreten hat. (Ruf: Gorbach!) Ich möchte Ihnen, Herr Minister, wirklich von meiner Seite die Unterstützung mitgeben. Sie sind der Minister, der bisher dieses Anliegen auch so erkannt hat. (Rufe: Minister Gorbach! – Weitere Zwischenrufe.)

Ich möchte noch etwas zu Italien sagen, weil das Thema Italien ebenfalls mit diskutiert wurde. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka.) – Nein, Herr Kollege


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Kukacka, ich glaube, der Herr Bundesminister hat es schon schwer genug damit, Sie als Staatssekretär an seiner Seite zu haben, da Sie der Vertreter der Transitlobby sind. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Ein gutes Team! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ich glaube, in Tirol sind auch bald Landtagswahlen!)

Nun doch noch etwas zu Italien und Lunardi: Lunardi hat Folgendes gesagt – ich zitiere ihn –: Italien wird bei den Ökopunkten nicht nachgeben. Italienische Unternehmen kön­nen weitere Benachteiligungen nicht mehr akzeptieren. Im Gegenteil: Wir erwarten uns eine Kompensation für die Benachteiligungen, die wir bis heute hinnehmen mussten. – Zitatende.

Welche Kompensation bekommt Österreich, meine Damen und Herren? – Keinen Transitvertrag mehr, freie Fahrt für alle LKW, Lärm und gesundheitliche Schäden für die Menschen.

Aber auch der italienische EU-Kommissionspräsident Romano Prodi hat noch im April in einem „profil“-Interview gesagt, dass es derzeit keine Hoffnung auf eine zeitgerechte Sonderregelung für das österreichische Transitproblem gibt.

Ich frage mich: Welche Sonderregelung, meine Damen und Herren? – Wir wollen keine Sonderregelungen, wir wollen den Schutz unserer Bevölkerung, wir wollen nicht das LKW-Durchhaus Europas sein, wir wollen Alternativen wie zum Beispiel den Brenner-Basistunnel, wir wollen die Güter von der Straße auf die Schiene verlagern, und wir wollen Lebensqualität und gesundes Leben vor dem Transit.

Das ist unser Anliegen, und ich hoffe, dass wir uns in Zukunft konsequenter und inten­siver um dieses Anliegen bemühen – und da ist die Bundesregierung gefordert. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Was zeigen wir jetzt mit dem Laptop?)

16.34

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Wunschgemäße Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


16.35

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Frau Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ja, Einigkeit, ja, Schweiz – nur: Warum haben wir keine Einigkeit in der Nachvollziehung und Übertragung der Schweizer Verkehrspolitik auf Österreich? Das ist für mich die zentrale Frage. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Wenn Ihre Worte als entideologisierte Verkehrspolitik wirklich ernst ge­nommen und nicht nur auf die Waagschale gelegt werden, dann müsste der heutige Dringliche Antrag eine ganz andere Ausrichtung haben: eine ganz gezielte, auf öster­reichische Maßnahmen abgestimmte, in Kombination mit regionalen und EU-Maßnah­men gekoppelte Konzeptentwicklung, die die Schweizer Verhältnisse, Schweizer Maß­nahmen und Schweizer Instrumente auf die österreichische Situation überträgt. Und genau das darf ich Ihnen auch bieten.

Wir haben einen Entschließungsantrag, wir diskutieren auch gerne über diesen Ent­schließungsantrag, wir haben Punkte, die genau das für Österreich bieten könnten, was in der Schweiz bereits zum Erfolg geführt hat. (Abg. Wattaul: Zu Lasten Öster­reichs!) Wir hätten damit eine sehr breite gemeinsame Basis, wir hätten eine sehr gute Konzeptentwicklung, die auf Einigkeit hinauslaufen könnte – wenn Sie wollen. Für eine Einigkeit kommt es nicht nur auf uns an, das ist eine Frage des Niveaus, des Inhalts, der konzeptionellen Umsetzung und natürlich eine Frage dessen, wie wir das dann gemeinsam politisch im Vorfeld ausverhandeln. – Das ist für mich der wesentliche An­satzpunkt.


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Nun zum Detail, weil wir ja die Vorschläge im Hinblick auf das Konsensuale konstruktiv miteinander diskutieren sollten.

Unser Entschließungsantrag, der ja an Sie verteilt wurde, umfasst: sektorale Fahrver­bote, Tempolimits, eine Streichung der Begünstigung für LKW, eine raschest mögliche Ökologisierung der LKW-Maut, eine beschleunigte Realisierung bundesweiter dichter Netze von Kontrollstellen. – Das ist sehr wichtig, Herr Kollege Wattaul, danke für das bejahende Nicken.

Dieser Antrag umfasst genauso die Verankerung, dass Sozialbetrug bei den Groß­frächtern geahndet wird. Er umfasst auch Mittel der TEN-Finanzierung und EU-weite Förderungsinstrumente für ökologische Verkehrsträger. Er beinhaltet weiters eine Klimaumweltprüfung für den Generalverkehrsplan als wesentlichen Punkt und richtet sich dahin gehend, dass die Sicherstellung der Kompatibilität in der Alpenkonvention bei Straßenprojekten gewährleistet ist. Bundesfinanzierung über Umwege soll beim Finanzausgleich für transitfördernde Straßenbauprojekte gestrichen werden. – Das ist eine ganze Liste von Detailmaßnahmen, die wirksam sind. Es sind nicht so wie bei Ihnen nur zwei Zeilen, von wegen, dass wir auf EU-Ebene für eine effiziente Wegekos­tenrichtlinie eintreten sollen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist ja auch nicht schlecht!)

Schlecht ist es nicht, aber das Problem ist, Herr Kollege Scheuch – Sie haben es ja auch selbst, glaube ich, erkannt –: Die EU-Wegekostenrichtlinie liegt in einem ersten Entwurf vor, sie beinhaltet nicht Umweltkosten und Gesundheitskosten. Diese kann man nicht geltend machen – das ist ein großes Problem. Man kann sozusagen nur im selben Bereich quersubventionieren, aber man kann nicht in andere Bereiche quersub­ventionieren.

Wenn man den VCÖ mit seiner Kritik heranzieht, zeigt sich noch ein Problem: Die Be­mautung des gesamten Straßennetzes ist nicht möglich. Somit werden wahrscheinlich nach wie vor die Ausweichambitionen der LKW-Fahrer nach der EU-Rahmenrichtlinie Platz greifen. Noch dazu müssen Sie bedenken: Die EU-Richtlinie ist eine Rahmen­richtlinie. Nationale Umsetzungen sind erforderlich – und unsere Erfahrungen mit natio­nalen Umsetzungen sind beileibe nicht die besten.

Herr Bundesminister! Wenn es also wirklich darum geht, entideologisierte Verkehrspoli­tik zu machen im Sinne dessen, was Sie gesagt haben, nämlich dass Sie sich an der Schweiz orientieren wollen, dann muss man diesen Dringlichen Antrag in unsere Rich­tung umformulieren, aufwerten, anreichern und verkehrspolitisch zuspitzen.

Das wäre dann eine Verkehrspolitik, auf die Sie, glaube ich, stolz sein könnten, wenn Sie auf Anregungen der Grünen zurückgreifen; genauso wie der Herr Staatssekretär, der schon öfter den VÖC als wegweisende verkehrspolitische Forschungsinstitution hervorgehoben hat. (Abg. Wattaul: Was hat er gesagt? Das war ein Fehler, wenn er das gesagt hat!)

Herr Präsident! Ist damit der Entschließungsantrag auf Grund meiner Erläuterungen von Ihnen als eingebracht zur Kenntnis genommen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Das kann ich Ihnen leider nicht bestätigen. Sie müssen entweder bei mir beantragen, dass er wegen seines Umfangs verteilt wird – das ist nicht geschehen, aber das wäre ich gerne bereit zu tun. Und wenn es geschehen ist, dann müssen Sie ihn in den Grundzügen erläutern.

 


Sie können ihn jetzt also entweder verlesen, oder es kann jemand kommen und sagen: Bitte verteilen!, oder ich verteile ihn von Amts wegen, und dann erläutern Sie ihn noch einmal in den Kernpunkten, wenn die anderen Abgeordneten das mitverfolgen können.


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Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Das gibt mir Gelegenheit, das Ganze zu wiederholen, und damit hat es einen Sickereffekt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist wie in der Schule: Wenn man es zweimal hört, bleibt es vielleicht!) – Genau, ganz rich­tig, Herr Kollege Scheuch, nicht Herr Scheuch.

Herr Präsident! Ich beantrage hiemit, dass der Antrag verteilt und damit jedem Abge­ordneten zugänglich gemacht wird.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Diesem Antrag wird stattgegeben.

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Herr Präsident! Ich will in groben Zügen noch einmal das wiederholen, was ich bereits ausgeführt habe, nämlich dass unser Entschließungsantrag wesentliche Punkte beinhaltet im Hinblick auf LKW-Fahrverbote, im Hinblick auf keine Begünstigungen für LKW, im Hinblick auf die Öko­logisierung des Mautsystems, im Hinblick auf Maßnahmen gegen Frächter und viele andere Punkte. Ich verweise auf das Protokoll, das auch schon schriftlich vorliegt. – So viel dazu, um den Bogen zu schließen und damit den rechtlichen Gegebenheiten voll Rechnung zu tragen.

Die wesentlichen Aspekte, die Sie jetzt in Ihrem Entschließungsantrag Wittauer, Gahr nachgereicht haben, dass man nämlich auf Bundesregierungsebene unterstützen soll, was auf den regionalen Ebenen passieren soll, das ist ja bitte lächerlich. Mit Ihrem Dringlichen Antrag delegieren Sie auf der einen Seite die Verantwortung betreffend Wegekostenrichtlinie nach Brüssel, auf der anderen Seite delegieren Sie mit Ihrem Entschließungsantrag die Verantwortung auf die Länderebene. Ja, wo bleibt denn die Verantwortung des Nationalrates? – Diese ist gegeben und wird wahrgenommen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen.

Deswegen noch einmal mein Plädoyer: Machen Sie diesmal wirklich Ernst mit der Einigkeit, der Gemeinsamkeit auf einer seriösen Basis – das ist der grüne Antrag –, und setzen Sie das um, was sich in der Schweiz bewährt hat, nämlich eine fahrleis­tungsabhängige Abgabe für LKW, für Schwerverkehre, und zwar auf allen Straßen! – Danke schön.

16.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Dr. Moser eingebrachte Ent­schließungsantrag der Abgeordneten Dr. Lichtenberger, Freundinnen und Freunde wird verteilt, ist in den Grundzügen erläutert, ist hinreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lichtenberger, Freundinnen und Freunde betreffend ein Paket wirk­samer innerstaatlicher Maßnahmen gegen die Transitlawine, eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag der Abg. Mainoni, Gahr etc. betreffend euro­päische Regelung der Transitproblematik (9.7.2003)

Die Verhandlungen über eine Ökopunkte-Übergangsregelung nach 2003 auf europäi­scher Ebene haben unter Federführung der schwarz-blauen Bundesregierungen einen höchst unerfreulichen Verlauf genommen. Sofern eine Regelung zeitgerecht bzw. über­haupt noch zustande kommt, wird diese in jedem Fall wenig bis gar nichts zu einer Begrenzung des LKW-Transitverkehrs und seiner Folgen beitragen. Sowohl die Umset­zung der im Gemeinsamen Standpunkt ausgedrückten Position des Rates als auch die Umsetzung der Mehrheitsmeinung im Europaparlament als auch jeder Kompromiss


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zwischen diesen Positionen würde im Gegenteil beträchtliche Zunahmen im LKW-Transitverkehr und damit Mehrbelastungen für Mensch und Umwelt zulassen.

Die Bundesregierung lässt dennoch weiterhin kein glaubwürdiges Engagement für den Schutz der Bevölkerung und der Umwelt vor dem Transit erkennen. Im Gegenteil: Österreich hat gegenüber der gegenwärtigen italienischen Ratspräsidentschaft eine weitere Aufweichung der österreichischen Verhandlungsposition nach den Landtags­wahlen in Tirol und Oberösterreich angekündigt, wie der Ratsvorsitzende und Ver­kehrsminister Lunardi dieser Tage öffentlich bestätigte. Damit fällt die Bundesregierung den Interessen der Bevölkerung offen in den Rücken, die angeblichen Anti-Transit-Akti­vitäten von FPÖ und ÖVP sind damit schlüssig als Scheinpolitik entlarvt.

Eine bloße „konsequente Fortsetzung“ dieser Linie durch die Bundesregierung würde gegen die Interessen und Schutznotwendigkeiten der transitgeplagten Bevölkerung und der Umwelt in ganz Österreich verstoßen.

Statt Selbstbeweihräucherung und inhaltsleeren Scheinanträgen sind ÖVP und FPÖ daher dringend ausgefordert, im Interesse von Bevölkerung und Umwelt endlich die Umsetzung ihrer Wahlversprechen in der Transitfrage ernsthaft in Angriff zu nehmen:

„Der LKW-Transit muss nachhaltig verringert werden.“ (ÖVP-Wahlprogramm, Sei­te 72).

„Eine Lösung (...) muß jedenfalls eine nachhaltige Reduktion der Schadstoffemissionen im Straßenverkehr in und durch Österreich sicherstellen, die den Schutz der Bevölke­rung und der Umwelt garantiert.“ (FPÖ-Wahlprogramm, Seite 97).

Weder die von der ÖVP versprochene nachhaltige Verringerung des Transits noch die von der FPÖ versprochene nachhaltige Schadstoffreduktion ist derzeit auch nur an­nähernd erreicht oder in Reichweite. Anstelle einer Fortsetzung der bisherigen, offen­kundig für die transitgeplagte Bevölkerung und die Umwelt nicht zielführenden Ver­handlungslinie und -taktik der Bundesregierung ist eine Neuorientierung und Intensi­vierung der Anti-Transit-Politik mit dem Schwerpunkt auf innerstaatlichen Anti-Transit-Maßnahmen unumgänglich.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Schutz der Bevölkerung und der Umwelt vor der LKW-Transit-Lawine tatsächlich sicherzustellen und zu diesem Zweck dringend ein wirksames Maßnahmenpaket in nichtdiskriminierender Weise umzusetzen, das jedenfalls folgende innerstaatliche Maßnahmen zu umfassen hat:

Zeitliche und sektorale LKW-Fahrverbote auf Grundlage der StVO

Tempolimits und Überholverbote zur Erhöhung der Verkehrssicherheit

verbesserte Umsetzung des Immissionsschutzgesetzes-Luft insbesondere durch Ver­dichtung des Messstellennetzes in verkehrsbelasteten Regionen und weitere Be­schleunigung der Abläufe im Fall von Grenzwertüberschreitungen

keine Begünstigung des LKW gegenüber der Schiene durch Steuersenkungen und Steuernachlässe oder Querfinanzierung im Versicherungsbereich

raschest mögliche Ökologisierung der LKW-Maut ohne Verbilligung für so genannte „saubere Lkws“ mit ihren weiterhin enormen Schadstoff- und Lärmemissionen


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beschleunigte Realisierung eines bundesweiten dichten Netzes ausreichend dimensio­nierter und mit dem nötigen Personal versehener LKW-Kontrollstellen in Zusammen­arbeit mit den Ländern

Verankerung von Sozialbetrug, wie er beispielsweise von Großfrächtern mit Schwarz­beschäftigung und mit der gezielten Umgehung von Abgaben- und Beitragspflichten betrieben wird, als strafrechtliches Delikt mit empfindlichen Strafdrohungen

Mittel der TEN-Finanzierung und weiterer EU-Förderinstrumentarien nur für die ökolo­gischeren Verkehrsträger Bahn und Wasserstraße

Klima- und Umweltprüfung für den Generalverkehrsplan, tatsächliche Bevorrangung von Schienenprojekten insbesondere in Richtung der Beitrittsstaaten bei gleichzeitigem Zurückstellen von Transitstraßenprojekten wie Nordautobahn A5, Mühlviertelautobahn S10 oder Fürstenfelder Schnellstraße S7

Sicherstellen der Kompatibilität mit der Alpenkonvention bei Straßenprojekten im Alpenraum, speziell im Hinblick auf fragwürdige Transitstraßenprojekte wie S18, Letze­tunnel, Fernpassausbau oder „Alemagna-light“-"Touristenstraßen"-Pläne in Osttirol

keine Bundesfinanzierung über Umwege, etwa über den Finanzausgleich, für transit­fördernde Straßenbauprojekte im Landesstraßennetz

Die Bundesregierung wird weiters aufgefordert, in allen transitrelevanten Verhandlun­gen auf europäischer Ebene folgende zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt unentbehrliche Schritte zu setzen:

Einsetzung einer/eines Sonderbeauftragten für die nachhaltige Lösung der Transit­frage.

Bei den Verhandlungen über die künftige Wegekosten-Richtlinie Sicherstellen von

Einrechenbarkeit der Umwelt- und Gesundheitskosten des LKW-Verkehrs,

Zulässigkeit der Verwendung von LKW-Mauteinnahmen für Behebung und Vermeidung von Umwelt- und Gesundheitsschäden und nicht nur für die Infrastruktur,

Zulässigkeit der Bemautung des gesamten Straßennetzes wie in der Schweiz, jeden­falls aber der Ausweichstrecken,

Mindestmauthöhen, die den Konkurrenznachteil der Bahn beseitigen,

den Mehrbelastungen entsprechenden Mautaufschlägen in sensiblen Zonen wie den Alpen.

Im Rahmen einer allfälligen Ökopunkte-Übergangsregelung muss die Zahl der Öko­punkte pro Transitfahrt am realen Schadstoffausstoß im Fahrbetrieb statt wie bisher an Laborprüfwerten bemessen werden. Bei den weiteren Verhandlungen ist mit Nach­druck auf flächendeckende Geltung, Erfassung möglichst aller LKW, adäquate Kürzung der jährlichen Ökopunktezahl und insgesamt mengenmäßig begrenzende Wirkung zu beharren. Schließlich ist das Inkrafttreten einer wirksamen und belastungssenkenden Wegekostenrichtlinie noch nicht absehbar.

Zahl und Umfang der Ausnahmen von einer künftigen Ökopunkte-Übergangsregelung sind zu minimieren.

Die Frage des ökopunktefreien Transits mittels CEMT-Genehmigungen ist zügig und transitreduzierend zu lösen.

*****

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Wattaul. Seine Redezeit ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.42

Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Herren auf der Regierungsbank! Frau Lichtenberger hat gesagt, Frau Moser wird mit dem Antrag der Grünen unsere Glaubwürdigkeit wieder herstellen. – Das bezweifle ich, obwohl ich ihn noch nicht gelesen habe. Vielleicht zwei Punkte darin sind richtig, aber würden wir alle Punkte erfüllen, die Sie in diesem Antrag stehen haben, würde wahrscheinlich die Wirt­schaft in Österreich still stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei den Grünen.)

Die Transitproblematik ist natürlich eine österreichweite Problematik. Ich warne davor, dass wir die Bundesländer gegeneinander ausspielen. Wir haben in Wien, in Nieder­österreich genauso die Transitproblematik wie in Tirol oder in Kärnten. Ich glaube, es ist falsch, dass man die Bundesländer gegeneinander ausspielt, dass man die Ver­kehrsträger gegeneinander ausspielt. Ich sage immer, wir brauchen die Bahn, wir brauchen die Straße, wir brauchen die Wasserstraße. – Was sagt Frau Lichtenberger? Frau Lichtenberger sagt: Herr Wattaul ist ein Transport-Lobbyist, ein LKW-Lobbyist. Das hat ja System! (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger.) – Ja, ich weiß das schon, Sie haben das jetzt bewiesen.

Damit komme ich gleich zum Verhalten der Grünen in der EU. Sie wissen ganz genau, was Ihre Kollegen in der EU angestellt haben. Wir hätten nämlich die Möglichkeit ge­habt, wirklich eine Verbesserung herbeizuführen. Es ist ja heute schon gesagt worden: 81 Prozent sind Euro-3-LKW. Einen Euro-4-LKW gibt es noch gar nicht. Das heißt, der Rest sind Euro-2-LKW. Wäre also dieser Antrag durchgegangen, hätten wir 100 Pro­zent noch im ... (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist ja nicht wahr!)

Natürlich ist das wahr, und das wissen Sie auch! Aber ich sage Ihnen, was der Hinter­grund ist: Frau Lichtenberger, Sie leben die letzten fünf Jahre politisch nur von diesem Schmäh, vom Transitschmäh auf dem Rücken der Tiroler Bevölkerung! Das ist die Wahrheit, Frau Lichtenberger! (Abg. Mandak: Das ist eine Unterstellung! – Abg. Re­heis: Was soll denn da ein Transitschmäh sein?) Sie machen hier Wahlkampf. Ihnen ist die Bevölkerung in Tirol Wurscht, Sie wollen sich nur profilieren, das ist das Einzige, und zwar auf Kosten der Bevölkerung in Tirol und in Österreich. (Abg. Reheis: Ist das ein Schmäh, wenn die Bevölkerung belastet ist?)

Das merkt man ja auch beim Nachtfahrverbot. Wie oft haben Sie denn schon das Nachtfahrverbot beantragt, obwohl Sie ganz genau wissen, dass diese Regelung ver­fassungswidrig wäre? Sie wissen das, Sie wissen das ganz genau! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber es ist ja schade um meine Redezeit. Ich muss noch zum Herrn Kollegen Eder etwas sagen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Sind die Forderungen des Tiroler Landtages erfüllt?) – Frau Lichtenberger, unterhalten wir uns nachher, lassen Sie mich das erzählen! Ich habe auch nur eine kurze Redezeit zur Verfügung.

Kollege Eder hat gesagt, wir hätten schon 1999 das offene Mautsystem einführen sollen. Jetzt beweise ich Ihnen, warum es vollkommen richtig war, dass wir das nicht gemacht haben. Wir haben heute alle gehört, wir werden eine neue Wegekostenricht­linie bekommen, wo es dann so ist, dass man in sensiblen Zonen höhere Preise ver­langen darf. Bitte, erklären Sie mir einmal, wie Sie das mit dem offenen Mautsystem, das die Herren Sozialdemokraten damals eingeführt hätten, hätten bewerkstelligen können! Das war der Erfolg vom Herrn Michael Schmid. Das ist die Wahrheit!


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Jetzt komme ich zu den Ausführungen des Herrn Verzetnitsch. Er hat heute von So­zialdumping im Transit gesprochen. Da hat Frau Forstinger etwas sehr Gutes gemacht. Es gibt seit 1. März europaweit eine Fahrerlizenz. Das heißt, dass jeder LKW-Fahrer nachweisen muss, dass er in einem Arbeitsverhältnis steht. Das ist die Wahrheit. Und da sieht man wieder einmal, es wird nur mies gesprochen, es wird nur Lobbying ge­macht, aber die wahre Transitproblematik ist natürlich viel komplizierter. Und da wäre es angebracht zusammenzuarbeiten, anstatt einen Minister zu verunglimpfen, aber ich glaube, dass die Grünen das gar nicht wollen. Sie wollen nur mies machen, sie wollen für sich politisches Kapital auf Kosten der Bevölkerung in Österreich herausschlagen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger.)

16.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


16.47

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr enttäuscht heute. Es ist uns mit dem Dringlichen Antrag der FPÖ heute gelungen, das so wichtige Thema Tran­sit noch einmal zu debattieren. Nach den Gesprächen im Verkehrsausschuss konnte man eigentlich schon damit rechnen, dass es konstruktive Gespräche auch über einen gemeinsamen Entschließungsantrag geben würde, der auch die Verhandlungsposition unseres Verkehrsministers und aller unserer Verhandler in Brüssel stärken würde.

Wir haben also einen jedenfalls möglichen Minimalkonsens in diesen Dringlichkeitsan­trag aufgenommen und angekündigt, wir würden in weitere Gespräche einsteigen. Es hat dann geheißen, es würden uns Entwürfe übermittelt – wir haben auch etwas ge­schrieben, wir wollten uns zusammensetzen, auch wenn nicht viel Zeit war. Ich glaube, wir arbeiten alle sehr gut, wir kennen uns alle sehr gut aus, es wäre eine Einigung möglich gewesen. – Und mittendrin kommen dann Presseaussendungen, die wirklich unnotwendig sind, die den Dringlichen Antrag als Ganzen verdammen, in denen dem Verkehrsminister Dinge unterstellt werden, die er nicht gesagt hat. All das ist wirklich unnotwendig.

Frau Lichtenberger, es tut mir wirklich Leid, aber ich muss Ihnen sagen, das Chaos, das die Grünen in den letzten zehn Tagen, was die Transitdebatte betrifft, angerichtet haben, ist meiner Auffassung nach schon eher groß. Begonnen hat es damit, dass wir nicht einmal im Europäischen Parlament eine geschlossene Position aller Österreicher zu einer zentralen Frage zustande gebracht haben. Das ist auch etwas, was bemerkt wird, so nach dem Motto: Sind sich nicht einmal die alle einig, wird es schon nicht so gut sein! – Das geht nicht, Frau Lichtenberger! Die Grünen haben auch keinen Alterna­tiv-Antrag eingebracht. Deswegen verstehe ich nicht, wie Sie als Tirolerin das auch noch verteidigen konnten. – Das zum einen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Es geht um den Inhalt!)

Der Inhalt war gut. Und wenn man, wie Sie sagen, noch etwas Besseres möchte, dann muss man das auch einbringen! Wenn das nicht gemacht wird, dann muss man eben die zweitbeste Lösung nehmen, wenn es Österreich nützt. Das ist meine Devise.

Damit war aber das Chaos noch nicht beendet, denn es ist gleichzeitig der oberöster­reichische Klubobmann und Verkehrssprecher der Grünen hergegangen und hat ver­nünftigerweise die von unserem Landeshauptmann van Staa in Tirol verhängten maß­vollen, daher, wie ich glaube, auch gerechtfertigten sektoralen Fahrverbote von LKW für jene Güter, die nicht zeitkritisch sind, gelobt.


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Die Diskussion geht ja in der EU darum: Ist es das gelindeste Mittel, das man anwen­den kann, um ein Ziel zu erreichen? Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses Mittel ein wesentlich gelinderes ist, als zum Beispiel nur schadstoffreiche LKW von der Straße zu verbannen, weil wir den Warenverkehr weniger einschränken, wenn wir jene Güter, die ohne Probleme auch mit der Bahn transportiert werden könnten, mit diesem sektoralen Fahrverbot belegen.

Ich glaube, dass das die maßvollere Vorgangsweise ist, als undifferenziert den Trans­port zeitkritischer Güter, die leider nach wie vor auch noch mit alten „Stinker-LKW“ transportiert werden, generell zu verbieten. Das würde wohl auch unseren europäi­schen Nachbarn noch größere Probleme bereiten. Ich denke, das wird auch unsere Linie innerhalb der EU sein.

Der oberösterreichische Verkehrssprecher und Klubobmann der Grünen lobt also diese Vorgangsweise und bezeichnet die Tiroler Maßnahmen als vorbildlich in der Transit­politik. Und am gleichen Tag zur gleichen Uhrzeit, zu der diese Pressekonferenz statt­fand, nämlich gestern, beantragten Sie, Frau Kollegin Lichtenberger, ein generelles Nachtfahrverbot, das natürlich all diesen Ansprüchen einer gelinden, nicht diskrimi­nierenden Maßnahme nicht gerecht wird, weil eben in Österreich die Probleme nicht überall gleich groß sind. Wir müssen überall in Österreich die ökosensiblen Sektoren, Korridore, Gebiete berücksichtigen, aber diese umfassen trotzdem nicht ganz Öster­reich so undifferenziert. Das wäre also eine absolut EU-widrige Maßnahme.

Das alles spielt sich zeitgleich bei Ihnen ab, da geht alles durcheinander, und letztlich glaube ich, dass, wenn es so weitergeht, all diese Worte von wegen: Wir wollen Ver­antwortung mittragen und eine einigende Position herbeiführen!, Lippenbekenntnisse sind. Deswegen appelliere ich an Sie, wenn Sie, was ich nicht hoffe, nicht einmal heute diesem Kompromiss, den wir ohnehin weit gefasst haben, zustimmen können – ich appelliere an Sie, es zu tun –, dass wir wenigstens im Herbst eine einheitliche Lösung finden: für den Ausbau der Bahninfrastruktur und für die Querfinanzierung durch höhere Mauten in ökosensiblen Korridoren, und zwar überall in Europa, wo ökosen­sible Korridore sind, nicht nur in Österreich.

Ich sage das auch als Tirolerin, es gibt auch woanders Menschen, die durch diese Be­lastungen benachteiligt sind. Und wir wollen darüber hinaus durch die neue Wegekos­tenrichtlinie den Verkehr ökologisch verträglicher und vertretbarer machen. Ich glaube, das ist eine Haltung, der sich eigentlich alle anschließen könnten und endlich auch sollten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter DDr. Nieder­wieser. Wunschgemäße Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Witt­auer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Niederwieser –: Aber die Wahrheit sagen, gell?!)

 


16.53

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Bundesminister Gorbach hat ja auch ein wenig in der Geschichte geblättert, in der Geschichte der Transitbemühungen. Das gibt Anlass, auch einen Blick zurückzuwerfen.

Wenn heute so sehr der Konsens beschworen wird, den wir suchen sollten, dann möchte ich erwähnen, zur Geschichte gehört – das Road Pricing wurde erwähnt – auch ein Minister Farnleitner dazu, der damals als Wirtschaftsminister dafür zuständig gewesen ist und sich nach Kräften bemüht hat, das Road Pricing ein Jahr um das an-


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dere hinauszuschieben. (Abg. Mag. Regler: Nein!) – Mit Sicherheit, ich kenne das gut genug!

Oder: Es gehört ein Landeshauptmann Weingartner dazu, der angedroht hat, dass er, wenn diese Einrichtungen für die Bemautung errichtet werden sollten, das unter Zu­hilfenahme des Baurechts in Tirol stoppen wird, weil es nicht angehe, dass das Road Pricing für LKW eingeführt wird. Auch das ist ein Teil der Geschichte.

Oder: Da wurde uns ein „freiheitliches Urgestein“ vorgestellt und auf höchster Ebene in die Politik eingeführt: Monika Forstinger, die sich dann eher als Eintagsfliege erwiesen hat. (Abg. Wittauer: Nein, das stimmt aber wirklich nicht! Den ganzen Verkehrsplan hat sie erstellt! Ihr habt sie ja nur angegriffen!) Herr Minister, Sie müssen auch für das, was vor Ihnen war, irgendwie die Verantwortung mit übernehmen, obwohl Sie nur be­dingt etwas dafür können, wiewohl Sie immer in Spitzenpositionen in der Freiheitlichen Partei waren. (Abg. Wittauer: Forstinger hat mehr erreicht in dieser kurzen Zeit als die Sozialdemokraten in 30 Jahren!) Vor Ihnen, das waren drei Minister und zwei verlorene Jahre in der Transitpolitik, über die wir leider auch reden müssen. Und deshalb stehen wir heute dort, wo wir stehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Nein, das stimmt nicht, das ist unwahr!)

Wir haben uns gedacht, okay, suchen wir heute den Konsens. Und was wäre besser dafür geeignet als jener Antrag im Tiroler Landtag (Abg. Dr. Lichtenberger: Der ist fast 1,5 Jahre alt! – Zwischenruf der Abg. Mag. Hakl), der die Zustimmung aller Fraktionen gefunden hat und, Kollegin Hakl, der erst am 3. Juli 2003 – das ist noch nicht so lange her! – dort einstimmig bestätigt wurde? Das ist nicht so, wie Sie sagen, dass das ewig her wäre! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr Landeshauptmann ist gestern hier oben auf der Galerie gesessen. Glauben Sie wirklich, dass der mit diesem Wischiwaschi-Antrag, den Sie uns heute hier vorlegen, einverstanden gewesen wäre? (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Wir bringen daher einen Entschließungsantrag ein, der diese Punkte enthält – das sind sehr konkrete Punkte in der Transitpolitik und das ist nicht eine allgemeine Willenserklärung, die uns nicht weiterbringt –, nämlich den Entschließungsantrag der Abgeordneten Eder, Reheis, DDr. Niederwieser, Mag. Wurm, Binder und Fleckl betref­fend ein engagiertes einheitliches Vorgehen Österreichs in der Transitfrage. (Abg. Mag. Hakl: Er ist trotzdem auf dem Verhandlungsstand von vor 1,5 Jahren!)

Er enthält, wie gesagt, immer noch die höchst aktuellen Punkte, um die es in der Tran­sitfrage geht: ein Übergangsmodell bis zum In-Kraft-Treten der neuen Wegekosten­richtlinie. (Abg. Mag. Hakl: Ein bisschen etwas Neues brauchen wir ...!) –Was ist da alt dran, Kollegin Hakl? Gibt es dieses Übergangsmodell vielleicht schon? Gibt es das denn schon, dass Sie sagen können, das ist alt? Natürlich gibt es das nicht!

Weiters sieht der Antrag das Festhalten an der Mengenbeschränkung vor, ein ganz entscheidender Punkt, die Nachhaltigkeit der Reduktion der Belastungen – Kollege Mainoni hat das ja gesagt; ich frage mich, warum Sie sich so dagegen sträuben –, die Möglichkeit der Querfinanzierung für den Bahnausbau und nicht zuletzt die Unterstüt­zung des Bundesgesetzgebers und der Bundesregierung bei jenen Maßnahmen, die jetzt gesetzt wurden, um über Umweltstandards und über Schadstoffbegrenzungen den Transit in den Griff zu bekommen. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.)

Stimmen Sie diesem Antrag zu! Er enthält alle Maßnahmen, die wir brauchen. All jene, die von Konsens reden und heute den Willen des Tiroler Landtages, das heißt, diesen Antrag, nicht unterstützen, all jene haben den Anspruch verwirkt, sich künftig noch als


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Schützer der österreichischen und der Tiroler Bevölkerung hinzustellen. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ.)

16.57

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Niederwieser einge­brachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Eder, Reheis, DDr. Niederwieser und KollegInnen betreffend ein engagiertes einheitliches Vorgehen Österreichs in der Tran­sitfrage wurde verteilt, wurde in den Kernpunkten erläutert und steht damit in Verhand­lung. Er ist auch hinreichend unterstützt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eder, Reheis, DDr. Niederwieser, Mag. Gisela Wurm, Gabriele Bin­der, Anita Fleckl und KollegInnen betreffend ein engagiertes einheitliches Vorgehen Österreichs in der Transitfrage

Im Wissen, dass die Lösung der Transitproblematik und anstehende Entscheidungen vor dem Hintergrund bestehender überlasteter europäischer Verkehrskorridore und der prognostizierten überdurchschnittlichen Wachstumsraten auf dem Korridor München-Verona eine besondere Herausforderung für die Europäische Gemeinschaft darstellen und in Anbetracht der Feststellung im Weißbuch „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010; Weichenstellung für die Zukunft „, dass die Lebensqualität der Bewohner Tirols bzw. Südtirols durch den kontinuierlichen und zunehmenden LKW-Verkehr gefährdet ist, ist eine dauerhafte und umweltgerechte Verkehrspolitik als „europäische Lösung“ nur unter Einbindung und Berücksichtigung der Interessen der betroffenen Bevölke­rung und Regionen zu erreichen, hat der Tiroler Landtag bereits am 20. März 2002 nachstehende Entschließung gefasst, die durch Beschlüsse vom 4. Juli 2002, 4. Okto­ber 2002, 7. November 2002 und zuletzt am 3. Juli 2003 bekräftigt wurde und welche der Nationalrat, um die nationale Geschlossenheit über Parteigrenzen hinweg in Öster­reich klar zu stellen, textgleich beschließt.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, sich entsprechend den Beschlüssen des Tiroler Landtages für ein Übergangsmodell für den Transitverkehr bis zum Inkrafttreten der neuen Wegekostenrichtlinie, jedenfalls durch eine Verlängerung des Ökopunktregimes einzutreten. In diesem Übergangsmodell sind insbesondere zu regeln:

Beibehaltung der Fahrtenobergrenze (108%-Klausel);

Fortgesetzte jährliche Reduktion der Ökopunkte nach 2003 auch unter den im Entwurf vorgesehenen 40%-Wert nach Maßgabe des technischen Fortschrittes;

Einbeziehung der Transitfahrten aus mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten;

Neuregelung der CEMT-Bewilligungen;

Unterwerfung der Mülltransporte unter den ökopunktepflichtigen Verkehr und damit Entfall bestehender Sonderregelungen.

2. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, sich entsprechend den Beschlüssen des Tiroler Landtages für eine Nachfolgeregelung ein-


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zusetzen, die die Zielsetzung des Protokolls 9 Art. 11 (4) des Beitrittsvertrages und zwar eine dauerhafte und umweltgerechte Reduktion der NOx-Gesamtemissionen der Transit-LKWs durch Österreich um 60% umsetzt. Die nachhaltige Reduktion der Be­lastungen aus dem Transitverkehr soll unter anderem durch die Verlagerung auf die Schiene (Unterinntaltrasse und Brennerbasistunnel) erfolgen.

3. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, sich entsprechend den Beschlüssen des Tiroler Landtages dafür einzusetzen, dass auch für eine dauerhafte Nachfolgeregelung ein Instrumentarium vorgesehen sein müsse, das eine absolute Begrenzung der Transitfahrtenzahl in Abhängigkeit der Umweltbelastung (im Sinne und auf Grundlage der 108%-Klausel) vorsieht.

4. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, sich entsprechend den Beschlüssen des Tiroler Landtages für die Verankerung und Umset­zung des Instruments der Querfinanzierung und für die Errichtung einer alternativen Schieneninfrastruktur in Korridoren in sensiblen Gebieten – anknüpfend an die Alpen­konvention – einzusetzen. Dazu ist es notwendig, dass die Bundesregierung gegen­über der Europäischen Kommission sensible Gebiete vorschlägt und konkrete Finan­zierungsmodelle – auch unter Berücksichtigung einer angedachten gemischt-öffent­lichen Finanzierung solcher Projekte – ausarbeitet.

5. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, ent­sprechend den Beschlüssen des Tiroler Landtages sich für ein System von Verkehrs­beschränkungen einzusetzen, das die Immissions- und Lärmsituation entlang der Tran­sitrouten verbessert. Auf Grundlage des laufenden und umfangreichen Ermittlungsver­fahrens über die Umweltsituation im Unterinntal und Wipptal (Brennerkorridor) ist auf Grundlage des Immissionsschutzgesetzes-Luft ein Maßnahmenplan zu verordnen, der zeitliche und räumliche Beschränkungen des Transitverkehrs vorzusehen hat (Nacht­fahrverbot für LKW, sektorale Fahrverbote, Geschwindigkeitsbeschränkungen, ver­schärfte Kontrollen). Für diesen Maßnahmenplan erwarten sich der Tiroler Landtag und die Tiroler Landesregierung die Unterstützung der Bundesregierung.

6. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, ent­sprechend den Beschlüssen des Tiroler Landtages in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Gespräche zu führen, dabei die Tiroler Positionen zu vertreten und dem Tiroler Landtag Informationen über die Aktivitäten und Fortschritte in der Überzeugungsarbeit zu übermitteln. In diesen Prozess sind die österreichische Bun­desregierung und die österreichischen Mitglieder des Europäischen Parlaments einzu­binden.

7. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert sich entsprechend den Beschlüssen des Tiroler Landtages für eine rasche Einführung des „Road-Pricing“ als wesentlichen Schritt zu mehr Kostenwahrheit einzusetzen.

*****

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig zu Wort. Sie wünscht eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte, Frau Abge­ordnete.

 


16.58

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich habe gerade versucht, mich ein bisschen an die Jahre 1994/95 zurückzuerinnern. Ich war seinerzeit noch in einer Umweltschutzorgani­sation tätig. Wir haben uns sehr intensiv mit der Transitlösung für Österreich auseinan-


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der gesetzt. Ich denke, es ist an der Zeit, dass man sich nicht gegenseitig anklagt, son­dern die österreichische Bevölkerung hat jetzt endlich einmal ein Recht darauf, dass es in diesem Bereich Erfolge und auch Lösungen gibt, Herr Bundesminister. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wittauer: Wir arbeiten daran! – Abg. Scheibner: Dann müssen Sie ihn unterstützen, auch im Europaparlament!)

Ich glaube, die Bevölkerung will nicht unbedingt einen Schulterschluss per se, sondern die Bevölkerung will endlich Ruhe vom Transit und nicht nur vom Transit, sondern ins­gesamt von der Verkehrsbelastung. Ich glaube, da ist der Schulterschluss eher zweit­rangig.

Die Freiheitliche Partei hat bislang vier Verkehrsminister gestellt, hatte wahrlich sehr viel Gelegenheit, hier maßgeblich die Politik sowohl in Österreich als auch auf der europäischen Ebene zu gestalten. Unter dem Strich ist das Zeugnis für diese Arbeit nicht sehr gut, muss ich Ihnen sagen, Herr Minister. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sind Sie Lehrerin oder Juristin?)

Wenn ich Vertrauen hätte, dass die Dinge, die da vielleicht hinter verschlossenen Türen bereits ausgemacht sind, tatsächlich nicht stimmen – aber wir sind in dieser Hinsicht gebrannte Kinder. Es ist sehr oft passiert, dass in Brüssel bereits Dinge in irgendeiner Form in Aussicht gestellt worden sind und in Österreich dann vor Wahlen oder vor entscheidenden Sitzungen oder vor der Bevölkerung noch ein anderer Ein­druck erweckt worden ist. Ich bitte Sie dringlich, Herr Minister Gorbach, diese Ge­schichte mit dem italienischen Verkehrsminister aufzuklären. Wir haben keinen Anlass zu glauben, dass er in der Öffentlichkeit gelogen hat.

Das Zweite: Ich vergleiche diese Transitproblematik oft mit der Atomproblematik, nur haben wir bei der Transitproblematik in Österreich viel mehr Möglichkeiten.

Bei der Anti-Atompolitik haben wir das gemacht, was wir machen können, indem wir ein eigenes Kraftwerk gar nicht erst in Betrieb genommen haben, aber bei der Transit­problematik hätten wir viel mehr innerstaatlichen Handlungsspielraum, um erstens unsere Glaubwürdigkeit in Brüssel zu verstärken und um zweitens auch tatsächlich eine Entlastung zu erreichen. Ich verstehe es bis zum heutigen Tage nicht, warum es nicht möglich ist, in Österreich ein generelles Nachtfahrverbot einzuführen. Das leuch­tet mir nicht ein.

Frau Kollegin Hakl! Die Verkehrsbelastung und Österreich hören nicht bei Kufstein auf, und ich weiß nicht, ob die Leute, die an der Triester Straße oder an der Südosttan­gente leben, nicht genau denselben Schutzanspruch vor Transit und Verkehrsbelas­tung haben wie jene in Tirol. (Beifall bei den Grünen.)

Weiters verstehe ich nicht: Verkehr ist ja eine ökonomische Frage, und warum gelingt es nicht, tatsächlich an der Kostenschraube zu drehen? Warum ist Österreich beim Durchfahren im Diskonttarif zu haben? Warum sind wir der billigste Alpenübergang? – Ich verstehe das einfach nicht. Wie kann man hier Details beklagen, wenn die Dinge doch so einfach wären! Wieso setzen wir keine Preissignale? Die Vorarlberger sind sonst immer so begeistert, wenn sie auf die Schweizer Seite schauen. Machen wir es doch so wie die Schweizer! Warum nützen wir nicht das aus, was wir auf Grund des innerstaatlichem Handlungsspielraums tatsächlich haben? Warum ist die LKW-Maut, das Road-Pricing so niedrig? Warum sind wir zum Diskonttarif der billigste Alpen­bogenübergang?

Herr Minister! Es sind einige Fragen offen geblieben, die eigentlich den Kern betreffen. Mich interessieren die Details nicht mehr. Warum machen wir nicht in Österreich das, was wir können? Und wir können sehr viel mehr machen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Warum interessieren Sie die Kärntner Probleme nicht?)


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In Kärnten ist es genauso schlimm. In Kärnten ist die Belastung bereits mehrfach höher als im Wipptal und auf der Brenner Autobahn. Aber es ist nicht alles nur Transit. In diesem Zusammenhang muss man auch einmal sagen, dass sehr viel von unserer Verkehrsbelastung hausgemacht ist. Wir sind im OECD-Vergleich hinter Griechenland. Wir sind das Land mit dem zweithöchsten Verkehrswachstum. Das muss man sich vor­stellen! Wir sind nach Luxemburg das Land mit der höchsten Autobahnkilometeranzahl pro Einwohner! Das ist schon auch ein Problem, das wir die letzten 30 Jahre lang auf­gebaut haben. Wer dieses Gesetz „Wer Straßen baut, erntet Verkehr“ nicht verstanden hat und immer noch von den Straßen in den Osten anstatt von der Schiene in den Osten redet (Abg. Scheibner: Das hat aber nichts mit dem Straßenbau zu tun, son­dern mit der Raumplanung!) und das nicht als zentrales Zukunftsprojekt begriffen hat, der hat nicht verstanden, dass wir jetzt im 21. Jahrhundert sind, wo Fortschritt nicht Kraftwerksbau und Straßenbau heißt, sondern moderne Verkehrsinfrastruktur. (Präsi­dent Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt so viele Dinge, die man in diesem Bereich mit ein bisschen Mut anpacken kann. (Abg. Wittauer: Man muss auch einmal konkret Politik andenken und umsetzen!) Man muss das auch vor dem Hintergrund sehen, dass man nicht immer nur in diesem Bereich auf die österreichische Wirtschaft schauen kann, weil man damit mittelfristig in eine Sackgasse läuft. Wenn man in Tirol keine gewerbliche Anlage mehr genehmigen kann, weil die Luftschadstoffe schon so hoch sind, dann sind wir auch betriebswirt­schaftlich und volkswirtschaftlich in einer Sackgasse, und ich denke, das wird auch das Frächtergewerbe irgendwann einmal verstehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.03

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster hat sich Herr Staatssekretär Mag. Kukacka zu Wort gemeldet. Die Redezeit im Rahmen einer Dringlichen Anfrage beträgt bekannt­lich maximal 10 Minuten. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


17.03

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Staatssekre­tärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin nicht Ihrer Meinung, Frau Kolle­gin Glawischnig, dass die Österreicher in der Transitfrage keinen nationalen Schulter­schluss möchten. Ich glaube sehr wohl, dass sie ihn wollen, weil sie überhaupt für mehr Gemeinsamkeit in der Politik eintreten und weil sie gerade in dieser für Öster­reich so wichtigen Frage eine Gemeinsamkeit haben wollen. Außerdem ist auch ein nationaler Schulterschluss Voraussetzung für eine Lösung und für die Akzeptanz unse­rer Position in ganz Europa, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb war es natürlich nicht hilfreich für uns, dass die Fraktion der Grünen dem österreichischen Antrag im Europaparlament nicht zugestimmt hat, denn möglicher­weise hätten wir mit den Stimmen aller Grünen die relative Mehrheit im Europäischen Parlament erreicht (Abg. Dr. Lichtenberger: Das wäre ein Rückschritt gewesen, Herr Kollege!), und das wäre gerade für unsere Position im Vermittlungsausschuss mit dem Europäischen Parlament und mit dem Ministerrat wichtig und bedeutsam gewesen. Deshalb bedauere ich es, dass wir in dieser wichtigen Frage keinen nationalen Schul­terschluss erreichen konnten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch durchaus würdigen, was der Verkehrssprecher der sozialdemokra­tischen Fraktion gesagt hat: Er hat betont, dass er sehr wohl der Meinung ist, dass wir in wichtigen verkehrspolitischen Fragen mehr Gemeinsamkeit demonstrieren sollten. Jawohl, das meine ich auch. In diesem Zusammenhang möchte ich auch Herrn Kolle­gen Niederwieser daran erinnern, dass auch die sozialdemokratische Fraktion eine Mit­verantwortung für diesen Transitvertrag hat, meine Damen und Herren!


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Ich habe hier in diesem Hohen Haus viele Transitdebatten verfolgt, und ich habe oft­mals miterlebt, wie die Sozialdemokraten diesen Transitvertrag gefeiert haben, weil er unter Vranitzky und unter Verkehrsminister Klima zu Stande gekommen ist. Und oft genug haben Sie hier gesagt, wie gut, wie wichtig und wie notwendig er für Österreich sei, meine Damen und Herren – mit all den Mängeln und Defiziten, die Sie nun kritisie­ren.

Ich meine, Sie sollten fair sein in dieser Frage, Ihre Mitverantwortung einbekennen und auch zu dem stehen, was Sie selbst hauptverantwortlich ausverhandelt haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb meine ich, wir sollten versuchen, in diesem letzten halben Jahr gemeinsam vorzugehen. Sie alle wissen, wir stehen relativ alleine da, und wir sind deshalb auch auf Kompromisse angewiesen. Wir befinden uns in einem einsamen Kampf, und des­halb ist nationale Geschlossenheit um so notwendiger, meine Damen und Herren!

Ich halte es auch nicht für zielführend, Frau Kollegin Dr. Moser, wenn Sie sagen: War­um machen wir nicht einfach die Schweizer Verkehrspolitik? – Meine Damen und Herren, das ist geradezu eine Irreführung der Österreicher! Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir keine verkehrspolitischen Maßnahmen treffen können wie in der Schweiz, weil wir eben in die Europäische Union eingebettet sind, weil die Verkehrs­freiheit zu den Primärrechten der Europäischen Union gehört (Abg. Dr. Gabriela Moser: Ihr eigener Minister ist für die Schweiz!) und weil wir deshalb nur gemeinsam vorgehen können – nach den gemeinsamen Richtlinien, die in Europa entwickelt werden und die für alle Staaten gelten, also auch für Österreich. Ich ersuche, das zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir etwas erreichen wollen und wenn wir diese Verkehrspolitik verändern wollen – es gibt viele gute Gründe dafür, gerade wegen unserer österreichischen Posi­tion –, dann müssen wir diese gemeinsamen Anliegen wieder gemeinsam in der Euro­päischen Union vertreten, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Lichtenberger: Dann müssen sie auch inhaltlich richtig sein!)

Deshalb, meine ich, sollten Sie zumindest im letzten halben Jahr alles tun, damit der Kompromiss, von dem wir glauben, dass er durchgesetzt werden soll, nämlich dass die Euro-3-LKW in das Ökopunkte-Regime kommen sollen und dass das ganze Bundes­gebiet von diesem Regime erfasst werden soll, überall akzeptiert wird. Deshalb möchte ich Sie auch wirklich dringlich ersuchen: Versuchen Sie auch Ihre Parteifreunde in den Regierungen der anderen Länder davon zu überzeugen, pilgern Sie zu Herrn Außen­minister Fischer in der Bundesrepublik und ersuchen Sie ihn, dass unsere Position entsprechend unterstützt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Anerkennen wir auch gerade im Sinne jener Verkehrspolitik, die wir in Österreich immer propagiert haben, dass die kommende Wegekostenrichtlinie, die jetzt einmal in einem vorläufigen Entwurf, so möchte ich das nennen, vorliegt, ein wichtiger Schritt nach vorne ist, ein Meilenstein, so möchte ich sagen, ist, der vielen unserer Forderun­gen entspricht, die aber noch verbessert und intensiviert werden könnten. Darin ist die Querfinanzierung festgeschrieben, darin ist definiert, dass es sensible Regionen geben soll, die unterschiedlich behandelt werden sollen. Darin wird auch Rücksicht genom­men darauf, dass selbst in bevölkerungsdichten Gebieten entsprechende Sondermaß­nahmen gesetzt werden können. Darin wird differenziert nach Schadstoffklassen bei den LKWs, und es wird auch darauf aufmerksam gemacht, dass selbstverständlich Verkehrsdichte und Unfallhäufigkeit auch eine Rolle spielen sollen bei dieser neuen Wegekostenrichtlinie.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, das ist ein richtiger und ein guter Ansatz. Hier ist uns Europa in unseren Forderungen großteils gefolgt, und wir sollten alles tun, da-


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mit wir das nicht nur durchbringen, sondern auch noch präzisieren und noch stärker auf unsere Verhältnisse anwenden können.

Frau Kollegin Lichtenberger, Sie haben gesagt, wir seien bezüglich der Maut der „billige Jakob“ in Europa. – Das stimmt einfach nicht! Wir gehören zu den Hochpreis­ländern, was die Maut in Europa betrifft. Wir haben unseren Spielraum im Rahmen der Wegekostenrichtlinie praktisch ausgereizt. Wir müssen sogar Acht geben, dass wir deswegen nicht vor den EuGH zitiert werden. Meine Damen und Herren! Deutschland hat eine deutlich niedrigere Maut als wir. Frankreich hat nur 11 Cent vorgesehen, also die Hälfte von uns. Italien liegt bei 8,6 Cent pro Kilometer. Wir sind eigentlich das Hochpreisland. Bitte sagen Sie nicht, wir seien der „billige Jakob“, weil das einfach nicht stimmt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir tätigen auch massive Investitionen, um die Situation zu verbessern, insbesondere was den Ausbau der ökologisch wichtigen Verkehrsträger betrifft. Wir haben uns jetzt durchgesetzt. Der Herr Minister hat bereits darauf hingewiesen, dass wichtige Bahn­projekte von der Van-Miert-Gruppe unter die prioritären Projekte gereiht wurden. Wir haben die Brenner-Eisenbahn-Achse durchgesetzt. Wir haben den Ausbau der gesam­ten Westbahn zwischen Salzburg und Wien durchgesetzt. Wir haben den Ausbau der Bahn von Wien nach Budapest und nach Bratislava durchgesetzt. Wir haben den Ausbau der Donau zwischen Wien und Bratislava durchgesetzt. Und es ist mir ein ganz besonderes Anliegen, dass insbesondere in Zukunft die Wasserstrasse Donau den zunehmenden Ost-West-Transit in verstärktem Ausmaß aufnimmt.

Ich hoffe sehr, Frau Kollegin Lichtenberger, dass die Grünen, wenn es darum geht, diese Wasserstrasse auch östlich von Wien auszubauen, damit wir eine ganzjährige Fahrwassertiefe haben, nicht wieder entsprechenden Widerstand leisten, sondern er­kennen, dass das ein ökologisch bedeutsamer Weg ist, dass wir versuchen, Ferngüter­transporte auf die Wasserstrasse zu bringen, und dass wir dafür auch die notwendigen technischen Voraussetzungen schaffen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Sie sehen also, es gibt umfangreiche Projekte. Wir ziehen das konsequent durch. Diese Regierung, mit dem Herrn Bundesminister an der Spitze, mit der Frau Außenministerin, mit dem Bundeskanzler, ist die ganze Zeit unterwegs, um in der Ökopunkte-Frage eine Lösung zu erzielen. Wenn etwas Zielführendes zur Lösung dieser wichtigen nationalen Frage getan wird, dann kann ich sagen, dass es von dieser Regierung angefangen und, wie ich glaube, auch zu einem guten Ende ge­bracht werden wird. (Beifall bei der ÖVP.)

17.14

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet in der Debatte hat sich Herr Bundes­minister Gorbach. Da seine vorige Wortmeldung in Form der Beantwortung erfolgt ist, hat er 10 Minuten zur Verfügung. – Bitte, Herr Minister.

 


17.14

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Hubert Gorbach: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Kollege Staatssekretär Kukacka! Meine Damen und Herren! Ein paar Bemerkungen, die in der Debatte gefallen sind, möchte ich nicht unbeantwortet lassen. Ich möchte aber zuerst dort weitermachen, wo der Herr Kollege Staatssekretär aufgehört hat.

Wir waren in der Regierung gemeinsam sehr bemüht, kooperierend und einander helfend das Bestmögliche für Österreich herauszuholen. Das war auch wichtig, um am 28. März in Brüssel den Beschluss zu erreichen, den dann die Kommission übernom­men hat. Ich weiß schon, man kann darüber diskutieren, ob der Silvesterkompromiss


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das Gelbe vom Ei ist oder nicht, aber wir alle wissen, dass uns die Zeitkeule droht, wir eben diesen Druck haben und jetzt das Beste aus der Situation machen müssen.

Herr Reheis, ich möchte Ihnen danken, dass Sie meine Bemühungen heute von der Rostra aus lobend erwähnt haben, und ich darf Ihnen sagen, dass es wirklich – ich habe es aufgelistet – ein intensives Bemühen gab, Lobbying zu betreiben. Es gab 26 Kontakte und Termine in Europa, die ich wahrgenommen habe, um eben diese Bewegung, von der wir gehört haben, in das Europäische Parlament zu bringen. Aber ich bin nicht der Meinung von Frau Dr. Moser, dass die letzten zweieinhalb Jahre ver­lorene Jahre in der Transitfrage waren, weil es diese personellen Wechsel gegeben hat. Wenn Sie sich die Mühe machen und nachschauen, wer welche Position vertreten hat, dann werden Sie feststellen, dass die Linie immer klar und gleich war. Es kommt eben in der EU auf die Position der österreichischen Linie an und wenn weniger darauf, wer sie vertritt, sondern es ist wichtig, dass die Regierung eine einheitliche Linie hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Liebe Frau Dr. Lichtenberger! Die Grünen Europas konterkarieren natürlich unsere Linie, und ich bin schon sehr verwundert – ich sage Ihnen das –, wenn ich mir das Ab­stimmungsergebnis, das Sie jetzt zu beschönigen versuchen, anschaue. Es gab 191 Ja-Stimmen und 231 Nein-Stimmen. Das heißt, 191 plus 32 grüne Stimmen hätten 223 Stimmen für die Anträge 18 und 19, eingebracht von Swoboda, Rack, ergeben. 199 Stimmen, wenn ich die 32 Stimmen abzähle, also weniger, wären gegen die Ab­änderungsanträge 18 und 19 gewesen. Natürlich wäre das eine Mehrheit zugunsten Österreichs gewesen, wiewohl es eine qualifizierte Mehrheit gebraucht hätte; ich weiß das schon. Wir hätten aber eine andere Verhandlungsposition gehabt. Das ist einfach so.

Kommen Sie jetzt nicht damit, dass das einheitliche Bundesgebiet der Grund dafür, warum man dagegen gestimmt hat, gewesen sei. Sie wissen ganz genau – ich mute es Ihnen jedenfalls zu, dass Sie das wissen –, dass Österreich EU-rechtlich bereits einge­räumt bekommen hat, dass das Gebiet der Alpenschutzkonvention auf jeden Fall als sensibles Gebiet gilt. Und das habe ich hier abgebildet. (Eine entsprechende Unter­lage vorweisend.) Ich stelle es Ihnen gerne zur Verfügung, dann werden Sie sehen, dass von dieser Übergangslösung ein ausreichendes Gebiet betroffen gewesen wäre. Nicht betroffen wären Wien, Teile Burgenlands, Teile Niederösterreichs und das nörd­liche Oberösterreich. Für die Transitbewegungen, für die Übergangslösung wäre das ein Kompromiss, der auf jeden Fall besser wäre als das, was jetzt weiter verhandelt wer­den muss.

Das heißt also, ich wäre als Verkehrs-, als Infrastrukturminister zweifelsohne gestärkt gewesen, hätte es im EU-Parlament bezüglich dieser Transitnachfolge-Frage einen Beschluss gegeben im Sinne des Abänderungsantrages Rack und Swoboda, einen Beschluss pro Österreich. Das hat aber Ihre Fraktion verhindert! (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Dr. Glawischnig, auf Ihre Frage: Warum ist die LKW-Maut, das Road-Pricing in Österreich so billig?, darf ich auch antworten. Die 22 Cent im Durchschnitt sind Ihnen vielleicht zu niedrig, aber sie sind für die Wirtschaft ein Brocken, an dem sie zu kauen hat. Wir brauchen diese 600 Millionen € pro Jahr an Einnahmen, um den Generalver­kehrsplan umzusetzen. Aber ich würde es auch angesichts der konjunkturellen Situa­tion im Moment nicht wagen, diesen durchschnittlichen Satz zu erhöhen. Sie wissen, dass die Diskussion in eine andere Richtung geht, weil gerade unsere Nachbarn in Deutschland – das Stichwort Wettbewerbsverzerrung vermeiden dürfte für Sie auch nicht fremd sein – den Satz auf unter 13 Cent pro Kilometer reduziert haben. Also ich glaube, wenn wir mittels begleitender Maßnahmen diese durchschnittlichen 22 Cent durchbringen, dann haben wir ein anständiges Road-Pricing und sollten nicht darüber


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diskutieren und zusätzlich Arbeitsplätze gefährden, indem wir diese Mauthöhe jetzt noch einmal nach oben schrauben, weil das wirklich in der jetzigen Situation für die Arbeitsplätze und für die heimische Wirtschaft gefährlich wäre. Das möchte ich daher nicht tun.

Schließlich darf ich darauf aufmerksam machen – Herr Kollege Kukacka hat es schon erwähnt –, dass es zu einfach und zu billig ist, zu sagen: Warum übernehmen wir nicht die Schweizer Situation hinsichtlich der LKW-Maut 1 : 1 in Österreich? – Weil die Schweiz nicht Mitglied der EU ist!

Wissen Sie übrigens, dass nach EU-Richtlinien und EU-Vorgaben eine Straße einen bestimmten Zustand haben muss, damit man sie überhaupt bemauten darf? – Dieses „Problem“ – unter Anführungszeichen – hat die Schweiz eben nicht, deshalb kann sie eine LKW-Maut auf das gesamte Straßennetz umlegen. Das heißt im Klartext: Wenn Sie das wollen, dann wollen Sie auch, dass wir niederrangige Straßen ausbauen. Wenn Sie das wirklich wollen, dann kommen Sie heraus und sagen Sie das, dann können wir weiterreden! (Abg. Dr. Glawischnig: Sie verwechseln Maut mit Road-Pricing!) Aber daran sieht man schon, wie Sie sich eigentlich in einem Redebeitrag selbst widersprechen. Das ist keine zukunftsorientierte, klare Verkehrspolitik, mit der man in Europa auch Erfolg haben kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vielleicht noch eine Bemerkung zum sektoralen Nachtfahrverbot in Tirol: Vor wenigen Minuten ist die Meldung gekommen, dass die EU-Kommission verlangt, dass dieses sektorale Nachtfahrverbot zurückgenommen wird – und zwar binnen zehn Tagen –, ansonsten wird sich die EU an den EuGH wenden und Österreich klagen. Das ist der Punkt, darum gingen die Diskussionen: Ich habe mich in der EU in allen Gremien zwar nicht Liebkind gemacht, habe aber sehr vehement die Tiroler Position vertreten, indem ich auch die Informationsnote der österreichischen Delegation im Rat der EU zum sektoralen Nachtfahrverbot in Tirol, in der ich darauf aufmerksam gemacht habe, dass das, was dort passiert, alles dem EG-Vertrag Artikel 174 Absatz 1 entspricht, aufge­listet habe. Ich habe erklärt, auf welcher rechtlichen Grundlage die Tiroler diese Maß­nahme setzen – nämlich als „Selbstschutz-Maßnahme“, wie ich es bezeichnet habe –, und ich habe auch gesagt, dass wir diese Maßnahme als Republik Österreich sehr unterstützen, wenn die Tiroler ihre in dieser Frage überforderte Bevölkerung schützen. (Demonstrativer Beifall des Abg. Reheis.)

Meine Damen und Herren! Ich meine, wir werden auch weiterhin wachsam sein müssen und trotzdem Gespräche mit der EU in Richtung einer vernünftigen Wegekos­tenrichtlinie führen. Ich halte es mit jenen, die sagen: Bevor man überhaupt anfängt, über die Wegekostenrichtlinie zu diskutieren, sollte man sie nicht schon verteufeln, denn sie hat sehr positive Ansätze für die Zukunft. Es gibt Kriterien wie die zurückge­legte Distanz, die Umgebung, die Art der Infrastruktur, die zulässige Fahrgeschwindig­keit, die Charakteristika des Fahrzeuges – Stichwort „Euro-Klasse“ –, das Ausmaß der Schädigung der Straße, die Tageszeit und das Ausmaß der Luftverschmutzung. All das sind wichtige Parameter für die Festlegung der Mauthöhe. Das ist ein guter Ansatz, auf dem aufbauend man wirklich diskutieren kann.

Tun wir das doch gemeinsam und verteufeln wir nicht jetzt schon diesen Entwurf der Wegekostenrichtlinie! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.23

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 



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17.23

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident. Herr Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren Staatssekretäre! Herr Bundesminister, herzlichen Dank für die ausführliche Stellungnahme nicht nur zu unserem Dringlichen Antrag, sondern auch zu Ihrer Verkehrspolitik. Ich möchte Ihnen hier wirklich, so glaube ich, in unser aller Namen – denn auch die Opposition oder zumindest die Sozialdemokratie bewertet Ihre Arbeit sehr positiv – zu der Vehemenz und Konsequenz gratulieren, die Sie im In­teresse Österreichs und seiner Bevölkerung bei der Durchsetzung unserer Anliegen im Transitverkehr an den Tag gelegt haben.

Ich meine, diese Konsequenz wird auch für die Zukunft notwendig sein. Es wird wichtig sein, weiter durchzuhalten, denn wir sehen – und das haben wir heute auch am Vormit­tag bei der EU-Debatte festgehalten –, dass in der Europäischen Union nach wie vor das Bewusstsein vorherrscht, dass man nicht unbedingt auf die Interessen einzelner Länder und der Bevölkerung in den einzelnen Ländern Rücksicht nehmen muss. Das Bewusstsein, Rücksicht zu nehmen, ist noch zu wenig ausgebildet – leider auch im Europäischen Parlament, das eigentlich die Volksvertretung für die gesamte Euro­päische Union sein sollte.

Meine Damen und Herren von den Grünen! Folgendes kann ich Ihnen nicht ersparen: Sie kritisieren unseren Minister, obwohl er gute Arbeit leistet. Wir würden uns wün­schen, dass Sie ihn wirklich auch vollinhaltlich überall dort unterstützen, wo Sie das tun könnten. Die ohnehin nicht so große Fraktion der Grünen im Europaparlament hätte das auch tun können, nämlich für diesen Antrag zu stimmen. Aber leider haben nicht einmal Ihre österreichischen Vertreter für den Antrag aus Österreich gestimmt. Das ist Ihr Problem – aber leider auch unser Problem, weil Sie uns in dieser Frage im Regen haben stehen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Niederwieser, Sie haben hier einen Antrag wortidentisch einge­bracht, den der Tiroler Landtag beschlossen hat. Sie haben gesagt: Das ist die Nagel­probe, stimmt ihr dem zu oder nicht? Das ist schon ein bisschen vordergründig. Wenn Ihnen als Parlamentarier nichts anderes einfällt, als hier wortidentische – und das hatten wir ja heute schon einmal – Anträge eines Landtages einzubringen, dann ist das relativ dürftig. (Abg. Reheis: Ist das vom Landtag nichts wert?)

Dieser Antrag ist uns sehr viel wert, Herr Kollege! Aber Sie wissen ganz genau, dass dieser Antrag nicht auf dem aktuellsten Stand ist, weil er die letzten Verhandlungen ... (Abg. Reheis: Am 3. Juli!) – Ja, da ist er noch einmal bekräftigt worden, aber von seinem Inhalt her stammt dieser Antrag vom März 2002, das schreiben Sie ja selbst in Ihren Antrag hinein. Zumindest die letzten Verhandlungen, die unser Verkehrs- und Infrastrukturminister sehr erfolgreich geführt hat, finden keine Berücksichtigung in diesem Antrag.

Deshalb haben wir ja diesen Dringlichen Antrag und noch zusätzlich einen Entschlie­ßungsantrag eingebracht. Ich lade Sie noch einmal ein, diesen beiden aktuellen An­trägen zuzustimmen. Hierin wird alles mit umfasst, was Sie – zumindest in Ihren Rede­beiträgen – auch als Forderung aufgestellt haben, und darüber hinaus auch noch die zukunftweisenden notwendigen Maßnahmen. Es ist wichtig, dass wir das hier als Nationalrat möglichst einhellig und einstimmig beschließen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein weiterer Punkt. – Frau Abgeordnete Glawischnig, Sie sagten, Verkehr sei in großen Bereichen hausgemacht. Das stimmt, aber diesem hausgemachten Verkehr wird man nicht begegnen können, indem man sagt: Stopp, keine Straßen mehr, wir denken uns den Individualverkehr weg, dann ist alles in Ordnung. – Dieser hausgemachte Verkehr ist ja nicht deshalb entstanden, weil man Straßen gebaut hat, sondern weil man in den


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vergangenen Jahren und Jahrzehnten in der Raumplanung und in der Raumordnung große Fehler gemacht hat.

Wenn man vor allem im großstädtischen Bereich Wohnen, Arbeiten und Freizeitmög­lichkeiten auseinander gezogen hat, die Wohnsiedlungen an einem Ende der Stadt, die Einkaufszentren am anderen Ende und die Arbeitsplätze im Zentrum sind (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig), dann hilft es nichts, wenn Sie die Straßen „verbieten“, dann hilft es auch wenig, wenn man nachträglich da und dort den öffentlichen Verkehr forciert, sondern da ist der Verkehr notgedrungen sicherlich auch hausgemacht.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch in die Kerbe jener schlagen, die selbstver­ständlich der Forderung Nachdruck verleihen, dass es im Nord-Süd-Transit eine Lösung geben muss, aber gleich wichtig – und ich sage das als Wiener Abgeordneter – ist es auch, endlich eine Lösung für das Transit- und Verkehrsproblem in der Ostregion zu unterstützen. Durch die Ostregion und vor allem mitten durch die Großstadt Wien geht eine Hauptverkehrsader des Ost-West-Transits, auf der wir bis zu 200 000 Fahr­zeuge pro Tag haben. Da können wir nicht ganz einfach zusehen, wie nach der Ost­erweiterung der Europäischen Union dieser Verkehr vielleicht noch anwachsen wird. Da darf die Europäische Union nicht nur zuschauen und sagen: Das ist eben die Frei­zügigkeit des Warenverkehrs.

Drei Zahlen dazu: Auf der A 12 in Vomp 12 100 LKW, gemessen im Jahr 2000, auf der A 2 in Vösendorf 14 900 LKW und auf der A 1 in Haid 18 000 LKW. Bei den PKW waren es in Vomp 48 000 PKW, in Haid 69 000 PKW und in Vösendorf, also an der Wiener Stadtgrenze, 129 000 PKW. Ich glaube, man sieht dass Handlungsbedarf im Nord-Süd-Transit gegeben ist, aber genauso und vielleicht sogar noch mehr im Ost-West-Transit. Hier geht es um eine Region von mehr als 2 Millionen Menschen, die darauf warten, dass wir sie offensiv vertreten.

Herr Infrastrukturminister und Herr Staatssekretär! Ich weiß, dass Sie das auch so sehen. Wir werden Sie bei Ihrer Arbeit tatkräftig unterstützen. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.29

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Binder. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

 


17.29

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekre­tär! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Transitverkehr bedeutet immer Belastung – Belastung für die Bevölkerung insgesamt und vor allen Dingen für die Umwelt. Wir wissen alle, der geltende Transitvertrag läuft Ende des Jahres aus. Herr Staatssekretär, es war Verkehrsminister Streicher, der den Transitvertrag, der jetzt noch Gültigkeit hat, damals abgeschlossen hat.

Übergangsregelungen, die keinen Rückschritt bedeuten, sind nicht in Sicht, Konzepte für eine nachhaltige Verkehrspolitik mit entsprechenden Rahmenbedingungen lassen auf sich warten. Herr Minister, Sie haben darauf hingewiesen, dass die heutige Debatte eine gewisse Brisanz hat, nämlich deshalb, weil die EU das sektorale Nachtfahrverbot aufgehoben hat: Aber: Sie sind uns die Antwort darauf schuldig geblieben, was tat­sächlich in den nächsten zehn Tagen passieren wird.

Meine Damen und Herren! Meine Meinung ist, dass die einseitige Sicht der Proble­matik des Transitverkehrs, nämlich nur aus dem Blickwinkel Österreichs, die Erarbei­tung von sinnvollen Lösungen auf EU-Ebene behindert hat. Ziel der Lösungen müsste die Sicherung der lebenswerten Zukunft für Menschen und Natur in ganz Europa und in allen Regionen sein.


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Wie schauen die aktuellen Zahlen des Transportaufkommens in Österreich insgesamt aus? – Das Transportaufkommen auf der Straße wuchs im Jahr 2002 um 0,6 Prozent, der Prozentsatz beförderter Tonnagen im Transitverkehr ist um 4,2 Prozent gestiegen.

Ich verstehe auch das Engagement und den Einsatz der Kolleginnen und Kollegen aus den westlichen Bundesländern, jedoch: Die Problematik des Osttransits, auch im Hinblick auf die kommende EU-Erweiterung, darf dabei auf keinen Fall übersehen und unterschätzt werden. (Beifall bei der SPÖ.) – Danke für den Zuspruch aus den west­lichen Bundesländern!

In der Auseinandersetzung der Bundesregierung mit der Europäischen Union scheint mir, dass die Ostregion sträflich vernachlässigt wurde. Fachleute prognostizieren für die nächsten Jahre eine Zunahme des derzeitigen Verkehrsaufkommens um das Sechsfache. Darauf, meine Damen und Herren, ist Österreich tatsächlich nicht vorbe­reitet. Der Ostregion droht der Verkehrsinfarkt, den Menschen Stau und Umwelthorror.

Deshalb ist es unabdingbar, dass gerade in Niederösterreich der Ausbau der Süd- und auch der Westbahn vorrangig ist. Die Nord-Süd-Verbindung, der Semmering-Basis­tunnel mit einbezogen, spielt eine wichtige Rolle. Ich würde mir wünschen, Herr Staats­sekretär Kukacka, dass Ihr Engagement für die Alternative Wasserstraße auch auf den Ausbau der Österreichischen Bundesbahnen zutrifft und dass Sie da genauso viel En­gagement zeigen. (Beifall der SPÖ.)

Die erste Initiative muss sein, planungsreife Projekte umzusetzen. Derer liegen viele in der Schublade. Auf den Punkt gebracht heißt dies, raschest Mittel für den Ausbau von Infrastrukturen zur Verfügung zu stellen.

Ich möchte noch erwähnen, dass VIBÖ-Präsident Horst Pöchhacker auf einen Schwachpunkt hingewiesen hat. Er hat gesagt, wenn es um die Finanzierung von öffentlichen Infrastrukturen geht, werden die Mauteinnahmen der ASFINAG auf Grund der derzeit festgelegten Bilanzierungsmethode bis zu einem Drittel im allgemeinen Budget versickern und nicht wieder investiert werden. – So viel dazu, dass diese Maut­einnahmen angeblich für jene Projekte zur Verfügung gestellt werden, die dringend notwendig sind.

Meine Damen und Herren! Nachhaltige Verkehrspolitik bedeutet die gleichwertige Nut­zung und Verschränkung der drei Verkehrswege Schiene, Wasser und Straße. Die Umsetzung, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, liegt bei Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.34

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Fleckl. – Bitte.

 


17.34

Abgeordnete Anita Fleckl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär Kukacka! Herr Staatssekretär Morak! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Die Transitproblematik in Österreich hat erhebliche Auswirkungen auf Mensch und Um­welt. Nun weiß ich, dass Sie, Herr Bundesminister, sehr bemüht sind, aber das ist ein Problem, das uns nicht erst seit den vergangenen Monaten bewusst ist, sondern schon seit dem Jahr 2000 oder früher.

Im Jahr 2001 wurden zum Beispiel in Österreich 284 Millionen Tonnen an Gütern in LKWs auf Österreichs Straßen transportiert. Das war gegenüber dem Jahr 2000 eine Steigerung um 2,5 Prozent, und der Trend ist steigend. Auch das haben Minister vor Ihnen schon gewusst. Weiters wird der Güterverkehr bis 2015 um das Dreifache


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zunehmen. – Das sind Zahlen, die verkehrs- und umweltpolitisch bedenkenswert und ernst zu nehmen sind.

Heute haben wir die erforderlichen Beschlüsse gefasst, damit die Erweiterung der Europäischen Union erfolgen kann. Im Zuge dieser Erweiterung sind auch politische Maßnahmen notwendig, um neue Verkehrswege zu entwickeln und auch zu integrie­ren.

Durch die Ostöffnung kam es bisher zu einem Zuwachs an LKWs von 30 Prozent, durch die Osterweiterung werden es sogar 70 Prozent sein. Diese Zahlen sind dem Verkehrsministerium schon seit längerem bekannt, und natürlich muss da entspre­chend gehandelt und darauf reagiert werden. Das Transitproblem ist ein österreich­weites Problem und kann nicht nur auf ein Bundesland beschränkt werden. Das weiß ich, das wissen auch alle Kolleginnen und Kollegen hier im Saal.

Aber lassen Sie mich auch heute auf mein Bundesland, die Steiermark, zu sprechen kommen. Einen großen Teil des erwarteten Güterverkehrzuwachses, nämlich 80 Pro­zent in den nächsten Jahren, wird die Steiermark schlucken müssen. Road-Pricing und Navigationssysteme werden dazu beitragen, dass sensible Zonen wie das Ennstal, in dem ich lebe, durch die Transitlawine überrollt werden, da dadurch die nötige Quer­verbindung zwischen den vier Korridoren genützt wird, um Zeit und Kosten zu sparen. In den Bemühungen, diese Problematik einzudämmen oder sogar Lösungen zu finden, sind die letzten drei Verkehrsminister – immerhin drei an der Zahl – kläglich geschei­tert. Ich hoffe, Ihnen, Herr Bundesminister, wird in dieser Frage mehr gelingen.

Durch das Verschleppen von Verhandlungen österreichischer Minister auf EU-Ebene konnten Probleme nicht in Angriff genommen werden, und das in letzter Konsequenz zu Lasten der Bevölkerung. Wie letzte Woche bekannt wurde, sind in der Liste jener Infrastrukturprojekte, die die EU-Kommission mitfinanzieren wird, weder der Semme­ring-Basistunnel noch die Südbahn zu finden. Sie propagieren immer die Unterstützung der Schiene, aber hier besteht ein großes Defizit, das sich für mich in Bezug auf die Steiermark darstellt, die in diesem EU-Förderungsprogramm überhaupt nicht vorge­kommen ist.

Wie konnte es passieren, dass die so wichtige östliche Nord-Süd-Verbindung durch den Semmering nicht im Vorschlag enthalten ist? – Im Zuge der EU-Osterweiterung wären diese wichtigen Projekte zur Bewältigung des bevorstehenden Verkehrsaufkom­mens in Österreich dringend notwendig gewesen. Durch das Fehlen klarer Entschei­dungen von Seiten der Bundesregierung ist Österreich als Transitland und Schnittpunkt der europäischen Verkehrsachsen in der EU völlig übergangen worden.

Herr Bundesminister, zu meiner Freude habe ich gelesen, das Sie an diesen beiden Projekten im Süden Österreichs auch ohne EU-Förderung festhalten werden. Darüber bin ich sehr froh, und ich kann von unserer Seite her nur die vollste Unterstützung anbieten, damit diese Projekte realisiert werden. Nur muss ich feststellen, dass die Zeit des Redens jetzt vorbei sein muss und dem Reden endlich Taten folgen müssen. Viel zu lange werden der Steiermark schon Versprechen dieser Art gemacht. Immerhin geht es hier um die Menschen einer sehr großen Region, die dringend entlastet werden müssen.

Herr Bundesminister, korrigieren Sie den entstandenen Schaden, der durch das Ver­handlungsungeschick der früheren Verkehrsminister entstanden ist!

Der LKW-Verkehr auf der Straße muss durch die Bahn entlastet werden, denn auf Österreichs Straßen allein wird dieser künftig nicht mehr zu bewältigen sein. Straße und Schiene dürfen nicht Konkurrenten sein, sondern müssen Partner sein und ein­ander unterstützen.


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1994 wurden noch zwei Drittel der Güter der EU-Beitrittsländer mit der Bahn transpor­tiert. Heute sind es nur noch 40 Prozent. Herr Bundesminister, nehmen Sie diesen Trend ernst und wirken Sie diesem entgegen! Schaffen Sie Anreize, um die Bahn attraktiv für die Beförderung von Gütern zu machen! Nur so werden wir die prekäre Lage wirklich eindämmen können. Unsere vollste Unterstützung in diesem Kampf hätten Sie dabei. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen zum Dringlichen Antrag liegen nicht vor. Damit schließe ich die Debatte.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag mit der Num­mer 183/A (E) der Abgeordneten Mag. Mainoni, Gahr betreffend europäische Regelung der Transitproblematik.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Dieser Antrag ist mit Stimmenmehrheit angenommen. (E 16.)

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Wittauer, Gahr und Kollegen betreffend Schutz von Umwelt und Bevölkerung in der Zeit vor dem Inkrafttreten einer neuen EU-Wegekostenrichtlinie.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass dieser Ent­schließungsantrag mit Stimmenmehrheit angenommen wurde. (E 17.)

Als Nächstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Dr. Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Paket wirksamer inner­staatlicher Maßnahmen gegen die Transitlawine.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag hat keine Mehrheit gefunden. Er ist daher abgelehnt.

Zuletzt stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein engagiertes einheitliches Vorgehen Öster­reichs in der Transitfrage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechen­des Zeichen. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit des Hohen Hauses. Er ist daher abgelehnt.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 376/AB

 

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Durchführung der Kurzdebatte im Zusammenhang mit der Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers für Wirt­schaft und Arbeit mit der Ordnungszahl 376/AB.

Diese Anfragebeantwortung ist verteilt worden, sodass keine Verlesung durch einen Schriftführer notwendig ist.

Wir gehen in die Debatte ein. Ich erinnere daran, dass, wie immer, dem Erstredner 10 Minuten Redezeit zur Verfügung stehen und danach jeder Fraktion 5 Minuten. Stel­lungnahmen von Regierungsmitgliedern und Staatssekretären sollen die Dauer von 10 Minuten nicht überschreiten.

 


Herr Abgeordneter Riepl erhält als Erster das Wort. Seine Redezeit beträgt maximal 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.


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17.42

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Mit­glieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Bei der gegenständlichen Anfragebeant­wortung geht es um die Kriterien für die erhöhte Lehrlingsausbildungsprämie. Die Be­antwortung meiner nunmehr bereits zum zweiten Mal gestellten Anfrage an den Herrn Bundesminister Bartenstein ist neuerlich unvollständig und zudem falsch. Das sind die Gründe, warum meine Fraktion und ich diese Beantwortung auf die heutige Tagesord­nung gesetzt haben wollten.

Zur Vorgeschichte: Es geht um die Umsetzung der im September des vorigen Jahres beschlossenen Lehrstellenförderung. Es geht dabei um die Frage: Wie wirken sich die Lehrlingsausbildungsprämien aus, die im Ausmaß von 1 000 € für Betriebe als Anreiz geschaffen wurden? Vor allem geht es aber auch um die Frage: Wie steht es um die Lehrlingsausbildungsprämien, die in der Höhe von 2 000 € für Lehrlinge in so genann­ten Mangelberufen geschaffen wurden?

Bis heute gibt es keine Verordnung hinsichtlich dieser so genannten Mangelberufe. Es gibt ein zehn Monate langes Warten, vielfach auch von Lehrbetrieben, die verunsichert sind und nicht wissen, ob sie für jene Lehrlinge, die sie beschäftigen oder beschäftigen wollen, derzeit und auch in Hinkunft eine Lehrlingsausbildungsprämie in der Höhe von 2 000 € bekommen können. Anders ausgedrückt: Keiner weiß, wann diese 2 000 € zu­stehen.

Im Rahmen meiner Anfrage an den Herrn Bundesminister Bartenstein lautete eine meiner Fragen, nämlich die Frage 9:

„Welche Berufe (oder Berufsfelder) gibt es derzeit, in welchen nach Ihrer Ansicht eine ‚erhöhte Nachfrage besteht, so dass diese für die erhöhte Lehrlingsausbildungsprämie in Frage kommen?“ – Kurz gesagt heißt das: Für welche Berufe gibt es 2 000 € und für welche Berufe gibt es nur 1 000 €?

Als Antwort auf meine Frage 9 wurde folgende Formulierung – die Anfragebeantwor­tung liegt ja auf und ist an alle Abgeordneten verteilt worden – gewählt beziehungs­weise mir folgende Information zur Kenntnis gebracht:

„Unter dem Begriff ‚erhöhte Nachfrage wird die analytische Quantifizierung der Nach­frageschwellen verstanden. Auf Basis der zu diesem Thema vorliegende Studien und Analysen werden zum Status quo entsprechende Indikatoren erstellt und für die Kri­terienfestlegung herangezogen. Diese werden kontinuierlich auf die Arbeitsmarkt-und Berufsentwicklung in den Folgejahren abgestimmt, um einen optimalen arbeitsmarkt­politischen Lenkungseffekt der Fördermittel zu erzielen.“  – Soweit die Antwort.

Also auf die simple Frage: Welche Berufe sind es, für die man 2 000 € bekommt? gibt es, Herr Bundesminister, diese wortarchitektonisch imponierende, aber aussagemäßig nichtssagende Antwort von Ihnen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich weiß zwar jetzt, was für den Herrn Bundesminis­ter eine ‚erhöhte Nachfrage bedeutet, aber ich weiß noch immer nicht, für welche Be­rufe die 2 000 € Förderung geltend gemacht werden können. Diese Art der Beantwor­tung führt auch dazu, Ihnen, sehr verehrter Herr Bundesminister, heute die Gelegen­heit zu geben, dazu Stellung zu nehmen.

Herr Bundesminister! Das liegt zwar in Ihrem Verantwortungsbereich, aber ich glaube, Sie selbst wissen nicht, für welche Berufe das zutrifft. Ich bitte Sie daher noch einmal, dazu Stellung zu nehmen. Ich denke, zehn Monate lang nicht in der Lage zu sein, auf Grund einer selbst vorgeschlagenen Verordnungsermächtigung eine Verordnung zu erlassen, zeugt von einer sehr traurigen Ressortführung. – So weit zur unvollständigen Antwort des Herrn Ministers Bartenstein, sehr verehrte Damen und Herren.


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Nun zur falschen Antwort in der Anfragebeantwortung, nämlich zur Antwort auf meine Frage 10. In dieser Frage wollte ich wissen, wie viele Jugendliche durch das Konjunk­turbelebungsgesetz eine Lehrstelle gesichert bekommen haben. Die Antwort darauf wurde mit einem Satz gegeben, der da lautet:

„All diese Maßnahmen“ – gemeint sind natürlich die Maßnahmen des Konjunkturbele­bungsgesetzes – „haben dazu beigetragen, dass trotz der angespannten Konjunktur im Jahr 2002 insgesamt 120 486 Lehrverträge abgeschlossen wurden.“

Ich betone, Herr Bundesminister: Sie sagen in Ihrer Anfragebeantwortung, dass im Jahre 2002 insgesamt 120 486 Lehrverträge in unserem Land abgeschlossen worden sind.

Das ist schlichtweg falsch! Das gibt es nicht, denn wir haben insgesamt nur so viele Lehrverhältnisse, und daher können nicht alle in einem Jahr abgeschlossen worden sein. Meiner Schätzung nach werden es im vergangenen Jahr ungefähr 36 000 Lehr­verträge gewesen sein, die neu abgeschlossen worden sind, aber keinesfalls 120 000. (Zwischenruf des Abg. Dr. Fasslabend.)

Herr Abgeordneter Fasslabend! Minister Bartenstein hat gesagt – das ist nachlesbar –, dass im Jahr 2002 insgesamt 120 486 Lehrverträge abgeschlossen worden sind. Das ist schlichtweg eine falsche Behauptung, und daher stellt sich die Frage, warum sich dieser Satz in Ihrer Beantwortung, Herr Bundesminister, findet, noch dazu, wo nach dieser Information überhaupt nicht gefragt worden ist. Ich wollte ja lediglich wissen, wie viele Lehrstellen durch das Konjunkturbelebungsgesetz gesichert werden konnten be­ziehungsweise wie viele Unternehmer motiviert wurden, einen Lehrvertrag abzuschlie­ßen. Die Antwort ist also nicht nur falsch, sondern an dieser Stelle auch unzutreffend, denn danach wurden Sie, Herr Bundesminister, überhaupt nicht gefragt.

Das ist eine Vorgangsweise, die meiner Meinung nach nicht zu akzeptieren ist, und deshalb, sehr verehrter Herr Bundesminister, stelle ich an Sie das Ersuchen, zu dieser Anfragebeantwortung Stellung zu nehmen.

Ich fasse zusammen: Ihren schriftlichen Antworten gebührt aus meiner Sicht jedenfalls ein glattes Nichtgenügend, und daher haben Sie jetzt die Chance zur Nachprüfung im wahrsten Sinne des Wortes. (Abg. Mag. Molterer: Herr Lehrer!) Es ist nachzuprüfen, was wirklich die Wahrheit ist. Sehr verehrte Damen und Herren, ob der Herr Bundes­minister diese Nachprüfung jetzt schaffen wird, das werden wir sehen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.50

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer Stellungnahme, die im Rahmen einer Kurz­debatte die Dauer von 10 Minuten nicht überschreiten soll, hat sich Herr Bundesminis­ter Dr. Bartenstein zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

 


17.50

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Sehr geschätzter Abgeordneter Riepl, Nachprüfungen finden ja im Regelfall Ende August, Anfang September statt und nicht schon am 9. Juli und auch nicht im Hohen Haus. So gesehen gebe ich Ihnen gerne eine Stellungnahme zu dem, was Sie gesagt haben, aber prüfen lasse ich mich von Ihnen nicht; diese Zeit ist vorbei. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – An­haltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aber bleiben wir bei der Nachprüfung! Ich verteile keine Noten, aber ich muss Ihnen sagen: Thema verfehlt! Wenn Sie in einer schriftlicher Anfrage und jetzt auch noch in einer mündlichen Erläuterung Ihre Sorgen hinsichtlich der 2 000 € Lehrlingsausbildungsprämie zum Ausdruck bringen, dann frage


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ich Sie und Ihre Fraktion: Warum haben Sie denn dann gegen die 1 000 € Lehrlings­ausbildungsprämie gestimmt, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ? Das müssen Sie dem Hohen Haus und vor allen den Lehrlingen und den Lehrwilligen in Österreich einmal erklären! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Trinkl wird Ihnen das anhand des Protokolls des Finanzausschus­ses und auch bezüglich der Plenardebatte noch präzise nachweisen. Dass Sie einen grammatikalischen Fehler hier dazu benützen, mich gewissermaßen vorzuführen, ist Ihre Sache, aber Großzügigkeit muss ja Ihre Sache nicht sein, sehr geehrter Herr Ab­geordneter. Jeder, der in Österreich einigermaßen über das Lehrlingswesen informiert ist – und bis jetzt war ich der Meinung, dass Sie dazugehören –, weiß aber, dass damit natürlich gemeint war, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt 120 486 Lehrverträge abge­schlossen waren und nicht wurden.

Dafür bitte ich Sie untertänigst aus meiner Position und im Namen meiner Beamten um Entschuldigung, aber ich hätte schon erwartet, dass Sie das ohnehin richtig interpretie­ren. So habe halt ich es für Sie interpretiert.

Im Übrigen meinen Sie, meine Antworten seien falsch und Antworten würden Ihnen nicht gegeben. Sie wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass ich Ihnen auch ge­antwortet habe, dass im ersten Quartal 2003 die Zahl der abgeschlossenen Lehrver­träge im Vergleich zum Vorjahrsquartal um über 10 Prozent gestiegen ist. Dafür be­danke ich mich bei der Wirtschaft, den Arbeitgebern, den Unternehmern Österreichs. Dass Sie positive Meldungen aus dem Bereich der Jungendausbildung nicht zur Kennt­nis nehmen wollen, weil es für Sie politisch nicht opportun ist, das wissen wir und das bestätigt sich hier einmal mehr, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ.

Im Übrigen haben – und auch das habe ich Ihnen mitgeteilt – nicht weniger als 7 490 Jugendliche an Jugendausbildungssicherungsgesetz-Maßnahmen teilgenommen. Wei­ters konnten 10 275 Jugendliche – davon waren 9 809 Teilnehmer in der Altersgruppe zwischen 19 und 25 Jahren – am Sonderprogramm teilnehmen,  an Maßnahmen, die gemeinsam mit den Sozialpartnern im letzten September erarbeitet und dann hier beschlossen wurden.

Der Grund dafür, dass wir Ihnen, sehr geehrter Herr Abgeordneter, keine präzisere Antwort auf die Frage, welche Berufe da in Frage kämen, geben konnten, liegt darin, dass das nicht so leicht ist. Es lässt sich so manche Frage leicht stellen, aber es ist nicht so einfach, sie auch seriös zu beantworten.

Aus heutiger Sicht ist es so, dass ... (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Sie, sehr geehrte Frau Abgeordnete, sollten einmal den Österreichern erklären, warum Sie gegen die 1 000 € Lehrlingsausbildungsprämie gestimmt haben. (Abg. Heinisch-Hosek: Das stimmt ja nicht! In dritter Lesung haben wir zugestimmt!) Entscheidend ist, was Sie im Ausschuss und in zweiter Lesung gemacht haben, sehr geehrte Frau Abgeordnete! (Abg. Heinisch-Hosek: In dritter Lesung haben wir zugestimmt! – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Es gab eine getrennte Abstimmung zu diesen Punkten, und Sie haben in zweiter Lesung dagegengestimmt, und davon können Sie sich nicht mehr distanzieren, so war es!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es stellt sich die Frage, ob das Finanzres­sort und wir letztlich zu dem Schluss kommen, dass es sinnvoll ist, für eine bestimmte Gruppe von Lehrlingen diese 2 000 € zu gewähren. Die Arbeiten dafür haben in meinem Ressort begonnen, und die Ergebnisse von den Arbeiten im BMF liegen bereits vor, aber ich kann Ihnen heute leider nicht sagen, wann diese Arbeiten abge­schlossen sein werden und ob der Finanzminister dann im Einvernehmen mit mir eine


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diesbezügliche Verordnung erlässt. Das ist aus meiner Sicht eine offene Frage, es ist eher zweifelhaft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von entscheidender Bedeutung ist aber doch vielmehr die Frage: Wie schaut es in Sachen Lehrlingsausbildung und in Sachen Andrang von jungen Menschen in Richtung Lehrplätze in diesen Tagen aus? Im Lehr­lingsbereich ist die Situation so, dass laut AMS-Statistik mit Stand Ende Juni 2003 ins­gesamt 3 537 Jugendliche einen Lehrplatz gesucht haben – ich weiß, Sie haben regel­mäßig andere Zahlen, aber ich halte mich an die AMS-Statistik –, denen 2 524 offene Lehrstellen gegenüberstehen.

Die 10 Prozent Plus an abgeschlossenen Lehrverträgen beziehen sich auf das erste Quartal 2003. Im ersten Halbjahr waren es immer noch plus 1,6 Prozent an abge­schlossenen Lehrverträgen. Auch das ist noch immer positiv!

In vielen Bundesländer gibt es – und das, sehr geehrter Herr Abgeordneter Riepl, sollte Sie interessieren – mehr Lehrstellenangebote als Lehrstellensuchende, zum Beispiel in Kärnten, in Tirol, in Salzburg und in Vorarlberg. In Oberösterreich ist – und das ist auch besonders wichtig – der Markt ausgeglichen, also es gibt gleich viel offene Lehrstellen wie Lehrstellensuchende. Anders ist es einmal mehr in Wien. Da besagt die AMS-Statistik, dass 953 Jugendliche Lehrstellen suchen, aber nur 109 offene Lehrstellen zur Verfügung stehen.

Sie wissen, dass das Jugendausbildungssicherungsgesetz für zwei Jahre abgeschlos­sen ist. Es sind damit Lehrgangsplätze in einem Ausmaß von 3 350 für diejenigen jun­gen Menschen geplant, die keinen Lehrplatz finden. Es haben insgesamt 2 841 Ju­gendliche zum Zeitpunkt der Bestandsaufnahme an diesen Lehrgängen teilgenommen. 5 616 Jugendliche haben irgendwann daran teilgenommen.

Das ebenfalls wichtige Sonderprogramm für Jugendliche unter 25 Jahren liegt im Plan. Wir wollten damit bis zu 5 000 junge Menschen im Rahmen einer zweiten Chance zu einem Bildungsabschluss kommen lassen. Der Durchschnittsbestand umfasste bisher 4 206 junge Menschen. Insgesamt haben knapp 12 000 Jugendliche – genau 11 892 – an solchen Maßnahmen teilgenommen.

Ich sage nochmals konkret: Selbstverständlich sind zum Antwortzeitpunkt insgesamt 120 486 Lehrverträge abschlossen gewesen. Aus meiner Sicht und aus Sicht des Finanzministers ist es noch offen, ob es zu einer Umsetzung dieser Forderungser­mächtigung kommen wird.

Lassen Sie mich am Schluss meiner Wortmeldung noch einmal mein tief empfundenes Unverständnis dafür zum Ausdruck bringen, dass Sie sich zwar Sorgen machen um die 2 000 € Lehrlingsausbildungsprämie, aber gegen die 1 000 € Lehrlingsausbildungs­prämie im Ausschuss und auch hier im Plenum in zweiter Lesung gestimmt haben. – Danke, Herr Vorsitzender und Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

17.58

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: In der nunmehrigen Debatte stehen für jede Wortmel­dung 5 Minuten zur Verfügung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

 


17.59

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! 40 Prozent aller Schulabgänger werden im Rahmen einer dualen Ausbildung ausgebildet. 120 000 junge Menschen finden einen Arbeitsplatz in der gewerblichen Wirtschaft, und dafür


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ernten wir nicht nur tolle Erfolge, sondern gewinnen auch internationale Anerkennung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Diese Feststellung möchte ich meinen Aus­führungen voranstellen (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, dass gerade dieses bewährte Modell mit verantwortlich dafür ist, dass Österreich die niedrigste Jungendarbeitslosenrate in ganz Europa verzeichnen kann, und wir können mit Recht auf diesen Wert stolz sein. – Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, Sie sollten es auch sein!

Warum ist das so? – Weil diese Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel früh genug gegengesteuert hat. Wir haben zwei Konjunkturbelebungsgesetze hier beschlossen, und diese rechtzeitige Reaktion trägt jetzt Früchte, meine Damen und Herren.

Das Problem, Herr Kollege Matznetter, ist, dass Sie das nicht mittragen wollten; der Herr Bundesminister hat darauf hingewiesen. Sie sollten heute nicht Krokodilstränen vergießen über Kleinigkeiten, die die Betriebe nicht so sehr interessieren. Interessiert hätte es sie, wie Sie zur dualen Ausbildung stehen. – Sie waren dagegen, sowohl im Ausschuss als auch in der zweiten Lesung. (Abg. Heinisch-Hosek: Wie viele Lehr­plätze haben Sie geschaffen?) In der dritten Lesung konnten Sie nicht gut, denn dann hätten Sie auch gegen die Unterstützung der Hochwasseropfer stimmen müssen, und das haben Sie sich doch nicht getraut, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bei­fall bei der ÖVP.)

Der Herr Bundesminister hat auch darauf hingewiesen, dass die Zahlen der Lehr­stellensuchenden in den Bundesländern unterschiedlich sind. Ein Indiz dafür ist die Zahl jener Lehrstellensuchenden, die beim AMS gemeldet sind, und ein Indiz dafür ist genauso die Zahl der als offen gemeldeten Lehrstellen. Es ist nur ein Indiz, aber in­teressant ist natürlich schon, dass das AMS Wien immer die berühmte, traurige rote Schlusslaterne trägt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Jetzt frage ich Sie: Woran liegt das? (Abg. Dr. Matznetter: An der Bundesregierung!) Herr Matznetter, Herr Riepl, woran liegt das? Versuchen Sie, zu antworten, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Heinisch-Hosek: An der Bundesregierung liegt das!) An der Bundesregierung liegt das? (Abg. Dr. Matznetter: Natürlich!) Also ich bitte Sie! Wenn Sie sich nicht dem Gespött der Menschen aussetzen wollen, dann gehen Sie in sich! Fragen Sie Herrn Landeshauptmann Häupl, fragen Sie den Verantwort­lichen im AMS Wien! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn jemand einen offenen Lehrplatz beim AMS nicht meldet, so ist das auch ein wichtiges Indiz, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zur Lehrlingsausbildungsprämie möchte ich sagen, wir sind stolz auf diese Maßnahme. Ich darf Herrn Riepl sagen, dass die Betriebe das sehr schätzen. Sie haben erstmals das Gefühl, dass der Staat, die Republik, die Gesellschaft diese Leistungen, die im Rahmen der dualen Ausbildung von den Betrieben erbracht werden, auch anerkennen. Es ist nicht viel mehr als eine Anerkennung, aber diese Anerkennung wird von den Betrieben sehr wohl geschätzt.

Diese Prämie wird unbürokratisch ausbezahlt. All jene, die heute hier etwas anderes behaupten, wissen wirklich nicht, wovon sie reden, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte auch kurz Stellung nehmen zur heute aufgeworfenen, schon berühmt ge­wordenen Frage im Zusammenhang mit § 108 Abs. 2. (Abg. Dr. Jarolim: Kollege Matznetter ist dann zu einer Aufklärung bereit, möchte ich nur sagen!) Ich bin froh, dass Sie mir das jetzt andeuten, Herr Kollege Jarolim; ich fürchte nur, es wird auch diese Ihre Ankündigung wie so viele andere nicht in Erfüllung gehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fürchte, dass das nicht gehen wird, Herr Kollege Riepl. Ich hätte erwartet, dass Sie Vorschläge machen. Ich hätte erwartet, dass Sie überlegen: Was sind die richtigen Kriterien? Kann man da mitgehen?

Ich möchte nur eines sagen: Die Wirtschaft entwickelt sich dynamischer – Gott sei Dank –, als mittelfristige Prognosen voraussehen können. Und das ist das Problem. Daher glaube ich auch, und das möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen, dass es nicht vernünftig ist, da Kriterien aufzustellen. Wenn ein Werkzeugmacher im Raum Weiz gesucht wird – tatsächlich gesucht wird –, so kann das in der Obersteiermark, in Tirol, in Salzburg ganz anders sein. Dafür eine Verordnung zu erlassen, wäre einfach nicht richtig, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich glaube, dass die Verantwortung für die duale Ausbildung in den Betrieben bleiben muss. Wer eine bestimmte Qualifikation in seinem Betrieb verlangt, der muss auch selbst die Verantwortung dafür übernehmen, seine Leute auszubilden. Das gilt für den Klein- und Mittelbetrieb, das gilt für die Industrie, das gilt auch für die Österreichischen Bundesbahnen. Aufgabe der öffentlichen Hand ist es, zu motivieren, Hilfe dort anzubie­ten, wo sie nötig ist, und Anstoß zu geben, Lehrlinge auszubilden, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es gibt wunderschöne Beispiele; wer es nicht glaubt, soll in die Steiermark schauen. Landesrat Paierl hat vor wenigen Wochen das Projekt „Triality“ vorgestellt. Dabei geht es darum, dass Betriebe gemeinsam mit der öffentlichen Hand Jugendlichen den Weg bis zur Berufsreifeprüfung finanziell ermöglichen. Das ist ein Weg, den wir verfolgen sollten. Heute hier Tränen zu vergießen über Dinge, die es nicht einmal wert sind, dis­kutiert zu werden, das, glaube ich, ist der falsche Weg, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.04

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

 


18.04

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wider besseres Wissen werden hier Behauptungen aufgestellt, die einfach nicht stimmen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass 23 Prozent der in Wien in Ausbildung stehenden Lehrlinge Nicht-Wiener sind. In Wien arbeiten sehr viele junge Menschen, hier bekommen sehr viele junge Men­schen Arbeit. Wien hat die Zahl der Lehrgangsplätze von den 1 000, die der Herr Bun­desminister insgesamt für ganz Österreich zugesagt hat, um 500 aufgestockt, und 27 Prozent der Lehrlinge der Stadt Wien kommen auch aus anderen Bundesländern. Also vergleichen Sie bitte nicht dort Äpfel mit Birnen, wo das nicht möglich ist! – Erstens. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Trinkl: Aber Sie können noch besser werden, das werden Sie zugeben!)

Zweitens, Herr Bundesminister! Anfragebeantwortungen müssen von uns nicht inter­pretiert werden. Wir lesen die Anfragebeantwortungen, und dann können wir Fragen stellen – so wie wir das heute getan haben (Abg. Dr. Trinkl: Welche haben Sie ge­stellt?) –, wenn es Unklarheiten gibt. Und in der jetzt in Diskussion stehenden Anfrage­beantwortung waren mehr als eine Unklarheit enthalten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.)

Drittens, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Bundesminister! Wir haben dem gesamten Konjunkturbelebungspaket in dritter Lesung zugestimmt, weil uns die Hochwasseropfer ein wichtiges Anliegen sind; ebenso natürlich die arbeitslosen Ju­gendlichen. (Abg. Dr. Trinkl: Nein! Nein, nein, nein!) Wir haben der Jugendbeschäfti-


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gungsinitiative in zweiter Lesung nicht zugestimmt, Herr Bundesminister, weil wir der Ansicht, auch heute noch, sind, dass diese 1 000-€-Lehrlingsprämie nicht den ge­wünschten Effekt gehabt hat. Sie haben uns nie beantworten können, wie viele Lehr­plätze seit September 2002 auf Grund dieser Maßnahme, die damals beschlossen wurde, geschaffen wurden. Ich weiß das bis heute nicht, obwohl wir schon des Öfteren gefragt haben. (Abg. Dr. Trinkl: Da müsste er Psychoanalytiker sein, er ist aber Bun­desminister!)

Viertens, meine Damen und Herren! Es ist immer mehr erkennbar, dass die Prioritäten­skala des Herrn Arbeitsministers in Bezug auf die Jugendarbeitslosigkeit ganz anders ausschaut, als sie sein sollte. Dieser Bereich steht für ihn an letzter Stelle. Immer wieder zeigt es sich, dass Ihnen das anscheinend kein Anliegen ist, meine Damen und Herren!

Der Herr Bundeskanzler hat heute Vormittag – was ich jetzt zweifach berichtigen möchte, denn in der Fragestunde, in der es auch um das wichtige Thema Jugend­arbeitslosigkeit ging, hatte ich nicht die Gelegenheit dazu – wieder einmal als Beispiel Wien herangezogen und gesagt, hier gebe es die meisten arbeitslosen Jugendlichen. – Ich kann eine Statistik auch anders interpretieren, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die größte Steigerung der Zahl der arbeitslosen Jugendlichen ist leider in Oberösterreich zu verzeichnen, dann in Niederösterreich und erst dann in Wien. Also Wien liegt nicht an erster Stelle beim Ansteigen der Zahl der arbeitslosen Jugend­lichen, nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ.)

Zweite Berichtigung zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers: Der Herr Bun­deskanzler hat, genauso wie der Herr Bundesminister jetzt, heute schon einmal von fast 1,7 Prozent mehr abgeschlossenen Lehrverträgen gesprochen. – Ja, jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, Mitte des Jahres! Wenn wir an das Vorjahr, an das vorvorige Jahr denken, so wissen wir, es war damals im Sommer nicht anders. Aber wir müssen die Statistik der Wirtschaftskammer am Ende eines Jahres abwarten, wie viele dauerhaft abgeschlossene Lehrverträge dann übrig bleiben. Das werden von Jahr zu Jahr weniger, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Trinkl: Weil die 14-Jährigen von Jahr zu Jahr weniger werden!)

De facto bedeutet das weniger ausgebildete Lehrlinge und weniger angebotene Lehr­stellen. – Das ist Faktum. Also reden wir nicht Mitte des Jahres über etwas, das man erst Ende des Jahres beurteilen kann. Das ist unseriös, und das haben der Herr Bun­deskanzler und auch der Herr Bundesminister getan! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Erklärung dafür ist auch ganz einfach. Diese Bundesregierung war es, die die Pro­bezeit von zwei auf drei Monate verlängert hat. Somit ist natürlich klar, dass Lehrver­hältnisse leichter und einfacher wieder gelöst werden, weil man länger beobachten kann, ob sich der junge Mensch bewährt oder nicht. – Deshalb werden mehr Lehrver­träge gelöst, als das in der Vergangenheit der Fall war, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl.)

Die Zahlen möchte ich noch anführen, weil der Herr Bundesminister doch so ein Fan von Zahlen, Daten und Fakten ist. Er hat etwas andere Zahlen angeführt, als ich hier habe, aber ich habe hier natürlich auch AMS-Zahlen.

3 459 Jugendliche suchen sofort Arbeit – Sie haben sogar eine etwas höhere Zahl ge­nannt, Herr Bundesminister –; 3 143 sind jetzt in Schulungen, brauchen also dem­nächst eine Lehrstelle; 8 767 Jugendliche, die die Schule verlassen haben, sind schon arbeitsuchend gemeldet. Insgesamt sind das 15 369. Dem gegenüber steht die Zahl der etwas mehr als 9 000 offenen Lehrstellen österreichweit. Das heißt, für mindestens 5 000 Jugendliche bräuchten wir dringend Maßnahmen seitens der Jugendausbildung,


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damit diese jungen Leute im Herbst eine Chance haben. Aber auch hier gilt für Sie: Augen zu, Ohren zu und durch, meine Damen und Herren!

Sie können die Zahlen drehen, Sie können sie wenden, Sie können sie frisieren, Sie können sie falsch darstellen – sie bleiben absolut unerfreulich, denn hinter jeder Zahl steckt ein junger Mensch, eine Familie und natürlich ein Schicksal! Und meines Glü­ckes Schmied kann ich als junger Mensch nur dann sein, wenn ich eine Basis habe. Diese Basis ist ein gesicherter Arbeitsplatz (Präsident Dr. Fischer gibt das Glocken­zeichen) – ich komme schon zum Schlusssatz, Herr Präsident –, und wenn ich diese Basis nicht habe, kann ich mir das Pensionssystem, das Sie beschlossen haben, als junger Mensch schon gar nicht leisten! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.09

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

 


18.10

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Sie bekritteln die hohe Zahl der Lehr­stellensuchenden. Dazu kann ich nur sagen, die Zahlen des AMS entsprechen natür­lich der Realität, aber es zählen auch die in Schulung, in Lehrgängen Befindlichen da­zu – ich habe diese Zahlen auch immer dazugerechnet –, ebenso die Zahl der offenen Stellen. Aber Sie können nicht sagen, dass sich diese Bundesregierung nicht bemüht, alle Lehrstellensuchenden unterzubringen.

Wenn Sie kritisieren, dass hier Äpfel mit Birnen vermischt werden, dann muss ich Sie daran erinnern, dass Sie in der Zeit, als Sie die Verantwortung in diesem Land getra­gen haben, ebenfalls den Lehrlingsstiftungen das Wort geredet haben und dort eben auch die Statistiken geschönt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben damals nichts anderes getan, sondern genau dasselbe, und heute nehmen Sie einen legistischen Fehler zum Anlass, das zu kritisieren. Das kann passieren – ich habe mich auch gewundert, dass in der Anfragebeantwortung von 120 000 Lehrver­trägen, die im Jahr 2002 abgeschlossen hätten sein sollen, die Rede ist; was natürlich nicht sein kann –, aber Tatsache ist, und das geht auch aus dem Wirtschaftsbericht hervor, dass im Jahr 2002 für 146 682 Jugendliche unter 25 Jahren Geld für Förder­maßnahmen insbesondere im Bereich der Berufsvorbereitung und der Lehrlingsaus­bildung – nicht involviert das Jugendausbildungsgesetz, das ist noch eine andere Maß­nahme – verwendet worden ist.

Wenn die SPÖ jetzt auch auflistet, wo sie dafür und wo dagegen gestimmt hat – ich muss sagen: In Wahrheit haben Sie dagegen gestimmt, denn in der dritten Lesung erfolgt die entscheidende Abstimmung, und da haben Sie auch gegen diese 1 000 € Lehrlingsausbildungsprämie gestimmt.

Was die 2 000 € Lehrlingsausbildungsprämie für in Ausbildung Stehende eines Berufs­feldes, in dem erhöhte Nachfrage besteht, betrifft, so kann ich nur an die Wirtschaft appellieren. Darin werden Sie mir wohl Recht geben, denn wenn es weniger offene Stellen gibt und mehr Lehrstellensuchende, dann gibt es diesen Aspekt nicht. Dass es eine Verordnung geben sollte, um dort, wo mehr Nachfrage besteht, man aber keine Lehrlinge bekommt, mittels einer erhöhten Prämie zu versuchen, Lehrlinge auszubilden und der Wirtschaft zuzuführen, ist eine logische Sache. (Abg. Silhavy: Herr Kollege! Und was ist mit den Lehrwerkstätten?)

Natürlich werden wir daran arbeiten müssen – dazu hat sich diese Bundesregierung auch bekannt –, dass wir für jeden Jugendlichen unter 25 besondere Maßnahmen set­zen. Wenn Sie das jetzt auch schlechtreden: Dass im ersten Quartal 2003 die Zahl der


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abgeschlossenen Lehrverträge im Vergleich zum Vorjahresquartal um 10 Prozent gestiegen ist, ist ein Erfolg! Das müssen Sie zugeben, dass das ein Erfolg ist, und nicht schlechtreden.

Ich sage Ihnen, im abgelaufenen Ausbildungsjahr haben 7 490 Jugendliche durch das Jugendausbildungsgesetz an Maßnahmen teilgenommen, die gesetzt worden sind. Nehmen Sie doch die Fakten zur Kenntnis, nehmen Sie zur Kenntnis, dass hier etwas getan worden ist! Weiters konnte für 10 275 Jugendliche, davon 9 809 in der Alters­gruppe zwischen 19 und 25 – eine Gruppe, die abdriftet, wenn man nichts für sie tut; wenn man schon vorher nichts getan hat, dann muss man jetzt etwas tun, da werden Sie mir sicher zustimmen, nicht wahr, Herr Kollege Öllinger –, in Sonderprogrammen, Qualifizierungsmaßnahmen, Eingliederungs- und Beschäftigungsprojekten im Rahmen des AMS sicherlich etwas getan werden.

Es waren in diese Förderungsmaßnahmen im Jahr 2000 schon etliche Jugendliche eingebunden. Man hat im Jahr 2000 141 Millionen € dafür verwendet. Man hat im Jahr 2001 126,7 Millionen € dafür verwendet und im Jahr 2002 130,4 Millionen €. Ins­gesamt sind, wie wir vorhin schon gesagt haben, 146 682 Jugendliche in den Genuss dieser Fördermaßnahmen gekommen.

Jugendbeschäftigung, Lehrlingsausbildung – was das betrifft, brauchen wir uns im internationalen Vergleich überhaupt nicht zu verstecken, diesbezüglich steht Österreich ganz gut da. Aber das darf kein Ruhepolster sein, denn wer rastet, der rostet. Wir wer­den weiter daran arbeiten. Die Bundesregierung ist bemüht, ständig an Modellen und Initiativen zu arbeiten, um Jugendliche, auch benachteiligte Jugendliche besser als bis­her in die Berufsausbildung zu integrieren. Die letzten Maßnahmen dazu sind erst vor kurzem gesetzt worden. Die Vorlehre wurde leider wenig in Anspruch genommen, aber das hindert uns nicht daran, die Ausbildung weiter zu forcieren und für die Jugend­lichen in Österreich etwas zu tun. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.14

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. 5 Minu­ten, so wie alle anderen. – Bitte.

 


18.15

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich vorweg meine Fraktion entschuldige, die sich gerade in einer fraktionellen Beratung über die Ergebnisse der Präsidiale befindet.

Ich möchte meiner Verwunderung darüber, wie diese Debatte verläuft, Ausdruck verlei­hen, um das in diese vornehme Formulierung zu kleiden. Es geht um einen Anstieg – wenn ich jetzt die Anfragebeantwortung einmal etwas „entkerne“ – bei den jugend­lichen Arbeitslosen und um die Maßnahmen, die die Bundesregierung dagegen unter­nommen hat.

Es ist ein völlig legitimes Recht und auch eine Aufforderung an Sie, Herr Bundesminis­ter, jenseits der konkreten Anfragebeantwortung und deren manchmal nebuloser For­mulierungen dort, wo sie konkret werden sollte, darüber zu debattieren, ob die Maß­nahmen, die in den letzten Jahren unternommen wurden, ausreichend sind oder ob es falsche Maßnahmen sind; das könnte auch sein. Es könnte natürlich auch sein, dass es richtige Maßnahmen sind. Aber angesichts dessen, wie die Debatte von Seiten der Regierungsparteien verläuft, hat man nicht den Eindruck, als ob man auch nur einen Moment darüber nachdenken möchte und würde, ob das unter Umständen nicht tat­sächlich die falschen oder ungeeigneten Maßnahmen waren, die man da ergriffen hat.


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Herr Kollege Trinkl, gestatten Sie mir eine Anmerkung zu Ihren Ausführungen. Es ist mir wichtig, festzuhalten – auch für das Protokoll! –, dass Sie es waren, der gesagt hat – jetzt gerichtet an die Adresse der sozialdemokratischen Fraktion, aber das trifft für uns genauso zu, denn wir hätten in dritter Lesung auch gegen diese Prämie ge­stimmt, wenn wir gekonnt hätten –: In dritter Lesung konnten Sie – die Opposition – nicht dagegen stimmen, denn dann hätten Sie auch gegen die Unterstützung der Hochwasseropfer gestimmt.

Wissen Sie, was Sie da für eine Verknüpfung vorgenommen haben? Sie geben damit zu, dass Sie die Opposition erpressen wollten mit dieser Verknüpfung, und das halte ich wirklich nicht für eine saubere Herangehensweise an das Thema Jugendarbeitslo­sigkeit. – So ist es gewesen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Gabriela Moser.)

Ich kann mich erinnern, Herr Kollege Trinkl – ich glaube, Sie waren bei der Debatte da­bei, und das war gar keine schlechte Debatte mit den Vertretern auch der Regierungs­parteien in einem Ausschuss, der dafür nicht vorgesehen war; es war, glaube ich, der Budgetausschuss und nicht der Sozialausschuss, oder der Finanzausschuss –, wir haben in allerletzter Minute wieder einmal über die Maßnahmen diskutiert und darüber, ob die Instrumente die richtigen sind. Es war eine ganz offene Debatte, die im Nichts geendet hat, weil eigentlich das, worüber man diskutieren wollte, auch mit den Mitglie­dern und von Seiten der Mitglieder der Regierungsparteien, schon längst auf dem Weg war. Es war also klar, die Debatte wird ziemlich ergebnislos verlaufen – und so war es auch. (Abg. Dr. Trinkl: Sie haben ja diesen Maßnahmen zugestimmt!)

Auch von Ihrer Seite gab es damals in dieser kurzen Zeitspanne von einer Stunde das Interesse und die Bereitschaft, über andere Maßnahmen zu diskutieren. Das war dann weg – aus, Ende, Abstimmung und Abstimmung im Plenum mit dieser Verknüpfung von Hochwasseropfern und Lehrlingen!

Wissen Sie, was ich wirklich ungeheuerlich finde? – Dass wir in einem Antrag, in einem Gesetzesvorhaben gleichzeitig über Hochwasseropfer und Lehrlinge abstimmen und somit entscheiden müssen, was uns wichtiger ist: Hochwasseropfer oder geeig­nete Maßnahmen für Lehrlinge!

Zweiter Punkt: Ich rege wirklich an, Herr Bundesminister – es wäre an der Zeit, nach­dem wir jetzt seit spätestens 1997 ein um das andere Mal ein um das andere Jahr immer wieder Maßnahmen beschlossen haben, die auf steuerliche Erleichterungen, Subventionen, Zuschüsse, irgendwelche Ausbildungsangebote als Überbrückungshilfe abgestellt haben –, dass wir nach einer Zeitspanne von sechs oder sieben Jahren, und zwar nicht nur Bezug nehmend auf einen kurzfristigen Zuwachs von 10 Prozent mehr Lehrlingen von einem auf das andere Jahr, die Maßnahmen insgesamt untersuchen: Waren und sind es geeignete Maßnahmen, um das duale System abzusichern? Braucht es nicht auch jenseits des dualen Systems zusätzliche Maßnahmen? (Präsi­dent Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Dazu die letzte Anregung, Herr Bundesminister: Auch die Arbeitslosigkeit bei 19- bis 25-Jährigen und bei ausgebildeten Akademikern beziehungsweise Maturanten ist stark angestiegen. Wir sollten das Thema Jugendarbeitslosigkeit ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, das Glockenzeichen ernst zu nehmen!

 


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Wir sollten das Thema Jugendarbeitslosig­keit insgesamt sehr ernsthaft diskutieren, und dazu bräuchte es mehr Zeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Gabriela Moser.)

18.20

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers ist damit beendet.


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Fortsetzung der Tagesordnung

 

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kehren nun zur Tagesordnung zurück und nehmen die Verhandlungen über den 4. Punkt der Tagesordnung wieder auf.

Frau Kollegin Bleckmann, in meinem Croquis steht „Kaipel“, aber Sie waren am Wort, soweit ich mich erinnere. (Abg. Dr. Bleckmann: Ja, drei Minuten noch!) Das heißt, Sie haben das Recht, die Debatte fortzusetzen. – Bitte.

 


18.21

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Jetzt sind wir wieder beim Rechnungshofbericht, und ich komme zurück auf die Wortmeldung des Kollegen Kräuter vor fast vier Stunden. Beim Aufdeckerpartei-Image wird uns die SPÖ nie den Rang ablaufen können, und sie wird es uns auch nie streitig machen können, denn ich sage Ihnen schon: Kehren Sie doch vor der eigenen Tür, werte Abgeordnete! Kehren Sie in Ihren eigenen Reihen! Insofern ist es ja gut, dass mein Debattenbeitrag jetzt erst fortgesetzt wird, denn da flatterte eine „NEWS“-Mel­dung ins Haus über Ihren Kollegen Verzetnitsch, der sich mit peinlichen Finanzbe­scheiden herumschlagen muss:

Die Finanz prüfte aufwendig und kam ... zu folgendem Ergebnis.“ – Ich erspare es Ihnen, das Gesamte vorzulesen. – „Verzetnitsch zahlt für rund 200 Quadratmeter Wohnfläche seiner Penthouse-Wohnung monatlich 1 240 € (rund 17 000 Schilling). Das sei weit weniger als die Hälfte der ortsüblichen Miete.

Kürzlich wurde nun eine Reihe von Steuerbescheiden losgelassen: Die Finanz bewer­tet die Differenz aus ortsüblicher und tatsächlicher Miete als ‚Vorteil aus einem Dienst­verhältnis‘ und besteuerte es zum Lohnsteuersatz.“ (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die geforderte Nachzahlung beträgt 1 Millionen Schilling. Na, ich denke mir, so eine Ente, wie Sie es sich wünschen würden, kann es nicht sein. (Zwischenrufe der Abge­ordneten Mag. Hoscher und Krainer.) Dann soll er klagen oder soll herzeigen, wie sein Steuerbescheid ausschaut. Aber ich finde es schon sehr interessant, dass der Herr ÖGB-Präsident, der einerseits sagt, er setzt sich für die Kleinen ein, andererseits Vorteile aus seiner Funktion zieht und günstiger in einer Wohnung wohnt, die sich andere, die er angeblich vertritt, gar nicht leisten können.

Kehren Sie hier erst einmal vor der eigenen Türe, bevor Sie über andere den Schmutz­kübel ausleeren! – Punkt eins.

Punkt zwei: Kehren Sie auch vor der eigenen Türe, wenn es um die Repräsentations­kosten geht! Schauen Sie sich an, was Ihr Ex-Finanzminister Edlinger im Jahre 2000, 2001, 2002 in Summe insgesamt ausgegeben hat. (Abg. Mag. Hoscher: Da war er nicht Finanzminister!) Rechnen Sie die Summen 2000, 2001, 2002 zusammen! Das ist zusammengerechnet weniger als die Summe, die Finanzminister Edlinger im Jahr 1999 ausgegeben hat im Gegensatz zum jetzigen Finanzminister. Insofern hat der SPÖ-Finanzminister viel mehr Geld in einem Jahr ausgegeben als ein anderer Finanz­minister in drei Jahren. (Abg. Dr. Kräuter: Sprechen Sie zum Gegenstand!)

Also schauen Sie sich diese Dinge an! Kehren Sie vor der eigenen Türe! Wir werden nicht dazu beitragen, Ihr Defizit an Sommerthemen stopfen zu helfen. Wenn Ihnen die Themen ausgehen, müssen Sie sich anderweitig umschauen.

Die Freiheitlichen halten diese Permanenzerklärung für nicht notwendig. Wir haben sechs Monate Zeit, uns ausreichend darüber zu unterhalten. Wir haben im Sommer genug zu tun. Beteiligen Sie sich daran, die Harmonisierung festzuschreiben und um­zusetzen, beteiligen Sie sich an dem, was Ihnen auch ein großes Anliegen sein sollte,


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nämlich die Schwerarbeiterregelung umzusetzen. Hier ist genug Sommerarbeit, uns mit wirklichen und echten Problemen auseinander zu setzen, anstatt eine Vorverurtei­lung vorzunehmen. Das wäre das, was ich Ihnen raten würde, denn: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.24

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

 


18.25

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Meine Herren Präsidenten! Herr Staatssekre­tär! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin, wenn Sie noch den Anspruch stellen wollen, Aufdecker zu sein, dann haben Sie morgen die Gelegenheit dazu, mitzutun, andernfalls Sie zu Zudeckern mutiert sind. (Abg. Scheibner: Wie bitte? Wozu mutiert?) Zu Zudeckern, nicht zu Aufdeckern. Klar! (Beifall bei der SPÖ.)

Von wegen Edlinger/Grasser: Sie wissen, dass Finanzminister Edlinger die Staatsver­schuldung massiv eingedämmt hat (ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheit­lichen – Abg. Scheibner: Na geh, wie geht das?) und dass Finanzminister Grasser die höchsten Schulden angehäuft hat: 170 Milliarden in drei Jahren zusätzlich.

Darf ich mich in ein paar wenigen Minuten mit der betrieblichen Pensionsvorsorge beschäftigen und einige Bemerkungen dazu machen: Der Rechnungshofbericht zeigt, dass es ein Fehler ist, das Umlagesystem zu schwächen. Er zeigt auch, dass es kaum möglich ist und für viele gar nicht möglich ist, Verluste durch private Vorsorge zu kom­pensieren.

Der Rechnungshof führt auch aus, dass angesparte Anwartschaften nach Jahrzehnten erheblich an Wert verlieren können. Nicht nur der Rechnungshof sagt das, sondern auch der General der Oesterreichischen Nationalbank sagt, das ist kein Game, das immer nur Gewinne macht.

Die Bundesregierung wird in den nächsten drei Jahren aus dem Titel Pensionen den Menschen über 1 600 Millionen € wegnehmen, während sie denselben Menschen erklärt, dass sie in Zukunft weniger staatliche Pension zu erwarten haben. (Abg. Neu­deck: Sie wollen schon wieder Panik machen!) Die Botschaft der Regierung ist: private Vorsorge. Die Probleme damit kennen Sie, ohne dass Sie besonders darauf hinweisen. Der Beweis für das Risiko sind zweifellos die 200 000 Betroffenen, die seit fünf Jahren einzahlen und derzeit etwa 400 Millionen € verlieren. Ich denke, dass dadurch das Ver­trauen in die private Pensionsvorsorge nachhaltig geschädigt ist, aber anstatt das Ver­trauen aufzubauen und die Anleger zu stärken, machen Sie das Gegenteil. Sie machen Gesetze für die Pensionskassen, Gesetze, um die Anleger zu enteignen.

Der Rechnungshof stellt auch fest, dass die private Vorsorge erst ab einem bestimm­ten Familieneinkommen realistisch ist, das heißt also, nur für Besserverdienende ge­eignet ist. Das heißt auch, dass die staatliche Prämie Steuergeld von jenen ist, die sich die Vorsorge nicht leisten können. Das heißt, Arme finanzieren die Reichen. Das ist ein weiteres Beispiel, das aufzeigt, wohin Sie Österreich führen wollen.

Mit Ihrem Privatisierungsrausch, den Sie jetzt fortsetzen, stellen Sie einmal mehr die Ideologie vor Österreich. Tatsache ist, dass Tausende österreichische Frauen und Männer die Werte zu erarbeiten hatten, die Sie nun verschleudern – mit dem Ergebnis, dass die, die die Werte erarbeitet haben, am Ende arbeitslos werden. Siehe Austria Tabak!


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Meine Damen und Herren! Diese Politik ist eine Zumutung für Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

18.29

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

 


18.29

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Herr Rechnungshofpräsident! Meine Damen und Herren! Vorweg darf ich kurz den Vorwurf des Kollegen Kräuter, die Regierung würde unsauber und verantwortungslos sein, auf das Entschiedenste zurückweisen. Aber bei dem Stichwort „verantwortungs­los“ fällt mir durchaus zum Beispiel eine Initiative des ehemaligen Bundeskanzlers Viktor Klima ein. Da hat es einmal in Richtung Lehrlingsoffensive eine Initiative gege­ben, „Euroteam“ hat die geheißen. Die hat mehr als 100 Millionen gekostet, zig Millio­nen – aber außer Spesen nichts gewesen. Das ist ein Beispiel für verantwortungslose Politik, Herr Kollege Kräuter! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Der Rechnungshofbericht über das Verwaltungsjahr 2001 bestätigt vielmehr, dass in den Ministerien transparent und verantwortungsvoll gearbeitet wird. Dieser Rechnungs­hofbericht gewährt uns wirklich wertvolle Einblicke in das Arbeiten und Wirken der einzelnen Ministerien. Den Mitarbeitern des Rechnungshofes ist es zu verdanken, dass wesentliche Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, und in den Ausschussbe­ratungen hat man durchaus Gelegenheit gehabt, zu sehen, welche dieser Verbesse­rungsmöglichkeiten entsprechend aufgenommen wurden. Beispiel: ÖIAG, Finanzminis­terium. Die Umwandlung der Leistungszusagen in eine Betriebsvereinbarung war für die ÖIAG ein Vorteil.

Es sind allerdings auch einige Schwächen aufgezeigt worden, und es ist aufgezeigt worden, wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Da werden wir natürlich entspre­chend genau schauen, dass diese Verbesserungsmöglichkeiten auch aufgegriffen werden.

Wer sehr viel leistet in Richtung positives Beispiel, ist eigentlich das Bundesministe­rium für Landesverteidigung. Es hat viele Anregungen gegeben, und diese sind auch entsprechend umgesetzt worden. Vielleicht könnte man es auch so sagen: Ein positi­ver Bericht ist Ansporn für weiterhin positive Arbeit. So sind auch Anregungen aus dem Jahr 2000 umgesetzt worden, bei denen es um die IT-unterstützte Materialverwaltung gegangen ist. Sehr viele Anregungen im Umweltbereich sind umgesetzt worden, und durch Maßnahmen zur Senkung des Aufwandes für Personal und gesetzliche Ver­pflichtungen sind im Zeitraum vom Jahr 1998 bis zum Jahr 2001 insgesamt kumulierte Einsparungen von rund 305 Millionen € erzielt worden. Ich glaube, das ist durchaus etwas, was sich sehen lassen kann. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner.)

Natürlich richte ich bei den Berichten des Rechnungshofes sehr viel Augenmerk dar­auf: Wo gibt es Doppelgleisigkeiten? Wo gibt es vielleicht Verschwendung? Aber auch: Wo sind Einsparungspotentiale vorhanden? Die Arbeit der Rechnungshofbeamten liefert uns hier wirklich die Möglichkeit zu langfristiger Kontrolle und zu nachhaltigen Reformen.

Man hat nach Studium der Berichte durchaus feststellen können, dass großteils auf die Anregungen des Rechnungshofes eingegangen wird und dass die Zusammenarbeit zwischen Ministerien und Rechnungshof gut funktioniert. Somit ist für mich persönlich der Tätigkeitsbericht über das Verwaltungsjahr 2001 ein Beweis dafür, dass die Zu­sammenarbeit gut funktioniert, und es ist den Beamten auf beiden Seiten, sowohl in


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den Ministerien als auch im Rechnungshof, sehr herzlich für die wertvolle Arbeit zu danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.32

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


18.32

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsi­dent des Rechnungshofes! Dass der Rechnungshof immer wieder in regelmäßigen Abständen von den Parlamentariern nicht nur gelobt, nicht nur wertgeschätzt, sondern auch als Fundus, als Quelle, als verlässlicher Topf von Anregungen betrachtet wird, brauche ich jetzt fast nicht zu wiederholen. Dass der Rechnungshof uns gleichzeitig in einer Graphik auch vor Augen führt, dass vor allem ein Ministerium, nämlich das Minis­terium für Wirtschaft und Arbeit – für mich ist es ja bezeichnend, dass es gerade das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit ist –, nicht im erforderlichen Ausmaß die finan­ziellen Auswirkungen rechtsetzender Maßnahmen kalkuliert, ist für mich auch eine sehr wichtige Botschaft dieses Berichtes, der jetzt vorliegt.

Herr Bundeskanzler, da Sie jetzt anwesend sind: Ich habe noch einmal nachgeblättert, wie es denn mit dem Bundeskanzleramt ausschaut. Das Bundeskanzleramt hat gerade bei den Verordnungen auch nicht den Beststand in der Berücksichtigung der Kalkula­tion der Folgekosten. Sie sitzen ja jetzt direkt neben dem Herrn Rechnungshofpräsi­denten. Vielleicht könnten Sie auch ein bisschen in die Richtung ein Gespräch führen, dass die Einbeziehung der Anregungen des Rechnungshofes auch bei den Verordnun­gen wirklich im vollen Umfang vor sich geht. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Präsident Fiedler, Sie haben uns im Ausschuss zu zwei Thematiken einen wirklich umfassenden Katalog mit Verbesserungsvorschlägen unterbreitet, und das war vor allem im Gesundheitsbereich. Da Sie auch Vorsitzender des Konvents sind und der Konvent sich mit den Agenden, mit der Arbeitsteilung in unserer Republik beschäftigen wird, wird er wahrscheinlich auch einmal die Agenden der Gesundheitspolitik zum Thema haben. Ich hoffe, Herr Präsident, dass Sie dann in diesem Kontext und in die­sem Zusammenhang auch auf Ihre Untersuchungen, auf die qualitätsvolle Arbeit Ihrer Beamten verweisen können.

Wir werden im Herbst die gesundheitspolitische Debatte wieder verstärkt ins Zentrum rücken müssen, und für mich persönlich war es schon bezeichnend, dass gerade der Rechnungshof seinen Finger immer wieder in dieselbe Wunde der Gesundheitsfinan­zierungen legen muss, nämlich betreffend die starke föderalistische Strukturierung und betreffend das Problem, dass bei der Krankenanstaltenfinanzierung die Kassen, die eigentlichen Zahler der Kunden, zu wenig zu reden haben, sondern dass das sehr stark auch von den politischen Institutionen der Länder gesteuert wird. So haben wir im Vergleich zum europäischen Durchschnitt einen Bettenüberbestand, aber wir haben es trotz verschiedener Ankündigungen seit zehn Jahren nicht geschafft, hier endlich ein­mal entsprechende Reduktionen durchzuführen, die dann zu einer effizienteren Heran­gehensweise in den Spitälern und zu einer langfristig besseren Betreuung vor allem auch der Alten und Kranken – da könnte man ja Betten umwidmen – führen soll. (Bei­fall bei den Grünen.) – Das war das eine Kapitel.

Es hat noch ein anderes wichtiges Kapitel gegeben, bezeichnend auch auf Grund der aktuellen Lage. Und zwar möchte ich mit dem Verweis auf das Kapitel ÖIAG und Pen­sionszahlungen bei der ÖIAG noch dankbar sein für die Kritik des Präsidenten, der sehr deutlich herausgestrichen hat, dass sich die Manager nicht daran hielten, die Schablonenverordnung einzuhalten. Es wurde nicht akzeptiert, dass erst fünf Jahre


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nach der Bestellung Pensionsansprüche entstehen, sondern man hat einfach diese Verordnung mehr oder weniger zur Seite gelegt und nicht berücksichtigt, was sicherlich weder im Sinne der ÖIAG noch im Sinne des Rechnungshofes war.

Genauso könnte man auch noch auf die Post und andere Institutionen verweisen. Ich mache das aus zeitlichen Gründen nicht. Ich hoffe nur, dass uns in den nächsten Sitzungen des Rechnungshofausschusses noch ausreichend Zeit zur Verfügung steht und dass vor allem das passiert, was wirklich notwendig ist, denn sonst ist diese Zeit verloren, auch die Zeit der Diskussion hier im Plenum: dass die Anregungen und die Aufforderungen des Rechnungshofes auch wirklich ernst genommen werden. Ich glaube, das könnte in verstärktem Ausmaß geschehen. Angesichts dessen, was man oft zu lesen bekommt, was die Umsetzung der Rechnungshofvorschläge, was die Um­setzung der Vorschläge, die in den Rohberichten enthalten sind, anlangt, muss man feststellen, dass hier noch Verbesserung angebracht ist. Da müssen wir auch in den Ministerien und bei den Verwaltungskörpern darauf dringen, dass sie das ernster nehmen.

Gestatten Sie, Herr Präsident Fiedler, zum Schluss auch eine leicht kritische Anre­gung: Sie prüfen sehr stark betriebswirtschaftlich orientiert; vielleicht können Sie auch einmal den Blick ein bisschen in Richtung Volkswirtschaft öffnen. Manchmal tun Sie es ja, aber vielleicht könnte dieser Aspekt von Ihnen in Zukunft noch etwas vorrangiger betrachtet werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.37

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte.

 


18.38

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Wenn ich meinen Ausfüh­rungen einen Dank an Sie, Herr Präsident Dr. Fiedler, und an Ihre Mitarbeiter voran­stelle, so ist das keine Pflichtübung, sondern es ist immer wieder erfrischend zu sehen, wie kompetent Sie Auskunft erteilen, wie sachlich Sie prüfen und wie gut es Ihnen ge­lingt, den Skandalisierungsversuchen so mancher Oppositionspolitiker auszuweichen und dort den Finger auf die Wunde zu legen, wo es Not tut, und nicht dort, wo es sich so mancher aus verschiedenen Ursachen heraus gerne wünschen würde. (Abg. Öllin­ger: Wir weichen nicht aus! Sie weichen aus!) Wir weichen nicht aus, Kollege, wir weichen nur dann aus, wenn Sie mit Dreck schleudern und nichts dahinter ist.

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Kollege! Dieser Ausdruck ist regelmäßig nicht akzeptiert worden! Bitte nehmen Sie ihn zurück!

 


Abgeordneter Detlev Neudeck (fortsetzend): Ich weiß nicht: Was soll ich zurückneh­men? „Dreck“? „Schleudern“?

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: „Dreckschleuder“.

 


Abgeordneter Detlev Neudeck (fortsetzend): Gut, ich nehme den Ausdruck zurück. Aber wenn Sie mit Schmutz werfen, dann wird man sich wohl ducken dürfen. (Abg. Öllinger: Sie sind ein Witzbold!) Ja, lachen Sie ein bisschen drüber, das ist Ihnen un­benommen.

Ich möchte mich jetzt eigentlich auf zwei Punkte beschränken. Das eine ist, dass der Rechnugshof in seinen Ausführungen darlegt, dass es in der Österreichischen Galerie seit zwei Prüfungen – eine war im Jahr 1998/1999, eine von März bis Mai 2001 – sehr wohl Änderungen gegeben hat, dass aber doch wesentliche Verbesserungen nicht ge­griffen haben, und vor allen Dingen, dass im Zuge der Ausgliederung der frühere Direk­tor und nunmehrige Geschäftsführer der Österreichischen Galerie eine Gehaltsverdop­pelung erhalten hat. Da ist mir die Erklärung, die bisher abgegeben wurde, warum das


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notwendig ist, noch nicht ganz verständlich. Und vor allen Dingen haben die Verbesse­rungen, die bisher durchgeführt wurden, eine solche Verdoppelung des Gehaltes sicher nicht gerechtfertigt.

Das Zweite: Es war damals, in der Zeit des Ausschusses, gerade der Raub der „Saliera“ geschehen, und es hat sich im Zusammenhang mit der Versicherungs­deckung bei den Museen, aber auch bei den gesamten Bundeseinrichtungen ergeben, dass der Staat, der Bund selbst eine so große Risikogemeinschaft ist, dass das Ver­sichern von Objekten in Wirklichkeit wenig Sinn macht. Das wird auch, wie ich weiß, bei den meisten Ministerien so gehalten. Es macht dann aber wenig Sinn, wenn ein­zelne Museen doch Gegenstände versichern, die nicht Leihgaben sind. Bei Leihgaben sehe ich das ein, aber in dem Moment, in dem Einzelobjekte versichert werden, wird diese große Risikogemeinschaft durch Prämienzahlungen durchbrochen. Da sollte man schon darauf einwirken, dass entweder grundsätzlich versichert wird oder grund­sätzlich nicht versichert wird. Sonst ist wegen der teilweisen Prämienleistung diese, wie gesagt, große Risikogemeinschaft nicht gegeben.

Weiters war es interessant, im Rechnungshofausschuss zu erfahren, dass der Umwelt­schutz im Bundesheer einen besonders hohen Stellenwert hat. Es gibt ein, zwei Kritik­punkte, aber im Großen und Ganzen sind im Tätigkeitsbericht 2001 die Bemühungen des Bundesheeres zum Schutz der Umwelt – insbesondere die zahlreichen Initiativen des Heeres etwa bei Bauten, im Vergabewesen oder in der Munitionsentsorgung – lobend hervorgehoben worden. Weiters informierte der Verteidigungsminister über die Zuerkennung von Umweltpreisen an das Bundesheer und über erfolgreich verlaufene Pilotprojekte für den Einsatz von Alternativenergien beim Heer.

Besonders interessant für die Grünen, die ja ein bisschen ein problematisches Verhält­nis zum Bundesheer haben, ist die Information, dass die Truppenübungsplätze an und für sich fast schutzwürdige Biotope und Urwaldgebiete sind. Laut Verteidigungsminister Platter sind Truppenübungsplätze Rückzugsgebiete seltener Tier- und Pflanzenarten; ich nehme nicht an, dass damit nur die im Volksmund oft „Goldfasane“ genannten Generäle gemeint waren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.42

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Krist. – Bitte.

 


18.42

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Ich möchte aus dem Rech­nungshofbericht ein Thema herausheben, weil dazu erstens intensive persönliche Er­fahrungen vorliegen, weil es für ArbeitnehmerInnen von größter Wichtigkeit war und ist, weil ganz besonders auch Präsident Fiedler in unmissverständlicher Deutlichkeit Kritik an diesem Punkt angebracht hat und weil schlussendlich die Auskünfte des Herrn Ministers Bartenstein im Rechnungshofausschuss nicht gerade sehr ergiebig waren. Es geht um die Ausgliederung des Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds.

Ich würde einmal sagen: „Learning by doing“, keine Konzepte, aber dafür so rasch wie möglich – das dürfte die Devise bei diesem Ausgliederungsvorhaben gewesen sein! Das alte System „wies“ zwar „einen hohen Verbesserungsbedarf auf, ... Die Schwä­chen ... hätten“ aber „innerhalb des damals bestehenden Systems behoben werden können“, sagt vollkommen zu Recht der Rechnungshof in seinem sehr kritischen Be­richt. Ich möchte mir erlauben, einige Beispiele herauszuheben.

Die EDV-Ausschreibung möchte ich einmal als ein Tal der Tränen bezeichnen; sie ist schlussendlich, sagen die Experten, zutiefst blauäugig und mit sehr bescheidenen Sachkenntnissen erfolgt. Anstatt ein exaktes Pflichtenheft als Basis für eine brauch-


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bare IT-Lösung auszuarbeiten, war das Ministerium der Meinung, mit einem angebote­nen Software-Standardpaket das Auslangen zu finden. Man hat sogar geglaubt, dass daraus bereits Daten für ein effizientes Controlling zu bekommen sind. Das war natür­lich eine fatale Fehleinschätzung, trotz respektabler Beratungskosten. Präliminiert wur­den für dieses Software-Paket 77 000 €, gekostet hat es ein Vielfaches. Die Frage nach den tatsächlichen Kosten ist unbeantwortet geblieben. Ich denke auch, dass das Interesse des Herrn Ministers an dieser Debatte und am Rechnungshofbericht nicht allzu groß ist, weil er ja auch nicht anwesend ist.

Meine Damen und Herren! Eine externe Beraterfirma wurde für eine Organisationsana­lyse eingeschaltet, diese hat vier statt bisher zwölf Standorte empfohlen. Nach durch­aus berechtigter Kritik der Beschäftigten wurden es schlussendlich neun Standorte. Wer jetzt glaubt, dass wir neun Bundesländer haben und in jedem Bundesland ein Standort ist, der irrt. Es ist in jedem Fall zu kritisieren, dass bei dieser Veränderung des Konzepts weder eine Bewertung noch eine Folgekostenrechnung durchgeführt wurde und daher die Kosten eigentlich nicht in den Griff zu bekommen waren. Warum Ober­österreich zwei Hauptgeschäftsstellen hat und Vorarlberg nur eine Nebenstelle von Tirol, von Innsbruck wurde, ist auch nicht wirklich verständlich und eigentlich nicht schlüssig zu erklären.

Ein besonderes Schmankerl ist der Wechsel des Standortes in Wien. Nicht wirklich nachzuvollziehen ist der Umzug von der Geigergasse in die Operngasse. Während der Mietzins in der Geigergasse 5,74 € pro Quadratmeter betrug, liegt er jetzt in der Opern­gasse bei 16 € pro Quadratmeter, und die angemieteten 2 000 Quadratmeter werden nicht einmal voll genützt.

Meine Damen und Herren! Fazit, und nachzulesen im Rechnungshofbericht: Synergie- und Know-how-Verluste der Ministerialverwaltung durch diese Ausgliederung, eine Kostenexplosion durch unprofessionelle Ausgliederungsvorbereitungen, ein mangel­haftes begleitendes Controlling, ein kaum nachvollziehbares Standortkonzept, der Overhead durch zwei Geschäftsführer und ein Aufsichtsratsgremium größer und teurer als je zuvor – also wirklich kein Ruhmesblatt für den verantwortlichen Wirtschaftsminis­ter! Daher ist die Kritik des Rechnungshofes mehr als berechtigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Mir persönlich würde es nicht einfallen, diese Ausgliederung als „stümperhaft“ und als eine unternehmerische „Geisterfahrt“ zu bezeichnen. Aber ich kenne viele Experten, denen in diesem Zusammenhang solche Aussagen relativ locker über die Lippen rutschen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer ist der nächste Redner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


18.47

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute, so wie auch im Rech­nungshofausschuss, den Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes für das Jahr 2001 und auch eine besondere Gebarungsprüfung.

Bei den Redebeiträgen des Herrn Kollegen Kräuter, heute in diesem Hohen Haus ebenso wie immer wieder auch in den Ausschüssen, hat man den Eindruck, dass Kollege Kräuter die Funktion und die Aufgabe des Rechnungshofes etwas falsch ein­schätzt. Er sieht ihn, so wie die Opposition insgesamt, quasi als Speerspitze der Oppo­sitionskritik gegen die Regierung. (Abg. Dr. Jarolim: Speerspitze der Gerechtigkeit!) Das ist aber nicht die Aufgabe des Rechnungshofes, was Sie heute so formuliert


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haben: Eine schiefe Regierungslage oder ein verantwortungsloser Umgang verschie­dener Ministerien würde hier hervorkommen und würde den Rechnungshof beschäfti­gen. Das findet sich nirgends, Herr Kollege Kräuter! Lesen Sie einmal in der Verfas­sung oder im Rechnungshofgesetz nach: Es steht dort nirgends, dass das die Aufgabe des Rechnungshofes ist.

Der Rechnungshof hat vielmehr die Aufgabe, im Auftrag des Parlaments die Verwal­tung und die Vollziehung zu überprüfen, die Gebarung des Bundes und der anderen Gebietskörperschaften. Es sollte in unserem gemeinsamen Interesse liegen, dass diese Arbeit nicht durch Polemik entwertet wird, sondern dass man die Kritik, die sehr oft wirklich berechtigt ist, zum Anlass nimmt, um neue Lösungen zu suchen und um die entsprechenden Anregungen aufzunehmen. Das geschieht auch in vielen Bereichen. Aber keinesfalls ist es so, dass der Rechnungshof sozusagen im Dienst der Opposition als reine Kritik, gegen die Regierung gerichtet, herhalten sollte. Es ist schade, wenn die Diskussion so geführt wird.

Ich habe die Vermutung und den Eindruck, dass Kollege Kräuter – zumindest ist das immer wieder der Tenor seiner Redebeiträge, und das kann man auch aus seinem Verhalten und aus der Vielzahl von Aussendungen ablesen, die immer im Vorfeld eines solchen Rechnungshofausschusses stattfinden und woraus man schon ablesen kann, was kommen wird – darin ein Regierungsorgan der Schattenregierung sieht. Er ist so etwas wie ein Teil dieser Schattenregierung, aber diese Schattenregierung, die Ihr Parteivorsitzender ja nie genannt hat – aus gutem Grund, wie man sieht und wie man an den Exponenten erkennt –, gibt es nicht. Wenn schon, dann steht die Opposition im Schatten dieser Bundesregierung; das ist die tatsächliche Situation! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Es ist natürlich schmerzlich, das zu hören, aber es entspricht eben den Tatsachen und den Fakten. (Abg. Dr. Jarolim: ... Schattenkabinett!)

Ich möchte noch auf das eingehen, was mein Vorredner jetzt erwähnt hat hinsichtlich der Ausgliederung des Insolvenzausfallfonds beziehungsweise der Ausgliederung der mit der Abwicklung dieser Fondsgelder befassten Beamten und Personen. Hier ist es nämlich keinesfalls so – wie man den Worten meines Vorredners entnehmen könnte –, dass der Rechnungshof gesagt hätte, diese Ausgliederung war falsch, sondern er hat gesagt, man hätte diese vielen Mängel, die durchaus attestiert worden sind und die bestanden haben, möglicherweise auch im bestehenden System ausbessern können.

Das wird auch nicht bestritten, aber es war eine richtige Entscheidung, hier einen anderen Weg zu beschreiten, nämlich zu sagen: Diese Aufgaben soll eine eigene Ge­sellschaft wahrnehmen. Es war auch keinesfalls so, dass dadurch hohe Mehrkosten verursacht worden sind, sondern es besteht eine gewisse Meinungsverschiedenheit darüber, welche Ersparnisse in den entsprechenden Ministerien jetzt schon schlagend geworden sind und wie sie zuzurechnen sind. Das war sowohl Grundlage der Diskus­sion zwischen dem Rechnungshof und der GesmbH als auch Grundlage der Diskus­sion im Rechnungshofausschuss.

Ich möchte daher an Sie appellieren, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, und vor allem an Sie, Herr Kollege Kräuter, den Rechnungshof als wichti­ges Instrument der Kontrolle wahrzunehmen und gemeinsam mit uns an der Behebung von durchaus immer wieder bestehenden Mängeln – bei einem so großen Apparat ist es keine Frage, dass es diese gibt und geben muss – zu arbeiten.

Ich danke jedenfalls dem Rechnungshof und seinen Beamten für die engagierte Arbeit und für die vielen Anregungen, die auch immer wieder aufgegriffen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Kräuter: Stimmen Sie zu im Unterausschuss?)

 


18.52


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Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Reheis. – Bitte.

 


18.52

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Ich möchte von dieser Stelle aus ebenfalls dem Herrn Präsidenten und den Mitarbeitern des Rechnungshofes danken: für ihre Arbeit, die sie das ganze Jahr haben, und vor allem für die korrekte Behandlung und Untersuchung der einzelnen Stellen, die sie immer zu untersuchen haben! Ihre Be­richte sind für uns in vielen Bereichen eine Offenbarung hinsichtlich dessen, was da und dort tatsächlich passiert.

Ich möchte heute aus dem Bericht zweierlei herausnehmen, einerseits den Rech­nungshofbericht über die Österreichische Galerie im Belvedere, der darin eigentlich ein erschütternd schlechtes Zeugnis über die Verwaltung, Verwahrung und Sammlung der ihr anvertrauten Kunstwerke sowie im Besonderen über die finanzielle Gebarung aus­gestellt worden ist. Zur Information: Im Jahr 2000 wurde dem Rechnungshofausschuss eine Liste mit 226 Kunstobjekten mit ungeklärtem Aufenthalt zugeleitet, zurückzuführen auf die bestürzenden Zustände in der Inventarisierung und Entlehnung der Objekte. Zum Beispiel die Sammlung Poiret, Werke von Egon Schiele sowie zahlreiche andere Kunstwerke waren überhaupt verschwunden, sodass damals auch die Staatsanwalt­schaft einschreiten musste. Diese Probleme sind trotz des Aufzeigens durch den Rech­nungshof noch immer nicht ganz behoben, und zahlreiche Leihnehmer verweigern oder verzögern die Rückstellung von Kunstwerken, unter anderem auch wegen angeb­lich ungeklärter Eigentumsverhältnisse und der Doppelinventarisierung.

An und für sich ist das bezeichnend für die Zustände in den Galerien und Museen. Ich werde ganz kurz auch die „Kronen Zeitung“ von morgen zitieren: Sie schreibt über den „Saliera“-Raub: „Maulkorb für Mitarbeiter“, „,Wer redet, kriegt Schwierigkeiten’“; nach dem Raub der Skulptur haben viele Versicherungen Vertrauen in die Kunsthäuser ver­loren.

Meine Damen und Herren, das ist ein Skandal, wenn Mitarbeiter, wenn Angestellte, die das Sicherheitssystem kritisieren, Schwierigkeiten bekommen und sagen, dass sie jetzt nichts mehr sagen, weil sie von Generaldirektor Seipel einen Maulkorb bekommen haben. Das spricht Bände über die Zustände in diesem Haus! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist eine Ironie, dass zwischen Generaldirektor Wilfried Seipel und Frau Bundes­ministerin Gehrer, die ihn ständig verteidigt hat, jetzt ein Streit über die Versicherungs­summe ausgebrochen ist. Das spricht Bände, und ich glaube, man sollte die Zustände in anderen Museen – ganz besonders was die Sicherheit betrifft – ebenfalls unter­suchen.

Herr Präsident Fiedler, ganz kurz: Es ist im „Kurier“ vom 21. Februar im Wirtschaftsteil der Rechnungshof-Rohbericht über die Vorstands- und Aufsichtsratsbestellung in der ÖBB und bei der Straßenbaufinanzierungsgesellschaft ASFINAG zitiert worden. Die Medien haben einen Rohbericht, die Abgeordneten haben diesen nicht! Ich zitiere aus dem „Kurier“:

„Der Rechnungshof-Rohbericht ... sollte wohl nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken, zu deutlich sind die Worte, die das Kontrollorgan des Parlaments dafür findet. Es wird deutlich dokumentiert, dass die damaligen Neubestellungen“ bei der ÖBB und der ASFINAG „nach dem Regierungswechsel politisch motiviert waren.“

Meine Damen und Herren, das spricht Bände! Ich glaube, so etwas gehört aufgeklärt und den Abgeordneten zur Kenntnis gebracht, und zwar nicht nur in einem Rohbericht, den keiner bekommt. (Beifall bei der SPÖ.)

 


18.56


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28. Sitzung / Seite 182

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puswald. – Bitte.

 


18.56

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mit dem vorliegenden Bericht kriti­siert der Rechnungshof, dass der Herr Verteidigungsminister seit Jahren die Empfeh­lung des Rechnungshofes, die Vorbelastungen für künftige Finanzjahre zu berücksich­tigen, nicht beachtet. (Abg. Scheibner: Das geht ja nicht!) Nicht nur, dass der Herr Verteidigungsminister diesem Übelstand nicht abhilft – auch Ihr Nachfolger nicht, Herr Kollege! (Abg. Scheibner: Das geht nicht!) –, sondern er setzt dem Ganzen noch dadurch die Krone auf, dass er ohne jede gesetzliche Grundlage die größte Belastung für das österreichische Budget seit Bestehen der Zweiten Republik vornimmt und einen Kampfjet-Kaufvertrag unterschreibt! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Diese Gesetzesverletzung, ein Kaufvertrag mit diesen Be­lastungen ohne jede gesetzliche Grundlage, ist nicht nur eine Verhöhnung der Öster­reicherinnen und Österreicher, deren Pensionen gekürzt werden müssen, damit man die Finanzierung einigermaßen darstellen kann, ist nicht nur eine Verhöhnung dieses Hauses, das als Gesetzgeber völlig ignoriert wird, sondern ist ein Skandal, wie er in der Zweiten Republik noch nie da war und wie er einzig durch eine Ministeranklage aufgeklärt werden kann! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Da können Sie, Herr Kollege Fasslabend, einmal Mut beweisen! Ich weiß schon, warum Sie süffisant lachen: weil Sie noch die Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause vor Augen haben; aber Sie vergessen, dass Ihnen die Wähler jetzt schon reihenweise davonlaufen und dass es nicht lange dauern wird, bis sich die Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause so geändert haben werden (Zwischenrufe bei der ÖVP), dass die Vor­aussetzungen für einen Nationalratsbeschluss über eine Ministeranklage gegeben sein werden. (Abg. Dr. Fasslabend: Es ist seit Jahren das gleiche Spiel ...! Das ist ein un­gutes Spiel!)

Noch etwas sage ich Ihnen, Herr Kollege: Auch Ihr Finanzminister Grasser wird sich dieser Ministeranklage unterwerfen müssen, denn die Interpretation der Steuergesetze, wie er – als oberster Säckelwart! – sie vornimmt, ist mehr als ein Skandal, es ist eine Beugung der Gesetze! Das ist heute bereits von Professor Doralt in eindrucksvoller Weise dargestellt worden. (Abg. Scheibner: ... Landesverteidigungsrat!)

Ich sage Ihnen jetzt schon, auch wenn Sie jetzt noch lachen: Die Mehrheitsverhältnisse werden sich ändern, und dieses Haus wird mit der erforderlichen Mehrheit diese bei­den Ministeranklagen verabschieden! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.) – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Ist das eine Dro­hung? Oder was ist das?)

18.58

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Präsident Dr. Fiedler. – Bitte, Herr Präsident.

 


18.58

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! (Ein Mikrophon auf der Regierungsbank fällt aus der Halterung.) Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich darf auf den Redebeitrag von Herrn Abgeordnetem Reheis eingehen, möchte aber zuvor noch meiner Genugtuung darüber Ausdruck ver­leihen, dass der Rechnungshof und seine Beamten heute von allen Fraktionen gelobt worden sind. Ich sehe darin auch einen Vertrauensbeweis für die gute Zusammen­arbeit zwischen dem Nationalrat und dem Rechnungshof, im Besonderen zwischen


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den Abgeordneten des Rechnungshofausschusses und dem Rechnungshof. Vielen herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

Herr Abgeordneter Reheis! Sie haben darauf Bezug genommen, dass ein Bericht des Rechnungshofes nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken soll, weil die darin vom Rechnungshof aufgezeigten Verfehlungen so schwer seien, dass man sich geradezu scheuen müsse, diesen Bericht zu veröffentlichen. So war die von Ihnen zitierte Pressemitteilung.

Ich möchte, um alle Missverständnisse zu vermeiden, eindeutig klarstellen: Der Rech­nungshof als Organ des Nationalrats ist verpflichtet, alle seine Berichte dem National­rat vorzulegen – mit gewissen Ausnahmen, die aber den Kammerbereich betreffen und im gegenständlichen Fall nicht von Bedeutung sind. Und natürlich wird auch der Be­richt, der sich auf die Nachbestellungen von Aufsichtsräten und Vorstandsvorsitzenden in der ÖIAG beziehungsweise in anderen öffentlichen Unternehmungen bezieht, dem Nationalrat vorgelegt werden, und zwar, wie ich hinzufügen darf, in nächster Zukunft. Die Abgeordneten können sich dann selbst ein Bild davon machen. Es soll nicht auch nur der kleinste Schimmer eines Verdachts aufkommen, der Rechnungshof würde Be­richte erstellen und diese dann – aus welchen Gründen auch immer – geheim halten und nicht dem Nationalrat zuleiten. Er ist dazu gesetzlich verpflichtet und kommt dieser Verpflichtung auch stets nach. – So viel dazu. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn über­nimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich nun ganz kurz auf ein anderes Problem eingehen, das auch von einem meiner Vorredner angeschnitten wurde, und zwar den Diebstahl der Saliera. Der Rechnungshof hat zwar nicht das Kunsthistorische Museum überprüft, aber im Tätig­keitsbericht über das Verwaltungsjahr 2001, der ja Gegenstand der Verhandlungen im Ausschuss und auch der heutigen Sitzung ist, ist auch ein Berichtsteil über die Öster­reichische Galerie im Belvedere enthalten. In diesem Zusammenhang hat sich der Rechnungshof auch der Frage der Versicherung von im Bundeseigentum stehenden Kunstwerken gewidmet und ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass er für diese Kunst­werke auch bei ausgegliederten Rechtsträgern, und das sind nun gewisse Museen wie beispielsweise das Kunsthistorische Museum und auch die Österreichische Galerie im Belvedere, keine Versicherungspflicht sieht, sondern dass die üblichen Usancen für Bundesvermögen zur Anwendung zu kommen haben, nämlich dass das Gesetz der großen Zahl an sich ausreichend ist, um insgesamt einen Versicherungsschutz zu bieten, und dass eine Versicherung für einzelne Objekte oder auch für das gesamte Museum nicht erforderlich ist.

Wir haben allerdings feststellen müssen – und das ist auch im Zusammenhang mit dem Kunsthistorischen Museum der Fall gewesen –, dass dennoch von ausgeglieder­ten Rechtsträgern, nämlich von Museen, Versicherungen für die Kunstwerke abge­schlossen werden. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass dies nicht erforderlich ist, sondern dass es wesentlich günstiger wäre, die Versicherungsprämien, die dafür auf­gewendet werden, für den Einbau modernster technischer Anlagen zu verwenden, und haben dies auch im Bericht festgehalten. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Jaro­lim.)

Wir sind nach wie vor der Meinung, dass dies die zweckmäßigere Vorgangsweise ist, vor allem auch deshalb, weil selbst dann, wenn eine Versicherung einspringt und die Versicherungssumme im Falle eines Diebstahls ausbezahlt, das Kunstwerk nicht mehr beschafft werden kann. Das heißt, die Versicherungssumme, die an die Stelle des Kunstwerks tritt, ist kein wirklicher Ersatz. Daher sind wir der Meinung, man sollte die Gelder, die für Versicherungsprämien aufgewendet werden, besser für den Einsatz und für den Ausbau der Sicherheitsanlagen in den Museen verwenden.


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Es hat im Zusammenhang mit dem Diebstahl der Saliera auch einige Fragen gegeben, vor allem natürlich: Wie konnte es überhaupt zum Diebstahl kommen? Es gibt da nach Meinung des Rechnungshofs eine ganze Reihe noch völlig ungeklärter Fragen, der Sachverhalt ist nicht zur Gänze erhoben.

In diesem Zusammenhang ist aber auch eine nicht uninteressante Rechtsfrage aufge­taucht, nämlich wer für den Fall, dass die Versicherung überhaupt die Versicherungs­summe bezahlen sollte, berechtigt ist, die Versicherungssumme zu kassieren. Es han­delt sich – und das darf ja nicht vergessen werden – bei den Kunstwerken im Kunsthis­torischen Museum um Vermögensbestandteile des Bundes, die dem Kunsthistorischen Museum als ausgegliedertem Rechtsträger nur übertragen wurden. Und es wird natür­lich von Seiten des Bundes – in diesem Fall vertreten durch Frau Bundesministerin Gehrer – Anspruch darauf erhoben, dass die Versicherungssumme an den Bund zur Auszahlung gelangt. Auf der anderen Seite erhebt aber – das kann man den Medien entnehmen – der Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums Dr. Seipel den An­spruch, dass das Kunsthistorische Museum die Versicherungssumme bekommen müsste, und zwar mit der Argumentation, dass das Kunsthistorische Museum ja auch die Versicherungsprämien bezahlt habe. (Abg. Dr. Jarolim: Gehrer sicher nicht!)

Ich will hier der Lösung dieser Rechtsfrage nicht vorgreifen, aber diese Rechtsfrage scheint mir ganz symptomatisch zu sein und in einem Zusammenhang mit so vielen offenen Fragen bei Ausgliederungen zu stehen. Der Rechnungshof hat sich in den vergangenen Jahren vielfach mit Ausgliederungen befasst und musste immer wieder feststellen, dass es hiebei zu Unzulänglichkeiten gekommen ist. Ich erblicke in der Tat­sache, dass es jetzt in Ansehung der Versicherungssumme zu dieser Meinungsdiffe­renz gekommen ist, auch so einen Mangel im Zusammenhang mit der Ausgliederung. Man sollte bei weiteren Ausgliederungen – es ist ja daran gedacht, weitere Museen auszugliedern – auch dieser Frage mehr Augenmerk schenken, damit es dann nicht womöglich dazu kommt, dass zwischen dem Bund und einem ausgegliederten Rechts­träger, der zu 100 Prozent im Bundeseigentum steht, womöglich noch Rechtsstreitig­keiten entstehen. Ich meine, das hat sich der Steuerzahler nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Bereits im Zuge von Ausgliederungen sollte Bedacht auf diese offenen Rechtsfragen gelegt werden, und sie sollten auch einer Lösung zugeführt werden. Aber diese Rechtsfrage – ich darf das nochmals betonen – hätte sich überhaupt nicht gestellt, wenn die Gelder nicht für die Versicherungsprämien für die Saliera verwendet worden wären, sondern für den Ausbau von Sicherheitseinrichtungen, wodurch dieser Dieb­stahl vermutlich verhindert hätte werden können. (Allgemeiner Beifall. – Abg. Dr. Jaro­lim: In dem Fall hätte es gereicht, wenn man das Fenster geschlossen hätte!)

19.06

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schönpass. – Bitte.

 


19.07

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Sehr geehrter Herren Präsidenten! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Privatisieren und Ausgliedern auf Teufel komm raus, koste es, was es wolle – so kann man die Devise der Regierung auf den Punkt bringen. Beispiele dafür gibt es viele. Wenn nun auch der Rechnungshof mas­sive Kritik an dieser Form der Politik übt, sollte dies den Vertreterinnen und Vertretern der Regierungsparteien doch zu denken geben. Als Beispiel weise ich auf die nicht gerade ruhmreiche Ausgliederung der Insolvenz-Entgeltsicherung hin. Diese Institution hat die Aufgabe, die Ansprüche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Falle eines Konkurses ihres Arbeitsgebers abzusichern, und diese Institution hatte einen


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hohen Verbesserungsbedarf. Die Schwächen waren aber zum Teil von der Regierung hausgemacht. Durch die Änderung des Bundesministeriengesetzes im Jahr 2000 waren plötzlich das Wirtschaftsministerium, das Sozialministerium und die Bundes­sozialämter zuständig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zeigen Sie mir eine Institution, bei der eine derartige Konstruktion funktioniert. Diese Erkenntnis hätten Sie auch ohne üppige Beraterauf­träge haben können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Mit wem reden Sie da jetzt?)

Aber gemäß der Philosophie dieser Regierung musste eine Kostenverlagerung weg vom Bund erfolgen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wer hat Ihnen denn diesen Unsinn ge­schrieben?) Als gewohntes Mittel dafür wurde eine Ausgliederung in die Insolvenz-Ausfallsgeldfonds Service GesmbH gewählt. Dieser Fonds finanziert sich aus Arbeit­geberbeiträgen. Der Entlastung des Bundes entsprechend trat aber eine finanzielle Mehrbelastung dieses Fonds ein. Der Personalstand im Bereich der Insolvenz-Entgelt­sicherung hatte sich ein Jahr nach der Ausgliederung um mehr als 10 Prozent erhöht. Warum haben die Arbeitgeber sich das gefallen lassen?, werden Sie sich fragen. (Abg. Scheibner: Wir müssen uns auch einiges gefallen lassen!) Nun, den Arbeitgebern wurde die Zustimmung mit der Senkung des Beitrags zum Insolvenzfonds erleichtert. Dieses Beispiel zeigt, dass der Regierung nur eines wichtig ist: der Schein der Effi­zienz. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum müssen wir uns das antun?)

Der Rechnungshofbericht ist gespickt mit Details, die die Unsinnigkeit dieser Ausglie­derungen belegen. Er zeigt vor allem auf, dass wirtschaftspolitische Maßnahmen von der damaligen und damit auch von der heutigen Regierung unprofessionell bis stüm­perhaft abgewickelt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Vor allem aber zeigt der Rechnungshofbericht eines – und darauf möchte ich zum Schluss als Oberösterreicherin besonders hinweisen –: Die Privatisierungen und Aus­gliederungen gehen mehrheitlich zu Lasten der österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das lässt sich Punkt für Punkt nachweisen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ist das Edlinger?)

Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Ich ersuche Sie daher: Stoppen Sie sofort den Ausverkauf der VOEST, damit wir nicht rückblickend den Rech­nungshof zitieren müssen, um Ihnen die wirtschaftspolitische Unsinnigkeit vor Augen zu führen. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.10

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den vorliegen­den Bericht III-1 und Zu III-1 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

5. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht (III-3 der Beilagen und Zu III-3 der Beilagen) des Rechnungshofes gemäß Art. 1 § 8 Bezügebegren­zungsgesetz für die Jahre 2000 und 2001 (42 der Beilagen)

 



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Zum Vorbringen einer Druckfehlerberichtigung erteile ich Herrn Abgeordnetem Kräuter das Wort.

 


Berichterstatter Dr. Günther Kräuter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss für einige Zeit Ihre Geduld strapazieren. Es gibt nämlich folgende Druckfehler­berichtigung, die ich zum Bericht des Rechnungshofes gemäß Art. 1 § 8 Bezügebe­grenzungsgesetz für die Jahre 2000 und 2001 vorzubringen habe:

1. Auf Seite 5 Mitte hat es statt „15 420 €“ richtig „15 140 €“ zu lauten.

2. Auf Seite 40 hat zu lauten:

die an letzter Stelle des 1. Absatzes unterhalb der Graphik stehende Zahl statt „12 946 €“ richtig „12 343 €“

die an letzter Stelle des 2. Absatzes unterhalb der Graphik stehende Zahl statt „11 172 €“ richtig „10 608 €“

3. Auf Seite 46 im letzten Absatz hat zu lauten:

in der dritten Zeile statt „5,5 Prozent“ richtig „5,6 Prozent“

in der viertletzten Zeile statt „(1,4 Prozent)“ richtig „(1,8 Prozent)“

4. Auf Seite 186 haben die ersten drei Zeilen der Tabelle richtig zu lauten:

A

Land- und Forstwirtschaft

32 676

 2 888

10 748

19 715

13 659

B

Fischerei und Fischzucht

 99

 6 252

13 967

21 372

14 500

C

Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden

14 997

21 163

29 909

40 954

35 068

 

Herr Präsident! Ich stelle somit den Antrag, der Nationalrat wolle den mehrheitlich im Ausschuss zur Kenntnis genommenen Bericht des Rechnungshofes gemäß Art. 1 § 8 Bezügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2000 und 2001 unter Berücksichtigung der vorgebrachten Druckfehlerberichtigung zur Kenntnis nehmen. – Danke.

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als erster Redner zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Mag. Gaßner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


19.14

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofs! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter der Statistik Austria, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rechnungshofs haben uns im Bericht über die durchschnittlichen Einkommen der Österreicherinnen und Österreicher ein hervorragendes Zahlenwerk vorgelegt – eine Pflichtlektüre, würde ich meinen, für uns Abgeordnete, um die Einkommenssituation der österreichischen Bevölkerung deutlich vor Augen geführt zu bekommen und dabei auch festzustellen, dass es eine Fehlentwicklung in dieser Einkommensentwicklung gibt, nämlich eine Fehlentwicklung von Arm hin zu Reich. Somit wäre es möglich, dieser auch gegenzu­steuern, was von Seiten der schwarz-blauen Bundesregierung leider nicht geschieht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieder einer, der eine falsche Rede hat!)


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28. Sitzung / Seite 187

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ein kleiner Wermutstropfen ist noch gegeben: Ein Bericht über die öffentlichen Einkommen liegt uns nach wie vor nicht vor, und zwar deswegen nicht, weil diejenigen, die Meldungen machen müssten, nicht dazu bereit sind, die Meldungen anonym machen beziehungsweise darüber hinaus auch noch dem Rechnungshof die Einschau verweigern. Es ist damit auch schon der Verfas­sungsgerichtshof und der Europäische Gerichtshof befasst, wobei vom Europäischen Gerichtshof die Meldung zurückkommt: keine Zuständigkeit.

Dieses Spiel der Verweigerung wird munter weiter gespielt, und damit, meine Damen und Herren, wird uns, dem Hohen Haus, dem Parlament ein wesentliches Kontrollin­strument genommen. Das ist meiner Meinung nach demokratiepolitisch sehr bedenk­lich. Und das nur deswegen, weil Institutionen wie zum Beispiel der ORF, wie zum Bei­spiel die Wirtschaftskammer nicht bereit sind, die Bezüge offen zu legen. Warum wohl?, stellt sich hier die Frage.

Nun aber zum Einkommensbericht, zum durchschnittlichen Einkommen der Österrei­cherinnen und Österreicher. Hier finden sich hochinteressante Aussagen, wie ich be­reits gesagt habe. Wissen Sie eigentlich, wer bei Arbeitern und Angestellten in Öster­reich die niedrigsten Einkommen erhält? – Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gastgewerbe haben die niedrigsten Einkommen. Wissen Sie eigentlich, wer bei den Selbständigen am besten abschneidet? – Bei den Selbständigen schneiden all jene gut ab, die sich im Gesundheitswesen selbständig gemacht haben. Na, wer wird das sein? – Ärzte, Veterinäre, Apotheker und Ähnliche.

Der Bericht dokumentiert auch sehr deutlich das Ergebnis einer Wifo-Studie, wonach die Lohnquote, die bis Anfang der achtziger Jahre gestiegen ist, seither kontinuierlich zurückgeht. Im Gegensatz dazu – man höre und staune! – gibt es ein Ansteigen der Besitzeinkommen im gleichen Zeitraum um 263 Prozent, meine Damen und Herren, und ein Ansteigen der Gewinne um 170 Prozent. Was bleibt hier anderes übrig als der Schluss: Unselbständige Arbeit lohnt sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht, selb­ständige Arbeit lohnt sich schon eher. Der wahre Geldsegen aber fließt dort, wo ohne Arbeit nur mehr Besitz verwaltet wird, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist auch genau die Einkommensschere, die immer wieder beklagt wird, zuungunsten derer, die wenig haben, zugunsten derer, die ohnehin schon viel haben. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Wie beim ÖGB!)

Meine Damen und Herren! Diese Schieflage wurde sehr deutlich bei der Armutskonfe­renz, die vor einigen Wochen in Salzburg stattgefunden hat. Das sind Zahlen, die Sie wahrscheinlich nicht interessieren, sie sollten Sie aber interessieren, denn dort wurde deutlich festgestellt, Herr Mitterlehner, dass es in Österreich eine Million Menschen gibt, die armutsgefährdet sind. Dort wurde deutlich festgestellt, dass es in Österreich 324 000 Menschen gibt, die von ihrem Einkommen aus einer 40-stündigen Wochen­arbeitszeit nicht leben können, und dass es 57 000 Menschen gibt, die von ihrem Arbeitseinkommen überhaupt nicht leben können. Der Teufelskreis, in den diese Men­schen kommen – schlechterer Bildungszugang, schlechter Zugang zu Gesundheitsein­richtungen, schlechter Zugang zum Arbeitsmarkt – ist wirklich eklatant und eines Staa­tes wie Österreich nicht würdig. Dahinter steht, dass die Arbeitslosigkeit bei Alt und Jung ständig ansteigt. – Eine Entwicklung, meine Damen und Herren, der durchaus entgegengewirkt werden muss, und zwar nachhaltig und sofort. (Abg. Dr. Mitterlehner: Sofort enteignen!)

Was macht die Bundesregierung? – Nichts, das glaube ich nicht. Sie macht schon etwas: Sie vergeudet Milliarden Euro für Kampfjets, die niemand will. Sie verscherbelt unseren Musterbetrieb, die VOEST, sie verscherbelt die Post, die Telekom. Sie schickt ältere Arbeitslose als Bittsteller in die Sozialhilfe und damit in die Altersarmut. Sie ver­spricht Steuersenkungen, die sich diejenigen, die sie bekommen, durch Steuer- und


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28. Sitzung / Seite 188

Abgabenerhöhungen, durch Selbstbehalte und Ähnliches selbst finanzieren. (Wider­spruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist unsozial! Und ich hoffe und wünsche mir dringlichst, dass diese Bundesregierung dagegen endlich etwas tut. Tun Sie etwas, Herr Bundeskanzler! Oder sind Ihnen diese Menschen in Österreich nichts wert? (Bei­fall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer – in Richtung des Abg. Dr. Mitterlehner –: Der Herr gibt es auch noch einmal billiger! – Abg. Dr. Mitterlehner: Gaßner ist ein Spitzenpolemiker! – Abg. Mag. Gaßner: Habt ihr was dagegen zu sagen?)

19.19

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lentsch. – Bitte.

 


19.19

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Herr Kollege Gaßner, Sie müssen einen anderen Bericht gelesen haben. In dem Bericht, den wir behandeln, steht das sicherlich nicht drinnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zunächst ist es auch mir ein Bedürfnis, Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident, Ihren Be­amten und Ihren Mitarbeitern für diesen wirklich umfangreichen Bericht ein Danke­schön zu sagen. Es war sicherlich eine Riesenarbeit, und derartige Berichte bieten eine wertvolle Grundlage für unsere Arbeit hier im Hohen Haus. (Beifall bei der ÖVP.)

Besonders gefreut hat mich, dass Sie nicht nur die Einkommensverhältnisse in Öster­reich dargestellt haben, sondern diese auch mit der Arbeitszeit verknüpft haben. Da­durch wird manches sehr viel klarer und verständlicher.

Geschätzte Damen und Herren! Zwei Dinge sind mir in diesem Bericht besonders aufgefallen: Zum einen der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern. – Ganz gleich, ob man hier Arbeiter oder Angestellte hernimmt: Frauen verdienen noch immer im Schnitt um 30 Prozent weniger als Männer.

Es ist mir natürlich bewusst, dass das an der Bildung beziehungsweise an der Ausbil­dung oder aber auch an der Unterbrechung durch die Kindererziehungszeiten liegen kann. Ich bin davon überzeugt, dass diese Bundesregierung dieses Problem in irgend­einer Form lösen wird, denn wenn wir es nicht in den Griff bekommen, werden immer weniger Frauen bereit sein, Kinder in die Welt zu setzen, sie zu pflegen und zu erzie­hen. – Was das auch im Hinblick auf die Pensionen bedeutet, brauche ich in diesem Rahmen wohl nicht gesondert zu erwähnen.

Ich freue mich natürlich darüber, dass im Jahre 2001 die Einkommen der Frauen stär­ker gestiegen sind als die der Männer, nämlich um 1,5 Prozent gegenüber 1,1 Prozent bei den Männern. Geschätzte Damen und Herren! Wenn es aber in diesem Tempo weitergeht, wird sich die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern wohl nie schließen. Es wäre legitim, wenn Frauen gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen würden, denn wenn man einheitliche Steuern und Abgaben durchsetzen kann, wird man in Zukunft wohl auch geschlechtsneutrale Löhne durchsetzen können.

Geschätzte Damen und Herren! Zweitens ist mir in diesem Zusammenhang aufgefal­len, dass sich offenbar bestimmte Institutionen, die vom Rechnungshof zu kontrollieren sind, noch immer weigern, ihre Gehaltslisten offen zu legen. – Das wurde vorhin schon angesprochen. Wir haben bereits im Jahr 1997 das so genannte Bezügebegren­zungsgesetz beschlossen. Ebenso lange weigert sich allen voran der ORF, aber auch andere Institutionen, Ihre Spitzengehälter offen zu legen. Hier von Datenschutz zu sprechen, ist, glaube ich, eine sehr fadenscheinige Angelegenheit. (Abg. Mag. Kogler: Das sind ja Schwarze, die das machen!)


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Hier muss wohl für die Manager des ORF dasselbe gelten wie für uns Politiker. (Abg. Öllinger: Und die Wirtschaftskammer auch!) Daher müssen sich alle die öffentliche Kontrolle gefallen lassen. (Abg. Gradwohl: Der Herr Mitterlehner wird uns auch im Ausschuss sagen, warum das so ist!) Wenn das für die meisten anderen staatlichen Institutionen kein Problem war, dann sollte das auch für den ORF und die anderen Organisationen, die ich heute hier nicht nennen möchte, die man aber im Rechnungs­hofbericht nachlesen kann, kein Problem sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Abg. Öllinger: Eine Offenlegung, Herr Kollege Mitterlehner, für die gesamte Wirtschaftskammer! – Abg. Dr. Mitterlehner: Ich lege dann offen!)

19.23

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


19.23

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Der Bericht ist überschrieben mit „Bericht gemäß Art 1 § 8 Bezüge­begrenzungsgesetz“, und es liegt ein umfassendes Werk vor, das einen Teil dieses § 8 sozusagen gesetzeskonform bedient – eine hervorragende Arbeit!

Das ist im Übrigen einer jener Punkte, anlässlich derer wir beim vorigen Tagesord­nungspunkt darüber gesprochen haben, ob das ausgerechnet der Rechnungshof in unserem Auftrag machen soll und muss, obwohl das andere Institutionen doch besser könnten, zumal ja, wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Präsident, der Rechnungshof seinerseits die Daten zusammentragen muss und man sie etwa bei der Statistik Austria direkt abholen könnte.

Der Rechnungshof könnte sich umgekehrt – so steigt eben der Gesamtnutzen der In­stitutionen der Republik – auf die Dinge konzentrieren, die er selber noch besser kann oder bei denen er jedenfalls diesen Aufwand nicht hat.

Aber sei’s drum: Es ist trotzdem ein sehr gutes Werk, weil die Daten zur Einkommens­statistik in Österreich ja spärlich gesät sind. Insofern ist da immer noch sehr viel zu finden. Da sieht man im Übrigen auch, dass der Rechnungshof offenbar in der Lage ist, sich die Informationen dann doch zu besorgen. Allerdings wäre eine Änderung gut: Könnte das denn nicht gleich die Statistik Austria machen? – Dann könnte sich der Rechnungshof etwa um die Dinge kümmern, die jetzt noch ausstehen. Auch da wird sich die Frage stellen, ob der Rechnungshof mit so viel Recherchearbeit zugedeckt werden muss.

Was aber jetzt hier auftaucht – das ist der Bereich, den ich als Nächstes anspreche –, ist ja aus mehreren Gründen abenteuerlich: Da haben wir ein Gesetz mit einer Verfas­sungsbestimmung, die da mit zur Anwendung kommt, beschlossen, in dem es darum geht, dass in bestimmten Institutionen mit bestimmten Dienstnehmern nicht die Institu­tionen deren Einkünfte offen legen sollen, sondern die Dienstnehmer das in gewisser Weise selbst machen sollen.

Es wäre jetzt zu kompliziert, den Artikel 1 § 8 Absatz 3 auseinander zu klauben. Der Punkt ist, dass alles, was dort eingefordert wird, seit Jahren von den Normadressaten dieser Republik verhindert und blockiert wird – ganz simpel! –, und zwar mit dem Hin­weis auf mögliche Konflikte mit der Menschenrechtskonvention. Deshalb hat sich der Rechnungshof ja an den Verfassungsgerichtshof gewandt – damit ich das jetzt richtig wiedergebe –, in sehr weise ausgewählten Fällen, weil es da verschiedene Verweige­rungstypen gibt, und der Verfassungsgerichtshof hat sich seinerseits an den Europäi­schen Gerichtshof gewandt. Dort ist die Vorabentscheidung meines Wissens jetzt da, und die Dinge harren einer weiteren Behandlung.


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28. Sitzung / Seite 190

Das ändert aber nichts daran, dass wir hier in Österreich ein gültiges, hier im Haus beschlossenes Verfassungsgesetz haben. Da gibt es jetzt besondere Freunde des Khol’schen Verfassungsbogens, die selbigen Verfassungsbogen gerne ebenfalls in einem Bogen außen herum umgehen, unter anderem die besagt Wirtschaftskammer. – Bleiben wir bei der steirischen, denn da weiß ich es ganz genau, zu der habe ich eine doppelte Affinität.

Das ist nicht ganz einsehbar, denn der Punkt war ja damals, dass mit der so genann­ten Politikerbezüge-Pyramide sehr viel Transparenz erzeugt wurde und man sinnvoller­weise Jobs wie in Kammern et cetera auch mit dem Transparenzgebot erfassen wollte.

Dann gibt es noch die Jobs in öffentlichen Unternehmungen. Da gibt es unterschied­liche Typen: Beim ORF zum Beispiel habe ich ja ein gewisses Verständnis dafür, dass man sich nicht überall genau hineinschauen lassen will – im Gegensatz zur Wirt­schaftskammer: einen geschützteren Bereich gibt es ja gar nicht, seien Sie mir nicht böse! Aber der ORF steht in Konkurrenz zu Privatsendern. Wenn der alle seine Ver­träge im Sinne der Höhe der Gehälter offen legen muss, könnte das einen gewissen Nachteil erzeugen. – Vielleicht haben wir da nicht alles zu Ende gedacht. Ich sage Ihnen nur Folgendes: In Skandinavien oder sonst wo ist das alles kein Problem; da werden sogar die privaten Einkommen veröffentlicht.

Das ist eben auch sehr stark eine Frage der Kultur, wie man mit diesen – ich sage jetzt ganz bewusst nicht wirtschaftlichen, sondern eher sozialen – Phänomenen umgeht, weil es natürlich von Interesse ist, wer wie viel verdient, insbesondere, wenn der Steuerzahler der Brötchengeber ist. Und da wollen Sie sich verweigern! Da ist plötzlich der Verfassungsbogen sehr klein, der wird zum U-Hakerl. Da hat niemand mehr Platz, und alle außerhalb dürfen sich tummeln und werden nicht belangt.

Wenn Sie, geschätzte Vorrednerin, das hier auch erwähnen, freut mich das. Bisher hat die ÖVP ja wenig dazu beigetragen, dass da endlich der verfassungskonforme Zustand hergestellt wird. Aber der Herr Präsident des Rechnungshofes wird ja wahrscheinlich über den Verlauf der Dinge berichten; jetzt liegt es eben immer noch beim Verfas­sungsgerichtshof. Ich finde diese Vorgangsweise der öffentlichen Rechtsträger und der Normadressaten äußerst bedenklich! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber soll uns das jetzt wundern? – Ich meine tragischerweise: nein! Derjenige, der am meisten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zuständig ist, hat ja selbst Pro­bleme, seinen diesbezüglichen oder ähnlich gelagerten Pflichten nachzukommen, wie zum Beispiel der Offenlegung gegenüber dem Unvereinbarkeitsausschuss, welche Honorare so en passant bei diversen Vortragsreisen für den Finanzminister anfallen. Er hat Probleme, das Öffentlichkeitsgebot einzuhalten, ja sogar, dem Unvereinbarkeits­ausschuss überhaupt eine richtige Meldung abzugeben.

Und dann kommt die ÖVP mit heutigem Tag in Person des Parlamentspräsidenten, in Person des Vorsitzenden des Unvereinbarkeitsausschusses, des Herrn Schultes – ich sehe ihn gerade nicht –, und sagt, das sei alles nicht notwendig, im Übrigen hätten wir da schon wieder ein Gutachten, wir brauchen den Unvereinbarkeitsausschuss gar nicht. – Ja wie weit haben wir es denn gebracht? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Was hat der Herr Finanzminister gemeldet, und wer soll das jetzt überprüfen? Wie sehen hier die Abläufe aus? Aber bevor das parlamentarische Kontrollgremium seine Arbeit überhaupt aufnehmen kann, ist schon wieder ein Gutachten da und ein Vor­sitzender, der vorsichtshalber sagt, er beruft den Ausschuss nicht ein, denn den braucht er nicht. (Abg. Öllinger: Lieber nicht kontrollieren!)


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Also ich muss sagen, es wird immer abenteuerlicher! Wir werden dieses Thema in den nächsten Tagen ernsthaft angehen müssen. Der APA entnehme ich, dass der Herr Vorsitzende des Unvereinbarkeitsausschusses gesagt hat, er sehe zwar keine Notwen­digkeit, allerdings sei er ja auch noch nicht aufgefordert worden, einen Ausschuss ein­zuberufen.

Herr Kollege Schultes – wo auch immer Sie sein mögen, vielleicht können Sie mich hören –, wenn Sie diese Aufforderung brauchen: Hiermit ergeht sie, in einer parlamen­tarischen Rede und nicht nur irgendwo in der APA. Ich bin Mitglied dieses Ausschus­ses; ich möchte haben, dass er umgehend tagt; ich möchte die einschlägigen Akte Grasser auf dem Tisch haben, und dann können wir weiterschauen!

Dann beurteilen wir gemeinsam – Sie haben dort ohnehin auch die Mehrheit –, was Sache ist. Dann kann man sich wenigstens ein Bild machen. Aber eine derartige „Zu­deckveranstaltung“ in einer Art und Weise, wie in den letzten Tagen sozusagen das Land benebelt werden sollte, das ist mir wirklich unverständlich. Damit hätte ich nicht gerechnet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Aber es wird offensichtlich immer mehr möglich in diesem Land und offensichtlich immer dann, wenn es um den Herrn Grasser geht!

Man darf gespannt sein, was noch alles passiert. Man weiß ja am selben Tag nicht, was am nächsten kommen wird; heute wissen wir nicht, was morgen kommen wird. – Sie wollen keinen Unvereinbarkeitsausschuss: Schauen wir, ob Sie das durchhalten! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.31

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte. (Abg. Mag. Posch: Aber der ist ja Mitglied der anthroposophischen Gesellschaft! Für wohltätige Zwecke gilt das nicht!)

 


19.31

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Meine Herren Präsidenten! Meine Damen und Herren! Ich bin fast versucht, zu sagen: Die Sorgen des Kollegen Kogler möchte ich haben! Eigentlich liegt noch nichts auf dem Tisch, und Sie schreien schon wieder nach Kontrolle. (Abg. Gradwohl: Wenn ich FPÖ-Kassier wäre ...!) Kollege! Bei euch ist es auch nicht viel besser, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. (Abg. Öllinger: Das glaub’ ich nicht!)

Es liegt bis jetzt noch kein Faktum auf dem Tisch, wo etwas kassiert wurde. Nach dem, was ich bisher gelesen habe, gibt es Spenden an irgendeinen Sozialverein. (Abg. Öllinger: Den es noch nicht gibt!) Wir werden uns das einmal anschauen und dann prüfen. Kogler fängt schon an, wie Pilz immer zu vernebeln; er macht es nur noch wesentlich schlechter. (Abg. Öllinger: Spenden Sie auch Ihr Einkommen?)

Herr Präsident Dr. Fiedler, ich möchte mich jetzt auf die Meldungspflicht zahlreicher Rechtsträger – wie es hier heißt – beziehen, die die Einsichtnahme in diese Unterlagen verweigert haben. Kollege Kogler hat in seinem Redebeitrag schon ausgeführt, dass das sowohl beim Verfassungsgerichtshof als auch beim EuGH anhängig ist. Sie haben uns – wenn ich mich richtig erinnere – im Ausschuss gesagt, dass vor dem Sommer eine Vorabentscheidung vorliegt. Ich würde Sie daher bitten, uns zu sagen, ob es diese Entscheidung schon gibt und, wenn ja, wie sie aussieht.

Hinsichtlich dessen, was Kollege Gaßner gesagt hat, finde ich interessant, dass er an­scheinend wirklich bei einer anderen Veranstaltung war, denn wenn ich mir anschaue, dass unselbständige Erwerbstätige, die Vollzeit beschäftigt waren, jährlich netto 11 600 € – die Frauen – beziehungsweise 17 860 € – die Männer – verdient haben und bei den Selbständigen das durchschnittliche Einkommen 9 890 € war – also bei Frauen


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6 770 € und bei Männern 12 370 € –, dann weiß ich nicht, wo er da die Großverdiener sieht. Einzig bei Selbständigen, die auch einer unselbständigen Tätigkeit nachkommen oder eine Pension beziehen (Abg. Mag. Kogler: Der Finanzminister!), gibt es da schon bessere Einkommenszahlen, nämlich 19 350 € bei den Frauen und 30 600 € bei den Männern. (Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Kollegin Lentsch hat schon darauf hingewiesen – und das möchte ich positiv hervorhe­ben –, dass die Fraueneinkommen im Vergleich zum Jahr 2001 um 1,5 Prozent gestie­gen sind und jene der Männer um etwas mehr als 1 Prozent.

Ich hoffe, dass die ausständigen Rechtsträger Klarheit schaffen werden, denn es ist ja nicht so, dass die Rechtsträger von sich aus gesagt haben, sie geben diese Daten nicht her, wie uns ja mitgeteilt wurde, sondern dass einzelne Dienstnehmer gesagt haben, sie pochen auf den Datenschutz und würden klagen, falls ihre Daten herausge­geben werden. Mir ist schon klar, dass da Rechtssicherheit notwendig ist.

Grundsätzlich ist es natürlich so: Wenn dann nur vereinzelt Daten herausgegeben wer­den, wäre ich eigentlich eher dafür, dass man die Offenlegung für alle abschafft, ob­wohl ich grundsätzlich für eine Offenlegung bin. Die soll aber dann für alle gelten und nicht nur für die, die sich daran halten wollen, während sich die anderen hinter den Dienstnehmern verstecken, die den Datenschutz geltend machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Spannender Ansatz bei einem Verfassungsgesetz!)

19.35

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Faul. – Bitte.

 


19.35

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungs­hofes! Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Es ist schon symptomatisch: Immer wenn wir über die Thematik der Einkommen reden und besonders der Einkommenszuwächse für bestimmte Berufsgruppen, fängt bei euch das große Lametieren an. Es wundert mich heute nur, dass ihr nicht schreit, es seien veraltete Zahlen, Zahlen, die längst überholt sind.

Herr Kollege, letztlich sind es aber Ergebnisse, die nicht wir bei einer Tagung oder bei einer Sitzung gehört haben, sondern es sind die Ergebnisse des Prüfberichtes des Rechnungshofes. – Das möchte ich einmal sagen. (Abg. Neudeck: Ihr interpretiert sie nur falsch!)

Richtig ist auch, dass es die letztgültigen Zahlen des Rechnungshofberichtes sind, die einen bestimmten Zeitraum in Österreich erfassen und – wie man auch aus den ver­schiedenen Berichten entnehmen kann – aus denen man Tendenzen rückwärts und Tendenzen vorwärts ablesen kann. Ihre Tendenz ist es, Informationen über diese Tendenzen eigentlich nicht an die Öffentlichkeit kommen zu lassen!

Wir sehen es daran, dass Sie es mit Ihrer Mehrheit abschmettern, wenn wir durchset­zen wollen, die Berichte der Ausschüsse – die „Grünen Berichte“, die Sportberichte, die Wildschadensberichte – hier zu diskutieren, damit sie der Öffentlichkeit zugänglich wer­den. Sie lassen alles einfach in den Ausschüssen enderledigen. Ich glaube, das ist nicht der richtige Weg! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Herr Kollege, warum 2000?)

Herr Kollege! Ihnen geht es immer nur darum, ja nichts zu diskutieren, was die Öffent­lichkeit interessieren könnte, damit man nicht draufkommt, wie privilegiert manche Berufsgruppen sind und wie gut sie in Österreich dastehen.


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28. Sitzung / Seite 193

Wir diskutieren heute über die Jahreseinkommenssteigerungen, und da gibt es ein ganz eindeutiges Bild: Ich habe mir die arbeitenden Menschen vorgenommen, und da liegen die Zuwächse bei einem Prozent, ob Sie den Baubereich anschauen, den Ener­giebereich, den Kfz-Bereich oder auch den untergeordneten Gesundheitsbereich. Da gibt es doch einige Ausreißer.

Kollege Gaßner hat ja schon die Entwicklung bei den Ärzten aufgezeigt (Abg. Neu­deck: Und bei den Bürgermeistern!): Unter dem zweistelligen Bereich finden Sie dort keine Entwicklung. Es gibt noch eine Berufsgruppe – und das sind die Angestellten in den landwirtschaftlichen Betrieben –, wo die Entwicklung bei 10 Prozent anfängt und bei 28 Prozent aufhört.

Es ist natürlich auch sehr interessant, dass sich auch bei den Entwicklungen der Ge­werbe, in die sich auch die Gewerbe im landwirtschaftlichen Bereich einordnen, ein­deutige Tendenzen zeigen: Wenn Sie den Schnitt von 22 000 € als Mittelschnitt her­nehmen, dann sehen Sie, dass zwar die Bauern mit 16 000 € auch deutlich unter dem Schnitt liegen, aber immer noch vor den Tischlern, den Einzelhändlern, den Taxi-Unter­nehmen und den Gastwirten.

Interessant – Frau Kollegin Lentsch, da bin ich auch Ihrer Meinung – ist die Tendenz der Unterschiedlichkeit von Jahresgehältern von Männern und Frauen. Da geht die Schere sehr weit auseinander, und man muss sagen, es wird eine Aufgabe sein, die­sen Unterschied zwischen den Verdiensten von Frauen und Männern in Zukunft abzu­bauen! (Beifall bei der SPÖ.)

19.38

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


19.38

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrte Herren Präsidenten! – Es ist sel­ten, dass man gleich zwei Präsidenten auf einmal begrüßen kann. Ich tue das gerne, auch wenn es mir noch lieber wäre, wenn zumindest einer davon eine Frau wäre. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich lasse Sie im Unklaren, sehr geehrte Herren Präsidenten, wen ich wohl jetzt lieber als Frau da hätte. – Das ist auch nicht das Thema.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es eigentlich sehr traurig, dass wir über diesen Bericht diskutieren müssen, denn der Bericht – das ist schon festgestellt worden – ist in seinem Rumpfteil – und nur der liegt vor – natürlich gut. Man muss aber die Frage stellen – Kollege Kogler hat das schon gemacht –, ob es wirklich die primäre Aufgabe des Rechnungshofes ist, uns das vorzulegen, was uns hier vorliegt.

Ich sage Ihnen: Darum ist es auch nicht gegangen. Kollege Neudeck! Ich spreche Sie dann auch noch an, weil ich das, was Sie uns vorgeschlagen haben, in der Form nicht ernst nehmen will. – Ganz ehrlich: Diskutieren wir das bitte anders! Wir haben ein Bun­desverfassungsgesetz über die Bezügebegrenzung.

Eigentlich wurde es in diesem Fall auch deshalb als Bundesverfassungsgesetz ge­macht, um es natürlich entsprechend vor Einsprüchen abzusichern – Punkt eins –, und – Punkt zwei – in jenen Bestimmungen, die vielleicht nicht der Verfassungsbestim­mung bedurft hätten, um den klaren und erklärten Willen des Gesetzgebers auch zu demonstrieren. Das würde ich einmal unterstellen.

Wenn sich dann das vom Gesetzgeber beauftragte Organ, der Rechnungshof, an den Auftrag hält und dabei bei den dem Gesetz unterworfenen Institutionen und Einrichtun­gen sozusagen auf die kalte Schulter stößt, dann muss man sich eine andere Frage


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stellen – und nicht die, ob man, falls sich nicht alle daran halten, vielleicht das Gesetz wieder abschaffen sollte. Das würden Sie beim Strafrecht ja auch nicht machen, Herr Kollege Neudeck. (Abg. Neudeck: Das hab’ ich aber auch nicht gesagt!) – Nein, es ist in diese Richtung gegangen. (Abg. Neudeck: Ich hab’ gesagt: Wenn sich Dienstneh­mer hinter dem Datenschutz ...!) Ich will es auch nicht überdramatisieren, ich will das nur ernst nehmen.

Was uns jetzt vorliegt, ist nach Artikel 1 § 8 Abs. 4 der Rumpf, der Rest. Was wir aber gebraucht hätten und wozu wir diese Bestimmung, nämlich den Abs. 4, gemacht haben, ist, dass uns der Rechnungshof den Bericht nach Abs. 3 liefert, denn es steht ja erklärtermaßen auch drinnen: „Der Rechnungshof hat zugleich über die durchschnitt­lichen Einkommen ...“, und ich sage Ihnen auch, warum: weil man diesen Bericht, der hier in einer Überfülle an Quantität vorliegt, eigentlich nur dazu benutzen wollte – in der Intention des Gesetzgebers –, um Vergleichsdaten zu haben und zu sehen, wie sich das im öffentlichen Bereich bei den politischen Funktionsträgern und den sonstigen Unterworfenen entwickelt – möglicherweise oder wahrscheinlicherweise auseinander entwickelt – hat. Das war der Grund, warum man den Vergleich mit allen anderen Ein­kommen und Pensionen haben wollte: um zu sehen oder feststellen zu können, wie weit es denn auseinander geht.

Dass es jetzt genau in jenem Bereich, von dem man ja zu Recht vermuten kann, dass es gigantisch auseinander geht, keinen Bericht geben kann, daran ist eben, wie ge­sagt, nicht der Rechnungshof schuld, sondern – das würde ich schon sagen – auch der Gesetzgeber, also wir.

Kollege Kogler hat zu Recht darauf hingewiesen: Der Fall Grasser demonstriert ein­drücklich (Abg. Mag. Donnerbauer: Es gibt ja gar keinen „Fall Grasser“! Was ist der „Fall Grasser“?), wie die höchsten Funktionsträger dieser Republik mit der Offenlegung von Einkommen, mit der Offenlegung ihrer Bezüge umzugehen gedenken: Wenn es dem Herrn Finanzminister nicht passt oder wenn es ihn stören könnte, dann sagt er uns nicht, wie es mit seinen Einkommen, mit seinen Bezügen aussieht. Schauen Sie doch ein wenig hinein! Ich will den § 8 nicht allzu weit interpretieren, aber es wird darin zu Recht verlangt, dass alle Bezüge aus öffentlichen Einkommen erstens begrenzt werden – das steht nicht im § 8 drinnen – und dass zweitens diese Bezüge – das steht im § 8 – offen gelegt werden.

Jetzt ist folgende Frage natürlich schon eine sehr spannende: Ist ein Bezug oder ein Einkommen, ein Geld, das man beispielsweise von einer Landeshypothekenanstalt er­hält, die im Besitz des Landes ist und daher der Kontrolle des Rechnungshofes unter­liegt, ein Einkommen, das auch ein Herr Grasser angeben müsste, egal, ob er dieses Einkommen dann als Spende an irgendeine Institution weiterleitet? Denn mit dem Satz „Ich will das ja ohnehin spenden!“ können Sie ja auch nicht Ihr Einkommen verschlei­ern, Herr Kollege Neudeck. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wir alle können unser Einkommen nicht mit der Begründung verschleiern, dass wir das ja eigentlich ohnedies lieber in einen Sozialfonds einzahlen würden, aber der böse Blick des Rechnungshofes oder der Opposition oder einer Steuerbehörde hindere uns daran, das zu spenden, nämlich ungeteilt zu spenden – den lieben Kindern, irgend­welchen Kranken oder sonstigen Personen –; wir würden das ja viel lieber spenden!

Ja so geht es nicht, Herr Kollege Neudeck! Das wissen Sie auch, das wissen wir alle. Genau vor diesem Problem stehen wir hier mit der Verweigerung des Berichtes durch die dem Rechnungshof und dem Gesetz unterworfenen Institutionen, und genau dieser Situation sehen wir uns auch bei dem Anlassfall Grasser gegenüber.

Ich sage Ihnen: Ich wäre bereit, darüber zu diskutieren, und der Rechnungshofpräsi­dent würde sich das auch wünschen, dass man diesen Abs. 4 etwas modifiziert, um


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der Intention näher zu treten. Aber man könnte auch den § 9 betreffend die Offenle­gung modifizieren, denn zur Offenlegung aller ihrer Einkommen sind ja laut § 9 die Ab­geordneten gezwungen. Wissen Sie, warum? – Ich halte diese Bestimmung ja für rich­tig, aber man hat dabei gar nicht mehr an die Minister gedacht, weil diese ja ohnehin einem Berufsverbot unterliegen. Deshalb hat man sie im § 9 gar nicht mehr erwähnt: weil man gar nicht auf die Idee gekommen wäre, dass ein Finanzminister oder sonst irgendwer seine zusätzlichen Einkommen noch irgendwoher lukriert! Aber selbstver­ständlich wäre das auch notwendig.

So fahrlässig, wie wir umgehen, indem wir die Kontrolle hier bei der Unvereinbarkeit, bei den Einkommen des Herrn Finanzministers nicht durchführen und sagen: Ist ja gar nicht notwendig, das wird schon alles stimmen, das könnte ja durchaus stimmen, was uns der Herr Finanzminister da alles erklärt!, so wenig brauchen wir uns zu wundern, dass der Rechnungshof dann seine Schwierigkeiten hat, wenn nicht einmal die Par­teien, die hier im Parlament sitzen, diese Aufgabe tatsächlich ernst nehmen. Da sind Sie gefordert, meine Damen und Herren, und da ist der Rechnungshof arm dran mit einem solchen Auftrag, hinter dem nicht einmal die Regierungsparteien stehen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.46

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Präsident Dr. Fiedler. – Bitte, Herr Präsident.

 


19.46

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Bericht, über den heute verhandelt wird, ist in Wahrheit nur ein Teil­bericht. Er enthält nämlich nur jenen Teil, der die Durchschnittseinkommen der Ge­samtbevölkerung zum Gegenstand hat, und er enthält nicht jenen Teil, der sich damit befassen sollte, wie viele Personen und welche Personen mehr als 80 000 S – nun­mehr 5 887,87 € – 14 Mal jährlich erhalten.

Die Tatsache, dass dieser Bericht nur ein Teilbericht ist, wurde von meinen Vorrednern ausführlich dargetan, auch die Umstände, die dazu geführt haben, und die Gründe da­für. Sie sind, kurz gefasst, darin zu suchen, dass von vielen öffentlichen Einrichtungen bestritten wird, dass die Weitergabe dieser Daten, nämlich der Bezüge beziehungs­weise auch der Namen von Dienstnehmern, an den Rechnungshof mit den daten­schutzrechtlichen, mit den menschenrechtlichen Voraussetzungen in Einklang ge­bracht werden kann, und haben letztlich dazu geführt, dass der Rechnungshof im Hin­blick auf diese Verweigerungen den Verfassungsgerichtshof anrufen musste.

Der Verfassungsgerichtshof hat seinerseits im Dezember des Jahres 2000 den Euro­päischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung in den vom Rechnungshof beim Ver­fassungsgerichtshof anhängig gemachten Fällen ersucht und damit die Frage verbun­den, ob die Veröffentlichung von Daten – einerseits der Namen, andererseits der Be­züge dieser Personen – mit dem Gemeinschaftsrecht auch vereinbar ist. Der Euro­päische Gerichtshof hat im Mai dieses Jahres eine Entscheidung getroffen, und ich wurde ersucht, nun den letzten Stand in dieser Angelegenheit dem Hohen Haus darzu­legen.

Der Europäische Gerichtshof hat die Auffassung vertreten, er wolle in der Sache selbst nicht entscheiden, sondern sie wieder zur Sachentscheidung an den österreichischen Verfassungsgerichtshof rückverweisen.

Er hat eine Vereinbarkeit der Veröffentlichung von Daten mit dem Gemeinschaftsrecht für durchaus möglich erachtet und dazu folgenden Rechtssatz entwickelt, den ich Ihnen in seinem Wortlaut nunmehr vorlesen möchte. Dieser Rechtssatz lautet:


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„Die Weitergabe von Einkommensdaten von Arbeitnehmern öffentlicher Einrichtungen zum Zweck der Veröffentlichung in einem Jahresbericht kann mit dem Gemeinschafts­recht vereinbar sein. Voraussetzung dafür ist, dass die Weitergabe im Hinblick auf das Ziel der ordnungsgemäßen Verwaltung öffentlicher Mittel notwendig und angemessen ist. Es ist Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob hierfür die Offenlegung der Namen erforderlich ist oder ob eine anonymisierte Weitergabe der Daten ausreicht.“ – So weit der Europäische Gerichtshof.

Es liegt nun am Verfassungsgerichtshof, in der Sache selbst die Entscheidung vorzu­nehmen. Ich gehe davon aus, dass nunmehr vom Europäischen Gerichtshof so weit eine Vorklärung in dieser Angelegenheit vorgenommen wurde, dass der Verfassungs­gerichtshof noch im heurigen Jahr entscheiden wird.

Ich bin sehr froh darüber, wenn ehebaldigst eine solche Entscheidung gefällt werden kann, da damit eine höchst unbefriedigende Situation aus der Welt geschafft werden kann, denn – und auch das wurde von einigen Vorrednern bereits angesprochen – es ist für uns alle unbefriedigend, dass öffentliche Stellen ein Verfassungsgesetz ent­weder ignorieren, negieren oder aber zumindest verfassungsrechtliche Bedenken ent­wickeln, ob man dieses Gesetz überhaupt vollziehen kann. Ich glaube, das ist eine Situation, die weder im Interesse des Rechnungshofes noch der Rechtssicherheit und schon gar nicht des Nationalrates gelegen sein kann. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

19.50

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


19.51

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schon einige Vorredner bemerkt haben, zieht sich der geschlechtsspezifische Einkommensunterschied wie ein roter Faden durch diesen Rechnungshofbericht, wobei ich jedoch anmerken möchte – Kollege Neudeck hat ja die beiden Eckzahlen für die Frauen und für die Männer ge­nannt –, dass der Einkommensunterschied, wenn man sich das ausrechnet, 35 Pro­zent beträgt und nicht, wie Kollegin Lentsch gesagt hat, 30 Prozent. Das ist doch eine ganz wesentliche Sache, dass die Frauen um 35 Prozent weniger verdienen als die Männer!

Der zweite auffällige Punkt ist, dass bei den Pensionisten der geschlechtsspezifische Einkommensunterschied im Durchschnitt noch höher ist: Da liegt er bei 38 Prozent. Diese Situation wird sich durch die kommende Pensionsreform natürlich noch wesent­lich verschärfen, weil die Durchrechnungszeiten länger sein werden. Man kann sich ja ausrechnen, wie sich eine Durchrechnung der Lebensarbeitszeit vor allem bei den Frauen auswirken wird, bei denen es durch Teilzeitarbeit bedingte niedrigere Einkom­men und längere Erwerbsunterbrechungen durch die Babypause gibt. Das wird ganz schlimme Auswirkungen haben!

Wir wissen ja: 90 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Und diesen Frauen nützt auch der Rat unserer für Frauenfragen zuständigen Bundesministerin nichts, den sie in einem im „Standard“ veröffentlichten Interview gegeben hat, wo sie gemeint hat, diese Frauen könnten höhere Beiträge in die Pensionsversicherung einzahlen, damit sie später mehr Pension bekommen. – Wenn man es freundlich formulieren möchte, kann man dazu nur sagen: Das ist sehr realitätsfern angesichts der Einkommensunter­schiede, die zwischen Frauen und Männern tatsächlich bestehen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Eine der Hauptursachen dafür – und darin sind sich auch die Experten einig – besteht in den Unterbrechungen im Erwerbsverlauf von Frauen, im unterschiedlichen Karriere­verlauf von Frauen und Männern. Und da ist nun ausschlaggebend, welche Maßnah­men gesetzt werden. Welche Maßnahmen hat die Frauenministerin gesetzt? – Die Arbeitsmarktdaten sprechen dafür, dass keine gesetzt worden sind. Wenn man sich die Arbeitsmarktdaten im Juni ansieht, dann stellt man fest, dass die Frauenarbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr um 4 Prozent gestiegen ist. Im Juni 2001 waren es noch 78 218 Frauen, die arbeitslos waren, jetzt sind es 91 686 Frauen. Es können diesbe­züglich also keine Maßnahmen gesetzt worden sein.

Dafür sind aber Projekte gefördert worden, nämlich jenes der Gräfin Walderdorff, die dann auf Kosten der Steuerzahler und des Ministeriums in einem Luxushotel Schmink­tipps für arbeitslose Frauen gibt. Dafür ist Geld ausgegeben worden – aber nicht dafür, um den tatsächlichen Bedürfnissen der arbeitslosen Frauen zu entsprechen, Qualifizie­rungsmaßnahmen anzubieten und einen Beitrag zur Steigerung der Frauenerwerbs­quote zu leisten.

Werden Sie tätig in diesem Bereich, denn so kann das nicht weitergehen! (Beifall bei der SPÖ.)

19.54

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den vorliegen­den Bericht III-3 und Zu III-3 der Beilagen unter Berücksichtigung der vom Bericht­erstatter vorgebrachten Druckfehlerberichtigung zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

6. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (81 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Entwicklungszu­sammenarbeit (Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, EZA-G), das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter­dienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert werden (EZA-Gesetz-Novelle 2003) (149 der Beilagen)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Bayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


19.55

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Herr Vorsitzender! Seit zehn Jahren diskutieren wir in Österreich darüber, wie es mög­lich wäre, die Entwicklungszusammenarbeit in eine Agentur auszulagern. Zehn Jahre lang beschäftigt uns diese Frage schon, und vor zwei Monaten kam letztendlich ein Entwurf, der zehn Tage lang zur Begutachtung stand und dann durchgepeitscht wurde, um jetzt eben die Entwicklungszusammenarbeit in eine Agentur auszulagern. Es war


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weder der parlamentarischen Opposition noch den NGOs, noch der entwicklungs­politisch interessierten Öffentlichkeit möglich, sich entsprechend intensiv in die Debatte einzubringen. Auf sehr viele Kritikpunkte, die vorgebracht worden sind, wurde bei der Gesetzeswerdung nicht eingegangen.

Die Bundesregierung macht mit dieser Novelle dieses ein Jahr alten EZA-Gesetzes quasi die Reform der Reform. Das zeugt einerseits von der Planlosigkeit in diesem Bereich der Außenpolitik, und zum anderen bestätigt das auch durchaus die Kritik der SPÖ, dass es mit dem EZA-Gesetz, das vor einem Jahr beschlossen wurde, nicht ge­lungen ist, eine sinnvolle gesetzliche Konzeption für die ÖEZA zustande zu bringen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Lunacek.)

Es ist zum Beispiel leider auch die viel beschworene Kohärenz nicht gelungen. Ich denke, sie ist nicht einmal so weit gelungen, dass man sichergestellt hätte, dass die ADA – also die Agentur, die da entsteht – wenigstens so etwas wie ein Regenschirm ist, unter dem alle Belange der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit vereint werden können. (Abg. Scheibner: Das geht ja nicht!)

Die SPÖ – es ist mir wichtig, das zu betonen – ist nicht gegen eine Agentur an sich. (Abg. Scheibner: Na eben!) Es gibt sehr viele internationale Beispiele, die zeigen, dass es sehr wohl Sinn macht, die EZA auszulagern, aber es gibt auch sehr viele Bei­spiele, die zeigen, dass es durchaus nicht Sinn macht. (Abg. Amon: Wir wollen uns ja an denen orientieren, wo es Sinn macht! – Abg. Gradwohl – in Richtung des Abg. Amon –: Bist du dir sicher, Werner?) Ich habe ein bisschen die Befürchtung, dass wir mit unserem Vorgehen den Weg gewählt haben, der eher nicht so gut funktionieren wird. Was da passiert, ist einfach ein Herauslösen, ein Herausreißen der Entwicklungs­zusammenarbeit aus der politischen Verantwortung, und ich persönlich befürchte ein Mehr an Bürokratie, ein Mehr an Kosten, ein Mehr an schwarz-blauem Postenschacher (Abg. Scheibner: Also bitte! Ein bisschen mehr Zurückhaltung bei diesem Thema!) und ein Weniger an Transparenz und demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten. (Beifall bei der SPÖ.) – Wer schreit, hat Unrecht.

Es gibt viele Kritikpunkte, von denen ich im Folgenden drei speziell herausheben möchte:

Das ist zum einen die massive Einschränkung der parlamentarischen Mitbestimmung und Kontrolle. Es wird in Zukunft sehr viel Steuergeld hinter verschlossenen Türen ver­schoben, und es gibt keine Kontrolle mehr darüber. (Abg. Scheibner: „Verschoben“?)

Zum Zweiten werden die eigentlichen Experten und Expertinnen der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, nämlich die Leute in den NGOs, die wissen, wie es vor Ort zugeht, in keinster Weise inhaltlich in die Konzeption der EZA einbezogen. Und es ist auch so, dass es keinerlei Finanzsicherheit für größere Projekte gibt. Und drittens: Längerfristige Finanzierungspläne liegen nicht vor, und es fehlt auch eine Konzeption.

Ich möchte daher folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Bayr, Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Finanzierungsplan für die österreichische Entwicklungszusammenarbeit

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Nationalrat hat beschlossen:


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Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten wird ersucht, dem Nationalrat einen Finanzierungsplan für die österreichischen Entwicklungshilfeausgaben vorzule­gen, der einen klaren Zeitplan für die Steigerung der österreichischen EZA-Ausgaben bis zum Jahr 2006 auf mindestens 0,33 Prozent enthält und darüber hinaus weitere Schritte zu Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels vorsieht. Im Sinne der Beschlüsse von Monterrey sind Entschuldungsmaßnahmen im Rahmen der HIPC-Initiative nicht einzu­rechnen.

Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten wird ersucht, entsprechend den Empfehlungen der OECD für die Erstellung eines globalen ODA-Budgets Sorge zu tragen, das alle Komponenten der EZA umfasst und bei dem die Ausgaben jeweils in einem Jahresbericht, der dem Nationalrat übermittelt wird, ausgewiesen werden. Für den Bereich der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit soll der Bericht entspre­chend dem Dreijahresprogramm gegliedert sein und mit konkreten Budgetzahlen über die durchgeführten Projekte Aufschluss geben.

*****

Ich denke, dass das Gesetz, so wie es vorliegt, zwar durchaus noch einige positive Wendungen erfahren hat – es ist zum Beispiel sehr begrüßenswert, dass in Zukunft in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit auch die Interessen von behinder­ten Menschen im Konkreten berücksichtigt werden sollen –, aber trotz alledem ent­spricht das Gesetz leider nicht den Anforderungen, die wir als SPÖ an solch eine Agentur stellen. Deswegen werden wir diesem Gesetzesvorschlag nicht beitreten. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.00

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Frau Abgeordneter Bayr verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Bayr, Lunacek, Genossen und Genossinnen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Mag. Mainoni – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Hakl –: Karin, erkläre es bitte!)

 


20.00

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh darüber, dass wir diese Agentur, die, wie richtigerweise bemerkt wurde, schon sehr lange im Gespräch ist, jetzt endlich umsetzen, und habe das dringende Bedürfnis, einige Dinge zurechtzurücken.

Richtig ist, dass diese Agentur schon so lange im Gespräch ist, weil sie aus mehreren Gründen Sinn macht. Zum einen ist es wichtig, dass wir Sorge tragen, dass gerade diese Mittel besonders gut und effizient verwaltet werden, denn wir wollen, dass die ärmsten Länder dieser Welt möglichst viel von diesen Mitteln lukrieren können. Zum anderen macht sie deswegen Sinn, weil wir eine derart professionelle Struktur brauchen, wie sie in vielen anderen europäischen Ländern schon lange gang und gäbe ist, in Ländern, die in anderen Debatten immer als Vorbild genannt werden, und zwar auch auf Grund der professionellen Arbeit eben dieser Agenturen. Derart spezialisierte, vom Verwaltungsalltag des Bundesministeriums losgelöste und auf diese wichtige Auf­gabe konzentrierte Einrichtungen müssen auch in Österreich vorhanden sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Darüber hinaus war es selbstverständlich auch notwendig, das in einem angemessen kurzen Zeitraum auch wirklich umzusetzen. Vom nächsten Jahr an wird es eine signifi­kante Steigerung der Mittel geben: 30 Millionen € mehr für die Entwicklungszusam-


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menarbeit insgesamt, davon vier Millionen für die multilaterale Zusammenarbeit, weitere sechs Millionen für die Ostländer und 20 Millionen mehr für die bilaterale Ent­wicklungszusammenarbeit mit unseren Schwerpunkt- und Kooperationsländern, mit den allerärmsten Menschen in diesen Ländern, wo wir bereits hohe Kompetenz aufge­baut haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Jetzt, da wir endlich die von allen gewünschte Steigerung der Mittel und darüber hin­aus den von Kollegin Bayr weiter geforderten, nun fixierten weiteren Anstieg im Regie­rungsprogramm festgeschrieben haben (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter) – eine übliche Vorgangsweise, denn ein Budget wird jährlich gemacht und darüber hinaus­gehende Planungen erfolgen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zum Glück ohnehin in einem Drei-Jahres-Programm, das jährlich dem Parlament zugeleitet wird (Abg. Mag. Lunacek: Aber dort steht nichts drinnen!) –, erfolgt definitiv auf Grund des Regierungsprogrammes die Steigerung auf 0,33 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis 2006.

Um diese Mittel mittels der Agentur auch entsprechend zu verwalten, muss diese Agentur bis dahin stehen. (Abg. Dr. Matznetter: 13 Millionen Agenturmehrkosten! 13 Millionen!) Wir stehen jetzt am Beginn des Sommers. Es muss ein Gesellschaftsver­trag errichtet werden, es muss ein Geschäftsführer bestellt werden, es ist also höchste Zeit, Vorkehrungen zu treffen, um rechtzeitig vor dem Jahr 2004 eine schlagkräftige Truppe zu haben, die die Arbeit weiterführen kann.

Darüber hinaus wird diese Agentur zusätzliche Mittel seitens der EU lukrieren, die wiederum zum einen direkt unseren NGOs in Österreich zugute kommen sollen und das Volumen, mit dem die hiesigen NGOs arbeiten, vergrößern sollen (Abg. Dr. Matz­netter: Wieso?), zum anderen aber auch direkt unseren Partnerländern im Süden und im Osten zufließen sollen. Da dies überhaupt nur mit einer derartigen Konstruktion, einer staatlichen Agentur, möglich ist, könne wir damit diese Möglichkeiten, diese Mittel, die ja sonst in der EU quasi liegen blieben, weil diese Töpfe nicht ausgeschöpft werden, für Österreich und die Ärmsten der Welt an Land ziehen. (Abg. Dr. Matz­netter: Das stimmt ja nicht! ...!)

Außerdem freue ich mich ganz besonders darüber, dass nun über unsere Initiative die Bedürfnisse behinderter Menschen ausdrücklich als ein Schwerpunkt im Gesetz veran­kert sind – 80 Prozent der behinderten Menschen leben in Entwicklungsländern und in Armut –, aber auch darüber, dass endlich die spezifischen Bedürfnisse von Kindern, beispielsweise im Bildungsbereich und in der Debatte um die Kindersoldaten, über unsere Initiative als Familienpartei entsprechende Berücksichtigung in diesem wichti­gen Gesetz finden, denn gerade in den Entwicklungsländern sind die Kinder die Zu­kunft.

Aus diesem Grund hoffe ich letztlich doch noch auch auf Ihre Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetz. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.05

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.05

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Mit den Ausgliederungen ist es so eine Sache. Sie sind derzeit einfach modern und in. Überall steht geschrieben beziehungsweise viele behaupten – auch wenn diese Behauptungen nicht immer stimmen –, dass das einfach effizienter


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sei. Auch Frau Kollegin Hakl hat das jetzt gesagt, man müsse das jetzt tun, man müsse jetzt ausgliedern, denn dann werde es effizienter, und das sei notwendig.

Wir haben das auch schon im Ausschuss besprochen, Frau Ministerin. Auch der Rech­nungshof hat in seiner Stellungnahme festgestellt, dass in Hinsicht auf das in den Erläuterungen des Gesetzes angeführte Ziel, die Durchführungskapazitäten zu steigern und alles effizienter zu machen, in dem vorliegenden Entwurf nicht festgehalten wird, warum gerade durch diese Maßnahme die Aufgaben im Bereich der Entwicklungszu­sammenarbeit tatsächlich in deutlich effizienterer Weise durchgeführt werden.

Sie, Frau Ministerin, haben uns weder im Unterausschuss noch im Ausschuss eine Antwort darauf geben können, warum das tatsächlich effizienter sein werde. Sogar der Rechnungshof sagt, es sei nicht klar, warum das einfache Hernehmen einiger Leute der Sektion VII, die dann wahrscheinlich ein anderes Türschild bekommen, auf dem dann „Austrian Development Agency“ und nicht mehr Sektion VII des Bundesministe­riums für auswärtige Angelegenheiten steht, tatsächlich mehr Effizienz bewirken soll.

Frau Hakl hat soeben gemeint, na ja, es werde nächstes Jahr 30 Millionen € mehr geben, auch im Regierungsprogramm und in der Budgetrede sei das gesagt worden, und bis 2006 würden wir die 0,33 Prozent erreichen. Ich weiß das, nur: Solche Lippen­bekenntnisse hatten wir schon des Öfteren. (Abg. Mag. Hakl: Aber im Regierungspro­gramm war es noch nie!) Erst dann, wenn es einen verbindlichen Finanzplan gibt, wonach diese mindestens 100 Millionen € mehr pro Jahr tatsächlich 2005 und 2006 zur Verfügung stehen werden – und da schaue ich mir dann an, wie der Herr Finanzminis­ter, wenn er dann noch Finanzminister ist, diese Summen tatsächlich hineinpackt und wie diese Regierung das tatsächlich umsetzt, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ) –, wird man mit uns darüber reden können, dass solch eine Agentur Sinn macht.

Aber für die 30 Millionen € nächstes Jahr jetzt diese Struktur? Dafür jetzt husch-pfusch, schnell-schnell ein Gesetz durchdrücken? – Das, meine Damen und Herren, ist nicht die Vorgangsweise, die ich mir für ein sinnvolles Gesetz wünschen würde!

Auch in einem zweiten Bereich ist unserer Meinung nach diese Vorlage eine verpasste Chance – und ich würde es tatsächlich so bezeichnen, Frau Ministerin. Schon im EZA-Gesetz vom letzten Jahr steht nämlich: stärkere Koordination, mehr Kohärenz zwi­schen den in Österreich in sechs oder sieben Ministerien völlig zersplitterten Aufgaben­bereichen der EZA. Die OECD kritisiert das schon seit Jahren, wenn nicht Jahr­zehnten.

Sinnvoll wäre eine solche Ausgliederung nur dann gewesen – und damit sage ich auch, dass wir nicht grundsätzlich dagegen sind –, wenn es Ihnen tatsächlich gelungen wäre, alle diesbezüglichen Bereiche zusammenzufassen: die Nahrungsmittelhilfe aus dem Landwirtschaftsministerium, die Katastrophenhilfe aus dem Bundeskanzleramt, die multilateralen Organisationen aus dem Finanzministerium et cetera, et cetera.

Das ist jedoch nicht gelungen. Diese fehlende Kohärenz wird auch mit der Agentur nicht besser, ich bezweifle sogar, dass sie durch die Auslagerung überhaupt besser werden kann. Wie die anderen Bereiche zusammenspielen sollen, wie es da eine Ver­besserung geben soll, das steht in den Sternen, aber das steht nicht im Gesetz, Frau Ministerin!

Es gibt noch ein paar andere Gründe, warum es für mich und meine Fraktion nicht möglich ist, diesem Gesetz zuzustimmen. Ich gebe zu, ich bin froh darüber, dass es mit diesen 30 Millionen mehr zumindest für das nächste Jahr eine kleine Steigerung des Budgets gibt, und ich erkenne das auch an. Das ist mehr, als es in den letzten Jahren gegeben hat! Aber bei jenem Prozentsatz, den wir bereits in den achtziger Jahren


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hatten, sind wir noch lange nicht. Dass es heuer weniger Geld gibt, heißt ja nur, dass im nächsten Jahr die Steigerung ein bisschen größer erscheinen wird. Es ist gut, aber es ist nicht genug.

Nächster Punkt: die Kontrollfunktion des Parlaments. Sie haben in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ gemeint, dass das Parlament das Budget der ADA genauso be­schließen werde wie bisher das Budget der EZA. Ja, Frau Ministerin, aber bei den Aus­gliederungen in anderen Bereichen ist es auch so gewesen, dass es dann nur mehr den Budgetposten: Agentur XY gegeben hat, die tatsächliche Kontrollfunktion, also was wofür ausgegeben wird, im Budget festzuhalten, das wird es aber nicht mehr geben. Das ist vielleicht eine Verwaltungsvereinfachung, aber für die Kontrolle, Frau Ministerin, ist das kein Vorteil! Auf keinen Fall! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Matznetter: Aber die wollen ja keine Kontrolle!)

Um auf den Zwischenruf des Kollegen Matznetter einzugehen: Das ist ja einer der Gründe; es wird nicht wirklich gewünscht, dass es diese Kontrolle weiterhin gibt. (Bun­desministerin Dr. Ferrero-Waldner: Das ist eine Unterstellung!) – Frau Ministerin, war­um tun Sie es dann in dieser Form? Ich halte diese Vorgangsweise nicht für sinnvoll.

Die NGOs hat schon Frau Kollegin Bayr angesprochen, aber einen anderen Punkt gilt es noch zu erwähnen: Es ist noch immer unklar, wie und wer die Dritten sein sollen, die sozusagen Entgelte für Leistungen bringen, beziehungsweise wie diese privaten Zuwendungen gedacht sind. Das ist völlig unklar!

Der ERP-Fonds und die EU sind keine privaten Geldgeber. Welche Privaten sind also damit gemeint? Die Möglichkeit – und das unterstelle ich jetzt nicht einzelnen Beamten oder Personen, die dann dort handeln werden –, dass dann eine Firma eine Veran­staltung sponsert, gleichzeitig aber auch einen Auftrag lukrieren will und sich dadurch einfach eine besondere Behandlung erwartet, ist durchaus denkmöglich. Wenn man das nicht will, dann hätte man das ausschließen oder zumindest ganz genaue Richt­linien vorgeben müssen. Das ist aber nicht geschehen!

Frau Ministerin! Es ist leider so, dass ich hier eine verpasste Chance konstatieren muss. Etwas wirklich Neues wird damit nicht geschehen, die Kontrollfunktion wird ein­geschränkt. Aus diesem Grund können wir diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.12

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.12

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu meiner Vorrednerin beurteile ich diese Ausgliederung der Entwicklungszusammenarbeit in eine eigene Gesellschaft als durch­wegs positiv. (Abg. Mag. Posch: Das haben wir erwartet!) – Das freut mich, dass ich einmal Ihre Erwartungen erfüllen konnte, darauf bin ich jetzt ganz stolz! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ob die Erwartungen, die an die neue Gesellschaft gestellt werden, auch wirklich erfüllt werden können, wird natürlich erst die Praxis zeigen, aber ich glaube, dass eine der­artige Gesellschaft – wiewohl auch das Außenamt die Entwicklungszusammenarbeit bis jetzt natürlich sehr gut organisiert hat – doch flexibler, auch unkonventioneller arbei­ten und vielleicht das eine oder andere rascher durchsetzen, möglicherweise auch ver­ändern kann (Abg. Mag. Lunacek: Was meinen Sie mit „unkonventionell“?), wenn sich die Situation in diesem Bereich verändert, Frau Kollegin Lunacek, und zwar anders, als das eine öffentliche Institution tun könnte.


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Wenn wir von Entwicklungszusammenarbeit – und nicht mehr, wie man das früher be­zeichnet hat, von Entwicklungshilfe – reden, dann würde ich diese Zusammenarbeit in zweifacher Hinsicht beurteilen: zum einen natürlich als Zusammenarbeit mit jenen, denen geholfen werden soll, und nicht so, wie das vielleicht in der Vergangenheit der Fall gewesen ist, als man von oben herab dekretiert hat, was denn für diese betroffene Bevölkerung sinnvoll zu sein hat, und meistens vergessen hat, was wirklich sinnvoll wäre, vor allem wenn es um Hilfe zur Selbsthilfe geht.

Zusammenarbeit ist aber auch in einem anderen Sinn gemeint, und ich glaube, Frau Außenministerin – wir haben das auch im Ausschuss diskutiert –, hier ist wirklich Hand­lungsbedarf gegeben, und zwar nicht nur in Österreich, sondern bei der Entwicklungs­zusammenarbeit insgesamt: Das ist die Zusammenarbeit zwischen all jenen Organisa­tionen, die sich mit Entwicklungszusammenarbeit beschäftigen, und zwar hinsichtlich Koordination, Vorbereitung, aber Abwicklung und Durchführung von Hilfsmaßnahmen.

Wir haben immer wieder, auf vielen Krisenschauplätzen dieser Welt, gesehen, dass sehr rasch verschiedenste Institutionen, staatliche und nicht-staatliche, vor Ort gewe­sen sind, um Hilfe zu leisten. Oft waren das über 100 verschiedene Organisationen. Allerdings hat die Effizienz gerade an dieser großen Zahl an Organisationen gelitten, weil diese Organisationen leider selten zusammengearbeitet, manchmal sogar gegen­einander gearbeitet haben. (Abg. Mag. Lunacek: Das ändert die ADA auch nicht!) – Ja, das hat ja kein Mensch gesagt. Würden Sie mich ausreden lassen, dann würden Sie mir am Ende vielleicht auch bei meiner Schlussfolgerung zustimmen können. (Bei­fall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Infolge dieser mangelnden Koordination geht also sehr viel an Kapazität, an Res­sourcen verloren. Ich glaube, wir sollten einmal in Österreich damit beginnen. Hier könnte diese Gesellschaft durchaus ein organisatorisches Dach bilden, damit wir, wenn wir uns etwa entscheiden, mit Hilfslieferungen, mit konkreten Projekten in eine Krisen­region zu gehen, zumindest die österreichische Hilfe koordinieren. Gerade die Irak-Hilfe und die dortigen Hilfsmaßnahmen zeigen aber schon wieder in eine andere Rich­tung. Es ist zu fordern, dass vielleicht das Außenministerium oder eine andere Institu­tion diesen Schirm, dieses Dach für eine koordinierte gemeinsame Aktivität darstellt. Das wäre aus meiner Sicht eine wichtige Aufgabe.

Obwohl wir diese Ausgliederung befürworten, wird es, glaube ich, wichtig sein, dass sich das Parlament, aber auch die Bundesregierung auch in Zukunft mit den Strategien der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit beschäftigt und auch immer wieder überprüft, ob die Geldmittel – und nicht zu geringe Geldmittel – effizient und projekt­orientiert eingesetzt werden.

Frau Außenministerin, Sie wissen, ich bin kein Freund von irgendwelchen Pledging-Konferenzen, auf denen man Geldbeträge meldet, das ganz nett auch präsentieren kann, aber hinterher immer wieder die Frage gestellt wird: Wo fließen denn die Gelder hin? Wie werden sie verwendet? Und: Kommen sie überhaupt dort an, wo wir sie eigentlich haben wollten? Das Resultat schaut dann so aus, wie wir es zurzeit etwa in Afghanistan haben, wo es eben nicht funktioniert hat, wo die Gelder nicht immer dort angekommen sind, wo sie hinkommen sollten, nämlich in konkrete Projekte, um auch der Bevölkerung, und zwar in weiten Bereichen, wirklich einen Ausweg für die Zukunft zu zeigen. Die jüngsten Meldungen, wonach wieder vermehrt, und mehr denn je, Rauschgift-Plantagen und Ähnliches die wichtigste, und manchmal einzige Einnahme­quelle für die Bevölkerung darstellen, zeigen einem, wohin ein derart mangelhaft koor­diniertes Handeln führen kann. (Abg. Mag. Lunacek: Das ändert die ADA auch nicht!)

Nun weiß ich schon, dass Österreich da keine führende Rolle einnehmen kann, aber dort, wo wir das können, nämlich bei uns, im eigenen Bereich, bei den eigenen Maß-


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nahmen, könnten wir diese Koordinierung, diese Zielorientierung durchaus verwirk­lichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Also: ein Ja zu dieser Ausgliederung, aber auch ein Ja zu einer Kontrolle, zu einer ge­meinsame Strategiefeststellung, und ein Ja zu einer effizienten Entwicklungszusam­menarbeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.18

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.18

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Hohes Haus! Frau Minister! Nichtsdesto­weniger möchte ich damit beginnen, dass wir es ein bisschen befremdlich empfunden haben, dass Sie heute bei der Debatte über den EU-Beitrittsvertrag nicht anwesend waren. Nun weiß ich zwar, dass es Sache des Verfassungsausschusses und des Bun­deskanzlers gewesen ist, trotzdem hat ein derart elementarer Vertrag auch etwas mit Außenpolitik zu tun, sodass man annehmen könnte, dass die Frau Bundesaußenminis­terin bei seiner Behandlung anwesend ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie finden immer ein Haar in der Suppe!) – Danke, Frau Abgeordnete.

Bevor ich auf die Agentur zu sprechen komme, möchte ich zur Entwicklungszusam­menarbeit im Allgemeinen etwas sagen. Wir haben im Ausschuss eine Debatte über die österreichischen Ausgaben, die österreichischen Beiträge zur Entwicklungszusam­menarbeit, die in den letzten Jahren immer zwischen 0,26, 0,23 und 0,29 Prozent ge­schwankt sind, geführt. Meiner Überzeugung nach sind wir weit vom ehemaligen UNO-Ziel von 0,7 Prozent entfernt. Trotzdem ist es, glaube ich, zumindest ein bescheidener Beitrag. Das im Ausschuss von Ihnen erwähnte OSZE-Ranking, das widerlegen sollte, dass wir nicht im hinteren Feld liegen, habe ich nicht finden können.

Wir sind also bei den Entwicklungsausgaben weit hinten. Vor allem wäre es auch interessant, zu wissen, was da alles hineingerechnet wird.

Was die ADA selbst anbelangt, kann man, die Kritik zusammenfassend, sagen, abge­sehen vom formalen Procedere: der kurze Begutachtungszeitraum von nur zehn Tagen, eine völlig unzureichende Einbeziehung der NGOs, der parlamentarischen Opposition – das sind Kritikpunkte, und fast alle relevanten Stellungnahmen, die einge­gangen sind, monieren diese mangelnde Begutachtungsmöglichkeit.

Auch die mangelnde Kohärenz, dass kein Koordinationsmechanismus festgelegt wurde, dass es keine Richtlinienkompetenz des Außenamtes gäbe, keine Durchgriffs­möglichkeit des Außenamtes, ist in fast allen relevanten Stellungnahmen zu finden.

Ein weiterer Punkt sind die Finanzen. Um die Einrichtung einer Agentur um insgesamt immerhin 700 000 € zu rechtfertigen, wäre wirklich ein Finanzplan notwendig. Der Rechnungshof kritisiert, dass die Berechnungsgrundlage für die Finanzierung fehlt. Er sagt dazu, dass aus dem vorliegenden Entwurf allerdings nicht hervorginge, weshalb durch die geplanten Maßnahmen die Aufgaben im Bereich der Entwicklungszusam­menarbeit in deutlich effizienterer Weise als bisher erfüllt werden können.

Das muss man schon auch sagen, abgesehen von den eingeschränkten Möglichkei­ten, die sich bei der künftigen Debatte im Plenum ergeben, bei der Debatte über das Dreijahresprogramm, bei der Debatte darüber, wie die politische Ausrichtung der zukünftigen Entwicklungszusammenarbeit ist.

Was den Konsultationsmechanismus mit den NGOs angeht, ist zu sagen: Viele NGOs befürchten eine destruktive Konkurrenz, befürchten, dass sie in ihrer Rolle einge­schränkt werden. Die Bischofskonferenz sagt zum Beispiel, dass sie ein Versiegen des


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Spendenflusses befürchtet. Da hätte ich eine Vorschlag: Man könnte den Herrn Finanzminister bitten – er ist ja momentan auf der Suche nach sozialen Projekten –, ob er hier mit Spenden aushelfen könnte.

Last but not least ist für uns auch interessant, wer der Geschäftsführer dieser Agentur sein wird. Da wird sehr spannend sein: Welche Kompetenz bringt er ein? Welche Erfahrungen wird er einbringen? Natürlich wird er völlig über jeden Verdacht erhaben sein, in irgendeinem Naheverhältnis zu den Regierungsparteien zu stehen beziehungs­weise dem inzwischen schon zur Gewohnheit gewordenen Machtkalkül unterworfen zu sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.22

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort kommt Frau Bundes­ministerin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


20.23

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist heute ein guter Tag für mich und für die österrei­chische Entwicklungszusammenarbeit, denn ich habe mich nun bereits acht Jahre, und zwar schon als ich Staatssekretärin war, darum bemüht, in der Entwicklungszusam­menarbeit Verbesserungen durchzuführen, damit sich diese Zusammenarbeit nicht nach unten, sondern nach oben entwickelt. Das war nicht immer einfach auf Grund des Konsolidierungsbedarfes, der vorhanden war und dem ich selbstverständlich auch entsprochen habe.

Verehrte Damen und Herren! Ich freue mich ganz besonders, dass es in meiner Amts­zeit, konkret im vorigen Jahr, gelungen ist, ein Entwicklungszusammenarbeitsgesetz zu erarbeiten und zu verabschieden – das hat im Vorfeld zehn Jahre gedauert; bei uns ist es sehr schnell gegangen – und heute eine Ausgliederung durchzuführen, die, wie ich meine, wirklich sehr wichtig ist.

Es ist, wie Sie wissen, durch den Beschluss von Monterrey gelungen, 0,33 Prozent des Bruttoinlandsproduktes als die Marke für 2006 zu erreichen. Das wurde von Österreich natürlich begrüßt und mitgetragen, und nun sind wir dabei, das umzusetzen.

Warum also effizientere Umsetzung in einer Ausgliederung? – Ich sage Ihnen ganz klar: Dies deshalb, weil man in der Struktur eines Ministeriums – noch dazu, wo man jetzt in den gesamten Konsolidierungsbedarf eingebunden ist, wo man den Stellenplan erfüllen muss – nicht plötzlich einen wesentlich höheren Arbeitsanfall auf die Dauer bewältigen kann. Wir sind dabei so vernünftig vorgegangen, dass wir uns jetzt darauf vorbereiten, dass es vielleicht dann pro Jahr doch höhere Zuwächse geben wird.

Ich glaube, es ist enorm wichtig, dass wir bereits jetzt begonnen haben, diese lang­fristige Perspektive sehr korrekt und präzise vorzubereiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Verehrte Damen und Herren! Sie wissen alle, wir haben ein jährliches Budget, und da­her ist es leider nicht möglich gewesen, gleich ein Budget bis zum Jahr 2006 zu haben. (Abg. Mandak: Einen Zeitplan!) Das habe ich auch immer wieder in den Ausschüssen erklärt. Ich hätte gedacht, dass Sie auf dieses Argument eingehen, und nicht, dass Sie es einfach nur wiederholen.

Sie wissen aber, dass der Finanzminister sehr wohl – und ich glaube, das ist wichtig – erwähnt hat, dass es im Budgetprogramm, das ja auf mehrere Jahre angedacht ist, vorgesehen ist. Auch das ist ein klarer Hinweis dafür, dass wir das, was wir uns in der Europäischen Union als Ziel gesetzt haben, selbstverständlich umsetzen wollen. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich möchte auch fragen: Was würde denn passieren, wenn wir jetzt nicht ausgliedern würden? – Ich fürchte, dann würde uns der Finanzminister zu Recht sagen können: Ihr seid ja überhaupt nicht auf diese Erhöhung der Entwicklungszusammenarbeit vorbe­reitet! Ich sage Ihnen: Es ist ganz wichtig, dass – und mir ist das immer ein Anliegen gewesen – die Projekte einzeln sehr klar projektiert, angeschaut und kontrolliert wer­den.

Weil hier unter anderem Afghanistan angesprochen wurde, darf ich sagen: Wir haben uns sehr bemüht, hier nur drei Projektgruppen anzusprechen, die, wenn auch natürlich im kleineren Bereich, umgesetzt werden: eine im Drogenbereich, eine andere im Ent­minungsbereich und eine dritte im Bereich der Frauenförderung. Diese Projekte wer­den durchgeführt und sind auch nicht beeinflusst durch die insgesamt nicht einfache Umsetzung. Das erfordert natürlich enorm viel Expertise, enorm viel Zeit, enorm viel Input, und das ist bei einer Ausgliederung wesentlich leichter zu machen.

Sie wissen auch, dass wir die Ausgliederung in dieser Form jetzt relativ rasch und zügig durchführen mussten, weil wir auch den Gesellschaftsvertrag natürlich erst dann konzipieren können, wenn es ein Gesetz gibt. Dieser Gesellschaftsvertrag muss natür­lich auch wieder ordnungsgemäß und gut gemacht werden. Es muss ein Unterneh­menskonzept erstellt werden, es müssen die neuen Verwaltungsabläufe festgesetzt werden. Insgesamt müssen auch über 500 Projekte auf die Gesellschaft übertragen werden.

Daher möchte ich mich hier auch bedanken, und zwar bei der Frau Abgeordneten Bayr zum einen und beim Herrn Abgeordneten Schieder zum anderen, die es ermöglicht haben, dass wir diese Materie jetzt im Plenum behandeln, damit wir ab 1. Jänner 2004 diese Erhöhung bei der EZA auch tatsächlich umsetzen können.

Ich muss sagen: Ich finde es eigentlich ein bisschen schade, dass diejenigen, die immer gefordert haben, dass die Mittel für die EZA endlich aufgestockt werden, jetzt, wo es tatsächlich verwirklicht wird, mit uns nicht mitgehen wollen oder nicht mitgehen können. Ich glaube, wir haben die beste Rechtsform gewählt: Wir haben eine GesmbH gewählt. Das ist die Rechtsform, die bei den meisten Ausgliederungen verwendet wird.

Es stimmt auch nicht, dass keine parlamentarische Kontrolle möglich ist, denn es kann selbstverständlich bei der Budgetdiskussion jedes Thema angesprochen werden und es sind natürlich auch im Dreijahresprogramm die verschiedenen Fragen im Detail behandelt und es gibt schließlich auch einen Geschäftsbericht.

Im Übrigen sind wir auf viele Fragen eingegangen, die bis zu den Ausschussberatun­gen angesprochen wurden. Es stimmt also keineswegs, dass wir Ihren Argumenten nicht zugehört haben. Obwohl zum Beispiel die Behinderung schon unter der Armuts­bekämpfung angeführt war, haben wir sie noch einmal verstärkt hineingebracht.

Ich glaube also, wir haben hier sehr viel einzubringen versucht, aber ich sage Ihnen auch: Es wird jetzt auch wichtig sein, dass diese österreichische ADA, Austrian De­velopment Agency, sich auch einbringen kann und mehr Kofinanzierungsmittel von Brüssel abholt. Das ist sehr wichtig für uns, das ist aber vor allem wichtig für unsere Nichtregierungsorganisationen, die das immer gefordert haben und die damit auch eine neue Möglichkeit haben.

Insgesamt ist dies, verehrte Damen und Herren, ein wesentlicher Schritt in eine positive Richtung für mehr EZA, und dies in einer guten und auch kontrollierten Form. Ich hätte mir da schon einen einstimmigen Beschluss gewünscht, aber trotzdem sage ich noch einmal: Es ist dies ein guter Tag für die EZA! – Danke für Ihre Aufmerksam­keit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


20.30


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Felzmann. – Bitte. (Abg. Brosz: Ein guter Tag beginnt mit einem zurückge­tretenen Finanzminster! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

 


20.30

Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Wir sehen die ADA als eine wirklich ganz besondere Chance, hier einiges bewegen zu können. Es ist jetzt schon sehr viel gesagt worden, einerseits zum zeitlichen Fahrplan, andererseits zur Kontrollmöglichkeit und auch inhaltlich be­züglich der Aktivitäten dieser neu zu gründenden Agentur. Ich finde es persönlich be­dauerlich, Kollegin Bayr, wenn Sie schon im Vorhinein wissen wollen, dass es nicht funktioniert. Das spiegelt für mich schon ein Bild wider von jenen, die die Aktivität nicht unbedingt gepachtet haben, die Aktivität und die Dynamik, die wir heute benötigen, verweigern.

Die Agentur wird eine Vermittlerrolle innehaben, einerseits zwischen den NGOs und der Wirtschaft und andererseits mit den Finanzierungsmöglichkeiten von Brüssel. Durch die Schaffung der ADA werden die Durchführungskapazitäten – das haben wir heute auch schon gehört – gesteigert, verändert, und das brauchen wir auch.

Faktum ist – und darin sind wir uns, glaube ich, alle einig –, dass das Bundesministe­rium für auswärtige Angelegenheiten zum einen bisher schon ausgezeichnete Arbeit geliefert hat, zum anderen soll es jetzt auf Grund dessen, was wir uns seitens der EU von diesen neuen und zusätzlichen Förderungen erwarten, völlig neue Strukturen ge­ben und soll ein Mehr an Leistung erbracht werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch wenn manche das Wort Effizienz nicht hören wollen oder hören können: Es wird das eines jener Schlagwörter sein, welches die Arbeit dieser Agentur sicher begleiten wird. Nur durch die Schaffung und Etablierung dieser Agentur können wir auch an diese Fördertöpfe der EU herantreten. Das wäre ohne diese Gesellschaft nicht mög­lich, und das ist auch jener Punkt, den die NGOs und auch die Kollegen der Opposition immer gefordert haben. Mit 1. Jänner 2004 wird es dann so weit sein.

Faktum ist, dass nach den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Barcelona alle EU-Mitgliedstaaten bis 2006 ein EZA-Volumen in Höhe der bereits angesproche­nen 0,33 Prozent des BIP erreichen sollen. Es war sicher nicht einfach für die Frau Bundesministerin und für uns alle, das in dieser angespannten Budgetsituation auch gewährleisten zu können. Wenn man sich die Budget-Vorschau bis 2006 ansieht, dann wird man auch da diesen Zugang widergespiegelt vorfinden. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Wort noch dazu, was diese Steigerung bedeuten wird. – Auf der einen Seite wer­den durch diese 30 Millionen € mehr zirka 60 Prozent an der Osthilfe erweitert, und es wird auch die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit um rund 30 Prozent gesteigert werden können – und das bitte in einem Jahr!

Kurz noch zu den NGOs. – Sie wissen doch, dass die NGOs im Vorfeld, in der Begut­achtung auch eingebunden wurden, dass hier viele Statements eingelangt sind, dass alle Statements gesichtet worden sind und im Team überlegt worden ist, was hier noch aufgenommen werden kann.

Es ist bedauerlich, dass das seitens der Opposition negativ gesehen wird. Sicher ist, dass viele NGOs diese Agentur begrüßen und sehr zufrieden sind, dass es nun mög­lich ist, an die Fördergelder der EU heranzukommen. Wir begrüßen das, wir unterstüt­zen diesen Entwurf, und wir bedauern es, wie gesagt, dass die Opposition da nicht mitzieht. Auch Sie fordern die Aufstockung der Mittel schon seit sehr langer Zeit. – Sie


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haben es gefordert, aber wir realisieren es! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

20.34

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

 


20.34

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Frau Ministerin, ich möchte schon in Erinnerung rufen, dass die Mittel für die EZA in den letzten Jahren massiv gekürzt wurden und dass erst im nächsten Jahr mit einem Anstieg zu rechnen ist, und da stellt sich dann schon die Frage, die auch heute schon gestellt wurde: Wie werden Sie es bewerkstelligen, dass die europäischen Ziele tatsächlich bis zum Jahr 2006 erreicht werden?

Meine Damen und Herren! Generell muss man leider sagen, dass die Grundvoraus­setzungen für das Arbeiten der derzeitigen Regierung offensichtlich in der Geschwin­digkeit liegen, in Ausgliederungen um jeden Preis und auch in der Tatsache, dass möglichst keine Gespräche geführt werden. Es fällt mir da konkret eine ganze Reihe von Beispielen ein – ob es jetzt im Kulturbereich um den Verkauf des österreichischen Bundesverlages geht, ob es um das KomAustria-Gesetz geht, ob es um diese angeb­lich im stillen Kämmerlein bewerkstelligte oder jetzt ausgedachte Förderung zum Film­gesetz geht, wo auch die Betroffenen nicht eingebunden werden, ob es um das Ur­heberrecht geht, wo plötzlich die Vorschläge aus dem Entwurf verschwunden sind, oder ob es um den Umweltbereich geht. Es gibt da eine ganze Reihe von Beispielen.

Mit der jetzigen EZA-Novelle haben Sie aber sicherlich die Geschwindigkeitsrekorde gebrochen, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, denn ganze zehn Tage Begutachtungsfrist sind für eine grundlegende Reform doch wirklich wenig.

Da diese EZA-Gesetznovelle 2003 auch einige massive Schönheitsfehler hat, waren die Resultate des Begutachtungsverfahrens weitgehend übereinstimmend, und zwar in ihrer negativen Beurteilung.

Eines möchte ich schon betonen – und das ist heute auch schon gesagt worden –: Wir sind nicht grundsätzlich dagegen, dass eine Agentur das abwickelt, aber es ist immer die Frage des Wie. Ich finde es wirklich unzumutbar und demokratiepolitisch bedenk­lich und halte es für eine Unkultur, eine Vorlage auf den Tisch zu legen, ohne vorher mit den Betroffenen ausführlich gesprochen zu haben, und dann nur zehn Tage Zeit zu geben, damit die Institutionen möglicherweise überfordert sind, um sich die Auswirkun­gen tatsächlich genau anschauen zu können.

Das ist wirklich ein Vorwurf, den man Ihnen machen muss, meine Damen und Herren von der Bundesregierung und von den Regierungsparteien: Gesprächskultur ist nicht Ihre starke Seite. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr interessant finde ich auch folgenden Aspekt: Es verdichten sich zunehmend die Gerüchte, dass im Außenministerium bereits seit einiger Zeit ein interner Prüfbericht über die EZA existiert, über dessen Ergebnisse anscheinend Stillschweigen gewahrt wird. Vielleicht ist es auch ein Verschweigen; ich weiß es nicht. Wenn man aber nichts davon hört und dieser Bericht irgendwo in einer Lade verschwindet, dann stellt sich schon die Frage: Sind denn die Resultate so schlimm, dass man sie nicht veröffent­lichen kann? (Abg. Großruck: Verdächtigungen und Vernaderungen überall!)

Neben dieser internen Kritik gibt es auch Kritik – und das wurde schon gesagt – von vielen anderen Organisationen. Das geht von der AGEZ, über den ÖGB, bis zum Evangelischen Oberkirchenrat, zur Österreichischen Bischofskonferenz, zur Wirt-


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schaftskammer und so weiter und so fort. Eine ganze Reihe von Organisationen neben dem Rechnungshof kritisieren das.

Damit bin ich wieder bei der überhöhten Geschwindigkeit und dem außer Kontrolle ge­ratenen Kurs dieser Bundesregierung. Es ist leider immer dasselbe. Er ist konzeptlos und viel zu schnell, oft nicht wirklich durchdacht und nicht besprochen, und das ist sehr bedauerlich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

20.39

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mainoni. – Bitte.

 


20.39

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wenn ich so die Argumentation der Opposition höre, muss ich sagen: Es ist der klassische Versuch, etwas, was Sie im Wesen als positiv erkennen, trotzdem negativ darzustellen und schlecht zu machen, einfach deswegen, weil es von den Regierungsparteien ist. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Zum Beispiel ist da von der „überhöhten Geschwindigkeit“  der Regierung die Rede – um meine Vorrednerin zu zitieren. Was ist die „überhöhte Geschwindigkeit“ der Regierung? Also ich kann mir nicht vorstellen, was sie damit meint. Ich kann es mir jedenfalls nicht vorstellen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Frau Kollegin Bayr hat zum Beispiel auch nicht gesagt, dass die Ausgliederung Un­sinn ist. Sie hat um den Brei herumgeredet und gemeint, sie sei nicht sinnvoll und so weiter. Das Ergebnis des Ganzen ist nichts anderes als: Die Opposition will und kann nicht zustimmen!

Sie, Frau Kollegin Lunacek, haben auch gesagt, dass Sie grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden haben. Das impliziert ja gleichfalls, eigentlich hätten Sie es auch wollen, nur ist es von der Regierungspartei, und deshalb geht es nicht. – Genau das ist leider Gottes die Vorgangsweise, und diese kann natürlich zu keiner Einigung führen.

Dieses Gesetz beziehungsweise diese neue Agentur hat tatsächlich wesentliche Vor­teile: Diese Ausgliederung führt ganz sicherlich zu einer schlankeren Verwaltung. Diese Agentur ist vor allem unabhängiger, ist auch objektiver, und sie ist effizienter, Frau Abgeordnete Lunacek. Diese Agentur ist flexibler, ist unkonventioneller; zusätz­liche Mittel werden zugeführt.

Was vor allem wichtig ist – und da bin ich sicherlich anderer Ansicht als Sie, Frau Lunacek, und auch Sie von den Sozialdemokraten –, ist, dass sie dem parteipolitischen Einfluss entzogen wird. Das ist ein wesentlicher Vorteil dieser ausgegliederten Agentur ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe des Abg. Schieder.) – Herr Abgeordneter Schieder, lassen Sie mich jetzt reden; nachher können Sie ja hier herauskommen und auch etwas dazu sagen! Aber jetzt lassen Sie mich bitte reden! (Abg. Schieder: Was heißt „parteipoliti­scher Einfluss“ ...? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Entwicklungshilfe ist allerdings – ein Vorredner hat das ja bereits erwähnt – in man­chen Bereichen durchaus reformdürftig. Es wurde hier gesagt, die NGOs hätten Sorge gehabt. – Also ich kann mich noch an diesen Unterausschuss erinnern: Da war das ganz und gar nicht so! Die NGOs waren sogar sehr einverstanden damit, sind dort selbstbewusst aufgetreten und haben gesagt: Wir können sehr gut damit leben, wir finden das sogar gut! – Namentlich waren das zum Beispiel Frau Mag. Elfriede Schachner; Norman Spitzegger hat das gleichfalls als positiv bewertet. Sogar Ing. Heinz Hödl hat gesagt: Ein akzeptabler Kompromiss ist damit geschaffen!


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Zu diesem Argument, das hier wieder von der Opposition angeführt wurde, die NGOs hätten Sorge: nein, mitnichten! Das stimmt einfach nicht, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Entwicklungshilfe ist in manchen Bereichen reformbedürftig. Wenn man hört, dass sich zum Beispiel jetzt im Zuge des Irak-Krieges die NGOs bemüht haben, noch vor Beendigung des Krieges Tankwägen anzukaufen – und dies auch gemacht haben –, um die Wasserversorgung im Irak sicherzustellen, jedoch nicht damit gerechnet haben, dass der Krieg gar nicht so lange dauert und dass die Wasserversorgung im Irak im Wesentlichen nicht zusammengebrochen ist, so ist das leider Gottes als negatives Element zu sehen, weil um teures Geld Wassertankwägen gekauft worden sind, die jetzt im Irak einfach so herumstehen.

Diese Tankwägen wurden natürlich aus Spendengeldern bezahlt – und werden jetzt nicht gebraucht! – Das ist nur ein Beispiel dafür, dass eine Koordination der Entwick­lungshilfe ein wesentlicher Beitrag dazu wäre, dass Spendengelder sinnvoll eingesetzt werden.

Abschließend, sehr geehrte Damen und Herren: Diese neue Agentur wird sicherlich ihren Weg gehen, wird erfolgreich sein – und wird die Entwicklungshilfegelder, die von den österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bezahlt werden, sinnvoll einsetzen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.42

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Lunacek zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.43

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Kollege Mainoni hat in seiner Rede behauptet, dass einige NGO-Vertreter, namentlich Frau Schachner, Herr Spitzegger und Herr Hödl, diese Ausgliederung begrüßt hätten.

Ich stelle richtig, dass die Genannten zwar gesagt haben, dass sie damit zufrieden sind (Abg. Scheibner: Na also!), dass einige Punkte gegenüber dem Erstentwurf verbes­sert wurden (Abg. Scheibner: Das ist keine Berichtigung, das ist eine tatsächliche Bestätigung!), dass sie aber sehr wohl einige Punkte massiv kritisiert haben, und zwar die mangelnde Kohärenz, den nicht vorliegenden Finanzplan für die weitere Erhöhung und noch einige andere Punkte mehr. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Tat­sächliche Bestätigung!)

20.43

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Brader. – Bitte.

 


20.44

Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Debatten um die österreichische Entwicklungszu­sammenarbeit haben seit jeher zwei Brennpunkte: Der eine lässt sich mit Steigerung der Mittel umschreiben, der zweite mit Steigerung der Effizienz. Daran hat sich seit 1995 – damals durfte ich ebenfalls im Unterausschuss daran mitarbeiten – nichts geän­dert.

Der Wiedereintritt in einen Raum, den man unfreiwillig verlassen hat, ist niemals auch ein Wiedergewinn der verlorenen Zeit, aber ich freue mich trotzdem, dass ich heute bei der Beschlussfassung über diesen Meilenstein der österreichischen Entwicklungszu­sammenarbeit wieder mit dabei sein darf.


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28. Sitzung / Seite 211

Ich glaube, dass die österreichische Entwicklungszusammenarbeit noch nie besser do­tiert, noch nie besser organisiert und noch nie so kohärent war, wie das heute der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Luna­cek: Doch! In den achtziger Jahren gab es mehr Geld!)

Geschätzte Damen und Herren! Meine Freude darüber bleibt auch ungetrübt, wenn die SPÖ und die Grünen heute nicht mitstimmen, obwohl ich sagen muss: Verstehen tue ich das nicht (Zwischenrufe bei der SPÖ), waren es früher doch die Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Mag. Kammerlander, die bei jeder Gelegenheit – wirklich bei jeder Gelegenheit! – eine Steigerung der EZA-Mittel verlangt haben – und die Gründung einer Agentur!

Heute jedoch sind es gerade die Vertreter der SPÖ und der Grünen, die sich dagegen aussprechen. Ehrlich gesagt: Ich kann diese Ablehnung wirklich nicht verstehen (Zwi­schenrufe bei der SPÖ), und ich glaube auch, dass sie nur aus bloßem „Oppositions­geist“ heraus erfolgt – und hoffe, dass sie nicht auf einen Paradigmenwechsel hin­weist.

Unserer Ansicht nach ist unumstritten, was eine gute EZA kennzeichnet. Erstens: aktive und effiziente NGOs, die in ihrer Arbeit unterstützt und begleitet werden. Und diese neu geschaffene Agentur wird genau das machen! Sie wird keine „Super-NGO“ sein, die selbst Projekte durchführt, sondern wird aus Brüssel Mittel lukrieren, damit die finanzielle Ausstattung der NGOs besser wird. Und diese Agentur wird auch Kontrolle ausüben.

Da ich hier die Sorge durchgehört habe, mit dieser Agentur werde die EZA der Kon­trolle des Parlaments entzogen, muss ich betonen: Dem ist nicht so, wir werden nach wie vor die entsprechenden Berichte hier diskutieren.

Zweitens, und letzter Punkt dazu: Gute Entwicklungszusammenarbeit braucht auch eine entsprechende Bewusstseinslage in der Bevölkerung. Ich glaube, meine Damen und Herren, in diesen Belangen gibt es Nachholbedarf, und ich erwarte mir daher von der neu geschaffenen Agentur eine diesbezügliche Verbesserung.

Geschätzte Damen und Herren! Der heutige Beschluss ist ein Meilenstein, ist ein richti­ger Schritt in die richtige Richtung. Gehen Sie mit! Die EZA und die von ihr unterstütz­ten Menschen werden es Ihnen danken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.46

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 149 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit, und damit ist der Gesetzentwurf ange­nommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Der Gesetzent­wurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Bayr, Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierungsplan für die österreichische Entwicklungszusammenarbeit.


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28. Sitzung / Seite 212

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

7. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (96 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (150 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (11 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Natio­nen, der Internationalen Atomenergieorganisation, der Organisation der Verein­ten Nationen für Industrielle Entwicklung und der Vorbereitenden Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearver­suchen zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Orga­nisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über die Errichtung und Verwaltung eines Gemeinsamen Fonds zur Finanzierung größerer Repara­turen und Erneuerungen in deren Amtssitzen im Internationalen Zentrum Wien (151 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (14 der Beilagen): Abkommen über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Südafrika andererseits samt Anhängen und Protokollen sowie Schluss­akte und Erklärungen (152 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (21 der Beilagen): Änderung von Artikel 1 des Übereinkommens über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die über­mäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (153 der Bei­lagen)

11. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (62 der Beilagen): Protokoll über die Privilegien und Immunitäten der Internationalen Meeresbodenbehörde (154 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (73 der Beilagen): Übereinkommen zwischen den an der multinationalen Brigade aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft für Operationen der Vereinten Nationen teil­nehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen samt Erklärung der Republik Argentinien (155 der Beilagen)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 7 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


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28. Sitzung / Seite 213

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Murauer mit einer freiwilligen Redezeitbe­schränkung von 5 Minuten. – Bitte.

 


20.50

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte Sie auf zwei Regierungsvorlagen aufmerksam machen: zum einen auf das Übereinkommen betreffend die multinationale Eingreiftruppe der UNO, wobei uns die Rechtsstellung dieser Truppe natürlich ein Anliegen ist, da auch unsere Trup­pen im Rahmen dieser Eingreiftruppe international unterwegs sind.

Diese Truppe umfasst 5 000 Mann – damit das alle wissen –, und sie operiert innerhalb von 30 Tagen beziehungsweise maximal sechs Monaten. Im Besonderen ist sie in Afrika unterwegs: in Äthiopien, in Eritrea – und in nächster Zeit sind Einsätze im Sudan und in Liberia geplant.

Ziel ist es, ein Gesetz zu haben, damit unsere Truppen eben entsprechende Rechts­stellung in einem anderem Hoheitsgebiet haben; ein Zeichen auch dafür, dass Öster­reich immer wieder Partner für Frieden und Freiheit bei internationalen Einsätzen ist.

Die zweite nun zur Diskussion stehende Regierungsvorlage betrifft das Übereinkom­men über das Verbot konventioneller Waffen, deren Einsatz übermäßiges Leiden ver­ursachen könnte. Diesbezüglich hat sich Österreich ja bereits international einen Namen gemacht. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an einen diesbezüglichen Vier-Parteien-Antrag, der vor einigen Jahren hier verabschiedet wurde, und zwar im Zusammenhang mit Anti-Personen-Minen. Damals haben wir hier eines der strengsten Gesetze dazu verabschiedet, wenn nicht das strengste überhaupt, und dieses Gesetz war auch Grundlage für die Ottawa-Konvention.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, dass gerade die Zivilbevölkerung in einem Krieg sehr, sehr leidet – und dazu, dieses Leid einzudämmen beziehungsweise über­haupt zu verhindern, dient dieses Gesetz. Ziel ist ein Totalverbot dieser Anti-Perso­nen-Minen. Die Ottawa-Konvention besteht aus vier Verboten, die davon unabhängig sind; damit möchte ich Sie aber heute Abend nicht mehr konfrontieren.

Jedenfalls ist es so, dass wir auf Grund der führenden Rolle Österreichs im Jahre 2005 den Vorsitz der Überprüfungskommission bekommen werden. Das zeichnet uns aus, das ist für uns eine große Ehre. – Meine Bitte, Frau Bundesminister, ist, diesem huma­nitären Anliegen auch weiterhin jene Priorität einzuräumen, die Sie ihm in der Vergan­genheit bereits gegeben haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

20.52

 



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Stenographisches Protokoll
28. Sitzung / Seite 214

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


20.52

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Außenminis­terin! Meine Damen und Herren! Ich wollte mich mit denselben beiden Tagesordnungs­punkten beschäftigen, die Herr Abgeordneter Murauer jetzt umfassend präsentiert hat. Um diese Tageszeit sollte man aber keine Wiederholungen machen, daher nur: Ich hoffe, dass alle – wie das ja vereinbart ist – diesen Vorlagen ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bravorufe und demonstrativer Beifall bei den Grünen.)

 


20.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

 


20.53

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ganz so kurz wie Kollege Scheibner werde ich es nicht machen, aber ich werde mich mit zwei anderen Teilen dieser jetzt zur Diskussion stehenden Vorlagen beschäftigen.

Erstens: zur Änderung des Konsulargebührengesetzes, der wir natürlich unsere Zu­stimmung erteilen werden. Dabei war es uns ein Anliegen, dass da auch die auslän­dischen MitarbeiterInnen der Akademie der Wissenschaften miteinbezogen werden. Das mit dem Antrag ist sich im Ausschuss leider nicht ausgegangen, wir haben aber gehört, dass es von Ihrer Seite, Frau Ministerin, eine Weisung geben soll. Damit stellen wir hier diesen Antrag nicht und hoffen, dass das auch tatsächlich so gemacht wird, denn ich meine, es macht Sinn – im Interesse der Akademie der Wissenschaften und jener Personen, die nach Österreich kommen –, das Konsulargebührengesetz auf diesen Personenkreis auszuweiten.

Ein weiterer Punkt, auf den ich kurz eingehen möchte, betrifft das Handelsabkommen der EU mit Südafrika. Die Verhandlungen hiezu haben sehr lange gedauert, vor allem deshalb, weil da die EU immer wieder besondere Bedingungen gestellt hat. Da gibt es natürlich ein gewisses Ungleichgewicht: Für Südafrika ist dieses Abkommen um eini­ges wichtiger als für die EU. Die EU ist für Südafrika ein viel größerer Markt als umge­kehrt, und deswegen war es der Europäischen Union zum Beispiel möglich, sich lange Zeit gegen die Einfuhr sehr erfolgreicher Produkte aus Südafrika – wie Äpfel, Birnen, Orangen, Weine, Schnittblumen – zur Wehr zu setzen. Diese Produkte sollten nicht im Freihandel inkludiert sein, sondern davon ausgeschlossen werden. Die EU hat auch keinerlei Kompensationen für äußerst hoch subventionierte eigene Agrarexporte ange­boten.

Wegen dieses Ungleichgewichtes hat es also lange gedauert, bis dieses Abkommen nun doch abgeschlossen werden konnte. Wir werden diesem Abkommen natürlich zu­stimmen, enthält es ja auch Bereiche wie zum Beispiel den politischen Dialog. Ebenso möchte ich auf die Kooperation im sozialen und kulturellen Bereich verweisen; also alles sehr notwendige und sinnvolle Aspekte.

Unserer Ansicht nach wäre es jedoch notwendig gewesen, dieses Freihandelsabkom­men nicht nur mit der Republik Südafrika zu verhandeln, sondern mit allen Staaten der Südafrikanischen Zollunion, denn jetzt herrscht sozusagen für diese ein Ungleichge­wicht.

Die EU wird auch in diese Länder exportieren können, aber diese haben nicht diesel­ben Möglichkeiten in Richtung EU. Um jetzt nur einige Länder aufzuzählen: Botswana, Lesotho, Namibia und Swasiland. Da möchte ich aber mit dem Motto schließen: Was nicht ist, kann ja noch werden! – Vielleicht gibt es in Zukunft eine diesbezügliche Aus­weitung, was zweifelsohne sinnvoll wäre, und zwar für die gesamte Region Süd­afrika – und nicht nur für die Republik Südafrika, die ja immer schon einen wichtigen wirtschaftlichen Stellenwert in dieser Region hatte.

Um einen Ausgleich zwischen den einzelnen Ländern zu schaffen, wäre es notwendig, von EU-Seite her in diese Richtung weiter zu arbeiten. – Den anderen Vorlagen wer­den wir ebenfalls zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

 


20.56


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
28. Sitzung / Seite 215

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet
ist Herr Abgeordneter Leodolter. – Bitte. (Abg. Ledolter – auf dem Weg zum Redner­pult –: Ledolter, ohne „o“ bitte!)

 


20.56

Abgeordneter Johann Ledolter (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Falls diese Anmer­kungen von Frau Kollegin Lunacek vielleicht als Kritik an der sehr erfolgreichen, an den Wünschen und Bedürfnissen unseres Landes orientierten Politik von Frau Bundes­ministerin Ferrero-Waldner gedacht waren, möchte ich das zurückweisen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Lunacek.) – Die Verzögerungen, liebe Frau Kollegin, die es da seitens der EU gegeben hat, resultieren doch daraus, dass Südafrika in verschiedenen Punk­ten nicht bereit war – etwa beim Wein- und Spirituosenexport –, genau jene Bestim­mungen aufzunehmen, auf die Staaten wie etwa Frankreich, Spanien, Portugal, aber auch Griechenland und Italien großen Wert gelegt haben, nämlich auf die Herkunftsbe­zeichnungen, auf die „Appellation d´Origine Contrôlée“ und andere mehr, die Voraus­setzung dafür sind, dass wir in einen gleichgewichtigen Wettbewerb mit diesen Staaten treten können. (Abg. Mag. Lunacek: Portwein!)

Der Handel mit Südafrika ist durchaus ausbaufähig; er hat im Jahre 2001 ein Volumen von etwa 330 Millionen € erreicht. Tendenz: zunehmend. (Präsident Dr. Khol über­nimmt wieder den Vorsitz.)

Die Grundintention dieses Abkommens geht ja auch in die Richtung, diesem wichtigs­ten Handelspartner südlich der Sahel-Zone zu signalisieren, dass es die EU im Sinne von Erhöhung der bilateralen Vertrags- und Rechtssicherheit der Exporteure und auch Importeure als notwendig erachtet, dort für stabile Verhältnisse zu sorgen, eine Politik also, die auf Respektierung der demokratischen Entwicklung und Anerkennung der Menschenrechte abzielt – und vor allem auch der Position, die diese Regierung in der Frage der Apartheid und deren Überwindung eingenommen hat, um da eben auch anerkennend und hilfestellend zu wirken.

Meine Damen und Herren! Dabei geht es um eine Politik, wie sie Frau Bundesministe­rin Ferrero-Waldner sehr erfolgreich fortsetzt, und zwar nicht nur im europäischen Kon­text, sondern besonders intensiv auch im Rahmen der EU-Drittstaaten-Politik: eben mit dem Ziel, die Vertragssicherheit für die österreichische Wirtschaft zu erhöhen, die Posi­tionen der österreichischen Seite immer wieder einzubringen und als Ergebnis gestei­gerte Rechts- und Vertragssicherheit für bilaterale Vereinbarungen zu haben; auch im Hinblick auf Investitionsschutzabkommen und natürlich auch zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen.

Der Nationalrat intendiert, eine besondere Form der Veröffentlichung für dieses Gesetz zu machen, um Kosten zu sparen.

Insgesamt stellt das, wie ich meine, einen Teilbereich einer sehr erfolgreichen Außen­politik dar, wobei ich Sie ersuche, sehr geehrte Frau Bundesministerin, diese in be­währter, kompetenter und erfolgreicher Art und Weise fortzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.59

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen jetzt zu einer Reihe von Abstimmungen, die ich über jeden Ausschuss­antrag getrennt vornehme.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
28. Sitzung / Seite 216

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 150 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Um ein Zeichen der Zustimmung bitte ich erneut. – Das ist erneut einstimmig ange­nommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation, der Organisa­tion der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung und der Vorbereitenden Kom­mission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklear­versuchen zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über die Errichtung und Verwaltung eines Gemeinsamen Fonds zur Finanzierung größerer Reparaturen und Erneuerungen in deren Amtssitzen im Internationalen Zentrum Wien – jetzt kennen wir uns aus (Heiterkeit) –, in 11 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. – Wir freuen uns für die „entern Gründ“.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag, im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des B-VG zu beschließen, dass dessen Anhang in deutscher und englischer Sprache dadurch kundgemacht wird, dass er zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministe­rium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen über Handel, Entwicklung und Zu­sammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Südafrika andererseits samt Anhängen und Protokollen sowie Schlussakte und Erklärungen, in 14 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag, im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass dieses Abkommen samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen, die in den elf Amtssprachen – bald werden es mehr sein – der Europäischen Union im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffent­licht werden, dadurch kundgemacht wird, dass es in allen authentischen Sprachfassun­gen zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegen­heiten aufliegt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Änderung von Artikel 1 des Übereinkommens über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
28. Sitzung / Seite 217

Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können, in 21 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag, im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass die arabischen, chinesischen, französischen, russischen und spanischen Sprachfassungen dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffent­lichen Einsichtnahme beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten auflie­gen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Protokoll über die Privilegien und Immunitäten der Internationalen Meeresbodenbehörde, in 62 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag, im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass die arabischen, chinesischen, französischen, russischen und spanischen Sprachfassungen dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffent­lichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den – Herr Kollege Schieder, im Europarat ist das auch so? (Heiterkeit) – Antrag des Ausschusses, dem Abschluss des gegenständ­lichen Staatsvertrages: Übereinkommen zwischen den an der multinationalen Brigade aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft für Operationen der Vereinten Nationen teilneh­menden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen samt Erklärung der Republik Argentinien, in 73 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig angenommen. (Allgemeiner Bei­fall.)

13. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungs­vorlage (119 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsge­setz 1992 geändert wird (179 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungs­vorlage (12 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über Gleichwer­tigkeiten im Hochschulbereich (180 der Beilagen)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 13 und 14 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


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28. Sitzung / Seite 218

Zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Pepi Broukal. Wunschgemäße Redezeit: 4 Minuten. Er hat das Wort.

 


21.07

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ) (mit Beifall begrüßt): Guten Abend, meine Damen und Herren! Wir haben uns bemüht, beim Studienförderungsgesetz zu einer Einigung zwischen den vier Fraktionen zu kommen. Der erste Entwurf war unzurei­chend. Das haben wir, glaube ich, alle vier so gesehen: Grüne, SPÖ, Freiheitliche, ÖVP. Die Einwände der Hochschülerschaft, auch der Arbeiterkammer sind akzeptiert worden, auch von den Verfassern des Entwurfes. Der zweite Entwurf enthielt dann keine Verschlechterungen mehr. Er enthielt sogar eine Reihe von Wünschenswertem.

Aber er enthält auch einiges nicht, was unserer Ansicht nach notwendig gewesen wäre, damit wir zustimmen hätten können. An oberster Stelle bei dem, was uns bei die­sem Thema leider trennt, steht die Anpassung der Studienbeihilfen an die Geldentwer­tung der letzten vier Jahre. Seit 1999 ist nichts geschehen. Jedes Jahr wird die Kauf­kraft der Stipendien ein wenig geringer. Jedes Jahr fallen junge Menschen aus dem Kreis der Stipendienbezieher heraus, weil das zugrunde liegende Einkommen zwar ziffernmäßig steigt, obwohl es im Kaufkraftwert nicht zunimmt.

Wir haben uns bemüht, die Wissenschaftssprecherinnen von FPÖ und ÖVP für unsere Sicht der Dinge zu gewinnen, und haben, glaube ich, sowohl bei Frau Dr. Brinek als auch bei Frau Dr. Bleckmann vielleicht nicht gerade offene Türen eingerannt, aber doch Verständnis gefunden. Wir haben umgekehrt in diesen Gesprächen akzeptiert, dass die Budgets von 2003 und 2004 beschlossen sind und es keinen Sinn mehr hat, darüber wieder neu die Diskussion zu beginnen.

Unser Vorschlag war, dass der Nationalrat der Bundesregierung in deutlichen Worten sagen möge, dass er ab dem Jahr 2005 eine Anpassung der Studienförderung an die Geldentwertung erwartet. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Jahre 2005 soll es ja nach den Ankündigungen der Regierungsparteien eine meh­rere Milliarden Euro umfassende Steuerreform geben. Es erscheint plausibel, bei dieser Gelegenheit auch die Effekte der schleichenden Geldentwertung nach dann fünf Jahren Nichtanpassung zu berücksichtigen.

Wir haben weiters vorgeschlagen, die Studienförderung nach dem Jahr 2005 dann immer automatisch an die Geldentwertung anzupassen – so wie das zum Beispiel bei den Wohnungsmieten der Fall ist. Diese werden erhöht, wann immer der Index auch nur ein wenig steigt – auch die Mieten von Studentenwohnungen, nebenbei gesagt.

Ich denke, man braucht das nicht mehr näher zu begründen. Wir alle spüren, dass es nach fünf Jahren spätestens 2005 an der Zeit gewesen wäre, die Einkommensgrenzen bei den Studienbeihilfen ein wenig aufzumachen und bei den Beihilfenhöhen die Infla­tion auszugleichen. Die Geldentwertung macht zwischen 1999 und dem Jahr 2004 laut Oesterreichischer Nationalbank nicht unerhebliche 9 Prozent aus.

Gescheitert sind wir in diesen Gesprächen und Bemühungen am Finanzministerium. Keine Bindung von Ausgaben in der Zukunft war von dort die Antwort. Ich finde das nicht okay, denn für andere Sachen ist genug Geld da, und es wird auch Geld lang­fristig gebunden: Landwirtschaftsförderung, Kauf der Abfangjäger, Steuersenkung, Steuerschenkung für nicht entnommene Gewinne. Warum also nicht auch für Studie­rende, die ein wenig Geld brauchen? Aber die Herren Grasser und Finz wollen sich da nicht präjudizieren lassen. Schade, sage ich, dass Sie ihnen dabei helfen. Den Studie­renden helfen Sie damit nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber für mich und für uns wog dann auch viel schwerer, dass Sie auch sonst den Stu­dierenden derzeit wenig helfen. Sie kürzen den Universitäten das Budget, Sie lassen


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28. Sitzung / Seite 219

den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung austrocknen: minus 20 Prozent im heurigen Jahr! Sie gefährden damit den Studienstandort Österreich und auch den Forschungsstandort. Warum? – Das weiß niemand. Das ist und bleibt Ihr Ge­heimnis, so wie es Ihr Geheimnis bleibt, warum Sie so beharrlich die Warnungen, die Hilferufe, die Hinweise der Universitäten wegreden. (Präsident Dr. Khol gibt das Glo­ckenzeichen.)

Herr Präsident! Ich hatte nicht vor, nur fünf Minuten zu reden, ich möchte gerne länger sprechen. – Ich danke Ihnen. (Abg. Schieder: Der Klub hat noch nicht ja gesagt!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ihr Ordner wird es Ihnen danken.

 


Abgeordneter Josef Broukal (fortsetzend): Schon am 13. Juni spricht die Rektoren­konferenz – es ist Ihnen vielleicht nicht mehr so präsent – von einer – wörtlich – „dra­matischen Budgetsituation“. Die Kürzungen von heuer 73 Millionen € im Vergleich zum Jahr 2002 würden durch die Steigerung von 35 Millionen im Jahr 2004 nicht wettge­macht.

An der Universität Wien werden heuer die Fensterscheiben nicht mehr geputzt. – Sind wir im Jahr 1945?

Die Veterinärmedizinische Universität muss bei der Tierrettung sparen. – Haben wir kein Geld mehr für Tierliebe?

Die Technische Universität will im September ihre Stromkosten schuldig bleiben. –Genieren Sie sich nicht dafür, die Universitäten so auszuhungern? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Universität für angewandte Kunst in Wien bekommt heuer um 5 Prozent weniger Geld als im Jahr 2002. Sie muss dort, wo sie sparen kann, also die Ausgaben nicht fix verplant hat, etwa bei Gehältern, beim frei verfügbaren Geld, die Notbremse ziehen, dass es quietscht. Im zweiten Halbjahr hat sie für operative Ausgaben um ein Drittel weniger Geld als in den Jahren davor. Konkret wird die Kürzung des operativen Bud­gets der Universität für angewandte Kunst um 33 Prozent folgende Auswirkungen haben. Ich zitiere aus einem Schreiben des Rektorates:

„a.. Ab sofort können keine Investitionen mehr getätigt werden. Das betrifft sowohl die Ersatzbeschaffung für funktionsuntüchtige Geräte als auch notwendige Neuanschaf­fungen.

b.. Gerätereparaturen können bis zum Jahresende nicht mehr durchgeführt werden.

c.. Softwareankäufe müssen stark reduziert werden.

d.. Die Anschaffung von Verbrauchsmaterialien für Forschung, Lehre und Kunstent­wicklung muss drastisch reduziert werden.

e.. Die Bibliothek hat ab sofort keine Ankaufsmittel für Bücher mehr zur Verfügung.

f.. Ausstellungen und Publikationen müssen reduziert werden.

g.. Der ausgebaute Dachboden kann nicht oder nur zum geringsten Teil besiedelt wer­den ...

h.. Die dringend notwendige Adaptierung der Räume für die Studienrichtung Foto­grafie ... wird nicht möglich sein.“

Das Schreiben der Universität schließt mit dem Satz: „Angesichts der dramatischen Situation gibt es sogar schon Stimmen innerhalb der Universität, die vorschlagen, die Angewandte im Herbst zumindest teilweise zuzusperren, weil ein qualitätsorientierter


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28. Sitzung / Seite 220

Betrieb ... unter diesen Umständen kaum mehr möglich sei.“ – Ende des Zitats. (Abg. Mag. Hoscher: Das ist ein Skandal!)

Sie sehen, es geht also im Gegensatz zu einem jetzt schon sehr unberühmt geworde­nen Satz der Frau Ministerin Gehrer nicht darum, dass die Unis ihren Speckvorrat öffnen und sich heuer da bequem bedienen können, sondern sie haben nur noch Haut und Knochen und wissen nicht mehr, wie sie den laufenden Betrieb bezahlen sollen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was die Unis in dieser Situation wahrscheinlich am wenigsten brauchen, das ist die ständige Herabsetzung der Rektoren und des leitenden Personals.

Ich zitiere eine Aussage von Frau Bildungsministerin Gehrer in der „Zeit im Bild 2“ am Dienstag dieser Woche:

„Die Universitäten haben sicher ein Problem. Und das Problem ist, dass die Manager der Universitäten, nämlich die Rektoren, noch nicht in einem Gesamtbudget denken können.“ (Abg. Mag. Molterer: Genau!)

Einer dieser Rektoren, die „nicht in einem Gesamtbudget denken können“, ist der Chef der Rektorenkonferenz Universitätsprofessor Georg Winckler.

Ich möchte Ihnen auszugsweise mitteilen, was dieser nicht in einem Gesamtbudget denken könnende Mann in seinem Berufsleben gemacht hat. Er begann als Assistent am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung, wurde dann Universitätsassis­tent am Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien, ging dann in die Privatindustrie und wurde Manager bei der Firma Pont-à-Mousson S.A., einem großen internationalen Baukonzern. Er war dann wieder Universitätsassistent, wurde 1978 ordentlicher Universitätsprofessor für Volkswirtschaftstheorie und Volkswirtschaftspoli­tik, war Gastprofessor in der wissenschaftlichen Abteilung des Internationalen Wäh­rungsfonds in Washington D.C., Visiting Professor of Economics am Department of Economics an der Georgetown University in Washington D.C.

So jemandem werfen Sie, Frau Ministerin, vor, nicht in Gesamtbudgets denken zu können! Ich bewundere Rektor Wincklers Langmut, und ich will ihm sagen: Herr Rektor, wir schätzen Ihren Versuch, die Uni durch diese schweren Jahre zu bringen. Wir schätzen Ihren Sachverstand und wir finden, Sie haben es nicht verdient, im Fern­sehen als wirtschaftlicher Ignorant vorgeführt zu werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Hat sie nicht gesagt!)

In welchen Schwierigkeiten die Unis jetzt schon stecken und erst im Herbst stecken werden, was sie brauchen würden und was Sie ihnen mitschuldig verweigern, darüber möchten wir Abgeordnete der SPÖ alle Fraktionen des Hauses und auch die Öffent­lichkeit informieren. Wir haben deshalb die Universitäten eingeladen, übermorgen, Freitag, hier im Parlamentsgebäude in Wien interessierten Abgeordneten und der Öffentlichkeit zu sagen, was die Universitäten brauchen. Eine Reihe von Rektoren und Vizerektoren haben zugesagt. Ich glaube, wir können Ihnen einen interessanten Vor­mittag bieten, ab 9 Uhr im SPÖ-Stützpunktzimmer, Eingang in der Säulenhalle. Es gibt Kaffee.

Herr Professor Grünewald war schon so freundlich zuzusagen, und ich würde mir zu­mindest erhoffen, dass Frau Dr. Brinek und Frau Dr. Bleckmann die Zeit finden würden, den österreichischen Rektoren zuzuhören. (Abg. Dr. Bleckmann: Bin leider im Rechnungshofausschuss!) – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

 


21.16


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Stenographisches Protokoll
28. Sitzung / Seite 221

Präsident Dr. Andreas Khol: Abgeordneter Broukal hat sich eine Redezeit von 4 Mi­nuten vorgenommen und 10 Minuten geredet. Ich bedanke mich dafür.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek. Freiwillige Rede­zeitbeschränkung: 6 Minuten. – Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach.

 


21.17

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzter Herr Kollege Broukal, lassen Sie mich, bevor ich zur eigent­lichen Sache dieses Abends beziehungsweise zum Tagesordnungspunkt komme, sagen: Wenn Sie die Universitäten als Skelette oder als Organe, die bloß aus Haut und Knochen bestehen, bezeichnen, dann meine ich, dass das ein wenig eine Übertreibung ist. Darin würden sich die Universitäten nicht wieder erkennen. (Beifall bei der ÖVP.)

Also ein bisschen Fleisch und Handlungsfähigkeit haben sie allemal. Daher möchte ich das von unserer Fraktion aus richtig gestellt haben.

Wenn Sie die Kürzungen der Fonds in den vergangenen Jahren betrachten, dann ist festzustellen, Sondermittel sind zum Budget immer noch in reichem Maße dazugekom­men. Es gibt wieder Verwendungszusagen, vor allem auf Grund der eingereichten Schwerpunkte und Projekte.

Lassen Sie mich, geschätzte Damen und Herren, zum aktuellen Tagesordnungspunkt und zum eigentlichen Gegenstand kommen. Das ist eine Novellierung des Studienför­derungsgesetzes, die in vielen Punkten viele Verbesserungen für die Studierenden und deren Eltern bringt. Und das ist eigentlich die schöne Geschichte dieses Abends. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Warum deren Eltern? – Weil die Stipendien in Österreich eigentlich als Unterhaltser­satz angelegt sind und die Eltern in ihrer Unterhaltsleistung entlasten sollen. Wie wir künftig mit Stipendien und mit der Organisation des Studienförderungswesens umge­hen, das lassen Sie uns meinetwegen gerne ausführlich diskutieren. Gegenwärtig ist es so. Und über diese Unterstützung, die wir den Eltern und Studierenden geben können, freue ich mich.

Worin besteht jetzt diese Unterstützung? – Verbesserungen in der Antragstellung, automationsunterstützt über mehrere Jahre, weil die Daten vorhanden sind, das heißt elektronisch gesichert und damit Wege und Zeit ersparend. Es gibt Unterstützung für Fachhochschulstudierende, für Akademiestudierende – das ist neu und das hatten sie bisher nicht. Es gibt eine besondere Verbesserung für behinderte Studierende. Da gibt es quasi einen Qualitätsgewinn von mehr als 50 Prozent.

Der nächste Punkt: Es gibt Verbesserungen für Studierende, die berufstätig sind, vor allem solche – zumeist sind es Frauen, die Sorgepflichten übernehmen –, die Studium, Beruf und Kinderbetreuungspflichten vereinbaren wollen. Für diese gibt es auch eine Verbesserung.

Es ist schade, Herr Kollege Broukal, wir haben uns bemüht, danke, dass Sie das re­spektieren, dass wir uns schon sehr nahe gekommen sind in der Unterstützung dieses Anliegens. Vielleicht gelingt es Ihnen doch noch, diese Punkte beziehungsweise den einen oder anderen Punkt beziehungsweise den Abänderungsantrag zu unterstützen, um diese Verbesserung für Frauen, für Berufstätige, für Behinderte auch unterstützen und damit dem gemeinsamen Willen Ausdruck verleihen zu können.

Meine Damen und Herren! Noch ein ganz wichtiger Punkt soll auch verbessert werden, der auch Gegenstand beziehungsweise Ergebnis der Verhandlungen war. Seit 1999 gibt es einen neuen Typus des Stipendiums, nämlich für Studierende, die schon län­gere Zeit und intensiv im Berufsleben etabliert waren beziehungsweise sind und eines


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28. Sitzung / Seite 222

Tages doch überlegen, ihr Studium abzuschließen: die Möglichkeit des Studienab­schlussstipendiums, um noch einmal aus dem Beruf auszusteigen, auszusetzen und sich ein Jahr hindurch mit guter Unterstützung dem Studienabschluss zu widmen.

Wir haben in den Verhandlungen ein Ergebnis erreicht, das noch einmal das Antritts­alter hinaufsetzt, das heißt, nach dem 40. Geburtstag kann man noch immer um dieses Stipendium ansuchen. Das ist ein Erfolg der Gespräche, der Verhandlungen und der parlamentarischen Diskussion gewesen. Ich bedanke mich beim Ministerium, bei der Frau Ministerin, dass sie dazu auch die Unterstützung gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte dazu auch einen Antrag einbringen, in welchem dieses Antrittsalter festge­halten wird. Herr Präsident! Ich bitte sehr, den Antrag schriftlich zur Verfügung zu stel­len. Im Wesentlichen enthält dieser Antrag die neue Antragsfrist mit dem 41. Lebens­jahr und die Verabschiedung der Befristung dieses Stipendientyps. Das heißt, wir schaffen damit eine Dauereinrichtung. – Ich hoffe, dass Sie diesem Antrag zustimmen werden.

Noch eine Bemerkung zum Schluss: Diese Veränderungen beziehungsweise Verbes­serungen stehen im Zusammenhang mit dem Bericht zur sozialen Lage der Studieren­den, und daraus will ich jetzt angesichts der zur Verfügung stehenden geringen Zeit das Resümee zitieren. – Ich zitiere:

„Der Hochschulzugang hat sich in den letzten Jahren im Hinblick auf die Herkunft der Studierenden nicht verändert, auch nach Einführung der Studienbeiträge zeigen sich keine Veränderungen.“

Das ist kein Grund, dass man jetzt gar nicht über eine Weiterentwicklung nachdenkt, aber es ist dies auch kein Anlass für übertriebene Sorge.

Ich meine, dass auch ein Hinweis aus dem Bericht zu erkennen war, nämlich dass es, wenn es weniger Väter mit Pflichtschulabschluss gibt, naturgemäß auch weniger Kin­der aus dieser sozialen Gruppe gibt, die ein Studium anstreben und um ein Stipendium ansuchen.

Das heißt: Lebenslanges Lernen und die Weiterentwicklung der Gesellschaft und der Bevölkerung sind in diesem Studienförderungsgesetz berücksichtigt, und ich meine daher sagen zu können – geschätzte Kolleginnen und Kollegen, bitte versuchen Sie, mitzudenken und mitzurechnen –: Das Höchststipendium in Österreich beträgt 7 500 € im Jahr. Rund 8 500 € kann man als Teilzeitbeschäftigter steuerfrei dazuverdienen. Dazu erhält man auch noch eine Familienbeihilfe von etwa 2 400 € per anno. Das be­deutet, dass man, in Schilling umgerechnet, etwa 250 000 S im Jahr durch Teilzeitbe­ruf und Teilzeitstudium zur Verfügung hat, und das stützt die Hauptthese dieses Förde­rungsgesetzes, welche lautet: Wer studieren möchte, scheitert nicht an sozialen und ökonomischen Bedingungen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin froh, dass wir diese Verbesserungen erreicht haben, und ich setze auf weitere gute Verhandlungen und den Versuch, Sie zumindest zur Zustimmung zu diesem Ab­änderungsantrag zu gewinnen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.23

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von den Abgeordneten Dr. Brinek, Mag. Dr. Bleck­mann und Kollegen eingebrachte Antrag zum Studienförderungsgesetz wurde in den Kernpunkten erläutert, wurde an alle Abgeordneten verteilt, ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:


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28. Sitzung / Seite 223

Antrag

der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Mag. Dr. Magda Bleckmann und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über die Regierungsvorlage (119 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geän­dert wird (179 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. Nach Z 18 wird folgende Z 18a eingefügt:

„1a. § 52b Abs. 3 Z 3 lautet:

„3. zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Studienabschluss-Stipendiums das 41. Le­bensjahr noch nicht überschritten hat,“

2. § 78 Abs. 21 lautet:

„(21) § 19 Abs. 4, § 30 Abs. 2 Z 4 und 5, § 32 Abs. 1 Z 4, § 33 Abs. 2, § 40 Abs. 5 Z 12, § 49 Abs. 1, § 50 Abs. 3, 4 und 5, § 52b Abs. 1, 2, 3 und 6, § 53, § 54, § 56a, § 64 Abs. 2, § 75 Abs. 20, § 76 Abs. 1 Z 1 und § 78 Abs. 21 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2003 treten mit 1. September 2003 in Kraft. § 75 Abs. 20 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 23/1999 tritt mit 13. Jänner 1999 außer Kraft.“

Begründung:

Zu Z 1:

Bei Studienabschluss-Stipendien für Berufstätige soll nicht nur hinsichtlich der absol­vierten Bildungseinrichtungen sondern auch hinsichtlich des Alters, des für die Förde­rung in Betracht kommenden Personenkreises, eine Ausweitung erfolgen.

Zu Z 2:

§ 75 Abs. 20 StudFG in der bisher geltenden Fassung ordnet an, dass die Rechts­grundlage für die Studienabschluss-Stipendien (§ 52b StudFG) mit Ablauf des 31. Au­gust 2003 außer Kraft tritt. Diese Bestimmung ist mit 13. Jänner 1999 in Kraft getreten. Durch das ausdrückliche Außerkraftsetzen des § 75 Abs. 20 wird klar gestellt, dass die Regelungen über Studienabschluss-Stipendien in der nunmehrigen Form grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkung weiter bestehen sollen.

*****

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald. 6 Minuten Wunschredezeit. – Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


21.24

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Erlauben Sie mir, zu diesem Thema in diesem Haus das Wort „Kapital“ in den Mund zu nehmen, das ist ja nichts Unanständiges. Es gibt da aber das unschöne Wort „Humankapital“, und ich glaube, darüber sollten wir kurz sprechen. Ich sage das deswegen, weil es in der Politik momentan nicht sehr modern ist, für Chancengleich­heit, Fairness und Gerechtigkeit zu plädieren. Es gibt Studien, die besagen, dass das Humankapital die entscheidende Ressource moderner volkswirtschaftlicher Gesell­schaften ist. In Studien aus den USA sagen ExpertInnen, dass der Wert des Human­kapitals das Dreifache des Sachkapitals beträgt.


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Das heißt: Alles, was in Bildung, Innovation und Wissenschaft gesteckt wird, hat für den Staat nicht den Charakter von unnötigen, belastenden, das Defizit verstärkenden Ausgaben, sondern diese Investition hat eine hohe beziehungsweise eine sehr hohe Rendite. – Unter diesem Gesichtspunkt hätte ich die Diskussion über Wissenschaft, Studiengebühren und Studienbeihilfen gerne abgehandelt.

Warum bringt diese Investition eine so hohe Rendite? – Weil diese Volkswirtschaften beziehungsweise Staaten in der Folge natürlich eine höhere Produktivität und ein größeres Innovationspotential, qualitativ bessere Standortvorteile, höhere Löhne der AkademikerInnen und daher auch höhere Steuern aufweisen.

Es wurde immer postuliert, dass Studieren nicht gratis sein darf, und das ist wirklich eine unschöne Argumentation, weil Studieren nicht gratis ist! Studierende verzichten jahrelang, oft sieben oder acht Jahre lang auf Erwerbstätigkeit und Einkommen und zahlen dann – auch dafür gibt es Belege und Beweise – über ihre Steuern und das ungleich verteilte Lebenseinkommen 95 Prozent aller an sie vom Staat transferierten Leistungen dem Staat retour. Es sind dies also keine Geschenke, die der Staat den Studierenden macht, weil sozusagen auch der freie Hochschulzugang sozial positive Auswirkungen hat, die ich gerne noch einmal rekapituliert hätte.

Nutznießer des freien Zuganges sind – daran gibt es überhaupt nichts herumzudeu­teln – das untere und das mittlere Einkommensdrittel. Die Eltern der Studierenden im unteren und mittleren Einkommensdrittel bekommen mehr Transferleistungen, als sie dem Staat Steuerleistungen erbringen. Wenn das obere Einkommensdrittel diesbezüg­lich ein Defizit aufweist, weil es mehr Steuern zahlt, als deren Kinder über Transferleis­tungen im Studium bekommen, dann finde ich das gut so. Das ist sozial und verhilft der Chancengerechtigkeit zum „Sieg“, wobei ich Letzteren ohnedies unter Gänsefüßchen stellen möchte. (Beifall bei den Grünen.)

Schauen wir uns aber an, wie die Studiengebühren gekommen sind! – Eine Woche nach einer Pressekonferenz der Industriellenvereinigung, deren Sekretär Lorenz Fritz im Fall Grasser gewissermaßen Berühmtheit erlangt hatte, sagte Klaus Raidl, der mit Sicherheit der ÖVP nahe stehende Generaldirektor von Böhler-Uddeholm, der, wie ich glaube, ebenfalls dieser Industriellenvereinigung angehört oder angehört hat, in einer eingeladenen Sitzung der „Tiroler Tageszeitung“ über Bildung Folgendes: In Zukunft wird es so sein, dass Eltern empfindliche Opfer bringen und tiefer in ihre Tasche grei­fen müssen, um ihren Kindern eine adäquate Bildung zu ermöglichen.

Ich meine, das ist wirklich ein halbwitziger Satz, denn das, was Studiengebühren betra­gen, gibt ein Generaldirektor wahrscheinlich für eine Einladung zum Abendessen aus! Da wird die Debatte für mich absolut schräg.

Der offene Zugang hat in den letzten 30 Jahren eine Erhöhung des Frauenanteiles unter den Studierenden bewirkt. Sie sind jetzt bereits um eine Nasenlänge vorne. Wei­ters bewirkte er eine Erhöhung des bildungsferneren Anteiles an den Studierenden, das heißt von Kindern, deren Eltern keine Matura oder Hochschulbildung haben, und ebenso eine Erhöhung des Anteils der einkommensschwachen Schichten. Die Zahl der Studierenden aus dem untersten Einkommensviertel hat sich in den letzten 30 Jahren verdoppelt. Das ist eine Errungenschaft der Bildungspolitik der letzten 30, 40 Jahre.

Frau Kollegin Brinek, wenn Sie sagen, dass sich nichts geändert hat, dann ist das traurig genug! Die Regierung spricht von Meilensteinen. Ich sehe keinen! Und Quan­tensprünge sind sowieso für jeden Fachmann unsichtbar, der weiß, was „Quanten­sprung“ bedeutet. Ich hätte gerne einen Fortschritt gesehen, sehe aber keinen! (Beifall bei den Grünen.)


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Ich möchte nicht, dass der Herr Präsident nervös wird, wenn ich jetzt schon an meine Sechs-Minuten-Grenze schramme, daher möchte ich jetzt nur eine kurze Überschrift nennen: Public Relations der Bundesregierung und Realität. – Mir gefällt jedenfalls die Rede von Broukal um einiges besser als jene der Abgeordneten der Regierungspar­teien, denn er hat die Wahrheit gesagt. Er hat das gesagt, was die Universitäten nach außen tragen mussten, um gehört zu werden. Dass es sich so verhält, dass man manche Dinge verschärfen muss, um überhaupt noch ans Ohr der Regierungsparteien zu gelangen, ist ein anderer Kaffee. Aber im Wesentlichen stimmen diese Diagnosen, und zwar ziemlich haarscharf.

Wenn man sich ansieht, was mit den Studiengebühren und den Reaktionen darauf ge­schehen ist, dann kann man feststellen, dass man versucht hat, die negativen Auswir­kungen irgendwie zu dämpfen. Schauen wir uns das aber einmal genau an: Die Zahl der BeihilfenempfängerInnen ist bei mindestens 190 000 bis 200 000 Studierenden um satte 4 000 gestiegen. Der Prozentsatz ist allerdings deutlicher – da hat Frau Bundes­minister Gehrer Recht –, aber Prozentsätze haben natürlich die Eigenschaft, zu stei­gen, wenn die Zahl der Gesamtsumme der Studierenden sinkt. Und nach der Einfüh­rung der Studiengebühren haben wir plötzlich ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Stummvoll! Im Plenum ist Telefonie­ren nicht erlaubt!

 


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (fortsetzend): Vielleicht wollte er meine Daten überprüfen. Es sind in etwa 195 000 Studierende – ich habe das nicht nur über den Daumen gerechnet –, und wenn 45 000 Studierende nach Einführung der Studienge­bühren aus den Universitäten ausgeschieden sind, die man nicht global als Kartei­leichen bezeichnen kann, dann steigt natürlich bei gleich bleibender Ausschüttung die Prozentzahl der BeihilfenempfängerInnen.

Was aber war der Grund? In einer Studie von Kolland in Wien, die auch vom Bundes­ministerium in Auftrag gegeben wurde, geben 36 Prozent als Grund für den Abbruch des Studiums die Unvereinbarkeit von Studium und Arbeit an. Und diesbezüglich hat die Regierung wirklich einen Meilenstein gesetzt, denn noch nie mussten so viele Stu­dierende arbeiten, um sich das Studium und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie haben nicht gearbeitet, um auf eine Jacht oder auf ein Cabrio anzusparen, wie manche zynisch meinen! Das ist es nicht! 34 Prozent geben für ihren Abbruch und ihr Abgehen von der Uni die Studiengebühren an.

Wenn man sich dann anschaut, wer durch die Studiengebühren letztlich zur Ader gelassen wird, dann hat Gehrer natürlich auch Recht, dass nämlich jene, die jetzt schon Beihilfen empfangen, diese Studiengebühren letztlich rückerstattet bekommen beziehungsweise nicht zahlen müssen. Da aber die Bemessungsgrundlage der Eltern der Studierenden nicht nach oben angehoben wurde, kommt jetzt der Mittelstand zum Handkuss, abgesehen von Angehörigen der Gruppe des untersten Einkommensdrit­tels, die gerade nicht mehr StipendienbezieherInnen sein können.

Das heißt, die Opposition malt nicht schwarz–weiß, wie immer von der Regierung ge­sagt wird, sondern sie gibt halt das wieder, was Realität ist, und zwar mit all ihren Ecken und Kanten, und deren gibt es zahlreiche. Ich konnte nur einige aufzählen.

Brinek hat gesagt, dass der Status quo erhalten blieb, und das ist vielleicht auch schon der Verdienst dieses Studienförderungsgesetzes, weil man heutzutage bereits froh sein muss, wenn nicht alles schlechter wird. Es stimmt: Es sind keine Verschlechterun­gen durch dieses Gesetz zu verzeichnen, aber das ist ein bisschen wenig für dieses so selbstbewusst vorgetragene Regierungsprogramm, angesichts dieser wirklich per­severierend vorgebrachten Phrasen von „Weltklasse“, „Nobelpreisträger“, „aus dem


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Füllhorn“, „wir werden aufholen und die dritte, wenn nicht gar erste Stelle erreichen“ et cetera!

Studierende bekommen, das muss man sagen, wenn sie ein Kind haben, 16 € pro Monat mehr. Das ist eine Verbesserung, aber es ist doch wohl ein bisschen little. Um 16 € kann man eine oder vielleicht zwei Packungen „Pampers“ kaufen; ich bin da kein Fachmann, ich lasse mich gern korrigieren. Ein signifikanter Beitrag, um die budgetäre Lage von Studierenden mit Kindern zu verbessern, ist das aber jedenfalls nicht! (Zwi­schenruf des Abg. Amon.) Wenn Sie meinen, dass es das doch ist, dann können wir darüber ja noch diskutieren.

Verbessert wurde auch, dass der Studienwechsel nach drei Semestern noch möglich ist. – Das ist gut! Es gibt auch mehr Toleranzsemester für Studierende mit Behinderun­gen. – Auch das ist gut! Aber letztlich überwiegt immer noch das Negative. Von Ab­federn kann keine Rede sein, denn es gibt seit 1999 keine Inflationsanpassung. Der Staat hat sich ein Drittel der Transferleistungen bereits seit 1996 erspart, indem Stu­dienzeiten nicht mehr angerechnet werden, und mit der zweiten und dritten Säule für unter 35-Jährige im Rahmen der Pensionsreform werden diese jetzt nochmals zur Ader gelassen. Woher soll das kommen? Sie müssen ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Sie sind bei 10 Minuten. Sie haben noch 10 Minuten. – Sie sind am Wort.

 


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (fortsetzend): Vielen Dank! Schließen wir einen Kompromiss: Ich brauche nur noch maximal 2,5 Minuten.

Neben der fehlenden Inflationsanpassung blieb auch die Stipendienhöhe unverändert. Es gab keine Erhöhung der Bemessungsgrundlage. Sinnlose Altersgrenzen wurden nicht aufgehoben. Da wird von lebenslangem Lernen gefaselt – aber es gibt keine Stu­dienbeihilfen, wenn man ein gewisses Alter überschritten hat! Es gibt sie nicht mehr!

Die Absetzbarkeit der Studiengebühren wurde groß gepredigt. Wie toll das sei, hat es geheißen. – Und wenn man dann bei Grasser nachgefragt hat, wie viele das denn be­treffen könnte, wenn 70 Prozent von knapp 200 000 regelmäßig arbeiten müssen – und das ist eine hohe Zahl! –, dann hat man erfahren, dass das in etwa 3 000 betreffen würde. Darüber, wie viel von den Studiengebühren abgeschrieben werden kann, in welcher Höhe und wie lang, liegt noch nichts vor, aber ich lasse mich gern belehren. Vielleicht habe ich mich getäuscht, ich glaube aber nicht.

Ich glaube, dass trotz dieser partiellen Verbesserungen von Meilensteinen, von einer Verbesserung der Situation der Studierenden und von einem Anreiz zur Erhöhung der AkademikerInnenrate in Österreich keine Spur ist! Es gibt auch keinen Anreiz, sich auf das Risiko Bildung, Forschung und Wissenschaft einzulassen. Auch davon keine Spur! Daher möchte ich einfach bitten, dem Realitätsprinzip zu huldigen, denn es gehört zur Wissenschaft und Forschung dazu, dass man im Experiment – und da braucht man sich nur die reale Situation der Betroffenen anzuschauen – überprüft, ob das, was man sagt, mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Bei Ihnen stimmt es in weiten Bereichen nicht die Spur überein! Das ist die traurige Diagnose. (Beifall bei den Grünen.)

21.36

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner zu Wort. Sie wünscht eine Redezeit von 5 Minuten, ich kann es aber nicht glauben.

 


21.36

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Herr Dr. Grünewald, Sie können sicherlich auch durch Ihre lange Rede die schlechte Situation nicht zur Realität machen! (Zwischenruf des Abg.


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Dr. Grünewald.) Ich finde, dass es schade ist, und es ist für mich wirklich nicht ganz verständlich, warum die Opposition gegen die vorliegende Novelle des Studienförde­rungsgesetzes ist. Im Klartext stimmen Sie nämlich gegen die Verbesserung für berufs­tätige Studierende. (Abg. Dr. Grünewald: Nein! Das kommt ohnehin auch ohne uns!) Sie stimmen gegen die Verbesserung für behinderte Studierende, und Sie stimmen auch gegen die Verbesserung für Studierende mit Kindern. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition! Weiters sind Sie auch dagegen, dass die Studienabschlussstipendien erweitert werden, dass Frauen im Mutterschutz berücksichtigt werden und dass eine Verwaltungsvereinfachung bei der Neuberech­nung der Studienbeihilfen möglich sein wird. – All das sind Maßnahmen, die wir Frei­heitliche natürlich unterstützen. (Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Die Novelle des Studienförderungsgesetzes ist eine schnelle und gute Reaktion der Regierung auf den Bericht zur sozialen Lage der Studenten. Es wurde sofort berück­sichtigt – und das finde ich gut –, dass bestimmte Zielgruppen Hürden beim Zugang zu den Studienförderungen hatten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn es die Opposition nicht wahrhaben will, stellt der Bericht, den ich gerade erwähnt habe, der Regierung ein gutes Zeugnis aus, denn die Mehrheit der Studenten ist mit ihrer Studiensituation zufrieden. Die Autoren der Studie kommen auch zum Schluss, dass sich der Hochschulzugang – ich wieder­hole jetzt die Ausführungen von Frau Dr. Brinek – in den letzten Jahren im Hinblick auf die soziale Herkunft der Studenten nicht verändert hat, und auch nach der Einführung des Studienbeitrags zeigt sich diesbezüglich keine Veränderung. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Krainer.)

Die Studienbeiträge haben sogar etwas Positives bewirkt: 56 Prozent der Studierenden haben angegeben, dass sie ihr Studium beschleunigen und die Rechte an den Unis mehr betonen werden. Das führt dazu, dass es zielstrebigere Studenten gibt, dass die Studiendauer verkürzt wird und dass die Serviceorientierung der Unis gestärkt wird, was sehr gute Effekte sind.

Eine wichtige Entwicklung war auch der Anstieg des Frauenanteils an den Studieren­den. Vom Jahre 1975 bis heute stieg der Anteil der Frauen von 33,5 auf 57,2 Prozent. (Ruf bei der SPÖ: Das haben 30 Jahre SPÖ-Politik bewirkt!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Studierenden finden in Österreich sowohl an den Universitäten als auch auf den Fachhochschulen Bedingungen vor, die ihnen eine gute Ausbildung gewährleisten. Die Novelle dieses vorliegenden Studienförderungsgeset­zes und der Ausbau der Studienförderung auf 145 Millionen € bieten gute Vorausset­zungen dafür, dass wirklich sichergestellt ist, dass jeder, der studieren möchte und da­zu befähigt ist, auch studieren kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

21.40

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Bundesministerin Elisa­beth Gehrer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


21.40

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir mit dieser Novelle zum Studienförderungsgesetz einen weiteren Schritt in die richtige Richtung machen. Man sollte sich wirklich ohne Vorurteile die Zahlen anschauen: Wir haben im Jahr 2001 die Studienförderung von 112 Millionen € auf 145 Millionen € erhöht. Wir hatten im Jahr 2000 28 700 Förderungen für Studierende, derzeit werden 34 300 Stu-


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dierende gefördert. Wir haben die Gehaltsgrenzen erhöht. Bei uns gibt es derzeit – und das ist eine Zahl, die sehr aussagekräftig ist – für 20 Prozent der Studierenden eine Förderung; in Deutschland gibt es mit dem BAföG für 15 Prozent der Studierenden eine Förderung. Das heißt, bei uns bekommen die jungen Menschen mehr Unterstüt­zung als in Deutschland.

Wir schaffen mit dieser Novelle zum Studienförderungsgesetz Verbesserungen für be­hinderte Studierende, für Studierende mit Kindern. Ich weiß nicht, was daran so lächer­lich ist, wenn man den Zuschlag zum Stipendium von 528 € auf 720 € erhöht. Das ist auf alle Fälle ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. 1 600 Studierende mit Kin­dern werden davon profitieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es gibt die Ausweitung der Studienabschlussstipendien und die Möglichkeit der Ab­schreibung der Studienbeiträge.

Meine Damen und Herren! Wir wollen garantieren, dass junge Menschen, die fähig da­zu sind, studieren können. Wenn Sie sich einmal die Sozialerhebung ganz genau an­schauen – die Statistik steht ja drinnen; wer das nachlesen möchte, kann es tun –: Im Jahr 1998 hatten 12,2 Prozent der Studierenden Väter, die Arbeiter sind. Im Jahr 2002 waren es 15,2 Prozent. Es sind auf alle Fälle mehr geworden. Ich halte das für einen sehr guten Fortschritt.

Meine Damen und Herren! Es ist auch das Gesamtbudget der Universitäten angespro­chen worden. Wir können in die Jahre 2000, 1999, 1998 zurückschauen, damals gab es überall Protestversammlungen, da an den Universitäten für die Bibliotheken nichts mehr angeschafft werden könne; auch noch weiter zurück ist all das nachvollziehbar. Ich erinnere mich aber auch sehr gut an den letzten Wahlkampf, in dem ein Abgeord­neter einer jetzigen Oppositionspartei gesagt hat, 10 Prozent könne man ohne weiteres streichen, ohne dass es überhaupt jemand merkt. – Wir haben nicht 10 Prozent gestri­chen, sondern wir haben bei den Ermessensausgaben eine Bindung von 5 Prozent und einen Abschlag über alle Budgets von 1 Prozent. Das gilt für alle Budgetkapitel.

Wir hatten im Vorjahr – das kann jeder nachlesen; ich bitte Sie wirklich, das mitzu­schreiben – für die Universitäten ein Grundbudget von 1 426 Millionen €. Wir haben heuer ein Grundbudget von 1 413 Millionen €, das sind 13 Millionen € weniger. Dazu kommt aber die Möglichkeit, zweckgebundene Rücklagen von 28 Millionen € aufzu­lösen, die Rücklage für Forschungsinvestitionen, die vom Rat für Forschungs- und Technologieentwicklung bereits gegeben wurde, in der Höhe von 30 Millionen €. Wir haben die erste Tranche der Vorziehprofessuren mit 10,9 Millionen €. All das ist das Gesamtbudget.

Die Universitäten haben heuer schon die Verfügungsautonomie über ihr gesamtes Budget, außerdem habe ich festgestellt, dass wir uns im September die Implementie­rungskosten sehr genau anschauen müssen, und ich werde mich beim Finanzminister dafür einsetzen, dass das, was tatsächlich an Implementierungskosten anfällt, bezahlt wird. – Das ist dann das Gesamtbudget.

Das Budget für das Jahr 2004 ist ein ausgesprochen gutes Budget. Es gibt ein Global­budget gemäß dem Universitätsgesetz 2002 von 1 660 Millionen €. Darin ist die Dop­pelverrechnung nicht enthalten, die ist abgerechnet. Es gibt die Implementierungskos­ten mit 15 Millionen €, die zusätzlichen Einnahmen aus den Studienbeiträgen von 21,6 Millionen € und die Vorziehprofessuren, zweite Tranche, von 10,9 Millionen €. Das ist eine Globalbudgetierung, das ist eine Schwerpunktbudgetierung. Wir vergeben nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern jene, die eine wirklich gute Schwerpunktset­zung machen, gute Vorziehprofessuren beantragen, bekommen diese Personalkosten auch ersetzt. Das ist der Wettbewerb, der unter den Universitäten stattfindet.


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Ich meine, wenn man heuer ein etwas engeres Budget hat und nächstes Jahr ein sehr gutes Budget, ohne Bindungen, ohne Abschläge, dann darf man sich erwarten, dass die modernen Manager der modernen Universitäten nach dem Universitätsgesetz 2002 ihre Planungen bis zum Ende des nächsten Jahres auslegen; sie können noch dazu weiter planen, denn auch für die beiden folgenden Budgetjahre sind die Budgets im Gesetz festgeschrieben. Das verstehe ich unter zukunftsorientiertem Management – nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.46

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Mag. Melitta Trunk. Wunschgemäße Redezeit: 4 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Abgeordnete. (Abg. Mag. Trunk – auf dem Weg zum Rednerpult –: Geben Sie mir Zeit, hier die Stufen runterzugehen! Danke, Herr Präsident! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Die Zeit läuft! Die Zeit läuft!) – Nein, die Zeit wird erst eingeschaltet in dem Moment, in dem die Rednerin zu sprechen beginnt.

 


21.46

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Punkt eins: Frau Ministerin, Sie haben die Autonomie durch- und umgesetzt, und Sie wissen ganz genau, dass Autonomie ohne finanzielle Dotie­rung nicht möglich ist. Das Budget ist noch nicht einmal einen Monat alt oder jung, und Sie haben soeben schon Solidarität von uns eingefordert für ein Nachtragsbudget. In dieser Frage der höheren Dotierung unserer Universitäten für unsere StudentInnen und deren Stipendien werden wir Sie auf jeden Fall unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz kurz ein Beispiel, damit auch die Kollegen der FPÖ verstehen, was ich mir vor­stelle, wenn es um Wissenschaft, Forschung und Studierende geht, und welches Privi­leg ich ganz gerne für alle Studierenden in Österreich in Zukunft hätte (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich weiß nicht, warum Sie immer diesen Unterton haben! Glauben Sie, nur Sie sind gescheit?): Das Privileg, das der jetzige Finanzminister Karl-Heinz Grasser hatte, als er damals noch nicht Millionär war, ein Klagenfurter Maturant, der zu Hause im Autogeschäft auch ein bisschen arbeiten musste, der in Klagenfurt studieren konnte – dezentral und nicht in Wien, weil es für ihn damals nicht anders möglich war –, dieses Privileg der freien Wahl des Studienortes und der Studienmöglichkeit wünsche ich mir für alle österreichischen Studenten und Studentinnen und nicht nur für den Herrn Finanzminister, der diesen Teil seiner Vergangenheit sehr schnell vergessen hat. (Bei­fall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist so primitiv, was Sie da sagen!)

Das zweite Privileg, allerdings den Finanzminister betreffend, fordere ich für nie­manden ein: dass man zuerst Finanzminister werden muss, um genügend Zeit zu haben, eine Dissertation schreiben zu lassen (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: „Schreiben zu lassen“?) und dann noch den Diss.-Vater zu beschäftigen! Das ist eine Sache, die ich keinem österreichischen Studenten zumuten möchte, und das würde auch von nie­mandem so gemacht werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Da klatschen nicht mal mehr die Eigenen!)

Frau Minister, Sie haben mich leider dazu verleitet, einen Blick zurück zum Entwurf zu machen. Ihr zuständiger Abteilungsleiter hat selbst gesagt: Diesem Entwurf wurden – ich zitiere – „die Giftzähne gezogen“. Ich meine, wenn es um Wissenschaft, Forschung, die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich geht, dann kann es bei Entwürfen von Gesetzen nicht um die Nichtqualität des Implantierens und Ziehens von Giftzähnen gehen, weil es damit natürlich auch zu einer Vergiftung des wissenschaftlichen Klimas käme. Frau Minister, darin sollten wir uns in Hinkunft einig sein.

Was haben Sie in Wirklichkeit vorgesehen? – Frau Minister, ich kann es Ihnen nicht er­sparen, sich das anzuhören. Sie haben beim Leistungsnachweis einen massiven Ein-


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bau von Barrieren vorgesehen, und Sie wissen – ich rechne Ihnen und Ihrer Abteilung zu, dass Sie letztlich doch noch den Sozialbericht der Studenten in Österreich gelesen haben –, das hätte bedeutet, dass die mehr als 70 Prozent berufstätigen StudentIn­nen – die sind nicht deshalb berufstätig, weil das lustig ist, sondern weil sie mit diesem Einkommen ihr Überleben sichern müssen – bei der Verschärfung des Leistungsnach­weises nicht mehr hätten weiterstudieren können. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.)

Zum Abschluss eine Anmerkung zur politischen Kultur. Kollegin Brinek, ich habe sehr wohl die intensiven Verhandlungen unseres Wissenschaftssprechers und seines Teams mit Ihnen und anderen beobachtet, bis heute. Frau Kollegin Brinek, das, was mich nachdenklich stimmt: dass Ihre Gestik, Ihre Mimik, Ihre Sprache hier am Red­nerpult ganz anders sind als zuvor bei den Verhandlungen. Ich kann dazu leider nur sagen, dass eher ein Kamel durchs Nadelöhr geht (Abg. Amon: Geh, hören Sie doch auf! Das ist doch gar nicht wahr!), dass eher irgendjemand, ich weiß nicht, ein Bischof aus der katholischen Kirche austritt (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Blasphemie!), als dass diese Regierungskoalition bereit ist, gute Vorschläge, Konzepte und Alternativen in Regierungsentwürfe, Gesetze einzubauen. Das ist eine dramatische und wenig demo­kratische Tatsache. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.50

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Abgeordnete Silvia Fuhrmann. 3 Minuten Redezeit. – Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.

 


21.51

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Trunk, Sie tun ja gerade so, als ob es in Österreich Reiche und Arme geben würde (Ruf bei der SPÖ: Gibt es eh!) und es nur den Reichen ermöglicht würde zu studieren und Kinder von vermögenden Familien sowieso alles in den Hintern reingeschoben bekämen und selber nichts mehr leisten müssten. Ich frage Sie: Wo kommen wir denn da hin, in welcher Welt leben Sie bitte? (Beifall des Abg. Amon. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn Sie hier den Bericht zur Lage der Studierenden zitieren und dabei auf die wichti­gen Daten vergessen, so verstehe ich das aus Ihrer Sicht, muss aber schon hinzufü­gen, wenn es darum geht, zu schauen, was die Studiengebühren gebracht haben, dass es statt 38,8 Prozent nur mehr 22,6 Prozent der Studierenden sind, die keine Prüfung mehr ablegen. Ich glaube, das ist gerade für jene Studierende, die in der Mindeststudienzeit ihr Studium absolvieren wollen, die auf der Uni etwas weiterbringen wollen, ein Vorteil, ein Vorteil für jene, die schnell zu einem akademischen Titel kom­men wollen und beruflich erfolgreich sein möchten. Und das hat nichts damit zu tun, ob man reich oder arm ist, ob man motiviert ist, schnell zu studieren, oder nicht. Ich würde bitten, das endlich zu unterlassen, denn das ist jegliche Realitätsverweigerung, die Sie hier betreiben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie versteht es nicht anders! Was wollen Sie von der Frau Trunk?)

Abgesehen davon haben wir – und auch das gestehen Sie sich nicht ein – in Öster­reich 8,6 Prozent Absolventen mehr im Vergleich zum Jahr 1999/2000. Auch ein Er­folg, den Sie nicht wahrhaben möchten.

Aber heute geht es in Wahrheit um etwas ganz anderes, und ich verstehe nicht, warum Sie sich auch bei den guten Dingen verweigern, nur weil Sie vielleicht mit der Regie­rung nicht zufrieden sind. Hier gibt es drei wichtige Punkte, bei denen es um behin­derte Studierende, um Studierende mit Kindern und um die Studienabschlussstipen­dien geht und für die wir auch Geld in die Hand nehmen. Immerhin wird die Beihilfe für Studierende mit Kindern um 192 € pro Jahr erhöht, was Mehrkosten von insgesamt 700 000 € verursacht. Das ist ja nicht irgendwas, sondern das muss ja auch finanziert


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und aufgebracht werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Dass man gerade für diese drei Zielgruppen etwas macht, ist auch ein Beweis dafür, dass man auf den Bericht zur sozialen Lage der Studierenden umgehend reagiert und sofort Verbesserungsvorschläge eingebracht hat. Ich glaube, das spricht auch dafür, dass wir nicht stur an irgendwelchen Ideologien oder sonst etwas festhalten, was schon längst nicht mehr zeitgemäß ist, sondern dass wir für junge Leute in dem Land auch wirklich etwas tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen. – Abg. Reheis: Nur an den Studiengebühren halten Sie fest!)

21.54

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. 4 Mi­nuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


21.54

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Es ist ja höchst interessant, was wir bis jetzt in den Debattenbeiträgen gehört haben. Wenn ich auch gleich vorweg zugebe, dass dieses neue Studienförde­rungsgesetz sicherlich die eine oder andere Verbesserung bringen wird, muss ich Ihnen schon sagen, Frau Abgeordnete Brinek, wenn Sie glauben, dass es Studienge­bühren bloß zur Entlastung des Elternhauses gibt, dann zeigt das, welchen Zugang Sie eigentlich zu Studiengebühren haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Aber das ist in einem gewissen Sinn auch Unterhaltsersatz! Sie können das nicht auf den Kopf stellen!) Denn Studiengebühren sind dazu da, dass sich junge Menschen, die keine reichen Eltern haben, die dann entlastet werden, auch ein Studium leisten können. Sie haben sich heute hier völlig klar entlarvt, welchen Zugang Sie zu diesem Thema haben.

Sie haben auch gesagt, dass Eltern immer tiefer in die Tasche greifen sollen, um für ihre Kinder – ich habe das ganz genau mitgeschrieben – ein Studium finanzieren zu können. Was tun wir mit jenen Eltern, die nicht mehr tiefer in die Tasche greifen können, mit jenen jungen Menschen, die auch nicht in ihre eigene Tasche greifen können, weil sie das Geld nicht haben? (Abg. Dr. Brinek: Die bekommen ein volles Sti­pendium! 7 500 € im Jahr ist das Höchststipendium, ohne Familienbeihilfe!)

Die Frau Bundesministerin war eigentlich sehr ehrlich in ihrer Wortmeldung, sie hat ge­sagt, wir haben eigentlich nur die Gehaltsansätze verändert, nicht aber die Studienför­derung und die Stipendien im Besonderen.

Erfreulicherweise wurde auch die soziale Lage angeschnitten. Auch wenn Sie von den Regierungsparteien das im Ausschuss enderledigt haben wollten, weil Sie das nicht im Plenum diskutieren wollen: Wir können uns einfach nicht über die Tatsache hinweg­retten, dass es viele junge Menschen gibt, die arbeiten gehen müssen. Und wir können uns auch nicht über die Tatsache hinwegretten, dass wir ein ganz enormes Stadt- und Landgefälle haben. Frau Abgeordnete Brinek, ich habe Ihnen das bereits im Aus­schuss versucht zu erklären. Es wohnen nicht alle jungen Menschen in der Umgebung eines Hochschulstandortes. Es müssen viele junge Menschen oder ihre Eltern sehr hohe Kosten aufbringen, damit die Studierenden in einem Hochschulstandort wohnen können. Wenn wir uns die Wohnsituation, die Wohnungspreise anschauen (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Die in Wien so hoch sind! Kein Wunder!) – und auch da waren Sie nicht zimperlich bei den letzten Beschlüssen in diesem Hohen Haus –, wenn wir die Lebens­haltungskosten mit in Betracht ziehen, dann wird klar ersichtlich, dass diese Studienför­derung bei Gott keine großartig gelungene ist, denn diesen jungen Menschen geht es wirklich nicht gut. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Aber das war ja vor drei Jahren auch schon so, oder?) Und alle jene, die arbeiten gehen, machen das nicht aus Jux und


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Tollerei oder deshalb, weil sie unabhängig vom Elternhaus sein wollen und vielleicht einen Porsche fahren wollen. Darüber können Sie nicht hinwegtäuschen.

Wenn wir schon dabei sind – weil das die Frau Bundesministerin letztes Mal im Aus­schuss vehement verteidigt hat –: Das Fachhochschulangebot ist im ländlichen Bereich bei Gott ein äußerst dürftiges! (Abg. Dr. Brinek: Wir können nicht bei jeder Volksschule eine Fachhochschule anbauen!) Wir können daher auch nicht davon ausgehen, dass jene jungen Menschen, die nicht in der Umgebung einer Universität wohnen, sehr leicht zu einem Fachhochschulabschluss kommen können.

Insgesamt ist diese Studienförderung nicht das, was sich die Studierenden verdienen würden, und schon gar keine große Errungenschaft, als die sie von Ihnen, den Regie­rungsparteien, bezeichnet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

21.58

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Magda Bleckmann. Wunschgemäße Redezeit: reiche 5 Minuten. – Bitte.

 


21.58

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Minister! Hohes Haus! Der Tenor bei der Opposition heute ist: Im Prinzip ist es ja nicht schlecht, was jetzt in dem Studienförderungsgesetz beschlossen wird. – Das hat auch keiner der Kollegen bestritten. Wenn Sie aber dann in Zwischenrufen gefragt werden: Wieso stimmen Sie denn dann nicht zu?, kommt die Antwort: Die Ver­besserungen kommen ja sowieso! – Das ist Ihre Art und Weise, wie Sie eingestellt sind! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Dinge können zwar gut sein, verbessert wird es eh, die Regierung beschließt es ja sowieso, deshalb können wir jetzt heftig schimpfen, uns die kleinen Dinge heraus­suchen oder uns noch mehr wünschen, was halt noch alles gut wäre. Alles geht halt leider nicht! (Abg. Dr. Grünewald: Sind Sie Psychologin, dass Sie wissen, was ich denke?) Ja, anscheinend kann ich Gedanken lesen, wenn Sie mir hier Recht geben.

Noch eines zum Professor Winckler; ich muss doch noch auf die erste Wortmeldung des Kollegen Broukal eingehen. Ich verstehe schon, dass Ihnen das alles gefällt, was Herr Professor Winckler sagt und wie er es sagt, denn man könnte ja meinen, das, was Professor Winckler sagt, wird dann 1 : 1 wieder eine SPÖ-Aussendung. Schauen Sie sich die Aussagen einmal an, sie sind sehr ähnlich, darum verstehe ich, dass Sie sich sehr sympathisch sind und dass Sie das alles gut finden, was er macht. Aber Sie sollten immer mit dem gleichen Maß messen und dürfen nicht übersehen: Es gibt auch viele Universitätsräte, die einen ausgezeichneten Lebenslauf haben, aber leider über keine SPÖ-nahe Gesinnung verfügen – und die sind dann nichts wert. Das ist Ihre Art und Weise der Einstellung. Die, die das vollziehen, was Sie gut finden, das sind die Braven – die, die andere Dinge vollziehen, das sind dann die Bösen. Das ist Ihre Art und Weise, wie Sie die Menschen in Gut und Böse einteilen. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Broukal: Wer denn? Sagen Sie mir nur einen, einen Universitätsrat, einen von 119! Einer würde mir genügen!)

Folgendes noch zu den Ausführungen von Kollegin Trunk: Ich will hier niemanden ver­teidigen, aber ich habe meine Dissertation auch neben der Abgeordneten- und Klubob­manntätigkeit geschrieben, und es war auch möglich. Es war viel Arbeit, und ich denke mir, wenn es jemand schafft und macht, dann ist das gut und auch anerkennenswert, so, wie es genauso anerkennenswert ist, wenn jemand auf dem zweiten Bildungsweg die Matura nachholt und dann auch noch ein Studium anschließt. Zeigen Sie mir doch jetzt bitte die Leute, die studieren wollen, aber heute in Österreich nicht die Möglichkeit haben zu studieren! Zeigen Sie mir diese Fälle, die aus den Stipendien hinausfallen,


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die aus den Förderungen hinausfallen, die nicht studieren können! (Ruf bei der ÖVP: Die gibt es nicht!) Zeigen Sie mir einmal diese Personen, weil Sie hier alles so schlecht- und krankjammern! Ich habe noch nichts davon gehört.

Sie haben den ursprünglichen Entwurf angesprochen. Wir haben hier genau dieses Verfahren, das in anderen Bereichen wie zum Beispiel bei der Pensionsreform so stark von Ihnen kritisiert wurde, angewandt. Dazu hat man nämlich ein Begutachtungsver­fahren! Was würde denn das sonst bringen, wenn ich den Entwurf an viele Institutio­nen, die mit diesen Materien betraut sind, ausschicke und dann sage: Ihr sagt mir zwar, was euch nicht passt, aber das ist mir ohnehin egal!? – Das Gegenteil ist pas­siert: Man hat das, was im Rahmen des Begutachtungsverfahrens an Vorschlägen von vielen Bereichen gekommen ist, mit einbezogen und den Entwurf geändert. Das ist ja Sinn und Zweck eines Begutachtungsverfahrens! (Zwischenruf des Abg. Broukal.) Weil Sie so tun, als ob das so schrecklich wäre, wenn man einen Entwurf einbringt und der dann verändert wird. (Abg. Broukal: Nein, aber es wäre schön, wenn die Original­entwürfe schon so wären, dass sie beschlussfähig sind!) Ja! Stellen Sie sich vor, wir haben sogar auch Ihre Vorschläge im Abänderungsantrag mit einbezogen! (Abg. Mag. Molterer: Wir haben auch nicht die Weisheit mit dem Löffel gefressen!) Weil auch von der Opposition gute Vorschläge gekommen sind, haben wir gesagt, das ist leistbar, das ist machbar, und deshalb bringen wir das im Rahmen eines Abänderungs­antrages ein. Ich bin gespannt, ob Sie zustimmen werden. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.) Ich bin sehr gespannt, ob Sie wenigstens diesem einen Teil, den wir für Sie extra gemacht haben, zustimmen werden.

Wir hätten auch noch anderes gemacht, aber wissen Sie, wenn man eine Einigung er­reichen will, dann muss schon eine Bewegung von beiden Seiten her stattfinden und nicht nur von einer Seite. Sie können nicht erwarten, dass die Regierung allem zu­stimmt, was Sie gerne hätten, und Sie dafür nichts hergeben. Das geht halt nicht. Sie wissen selbst, in Verhandlungen muss jeder einen Schritt gehen. Wir hätten einen Entschließungsantrag mit Ihnen gemacht, aber Sie waren leider nicht bereit, uns hier entgegenzugehen – wir sind Ihnen mit dem Abänderungsantrag entgegengegangen. Ich hoffe, die Zukunft wird diesbezüglich besser sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


22.03

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegenden Änderungen im Studienförderungsgesetz sind in der Tat kleine Schritte in die richtige Richtung, das hat von uns niemand bestritten. Allerdings sind sie aus unse­rer Sicht zu klein, und es wurde auch zu wenig ernsthaft auf nicht überdimensionierte Anliegen eingegangen, die wir noch gerne in dieses Paket mit eingebracht hätten.

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein, weil diese Schritte erstens zu klein sind und unserer Ansicht nach nicht den Kern des Problems treffen, und der Kern des Problems sind nach wie vor natürlich die Studiengebühren:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Broukal und KollegInnen betreffend Abschaffung der Studiengebüh­ren und Verbesserungen des Studienförderungsgesetzes

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Entschließung:

Der Nationalrat hat beschlossen:

„Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, unver­züglich folgende Maßnahmen zu setzen und einen Gesetzesentwurf dazu vorzulegen:

Abschaffung der Studiengebühren,

Indexanpassung bei den Studienbeihilfen und den Einkommensgrenzen,

Entfall der Altersgrenze für die Studienabschlussstipendien.“

*****

Frau Kollegin Bleckmann, weil Sie gesagt haben: Zeigen Sie mir doch die Fälle von Personen, die studieren wollen, aber heute nicht studieren können!, darf ich Sie ver­weisen auf die vom Bildungsministerium in Auftrag gegebene Studie über die Auswir­kungen der Einführung der Studiengebühren auf das Studienverhalten, wo untersucht wurde, aus welchen Gründen die Leute ihr Studium abgebrochen haben. Es hat sich herausgestellt, dass das eben nicht die immer wieder hervorgestrichenen so genann­ten Karteileichen sind, sondern dass das zu einem hohen Anteil Leute sind, die sagen, die Studiengebühren haben dazu geführt, dass die Grenze erreicht ist, dass sie sich das Studium nicht mehr leisten können. – Damit haben Sie diese von Ihnen eingefor­derten Fälle. (Rufe bei der ÖVP: Ja wo? ... Deutschland! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir sprechen hier im österreichischen Parlament von der österreichischen Situation, von österreichischen Studien. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) 44 Prozent der Abbrecher können sich auf Grund der Studiengebühren das Studium nicht mehr leisten – 44 Prozent!

Frau Kollegin Bleckmann! Ich finde, diese Fälle sind ausreichend, jedenfalls für unsere Fraktion ausreichend. Es tut mir Leid, dass Sie das anders sehen, dass Ihnen das nicht ausreicht.

Was uns natürlich besonders schmerzt, ist – das hat auch diese Studie ergeben –, dass die soziale Herkunft einen Einfluss darauf hat, ob der Studienbeitrag eine Rolle gespielt hat oder nicht. Da können Sie jetzt wieder sagen, so wie im Ausschuss: Das ist eine banale Erkenntnis. – Das hätten wir auch gedacht, aber Sie haben das immer abgestritten. Jetzt haben wir es schwarz auf weiß!

Was uns auch besonders schmerzt: dass insbesondere der Anteil an Frauen aus bil­dungsfernen Schichten, die diesen Grund ins Treffen geführt haben, besonders hoch war.

Es ist hier eine Dynamik in Gang gesetzt worden, die dafür sorgt, dass die Leute zu einem höheren Anteil und in einem höheren Ausmaß arbeiten müssen und das alles nicht mehr unter einen Hut bekommen: Studium, arbeiten müssen, um sich den Le­bensunterhalt zu verdienen. Diese Negativspirale müssen wir durchbrechen! Daher unser Antrag und darüber hinaus unser Anliegen, ein Maßnahmenpaket zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Studium umgehendst auszuarbeiten und umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.06

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Broukal und GenossInnen, eingebracht von Frau Abgeordneter Mag. Kuntzl, ist verlesen wor­den, ist hinreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.


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Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Broukal zu Wort ge­meldet. 2 Minuten. Sie kennen die Geschäftsordnung: keine politischen Kommentare! (Heiterkeit.)

 


22.07

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Das habe ich mir mein Leben lang verkneifen müssen; jetzt habe ich mir gedacht, ich hätte es mir verbessert – und jetzt ist es wieder wie vorher, oder?

Ich möchte nur auf die Ausführungen von Frau Dr. Bleckmann erwidern, dass es nicht richtig ist, wie sie sagt, dass wir uns nicht bewegt hätten, kein Entgegenkommen ge­zeigt hätten. Wir sind davon abgerückt ... (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Was ist das für eine tatsächliche Berichtigung? – Abg. Neudeck: Das ist keine tatsächliche Berichti­gung! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Am Wort ist der Redner! Am Schluss bekommt er von mir die Zensur. (Heiterkeit.)

 


Abgeordneter Josef Broukal (fortsetzend): Darauf freue ich mich, das habe ich auch schon 30 Jahre lang nicht gehabt.

Frau Dr. Bleckmann hat behauptet, wir hätten uns in den Gesprächen, in denen es zu einer Einigung hätte kommen können, nicht bewegt. Das ist unrichtig!

Richtig ist, dass wir davon abgekommen sind, weiter darauf zu bestehen, dass die Be­rufsabschlussstipendien in jedem Lebensalter gewährt werden können. Wir waren bereit, uns mit 41 Jahren zufrieden zu geben. (Abg. Dr. Brinek: Stimmen Sie zu!) Es war auch so, dass wir von unserer ursprünglichen Forderung, dass die Studienbeihilfen sofort indiziert werden müssen, abgerückt sind und zur Kenntnis genommen haben, dass die Budgets 2003/2004 stehen, und auf eine Einigung mit Ihnen gehofft haben darüber, dass eine solche Indizierung im Jahr 2005 erstmals kommt.

Es ist also nicht richtig, dass wir uns nicht bewegt hätten! (Beifall bei der SPÖ.)

22.08

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Kollege Broukal, das war ein Redebeitrag, Sie haben politischen Wertungen andere politische Wertungen entgegnet. Das ist die so genannte Caspar Einem’sche Berichtigung. (Heiterkeit.) Ich muss sie hinnehmen, aber ich würde Sie bitten, sie nicht zu wiederholen.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Wolfmayr. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


22.08

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Mit einer ganzen Reihe von Verbesserungen reagiert die Novelle zum Studienförderungsgesetz auf Einzelfälle, Grenzfälle, Härtefälle, insbeson­dere was Studierende mit Kindern und behinderte Studentinnen und Studenten betrifft. Es soll mehr Geld geben für diese Studierenden, die unter besonderen Schwierigkeiten ihr Studium absolvieren. Es soll mehr Zeit zur Erreichung des Studienzieles für diejeni­gen, die sie brauchen, geben, denn die Ergebnisse der letzten Studierenden-Sozial­erhebung und die laufende Evaluierung haben gezeigt, dass solche Verbesserungen notwendig sind.

Dementsprechend wird die Dauer des Anspruchs auf Studienbeihilfe für behinderte Studierende um bis zur Hälfte der vorgesehenen Studienzeit verlängert. Für Studie­rende mit Kindern, die im Vergleich zu den anderen Studierenden für Wohnen und Kin­derbetreuung höhere Kosten zu bestreiten haben, wird die Beihilfe erhöht. 1 600 Stu­dierende werden davon profitieren; die Frau Ministerin hat es erwähnt.


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Eine weitere Verbesserung, die Kollegin Brinek schon erwähnt hat, ist die Ausweitung der Studienabschluss-Stipendien, die es bisher nur für Diplomstudien an den Unis ge­geben hat. In Zukunft soll jeder Erstabschluss an Unis, Fachhochschulen und Akade­mien hier mit eingeschlossen werden.

Es gibt also einige positive Beispiele zu nennen, auf die ich aus Zeitgründen leider nicht eingehen kann, aber insgesamt ist zu sagen, dass diese Novelle natürlich eine ganz entscheidende Verbesserung bringt. Und ich kann, wie meine Kollegen, einfach nicht nachvollziehen, dass man zu diesen Verbesserungen kategorisch nein sagt, nur um nein zu uns zu sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Abschließend möchte ich betonen, dass selbstverständlich die Gespräche, die dauernde Kontrolle und die Evaluierungen weitergehen, und jeder ist gefragt, sich ein­zubringen. Neben den staatlichen Fördermaßnahmen geht es um eine Verbesserung der konkreten Studienbedingungen. Es soll zusätzliche Hilfen durch Schaffung geeig­neter Kinderbetreuungseinrichtungen, wie sie ja bereits an einigen Unis bestehen, geben, eine Intensivierung von E-Learning-Komponenten und verstärkte Information über bestehende Förderangebote wird ebenfalls angestrebt. Aber ich denke, es wird sich mit gutem Willen von allen Seiten noch einiges verändern und hoffentlich auch be­wegen lassen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.11

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter DDr. Nie­derwieser. 4 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


22.11

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Hohes Haus! Da uns die berufstätigen Studierenden und auch die Vereinbarkeit von Studium und Beruf so wichtig sind, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Broukal und KollegInnen betreffend Maßnahmen zur besseren Ver­einbarkeit von Beruf und Studium

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

„Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, ein Ge­samtkonzept zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Studium bis Juni 2004 vorzu­legen:

Ein eigenes, für Berufstätige konzipiertes Studienangebot an Universitäten in Studien­richtungen mit hohem erwerbstätigen Anteil sowie mehr Abend- und Blockveranstaltun­gen,

verstärkter Einsatz neuer Kommunikationstechnologien, zum Beispiel Lernmaterialien im Internet sowie Evaluation dieser Maßnahmen,

bevorzugte Mittelzuteilung für ein vermehrtes Angebot an Fachhochschulstudiengän­gen für Berufstätige,


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Transferleistungen und sonstige Förderung zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Studium, insbesondere für einkommensschwache Studierende.“

*****

Geschätzte Damen und Herren! Es müsste zumutbar sein, das bis zum Juni nächsten Jahres zu machen, und ich lade Sie herzlich ein, diesem Entschließungsantrag zuzu­stimmen.

Sie haben sich immer wieder gewundert, weshalb wir diese Novelle ablehnen. Sie haben von besonderen Verbesserungen gesprochen, und die Frau Ministerin hat ge­sagt, sie wisse gar nicht, was daran so lächerlich ist, dass wir die Verbesserung betref­fend die behinderten Studierenden nicht anerkennen. – Kolleginnen und Kollegen! Lesen Sie sich bitte, wenn Sie es noch nicht getan haben, die Erläuterungen auf Seite 3 durch. Darin steht nämlich, was tatsächlich heute beschlossen wird, wie viel wir für die Förderung von Studierenden mit Kindern und für behinderte Studierende mehr ausgeben.

Haben Sie diese Zahlen gelesen? – 2003: keine Mehrkosten; 2004: 0,1 Millionen € Mehrkosten; bei den behinderten Studierenden 2004: 0,02 Millionen € Mehrkosten. 20 000 € – und deswegen machen Sie solch einen Lärm? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Jede einzelne Summe auf der von Kollegem Kräuter und Kollegem Matznetter zusam­mengestellten Liste von Grassers Honorarzahlungen ist höher als diese 20 000 €, die Ihnen die behinderten Studierenden wert sind! Und da fragen Sie, wieso wir nicht zu­stimmen? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Frau Bundesministerin, Sie haben in einem Fernsehinterview gesagt, der Herr Finanz­minister sei ein begabter junger Mann. Dazu kann ich nur sagen: Er schmeißt das Geld beim Fenster hinaus – und Sie müssen jeden Euro umdrehen, Ihnen fehlt das Geld. Und dann wird dieser Mann noch von Ihnen verteidigt? Dazu gehört wirklich viel Talent! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

22.14

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Niederwieser einge­brachte Antrag der Abgeordneten Broukal und KollegInnen betreffend Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Studium wurde verlesen, ist hinreichend unter­stützt und steht mit zur Verhandlung.

Herr Kollege Niederwieser, darf ich nur Folgendes sagen: Ich habe gestern gerügt, dass von den Regierungsparteien in letzter Minute Entschließungsanträge eingebracht wurden. Ich würde darum bitten, dass wir den Parteien Zeit geben, die Anträge zu prü­fen. Es sind jetzt noch zwei Redner zu Wort gemeldet; ich denke, die Zeit wird reichen. Aber wir sollten uns an die Gepflogenheit der vergangenen Legislaturperiode erinnern, als wir gesagt haben, wenn am Schluss Entschließungsanträge eingebracht werden, werden die Klubsekretäre diese an alle Fraktionen vorher verteilen, damit hinreichend Zeit zum Studium ist. Das gilt für alle Fraktionen hier im Hause. (Abg. Mag. Hoscher: Das sollte man bei den anderen Parteien auch anmerken!) – Das gilt für alle Fraktionen im Haus, habe ich gesagt.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Dr. Brader. 3 Minuten. – Bitte.

 


22.15

Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Rada hat gesagt, dass auf Grund der Studiengebühren die Studentenzahlen an den Hochschulen zurückgegan-


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gen seien. Aber er hat dabei vergessen, dass gleichzeitig die Zahl der Studierenden in den Fachhochschulen massiv angestiegen ist. In Niederösterreich – dem Bundesland, von dem er es wissen müsste – ist während dieser Zeit der Fachhochschulzugang von 23 auf 27 Prozent gestiegen. – So weit zu den Studiengebühren.

Gegenstand der heutigen Beratung ist aber auch eine Regierungsvorlage über ein Ab­kommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich. Das ist eine ganz wichtige Sache, auch wenn sie sehr banal klingt, weil dieses Abkommen das Ziel hat, die Fragen der Anerkennungen und Gleichwertigkeiten generell neu zu regeln.

Die derzeit geltende Fassung aus dem Jahr 1983 war nicht ausreichend und hat dazu geführt, dass die gewünschte Mobilität zwischen den Universitäten sehr gering war, und das hat wirklich viele Probleme gemacht. Ich glaube, dass das heute nicht mehr so bleiben kann. Wir brauchen nämlich notwendiger denn je die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wissenschaften und den Austausch im Hochschulbereich. Es wäre daher völlig unverständlich, würden diese unnötigen Hemmnisse weiter bestehen bleiben.

In Zukunft werden Studien und Prüfungsleistungen in einschlägigen Fächern auf An­trag im jeweils anderen Staat anerkannt. Diese Anerkennung erfolgt notwendigerweise unter Berücksichtigung des European Credit Transfer Systems. Dieses System aber – das muss man hier auch festhalten – muss noch verbessert und weiterentwickelt wer­den.

In diesem Abkommen wird aber nicht nur die Anerkennung von Prüfungen geregelt, sondern auch die Verwendung der im jeweiligen Land erworbenen Studiengrade. Diese Regelungen sind deswegen interessant, weil es dadurch möglich ist, auch nach einem abgeschlossenen Diplomstudium im Ausland, in Deutschland, ein Doktoratsstu­dium anzuhängen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Aspekt neben vielen anderen, die noch zu erwähnen wären, aber angesichts der späten Stunde möchte ich darauf verzichten, über die Notwendigkeiten, die in anderen Bereichen noch bestehen, zu sprechen, und ich hoffe, dass noch viele Länder mit uns solche Abkommen schließen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Redezeit: 18 Minuten. – Bitte.

 


22.18

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich werde einmal schauen, ob ich die Redezeit brauchen werde. Ich bringe zunächst einen Antrag ein – damit uns Präsident Khol nachher noch einmal rügen kann –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Grünewald, Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaf­fung der Studiengebühren

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Gesetz vorzulegen, mit dem das Hochschul-Taxengesetz 1972, das Universitäts­studiengesetz 1997 und das Universitätsgesetz 2002 derart geändert werden, dass die Studiengebühren abgeschafft werden.“

*****

(Beifall bei den Grünen.)


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Sollten Sie wieder anmerken, Sie würden den Antrag nicht kennen, ein kleiner Hinweis: Der Antrag wurde auch im Ausschuss eingebracht. Dort haben wir die originelle Be­merkung gehört, dass die Regierungsparteien über diesen Antrag nachdenken müssen, und sie haben ihn daher vertagt. Der Antrag auf Abschaffung der Studienge­bühren sollte Ihnen also bekannt sein.

Herr Präsident! Erlauben Sie mir bei dieser Gelegenheit aber noch eine Anmerkung: Ich rede in Niederösterreich oft mit unseren Gemeinderäten, teilweise auch mit denen von anderen Fraktionen. Wenn man diesen erzählt, dass die Regierungsparteien in den letzten vier Jahren im Parlament keinem Antrag, den die Oppositionsparteien ein­gebracht haben, zugestimmt haben, glauben sie das gar nicht. Jeder Gemeinderat in Niederösterreich, selbst in Gemeinden mit einer ÖVP-Dominanz, gegenüber der sich jene im Nationalrat noch bescheiden ausnimmt, hat ein demokratischeres Verständnis von Anträgen als die ÖVP-Fraktion hier im Parlament! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Bemerkenswert dabei ist, dass das in der letzten Periode, in der Sie als Klubobmann agiert haben, zu einer besonderen Blüte gekommen ist. Seit ich hier bin, haben Sie die Anträge, die wir eingebracht haben, nicht einmal angeschaut. Wir werden also gerne der Forderung nach mehr Zeit nachkommen. Es wird uns auch freuen, wenn Sie unsere Anträge zumindest inhaltlich einmal anschauen, bevor Sie sie ablehnen, was Sie sowieso immer machen werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber jetzt zum Antrag und zum Bericht zur sozialen Lage der Studierenden. Da die De­batte von den Regierungsparteien hier forciert worden ist, möchte ich ein paar Bemer­kungen dazu machen.

Es gab einen Bericht zur sozialen Lage der Studierenden. Was hat die Frau Bildungs­ministerin daraus gemacht? – Es wurde eine Presseunterlage daraus, auf der steht: „Aktiver in Studium und Beruf“. So wurde er umformuliert. Wenn man dann hinein­schaut, kommt man drauf, dass das nicht die einzige Umformulierung ist, die vorge­nommen wurde.

Zunächst die Anmerkung, dass natürlich all jene, die nach Einführung der Studienge­bühren nicht mehr studieren, an der Befragung nicht teilnehmen konnten, weil sie keine Studierenden mehr waren. Also jeder Vergleich mit jenen, die nicht mehr studieren, und dem, was die gemacht haben, ist hinfällig, denn sie sind einfach nicht berücksich­tigt. Aber lassen Sie mich an drei Beispielen aufzeigen, wie unseriös das Bildungs­ministerium mit den Daten dieses Berichts, die sie selbst erhoben haben, umgegangen ist.

Da findet man auf Seite 2 die Befragung, was die Einführung der Studiengebühren be­wirkt hat. Sie zitieren aus dem Bericht zunächst richtig – es ist also sozusagen eine Halbwahrheit –, dass 56 Prozent der Studierenden auf Grund der Studiengebühren ihr Studium beschleunigen wollen und 47 Prozent ihre Rechte an den Universitäten stär­ker betonen. Das sind also zwei Punkte, die man nicht negativ darstellen müsste.

Wenn man weiterliest, weiß man, welche nächsten drei Punkte als wesentlich genannt werden: Erhöhter finanzieller Druck – ein solcher wird von immerhin 44 Prozent der Studierenden angegeben –, höherer Zeitdruck – diesen empfinden ebenfalls 44 Pro­zent – und eingeschränkter Lebensstandard. – Davon, Frau Bildungsministerin, findet sich kein Wort in Ihren Presseunterlagen! Sie haben die negativen Auswirkungen der Studiengebühren völlig verschwiegen! Das ist das Erste, was an dieser Presseunter­lage unwürdig war. (Zwischenruf des Abg. Zweytick.)


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Wenn Sie es lächerlich finden, dass 44 Prozent der Studierenden angeben, dass sie erhöhten finanziellen Druck und höheren Zeitdruck haben, dann sollten Sie, oder besser gesagt, du, Hannes Zweytick, einmal überlegen, wie viel Studierende verdienen und wie viel Nationalratsabgeordnete verdienen. Und angesichts dessen von dort oben herunterzuschreien, das sei lächerlich, das ist billig! Das ist wirklich billig! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zweytick.)

Weiter geht es auf Seite 4. Dort schreiben Sie – wunderbar –: Die Studierenden geben zu fast zwei Dritteln an, sie wollen eigenes Geld verdienen. – Das ist wieder eine schöne Darstellung. Schaut man sich in dem Bericht die Motive für die Erwerbstätigkeit an, dann steht darin, dass 69,5 Prozent arbeiten müssen, um den Lebensunterhalt zu verdienen, und 58,6 Prozent müssen arbeiten, um die Kosten des Studiums zu verdie­nen. Wenn Sie angesichts dessen sagen, dass das keine Belastung für die Studieren­den ist, durch die das Studieren für sie wirklich anstrengend wird, dann ist das wieder eine Teilwahrnehmung. Sie nehmen von drei Werten einen heraus, lassen den höchs­ten Wert weg und nehmen den zweiten, der am besten klingt. Das andere wird der Presse nicht einmal vorgestellt. – Teil 2 des Bildungsministeriums. (Beifall bei den Grü­nen. – Zwischenruf des Abg. Großruck.)

Wie bitte, Herr Kollege Großruck? Können Sie das noch einmal sagen, vielleicht auch in Richtung des Präsidenten, damit er es auch hört? (Abg. Großruck: Sie erzählen unter dem Titel der Immunität sehr viel!) – Das war vorher etwas anderes, aber Sie sind offenbar nicht mutig genug, den ersten Zwischenruf noch einmal zu wiederholen. (Abg. Scheibner: Tun Sie jetzt schon weiter mit Ihrer Rede!)

Punkt 3 aus Ihrer Presseunterlage: „Das monatliche Budget ist bei Studierenden aus allen sozialen Schichten etwa gleich hoch. Bei Studierenden aus niedrigen Schichten überwiegt dabei die Studienförderung, bei jenen aus höheren Schichten die elterlichen Zuwendungen.“ Und jetzt kommt es: „Die Studienförderung gleicht somit niedrigere Zuwendungen der Eltern aus.“ – Sie „gleicht“ das „aus“. Ich finde das bemerkenswert, weil es ziemlich schwierig sein wird, dass so viele Studienbeihilfen bezahlt werden.

Wenn man dann im Bericht nachliest, dann findet man darin Folgendes – ich zitiere wörtlich –:

„Bei Studierenden aus niedriger sozialer Schicht machen die Elternzuwendungen 16 % des Gesamtbudgets aus, bei Studierenden aus hoher Schicht dagegen fast die Hälfte“, also 50 Prozent. „Umgekehrt verhält es sich mit der Studienbeihilfe“: „3 Prozent bei Studierenden aus hoher Schicht“ und 20 Prozent bei denen aus niedriger Schicht.

Wenn Sie mir jetzt sagen wollen, dass 50 Prozent durch 20 Prozent Studienbeihilfe ausgeglichen werden, dann frage ich mich, wie die Rechenabteilung des Bildungs­ministeriums zu diesem wunderbaren Ergebnis kommt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der letzte Punkt aus dem Bericht scheint mir auch bemerkenswert zu sein. Man braucht nur zu lesen, dann findet man die Daten. Es wurde festgehalten, wie sich die Ausweitung der Studienbeihilfen nach der Einführung der Studiengebühren ausgewirkt hat. Eine Analyse nach sozialer Herkunft hat ergeben, dass insbesondere Studierende aus gehobener Schicht und hoher Schicht davon profitiert haben, da die Studierenden aus niedrigen Schichten das Geld schon bisher bekommen hatten. – Das heißt, hätten Sie die richtige Maßnahme gesetzt, hätten Sie die bestehenden Studienbeihilfen aus­geweitet, nämlich erhöht, dann hätte es denen aus niedriger sozialer Schicht geholfen. Die Ausweitungen, die Sie durchgeführt haben, und zwar nicht bezüglich Höhe, son­dern bezüglich Bezieherkreis, haben sozial nicht gegriffen. Sie haben sozial schon jetzt bevorteilten Studierenden zu mehr Geld verholfen, was zwar auch ein guter Akt ist, aber es kommt denen, die es gebraucht hätten, nicht zugute. (Beifall bei den Grünen.)


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Meine abschließende Bemerkung: Im Rahmen der PISA-Studie hat man versucht, zu überprüfen, wie Jugendliche am Ende der Schulpflicht Daten interpretieren können, wie sie unter anderem Tabellen interpretieren können. Ich kann Ihnen sagen: Wenn die österreichischen Jugendlichen die Tabellen so interpretiert hätten wie Sie den Bericht zur Lage der Studierenden, dann wären wir laut PISA-Studie weit hinter Deutschland gelegen, und dann wäre es nichts mit dem Prädikat „Weltklasse“, das Sie an den Schulen plakatiert haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.26

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Brosz eingebrachte Ent­schließungsantrag der Abgeordneten Grünewald, Brosz, Freundinnen und Freunde betreffend Abschaffung der Studiengebühren wurde vorgelesen, ist hinreichend unter­stützt und steht mit in Verhandlung.

Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. – Herr Abgeordneter Krainer hat seine Wortmeldung streichen lassen. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz geändert wird, in 119 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Ein­fügung einer neuen Ziffer 18a und eine Änderung des § 78 Abs. 21 bezieht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Ti­tel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage unter Berücksichtigung des Zu­satz- beziehungsweise Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Bleck­mann abstimmen.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte wiederum um ein Zeichen der Zustimmung zur Annahme in dritter Lesung. – Das ist die Mehrheit und daher angenommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über eine Reihe von Entschließungsanträgen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Broukal, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Studiengebüh­ren und Verbesserungen des Studienförderungsgesetzes.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag findet nicht die Mehrheit des Hauses, er ist sohin abgelehnt.

Wir kommen zu einer weiteren Abstimmung über einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Broukal, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Studium.

Wer hiefür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist wiederum nicht ausreichend. Die Mehrheit stimmt für die Ablehnung; der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dr. Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Studienge­bühren.


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Wer hiefür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minder­heit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Ab­schluss des gegenständlichen Staatsvertrages, Abkommen mit der Regierung der Bun­desrepublik Deutschland über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich, in 12 der Bei­lagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

15. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 148/A der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mares Rossmann, DDr. Erwin Niederwieser, Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unterrichts­praktikumsgesetz, BGBl. Nr. 145/1988, geändert wird (190 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 159/A der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein freiwilliges 10. bzw. 11. Schuljahr (191 der Beilagen)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 15 und 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Amon, MBA. Redezeit: 5 Minuten. Wenn es 3 Minuten sind, ist niemand traurig.

 


22.31

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Meine Damen und Herren! Es ist selten, dass man, wenn ein weiterer Tagesordnungspunkt beginnt, unmittelbar an seinen Vorredner anschließen kann, was ich hiemit tue, nämlich an die Ausführungen des Kollegen Brosz, der sagte, dass es nicht möglich sei, dass Anträge der Opposition angenommen werden. Schon beim nächsten Tagesordnungspunkt ist das der Fall, nämlich dann, wenn wir über die Mög­lichkeit sprechen, ein 10. und 11. Schuljahr anzuschließen, den Hauptschulabschluss nachzuholen. Das ist ein Antrag von Ihnen, Herr Kollege Brosz.

Das ist ein sinnvoller Antrag. Wir hätten – denn das haben Sie ja vorhin gewisser­maßen unterstellt – dem natürlich auch zuvorkommen und das mit einem Antrag nach § 27 der Geschäftsordnung schon bei den Schulmaterien im Wirtschaftsausschuss erledigen können. Das haben wir aber nicht gemacht.

Darum geht es auch nicht. Das ist ein sinnvoller Antrag, den alle vier Parteien des Hauses unterstützen werden. Das beweist, dass wir als Regierungsparteien dann, wenn es konstruktive Vorschläge gibt, selbstverständlich nicht anstehen, Anträge der Opposition zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Zweite, das wir ebenfalls in einer Vier-Parteien-Einigung beschließen werden, ist eine Änderung im Unterrichtspraktikumsgesetz, womit sichergestellt wird, dass Absol­venten eines Lehramtsstudiums, die ein einjähriges Unterrichtspraktikum im Ausland absolvieren oder bereits zwei Jahre lang im Inland unterrichtet haben, dieses Unter­richtspraktikum selbstverständlich angerechnet wird und damit ein weiteres Praktikum entfallen kann.


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Ich denke, dass das zwei sehr sinnvolle Maßnahmen sind, die wir im Rahmen einer Vier-Parteien-Einigung heute beschließen können.

Gestatten Sie mir, dass ich, da wir uns auch am Ende des Schuljahres befinden, als Bildungssprecher meiner Fraktion allen Lehrerinnen und Lehrern auf diesem Wege sehr herzlich für die Arbeit danken möchte, die sie im Interesse der österreichischen Kinder und Jugendlichen leisten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.33

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter DDr. Niederwieser für 4 Minuten ans Rednerpult. – Bitte.

 


22.33

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Hohes Haus! Niemand macht alles richtig oder alles falsch. Diese beiden Gesetze, über die wir heute noch diskutieren, finden unsere Zustimmung. Es sind zwei Maßnah­men, die teils Reparaturmaßnahmen wie beim Unterrichtspraktikumsgesetz sind und Erleichterungen für jene bringen, die anderswo bereits ein Praktikum gemacht oder Er­fahrungen gesammelt haben. Dafür werden jetzt verstärkte Anrechnungen vorgesehen.

Besonders erfreulich ist die NAP-Maßnahme, die am 31. August 2002 ausgelaufen ist. Seit damals – oder schon vorher – haben wir darauf hingewiesen, wie wichtig es für einen kleinen Teil von Jugendlichen wäre, die Möglichkeit zu haben, in der Schule noch in zusätzlichen Schuljahren ihre Abschlüsse nachzuholen.

Beides kann einen kleinen Beitrag dazu leisten, Chancen zu verbessern und Barrieren abzubauen. Daher werden wir von der SPÖ beiden Gesetzen unsere Zustimmung ge­ben. (Beifall bei der SPÖ.)

22.34

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Niederwieser, für die exemplarische Präzision.

Frau Abgeordnete Rossmann ist die nächste Rednerin. Stolze 5 Minuten wird sie nicht brauchen.

 


22.34

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Meine Vorredner haben eigentlich bereits alles dargelegt. Es ist ein Vier-Parteien-Konsens bei beiden Tagesordnungspunkten zustande gekommen. Wir bedanken uns auch dafür. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte damit als neue Bildungssprecherin mein erstes Bildungsschuljahr hier im Parlament vor der Sommerpause beenden. Ich bedanke mich auch bei den Kollegen im Unterrichtsausschuss für die gute Zusammenarbeit, aber vor allem bei der Frau Bundesministerin. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Die Rednerin schüttelt Bundesministerin Gehrer die Hand.)

22.35

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Rossmann. Statt 5 Mi­nuten nur 29 Sekunden.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Brosz für 4 Minuten. – Von ihm können wir das nicht erwarten. – Bitte. (Heiterkeit.)

 


22.35

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident, Sie werden sich noch wundern.

Der Vier-Parteien-Antrag ist bereits erwähnt worden. Kollegem Amon möchte ich nur sagen: Es ist ab und zu möglich, dass man einen Oppositionsantrag, wenn er gescheit


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ist, hernimmt, dann die Namen von Regierungsabgeordneten darüber schreibt und ihn als Vier-Parteien-Antrag einbringt. – So kann man ab und zu auch Oppositionsanträge durchbringen. Insofern ist das vorhin Gesagte vielleicht nicht ganz richtig. (Zwischenruf des Abg. Amon.)

Ich bleibe aber dabei, dass es in den letzten vier Jahren keinen einzigen Antrag der Opposition gegeben hat, der in diesem Haus die Mehrheit gefunden hat. Das finde ich für ein Parlament doch bemerkenswert.

Wir Grüne sind jedoch bei den Vier-Parteien-Anträgen selbstverständlich dabei. (Beifall bei den Grünen, den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Wittauer: Bravo!)

22.36

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Fuhrmann zu uns. 3 Minuten hat sie beantragt. – Bitte.

 


22.36

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Ich mache es viel kürzer und möchte zum Abschluss Folgendes sagen: Ich glaube, dass gerade der letzte Antrag zeigt, dass dieser Eiertanz, der da manchmal stattfindet, wirklich nicht notwendig ist. Vielleicht können wir uns an dem letzten Antrag auch ein Beispiel für die Zukunft nehmen. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.36

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Danke, Frau Abgeordnete.

Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rada für 4 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


22.36

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Auch in gebotener Kürze, aber trotzdem nicht zu schnell, weil dieses Unterrichtsprakti­kumsgesetz ein äußerst wichtiges Gesetz ist.

Frau Ministerin! Wenn wir dieses schon in aller Einhelligkeit beschließen, so würde ich mir wünschen, dass es auch evaluiert wird, denn wir wissen immer nicht, wie unsere Lehramtsanwärter tatsächlich ausgebildet werden. Die einen lassen arbeiten – damit meine ich die Ausbildner –, die anderen lassen nicht los. Diese Sache müsste unbe­dingt evaluiert werden.

Als Zweites, auch in gebotener Kürze: Es gibt auch Unterrichtspraktika – ich wieder­hole das aus der letzten Sitzung – für die Berufsbildenden Schulen, in denen junge Menschen verpflichtend in den Ferien eine Praktikumsausbildung absolvieren müssen. Das Pech ist nur, Frau Ministerin: Sie bekommen nicht die Ausbildungsplätze, die sie bräuchten. Daher ist zu überlegen, ob entweder die Lehrpläne geändert gehören oder ob vielleicht der Staat die Garantie dafür übernimmt, dass diese jungen Menschen jene Unterrichtspraktika, die sie für ihre Berufsausbildung brauchen, auch machen können. (Beifall bei der SPÖ.)

22.38

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Brader zu uns. 3 Minuten – eine Herausforderung. (Abg. Wittauer: Der war ja gerade vorher!)

 


22.38

Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Aus­nahmsweise ist Herr Brader mit Herrn Rada einer Meinung. Ich möchte ganz beson­ders die Einführung dieses freiwilligen 10. und 11. Schuljahres begrüßen – vor allem für jene Kinder, die aus sozialen, sprachlichen oder lernpsychologischen Gründen den Abschluss in der normalen Schulpflichtzeit nicht geschafft haben.


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In Bezug auf jene Kinder, deren Bildungsprozess durch soziale Probleme beeinträch­tigt ist, möchte ich vor allem eine Gruppe herausheben. Für diese Gruppe ist auch eine Petition eingebracht worden. Es findet ja heute noch der Petitionsausschuss statt, und wir werden dort darüber sprechen. Darum erspare ich Ihnen jetzt Weiteres und wün­sche uns allen einen schönen Abend. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.39

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Danke vielmals, Herr Abgeordneter.

Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Walther für 4 Minuten ans Rednerpult. – Bitte.

 


22.39

Abgeordnete Heidrun Walther (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Die Anerkennung des Auslandspraktikums oder des Praktikums im Inland und Ausland beziehungsweise das freiwillige Nachholen des 10. und 11. Schuljahres, um den Hauptschulabschluss nachzuholen, sind eine gute Sache. Es freut mich auch besonders, dass das eine Vier-Parteien-Einigung geworden ist und dass wir uns dies­bezüglich einigen konnten.

Erlauben Sie mir aber trotzdem, noch kurz auf die Entlastungsverordnung einzugehen! Mit dieser bin ich natürlich nicht sehr zufrieden. Ich möchte nur sagen: In der kleinen Volksschule in Spielfeld, die die Gemeinde Spielfeld und somit ich als Bürgermeisterin zu erhalten habe, sind zwei Stunden für die Volksschüler eingespart worden. Und jetzt raten Sie schnell, welche Stunden es sind! – Es ist eine Turnstunde und eine Stunde Bildnerische Erziehung.

Ich glaube, diese Entlastung ist eine Entlastung, die den Schülern nicht unbedingt be­hagt, weil das wirklich Stunden sind, die den Kindern in den meisten Fällen gut tun und auch ihr Niveau erweitern. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brosz.)

Diese Entlastungsverordnung muss auch unter dem Blickwinkel gesehen werden, dass sich sehr viele ältere Schüler, gerade solche zwischen 14 und 18 Jahren, dagegen gewehrt haben, ja sogar dagegen gestreikt haben.

Es ist verwunderlich, dass Schüler nicht blau machen, sondern dass sie streiken, wenn Stunden gekürzt werden (Abg. Kopf: Das ist nicht verwunderlich!), aber ich glaube, das hängt damit zusammen, dass in Österreich sehr viel Geld für Nachhilfestunden aufgewendet wird, dass wahrscheinlich durch die Kürzung von Stunden Leistungen des Unterrichtes quasi nachgekauft werden müssen und dass diese Schüler und Schülerinnen deswegen dagegen protestiert haben. Ich stelle das nur zur Diskussion, das gefällt mir natürlich nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Kennen Sie IMST? (Abg. Reheis: Ja!) – IMST ist nicht deine Gemeinde, sondern das ist folgendes Projekt – ich erzähle es Ihnen ganz kurz –: Als man 1997 merkte (Unruhe in Saal), dass die Maturanten in Österreich sehr mäßige Leistungen in naturwissen­schaftlichen und technischen Gegenständen haben, ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich bitte Sie, der Abgeordneten zuzuhören! Sie hält eine ernsthafte Rede und verdient Aufmerksamkeit.

 


Abgeordnete Heidrun Walther (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Damals hat sich in Tirol die Initiative IMST gebildet, und zwar heißt das „Innovations in Mathe­matics, Science and Technology Teaching“. Diese Initiative hat sich dazu gegründet, eine nachhaltige Verbesserung gerade in diesen Gegenständen zu erreichen, und war darin auch sehr erfolgreich.

Die Angehörigen dieser Initiative, unter anderem Herr Universitätsprofessor Dr. Kon­rad Krainer und andere Lehrkräfte, die in Tirol Mathematik, Physik und Chemie unter­richten, haben gesagt, dass sie sehr erfolgreich waren. Sie möchten daher doch auch


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an die Frau Minister appellieren, diese Entlastungsverordnung noch einmal kritisch zu überdenken und vielleicht zurückzunehmen.

In diesem Sinne bin ich schon am Ende meiner Rede und meine, dass man bei dieser Entlastungsverordnung vielleicht über das Ziel geschossen hat und sie doch als eine Einsparungsmaßnahme zu bewerten ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.43

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzter Redner in der Debatte ist Herr Abgeordneter Faul. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


22.43

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Wir sind zufrieden, dass dieser Vier-Parteien-Antrag hier Zustimmung findet, weil wir glauben, ein Eckpunkt besteht darin, dass diese notwendige Qualifikation für die Schülerinnen und Schüler gegeben ist – eine Qualifikation, die beim Eintritt in das Berufsleben so entscheidend und wichtig ist. Obwohl manche SchülerInnen und junge Lehrlinge über haptische Fähigkeiten verfügen, sind die Lehrherren doch immer wieder gefordert, diese Grundqualifikation auch einzufordern.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie ersparen es mir nicht, zu sagen, dass es Ihnen wahr­scheinlich sehr leicht gefallen ist, diesem Antrag zuzustimmen, weil er Sie in Wirklich­keit nichts kostet. Zahlerinnen und Zahler werden die Gemeinden, werden die Bürger­meisterinnen und Bürgermeister sein, und wir danken ihnen sehr herzlich dafür.

Liebe Frau Ministerin! Unsere Aufgabe wird es sein, in einer der nächsten Ausschuss­sitzungen von Ihnen einzufordern, dass die Schülerinnen und Schüler, die nach Absol­vierung der Pflichtschule keine Lehrstelle gefunden haben, auch in dieses Programm des freiwilligen Besuches der 10. und 11. Schulstufe eingebunden werden können, weil wir glauben, dass sie in der Schule und unter der Leitung von Lehrerinnen und Lehrern leichter einen Einstieg in das Berufsleben finden, als wenn sie sich in häuslicher Ver­gesslichkeit oder auf der Straße selbst einen Lehrplatz suchen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.45

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer weiteren Wortmeldung hat sich Frau Abgeord­nete Mag. Muttonen für 4 Minuten gemeldet. – Bitte.

 


22.45

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Die Befreiung vom Unterrichtspraktikum in besonderen Fällen stellt wirklich eine Erleichte­rung dar und beseitigt bürokratische Hürden.

Zum Stichwort „bürokratische Hürden“ möchte ich etwas aus Kärnten erzählen. Es geht ganz konkret um die Besetzung von Posten von Bezirksschulinspektoren und Landes­schulinspektoren. Wenn Sie davon ausgehen, dass die langjährigen provisorischen Landesschulinspektoren in Kärnten in die so genannten Dreiervorschläge aufgenom­men werden, damit sie ihre erfolgreiche Arbeit weiterführen können, so irren Sie sich. In Kärnten werden in diese Dreiervorschläge auch keine verdienstvollen Direktoren aufgenommen.

Wenn Sie sich jetzt fragen, warum dem so ist, dann sage ich Ihnen, das ist deshalb so, weil die Kollegen und Kolleginnen nicht die richtige Couleur haben, weil sie sich ent­weder zu keiner Partei oder vielleicht zu einer der Oppositionsparteien bekennen. (Abg. Scheibner: Denken Sie an die Zeit vor vier Jahren! Da war das so! Bis zum Jahr 2000 war das so, wie Sie es berichten!) Das ist aber nur ein Teilaspekt der un-


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glaublichen Zustände, die derzeit in Kärnten bei der Besetzung von Leitungsfunktionen im Schuldienst herrschen.

Das übliche Procedere – und das wissen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien – sieht ein Bewerbungsverfahren vor. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: In Kärnten gibt es überhaupt keine Oppositionsparteien! Das ist unrichtig! Das ist fast schon ein Schwachsinn!) Das ist in Kärnten nicht so, dort gibt es kein Bewerbungsver­fahren, kein Hearing und keine Objektivierung – anders als in allen anderen Bundes­ländern. Sie können sich beim Landeshauptmann erkundigen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Sie reden von der Bundesebene!)

Ein weiteres Kärntner Spezifikum ist ebenfalls einzigartig. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Der späte Abend verzeiht viel, aber nicht alles!) Wenn man sich ausrechnet, dass so und so viele Plätze frei sind und es Dreiervorschläge gibt, dann kann man sich auch ausrechnen, wie viele Personen sich melden würden. Und was erstaunlich ist, ist, dass es gewisse Platzhalter gibt, dass sich gewisse Personen mehrmals auf verschiedenen Listen in unterschiedlichen Reihenfolgen melden und auf die Listen setzen lassen, da­mit diese Listen, diese Dreiervorschläge blockiert sind. (Abg. Wittauer: Sozialdemokra­ten als Platzhalter!)

Gut, das sind die Zustände in Kärnten. (Abg. Dolinschek: In Kärnten gibt es keine roten Lehrer mehr, weil die alle im Nationalrat sind!) – Wenn Sie bitte nicht so schreien, sondern zuhören würden, Herr Dolinschek!

Was aber jetzt bedenklich ist, ist, dass die oberste Dienstbehörde dem zustimmen muss. Und was mir unerklärlich ist, ist, warum Sie, Frau Ministerin, die Sie lange gezö­gert haben zuzustimmen, jetzt zustimmen. Ich frage mich: Was ist das für ein Deal, dass man solchen Verfahren, die ja keine Verfahren sind, sondern Vorschläge, die rein von zwei Parteien kommen, einfach zustimmt und diese Besetzungen so durchführt?

Das sind die Zustände, die bürokratischen Hürden, die in Kärnten anscheinend zu überwinden sind. Ich würde mir wünschen, dass die Bundesebene hier nicht mit­spielt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Mainoni: Das fällt Ihnen jetzt um drei viertel elf in der Nacht ein?)

22.48

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Krainer. 1 Minute Redezeit. – Bitte.

 


22.48

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Meine Damen und Herren, vor allem Kollegin Fuhrmann! Ich habe meine Wortmeldung an und für sich zurückgezogen, aber Ihr zweiter Redebeitrag hat mich dann doch wieder motiviert.

Ich habe Ihnen bei Ihren zwei Reden vorher genau zugehört. Ich habe auch mit gro­ßem Interesse die morgige Ausgabe des „Kurier“ gelesen, in der steht, dass Sie von der Regierung wollen, dass das geplante Pensionskonto nicht nur für unter 35-Jährige, sondern für alle Arbeitnehmer eingeführt werden soll, und bestehende Ansprüche sollten ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, was hat das mit den gegenständ­lichen Tagesordnungspunkten zu tun?

 


Abgeordneter Kai Jan Krainer (fortsetzend): Wenn Sie mir kurz eine Minute zu­hören? – Bestehende Ansprüche sollten in das Pensionskonto übertragen (Abg. Kopf: Sehr gut!), neue Ansprüche nach dem neuen, harmonisierten Pensionsrecht erworben werden.


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Das ist im Kern das SPÖ-Konzept, und ich prophezeie Ihnen, dass Sie viele Forderun­gen, die Sie heute hier abgelehnt haben (Abg. Dr. Fekter: Haben Sie abgeschrieben bei uns?), wie zum Beispiel die Indexierung von Studienförderungen, auch in abseh­barer Zeit aufstellen werden. Vielleicht kommen Sie auch einmal darauf, dass Sie, wenn Sie wirklich Politik für junge Menschen in diesem Land machen wollen (Abg. Dr. Fekter: Ganz ein geheimes Konzept!), in der falschen Partei sind und dass Sie das ohne Spagat oder Spreizfuß in einer anderen Partei besser machen könnten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.49

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter verzichtet auf ein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz geändert wird, samt Titel und Ein­gang in 190 der Beilagen.

Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle wiederum die Ein­stimmigkeit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf betreffend ein freiwilliges 10. beziehungsweise 11. Schuljahr samt Titel und Eingang in 191 der Beilagen.

Wer diesem Gesetz zustimmt, den bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest: Der Gesetz­entwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 183/A bis 191/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 633/J bis 657/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, 10. Juli 2003, 9 Uhr, ein.

Die Tagesordnung wird im Wege der Klubs zugestellt. Das heißt, ich enunziere die Tagesordnung nicht jetzt, sondern sie wird morgen enunziert.


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Ich darf Sie darüber informieren, dass die Präsidialkonferenz vorschlägt, die Erklärun­gen des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Tech­nologie zum Thema „Wirtschaftliche Lage und Maßnahmen für den Wirtschaftsstandort Österreich“ als Punkte 1 und 2 auf die Tagesordnung zu setzen.

Die Präsidialkonferenz schlägt daher vor, die Tagesblockzeit auf 10 „Wiener Stunden“ zu verlängern.

Der ORF wird morgen ab 9.05 Uhr die Debatte übertragen.

Wir haben eine Redeordnung vorbereitet, die den Klubs bekannt ist und die morgen zur Abstimmung gestellt wird. Ich möchte das nur zur Information sagen. Wir beginnen pünktlich um 9 Uhr.

Da es Einwendungen gegen die Tagesordnung geben wird, wird es eine Einwendungs­debatte geben, für die die Klubs folgende Vorgangsweise vereinbart haben: je zwei Wortmeldungen pro Fraktion à 5 Minuten. Es wird von 9.05 bis 9.45 Uhr über die Ein­wendungen gegen die Tagesordnung beraten, entschieden und abgestimmt werden. – Das zu Ihrer Information.

Ich wiederhole: Die Tagesordnung wird morgen enunziert, und ich warte dann auf die Reaktionen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 22.53 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien