Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

893. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 29. Mai 2019

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

893. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 29. Mai 2019

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 29. Mai 2019: 9.00 – 16.50 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bun­des­agentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden

3. Punkt: Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeits­programm der Europäischen Kommission für 2019 sowie dem Achtzehnmonats­pro­gramm des rumänischen, finnischen und kroatischen Vorsitzes des Rates der Euro­päischen Union

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Inst­itutes des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen und die Ein­gliederung des Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens erlassen und das Bundesgesetz über die Einrich­tung eines Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Lan­desvertragslehrpersonengesetz 1966 geändert wird

8. Punkt: Nationaler Bildungsbericht Österreich 2018, vorgelegt vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll893. Sitzung, 893. Sitzung des Bundesrates am 29. Mai 2019 / Seite 2

10. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahresvorschau 2019 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Euro­päischen Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend Nominierung eines Mitgliedes und eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen ...... 31

Schreiben des Generalsekretärs des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und der Regierung der Republik Tunesien über die polizeiliche Zusam­men­arbeit durch den Bundespräsidenten .............................................................................. 39

Schreiben des Generalsekretärs des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und der Tschechischen Republik über wissenschaftlich-technische Zusam­menarbeit durch den Bundespräsidenten ...................................................................... 42

Einwendungen des Bundesrates David Stögmüller gegen die Tagesordnung betreffend Absetzung der Tagesordnungspunkte 2, 4, 6, 7 und 9 von der Tages­ordnung gemäß § 41 Abs. 3 GO-BR                         47

Durchführung einer Debatte gemäß § 39 Abs. 1 GO-BR ............................................. 48

RednerInnen:

Karl Bader ..................................................................................................................... 48

Korinna Schumann ...............................................................................................  49, 51

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 50

Einwendungen finden keine Mehrheit ............................................................................ 52

Unterstützungsfrage gemäß § 21 Abs. 3 GO-BR betreffend den Selbständigen Entschließungsantrag der BundesrätInnen David Stögmüller und Mag. Dr. Ewa Dziedzic betreffend „Reform der Kontrolle von Parteifinanzen und Wahlkampf­kosten“ – nicht genügend unterstützt ....................  52, 52

Wortmeldung des Bundesrates Gerd Krusche zur Geschäftsbehandlung ................ 88

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................. 104

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 105

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 10

Aktuelle Stunde (72.)

Thema: „Ordnung, gute Lebensperspektive und Hausverstand: ein neuer Vertrag für die Zukunft Europas“ ....................................................................................................................... 10


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RednerInnen:

Mag. Christian Buchmann ..................................................................................... ..... 10

Korinna Schumann ................................................................................................. ..... 14

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 16

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ........................................................ ..... 19

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ..... 21

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 22

Gottfried Sperl ........................................................................................................ ..... 24

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ..... 25

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz betreffend Entlassung des Bun­desministers für Inneres Herbert Kickl sowie Amtsenthebung des Bundesminis­ters für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der Bun­desministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein, des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer, des Bundesministers für Landesverteidigung Mario Kunasek und des Staatssekretärs im Bundesministerium für Finanzen MMag. DDr. Hubert Fuchs bei gleichzeitiger Ernennung des Bundesministers für Finanzen Hartwig Löger zum Vizekanzler, von Dr. Eckart Ratz zum Bundesminister für Inneres, von Dr. Walter Pöltner zum Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, von Generalleutnant Mag. Johann Luif zum Bundesminister für Landesverteidigung sowie von Dr. Valerie Hackl zur Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie beziehungsweise Betrauung von Bundes­minis­terin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß mit der Leitung des Bundes­minis­teriums für öffentlichen Dienst und Sport durch den Bundespräsidenten................................................................................... ..... 37

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Amtsenthebung der Bundes­regierung sowie der Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres bei gleichzeitiger Betrauung von Hartwig Löger bis zur Bildung einer Bundes­regie­rung mit der Fortführung der Verwaltung des Bundeskanzleramtes und dem Vorsitz der einstweiligen Bundesregierung beziehungsweise Betrauung von den Mitgliedern der scheidenden Bundesregierung Dr. Heinz Faßmann, Dr. Josef Moser, Dr. Karin Kneissl, Dr. Margarete Schramböck, Dr. Juliane Bogner-Strauß, Elisabeth Köstinger, Dr. Eckart Ratz, Dr. Walter Pöltner, Mag. Johann Luif, Dr. Valerie Hackl und Hartwig Löger mit der Fortführung der Verwaltung sowie von Dr. Juliane Bogner-Strauß und Mag. Gernot Blümel, MBA in dem sich aus den Entschließungen vom 8. Jänner 2019 ergebenden Umfang mit der Fort­führung der Verwaltung durch den Bundespräsidenten ................ 45

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 47

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 26

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz geändert wird (592 d.B. und 597 d.B. sowie 10174/BR d.B. und 10184/BR d.B.)               ............................................................................................................................... 52

Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................... 52


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RednerInnen:

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .......................................................................... ..... 53

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ..... 54

MMag. Dr. Michael Schilchegger ........................................................................... ..... 56

Bundesminister Mag. Gernot Blümel ................................................................... ..... 57

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 58

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haf­tung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrens­ge­setz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geän­dert werden (594 d.B. und 621 d.B. sowie 10180/BR d.B.) ...................................................................................... 58

Berichterstatter: MMag. Dr. Michael Schilchegger ..................................................... 59

RednerInnen:

Martin Weber ........................................................................................................... ..... 59

Robert Seeber ......................................................................................................... ..... 62

David Stögmüller .......................................................................................................... 63

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 66

Korinna Schumann (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 69

Bundesminister Dr. Eckart Ratz ........................................................................... ..... 70

Doris Hahn, MEd MA .............................................................................................. ..... 74

Ing. Bruno Aschenbrenner .................................................................................... ..... 77

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ................................................................................................. 78

Andreas Arthur Spanring (tatsächliche Berichtigung) .......................................... ..... 81

Gerd Krusche ............................................................................................................... 81

Antrag der BundesrätInnen David Stögmüller, Korinna Schumann, Kollegin­nen und Kollegen, die Verhandlung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Ge-sellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU‑G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundver­sor­gungs­gesetz – Bund 2005 geändert werden (594 d.B. und 621 d.B. sowie 10180/BR d.B.), gemäß § 51 Abs. 1 GO-BR an den Ausschuss für innere Ange­legenheiten rückzuverweisen – Ablehnung .............................................................  65, 83

Antrag der BundesrätInnen David Stögmüller und Mag. Dr. Ewa Dziedzic gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errich­tung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesell­schaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversor­gungs­gesetz – Bund 2005 geändert werden (594 d.B. und 621 d.B. sowie 10180/BR d.B.), Ein­spruch zu erheben – Unterstützungsfrage – nicht genügend unterstützt           66, 66, 66

Antrag der BundesrätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz –


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Bund 2005 geändert werden (594 d.B. und 621 d.B. sowie 10180/BR d.B.), Einspruch zu erheben – Ablehnung ...................................  76, 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 83

3. Punkt: Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2019 sowie dem Achtzehn­monatsprogramm des rumänischen, finnischen und kroatischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-673-BR/2019 d.B. sowie 10181/BR d.B.)               ............................................................................................................................... 83

Berichterstatter: MMag. Dr. Michael Schilchegger ..................................................... 84

RednerInnen:

Ernest Schwindsackl .............................................................................................. ..... 84

Jürgen Schabhüttl .................................................................................................. ..... 86

Josef Ofner ................................................................................................................... 88

Jürgen Schabhüttl (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 91

Bundesminister Dr. Eckart Ratz ................................................................................. 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-673-BR/2019 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 92

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (495/A und 612 d.B. sowie 10175/BR d.B.) ....... 93

Berichterstatterin: Monika Mühlwerth .......................................................................... 93

RednerInnen:

Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ..... 93

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................................... ..... 95

Andrea Kahofer ....................................................................................................... ..... 97

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 98

Marianne Hackl ........................................................................................................ ... 101

Christoph Steiner ................................................................................................... ... 101

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .................................................................... ... 103

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstim­mung) ...................................................... 104

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ..................................... 105

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird (595 d.B. und 613 d.B. sowie 10176/BR d.B.) ... 106

Berichterstatterin: Mag. Doris Schulz ......................................................................... 106

RednerInnen:

Mag. Martina Ess ..................................................................................................... ... 106

Michael Wanner ....................................................................................................... ... 108

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ... 109

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .................................................................... ... 110

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 111


BundesratStenographisches Protokoll893. Sitzung, 893. Sitzung des Bundesrates am 29. Mai 2019 / Seite 6

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Institutes des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen und die Einglie­derung des Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens erlassen und das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Ent­wicklung des österreichischen Schulwesens geändert wird (596 d.B. und 614 d.B. sowie 10177/BR d.B.) ...................................... 111

Berichterstatterin: Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................... 111

RednerInnen:

Doris Hahn, MEd MA .............................................................................................. ... 111

Klara Neurauter ....................................................................................................... ... 113

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 114

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .................................................................... ... 116

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 116

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Landesvertrags­lehr­personengesetz 1966 geändert wird (723/A und 615 d.B. sowie 10178/BR d.B.) .................................................................................... 117

Berichterstatterin: Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................... 117

RednerInnen:

Michael Wanner ....................................................................................................... ... 117

Mag. Doris Schulz ................................................................................................... ... 118

Josef Ofner .............................................................................................................. ... 119

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 119

8. Punkt: Nationaler Bildungsbericht Österreich 2018, vorgelegt vom Bundes­minister für Bildung, Wissenschaft und Forschung (III-682-BR/2019 d.B. sowie 10179/BR d.B.) ............... 120

Berichterstatterin: Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................... 120

RednerInnen:

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ............................................................................. ... 120

Eva Prischl ............................................................................................................... ... 121

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ... 123

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ... 124

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .................................................................... ... 126

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-682-BR/2019 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 128

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird (593 d.B. und 603 d.B. sowie 10182/BR d.B.) .......... 128

Berichterstatterin: Andrea Wagner ............................................................................. 128

RednerInnen:

Günther Novak ........................................................................................................ ... 128

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 130

Michael Bernard ...................................................................................................... ... 131


BundesratStenographisches Protokoll893. Sitzung, 893. Sitzung des Bundesrates am 29. Mai 2019 / Seite 7

Bundesministerin Elisabeth Köstinger................................................................. ... 133

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 134

10. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus be­treffend Jahresvorschau 2019 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogram­mes der Europäischen Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates (III-678-BR/2019 d.B. sowie 10183/BR d.B.)                   134

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Andrea Holzner ............................................................ 134

RednerInnen:

Mag. Bettina Lancaster .......................................................................................... ... 135

Andrea Wagner ....................................................................................................... ... 136

Jürgen Schabhüttl .................................................................................................. ... 138

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ... 139

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................ ... 140

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................... 142

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-678-BR/2019 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 144

Eingebracht wurden

Antrag der BundesrätInnen

David Stögmüller, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bun­desgesetz, mit dem das Sozialversicherungsorganisationsgesetz (SV-OG) in der Fassung des BGBl. 100/2018 abgeändert wird (260/A-BR/2019)

Anfragen der BundesrätInnen

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Wunschkennzeichen oder nicht? (3650/J-BR/2019)

David Stögmüller, Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Strafzahlungen wegen Nicht­einhaltung der Klimaziele (3651/J-BR/2019)

David Stögmüller, Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Strafzahlungen wegen Nichteinhaltung der Klimaziele (3652/J-BR/2019)

David Stögmüller, Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend ÖVP EU-Spitzenkandidaten Karas und Mandl machen parteipolitische Werbung an den niederösterreichischen Schulen (3653/J-BR/2019)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Exportgarantien der Österreichischen Kontrollbank für den Export landwirtschaftlicher Zuchttiere (3654/J-BR/2019)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen gegen LGBTI-Personen in Tschetschenien (3655/J-BR/2019)


BundesratStenographisches Protokoll893. Sitzung, 893. Sitzung des Bundesrates am 29. Mai 2019 / Seite 8

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsparungen in der Grundversorgung durch erwerbstätige Asylwerbende (3656/J-BR/2019)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Einsparungen in der Grundversorgung durch erwerbstätige Asylwerbende (3657/J-BR/2019)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Einsparungen in der Grundversorgung durch erwerbstätige Asylwerbende (3658/J-BR/2019)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Anzeigen der Österreichischen Lotterien in der „Neuen Freien Zeitung“ (3659/J-BR/2019)

Stefan Zaggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Schwerverkehr auf der B 179 durch den Bezirk Reutte (3660/J-BR/2019)

Stefan Zaggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Verkehrssituation im Bezirk Reutte (3661/J-BR/2019)

David Stögmüller, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende – Wird Österreich der EU-Richtlinie nachkommen? (3662/J-BR/2019)

David Stögmüller, Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende (3663/J-BR/2019)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Stefan Zaggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verletzungen Polizeibeamte in Tirol (3362/AB-BR/2019 zu 3633/J-BR/2019)

des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Bundes­rätInnen Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Opernball 2019“ (3363/AB-BR/2019 zu 3640/J-BR/2019)

des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Opernball 2019“ (3364/AB-BR/2019 zu 3637/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Opern­ball 2019“ (3365/AB-BR/2019 zu 3639/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Opernball 2019“ (3366/AB-BR/2019 zu 3634/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Opernball 2019“ (3367/AB-BR/2019 zu 3638/J-BR/2019)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Wanner, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend „Opernball 2019“ (3368/AB-BR/2019 zu 3641/J-BR/2019)


BundesratStenographisches Protokoll893. Sitzung, 893. Sitzung des Bundesrates am 29. Mai 2019 / Seite 9

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Opernball 2019“ (3369/AB-BR/2019 zu 3636/J-BR/2019)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Opernball 2019“ (3370/AB-BR/2019 zu 3635/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Polizeischüler*innen in Oberöster­reich (3371/AB-BR/2019 zu 3642/J-BR/2019)

des Bundesminister für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend NS-Meldestelle (3372/AB-BR/2019 zu 3644/J-BR/2019)

 

 

 

 

 


 


BundesratStenographisches Protokoll893. Sitzung, 893. Sitzung des Bundesrates am 29. Mai 2019 / Seite 10

09.00.29Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Ingo Appé, Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M., Vize­präsident Hubert Koller, MA.

09.00.30*****


Präsident Ingo Appé: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 893. Sit­zung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 892. Sitzung des Bundesrates vom 9. Mai 2019 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung des Bundesrates ist Herr Bundesrat Dr. Gerhard Leitner.

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass sich neben dem Team für die Liveübertragung von ORF III auch ein Filmteam für den Parlamentsfilm im Saal befin­det und während der heutigen Sitzung Aufnahmen macht.

09.01.19Aktuelle Stunde


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema

„Ordnung, gute Lebensperspektive und Hausverstand: ein neuer Vertrag für die Zukunft Europas“

mit Herrn Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien Mag. Gernot Blümel, den ich herzlich willkommen heißen darf. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wie­derum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend eine Wort­meldung der Bundesräte ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit von 10 Minuten nicht überschritten werden soll.


9.02.41

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren vor den Fernsehgeräten und via Livestream, die Sie unserer heutigen Aktuellen Stunde beiwohnen! Wir wollten und sollten uns heute in dieser Aktuellen Stunde mit Entwicklungen der Europäischen Union, mit einer Zu­kunftsperspektive, positiven Entwicklungen für die Österreicherinnen und Österreicher, mit Ordnung und mit Hausverstand auseinandersetzen.

Meine geschätzten Damen und Herren, erlauben Sie mir, aus aktuellen Gründen schon darauf hinzuweisen, dass vor nicht einmal zwei Tagen hier in diesen Räumlichkeiten


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des österreichischen Parlaments einem sehr erfolgreichen und beliebten Bun­des­kanzler der Republik Österreich, Sebastian Kurz, das Vertrauen von einer Mehrheit der Abgeordneten zum österreichischen Nationalrat versagt wurde und er damit in die sogenannte politische Wüste geschickt worden ist –gemeinsam mit ihm eine Über­gangsregierung, die ihre Arbeit noch nicht einmal aufnehmen konnte, obwohl sie das im besten Interesse der Österreicherinnen und Österreicher und in Absprache mit dem Herrn Bundespräsidenten tun wollte.

Ich betrachte diese Vorgangsweise als ein legitimes Mittel in einer Demokratie, ich betrachte sie aber auch – und das werden Sie verstehen, meine sehr geehrten Damen und Herren der Sozialdemokratie und des freiheitlichen Klubs – als ungerecht. Warum betrachte ich das als ungerecht? – Weil es nicht Sebastian Kurz war, der auf einem Ibizavideo zu sehen war, und weil es nicht Sebastian Kurz war, der darin über Machtmissbrauch philosophiert hat, darüber, die Medien unter Kontrolle bringen zu wollen, und der darin der Korruption das Wort geredet hat. Es war Sebastian Kurz, der unmittelbar nach Auftauchen dieses Videos und in Absprache mit dem Herrn Bun­despräsidenten für stabile Verhältnisse in Österreich gesorgt hat und Österreich mit diesen stabilen Verhältnissen auch in eine gute Zukunft führen wollte.

Es war allerdings eine Mesalliance zwischen Frau Rendi-Wagner und Herrn Kickl, die letztendlich dazu geführt hat, dass aus parteitaktischem Kalkül dieser österreichischen Bundesregierung und diesem beliebten Bundeskanzler das Vertrauen versagt wurde.

Es ist nicht nur ungerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern es ist aus meiner Sicht auch falsch, und damit sind wir schon mitten im Thema unserer heutigen Aktu­ellen Stunde (Bundesrat Krusche: Na Gott sei Dank!), weil diese Entscheidung unmittelbar vor einem Europäischen Rat, der gestern am Abend in Brüssel getagt hat, stattgefunden hat und sich dieser Europäische Rat sehr intensiv mit der Zukunft Europas, jedenfalls aber auch mit personellen Weichenstellungen für diese Zukunft auseinandergesetzt hat.

Diese Entscheidung war auch deshalb falsch, weil sich Sebastian Kurz und damit Österreich nicht nur in der Welt einen Namen gemacht haben, sondern weil wir auch auf europäischer Ebene mit unseren Positionen durchaus in einer Mehrheitsmeinung sind, und diese Positionen letztendlich auch dazu führen sollen, dass sich Europa in eine positive Zukunft entwickelt. Eine positive Zukunft dient den Menschen in Öster­reich, dient natürlich den Europäerinnen und Europäern und in letzter Konsequenz der ganzen Welt, weil die Arbeit, die wir in Europa leisten, eine wertebasierte Arbeit ist. Das hat etwas mit Menschenwürde zu tun; es hat etwas mit Solidarität und mit Subsi­diarität zu tun; es hat etwas mit Rechtsstaatlichkeit zu tun; es hat etwas mit Medien­freiheit zu tun und es hat sehr, sehr viel mit Demokratie zu tun, und das wird auch durch das Spitzenpersonal auf europäischer Ebene verkörpert.

Wie wir aus den Medien, den heutigen Tageszeitungen und auch aus Fernsehen und Radio, wissen, sind die Verhandlungen auf europäischer Ebene angestoßen, und es würde Österreich guttun, mit einer starken Stimme vor Ort zu sein.

Übergangskanzler Löger hat hier gestern, glaube ich, ganz klar Position bezogen, was für Österreich wichtig ist, insbesondere auch dann, wenn es darum geht, über das Dossier, nämlich den Arbeitsbereich, des künftigen österreichischen Kommissars zu verhandeln. Wir haben da in der Historie mit Franz Fischler, Benita Ferrero-Waldner und auch Johannes Hahn Persönlichkeiten gehabt, die jeweils sehr verantwortungs­bewusst verantwortungsvolle Dossiers verwalten und gestalten konnten – für Europa, aber selbstverständlich auch für Österreich. Das soll auch in Zukunft so bleiben, und deswegen ist es gut, wenn wir da mit einer starken Stimme auftreten können. Sie


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haben das leider etwas minimiert, aber ich bin zuversichtlich, dass wir es doch in den Griff bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht aber nicht nur um Personal, sondern es geht auch um inhaltliche Sachfragen und es geht in letzter Konsequenz auch um den Treib­stoff, um die finanziellen Mittel auf dieser europäischen Ebene. Wie Sie wissen, wurde auch während der österreichischen Ratspräsidentschaft der Mehrjährige Finanzrahmen sehr erfolgreich weiterverhandelt. Das ist auch für uns, die österreichischen Bundes­länder, ein nicht unwesentliches Faktum. Ich kann für mein Heimatbundesland, die Steiermark, berichten, dass wir seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union mehr als 2,5 Milliarden Euro an europäischen Förderungsmitteln für die Steiermark ein­werben konnten, dass damit in der Steiermark seit dem Beitritt zur Europäischen Union 70 000 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden sind und wir zu einer der führenden Innovationsregionen in Europa geworden sind – mit einer Forschungs- und Entwick­lungsquote von über 5 Prozent sind wir am internationalen Radar. Das wird auch für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen durchaus ein spannendes Thema, wenn es darum geht, die Mittel sehr zielgerichtet den einzelnen Töpfen zuzuordnen.

Sie werden verstehen, wenn ich sage, dass die Gemeinsame Agrarpolitik natürlich ein wesentliches Thema ist, aber gleichzeitig auch die Frage: Wie fördern wir die Jugend in diesem Europa und wie können wir Forschung und Entwicklung entsprechend dotieren, damit sich auch österreichische Unternehmungen und damit österreichische Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter in diesem gemeinsamen Europa gut entwickeln können?

Wir reden heute in dieser Aktuellen Stunde mit dem Herrn Bundesminister, dem ich sehr, sehr herzlich danken möchte für die Arbeit der vergangenen Monate und für eine exzellente Zusammenarbeit mit ihm und seinem Team während der österreichischen Ratspräsidentschaft. Lieber Gernot, du kannst stolz sein darauf, was du persönlich erreicht hast und was du insgesamt für Österreich erreicht hast, und dafür gebührt dir ein Applaus. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hätte mir gewünscht, dass auch Sie diesem ver­dienten Bundesminister Anerkennung zollen, denn wir waren mit dem EU-Aus­schuss des österreichischen Bundesrates vor einigen Monaten in Brüssel, haben uns schlau­gemacht, auch was den Mehrjährigen Finanzrahmen betrifft, haben dann im Euro­päischen Rat auch die Gelegenheit gehabt, uns mit dem Herrn Bundesminister aus­zutauschen, und ich glaube, es haben alle gespürt, dass sich da Sachkompetenz mit Durchschlagsfähigkeit paart und dass wir gemeinsam für die Zukunft einiges in Gang bringen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war nicht nur diese Exkursion, es war beispiels­weise auch die Cosac – das ist die parlamentarische Dimension der Ratsprä­sident­schaft –, bei der der Herr Bundesminister immer wieder aufgetreten ist und die Rolle Österreichs und auch die Perspektiven, die Österreich in diese Debatte mit einbringt, klargestellt hat. Es waren auch viele andere Begegnungen, bei denen wir gemeinsam versucht haben, dieses Europa weiterzuentwickeln und dafür auch österreichische Beiträge zu leisten.

Wenn es in diesem Kontext um Ordnung geht, dann geht es darum, dass es Spiel­regeln gibt. Und wenn es Spielregeln gibt, muss gelten, dass diese Spielregeln auch eingehalten werden. Ich halte es für einen sehr klugen und fairen Ansatz, bei Spiel­regeln auch Sanktionen vorzusehen. Ich glaube, das muss sich Europa in der Zukunft auch zumuten.

Es war auch die Rede vom Hausverstand, und mit dem Hausverstand ist das so eine Sache. Ich persönlich werbe seit vielen, vielen Jahren dafür – manche von Ihnen wissen, dass ich im letzten Jahrzehnt über tausend Betriebe in meinem Heimat­bun-


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desland und darüber hinaus besucht habe –, insbesondere bei Fragen der Verwaltung, der Bürokratie, der Vorgaben, der Vorlagen eine entsprechende Zurückhaltung zu üben. Da hat mir der Vorschlag des Bundeskanzlers, tausend Gesetze auf euro­pä­ischer Ebene zurückzunehmen, sehr gut gefallen. Es erwarten sich auch die öster­reichischen Unternehmungen, dass Bürokratieabbau betrieben wird und dass mit Hausverstand und Vernunft an Regelungen herangegangen wird. Ich hoffe, dass sich auch die nächste Bundesregierung diesem Thema ganz besonders widmet.

Der Wohlstand ist uns, glaube ich, allen gemeinsam ein Anliegen, der Wohlstand der Österreicherinnen und Österreicher, eine Mehrung dieses Wohlstandes. Diese Wohl­standsmehrung kann aber nur dann auch wirklich erfolgen, wenn entsprechende Rah­menbedingungen gegeben sind. Daher haben wir hier im Hohen Haus des Öfteren auch über Freihandelsabkommen, über Außenwirtschaftsbeziehungen diskutiert.

Ich bin froh, dass mittlerweile auf europäischer Ebene die Entscheidung gefallen ist, dass Ceta – das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union – jetzt rechtskräftig ist und es auch der Herr Bundespräsident unterfertigt hat. Nur dieses Freihandelsabkommen beispielsweise hat uns ein Wachstum von über 24 Prozent in den Außenwirtschaftsbeziehungen gebracht. Das ist nicht nichts, son­dern das ist etwas, nämlich die Sicherung von österreichischen Arbeitsplätzen und die Schaffung neuer österreichischer Arbeitsplätze, und dafür sind auch wir mitverant­wort­lich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wahlen zum Europäischen Parlament haben für meine Gesinnungsgemeinschaft, die Österreichische Volkspartei, einen fulminanten Erfolg gebracht. Wir haben bei dieser Europawahl über 34 Prozent auf Bundesebene und wir haben über 35 Prozent auf steirischer Ebene erzielen können. Das stärkt den Kurs von Sebastian Kurz, das stärkt aber auch unsere Anliegen, wenn es darum geht, Ordnung, Wohlstandsmehrung und Hausverstand in die künftige Arbeit der Euro­päischen Union einzubringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Welt ist in Bewegung, das sehen wir jeden Tag, wenn wir den Fernseher aufdrehen. Wir spüren, dass auch die Menschen in Österreich den Wandel wahrnehmen. Wir spüren, dass es Herausforderungen gibt, vom Klima­schutz bis zur Energiewende. (Bundesrat Novak: Man muss auch einmal etwas tun zum Thema Klimaschutz, nicht nur reden!) – Ja, du musst mir halt zuhören, dann würdest du schon vernehmen (Bundesrat Weber: Das Reden haben wir gehört, allein uns fehlt der Glaube!), was diese erfolgreiche Bundesregierung unter Sebastian Kurz in den vergangenen Monaten und Jahren geleistet hat. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Die Redezeit ist aus!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man diesen Wandel spürt, wenn man diese Herausforderungen spürt und wenn man diese Sensibilitäten spürt – was manchen offenkundig abhandengekommen ist –, dann spürt man aber gleichzeitig, dass sich die Menschen Stabilität erwarten, dass sich die Menschen Sicherheit erwarten und dass sie sich Wohlstand erwarten. Und dafür tragen auch wir im österreichischen Parlament, in der österreichischen Länderkammer, dem österreichischen Bundesrat, unsere Ver­antwortung, nämlich einen Kurs der Vernunft zu gehen und nicht aufzugeben. Ganz im Gegenteil, in schwierigen Zeiten können es nur die Besten, in guten Zeiten können es ohnedies alle. Wir haben herausfordernde Zeiten, in diesem Sinne: alles Gute für die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP.)

9.15


Präsident Ingo Appé: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Korinna Schumann zu Wort. Ich erteile ihr dieses.



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9.15.22

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Vorige Woche hat der Kongress des Europäischen Gewerkschaftsbundes in Wien stattgefunden, und von diesem Kongress ging das Signal aus, dass es wesentlich ist, die europäische Politik von einer Zielrichtung für ein soziales Europa bestimmen zu lassen, für ein soziales Europa, das die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stützt und schützt, und dafür, dass die ArbeitnehmerInnenvertretung eine wesentliche Rolle in einem sozialen Europa spielen kann und muss. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Als wesentliches Element eines sozialen Europas wurde die Sozialpartnerschaft ange­sehen. Österreich war über viele Jahrzehnte das Beispiel funktionierender, großartiger Sozialpartnerschaft in einer Politik des Ausgleichs und des Konsens. Mit jener Regierung, der jetzt das Vertrauen entzogen wurde, wurde die Sozialpartnerschaft auf Eis gelegt, zurückgefahren und dieses wesentliche Element für Österreich einfach ad acta gelegt. Das Entsetzen der Menschen in Europa war extrem groß, dass diese Sozialpartnerschaft so mit Füßen getreten wurde (Bundesrat Steiner: Das hat man gesehen bei der EU-Wahl! – Ruf bei der ÖVP: Wie ist das messbar?), und es herrschte Entsetzen darüber, wie unfassbar beschämend der Inhalt des Ibizavideos ist und welche furchtbaren Auswirkungen das in Österreich und für das Land Österreich hat.

Beschämend ist dieses Video, demokratiegefährdend, staatsgefährdend, menschen­verachtend. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja!) Es wird das übelste Bild von Politikver­ständ­nis vorgeführt: käufliche Politiker, käufliche Politikleistung, eine Medienlandschaft, die man sich kaufen kann (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat die SPÖ noch nie gemacht! Die Faymann-Inserate zum Beispiel!), Journalisten eliminieren und durch gefügige ersetzen – zusammengefasst mit dem Kürzel der bestellten Presseaussendung: „wer/zah/lts/chaf/ft/an“. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Unser Wasser soll privatisiert werden, maximaler Gewinn, kann man da hören. (Zwi­schenruf des Bundesrates Ofner.) Aber dann, in den Veranstaltungen zum Trinkwas­ser, die unser Präsident organisiert hat, war die vollmundige Rede davon, dass das Trinkwasser doch auf keinen Fall privatisiert werden soll. Na, wer kann das denn da noch glauben? (Zwischenruf des Bundesrates Brunner.) Es sei im Interesse der Demokratie davor gewarnt, diese Inhalte des Ibizavideos zu verharmlosen und mit der Rede von einer bsoffenen Gschicht zu erklären. Keine Ausrede rechtfertigt es, wenn demokratische Strukturen unseres Landes infrage gestellt werden. (Bundesrat Steiner: Er ist ja zurückgetreten, oder?)

Es gilt, sich zu entschuldigen. (Bundesrat Steiner: Hat er gemacht!) Es gilt, sich zu entschuldigen bei den öffentlich Bediensteten, für die der Vizekanzler Verantwortung trug. Im öffentlichen Dienst wird von den Bediensteten exakt und ganz genau nach Gesetzen und Verordnungen gearbeitet. In vielen Bereichen wurden Compliance­richt­linien erstellt, um ja keinen Anschein der Möglichkeit von Korruption aufkommen zu lassen. Und die öffentlich Bediensteten sind da voll mitgegangen, weil es ihnen wichtig war. Da gab es sogar die Frage, ob man überhaupt eine Tasse Kaffee annehmen darf, wenn man eine Prüftätigkeit vornimmt, da es um die Frage des Anfütterns geht und daher um die Frage, wie man Korruption bekämpfen kann. Und als Gegenstück: der Inhalt dieses Videos.

Es gilt, sich bei den jungen Menschen in Österreich zu entschuldigen, den jungen Menschen, die wir alle ja für Demokratie begeistern wollen, dafür begeistern wollen, dass sie sich an der Politik beteiligen. Was für ein furchtbares Zerrbild politischen Handelns wurde ihnen vorgeführt!? Der Schaden für Österreich ist enorm. Weltweit


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wurden wir – Zitat – als peinliche „Bananenrepublik“ wahrgenommen, als ein Land, in dem anscheinend Korruption zum System gehört. Wir hoffen ganz, ganz stark, dass der Schaden für den Wirtschaftsstandort Österreich nicht zu groß ist. (Bundesrat Steiner: Na, jetzt reden die Sozialisten von Wirtschaft! Nein!)

Die österreichische Gesellschaft war während der Zeit dieser Regierung, der jetzt das Vertrauen entzogen wurde, von unglaublich vielen Einzelfällen des extrem rechten Lagers geplagt. Kurz betont in seiner ersten Rede, dass er viel schlucken musste. Er hätte die Gefahr dieser Entwicklung und die schädigenden Auswirkungen für das Land längst erkennen müssen. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Die ÖVP wusste, worauf sie sich einlässt, und hat es für das Erreichen und Erhalten der eigenen Macht in Kauf genommen. Die Verantwortung für diese Situation tragen Sebastian Kurz und die ÖVP. Sie sind diese Regierungskoalition eingegangen, alle Risiken kennend. Machterhalt war anscheinend wichtiger als der Ruf unseres Landes.

Die Erzählung vom unglaublich harmonischen Einvernehmen zwischen ÖVP und FPÖ dürfen wir jetzt auch in die Gattung der Fake News einordnen. Die Opposition wurde ignoriert, es gab keine Gesprächskultur, besonders nicht, als es diese politische Krise wirklich notwendig gemacht hätte, sondern es wurden Schlüsselpositionen in Minis­terien eigentlich gleich vor der Ernennung der Experten mit Parteigängern und ‑gängerin­nen besetzt. So kann man auf keinen Fall Vertrauen erlangen. Das Resümee bezüglich der Arbeit der letzten Regierung: Wegschauen, wo längst Konsequenzen hätten gezogen werden müssen.

Ich darf in diesem Zusammenhang all jenen Menschen meinen Dank ausrichten, die jetzt am Ring Mahnwache bei der Fotoausstellung „Gegen das Vergessen“ halten. Dieses Holocaustdenkmal wurde zweimal geschändet. Das ist bestürzend, und es gilt wirklich, all jenen zu danken, die jetzt dort Wache halten, weil es ein so wesentliches Zeichen dafür ist, wie wir mit unserer schwer belasteten Vergangenheit umgehen. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Es gilt, eine Bilanz dieser Regierung zu ziehen, die nun kein Vertrauen mehr hat. Die ArbeitnehmerInnenbewegung wurde geschwächt, beziehungsweise wurde der Versuch unternommen, sie zu schwächen. Mit allen Mitteln sollte sie aus der politischen Teil­habe gedrängt werden. Die Sozialversicherungsreform geschah nur mit dem Ziel, die Selbstverwaltung zu zerstören und umzufärben. Dabei gab es den Schmäh von der Patientenmilliarde, den niemand glauben konnte und der sich nicht bewahrheitet hat. Die Gesundheitsversorgung der Menschen in Österreich wurde gefährdet.

Die ArbeitnehmerInnen wurden durch Ausweitung der Arbeitszeiten und Verkürzung der Ruhezeiten belastet. Den hart arbeitenden ArbeitnehmerInnen in Österreich wurde nicht die Chance auf einen Feiertag am Karfreitag gegeben. Religiöse Minderheiten wurden missachtet, und die Menschen, die Unterstützung in diesem Land brauchen, wurden auf beschämende Art und Weise behandelt. Das Sozialhilfegesetz, gegen das es so viel Widerstand gab, so viel berechtigten Widerstand von so vielen Seiten, wurde durchgepeitscht.

Beim Familienbonus – an sich natürlich eine sehr positive Leistung (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Danke!) – wurden halt einige Gruppen vergessen. Gerade jene, die schwächer sind, gerade jene, die weniger verdienen, bekommen weniger Leistung: die AlleinerzieherInnen 250 Euro und die MindestsicherungsbezieherInnen gar nichts. (Bundesrat Bader: Na bitte, Frau Kollegin!) Das ist Ausdruck einer Politik ohne Herz. (Beifall bei der SPÖ.)


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Nach all dem, was die Menschen aufgrund der Politik der ehemaligen Regierung erle­ben mussten, gilt es, für Transparenz zu sorgen, besonders bei der Frage der Partei­spenden. Das haben sich die Österreicherinnen und Österreicher verdient. (Bundesrat Krusche: Womit haben wir uns das verdient? – Heiterkeit der Bundesrätin Mühlwerth.) Die sozialdemokratische Fraktion fordert eine wesentlich stärkere Transparenz und echte Sanktionen bei der Nichteinhaltung der Wahlkampfkostenobergrenzen. Es braucht eine ehrliche Politik! (Bundesrat Steiner: Geht mit gutem Beispiel voran!)

Die Menschen in Österreich haben ein Recht auf eine soziale Politik mit Herz. Darauf müssen sie sich verlassen können und dafür steht die Sozialdemokratie. Arbeit­neh­merInneninteressen müssen endlich wieder in den Mittelpunkt gestellt werden und nicht nur die Interessenlagen der Wirtschaft. Die Anliegen der Frauen müssen wieder gehört werden; kein Stillstand in der Frauenpolitik, wie er unter dieser Regierung geherrscht hat. (Bundesrat Steiner: Das ist nicht Punkt der Tagesordnung!) Die Frauen haben ein Recht auf eine Politik für eine bessere Lebens- und Arbeitssituation. (Beifall bei der SPÖ.)

Selbstverständlich muss die beste Gesundheitsversorgung für alle sein, nicht nur für jene, die viel im Geldbörsel haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir schon gemacht! Das gibt es schon! – Bundesrat Brunner: Wie ist das Thema?) Soziale Sicherheit für alle Situationen! (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Klassenkampf!) Wie leicht kann es passieren, dass man im Leben ins Trudeln gerät und dass man Unter­stützung braucht. Ein gutes und abgesichertes Leben im Alter muss selbstverständlich sein.

Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die soziale Sicherheit der Öster­reicherinnen und Österreicher ein wesentliches Anliegen, vor allen Dingen der soziale Friede, nicht Hass und Ausgrenzung, ein Miteinander, nicht ein Gegen­einan­der. Wir stehen für ein Miteinander und nicht für ein Gegeneinander, sowohl in Öster­reich als auch auf europäischer Ebene. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

9.25


Präsident Ingo Appé: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile dieses.


9.25.33

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier und zu Hause! Werte Kolleginnen und Kollegen! An sich ist ja eigentlich das EU-Thema heute Gegenstand der Aktuellen Stunde, aber da beide Vorredner schon auf die vergangenen Ereignisse Bezug genommen haben, tue ich das natürlich auch und stelle voran: Das Ibizavideo ist wirklich durch nichts zu entschuldigen. Ich versuche gar nicht, hier etwas zu relativieren oder positiver dar­zustellen, als es ist. Es war dumm und es war verantwortungslos. (Allgemeiner Beifall.)

Auch wenn Heinz-Christian Strache das ja nicht als Vizekanzler getan hat, sondern als – unter Anführungszeichen – „nur“ Nationalratsabgeordneter und Klubobmann, muss man sagen, wir als Bundesräte und Politiker haben alle eine besonders hohe Verant­wortung und müssen immer mit bestem Beispiel vorangehen. Das ist ganz wichtig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Daher haben auch beide – sowohl Gudenus als auch Strache – sofort die Kon­sequen­zen daraus gezogen, und zwar von sich aus. Noch bevor es öffentlich wurde, bevor es mit dem Bundeskanzler besprochen wurde, haben beide gesagt, sie ziehen die Kon­sequenzen daraus, legen alle Ämter nieder und treten zurück. (Bundesrat Stögmüller: Am Donnerstag war das, nicht am Freitag!)


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Das war nicht immer bei allen Skandalen so. Wenn die SPÖ jetzt so besonders empört tut und den Moralapostel spielt, was alles nicht wie passieren darf, darf ich Sie, wenn es um die Medien geht, schon daran erinnern, dass Sie natürlich nicht darüber geredet haben, wie man sich die Medienlandschaft kauft, Sie haben es einfach gemacht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Samt: So schaut es aus!)

Bundeskanzler Faymann und seine Inseratenaffäre waren Gegenstand eines Unter­suchungsausschusses hier im Parlament. (Bundesrat Weber: Und nichts ist heraus­gekommen!) Sie können sich also nicht herstellen und hier moralisch hochstehende und hochtrabende Worte für Dinge finden, die Sie einfach tun. Strache hat halt blöd darüber geredet, aber er hat die „Kronen Zeitung“ nicht gekauft. Sie haben sich aber die Zeitungen mit Ihren Inseratenkampagnen sehr wohl gekauft. Das ist der Unter­schied zwischen SPÖ und FPÖ. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.)

Dann darf ich Sie in dem Zusammenhang, weil das Frau Kollegin Schumann ja so amüsiert, an noch ein paar Sachen erinnern, was nämlich Ihre Skandale anbelangt. Wer hat in der Bawag-Affäre den Streikfonds der Gewerkschaft in der Höhe von 2,5 Milliarden Euro verzockt? – Die SPÖ! (Bundesrätin Schumann: Das macht das Ibizavideo nicht besser! Sie verharmlosen! Eindeutig! Eindeutig!) Die Inseratenaffäre habe ich angesprochen. Wer hatte die Kommunalkredit unter Claudia Schmied zu verantworten, wo sie von 23 Angeklagten als Einzige freigesprochen worden ist? 9,4 Milliarden Euro Volumen! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, ich verstehe schon, dass Sie das jetzt aufregt, das sind ja Ihre schändlichen Taten. Nicht Ihre schändlichen Worte, Ihre schändlichen Taten sind das! (Beifall bei der FPÖ.)

Es war im Zuge des Rücktritts von Gudenus und Strache – zumindest nach meinem Wissensstand – vereinbart, dass die Regierung weitermachen kann. Ja, die Regierung hat gut gearbeitet. Wir haben wirklich gute Dinge auf Schiene gebracht und sind jetzt leider nicht fertig geworden. (Bundesrat Weber: In die eigene Tasche! – Bundesrat Krusche: Was redest du zusammen? – Bundesrat Steiner: Schwachsinn wie immer!)

Was mit Ihrer vielgerühmten Sozialpartnerschaft passiert ist, haben wir in den letzten zehn Jahren erlebt. (Bundesrätin Schumann: Eine soziale Gesetzgebung!) Da wird diskutiert, bis nichts mehr übrig bleibt. Das waren zehn Jahre Stillstand einer Regie­rung, an der die SPÖ beteiligt war. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Falsche Rede!) In den letzten eineinhalb Jahren ist wesentlich mehr weitergegangen als mit Ihnen in den letzten zehn Jahren, und das wollen wir nicht vergessen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Falsche Rede!)

Es war halt nur dramatisch, dass dann entgegen der Vereinbarung plötzlich der Kopf von Kickl gefordert worden ist. Dann hat Kickl gesagt: Ich klebe nicht am Ministeramt!, dann hat es aber geheißen: Nein, die Freiheitlichen dürfen das Innenministerium nicht haben! (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) – Da haben sich die Wege zu trennen begonnen, weil es für niemanden verständlich war, warum – also wenn man schon Kickl weghaben will.

Interessanterweise hat auch Pilz in der Nationalratssitzung gesagt – was ich wirklich interessant finde; ich habe mir nicht gedacht, dass ich jemals Pilz zitieren werde, aber es war schon interessant –, dass es aus seiner Sicht hundert Gründe gegeben hätte, Kickl zu entfernen – gut, wenn man Pilz kennt, weiß man das –, aber nicht jenen, den die ÖVP uns offeriert hat.

Es war aus unserer Sicht kein Grund vorhanden, denn das Argument, er kann nicht gegen sich selbst ermitteln, ist wirklich hanebüchen. Erstens einmal ermittelt da die Justiz und nicht der Innenminister und zweitens gab es die Affäre Strasser, bei der


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sowohl der Innenminister als auch der Justizminister von der ÖVP waren und es kein Problem damit gegeben hat.

Ich glaube, dass da eine falsche Beratung stattgefunden hat, dass man offensichtlich gedacht hat oder die Berater gesagt haben, das Innenministerium hätte man eh nie der FPÖ geben dürfen, das hätte aus den verschiedensten Gründen in den Händen der ÖVP bleiben sollen. Wie die Medien jetzt schreiben, gibt es durchaus auch Verdachts­momente, dass Spuren in Richtung BVT führen. Dabei finde ich es interessant, dass sich niemand von Ihnen fragt, von wem und warum dieses Video eigentlich in Auftrag gegeben wurde, wer es bezahlt hat. (Bundesrätin Hahn: Hier ist die falsche Adresse! – Bundesrat Steiner: Das hättet ihr gar nicht zusammengebracht, so patschert, wie ihr seid!) – Ja, das betrifft euch genauso. (Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.) Das lässt vermuten, dass gesagt wurde: Wir wollen das Ministerium wieder zurückhaben! – Dann kam es, wie es kommen musste. Es ist dann wirklich schwierig, jemandem das Vertrauen auszusprechen, der einem soeben das Vertrauen entzogen hat. Daher ist diese Abstimmung eben auch so ausgegangen.

Ich möchte aber trotzdem noch kurz zum Thema der Aktuellen Stunde kommen, das ist die Zukunft der EU. Ich möchte hier noch einen Punkt anbringen, der noch nicht angesprochen worden ist, der mir aber wichtig ist. Es gehört in der Europäischen Union auch die Rolle des Europäischen Gerichtshofes untersucht. Der Europäische Gerichts­hof ist durchaus wichtig, ich will ihn als Institution auch gar nicht abgeschafft wissen, nur kann es nicht sein, dass der Europäische Gerichtshof so quasi die fünfte Macht in Europa ist und vorgibt, was die Politik zu tun hat.

Er hat schon einige überschießende Urteile getroffen, unter anderem – nicht bei uns in Österreich, sondern in Deutschland –, dass Flüchtlinge, denen der Asylstatus aber­kannt wurde, trotzdem als Flüchtlinge zu behandeln sind. Auch der Vizepräsident des deutschen Bundesverfassungsgerichtes hat sich schon mehrmals darüber beschwert, dass der EuGH in nationales Recht eingreift, ohne die Rechtstraditionen der jeweiligen Länder zu betrachten.

Die Karfreitagsregelung ist ein typisches Beispiel dafür, wie man wirklich über­regu­lieren kann, denn es hat in Österreich bis auf einen, der halt geklagt hat (Bundesrat Krusche: Die Gewerkschaft!), niemanden gestört, dass die Protestanten einen zusätz­lichen Feiertag hatten, der ja auch eine Kompensation für früheres Unrecht war, das bis ins 18. Jahrhundert zurückgereicht hat. Das hat bis dahin niemanden gestört. Es hat ja auch schon Klagen gegen Kirchenglocken gegeben, weil sie jemandem zu laut waren. Manche Dinge sind ja an Absurdität wirklich nicht mehr zu überbieten. Das ist ein ganz klassisches Beispiel einer Institution, die in das allerkleinste Detail eingreift, und da, glaube ich, ist Handlungsbedarf angesagt.

Auch das Thema Subsidiarität wird uns noch weiter beschäftigen. Es gibt ja eine Deklaration der EU, die sehr wortreich ist, die aber jetzt erst einmal mit Leben erfüllt werden muss. Ich denke, niemand von uns – also nein, die NEOS wollen die Ver­einigten Staaten von Europa schon, wir wollen sie nicht; soweit ich gehört habe, die ÖVP auch nicht unbedingt (Bundesrat Brunner: Nein!), aber das weiß ich jetzt nicht –, jedenfalls die FPÖ will die Vereinigten Staaten von Europa nicht. Im neuen Vertrag, den Kurz noch als Bundeskanzler gefordert hat, ist nicht alles falsch, aber manches sehen wir schon skeptisch.

Ich würde einmal meinen, man sollte die alten, jetzt bestehenden Vertragsregeln ein­mal durchsetzen, zum Beispiel die No-Bailout-Klausel. Es waren ja die Deutschen die Ersten, die das eigene Vertragswerk durchbrochen haben, die Franzosen waren dann die Zweiten. Mit dieser No-Bailout-Klausel wird eben ausgeschlossen, dass wir für die Schulden anderer Länder haften, was aber dennoch stattfindet. Da, denke ich, muss


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man auch einmal wieder auf den Boden des Vertrags zurückkommen. Da muss ich nicht unbedingt einen neuen Vertrag haben, zumal wir ja die Sorge haben, dass dann das Einstimmigkeitsprinzip fällt. Natürlich tut man sich leichter, wenn man nur eine Mehrheit braucht, ich warne aber davor, denn ich glaube, das Einstimmigkeitsprinzip ist schon ganz wesentlich, damit die Dinge auch in die richtige Richtung gehen.

Wenn die Europäische Union näher beim Bürger sein will – und das muss sie auch –, muss sie sich auch entsprechend verhalten. Ich kann nicht sagen, ich mache in Brüssel irgendwelche Regulierungen, Verordnungen et cetera, die niemand versteht, wie Glühbirnen, Staubsauger, Schnitzel, Bräunungsgrad der Pommes et cetera, und komme damit überhaupt nicht beim Bürger an.

Das ist auch ein Problem bei der Klimapolitik, die ja erwähnt wurde. Klimapolitik ist wichtig, wir erleben derzeit einen massiven Wandel des Klimas. Die EU versucht, sehr drastische Regelungen einzuführen, nur das Klima macht nicht an den Grenzen der Europäischen Union halt. (Bundesrat Stögmüller: Die Redezeit ist schon vorbei!) Das Klima ist global zu sehen, und man muss schon aufpassen, dass man auch im wirtschaftlichen Wettbewerb bestehen kann.

Daher: Energieeffizienz, Umweltschutz et cetera sind gut, aber schon mit dem richtigen Augenmaß. Das Kind mit dem Bade auszuschütten, wird uns da nicht weiterhelfen. (Bundesrat Weber: Also nichts tun! – Bundesrätin Gruber-Pruner: Aber die Kinder selbst!) Wenn wir wollen, dass unsere Bürger auch weiterhin in Wohlstand leben, werden wir wettbewerbsfähig bleiben müssen. Daher ein Nein zu allen über­schießen­den Reformen und Regulierungen. Dann, glaube ich, hat Europa weiterhin eine gute Zukunft. (Beifall bei der FPÖ.)

9.38


Präsident Ingo Appé: Für eine erste Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Europäische Union, Kunst, Kultur und Medien. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit sollte 10 Minuten nicht überschreiten.


9.38.32

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA, betraut mit der Fortführung der Verwaltung im Bundesministerium für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundes­kanzleramt: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte auch ich meine Erschütterung über die Schändung der Fotos von Schoah-Überlebenden zum Ausdruck bringen. Ich bin dafür, dass die Täter ausge­forscht werden, denn gerade nach einem Gedenk- und Erinnerungsjahr, wie wir es im letzten Jahr begangen haben, sollte eigentlich das Bewusstsein in Österreich, die Ver­antwortung, die wir auch für unsere Geschichte haben, entsprechend ausgeprägter sein. Das ist durch diese Tat leider nicht bestätigt, deswegen heißt es weiterhin: Niemals wieder!, und bewusst darauf einzugehen, was damals passiert ist, es in das Bewusstsein zu rufen, damit so etwas nicht mehr geschieht. (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte aber nunmehr auf das Thema der Aktuellen Stunde eingehen: „Ordnung, gute Lebensperspektive und Hausverstand: ein neuer Vertrag für die Zukunft Europas“. Nun, dieses Thema ist in den letzten Redebeiträgen vielleicht ein wenig zu kurz gekommen, aufgrund der innenpolitisch turbulenten Zeiten ein wenig untergegangen, ich möchte aber doch darauf zurückkommen, denn es stehen in Europa gewichtige Entscheidungen an.

Generell ist ja dieses halbe Jahr für Europa, für die Europapolitik ein sehr, sehr wich­tiges. Wir begehen 30 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs, 25 Jahre Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und 15 Jahre Osterweiterung. Es hat auch die Wahlen zum Europäischen Parlament gegeben, wir alle wissen, wie sie


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ausgegangen sind. Auf europäischer Ebene stehen daher Entscheidungen an, die un­mittelbare Auswirkungen auf das gesamte Gefüge und auch auf die Ausrichtung inner­halb Europas haben werden. Ich möchte mich ein wenig auf die wesentlichen Ent­scheidungen fokussieren, die dann die Übergangsregierung zu treffen haben wird, zumindest zu großen Teilen.

Wenn ich mir die inhaltlichen Themen ansehe, dann gibt es zum Beispiel den Be­schluss der sogenannten Strategischen Agenda – das ist jene Schwerpunktsetzung, die auf europäischer Ebene seitens des Rates für die nächsten fünf Jahre getroffen wird. Es ist ein Rat, an dem der ursprünglich gewählte Bundeskanzler aufgrund des Misstrauensantrages natürlich nicht mehr wird teilnehmen können. Der Entwurf wird im Juni präsentiert. Österreich hat sich bisher stark für das Prinzip der Subsidiarität und Entbürokratisierung eingesetzt. Ich gehe davon aus, dass sich die Personen, die in den nächsten Monaten diese Übergangsregierung leiten werden, auch entsprechend an diesem Rahmen orientieren.

Es gibt den mehrjährigen Finanzrahmen, das europäische Budget, über das auch hier schon viel gesprochen worden ist. Diesbezüglich hat sich Österreich – ich gemeinsam mit dem Bundeskanzler und dem Finanzminister – immer dafür eingesetzt, dass wir zwar weiterhin 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens als Beitrag zahlen, aber eben nicht wesentlich mehr. Diese Verhandlungen gehen jetzt in eine entscheidende Phase, Rumänien legt im Juni im Rahmen seiner Ratspräsidentschaft die nächste Verhand­lungsbox vor, und dies wird dann mit Zahlen gefüllt. Da stehen gewichtige Ent­schei­dungen an, die Österreich auch viel Geld kosten können, wenn man falsch abbiegt.

Die Erweiterung ist eine Kernkompetenz der österreichischen Außenpolitik. Es hat viele Fortschritte am Westbalkan gegeben. Wir haben immer gesagt, dass Europa nur dann komplett sein wird, wenn irgendwann einmal alle Staaten am Westbalkan Teil der Europäischen Union sein können, sofern sie die Kriterien erfüllen – vollkommen klar. Ich glaube, dass es in einer Zeit, in der sich ein Land, nämlich Großbritannien, entschieden hat, diese gemeinsame Union zu verlassen, umso wichtiger ist, dass wir als Europa ein Signal setzen, das die Attraktivität dieses Projekts auch weiterhin unter Beweis stellt.

Die Transformationskraft, die der Weg nach Europa am Westbalkan entfalten kann, sieht man sehr schön am Beispiel des Namensstreits zwischen Nordmazedonien und Griechenland. Dieser hat Jahrzehnte geschwelt, das ganze Land war blockiert, die Region konnte sich nicht weiterentwickeln, aber mit der Perspektive, dass mit einer Lösung dieses Streits der Weg nach Europa ein Stück weit frei wird, hat es dieses Land geschafft, seinen eigenen Namen zu ändern. Ich finde das sehr, sehr respektabel und wirklich beeindruckend, denn wenn in Österreich Bezirke zusammengelegt werden oder Bezirksnamen geändert werden, dann ist das oft die große Katastrophe. Dieses Land hat seinen Namen geändert, damit der Weg nach Europa frei gemacht wird.

Daran sieht man, was für eine Transformationskraft dieses europäische Projekt ent­wickeln kann, und wir müssen da auch die Hand ausstrecken. Da ist es wesentlich, dass bei den nächsten Beschlüssen im Juni im Allgemeinen Rat, sofern die Kom­mission im Fortschrittsbericht auch Empfehlungen für die Aufnahme von Beitritts­verhandlungen einiger Länder ausspricht, dem auch nachgekommen wird. Diesbe­züglich war Österreich immer eine starke Stimme, auch gegen viele Widerstände, ich nenne beispielsweise Frankreich oder die Niederlande. Es war vor einem Jahr ein harter Kampf, dass die Perspektive in den Schlussfolgerungen weiter erhalten bleibt, es gab stundenlange Unterbrechungen der Ratssitzungen. Da muss man mit viel Emotion und viel Überzeugung vorgehen, und ich hoffe, dass die Übergangsregierung dem auch so nachkommen wird.


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Es gibt ein weiteres Thema, nämlich die Verkleinerung der Kommission. Es geht ja auch viel ums Sparen und auch um die symbolische Wirkung: Wenn man die Kom­mis­sion verkleinert, spart man – seitens der Politik – bei sich selbst. Auch diesbezüglich sind die notwendigen Beschlüsse in der Ratssitzung im Juni zu fassen, auch das ist eine gewichtige Weichenstellung für die Zukunft.

Ich komme zum Personalpaket: Nach einer Wahl zum Europäischen Parlament dreht sich das Personalkarussell in Brüssel mit hoher Geschwindigkeit. Es gilt, den Prä­sidenten der Europäischen Kommission, das Kollegium der Kommission, den Präsi­denten des Europäischen Rates, den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Präsidenten der Eurogruppe, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank und den Präsidenten des Europäischen Parlaments zu wählen. Das sind gewichtige Weichenstellungen, die in den nächsten Monaten anstehen, und das ist auch viel an Verantwortung für die kommende Übergangsregierung. Ich wünsche ihr dafür alles Gute!

Ich darf vielleicht noch sagen, wie der Fahrplan ist: Der Europäische Rat wird wahr­scheinlich im Juni einen Vorschlag für einen Kandidaten für den Kommissions­präsi­denten auf den Tisch legen, vielleicht auch gleich für einige andere Personalent­schei­dungen. Im Juliplenum wird es dann eine Abstimmung über diesen Vorschlag für den Kommissionspräsidenten geben und wahrscheinlich Ende August eine Sondersitzung des Europäischen Rates, bei dem das gesamte Paket letztlich auch beschlossen wird. Das wäre der Fahrplan, so wie er jetzt auf dem Tisch liegt.

Ich darf an alle Fraktionen im Hohen Haus, im Bundesrat und im Nationalrat, appel­lieren, generell die Übergangsregierung – wie auch immer sie aussehen wird – mit voller Kraft zu unterstützen, denn diese Entscheidungen haben nicht nur Auswirkungen auf europäischer Ebene, sondern auch auf unser Österreich. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

9.46


Präsident Ingo Appé: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer und Teil­nehmerinnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf. Ich würde auch bitten, nachdem die ersten drei Redner und Rednerinnen ihre Botschaft zur aktuellen bundespolitischen Situation abgegeben haben, dass sich die nachfolgenden Redner in ihren Beiträgen vielleicht auf das Thema der Aktuellen Stunde konzentrieren.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich erteile ihm dieses.


9.46.46

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher vor den Geräten und hier im Saal! Natürlich muss ich auch auf die aktuelle Situation in Österreich eingehen, es ist ja jetzt nicht mehr ganz so einfach, nach allem, was wir heute schon gehört haben.

Es verwundert mich schon manches, vor allem die Art und Weise, wie es sich so schnell dreht. Die Vertreterin der SPÖ ist zufrieden mit dem Familienbonus, aber dafür gestimmt habt ihr nicht! (Bundesrat Weber: Du hast nicht zugehört! – Bundesrat Beer: Wenn du nicht reden kannst, dann hör wenigstens zu!) Sie geißelt die Sozialpolitik Europas, aber wir haben in Österreich die beste, die es gibt. Wenn man von Korruption redet und aus einer Partei kommt, in der es Elsner, Flöttl und solche Dinge gegeben hat, und in der es auch Bundesrätinnen gegeben hat, die angeklagt wurden, die, es ist noch gar nicht so lange her, da gesessen sind – Winkler und Kurz, gell? –, dann würde


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ich das Wort Korruption nicht so oft in den Mund nehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Grimling: Das ist ja eine Frechheit!)

Wie macht man gute Europapolitik? – Gute Europapolitik macht man mit guten Man­dataren, und dafür hat Österreich am vergangenen Sonntag einmal die Basis gelegt. Wir haben die Mitte gestärkt und nicht die Ränder der Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Gute Europapolitik macht man mit guten Staatschefs, und dafür hat das Parlament nicht die Basis gelegt, denn die nächsten fünf Monate werden sehr, sehr wichtig sein und wir haben den herausragenden Staatschef der letzten Jahre leider nicht mehr. Wenn wir uns die Politik der Europäischen Union in den letzten Jahren anschauen, vor allem in Bezug auf die Migrationskrise, dann war es Sebastian Kurz, der vorgegeben hat, wie es laufen muss. Denken wir an die Balkanroute, die er letzten Endes geschlos­sen hat, als die EU-Kommission monatelang in Schockstarre war! (Bundesrat Weber: Er hat zumindest sein Gartenhaus geschlossen, sonst gar nichts!) Als er die Aussagen über das Arbeiten der NGOs auf der Mittelmeerroute getätigt hat, ist ganz Europa über ihn hergefallen, aber letzten Endes wurden die Dinge genau so gelöst; und mit dem Afrikakongress hat er eingeleitet, wie die Probleme mit der Migration zu lösen sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Er hat den Fokus der Politik für die nächste Zeit gelegt – wir haben schon einiges gehört –: auf Verkleinerung der Kommission, auf eine Reduzierung der Standorte, auf ein gutes und reduziertes Budget, auf Abschaffung des Regelungswahnsinns, auf einen sicheren und funktionierenden Außengrenzschutz und darauf, dass die Flücht­linge in Zukunft in Afrika gehalten werden. (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Hahn: „Gehalten“! Wie die Tiere!) Die großen Dinge muss die EU lösen, und die kleinen Dinge können wir hier vor Ort lösen.

Diese Stimme fehlt jetzt. Das schwächt Österreich und das schwächt die EU. Und warum? – Wahlverlierer stürzen den größten Politiker der größten Partei Österreichs. Siebenmal hat Kanzler Kurz Kickl das Leben gerettet. (Bundesrätin Mühlwerth: Gut, die Misstrauensanträge sind nichts Ungewöhnliches!) Sieben Misstrauensanträge hat die SPÖ gegen Kickl eingebracht, siebenmal hat Kanzler Kurz ihn gerettet, und bei der ersten Möglichkeit, die sich für Kickl ergeben hat, hat er zugegriffen und ihm das Vertrauen entzogen. (Bundesrat Samt: Das hätte er sich überlegen sollen, der Herr Kurz!)

Das ist, denke ich, für die nächsten fünf Monate nicht gut. Wie gesagt, wir brauchen gerade in diesen Monaten eine starke Regierung, die unsere starken Forderungen in der EU anspricht, die die Kraft hat, umzusetzen, und dafür sorgt nur Sebastian Kurz, denn die SPÖ fällt immer nur über Österreich aus dem Ausland her (Bundesrat Schennach: Hallo!), und die FPÖ will halt keiner hören. Deshalb wird es gut sein, dass Kanzler Kurz so bald wie möglich wieder zurück ist, damit wir wieder eine starke Stimme in dieser EU haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

9.50


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.


9.51.02

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen und Kolleginnen, Zuseher und Zuseherinnen! Es ist ein seltsamer Titel für diese Aktuelle Stunde. Als ich ihn gelesen habe, habe ich zuerst an einen Scherz geglaubt. Ich nehme ihn auch gerne an, möchte aber zuerst einmal zu Kollegen Buchmann und auch zu meinem Vorredner sagen: Wir sind schon ein


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Parlament und nicht ein esoterischer Zirkel, der hier irgendwie der Lichtgestalt frönt – das ist sehr seltsam. (Zwischenruf des Bundesrates Köck.)

Zweitens, Kollege Buchmann, was eine Rendi-Wagner/Kickl-Koalition betrifft: Sie wissen, dass das eine Lachnummer ist und dass das nicht stattfindet. In Wirklichkeit macht ihr ja nach wie vor gemeinsame Sache, auch bei unserem Versuch, einen sehr wichtigen Tagesordnungspunkt hier zurückzusetzen und nicht zu präjudizieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Drittens: Ich weiß, dass mein Vorredner ein bisschen etwas mit Landwirtschaft zu tun hat, aber Menschen und Flüchtlinge werden nicht „gehalten“! Das ist ein unentschuld­barer Ausdruck! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Bundesrat Krusche: Wieso heißt es dann Anhaltezentrum Vordernberg?)

Kommen wir aber zur EU und zu Europa, zum Thema der Aktuellen Stunde: Wir haben das jetzt alles gehört, wie wichtig und wie interessant die nächsten Entscheidungen sind, die auf der Ebene der Europäischen Union getroffen werden. Umso mehr müssen ein selbstbewusstes Parlament, ein Nationalrat und ein Bundesrat, die Interims­regierung und die Übergangsregierung darauf drängen, die Entscheidungen vorher mit dem Parlament zu besprechen.

Hartwig Löger hat gestern in den Interviews gesagt: wir und uns. – Wer ist wir und wer ist uns? Wie hat er diese Position erarbeitet? Hat er das noch telefonisch kurz mit Sebastian Kurz abgesprochen? Dann verstehe ich das Uns, dann verstehe ich auch das Wir. Wenn Frau Merkel aber zu einer Ratssitzung fährt, dann geht sie vorher noch in den Bundestag und stellt sich den Abgeordneten. In der Situation einer Über­gangsregierung und einer Interimsregierung ist es umso notwendiger, diesen Rückhalt im Nationalrat und im Bundesrat zu suchen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bun­desrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Eder-Gitschthaler und Köck.) – Ich glaube, Demokratie und Parlamentarismus sind keine falschen Sachen, sondern sie sind genau das, was wir jetzt in dieser Situation brauchen!

Kollege Buchmann, Sie haben ja wieder auf diese tausend unnötigen Regelungen hingewiesen, und Sie waren ja Wirtschaftslandesrat. Was steht denn hinter der Pom­mesverordnung? Dass wir jetzt 27 Typisierungen für Fritteusen in jedem Mitgliedsland durchführen? – Sie wissen ganz genau, dass es nicht darum geht, sondern um die Typisierung von Maschinen. Es ist mehr Bürokratie, wenn ich das in jedem einzelnen Mitgliedsland mache. Deshalb steht genau das auf jeder einzelnen Fritteuse drauf. Das ist auch eine effiziente Vorgangsweise – von den gesundheitlichen Fragen, dass es eine bestimmte Temperatur braucht, um die Gefahr von Krebs zu verhindern, einmal ganz abgesehen.

Monika Mühlwerth, der 70. Geburtstag des Europarates und deine Rede zur Relativie­rung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind aber zwei Paar Schuhe, der Europäische Menschenrechtsgerichtshof und der Europäische Gerichtshof!) – ja, du hast den Europäischen Menschrechtsgerichtshof ständig mit dem EuGH vermischt und so weiter, das lassen wir jetzt weg –: Es ist noch nicht sehr lange her, dass Papst Franziskus den Europäischen Menschen­rechts­gerichtshof als das Gewissen Europas bezeichnet hat, und ein Gewissen funktioniert und muss sich nicht nach irgendwelchen nationalen Eigenheiten richten. Ich glaube, der Europäische Menschenrechtsgerichtshof ist einmalig in der Welt und sollte auch so weitergeführt werden. (Bundesrat Krusche: Na und? Sind wir jetzt papsthörig? – Bundesrätin Mühlwerth: Es geht nicht um den Menschenrechtsgerichtshof!)

Interessant in der Rede des Herrn Ministers war noch, dass er Nordmazedonien und die Anstrengungen dort gewürdigt hat. Ich bedanke mich namens der Regierung von


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Nordmazedonien dafür, weil das, wie Sie wissen, eine sozialdemokratische ist. (Bun­desrätin Mühlwerth: Bist du Regierungssprecher?) Außenminister Kurz hat noch Wahlkampf in Mazedonien für die andere Seite gemacht, die genau das zu verhindern versucht hat, was der Herr Minister jetzt gelobt hat. Das ist auch ein bisschen ein Armutszeugnis gewesen.

Gute Lebensperspektiven in Europa heißt: Das soziale Europa muss funktionieren, das Bildungseuropa, das Forschungseuropa. Es müssen Jobs geschaffen werden, es muss Mobilität, Frauengleichberechtigung geben, fernab von Krieg, und nicht zuletzt muss es ein Europa sein, in dem die Jugend ihre Perspektiven und Entfaltungsmöglichkeiten hat. Das ist die Lebensperspektive, an der wir arbeiten müssen. Was der Begriff „Ord­nung“ und die „Hausverstand“-Werbung einer Supermarktkette dabei sollen, verstehe ich nicht, aber was eine gute Lebensperspektive in Europa ist, verstehen wir alle. (Beifall bei der SPÖ.)

9.57


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Gottfried Sperl. Ich erteile ihm dieses.


9.57.13

Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren Zuhörer und Zuseher! Es ist ein eigenartiger Titel: „Ordnung“, Lebensqualität und „Hausverstand: ein neuer Vertrag für die Zukunft Europas“. Ich frage mich: Wo waren Ordnung und Hausverstand im Jahr 2015, als Unmengen an Flüchtlingen unkontrolliert unsere Grenzen passierten und entgegen dem Abkommen von Schengen nicht kontrolliert wurden? Wo waren hier die Ordnung und die Lebens­qualität für unsere Bevölkerung?

Gekommen sind die angeblichen Flüchtlinge, die armen Flüchtlinge. Ich erinnere mich auch selbst, ich war da ja auch als Berufsoffizier involviert: Da kommt ein Soldat zu mir und sagt, ein Flüchtling sei zu ihm gekommen und habe ihn an der Grenze gefragt, ob er ihm 500 Euro wechseln könne – ein Soldat, der ein Monatssalär von ungefähr 300 Euro hat, heute sind es 321,22 Euro. Wo war da die Ordnung?

Diese Ordnung gilt es wiederherzustellen. Gott sei Dank, der Druck von unserer Seite, vonseiten der Bevölkerung ist enorm geworden, sodass man begonnen hat, diese Ordnung wiederherzustellen, und langsam passiert das auch. Wenn damit gemeint ist, man lernt daraus, man zieht die Lehren, man muss jetzt in Zukunft wieder den Hausverstand einschalten, dann finde ich das okay, dann ist das in Ordnung. (Beifall bei der FPÖ.)

Nicht in Ordnung finde ich aber, wenn jetzt nach wie vor Zuwanderer und anerkannte Asylwerber mehr erhalten als die eigene Bevölkerung. Eine der ersten Reaktionen war, dass die Verordnung über die Entschädigung für Arbeiten von anerkannten Asyl­werbern von 1,50 Euro wieder zurückgenommen wurde. (Bundesrat Schennach: Zu Recht!) – Das ist den Flüchtlingen nicht zumutbar, aber den Soldaten und Zivildienern ist das schon zumutbar! Die erhalten 321 Euro und 22 Cent im Monat, denen ist das zumutbar! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die setzen sich für uns ein, die setzen sich für die Bevölkerung ein und die machen das. Das ist es. (Bundesrat Stögmüller:  ... abgewählt!) Das ist Lebensqualität, das sind unsere, die arbeiten für uns. (Zwischenruf des Bundesrates Weber.) Daher kann es, wenn wir über die Zukunft in Europa reden, nur heißen: mehr Eigenständigkeit,


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mehr Rechte für den Staat, weil wir uns für unsere Leute besser einsetzen können als die EU. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.00


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr.in Ewa Dziedzic. Ich erteile ihr dieses.


10.00.46

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ja, ein schönes Chaos haben wir da und mittlerweile auch die eine oder andere Wahlkampfrede, obwohl es in der Aktuellen Stunde um etwas tatsächlich sehr Wichtiges geht, nämlich um die Zukunft, um einen Vertrag, um Kompromisse, um Europa, aber natürlich auch – gerade in diesen chaotischen Tagen und Wochen – um Ordnung.

Schon bei der Europawahl ging es aber nicht so sehr um Europa, sondern vor allem um die Vorzugsstimmen: Türkis gegen Schwarz, haben wir gelesen. Rund um die Europawahl ging es auch nicht um Europa, sondern um Ibiza, und wir wissen alle – ich gehe nicht näher darauf ein –, das war nur die Spitze des Eisbergs. (Bundesrat Steiner: Ibiza gehört auch zu Europa!) Wenn Sie heute von Stabilität und Hand­lungsfähigkeit reden, dann muss man natürlich schon auch die EU-Ratspräsidentschaft noch einmal bemühen, bei der es damals die Möglichkeit gegeben hätte, genau hier Maßnahmen zu setzen und sich als Österreich darum zu bemühen, die Zukunft Europas abzusichern.

Es herrscht im Moment jedenfalls irrsinnig viel Unklarheit, und es ist wahrlich nicht einfach, über die Zukunft zu reden, wenn wir es in der Gegenwart mit so einem Chaos zu tun haben. Nicht einmal die Delegationsleitung der ÖVP ist fix. Die groß ange­kündigte rechte Allianz zwischen Orbán, Salvini, Kaczyński und Strache hängt ja mitt­lerweile in der Luft. Orbán selbst hat auch gesagt, das Modell Österreich ist jetzt kein Vorbild mehr. Jedenfalls wird es – auch mit dem Brexit – sehr spannend in Europa.

Wir sollten aber nicht nur über die Regierungskrisen, über die Krise der Demokratie reden; worüber wir wirklich auch reden sollten, ist die Klimakrise, denn diese wird ganz konkrete Auswirkungen haben, nicht nur global, nicht nur europäisch, sondern auch in Österreich. Unter anderem werden wir das durch diverseste Wetterkrisen spätestens im Sommer zu spüren bekommen. Da liegen die Lösungen auf dem Tisch, nur beschäftigt sich eben niemand damit beziehungsweise setzt man eher Scheuklappen auf und betreibt eine Politik des Populismus anstatt der Lösungen.

Wenn wir jetzt aber über Zukunft und Lebensperspektiven in Europa reden, dann müs­sen wir uns schon mit Phänomenen beschäftigen, die tatsächlich zum Teil haus­gemacht sind, aber aus meiner Sicht als die größten Herausforderungen zu sehen wären. Es gibt immer mehr Reichtum – auch das haben wir heute schon kurz gehört –, mehr Wohlstand, aber dieser Wohlstand ist in Europa immer weniger Menschen vorbehalten. Wir sehen nicht nur eine eklatante Vermögens-, Chancen- und Einkom­mensschere, die immer weiter auseinanderdriftet, sondern wir sehen auch, wie sich das auf die Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen in der Demokratie auswirkt und wie es natürlich auch den erwähnten Populisten in die Hände spielt.

Das ist eine große Gefahr, da das Versprechen Europas auf ein besseres Leben für möglichst viele so einfach nicht mehr haltbar ist. Das heißt, wirtschaftlich geht es uns immer besser, gleichzeitig steht aber alles auf der Kippe: nicht nur das gute Leben für alle, nicht nur die liberalen Werte, nicht nur eine friedliche Zukunft, sondern eben, wie


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schon erwähnt, die Demokratie und die sozialen Grundlagen, die notwendig sind, um diesen Wohlstand überhaupt erhalten zu können.

Da wir heute über die Zukunft reden, muss ich auch festhalten, dass zum einen genau diese Zukunft in Gefahr ist, wir zum anderen aber wissen, dass in der heutigen globalisierten Welt kein Land – nicht nur Österreich, sondern kein Land – groß genug ist, um diese Probleme alleine zu bewältigen. Wir wissen auch, gerade in Europa, dass wir nur durch eine bessere Zusammenarbeit die Armut verringern, Arbeitsplätze schaf­fen, die Klimakrise bewältigen, unsere Natur erhalten, Diskriminierung bekämpfen, aber auch die Freiheit verteidigen können. Das wären die eigentlichen Themen, über die wir heute reden müssten. Wir vonseiten der Politik haben hier – da gebe ich Frau Mühlwerth recht – eine enorme Verantwortung, die aber gerade in dieser Republik leider nicht wahrgenommen wird, und ja, es bleibt irrsinnig viel zu tun.

Meine Redezeit ist bald vorüber, daher möchte ich noch ein paar wichtige Dinge aufzählen, die wir angehen müssen, sobald sich dieses Chaos beruhigt hat: Wir wollen ein Europa, in dem junge Menschen nicht mehr darum kämpfen müssen, menschen­würdige Arbeitsplätze zu finden, Frauen am Arbeitsplatz nicht diskriminiert werden und kleine Unternehmer und Unternehmerinnen nicht unter unlauterem Steuerwettbewerb durch Großunternehmen und Konzerne leiden müssen. Wir wollen ein Europa, in dem Eltern sich keine Sorgen machen müssen, dass ihre Kinder schädlichen Chemikalien ausgesetzt sind, in dem sich Journalisten und Journalistinnen keine Sorgen machen müssen, von mächtigen Interessenvertretern zum Schweigen gebracht zu werden, in dem transidente Personen auf der Straße keine Angst vor Übergriffen haben müssen und in dem ältere Menschen nicht in bitterer Armut um ihre Existenz fürchten müssen und auch verhungern – diese Beispiele kennen wir ja mittlerweile aus Österreich. Wir wollen ein Europa, in dem Menschen nicht im Mittelmeer ertrinken, Tiere nicht mehr von der Industrie missbraucht werden und unsere Natur nicht zerstört wird.

Das ist die Zukunft, darüber müssen wir reden. Ich ersuche diese zweite Kammer gerade jetzt, in der Situation, in der diese Republik ist, in der Situation, in der sich die erste Kammer dieses Parlaments befindet, diese Verantwortung auch wahrzunehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

10.07


Präsident Ingo Appé: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

10.07.31Einlauf und Zuweisungen


Präsident Ingo Appé: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen,

der Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend die No­minierung eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes des Ausschusses der Regionen,

eines Schreibens des Bundeskanzlers

gemäß Art. 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Entlassung des Bundes­ministers für Inneres sowie

gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Amtsenthebung des Vize­kanzlers und von mehreren Mitgliedern der Bundesregierung sowie


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gemäß Art. 74 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 78 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz des Staatssekretärs im Bundesministerium für Finanzen

bei gleichzeitiger Ernennung gemäß Art. 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz des Herrn Vizekanzlers, des Herrn Bundesministers für Inneres, des Herrn Bundesminis­ters für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, des Herrn Bundesminis­ters für Landesverteidigung und der Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie beziehungsweise

gemäß Art. 77 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz Betrauung von Frau Bundesminis­terin Mag.a Dr.in Juliane Bogner-Strauß mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport

durch den Herrn Bundespräsidenten

sowie der Schreiben des Bundeskanzleramtes

gemäß Art. 74 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Amtsenthebung der Bundesregierung sowie

gemäß Art. 74 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Art. 78 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz Amtsenthebung der Staatssekretärin im Bundesminis­te­rium für Inneres beziehungsweise

Betrauung gemäß Art. 71 Bundes-Verfassungsgesetz von Herrn Hartwig Löger bis zur Bildung einer Bundesregierung mit der Fortführung der Verwaltung des Bundes­kanzler­amtes und Vorsitz der einstweiligen Bundesregierung beziehungsweise

weiters Betrauung gemäß Art. 71 Bundes-Verfassungsgesetz von den Mitgliedern der scheidenden Bundesregierung Dr. Heinz Faßmann, Dr. Josef Moser, Dr.in Karin Kneissl, Dr.in Margarete Schramböck, Dr.in Juliane Bogner-Strauß, Elisabeth Köstinger, Dr. Eckart Ratz, Dr. Walter Pöltner, Mag. Johann Luif, Dr.in Valerie Hackl und Hartwig Löger mit der Fortführung der Verwaltung sowie

Betrauung gemäß Art. 71 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Art. 77 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Dr.in Juliane Bogner Strauß und Mag. Gernot Blümel, MBA in dem sich aus den Entschließungen vom 8. Jänner 2019 ergebenden Umfang mit der Fortführung der Verwaltung

durch den Herrn Bundespräsidenten

und der Schreiben des Generalsekretärs des Bundesministeriums für Europa, Inte­gration und Äußeres gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:


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A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen:

(Anlage 1) (siehe auch S. 8)

2. Schreiben des Bundeskanzlers:

Unterrichtung des Herrn Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend die Nominierung von Herrn Landesrat Christian Illedits als Mitglied bzw. die Nominierung von Herrn Landeshauptmann Mag. Hans-Peter Doskozil als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Regionen über Vorschlag des Landes Burgenland (Anlage 2)

und

Schreiben des Herrn Bundeskanzlers gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungs­gesetz betreffend Entlassung des Herrn Bundesministers für Inneres Herbert Kickl sowie

gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Amtsenthebung des Herrn Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der Frau Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumen­ten­schutz Mag.a Beate Hartinger-Klein, des Herrn Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer, des Herrn Bundesministers für Landes­verteidigung Mario Kunasek und

gemäß Artikel 74 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfas­sungsgesetz des Herrn Staatssekretärs im Bundesministerium für Finanzen MMag. DDr. Hubert Fuchs

bei gleichzeitiger Ernennung gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz des Herrn Bundesministers für Finanzen Hartwig Löger zum Vizekanzler, von Herrn Dr. Eckart Ratz zum Bundesminister für Inneres, von Herrn Dr. Walter Pöltner zum Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz und von Herrn Generalleutnant Mag. Johann Luif zum Bundesminister für Landesverteidigung sowie von Frau Dr.in Valerie Hackl zur Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie bzw.

Betrauung gemäß Artikel 77 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz von Frau Bundes­ministerin Mag.a Dr.in Juliane Bogner-Strauß mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport

durch den Herrn Bundespräsidenten (Anlage 3)

sowie

Schreiben des Bundeskanzleramtes gemäß Artikel 74 Absatz 1 Bundes-Verfassungs­gesetz betreffend Amtsenthebung der Bundesregierung sowie

gemäß Artikel 74 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz Amtsenthebung der Staatssekretärin im Bundes­ministerium für Inneres bzw.

Betrauung gemäß Artikel 71 Bundes-Verfassungsgesetz von Herrn Hartwig Löger bis zur Bildung einer Bundesregierung mit der Fortführung der Verwaltung des Bundes­kanzleramtes und Vorsitz der einstweiligen Bundesregierung bzw.

weiters Betrauung gemäß Artikel 71 Bundes-Verfassungsgesetz von den Mitgliedern der scheidenden Bundesregierung, Dr. Heinz Fassmann, Dr. Josef Moser, Dr.in Karin


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Kneissl, Dr.in Margarete Schramböck, Dr.in Juliane Bogner-Strauß, Elisabeth Köstinger, Dr. Eckart Ratz, Dr. Walter Pöltner, Mag. Johann Luif, Dr.in Valerie Hackl und Hartwig Löger mit der Fortführung der Verwaltung sowie

Betrauung gemäß Artikel 71 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz von Dr.in Juliane Bogner-Strauß und Mag. Gernot Blümel, MBA in dem sich aus den Entschließungen vom 8. Jänner 2019 ergebenden Umfang mit der Fortführung der Verwaltung durch den Herrn Bundespräsidenten (Anlage 6)

3. Unterrichtungen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

Schreiben des Generalsekretärs des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres betreffend

Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Regierung der Republik Tunesien über die polizeiliche Zusammenarbeit (Anlage 4)

und

Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (Anlage 5)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates:

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder:

(siehe Tagesordnung) sowie

Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2018, vorgelegt vom Bun­desminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (III-685-BR/2019 d.B.)

und

Jahresbericht 2018 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz (III-687-BR/2019 d. B.)

beide zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus

sowie

Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2018 (III-686-BR/2019 d.B.)

zugewiesen dem Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur

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Präsident Ingo Appé: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die Gegen­stand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Bundesrat David Stögmüller meldet sich zu Wort. – Bitte.

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10.12.19

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Herr Blümel! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir erleben gerade eine innenpolitisch herausfordernde Zeit – um das jetzt einmal halbwegs emotionslos zu benennen –, und genau jetzt, in dieser ange­spannten politischen Situation, müssen wir Bundesrätinnen und Bundesräte sehr wohl auch besonnen mit den Beschlüssen des Nationalrates umgehen und unserer ur­sprünglichen Aufgabe als Ländervertreter, als Bundesländerkammer gewissenhaft nachkommen: nämlich für politische Stabilität zu sorgen.

Jetzt können wir zeigen, warum ein Bundesrat als zweites Gesetzgebungsorgan so wichtig ist, denn gerade die Bundesländer sind ein Garant für eine stabile politische Situation innerhalb Österreichs. Wir haben heute viele Beschlüsse des Nationalrates auf der Tagesordnung, die weitreichende Auswirkungen haben, die politische Führung brauchen, und es werden in den nächsten Monaten auch Entscheidungen gefällt werden müssen, die politisch legitimiert sein müssen. Mit einer Übergangsregierung, wie wir sie jetzt haben werden, sind solche Entscheidungen nicht legitimiert und werden sehr wahrscheinlich ohne politische Konsequenzen bleiben.

Ganz besonders mache ich auch auf die Worte von Bundespräsident Alexander Van der Bellen aufmerksam, der in der Debatte um den Misstrauensantrag gegen die Bun­desregierung gesagt hat, dass er in der aktuellen politischen Situation davon ausgeht, dass auch die Parlamentarierinnen und Parlamentarier – so wie wir es auch im Bundesrat sind – besonders mit ihrer Verantwortung umgehen werden, dieser gerecht werden und nicht etwa Gesetze mit großer Reichweite beschließen werden. (Bundes­rätin Mühlwerth: Es ist ja schon beschlossen!) – Nein, es ist nicht beschlossen! Meine lieben Kollegen von der ÖVP und von der FPÖ, lernen Sie Verfassung! Wir sind die zweite Kammer, die erste Kammer hat es beschlossen, wir als Bundesrat sind die zweite Kammer, und es ist noch lange nichts beschlossen. (Zwischenruf des Bun­desrates Brunner.) Ich glaube, da müssen wir schon ein bisschen aufpassen, denn was der Nationalrat beschließt, müssen wir noch lange nicht beschließen. (Bundesrat Steiner: Es ist ein guter Beschluss!)

Ich finde, es ist ein ganz schlechtes Zeichen, wenn wir heute nach dieser Staats­mana­gementkrise in einer Übergangsregierung derartige Gesetze beschließen. Wir wissen heute noch nicht einmal, wer in Zukunft überhaupt in dieser Übergangsregierung sein wird, wer in dieser Regierung die Entscheidung fällen wird, und es sind erst zwei Tage vergangen, seit der Nationalrat Sebastian Kurz und der jetzigen Bundesregierung das Vertrauen entzogen hat. (Bundesrat Brunner: Was ist da anders?)


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Werte Kolleginnen und Kollegen, von grüner Seite werden wir heute Geschäfts­ord­nungsanträge einbringen, um die weitreichenden und kritischen Gesetzesbeschlüsse zumindest auf die nächste Bundesratssitzung zu verschieben, bis auch eine vom Bun­despräsidenten neu legitimierte Bundesregierung im Amt ist und wir wissen, wer über­haupt Innenminister ist. (Bundesrat Brunner: Das ist auch legitimiert!) – Eine neu legi­timierte Bundesregierung, Herr Kollege; noch einmal: eine neu legitimierte und auch längerfristige! Die derzeitige ist nur, und das wissen Sie, kurzfristig angelobt worden. (Bundesrat Brunner: Du musst Verfassung lernen!)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir werden heute Absetzungsanträge einbringen, Anträge auf Absetzung von der Tagesordnung gemäß § 41 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates.

Das betrifft folgende Anträge:

das Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unter­stützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G),

das Schulunterrichtsgesetz,

das Gesetz zur Einrichtung eines Institutes des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen und zur Eingliederung des Bundesinstitutes für Bildungs­forschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens,

das Gesetz zur Änderung des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes und des Landes­vertragslehrpersonengesetzes 1966,

und abschließend (Bundesrat Steiner: Das sind alles gute Gesetze!) das Wein­ge­setz 2009.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, gerade der Bundesrat müsste jetzt für Stabilität und Klarheit im Land sorgen und wahltaktische Beschlüsse vonseiten des Nationalrates dementsprechend absetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic. – Zwischenruf des Bundesrates Krusche.)

10.16

10.16.40Einwendungen gegen die Tagesordnung gemäß § 39 GO-BR


Präsident Ingo Appé: Sie haben die Einwendungen gegen die Tagesordnung gehört. Es wurde eine Debatte verlangt. Gemäß § 39 Abs. 1 der Geschäftsordnung be­schränke ich die Redezeit eines jeden Redners auf 5 Minuten.

Wir gehen in die Debatte ein. Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Karl Bader. Ich erteile dieses.


10.17.07

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Stögmüller, ich muss das zurückgeben: Lernen Sie, lerne Verfassung! Es gibt eine neue und legitimierte Regierung, eine Über­gangsregierung in diesem Land. (Bundesrat Stögmüller: Das ist die alte!) Wir haben gerade in diesen Tagen gelernt, dass die Verfassung der Republik Österreich ganz sicher für Stabilität in diesem Land sorgt. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Das Zweite: Die heutige Tagesordnung enthält Beschlüsse des Nationalrates, die keinesfalls – und das möchte ich jedenfalls zurückweisen – wahltaktischen Inhalt haben. Es sind Beschlüsse, die der Nationalrat gefasst hat, die auch im Ausschuss


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diskutiert wurden und jetzt einer Entscheidung im Bundesrat zugeführt werden. Ich verstehe schon, dass es vonseiten der Grünen einen Versuch gibt, die geschäfts­ord­nungsmäßigen Möglichkeiten auszuschöpfen, damit keine Beschlüsse zustande ge­bracht werden. Das kann ich durchaus nachvollziehen, aber ich glaube, ein bisschen selbstbewusst sollten wir als Parlament in diesem Zusammenhang schon sein. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wenn Sie den Herrn Bundespräsidenten zitieren, Herr Kollege, dann wissen wir alle auch genau, worum es geht. Es gab in der Vergangenheit Situationen, bei denen zwei Tage vor Nationalratswahlen Gesetze mit unheimlich weitreichenden finanziellen Aus­wirkungen und Belastungen für unser Land beschlossen wurden (Bundesrat Schennach: Ihr wart da nicht dabei?!), und einige Zeit später ist eine neue Regierung in die Ver­antwortung gekommen und musste mit diesen Beschlüssen leben. Diese Gesetzes­beschlüsse waren gemeint. (Bundesrätin Grimling: Kehrt vor der eigenen Tür!) – Da brauchen wir alle nicht vor den anderen Türen zu kehren. Ich meine auch, dass wir hier gemeinsam eine Verantwortung tragen, aber die heutigen Punkte auf der Tages­ordnung haben damit in keiner Weise etwas zu tun.

Die geschäftsmäßigen Einwendungen und die taktischen Spielchen der Grünen kann ich schon nachvollziehen; aber wenn ich jetzt an die letzten Tage zurückdenke und mir überlege, wie im Vorfeld das Zustandekommen der heutigen Bundesratssitzung und der Tagesordnung abgelaufen ist, dann habe ich schon ein bisschen Bedenken, dass hier ein wenig Arbeitsverweigerung vonseiten der Sozialdemokratie an den Tag gelegt wurde. (Ah-Rufe bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns zusammengesetzt, und ich glaube, dass sich die Sozialdemokratie der Tragweite ihrer Entscheidungen vom Montag an­scheinend nicht ganz bewusst war, da es ja auch das Argument gab, dass es heute unter Umständen keinen Minister gibt und es demokratiepolitisch bedenklich sei, diese Sitzung heute abzuhalten. (Bundesrätin Grimling: Ist das eine Wahlrede?) – Die Minister sind alle da und kommen ihrer Verantwortung nach. (Bundesrätin Grimling – auf die leere Regierungsbank weisend –: Wo?) – Wir sind nicht beim Tagesord­nungspunkt, Frau Kollegin.

Das Zweite, das hier noch anzumerken ist: Sie haben gesagt, dass es besser wäre, die Punkte der Tagesordnung der heutigen Sitzung auf die nächste Sitzung zu verschie­ben, da so viel Luft drinnen ist, so viele Emotionen drinnen sind. – Das haben Sie mit dem Misstrauensantrag letzten Montag geschafft!

Das heißt, diese Verweigerung brauchen wir nicht, wir haben hier Beschlüsse (Bun­desrat Koller: Sie mit Ihrem Verhalten haben das geschafft!), die zu fassen sind, die auch einem parlamentarischen Prozess unterzogen wurden, die auch Stellungnahmen der Bundesländer beinhalten. Es sind vier Bundesländerstellungnahmen eingegangen, beispielsweise zu Tagesordnungspunkt 2, wobei keine davon negativ ist. Ich sehe daher keine Veranlassung, dass wir als Länderkammer diese Gesetzesbeschlüsse nicht auf der Tagesordnung belassen und den parlamentarischen Entscheidungs­pro­zess für diese Gesetzesvorlagen heute auch zu einem Abschluss bringen sollten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

10.21


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile dieses.


10.21.36

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Die sozialdemokratische Fraktion wird den Antrag unterstützen, aus ganz sachlichen Gründen. Wir haben, um das nur kurz zu


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korrigieren, zurzeit keine Übergangsregierung, sondern Minister, die vorübergehend mit der Geschäftsführung betraut wurden. Die Übergangsregierung wird erst eingesetzt werden – das, um die Emotionalität etwas aus der Sache herauszunehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Die Beschlüsse, die heute im Bundesrat gefasst werden, haben weitreichende Aus­wirkungen auf die Regierung, die später die Übergangsregierung sein wird. Daher erachten wir es als ein Zeichen der Stabilität, diese Punkte von der heutigen Tages­ordnung zu nehmen. (Bundesrat Steiner: Das heißt, wir arbeiten einfach nicht mehr!) – Nein, das hat mit Nichtarbeiten überhaupt nichts zu tun, sondern ganz einfach mit einem Zeichen der Stabilität. (Bundesrat Steiner: Wir gehen nach Hause, legen uns hin!) Das wollen wir unterstützen, das ist uns wichtig, damit nicht der Eindruck schneller Handlungen entsteht, die die nächste Übergangsregierung ja sehr wohl dann noch mittragen muss. Das wollen wir nicht, wir wollen Stabilität.

Es sei noch einmal ganz eindeutig gesagt: Dieser Regierung wurde das Vertrauen entzogen, und das wohlbegründet. Das war nichts Leichtfertiges, sondern es ergab sich einfach aus dem Umstand, dass mit der Opposition in keiner Weise geredet wurde, nicht der Konsens gesucht wurde. Es wurde von Kurz kein Vertrauen erarbeitet und deshalb sind wir jetzt in dieser Situation. Auch das ist der Grund, warum wir die Absetzung der erwähnten Tagesordnungspunkte für diese Sitzung des Bundesrates unterstützen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

10.23


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile dieses.


10.23.46

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehgeräten! Werte Kolleginnen und Kollegen! Also ich glaube, es wäre für den einen oder anderen unserer Bundesräte dringend nötig, einmal einen Kurs darüber zu machen, wie unsere Verfassung funktioniert. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Vielleicht kann das die Bundesratsdirektion einmal anbieten. (Bundesrat Stögmüller: Das sagt die Frau, die den EuGH bezweifelt!)

Ich meine, es fängt schon damit an, dass Kollege Stögmüller einen Antrag auf Ab­set­zung von Gesetzesbeschlüssen mit großer Reichweite von der Tagesordnung ein­bringt, und da stolpere ich schon einmal über die Formulierung. (Bundesrat Stögmüller: Ich muss keinen Antrag einbringen, der kann mündlich eingebracht werden!)  Es geht jetzt um die Formulierung, es geht um die Formulierung (Bundesrat Stögmüller: Es geht um die Sache!), Herr Kollege: unter anderem die Tagesordnungspunkte 2, 4, 6, 7 und 9. – Was heißt das jetzt: unter anderem? Was soll das jetzt sein? Also welche wollen Sie konkret? Alle oder 2, 4, 6, 7 und 9? Dann schreiben Sie es auch so! – Das war die erste Nachhilfestunde.

Zweite Nachhilfestunde: Herr Kollege Stögmüller, ich habe Ihnen ja schon einmal (Bun­desrat Stögmüller: Wir können auch alle absetzen, ich brauche keinen von ihnen!) gesagt, wie ich Ihr Verhalten sehe. Dafür habe ich mir damals einen Ordnungsruf abgeholt. Man kann Minister Blümel mögen oder auch nicht; aber Gott sei Dank gab es in der Vergangenheit in dieser Republik äußerst gescheite Menschen, wie zum Beispiel Herrn Kelsen, bei dem wir uns tausendmal bedanken können, dass er eine so gute, tragfähige und schöne Verfassung gemacht hat. Gemäß dieser Verfassung gibt es immer eine Regierung. Auch wenn sie hundertmal nur eine Übergangsregierung ist, es gibt sie, und daher ist auch Herr Blümel, wie Sie ihn so salopp nennen, Minister


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Blümel; und ich glaube, so viel Zeit hätten Sie gehabt, Minister Blümel zu sagen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Stögmüller: Für mich nicht mehr!)

Es wundert mich ja gar nicht, dass die SPÖ diese Anträge unterstützt. Wir hatten ja vorgestern am Nachmittag eine zweite Präsidiale, in der Frau Kollegin Schumann von der SPÖ diese Bundesratssitzung unbedingt auf die nächste regulär stattfindende Sitzung im Juni verschieben wollte. Das ist ihr nicht gelungen, weil wir gesagt haben, dass diese Sitzung ruhig stattfinden kann. (Bundesrätin Schumann: Zuerst wäre die FPÖ mitgegangen, das ist vorbei!)

Ja, es gebe so viele Unwägbarkeiten. – Da sind wir wieder beim Nachhilfeunterricht in Sachen Verfassung: Es gibt keine Unwägbarkeiten, denn es gibt eine Regierung (Bun­desrätin Schumann: Das gute Einvernehmen von FPÖ und ÖVP sieht man schon!), auch wenn sie nur kurz im Amt ist, und das sollten Sie vielleicht jetzt einmal verin­nerlichen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dann finde ich noch eines interessant: Wir wissen ja, dass Sie das Grund­versorgungs­gesetz aus ideologischen Gründen ablehnen; da verstehe ich ja noch, dass man sagt, man versucht jetzt halt auf diesem Wege, das wegzubringen. Sie wollen das Schulunterrichtsgesetz wegbringen. – Na gut, da hat es ja im Vorfeld schon viele Diskussionen gegeben. Das Schulunterrichtsgesetz betrifft nämlich das Kopftuch­ver­bot, nur zur Information für alle, damit sie auch wissen, wovon wir hier reden. Ich finde es ja immer total interessant, wenn dann die Feministinnen hinausgehen und die Frauenrechte hochleben lassen, aber beim Kopftuchverbot, bei dem es um die Mädchenrechte, um die Einschränkung der Mädchen geht, sind sie dagegen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Warum Sie beim Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz dagegen sind, erschließt sich mir überhaupt nicht, und beim Weingesetz verstehe ich es ganz und gar nicht. Also das Weingesetz mit weitreichenden Folgen da auch noch mit hineinzunehmen – wenn es nicht so ernst wäre, würde ich jetzt lachen. (Heiterkeit der Bundesräte Bader und Seeber.)

Ich kann Ihnen nur eines sagen: Diese Gesetze sind gute Gesetze, die auch aus gutem Grund im Nationalrat mehrheitlich so beschlossen wurden, und daran wird sich heute nichts ändern. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.28


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile dieses. (Bundesrat Weber: Gut zuhören, Frau Mühlwerth!)


10.28.43

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Ich darf noch einmal festhalten, dass wir dieses Vorhaben unterstützen, und möchte auch festhalten, dass, Kollegin Mühlwerth, die Inhalte der Präsidiale nicht der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen sind. Wir stehen dazu, wir halten es wirklich für wesentlich, dass man die Tagesordnungspunkte auf die nächste Bundesratssitzung verschiebt, um der neuen Übergangsregierung die Stabilität zu geben, die sie braucht; aber die Inhalte der Präsidiale sind nicht in der Rede auszuführen. Das ist festzuhalten, und wenn Sie sich so sehr darauf berufen, dass Sie wissen, wie die Geschäftsordnung funktioniert, dann würde ich Sie bitten, diese auch einzuhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

10.29

10.29.38


Präsident Ingo Appé: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


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Ich trete den Einwendungen gegen die Tagesordnung nicht bei.

Somit kommen wir zur Abstimmung.

Bundesrat David Stögmüller hat gemäß § 41 Abs. 3 der Geschäftsordnung beantragt, den Tagesordnungspunkt 2 von der Tagesordnung abzusetzen.

Wir kommen daher zur Abstimmung. Ich lasse über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller, den Tagesordnungspunkt 2 von der Tagesordnung abzusetzen, abstim­men. Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des Bundesrates David Stögmüller auf Absetzung des Tagesordnungspunktes 2 ihre Zustimmung ertei­len, um ein Handzeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Bundesrat David Stögmüller hat gemäß § 41 Abs. 3 der Geschäftsordnung weiters beantragt, die Tagesordnungspunkte 4, 6, 7 und 9 von der Tagesordnung abzusetzen.

Wir kommen daher zur Abstimmung. Ich lasse über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller, die Tagesordnungspunkte 4, 6, 7 und 9 von der Tagesordnung abzu­setzen, abstimmen. Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgege­benen Stimmen erforderlich.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des Bundesrates David Stögmüller auf Absetzung der Tagesordnungspunkte 4, 6, 7 und 9 ihre Zustim­mung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den erhobenen Einwendungen zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Somit bleibt es bei der schriftlich übermittelten Tagesordnung.

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Der von den Bundesräten David Stögmüller, Mag. Dr. Ewa Dziedzic gestellte Ent­schließungs­antrag betreffend „Reform der Kontrolle von Parteifinanzen und Wahl­kampfkosten“ trägt nur zwei Unterschriften und ist somit nicht genügend unterstützt.

Ich stelle daher die Unterstützungsfrage und bitte jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die diesen Antrag zusätzlich unterstützen wollen, dies also nicht bereits durch ihre Unterschrift zum Ausdruck gebracht haben, um ein Handzeichen. – Die Unterstüt­zung ist nicht ausreichend.

10.32.561. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz geändert wird (592 d.B. und 597 d.B. sowie 10174/BR d.B. und 10184/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen nun zu deren 1. Punkt.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um den Bericht. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)


10.33.20

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019


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betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz geändert wird, zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Mai 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile es ihr.


10.34.24

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernseh­geräten! Das Gemeinsame vor das Trennende stellen: Was das bedeutet, wissen wir alle. Wir alle kennen diesen Leitsatz, und ich bin auch überzeugt, wir alle haben ihn schon gelebt; sei es in der Familie, im Freundeskreis, im Verein, am Arbeitsplatz. Wenn ich mir als eine der Jüngsten hier, als Vertreterin der jungen Generation, die in den letzten Tagen etwas erleben musste, was unsere Großeltern nicht erleben muss­ten, und die gleichzeitig viele der Beschlüsse, die wir hier im Hohen Haus fassen, noch lange Zeit begleiten wird, etwas wünschen darf, dann, dass uns dieser Leitsatz bei dieser Sitzung und in den kommenden Monaten ganz bewusst auch wieder bei unserer politischen Tätigkeit begleitet.

Wir alle haben es jetzt in der Hand, zu zeigen, dass wir Politikerinnen und Politiker nicht so sind, wie wir es in einem Video, in einem grauslichen Video aus Ibiza, gesehen haben. Und wir alle haben es in der Hand, dass wir unsere Verantwortung wahr­nehmen, nicht aus parteipolitischem Kalkül oder aus Taktik, die wir dann womöglich noch als das moralisch Richtige tarnen, und schon gar nicht getrieben von Rache und Missgunst, sondern mit einem klaren Blick in die Zukunft, und dass wir uns gemeinsam aus voller Überzeugung und im Dienste der Republik den Herausforderungen der Gegenwart stellen, ganz besonders auch hier als Länderkammer im Parlament. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen, darum geht es, wenn Sie so wollen, auch bei den Herausforderungen in der Medienpolitik und bei dem vorliegenden Geset­zesbeschluss. Mit der Novelle des KommAustria-Gesetzes beschließen wir heute die Erhöhung der Förderung für den privaten Rundfunk von 15 auf 20 Millionen Euro jährlich. Wir als Länderkammer ermöglichen, dass speziell auch für regionale Radio- und Fernsehsender ein Mehr an Fördermitteln zur Verfügung steht. Wir fördern ein vielfältiges, ein hochwertiges Programmangebot, mit besonderem Fokus auf öster­reichische Kultur, auf Information und Bildung und – das ist ganz besonders wichtig – zur Förderung der Medienkompetenz.

Da sind wir jetzt auch schon beim Gemeinsamen, denn wir geben damit ein ganz klares Signal für das österreichische duale Rundfunksystem ab, ein echtes Bekenntnis für Medienvielfalt, für Pluralität und für die privaten Radio- und Fernsehanbieter in einer Partnerschaft mit dem Öffentlich-Rechtlichen, denn eines muss uns schon ganz klar sein: Das Spiel hat sich verändert, die Macht hat sich verschoben. Wir erleben heute in der Medienlandschaft nicht mehr ein Match Öffentlich-Rechtlich gegen Privat, sondern


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die wahre Herausforderung ist Facebook, ist Google, ist Amazon. Sie haben unser ganz persönliches Medienverhalten – das von uns allen – auf den Kopf gestellt. Sie halten die gesamte Medienlandschaft in Atem und sie haben auch unser Medien­sys­tem ganz fest im Griff, denn noch nie war der öffentliche digitale Raum in der Hand von so wenigen Konzernen wie heute; und noch nie hat die größte Nachrichtenplattform der Welt, wie Facebook es ist, selbst keine einzige Nachricht produziert. Es sind global agierende Konzerne, die nicht nach bisherigen Regeln funktionieren und die sich auch nicht an die Regeln der Massenmedien halten.

Das stellt uns medienpolitisch vor Herausforderungen, das stellt uns gesellschaftlich vor Herausforderungen und das stellt auch jeden einzelnen privaten Anbieter vor große wirtschaftliche Herausforderungen. Deswegen bedanke ich mich ausdrücklich bei der Bundesregierung und bei unserem Medienminister Gernot Blümel für die Initiative zur Erhöhung der Förderung. Ich bin überzeugt, diese Erhöhung ist treffsicher, sie wird die heimischen privaten Rundfunkanbieter stärken und sie wird Medienvielfalt sichern, ganz besonders auch in Bezug auf die Übermacht der digitalen Plattformen.

Die Novellierung des KommAustria-Gesetzes zeigt aber auch eines: Wir hatten in Österreich in den letzten eineinhalb Jahren eine Regierung mit Sebastian Kurz als Bundeskanzler, der die Zeichen der Zeit erkannt hat, der einen Kurs der Veränderung begonnen hat. Diesen Kurs der Veränderung müssen wir jetzt fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir brauchen weitere Reformen, wir brauchen weitere Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit, auf globale Veränderungen, auf die digitale Revolution (Bundesrat Weber: Haben wir wieder Wahlkampf?), ganz besonders auch in der Medienpolitik, um unser Land, unsere Republik schlicht und ergreifend zukunftsfit zu machen. Ich glaube, die Bedeutung von Medien als unabhängiger Informations- und Nachrichtenquelle, von hochwertig, sorgfältig recherchiertem Nachrichtencontent, von bestens ausgebildeten Journalistinnen und Journalisten, aber vor allem auch von Bürgerinnen und Bürgern, die Medienkompetenz haben, die es verstehen, mit Information, auch mit Falsch­infor­mation umzugehen, mit gezielten Fake News umzugehen, ist hoch. Das ist das, was wir brauchen, und das haben uns allen die Geschehnisse der letzten Woche, wenn ich so sagen darf, im Zeitraffer vor Augen geführt.

Meine Damen und Herren! Ich darf am heutigen Tag, am Tag des Begräbnisses von Niki Lauda, mit einem Zitat von ihm schließen. Er hat gesagt: „Ich werde fürs Fahren und nicht fürs Parken bezahlt.“

In diesem Sinne bitte ich um breite Zustimmung für die Gesetzesänderung, vor allem aber auch um große Unterstützung, dass wir den Kurs der Veränderung fortsetzen können. (Beifall bei der ÖVP.)

10.40


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile es ihr.


10.40.40

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Wertes Mitglied der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Kolle­gin Zeidler-Beck hat ihrer Rede den Ausspruch: Das Gemeinsame vor das Trennende stellen! vorangestellt, ein Grundsatz, dem ich mich auch sehr verpflichtet fühle. Das Gemeinsame bezieht sich selbstverständlich auch auf das Bekenntnis zum Parlamen­tarismus, zum lebendigen Parlamentarismus, wo auch Mehrheiten im parlamen­ta­rischen System akzeptiert werden. Genau das haben wir in den letzten Tagen auch


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erlebt. Es ist lebendiger Parlamentarismus, und dazu bekennen wir uns wohl alle ge­meinsam. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen, gilt auch für den vorliegenden Gesetzentwurf, dem wir auch sehr gerne zustim­men. Es ist im Wesentlichen eine konsequente Fortsetzung einer Maßnahme, die vor zehn Jahren gesetzt wurde, indem 2009 ein Fonds bei der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH zur Förderung des privaten Rundfunks eingeführt wurde. Er war damals mit 15 Millionen Euro dotiert, und das soll eben jetzt auf 20 Millionen Euro aufgestockt werden. Das ist eine notwendige Maßnahme.

Frau Kollegin, Sie haben die Herausforderungen der aktuellen Medienpolitik geschil­dert. Es ist tatsächlich so, dass hier immens große Herausforderungen zu bewältigen sind, aber man kann nur sagen, mit dieser Gesetzesnovelle werden diese wahr­scheinlich nicht alle gelöst werden. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Das ist das Allermindeste, was man tun kann und soll, aber bei Weitem nicht das Aus­reichende. In den letzten zehn Jahren hat sich technologisch in der Medien­land­schaft unglaublich viel getan. Es hat eine tiefgreifende Wandlung gegeben, ja fast eine Revolution, möchte man sagen.

Die Zahl der Anbieter hat sich vervielfacht. Die sozialen Medien, wie Sie auch ge­schildert haben, haben einen ungeahnten Marktanteil erreicht. Sie haben auch wirklich beträchtliche Wettbewerbsvorteile gegenüber konventionellen Medien, steuerliche, aber auch inhaltliche, weil Medienrecht eben nicht gleichermaßen gilt beziehungsweise nicht gleichermaßen anwendbar, exekutierbar und kontrollierbar ist.

Wenn nun im vorgelegten Gesetzentwurf von der Förderung der Medienkompetenz im Wege des Fernsehens die Rede ist, dann muss man sich schon fragen: Warum eigentlich nur im Wege des Fernsehens? Es gibt, wie Sie, Frau Zeidler-Beck, richtiger­weise auch gesagt haben, eine Vielfalt an Medien, die eben auch eine entsprechende Macht entfalten. Warum braucht man da keine Medienkompetenz? Das greift viel zu kurz und geht an der Realität weit vorbei.

Wie gesagt, es ist aber wenigstens in dieser Novelle ein Schritt in die richtige Richtung enthalten, deshalb werden wir da auch zustimmen. Man muss sich aber schon vor Augen führen, dass die Herausforderungen in unserer Zeit viel größer sind. Die Medien sind vierte Macht im Staate, wie es so oft heißt, daher bräuchte es wirklich ein umfassendes Konzept der Medienförderung.

Sie haben uns aufgefordert, da quasi die Reformen weiterzuführen, die notwendig sind. Es wäre noch viel mehr notwendig, als da geschieht. Man muss das aber alles nicht neu erfinden. Es gibt ein fertig ausgearbeitetes Konzept, nämlich von der Vorgän­gerregierung. Der vorherige Medienminister Thomas Drozda hat ein umfassendes Konzept ausgearbeitet, dem aber vom damaligen Koalitionspartner nicht zugestimmt wurde. Man war zwar kurz davor, es konnte aber nicht beschlossen und umgesetzt werden, weil halt damals ein gewisser neuer Parteiobmann Kurz die damalige Regie­rungsarbeit vorzeitig aufgelöst hat.

Da wäre also noch vieles zu tun gewesen, und das wäre schon längst in die Realität umgesetzt worden, um all die genannten Herausforderungen bewältigen zu können. Die Vorgängerregierung wurde aber schon vorzeitig gesprengt, und deshalb haben wir es noch nicht. Das, wie gesagt, ist jetzt ein Tropfen auf den heißen Stein. (Bundesrätin Mühlwerth: Es ist endlich einmal etwas weitergegangen!)

Man muss auch sagen – da hat mich heute Kollege Buchmann durch sein Zitat, das ich dann versuche, zu wiederholen, auch inspiriert –, dass die Vorgängerregierung wirklich unter keinen leichten Rahmenbedingungen gearbeitet hat. Es waren die Folgen der


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wohl tiefgreifendsten Wirtschaftskrise in der Zweiten Republik zu überwinden. Es waren auch eine internationale Friedenskrise und die Folgen dieser Friedenskrise mit den Auswirkungen im Hinblick auf Flüchtlinge und so weiter zu überwinden. All diese Herausforderungen waren zu bewältigen. Da hat heute Kollege Buchmann einen sehr wichtigen Ausspruch getätigt, den ich mir zumindest sinngemäß aufgeschrieben habe: In schlechten Zeiten können es nur die Guten, aber in guten Zeiten kann es ohnehin jeder. – Das ist ein wahres Wort, das hier Herr Kollege Buchmann gelassen aus­gesprochen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt, in Zeiten der Hochkonjunktur mit sinkenden Arbeitslosenzahlen, mit international steigenden Wirtschaftsdaten, ist es relativ leicht, zu regieren. Da hat die Vorgän­ger­regierung durch eine offensive Arbeitsmarktpolitik, durch Qualifizierungsmaßnahmen auch die richtigen Maßnahmen gesetzt, die uns in die Lage versetzt haben, die Men­schen in Beschäftigung zu halten, aber dann bei anspringender Konjunktur auch die Qualifikation zu haben, wieder die entstehenden Arbeitsmöglichkeiten und Aufträge anzu­nehmen. Es ist in schwierigsten Zeiten unglaublich viel geschehen, und in schwie­rigsten Zeiten, wie Kollege Buchmann auch gesagt haben, können es dann halt wirklich nur die Guten. In guten Zeiten ist es relativ einfach, die Ernte einzufahren. Wenn man sich in der aktuellen Politik umsieht, wird man ein sehr konkretes An­schau­ungsbeispiel erkennen können, wie richtig dieser Ausspruch des Kollegen Buchmann heute war.

Zur Medienpolitik, Presseförderung – das Thema, das wir jetzt diskutieren –: Es geht um Medienvielfalt. Die Menschen sollen sich über viele Kanäle informieren und daran anknüpfend auch eine Meinung bilden können. Medienpolitik soll natürlich aber auch Qualität fördern, und zur Qualitätsförderung gehört auch, dass Journalistinnen und Journalisten adäquate und menschenwürdige Arbeitsbedingungen vorfinden. Das haben sie vielfach nicht. Sie arbeiten vielfach unter prekären Beschäftigungs­verhält­nissen als geringfügig Beschäftigte oder auf Werkvertragsbasis, wodurch sie nur für abgedruckte Berichte oder gesendete Beiträge bezahlt bekommen. Auch das schafft Abhängigkeit und müsste auch ein Förderkriterium sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Es sollte aber auch ein Förderkriterium sein, dass in einem gewissen Mindestmaß österreichische Inhalte gesendet werden, um auch österreichische Kulturschaffende zu fördern. Diesbezüglich braucht es ein umfassendes Maßnahmenpaket. Das ist wirklich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin etwas, deshalb werden wir dem auch zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.49


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Michael Schilchegger. Ich erteile es ihm.


10.49.54

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Die freiheitliche Fraktion wird diesem Antrag zustimmen. Die Stärkung privater österreichischer Rundfunkmedien, der Privat­radiosender und der Privatfernsehsender, ATV, Puls 4, Servus-TV, und anderer war uns stets ein Anliegen, war daher auch ein kleiner Bestandteil des schwarz-blauen Regierungsprogramms.

Ebenso Bestandteil dieses Regierungsprogramms war jedoch ein freiheitliches Her­zensanliegen, eine Reform des Österreichischen Rundfunks, des ORF. Dänemark hat es vorgemacht, die Rundfunkgebühren wurden abgeschafft, in einem ersten Schritt wurden Einsparungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk von 20 Prozent durchgesetzt.


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Was hat nun in den letzten eineinhalb Jahren die ressortverantwortliche ÖVP, die so gerne von Reformen spricht, die so gerne freiheitliche Programmatik und die erfolg­reiche freiheitliche Regierungsarbeit als eigenen Reformkurs vermarktet, was haben Sie, Herr Bundesminister Blümel, in Sachen ORF-Reform auf den Weg gebracht? – Nichts! Sie haben verzögert, auf die lange Bank geschoben und nun – wie praktisch – ohne sachliche Notwendigkeit die erfolgreiche Regierungszusammenarbeit mit den Freiheitlichen gesprengt.

Die GIS-Gebühr wurde nicht abgeschafft. An den wirtschaftlichen Missständen im ORF hat sich auch nichts geändert. Ein Beispiel sind die exorbitant hohen Gehälter. Ins­gesamt übersteigen die Gehälter im ORF den Branchendurchschnitt um das Doppelte. Armin Wolf verdient mehr als 100 000 Euro pro Jahr (Bundesrat Weber: Das stört euch!), der Herr Generaldirektor des ORF 400 000 Euro pro Jahr. Was haben Sie, Herr Bundesminister, für die vereinbarte ORF-Reform getan und auf den Weg gebracht? – Nichts! (Bundesrat Weber: Förderung für „Die Aula“!) Was wird künftig ohne freiheitliche Regierungsbeteiligung diesbezüglich getan werden? – Nichts!

Meine Damen und Herren, wer sich mit den bestehenden Missständen im Öster­reichi­schen Rundfunk, im österreichischen Rotfunk, nicht abfindet, wer eine Reform will, der muss bei den Nationalratswahlen im Herbst auch wieder freiheitlich wählen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Weber: Zack, zack, zack! Alle austauschen!)

10.51


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desminister Mag. Gernot Blümel. – Bitte, Herr Bundesminister.


10.52.10

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA, betraut mit der Fortführung der Verwaltung im Bundesministerium für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundes­kanzleramt: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Erhöhung der Mittel des Privatrundfunkfonds ist aus meiner Sicht eine Notwendigkeit. Wenn man sich ansieht, dass zwischen 2013 und 2018 die Zahl der bundesweiten Rundfunkveranstalter um rund 45 Prozent gestiegen ist, die Mittel aus diesem Topf aber gleichgeblieben sind, dann, glaube ich, ist nachvollziehbar, dass man da weitere Schritte setzen muss.

Wie einige Rednerinnen und Redner schon angesprochen haben, sind wir in einer medienpolitisch herausfordernden Zeit, die sich eigentlich in den letzten zehn, 15 Jahren diametral verändert hat. Hätten wir vor 15 Jahren über die Frage öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehsender und deren Förderungen diskutiert, wäre die Diskussion wahrscheinlich ein wenig anders gelaufen. Damals waren die Privaten gerade am aufsteigenden Ast, nachdem sie in den Neunzigerjahren, Anfang der Nuller­jahre eingeführt worden sind; damals war es noch kein Problem, am Medienmarkt Geld zu verdienen und damit auch eine wirtschaftliche Weiterentwicklung sicherzustellen.

Das alles ist heute anders, weil sich in den letzten zehn Jahren globale Internet­giganten entwickelt haben. Der einzige Bereich, in dem es noch mehr Werbegeld gibt, in dem die Wachstumsraten bezüglich Geld vorhanden sind, ist der digitale Bereich, und es gibt kein einziges österreichisches Medium, das derzeit im digitalen Bereich Gewinne macht – kein einziges! Alle Gewinne laufen weg in Richtung Google, Face­book, Amazon et cetera. Das heißt, wenn wir bei den politischen Rahmenbedingungen nichts tun, wäre es ein Faktum, dass die derzeit sehr gute und pluralistische heimische Medienlandschaft, das duale System aus ORF und vor allem den vielen Privaten, mit der Zeit wahrscheinlich einginge, weil es schlicht und ergreifend nicht mehr möglich wäre, sich am freien Markt zu finanzieren.


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Um Pluralismus im privaten Medienbereich weiterhin zu ermöglichen, braucht es deswegen Anschubfinanzierungen, braucht es Fördermöglichkeiten für bestimmte Formate, für bestimmte Richtungen. Deswegen haben wir die Entscheidung getroffen, die Mittel des Fonds entsprechend zu erhöhen.

Ich habe auch breite Zustimmung geortet, bedanke mich dafür und hoffe, dass dieses Gesetz auch endgültig beschlossen wird.

Ich möchte vielleicht nur noch auf den letzten Redebeitrag eingehen, was die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betrifft. Ich habe immer gesagt, dass ich es nicht als die wesentliche Herausforderung betrachte, aus welchem Topf genau das Geld für den Öffentlich-Rechtlichen kommt. Faktum ist, dass er ausreichend finanziert werden muss, denn gäbe es heutzutage, in dieser Zeit der globalen Digitalisierung, wobei Österreich noch dazu die Herausforderung hat, einen zehnmal so großen, gleich­sprachigen Nachbarn, nämlich Deutschland, zu haben, keinen starken öffentlich-recht­lichen Rundfunk in Österreich, müssten wir ihn erfinden. Das ist meine tiefe Über­zeugung.

Wie er das Geld bekommt, ist schon wieder eine andere Frage. Es gibt in Europa verschiedenste Finanzierungsmodelle. Faktum und Notwendigkeit ist, dass er ausreichend und stabil finanziert werden muss, damit er österreichische Identität auch in den nächsten Jahrzehnten besser an die Leute bringen kann und es hier ein aus­reichendes Angebot gibt.

Daher möchte ich den Vorwurf, der hier geäußert worden ist, ein bisschen ins richtige Licht rücken: Es war vielleicht medienpolitisch immer auch das Problem der Frei­heitlichen Partei in den letzten Monaten, dass man immer den Eindruck hatte, es gehe der FPÖ weniger um inhaltliche Reformen als um die Zerstörung des Öffentlich-Rechtlichen, und da mache ich einfach als Medienminister nicht mit.

Durch die Ereignisse in dem Ibizavideo ist der Eindruck jetzt nicht wirklich abge­schwächt worden, dass es da seitens der Freiheitlichen Partei nicht ausschließlich um unabhängige Medien geht. (Bundesrat Weber: Zack, zack, zack! – Bundesrat Rösch: Der ORF!) Aus diesem Grund haben wir inhaltlich sehr gut zusammengearbeitet, auch was die weitere Entwicklung des ORF betreffen würde. Ich hoffe, wir können inhaltlich, egal, mit wem, die Ideen, die da sind, fortsetzen. Momentan ist es der Privatrund­funkfonds, der eine Aufstockung der Mittel erfährt. Das ist ein guter erster Schritt, viele sollten folgen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

10.56

10.56.50


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.57.08 2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen


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(BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylge­setz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (594 d.B. und 621 d.B. sowie 10180/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 2 der Tagesordnung, zu dem ich ganz herzlich Herrn Innenminister Dr. Eckart Ratz bei uns begrüße. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Michael Schilchegger. – Ich bitte um den Bericht.


10.57.43

Berichterstatter MMag. Dr. Michael Schilchegger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Natio­nalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen bereits in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Mai 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Weber. Ich erteile es ihm.


10.58.35

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Vor allem geschätzter Herr Interimsminister! Ich schätze Sie sehr als seriöse, anerkannte Persönlichkeit. Sie haben sich österreichweit und darüber hinaus großes Ansehen erworben, auch schon als Präsident des Obersten Gerichtshofes. Sie sind selber als Innenminister kein Sicherheitsrisiko und unterscheiden sich damit eklatant von Ihrem Vorgänger. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Ich erinnere nur ganz kurz an den BVT-Skandal, bei dem die eine Polizeieinheit eine andere Polizeieinheit illegal gestürmt hat. Sozusagen über Nacht sind sensible Unter­suchungsdaten ausgerechnet über Rechtsextreme bei der Freiheitlichen Partei gelandet. (Bundesrätin Mühlwerth: Das war die Staatsanwaltschaft!) Unser Geheim­dienst stand oder steht am internationalen Abstellgleis. Unsere befreundeten Geheim­dienste misstrauen Österreich. Ich könnte diese traurige Kickl-Bilanz noch lange fort­setzen. (Bundesrat Steiner: Produzier nicht so viel heiße Luft, das wäre besser! – Bun­desrätin Mühlwerth: Denk ans Klima! – Bundesrat Steiner: Genau!) Gott sei Dank ist jetzt eine seriöse, anerkannte Persönlichkeit – wenn auch nur als Interimsminister – da. (Bundesrat Steiner: Nicht so viel heiße Luft! Besser fürs Klima!)

Aber der Reihe nach: Heute und jetzt geht es um das sogenannte BBU-Errichtungs­gesetz. Die Regierung plant die Errichtung einer sogenannten Bundesagentur für Be­treuungs- und Unterstützungsleistungen, kurz eben BBU genannt. In Kraft treten sollen diese neuen Bestimmungen schrittweise, der Vollbetrieb dieser Agentur ist für 2021 in Aussicht gestellt; das kann sich noch verzögern. Es dauert also lange, bis alles ver­wirklicht ist. Wir wissen nicht, wer dann hier in diesem Hohen Hause Verantwortung


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tragen wird. Wir entscheiden also in dieser schwierigen und sensiblen Übergangs­phase über ein ganz wichtiges Thema.

Punkt eins: Derzeit erfolgt die Erstbetreuung von Flüchtlingen in Österreich, die in Österreich einen Asylantrag gestellt haben, durch private Unternehmen. Auch die Rechts- und Rückkehrberatung für Asylwerber ist an externe private Leistungserbringer ausgelagert. (Bundesrat Steiner: Gewinnorientiert!) Beides soll sich nun ändern. Das ist schon ein bisschen merkwürdig, meine Herren und Damen von der Freiheitlichen Partei. Das Wasser wollen Sie laut Ibizavideo verkaufen, wollen Sie privatisieren, aber dieses in privaten Händen befindliche Instrumentarium wollen Sie verstaatlichen. (Bun­desrat Steiner: Richtig!) Normalerweise ist ja euer Lebensmotto: weniger Staat, mehr privat. In diesem Bereich ist es genau umgekehrt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das gilt eh nicht für alles!) Das ist ein bisschen eigenartig und merkwürdig. Da werden Sie mir schon recht geben müssen. (Bundesrat Steiner: Da braucht man Hausverstand! Da braucht man Hausverstand! – Bundesrätin Hahn – in Richtung Bundesrat Steiner –: Das sieht man an Ihnen!)

Punkt zwei, zu den Kosten: Sparen im System haben wir in diesem Hohen Hause schon sehr, sehr oft gehört, aber leider eben nur gehört. Wir wissen mittlerweile, es ist nichts anderes als ein billiger Plakatspruch, eine inhaltsleere Worthülse. Das hat die Kostenexplosion bei der EU-Ratspräsidentschaft gezeigt. Aus 43 Millionen Euro veranschlagten Kosten sind in etwa 100 Millionen Euro geworden, sie wurden also mehr als verdoppelt. Auch bei den Wahlkampfkosten der ÖVP hat es sich gezeigt: 7 Millionen Euro sind die gesetzliche Obergrenze, ausgegeben habt ihr bei der Natio­nalratswahl 2017 13 Millionen. Meine Herren und Damen von der ÖVP, sprecht uns nie mehr wegen klugen Wirtschaftens an, sprecht uns nie mehr wegen sinnvollen Haus­haltens an! Euch die Finanzen zu überantworten, da kann der Hund auf die Wurst aufpassen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Dem H.-C. den Spruch gefla­dert!) Diese gekaufte Politik haben wir in den letzten Monaten hier in diesem Hause auch sehen dürfen.

Insgesamt geht diese Regierung von Mehraufwendungen im Jahr 2019 von über 4 Millionen Euro aus, im nächsten Jahr von Mehraufwendungen von 6 Millionen Euro, und die Einmalkosten für die Einrichtung dieser BBU sollen in etwa weitere 11 Millio­nen Euro betragen. Wenn ihr bei eurer Politik bleibt, wird sich das ja noch deutlich erhöhen. (Bundesrätin Mühlwerth: AKH, das ist Finanzpolitik der SPÖ! Skylink! – Bun­desrat Steiner: Ein Lercherlschas gegen das AKH!)

Punkt drei, zur Transparenz: Bei dieser BBU ist eine ganz, ganz kritische Interessen­verflechtung gegeben. Als zentralen kritischen Punkt sehen wir – und nicht nur wir – die Nähe zum Bundesminister für Inneres an, die sich allein schon durch die Konstruk­tion dieser Bundesagentur ergibt. Das BMI hat bestimmenden Einfluss auf alle Lei­tungsfunktionen, die provisorische Betrauung wurde nicht einmal ausgeschrieben. Meine Damen und Herren, Transparenz sieht anders aus! Das riecht wieder sehr nach Postenschacher. (Bundesrätin Mühlwerth: Sieh dir das beim Krankenhaus Nord an, die Transparenz der SPÖ, mit Esoteriker und allem Drum und Dran!)

Vierter Punkt – der wird unseren Herrn Interimsminister wahrscheinlich am meisten interessieren –: Wie schaut es mit der Rechtsberatung aus? Dabei sollen auch massive Einschränkungen beim Rechtsanspruch auf Rechtsberatung auf uns zukom­men. Mit der Übernahme der Rechtsberatung durch die Bundesbetreuungsagentur ist der Rechtsanspruch auf diese Rechtsberatung eben massiv eingeschränkt. Demnach sollen Asylwerberinnen und Asylwerber, die sich im Zulassungsverfahren befinden – ausgenommen sind unbegleitete Minderjährige –, künftig nur noch dann Anspruch auf kostenlose Rechtsberatung haben, wenn ihnen eine negative Entscheidung in Aussicht gestellt wurde und sie weniger als 72 Stunden Zeit haben, um sich auf ihre Einver-


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nahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzubereiten. (Bundesrätin Mühlwerth: Das wird ja wohl reichen, 72 Stunden!)

Auch Fremden, die zum Zweck einer Abschiebung festgenommen werden, wird nur nach Maßgabe vorhandener Kapazitäten unentgeltliche Rechtsauskunft erteilt. Alle anderen haben eben Pech gehabt. Meine Damen und Herren, da hört sich der Rechts­staat doch wirklich auf!

Zu weiteren Einschränkungen kommt es auch bei Reisepass-Beschaffungsbescheiden. So wird etwa bei Beschwerden gegen Reisepass-Beschaffungsbescheide und  Ersatz­reisedokument-Mitwirkungsbescheide keine Rechtshilfe mehr gewährt.

Weiters ist laut Gesetz die Betrauung anderer juristischer Personen mit der Durch­führung der Rechtsberatung ausdrücklich nicht mehr zulässig. Zwischen der Begut­ach­tung und der Beschlussfassung dieser Regierungsvorlage wurde vonseiten des BMI eine deutliche Verschärfung in diesen Gesetzentwurf eingebaut, die einen massiven Eingriff in die Rechte der bisherigen Rechtsberater oder Rückkehrberater und natürlich der betreuten Personen bedeutet. Während in der Begutachtung lediglich vorberei­ten­de Maßnahmen im Vorfeld des Inkrafttretens vorgesehen waren, ist nunmehr zusätz­lich vorgesehen, dass alle bisher mit der Rechtsberatung betrauten natürlichen und juristischen Personen der Bundesagentur alle Daten zur Verfügung zu stellen haben, die diese für ihre Aufgabenwahrnehmung benötigt.

Meine Damen und Herren! Wurde die Datenschutz-Grundverordnung abgeschafft, oder ist Ihnen diese völlig egal? In diesen sensiblen Akten befinden sich Daten, die den Asylantrag unterstützen, wie auch Daten, die im Rahmen der Rechtsberatung nicht für den Antrag und für das Verfahren verwendet werden. Experten gehen davon aus, dass Asylwerber in der Vergangenheit mehr Vertrauen in unabhängige Rechtsanwälte hatten – und ihnen daher das gesamte Schicksal anvertraut haben –, als sie in Zukunft in die sogenannte BBU jemals haben werden. Und in dieses Vertrauen wird nunmehr durch dieses einfache Gesetz eingegriffen. Rechtsanspruch auf Rechtsberatung be­steht so­mit nur mehr in eingeschränktem, sehr eingeschränktem Umfang. (Bundesrat Steiner: Ja, ja!) Das ist ein weiterer Grund dafür, dass wir aus sozialdemokratischer Sicht diese Vorlage heute ablehnen werden. (Bundesrat Steiner: Deshalb habt ihr so viele Wahlerfolge!)

Das Gleiche gilt eins zu eins für die sogenannte Rückkehrberatung. Die angeblich unabhängige Rechtsberatung stellen wir damit massiv infrage. Nicht nur wir tun das, in der Begutachtung hat das auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag getan, die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter hat es getan, die Bun­desvertretung Richter und Staatsanwälte hat es getan. Das sind allesamt Institutionen, die Sie, geschätzter Herr Interimsminister, sehr gut kennen werden. Diese Bedenken sind uns allen und auch Ihnen, sehr geschätzter ehemaliger Präsident des Obersten Gerichtshofes, nunmehr provisorischer Innenminister, sicherlich bekannt.

Es erscheint daher das Durchpeitschen dieser Vorlage aus rechtlichen und nicht nur aus politischen Gründen angesichts dieses sensiblen Zustandes der Republik Öster­reich gegenwärtig nicht verantwortungsvoll. Ich ersuche Sie daher, Herr Minister, nicht nur inhaltlich zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu beziehen, sondern auch den Bundesrätinnen und Bundesräten heute zu empfehlen, einem Einspruch dringend zu­zustimmen und eine neuerliche Beschlussfassung des Nationalrates zu gewährleisten.

Fünfter Punkt: Zum katastrophalen Scheitern der Kurz-Regierung wird auch immer gerne unser hochgeschätzter Bundespräsident zitiert – von vielen natürlich gerne falsch oder etwas verdreht zitiert. Wenn wir von einer stabilen Expertenregierung reden, meinen andere, es ist eine ÖVP-Alleinregierung mit türkisen Kabinettsleitungen


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und türkisen Ministern gemeint. (Bundesrat Steiner: Wer hat sie denn angelobt?) Das hat aber unser Herr Bundespräsident nie und nimmer gemeint. Er empfiehlt weiters, jetzt in dieser sensiblen Zeit keine weitreichenden neuen Gesetze zu beschließen. Eine Übergangsregierung soll Stabilität schaffen, aber keine so wichtigen Entscheidungen treffen.

Letzter Punkt: die christlichsoziale Gesinnungsgemeinschaft. Haben Sie jemals die Einwendungen (ein Schriftstück in die Höhe haltend) zum Beispiel der Diakonie oder der Caritas gelesen? Das Soziale bei Ihnen ist spätestens mit der Abschaffung des Karfreitags, mit der Einführung des 12-Stunden-Tages zerschlagen worden, das Christ­liche tragen Sie jetzt zu Grabe. Ich frage Sie: Was bleibt von Ihrer Gesinnungs­ge­meinschaft überhaupt übrig? Das Christliche ist weg, das Soziale ist weg, und die letzte Religion, der Kurz, ist jetzt auch noch weg. Schauen Sie, dass nicht auch Ihr Gewissen heute weg ist! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

11.11


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Robert Seeber zu Wort. Ich erteile es ihm.


11.11.54

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Werter Herr Minister! Ich möchte ein bisschen einen Gegenpol zu meinem Vorredner bilden, der jetzt bei diesem Thema sehr emotional das Chris­tentum bemüht hat. Das, was ich nicht ganz verstehe – muss ich ehrlich sagen –, ist Folgendes: Bei diesem BBU-Errichtungsgesetz geht es um eine Reverstaatlichung. Seit wann die SPÖ gegen eine Verstaatlichung ist, verschließt sich meiner Kenntnis. Ich habe das in den letzten Jahren politisch immer anders wahrgenommen.

Aber abgesehen davon geht es bei diesem BBU-Gesetz um nichts anderes, als dass man eine Maßnahme, die immer von Privaten durchgeführt wurde, jetzt wieder in staatliche Hände legt. Und ich finde, das ist gut, denn wenn es um Flüchtlinge geht, wenn es um Asylanten geht, soll das der Staat finanzieren und auch entsprechend abwickeln. Die BBU, die hier geschaffen wurde – übrigens wurde das bereits im Jahr 2017 unter Rot-Schwarz eingeleitet –, wird also der Garant dafür sein.

Meine Damen und Herren, es geht darum, dass durch diese Gesellschaft die Men­schenrechtsbeobachtung, die Versorgung, die Dolmetscherdienste und die Rechts­be­ratung durchgeführt werden. Diese Experten, die Dolmetscher, die Menschen­rechts­beobachter müssen eine fundierte Ausbildung vorweisen können und sind weisungs­unabhängig und weisungsfrei. Jeder, der da etwas anderes sagt, spricht nicht die Wahrheit. Es ist für mich also ein logischer Schritt, dass man das wieder in staatliche Hände legt.

Ich habe auch die gesellschaftliche Verantwortung, hier in diesem Haus auf das hin­zuweisen, was Österreich weiterhin tun muss – und das gilt jetzt allgemein für alle –: Ich bin der festen Überzeugung, wir müssen den Menschen, die in Österreich wirklich Hilfe brauchen, die Hilfe bieten. Wir brauchen uns da ja nicht zu verstecken, bitte, seien wir ganz ehrlich: Wie viele Flüchtlinge haben wir denn im Vergleich zu unserer Einwohnerzahl aufgenommen? – Überdurchschnittlich viele, das ist statistisch ganz leicht nachweisbar. Wir brauchen uns in Österreich also nichts vorhalten zu lassen. Ich bin der festen Überzeugung, man muss ein wenig aufpassen, dass man in unserem Staat nicht das gesellschaftliche Klima ein bisschen vergiftet (Heiterkeit bei der SPÖ), und ich bin der festen Überzeugung, dass man diesen Fehlentwicklungen in der Flücht-


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lingspolitik entgegentreten muss. Sebastian Kurz, nur als Beispiel, hat mit der Schließung der Balkanroute diesen Fehlentwicklungen (Bundesrat Novak: Der hat überhaupt nichts damit zu tun!), die es gegeben hat, Rechnung getragen. (Beifall bei der ÖVP.)

Gestatten Sie mir an dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch einen Punkt anzusprechen, der aus meiner Sicht wichtig ist. Ich bin ein Mann der Wirtschaft und für mich ist es moralisch nicht nachvollziehbar, wenn sich gemeinnützige, privatwirt­schaft­lich organisierte Gesellschaften – ich möchte es einmal vornehm ausdrücken – mit die­ser Betreuung von Flüchtlingen sehr schönes Geld verdient haben. (Bundesrätin Grimling: Die Caritas! – Bundesrat Schennach: Die Diakonie!) Ich weiß nicht, ob das im Sinne des Erfinders ist. Glauben Sie, dass das für die Menschen gut ist, wenn sie jetzt als Flüchtling zwei bis drei Jahre durch alle Instanzen gehen, mehrmals abgelehnt werden und dann einen negativen Bescheid bekommen, weil sie kein Bleiberecht haben? Ich weiß nicht, ob das im Sinne des Erfinders ist. Natürlich verdienen private Organi­sationen damit ein Heidengeld. Auch Anwälte verdienen gutes Geld. Nichts gegen Anwälte, aber es kann ja nicht im Sinne des Erfinders sein, dass diese privaten Organi­sationen und Anwälte zwei, drei Jahre damit gutes Geld verdienen. Man soll den Leuten nicht Sand in die Augen streuen. Wenn kein Bleiberecht gerechtfertigt ist, dann – da bin ich der festen Überzeugung – ist es menschenrechtskonformer, wenn man den Menschen auch so bald wie möglich die Wahrheit sagt.

Aus wirtschaftlicher Sicht muss man schon Folgendes auch wissen: Die Firma ORS hat ein Hedgefonds gekauft, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Man hat enorme Gewinne gemacht, man hat Rücklagen gebildet, 2 bis 3 Millionen Euro Gewinn jedes Jahr, dann wollte man diese Firma ORS verkaufen. Ich finde, das ist eine bedenkliche Entwicklung, da ist es allemal besser, wenn das wieder in die Hände des Staates zurückgeht. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist die berühmte Transparenz der SPÖ!) Das Grundversorgungsgesetz wird ja durch die BBU nicht berührt, auch das möchte ich an dieser Stelle sagen.

Abgesehen davon hat mein Vorgänger und Kollege Karl Bader auch gesagt, es gibt keine negativen Stellungnahmen von den Bundesländern – also auch diese Flanke ist geschlossen, das ist auch vollkommen okay. (Bundesrätin Grimling: Aber nicht die Caritas!) Und du, Kollege Weber, hast gesagt, es gibt Probleme mit der Zeit und das wird alles nicht passen. Ich habe mich bei Experten erkundigt, und soviel ich weiß, gibt es jetzt eine Übergangsregierung, und diese Übergangsregierung kann einen proviso­rischen Geschäftsführer bestellen, kein Problem. Mit 1. Juli des nächsten Jahres kommt es dann zur Gründung. Wenn es da auch noch Probleme gibt, kann das sogar ein Jahr rückverschoben werden. Eine zeitliche Problemstellung kann ich daher nicht erkennen (Bundesrat Weber: Der Bundespräsident!), das ist wirklich herbeigeredet, und dieses Erwirtschaften von Gewinnen durch privatwirtschaftliche Organisationen über Jahre ist meines Erachtens bedenklich. Der Staat ist da der richtige Ansprechpartner. Unterstützt das bitte! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.18


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile es ihm.


11.18.37

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Ratz! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Artikel 47 der Charta der Grund­rechte der Europäischen Union verlangt, dass das Recht auf ein faires Verfahren nicht nur theoretisch, sondern natürlich auch praktisch sichergestellt werden muss und wird.


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Diese Bundesagentur im Eigentum des BMI genügt diesen Anforderungen beziehungs­weise jenen einer raschen Verfahrensführung nicht und steht zudem auch in Wider­spruch zu den Vorgaben der Verfahrensrichtlinie. Ich bezweifle auch die wirkliche Un­ab­hängigkeit – das hat der Kollege von der SPÖ bereits angemerkt – und auch die Weisungsfreiheit dieser Bundesagentur, denn für mich ist das nur ein formales Be­kenntnis in diesem Gesetz, und man befindet sich in so vielen kleinen Facetten immer wieder in einer Abhängigkeit und unter einem Einfluss des Bundesministeriums für Inneres. Angesichts dieses Gesetzes kann man nur sagen, eine unabhängige Rechts­beratung schaut einfach anders aus.

Ich möchte jetzt von der inhaltlichen Kritik zu der eher problematischen Umsetzung dieses Gesetzes kommen, wenn dieses Gesetz heute in Kraft tritt. Die alten Regie­rungsparteien – so nenne ich es – beschließen heute in Koalition – und das ist wirklich noch eine Koalition, nicht irgendetwas; wenn man hingegen einen Misstrauensantrag à la SPÖ mit der FPÖ gegen eine Regierung beschließt, ist das keine Koalition, sondern, wenn schon, eine Allianz –, im Koalitionsgebünde hier im Bundesrat – es ist wohl noch nicht angekommen, dass sie nicht mehr in der Regierung sind – ein Gesetz, das einen Systembruch im Bereich der Rechtsberatung vorsieht, mit dem einige gravierende administrative und auch finanzielle Auswirkungen verbunden sind.

Aufgrund dieses Systembruchs sind erhebliche Vorarbeiten notwendig, die teilweise bereits bei Inkrafttreten vorgenommen werden müssen. Werte Kolleginnen und Kolle­gen, das ist ein Problem, ein massives Problem: Wenn wir dieses Gesetz heute be­schließen und es keine ordentliche Umsetzung gibt, riskieren Sie zahllose Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und dem EuGH mit weiteren Imageschäden und Kosten für die nächste Bundesregierung und für Österreich, auch – bei einer nicht rechtzeitigen Etablierung eines funktionierenden Betreuungs- und Rechtsberatungs­systems ab 2020 beziehungsweise ab 2021 – einen Stillstand der zweitinstanzlichen Verfahren und enorme finanzielle, aber auch, und das muss uns besonders berühren, humanitäre Folgewirkungen, nämlich für den Bund, für die Länder und dement­sprechend auch für die Gemeinden.

Wir haben derzeit eine Staatsmanagementkrise, ich glaube, das kann man so nennen. Es wird zwar eine Übergangsregierung bestellt, diese soll aber nur das Notwendigste machen und überhaupt keine weitreichenden Entscheidungen treffen. Es geht hier aber nicht um normale bürokratische Verwaltungsarbeiten, so wie der Bundespräsident das gerne haben möchte, sondern es müssten weitreichende Entscheidungen gefällt werden, von einem Minister, den wir Bundesrätinnen und Bundesräte noch nicht kennen. Das ist ein Faktum. Wir wissen noch nicht einmal, wer das in Zukunft sein wird. Und wenn Sie das Gesetz gelesen haben, dann wissen Sie, dass diese Über­gangsregierung – eigentlich noch die Übergangsregierung-Übergangsregierung, also (in Richtung Bundesminister Ratz) Sie als derzeitiges Zwischenglied – unver­züglich mit den Vorbereitungsmaßnahmen beginnen muss.

Die Bundesagentur entsteht mit dem Inkrafttreten des BBU-Gesetzes und soll nach den gesetzlichen Vorgaben ihre Aufgabe spätestens ab 1.7.2020 auch wahrnehmen. Das Inkrafttreten bedeutet, dass ein Innenminister oder eine Innenministerin – wir wis­sen es ja noch nicht – unverzüglich einen Rahmenvertrag abschließen müsste. Dabei muss er ein Einvernehmen mit dem Justizminister – wobei wir auch noch nicht wissen, wer überhaupt Justizminister, Justizministerin sein soll, den oder die wir also auch noch nicht kennen – herstellen. Und da geht es um weitreichende Entscheidungen: Da geht es um Kostenersatz, da geht es um Abrechnungen, da geht es um die Auswahl der Rechtsberater, da geht es um Dolmetscher, das Vorgehen bei Pflichtverletzungen, da geht es um Fortbildungsmaßnahmen, alle Entscheidungen, die es schon einmal alleine im Rahmenvertrag braucht. Da geht es jetzt noch gar nicht um Einzelpunkte,


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sondern rein um den Rahmenvertrag, der sofort gemacht werden muss. (Bundesrat Seeber: Das machen ja viele Länder in Europa!) – Nicht viele Länder in Europa; ich übe keine Kritik an sich, sondern – noch einmal zuhören, Herr Kollege Seeber – es geht darum, dass wir in dieser Geschichte keine legitimierte Bundesregierung haben. (Bundesrat Steiner: Wer ist denn der Gesetzgeber?) Es muss ein Geschäftsführer, eine Geschäftsführerin bestellt werden, der oder die ist dann für die Dauer von bis zu 24 Monaten bestellt. Wer entscheidet das? (Bundesrat Seeber: Die Übergangsregie­rung!) – Ein Innenminister, den wir alle hier im Bundesrat noch nicht kennen. Wie könnt ihr einem Gesetz zustimmen, obwohl wir noch nicht einmal wissen, wer der Innen­minis­ter ist? (Bundesrat Steiner: Den muss man ja nicht kennen! Das ist ein kom­pletter Schwach­sinn!) Es muss ein Aufsichtsrat bestellt werden, es müssen sofort nach Inkrafttreten Errichtungserklärungen für die Bundesagentur laut BBU-Errichtungsgesetz abgegeben werden. Es müssen die Grundsätze der Unternehmensführung festgelegt werden, damit der Geschäftsführer überhaupt innerhalb von sechs Monaten ein Unter­nehmens­konstrukt, -konzept erstellen kann. Das ist alles notwendig. Sie sehen, das sind alles Aufgaben und Entscheidungen, bei denen es eine klare politische Führung braucht.

Werte Kolleginnen und Kollegen, da geht es um Entscheidungen und Aufgaben, und die Entscheidungen gehen in die Richtung, wer denn den Geschäftsführer bestimmt. (Bundesrat Seeber: Der Geschäftsführer braucht ja nur das zu machen, was man bei der Gründung macht!) – Herr Kollege Seeber, wer bestimmt denn den Geschäfts­führer? Machen Sie das? Macht das die ÖVP? – Nein, wir wissen es noch nicht einmal. (Bundesrat Steiner: Wissen Sie, was die Aufgabe des Geschäftsführers ist?) – Schreien Sie nicht heraus, Sie können sich dann noch zu Wort melden, Herr Kollege. – Ich möchte als Mitglied dieses Hohen Hauses zumindest wissen, welcher Innen­minis­ter oder welche Innenministerin diese Aufgabe dann auch erfüllen wird, welcher Innen­minister und welche Innenministerin in Zukunft diese Entscheidung im Zusammenhang mit einem so weitreichenden Gesetz treffen wird. Das wissen wir jetzt de facto nicht.

Die nächste Sitzung des Bundesrates findet in genau drei Wochen statt. In diesen drei Wochen werden wir vom Bundespräsidenten eine neue und auch bis zur nächsten Wahl legitimierte Übergangsregierung haben. Dann würden wir wissen, wer der oder die zuständige Innenmister oder Innenministerin sein wird. Wird er oder sie überhaupt dieses Gesetz umsetzen wollen? Wird er/sie das überhaupt wollen, denn das Gesetz ist ja ein Projekt von Kickl (Bundesrat Seeber: Jetzt geht es um die Gründe!), noch immer, dem inzwischen entlassenen Innenminister Kickl, und es ist ja auch aus grund- und menschenrechtlicher Sicht höchst umstritten.

Das heißt, wir legen jetzt diesem Innenminister, dieser Innenministerin, die wir noch nicht einmal kennen, dieser nächsten Bundesregierung etwas in den Schoß, was sie vielleicht gar nicht will. Aus diesen Gründen appelliere ich an Sie alle, keinem Gesetz zuzustimmen, wenn wir nicht einmal wissen, wer der Übergangsminister für Inneres sein wird. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, sich im Bundesrat Zeit zu nehmen, das Vorhaben noch einmal gründlich zu prüfen und vorweg auch Gespräche mit dem Übergangsminister für Inneres zu führen.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Antrag

auf Aufschub der Entscheidung über den Verhandlungsgegenstand

§ 51 Abs. 1 GO-BR

der BundesrätInnen David Stögmüller, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen


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Die unterzeichneten BundesrätInnen stellen den Antrag, den Verhandlungsgegenstand ohne Debatte zu vertagen und den Ausschuss für innere Angelegenheiten erneut mit der Vorberatung zu betrauen.

*****

Weiters bringe ich einen Antrag auf Einspruch gegen dieses Gesetz ein:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR

der BundesrätInnen David Stögmüller, Ewa Dziedzic

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (594 d.B. und 621 d.B.) wird mit der beigegebenen Begründung Einspruch erhoben.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zeigen wir heute im Bundesrat, dass wir in politisch angespannten Situationen ein Garant für gewissenhafte und nachhaltige Politik sind! Das, was wir heute machen, ist keine nachhaltige Politik. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

11.27


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten David Stögmüller, Dr. Ewa Dziedzic gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR gestellte Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein BBU-Errichtungsgesetz erlassen und das BFA-Verfahrensgesetz und weitere Gesetze geändert werden, mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, trägt nur zwei Unterschriften und ist somit nicht genügend unterstützt.

Ich stelle daher die Unterstützungsfrage und bitte jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die diesen Antrag zusätzlich unterstützen wollen, um ein Handzeichen. – Das ist nicht der Fall. Die Unterstützung ist daher nicht ausreichend. (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Steiner – in Richtung SPÖ –: Jetzt habt ihr es wieder einmal verschlafen!)

*****

Wir führen die Debatte fort. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Spanring. Ich erteile es ihm.


11.28.29

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrtes Regierungsmitglied! Sehr geehrte Kollegen im Bundesrat und sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Wieder


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einmal, und das binnen kürzester Zeit, hat die SPÖ nicht nur im Ausschuss, sondern auch im Plenum bewiesen: Beim Abstimmen sind Sie sich nicht einig, da wissen Sie nicht, wann und wann nicht. (Bundesrätin Schumann: Wir bringen einen eigenen Antrag ein!) Ich würde euch raten: Sprecht euch vorher ab, das hilft! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitliche sind in der Vergangenheit immer wieder dafür gerüffelt worden, wenn wir von der sogenannten Asylindustrie gesprochen haben. Die Wahrheit ist, viele Menschen haben viel Geld mit dem Leid von Flüchtlingen verdient – und viele tun es noch immer. Und nein, da spreche ich nicht nur von den ganzen Schleppern, meine Damen und Herren, auch bei uns verdienten und verdienen nach wie vor viele Menschen mit Asylwerbern viel Geld: sogenannte NGOs, Rechtsanwälte, Sozial­ar­beiter, Dolmetscher, Vermieter und viele mehr. Dass wir mit dem Ausdruck Asyl­industrie immer recht hatten, zeigt dieses Gesetz, ansonsten wäre es nämlich gar nicht zur Umsetzung gekommen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

Ich bin sehr froh, dass die ÖVP-Bundesräte dieses Gesetz noch mit uns mittragen. Eigentlich habe ich nach dem Sprengen unserer Koalition durch Sebastian Kurz und den Entwicklungen der letzten Tage befürchtet, dass sie uns hier vielleicht in den Rücken fallen könnten. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Gesprengt haben nicht wir!) Es kam ratzfatz zur Rücknahme der 1,50-Euro-Remunerationsverordnung für Asyl­werber bei gemeinnütziger Arbeit durch den Übergangsinnenminister, obwohl es zuvor mit der ÖVP-Spitze abgesprochen und koordiniert war. Und die ÖVP hat leider eben­falls seelenruhig zugeschaut, wie in Traiskirchen ein Schild mit der Aufschrift „Aus­reisezentrum“ einfach rechtswidrig abmontiert wurde. Es ist bezeichnend, dass die Linke meint, sie stünde über dem Gesetz, und sich damit dann sogar noch medial brüstet. (Beifall bei der FPÖ.)

Im Ausschuss war ich dann erleichtert, dass wir dieses mehr als sinnvolle Gesetz doch noch gemeinsam als eines der letzten guten Projekte dieser wirklich hervorragenden Regierungsarbeit gemeinsam umsetzen. Dafür bedanke ich mich auch bei allen Bundesräten der ÖVP und füge hinzu, dass die Zusammenarbeit während unserer gemeinsamen Regierungszeit eine ausgezeichnete war. (Beifall bei der FPÖ.)

Inhaltlich wurde das Gesetz zur Errichtung dieser BBU (Zwischenruf bei der SPÖ), also dieser Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, sehr genau und gut ausgearbeitet. Einfach erklärt kann man sagen, mit diesem Gesetz wird die Flüchtlingsberatung und die Flüchtlingsbetreuung wieder als hoheitliche Aufgabe wahr­genommen. Genau dort gehört sie auch hin, in die hoheitliche Verwaltung und weg von privaten, gewinnorientierten Händen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Es ist auch recht einfach zu erklären, warum das so sein soll: Es gibt Menschen, die unseren Schutz brauchen und diesen auch verdienen. Dahin gehend gibt es ganz klare Regelungen und Gesetze. Diese Menschen sollen unseren Schutz auf Zeit auch so rasch wie möglich erhalten. Alle anderen hingegen, die aus ganz anderen Motiven aus aller Herren Länder den Weg nach Österreich suchen, haben wir möglichst rasch wieder außer Landes zu bringen, weil sie eben kein Recht auf Asyl haben und den Platz jener Menschen, die tatsächlich schutzbedürftig sind, sprich einen echten Asyl­grund haben, in Österreich blockieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch da muss einmal ganz eindeutig mit der linken Toleranzromantik aufgeräumt werden. Wir können nicht das Weltsozialamt spielen, und wir können auch nicht alle Menschen aus der ganzen Welt bei uns aufnehmen.

Mit dieser BBU werden wir auf lange Sicht Prozesse bündeln. Es werden Reibungs­verluste minimiert und letztendlich Steuergelder eingespart, die wir dann sinnvoller für jene Menschen verwenden können, die das Geld tatsächlich brauchen. Wir sind mit


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dieser BBU zukünftig unabhängig von externen Dienstleistern, da wir diese zentrale Aufgabe selbst erledigen können. Logischerweise wird genau das auf lange Sicht günstiger werden, da diese Aufgaben jetzt von Firmen erledigt werden, die gewinn­orientiert arbeiten. Wir haben es schon gehört: 2,3 Millionen Euro Gewinn im Jahr. (Bundesrat Weber: Bei der Diakonie und der Caritas?!) – Natürlich haben die NGOs auch ihre Geschäftsinteressen verfolgt.

Zur Caritas kann ich Ihnen etwas Tolles sagen: Wenn es nicht so wäre, wie ist es dann möglich, dass sich der Chef der Caritas selbst ein Jahresgehalt von 160 000 Euro auszahlt? Wenn das alles so gute Menschen wären, die nicht gewinnorientiert agieren würden (Beifall bei der FPÖ), wie ist es dann möglich, dass man sich zum Beispiel die Geburtstagsfeiern von der Caritas zahlen lässt? (Bundesrat Weber: Das sollten Sie den Koalitionspartner fragen!) Das ist Doppelmoral und Heuchelei in Reinkultur.

Zum Ausschuss und zu den Sozialisten, meine Damen und Herren: Es gab schon einige haarsträubende Aussagen im Ausschuss, die natürlich ein ganz klares Ziel verfolgt haben. Die Roten haben versucht, dieses Errichtungsgesetz um jeden Preis schlechtzureden. Und heute haben sie gemeinsam mit den beiden Fraktionslosen versucht, es hier zu verhindern. Die Experten aus den Ministerien haben sehr gut, schlüssig und fundiert erklärt, dass dieses Gesetz sowohl auf der einen Seite resilient genug, auf der anderen Seite aber auch flexibel genug gestaltet ist, um besonders in der ersten Zeit auf alle, wirklich auf alle Eventualitäten reagieren zu können, und zwar so lange, bis sich alles perfekt eingespielt hat.

Noch ein Punkt, der uns sehr wichtig ist und der vor allem Herbert Kickl sehr wichtig war: Diese BBU – und das ist immer das, was die SPÖ falsch berichtet – entspricht in allen Bereichen den Grundherausforderungen, aber auch den Grundvorgaben des EU-Rechts, nämlich voll und ganz. Und nein – das ist das, was Sie stört –, Gold Plating wird es auch in diesem Gesetz nicht geben. Was jedoch Fakt ist, ist, dass die angebotene Rechtsberatung weisungsfrei und unabhängig passieren wird, das ist mit der Umsetzung sichergestellt. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.) Auch wenn die Sozialisten im Ausschuss noch so oft nachgehakt haben (Bundesrat Novak: Sozialdemokraten!), dieses Errichtungsgesetz hält, was es verspricht, auch wenn das den Linken nicht passt.

Dann kam, was kommen musste: Das Gesetz wurde aufgrund von Stellungnahmen diverser NGOs als mangelhaft bezeichnet – vorher haben wir das auch gehört –; welch Wunder. Das ist ein sehr durchschaubares Spiel, meine Damen und Herren, das hier gespielt wird. (Bundesrat Novak: Eben nicht!) Natürlich sind die NGOs gegen diese Bundesagentur, denn somit versiegt eine riesige Geldquelle aus dem Steuertopf. Darum geht es, denn nun sind die Zeiten vorbei, in denen man Zuwanderern das Blaue vom Himmel versprochen hat, sie damit ewig lange in der Betreuung halten konnte und der Steuerzahler Monate und manchmal sogar Jahre – wie wir es gehört haben – länger als notwendig dafür zahlen musste. Nun ist es vorbei damit, jemandem, der überhaupt keine Erfolgsaussichten hat, tatsächlich bei uns bleiben zu können, Flausen in den Kopf zu setzen, nur weil man selbst ein Geschäftsmodell verfolgt. Die Zeiten sind vorbei, in denen man Leuten falsche Hoffnungen gemacht hat und in Wahrheit eine Entscheidung, von der man wusste, dass sie unausweichlich kommen wird, ewig lang hinausgezögert hat.

Diese neue Rechtsberatung hat objektive Information als Schwer- und Mittelpunkt. Können Sie sich erinnern, meine Damen und Herren (Zwischenrufe bei der SPÖ): In einer der letzten Sitzungen des Bundesrates hatten wir die Berichte des Verwaltungs- und des Verfassungsgerichtshofes auf der Tagesordnung. Es gibt einen dramatischen Anstieg an Verfahren bei Asylfällen. Warum? – Weil den Asylwerbern Flausen in den Kopf gesetzt werden. Damit raubt man den Betroffenen Lebenszeit, man beschäftigt


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aus niederen Motiven heraus, nämlich aus purer Geldgier, unsere Gerichtshöfe, und letztendlich verbrennt man damit Steuergelder. Auch damit wird mit dieser BBU Schluss sein.

Es gibt Beweise dafür, dass das so stimmt. Schauen Sie zum Beispiel in die Schweiz: Die Zahl jener Personen, die dort die erste Instanz in Anspruch nehmen, liegt bei unter 20 Prozent, in Österreich bei knapp 80 Prozent. Warum ist das so? – Das hat genau damit zu tun, dass den Menschen gesagt wird: Versuche es, du hast zwar keine Chance, aber wenn du nur lange genug prozessierst und lange genug hier in Öster­reich bleiben kannst, dann schaffen wir es vielleicht über ein Hintertürl, dass du dableiben kannst! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ganz nach dem Motto: Na, der Arme ist jetzt schon zwei Jahre in Österreich und ist so gut integriert, jetzt können wir ihn nicht mehr abschieben. – Genau das sind eure Schmähs auf Kosten der Steuerzahler. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch damit, meine Damen und Herren, wird mit dieser BBU Schluss sein. Und ja, damit kritisiere ich ganz offen und bewusst manche NGOs, die nach außen hin immer die Menschenretter spielen, denen es aber in Wahrheit nur ums Geld geht. Und welches Interesse – und jetzt wird es interessant – verfolgen die Fraktionslosen und die SPÖ damit, dass diese NGOs weiter vom Staat Geld kassieren? Warum wollte die Linke hier im Saal, dass man diesen Punkt von der Tagesordnung absetzt? – Weil viele dieser NGOs von Grünen- und SPÖ-nahen Vereinen beraten werden (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ), was natürlich auch ein Versorgungsheim für Soziologen, für Pädagogen, für Sozialarbeiter, für Politologen und sonstige Sozialwissenschaftler darstellt, wo man Leute, sofern sie das richtige Parteibuch haben, nämlich ein linkes, wirtschaftlich versorgen konnte. Siemens kann ja schließlich nicht alle von euch auf­nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und wenn nichts mehr geht, meine Damen und Herren, dann kommt immer noch der Datenschutz daher. Solange die Daten in den Händen von NGOs und privaten Firmen sind, ist es kein Problem, aber kaum gehen die Daten in die BBU oder in staatsnahe Betriebe, dann ist es ein Problem, ganz nach dem Motto: Da heiligt der Zweck alle Mittel! Ihr verwendet das dann, wenn ihr es braucht.

Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist richtig und wichtig, und ich bin davon überzeugt, dass unsere Beamten und öffentlich Bediensteten genau die Richtigen sind, um die Rechtsberatung zu übernehmen, ganz nach dem Motto: Information statt Mani­pulation! – Ein großes Dankeschön an Herbert Kickl, der in seiner Weitsicht dieses Gesetz auf den Weg gebracht hat. (Beifall bei der FPÖ.)

11.40


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte dich auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu beschränken. – Danke.


11.40.23

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Bundesrat Spanring hat behauptet, wir wüssten nicht, wie abzustimmen sei. – Wir wissen, wie abzustimmen ist. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Tatsache ist, dass wir einen eigenen Antrag einbringen werden, dem wir dann natürlich unsere Zustimmung erteilen.

Tatsache ist auch, dass der Begrifflichkeit Asylindustrie in keiner Weise Richtigkeit zukommt, und Tatsache ist auch, dass NGOs wie die Caritas, wie die Diakonie, Organisationen sind, die sich für die Menschenrechte einsetzen und dafür (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist keine tatsächliche Berichtigung mehr! – Bundesrat Steiner: Die


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tatsächliche Berichtigung ist schon fertig!) – nein, nein, das ist schon - - – nicht in Misskredit gebracht werden dürfen. Das ist unanständig. Das werden wir als Sozial­demokraten nicht unterstützen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Viel­leicht kann die SPÖ einmal lernen, was eine tatsächliche Berichtigung wirklich ist! – Bundesrätin Schumann – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Ja, man lernt vieles, wenn man es braucht!)

11.41


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­minis­ter Dr. Eckart Ratz. – Bitte, Herr Minister.


11.41.24

Bundesminister Dr. Eckart Ratz, betraut mit der Fortführung der Verwaltung im Bundesministerium für Inneres: Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Länder­vertretung! Geschätzte Beobachterinnen und Beobachter des politischen Geschehens der letzten Tage! Erlauben Sie mir, vor einer kurzen Erklärung zum konkreten Gegen­stand Ihrer Debatte ein paar Worte zur ungewöhnlichen Situation zu sagen, die es mit sich bringt, dass ich als ehemaliger Präsident des Obersten Gerichtshofes heute als Innenminister vor Ihnen Rede und Antwort stehe.

Unsere Bundesverfassung ordnet die drei bekannten Staatsgewalten so, dass sie – etwas verkürzt – der Gesetzgebung die Vollziehung gegenüberstellt. Unter Vollziehung versteht man einerseits die grundsätzlich streng hierarchisch aufgebaute und durch Weisungen geprägte Exekutive, andererseits die Gerichte. Während die Exekutive auf den verschiedenen Ebenen sozusagen klassisch für das Gemeinwohl verantwortlich ist, dabei gestaltend tätig ist und über die staatlichen Ressourcen verfügt, die dazu nötig sind, haben die ordentlichen Gerichte, deren oberster Instanz ich über 20 Jahre lang angehört habe, für Gerechtigkeit im Einzelfall zu sorgen, und das strikt nach Maßgabe der Gesetze. Ob das Tun der Richterin beziehungsweise des Richters ge­lingt, hängt viel vom Respekt der anderen Staatsgewalten und der Bevölkerung und vom Vertrauen in strikte Unparteilichkeit ab.

Natürlich haben Richter als Bürgerinnen und Bürger je eigene weltanschauliche Posi­tionen – und ich habe nie einen Zweifel an meiner christlichen Weltanschauung ge­lassen (Bundesrat Weber: Dann müssen Sie dagegen sein!) –, jede Richterin und jeder Richter weiß aber ganz genau, dass der Maßstab für die Ausübung der ihm vom Staat verliehenen Befugnisse stets ausschließlich das Gesetz zu sein hat. Er übt nicht seine, sondern verliehene Macht aus. Jede Partei, die auch nur den Anschein von Befangenheit gegenüber einem Richter aufzeigen kann, hat einen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass dieser Richter den Fall nicht entscheidet. Es geht, wie bereits erwähnt, ganz essenziell um Vertrauen und den Glauben an die völlige Unabhängigkeit des Richters gegenüber anderen Einflüssen als dem allein geltenden Maßstab seines Handelns, dem Gesetz.

Am Dienstag letzter Woche bin ich auf einer privaten Bahnfahrt nach Wien angerufen und völlig überraschend gefragt worden, ob ich als ehemaliger Höchstgerichtspräsident für das Amt des Innenministers in einer Übergangsregierung zur Verfügung stehe, um sicherzustellen, dass der Sicherheitsapparat nach der Wahl, der Entscheidung des Souveräns über die künftige Richtung, in Ruhe und Besonnenheit meinem demo­kratisch legitimierten Nachfolger übergeben werden kann. Ich solle dafür Sorge tragen, dass die Bürgerinnen und die Bürger stets volles Vertrauen in diesen mächtigen Sicherheitsapparat haben können, dass alle sich von ihm gleichermaßen geschützt und in ihm geborgen fühlen. (Bundesrätin Schumann: Jetzt schon!) Niemand sollte sich ausgeschlossen fühlen, Irritationen sollten dabei keinen Platz haben.


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Wer sein ganzes Leben lang für Recht und Ordnung sorgen durfte – ich habe das ungemein gerne getan, mit großer Entscheidungsfreude und so, dass die Parteien stets rasch zu ihrem Recht gekommen sind –, dem bleibt in einem solchen Moment gar keine andere Wahl. Vorbehaltlich der Zustimmung meiner Frau habe ich sofort zugesagt, obwohl ich mein Leben in Vorarlberg gerade erst ganz neu eingerichtet habe, stets mit der Enkelin auf der Schulter durch die Gegend gegangen bin und sie vom Kindergarten abgeholt habe. Vor allem wurde mir versichert, dass auch der Herr Bundespräsident mir sein Vertrauen schenkt, die Sache ordentlich zu machen.

Getragen durch dieses Vertrauen habe ich in zweierlei Richtung für Respekt gesorgt: Einerseits für Respekt gegenüber der vor nicht ganz zwei Jahren getroffenen Ent­scheidung der Wählerinnen und Wähler, andererseits für Respekt gegenüber der Tat­sache, dass Ruhe und Besonnenheit nur dann gesichert sind, wenn politische Ent­scheidungen so vermittelt werden, dass sich niemand unnötig provoziert fühlen muss. Was dazu notwendig war, habe ich bereits veranlasst und durchgeführt.

In meiner bisherigen Laufbahn als Richter ist mir stets geglaubt worden, dass ich meine Entscheidungen selbst treffe und stets durchschaue, worüber ich entscheide. Als Marionette bin ich in meinem ganzen beruflichen Umfeld von niemandem wahr­genommen worden. Das Gegenteil ist der Fall! Ich würde nie eine Entscheidung treffen, hinter der ich nicht stehe. Ich bin in diesen Tagen niemals auch nur im Entferntesten in einer Situation gewesen, einer Situation ausgesetzt gewesen, in der ich das Gefühl gehabt hätte, dass irgendwie Unziemliches von mir verlangt worden wäre. Stattdessen habe ich bewundernswerte Sachkompetenz, Hilfsbereitschaft und Loyalität mir, dem Amt gegenüber – also nicht mir als Person, sondern dem Amt gegenüber – erlebt. Ohne diese Hilfe wäre es schlicht unmöglich gewesen, jenen Überblick und jene Handlungsfähigkeit zu gewinnen, die nötig sind, um die Füh­rungsrolle in einem so großen und wichtigen Ministerium zu übernehmen. Mein ganz besonderer Dank gilt daher meinem persönlichen Team, meinem Kabinett und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesministeriums für Inneres, die mich in außergewöhnlicher Weise unterstützt haben. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.) – Gerne! Ich nehme diesen Applaus gerne mit. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun ein paar Worte ganz konkret zum Gegenstand der heutigen Sitzung, zur Errich­tung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, kurz BBU. Ich stelle dazu erneut meine bereits angesprochene grundsätzliche Positionierung voran. Meine Aufgabe ist es nicht, den Willen der Wählerinnen und Wähler von 2017 zu korrigieren. Wenn sich die Vorlage innerhalb des grundrechtlichen Rahmens und innerhalb des Rechts der Europäischen Union bewegt, ist mein rechtsstaatlicher Gegencheck bereits abgeschlossen. Was hinwiederum den Inhalt der Vorlage anlangt, habe ich mich vom zuständigen Sektionschef intensiv ins Bild setzen lassen und bin auf dieser Grundlage zur Überzeugung gelangt, dass die Vorlage nicht nur rechtlich unbedenklich, sondern auch sachgerecht erscheint.

Im Einzelnen: Die BBU ist ein Projekt der vergangenen Bundesregierung, und das Bundesgesetz über die Errichtung der BBU hat im Innenausschuss und im Nationalrat bereits eine Mehrheit erzielt. Bei meiner kritischen Durchsicht bin ich drei unterschied­lichen Gesichtspunkten gefolgt: dem grundrechtlichen, dem ökonomischen und dem politischen Gesichtspunkt. Beim letzten, beim politischen Gesichtspunkt ist mir ganz wesentlich, dass ich als Minister einer Übergangsphase kein Präjudiz für eine Nach­folge­regierung schaffe.

Aber der Reihe nach! Zuerst zur Kompetenzverteilung gemäß unserer Bundes­verfas­sung: Das vorliegende Gesetz greift nicht in die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern ein. Das diesbezügliche Fundament der Artikel-15a-B-VG-Verein­barung zwischen Bund und Ländern betreffend Grundversorgung wird durch das vorlie-


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gende Gesetz nicht berührt. Der Bund bleibt weiterhin nur für jenen Teil der Grund­versorgung zuständig, für den er jetzt auch zuständig ist.

Die Vorgaben des Artikels 47 – ein Bundesrat hat das angesprochen – der EU-Grundrechtecharta, also das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, werden unzwei­felhaft erfüllt. Mein ganzes Leben habe ich mich fast ausschließlich mit den Grund­rechten beschäftigt. Ich habe einen großen Konflikt in meinem Haus wegen der grundrechtskonformen Ausgestaltung des Sachverständigenbeweises aushalten müs­sen, und Sie können mir glauben, dass ich von Grundrechten etwas verstehe. Wenn Sie es nicht glauben, dann lesen Sie es nach. (Bundesrätin Mühlwerth: Wenn man es nicht glaubt, ist es auch wurscht!) Das ist etwas, das für mich von vornherein außer Frage steht, dass ich mich nicht hierher stelle, ohne die Grundrechtslage auch mit Verfassungsexperten, die ich ja zur Genüge kenne, in jeder Hinsicht gecheckt zu haben.

Ich sage Ihnen in diesem Zusammenhang ganz frei und von der Leber weg etwas – ich bin ja erst heute mit dem Problem konfrontiert worden, hierher zu kommen; das ist ja nicht ganz so einfach für mich –: Ein berühmter Verfassungsrichter und Rechtswis­senschaftler, damals von der SPÖ für den Verfassungsgerichtshof nominiert, Professor Spielbüchler aus Oberösterreich – ein wirklich berühmter Mann –, hat einmal gesagt, man solle nicht alles aus den Grundrechten herausschwitzen, man solle der Demo­kratie die Möglichkeit geben, die einfache Gesetzgebung zu gestalten.

Ein anderer Verfassungsrechtler, ein ganz berühmter Verfassungsrechtler, Professor Wiederin, hat ganz pointiert gesagt – das ist natürlich pointiert, was ich jetzt sage –: Wo die Grundrechte beginnen, hört die Demokratie auf (Bundesrätin Schumann: Oh!) – ja, das sollten Sie eigentlich wissen –, denn innerhalb der Grundrechte be­stehen ja die einfachen Gesetze. Die Demokratie ist die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit, die der Minderheit nur deshalb zumutbar ist, weil sie sich im grund­rechtlichen Rahmen vollzieht. Das sind die Grundrechte. Bitte schauen Sie sich an, was Grundrecht bedeutet! Wenn alles ein Grundrecht wäre, dann gäbe es keine Grundrechte mehr. Das ist eigentlich logisch. Das möchte ich einmal gesagt haben. Ich darf mir dafür sicherlich nicht noch mehr Zeit nehmen, denn ich spreche hier ja zu einem Sachproblem. (Bundesrätin Schumann: Ja, eben!) Wir können gern danach draußen noch darüber sprechen, auf diesem Gebiet bin ich einigermaßen firm.

Die Rechtsberater müssen den schon bisher geltenden hohen Anforderungen in fach­licher Hinsicht nach Maßgabe des Gesetzes genügen. Ich selbst bin ja ein Staats­organ, staatliches Organ gewesen, also kein in der Wirtschaft tätiger Richter, sondern ein Staatsorgan, das unabhängig war. Glauben Sie, dass auch nur irgendjemand auf die Idee gekommen wäre, mir zu sagen, wie ich einen Einzelfall zu entscheiden habe? Ein staatliches System, ein staatliches Instrumentarium hat doch nicht deshalb, weil es vom Staat kommt, weniger Rechtfertigung, vom Gemeinwesen, vom Staat, von der Institution akzeptiert zu werden, an die der einzelne Bürger seine Gewalt delegiert hat, damit der Staat – Hobbes, Locke – diese Gewalt in sachgerechter Weise ausübt. Ich verstehe also das Problem überhaupt nicht.

Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit sind einerseits ausdrücklich im Gesetz festge­schrieben und werden andererseits durch begleitende Maßnahmen garantiert, die sogar über die geltende Rechtslage hinausgehen, etwa Verschwiegenheits­ver­pflich­tung, Bestellung der Bereichsleitung Rechtsberatung durch den Bundesminister für Justiz – ich merke mir den langen Namen nicht, ich habe ihn mir auch bei der Justiz nicht gemerkt –, schließlich Unvereinbarkeit von Leistungen, von Rechtsberatung und Gewährung der Rückkehrhilfe durch dieselbe Person – saubere Trennung, ganz saubere Trennung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)


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Die europäischen Vorgaben der sogenannten Verfahrensrichtlinie – europäische Vor­gaben, europäische Richtlinien – werden erfüllt. Die Richtlinie gestattet es ausdrück­lich, die Rechtsberatung im Rahmen mitgliedstaatlicher Einrichtungen anzubieten. Staatlich durchgeführte Rechtsberatungssysteme gibt es daher, weil die Richtlinie das erlaubt, weil wir uns damit im europäischen Rahmen, im Rahmen des Europarechts bewegen, in einer Reihe anderer Mitgliedstaaten – Finnland, Frankreich, Irland, Lettland, Litauen –, allesamt Rechtsstaaten.

Zur Wirtschaftlichkeit der Agentur: Die Agentur wird im ausschließlichen Eigentum des Bundes stehen und ist nicht auf Gewinn gerichtet. Die Rechtsform ist die einer mildtätigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Wird die Ökonomie beleuchtet, dann gilt es zunächst, die Aufgaben der Bundesagentur vor Augen zu führen: Grundversorgung und Betreuung von Asylwerbern in der Zuständigkeit des Bundes, Bereitstellung der Rechtsberatung für die erste und zweite Instanz, also beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und beim Bundesverwaltungsgericht, Durch­führung der Rückkehrberatung und Abwicklung der Rückkehrhilfe in jeder Phase des Verfahrens, Übersetzungs- und Dolmetschleistungen für Asylwerber und sonstige Fremde für die wesentlichen Sprachen. Die sprachkundigen Kräfte der BBU werden durch externe Dolmetscher und Sprachmittler ergänzt. Schlussendlich stellt die BBU auch Menschenrechtsbeobachter zum Zweck der systematischen Überwachung von Abschiebungen zur Verfügung. (Beifall bei der ÖVP.)

Ziel ist es, Abhängigkeiten von externen Leistungserbringern zu beseitigen und die jeweiligen Aufgaben innerhalb einer bundeseigenen Struktur zu besorgen. Das trägt zu einer rascheren und effizienteren Durchführung von fremden- und asylrechtlichen Verfahren bei.

Das Entscheidende beim Verfahrensrecht ist Schnelligkeit. Ein Kompromiss – Kosten, Schnelligkeit, Richtigkeit –, das ist das, was Verfahrensrechte zu gewährleisten haben. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Effizienz in einem solch sensiblen Themenfeld ist aber nicht alles. Die BBU wird im Wesentlichen hilfs- und schutzbedürftige Menschen versorgen und rechtlich beraten. Diese haben einen langen, oft beschwerlichen Weg hinter sich. (Unruhe bei der SPÖ.) – Zweifeln Sie daran? Oder hören Sie mir nicht zu? Das ist natürlich auch mög­lich. (Bundesrat Schennach: Sie haben noch kein Wort zur Diffamierung von Caritas und Diakonie gesagt!) Manche von ihnen sind traumatisiert, und ich bin froh, dass meine Enkelin, meine Kinder, meine ganze Familie keine Fluchterfahrung machen musste. Es geht um einen ungemein sensiblen Lebensabschnitt, in dem die Seele verletzlich, ja exponiert ist. Es kommt mir als Bundesminister für Inneres darauf an, dass die richtige Balance zwischen Aufwand und Erfolg gefunden wird, um unter Beobachtung der Sparsamkeit eine bestmögliche Betreuung und Beratung für bei uns Schutz suchende Personen zu ermöglichen.

Einer der wirtschaftlichen Vorteile ergibt sich durch Einsparungen infolge des Wegfalls der Gewinnorientierung. Die Kosten des Betriebs der BBU in allen Leistungsbereichen wurden nach dem notwendigen Personal- und Betriebsmitteleinsatz kalkuliert. In die Entwicklung und Quantifizierung des Mengengerüsts wurden mit Rechts- und Rück­kehrberatung befasste NGOs sowie das Bundesministerium für Justiz eingebunden. Als Bundesminister für Inneres bin ich der Überzeugung, dass die Einrichtung der BBU-Unterstützungsleistungen in rechtsstaatlicher und in ökonomischer Hinsicht ein wichtiger und richtiger Schritt ist.

Letzter Punkt: politische Dimension. Das Gesetz ermöglicht für Krisenzeiten oder besondere Lagen auch die Option – das ist ein Pleonasmus – eines zweiten Ge­schäftsführers. Dies ist jedoch nur als strategische Reserve zu verstehen. (Bundesrat


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Schennach: Nur bei aufrechter Koalition!) Als Person kann ich Ihnen da natürlich gar nichts garantieren, ich kann nur sagen: Wenn und solange ich das mache, wird natürlich kein zweiter Geschäftsführer bestellt. Sie können jetzt lachen, weil ich es ja womöglich gar nicht lange mache, das ist mir völlig klar, aber das ist dennoch so. (Bundesrat Schennach: Sagen Sie noch etwas zur Diffamierung von Diakonie und Caritas?) Der Minister hat also die Möglichkeit, einen zweiten Geschäftsführer zu bestellen. So what?

Auch die Besetzung im Aufsichtsrat erfolgt nach rein sachlichen Kriterien. 85 Prozent des Umsatzes der BBU erfolgen in den Agenden des BMI. Diese Verantwortung spiegelt auch die Zusammensetzung des Aufsichtsrates wider. Nichts anderes wäre sachgerecht. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Das ist ungewohnt für mich! Ich spreche normalerweise vor Kolleginnen und Kollegen in Wissenschaft, Gerichtsbarkeit und nicht vor Ihnen. Sie sind ja demokratisch legiti­miert, sage ich immer. Nützen Sie Ihre Legitimation! Ich bin nicht demokratisch legiti­miert. Ich kann Sachverstand einbringen, ich kann Sie beraten, mehr kann ich nicht tun. Ich kann und muss das, was Sie mir jetzt vorgeben, vollziehen. Damit sind wir beim letzten Punkt: Ob dem zukünftigen Minister das, was im Gesetz steht, passt oder nicht, das ist überhaupt nicht die Frage. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Bravo!)

Die vollziehende Gewalt ist Dienerin des Volkes, das Sie, meine Damen und Herren Bundesräte, darstellen, spiegeln. Wir sind die Diener! (Bundesrat Schennach: So hat das ausgeschaut bei Kickl!) Wir ziehen die Gesetze heran und vollziehen sie, und wenn sie uns nicht passen, dann passen wir nicht zum System. Ich ersuche Sie daher, meine Damen und Herren Bundesräte, die Regierungsvorlage über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen zu unterstützen und dem Gesetzesvorschlag im Plenum Ihre Zustimmung zu erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.01


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile es ihr.


12.01.58

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Prä­sident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, nach dieser sehr ausführlichen Einführung in die Rechtsgrundlagen des Staates, quasi dieser Rechtsvorlesung, die wir besucht haben (Bundesrätin Mühlwerth: Die ist eh nötig für euch! Die braucht ihr eh!), komme ich wieder zurück zum eigentlichen Kern des Tagesordnungspunkts, nämlich zur BBU. Die BBU, die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen im Bereich der Erstbetreuung von Flüchtlingen, hat einen leicht sperrigen Namen, der vielleicht ein bisschen mehr an positiven Aspekten mitschwingen lässt oder nahelegt, als es in Wahrheit sind. (Vizepräsident Koller übernimmt den Vorsitz.)

Ja, die Schaffung dieser Agentur ist von der nunmehr ehemaligen Regierung mit Ver­einheitlichung, Effizienzsteigerung, Kostensenkung und vielem mehr begründet wor­den. Ich habe jetzt einmal die Erreichung dieser Zielsetzungen einer genauen Über­prüfung unterzogen, und ich darf auch Sie bitten, das zu tun, und zwar unter folgender Prämisse – und ich zitiere aus einer der zahlreichen Stellungnahmen, die eingegangen sind, nämlich aus der der Caritas –: „Ganz allgemein soll zunächst daran erinnert werden, dass es sich bei AsylwerberInnen um eine unterprivilegierte und vulnerable


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Gruppe handelt, die (zumeist) nicht rechtskundig ist, [...] oft Traumatisches erlebt hat, weshalb sie besonderen Schutz braucht.“ Ich darf Sie bitten, diese Gesetzesvorlage unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­des­rates Stögmüller.)

Nun zu unseren Kritikpunkten: In Wahrheit handelt es sich schlicht und einfach um eine Ausschaltung der NGOs, sei es die Caritas, sei es die Diakonie und viele andere mehr, die eben bis jetzt durchaus qualitativ hochwertig die Rechtsberatung und Rückkehr­beratung von Asylwerbern übernommen haben. Jetzt sollen noch dazu weisungs­ge­bundene Beamte diese Rechtsberatung übernehmen. Das ist weder unabhängig noch objektiv. Ganz im Gegenteil! Es soll weiters dann auch noch der Rechtsanspruch auf diese Rechtsberatung unter gewissen Umständen teilweise wegfallen, wie wir schon gehört haben. Dabei, und ich glaube, da sind wir uns einig, hat Rechtsberatung gerade in einem Rechtsstaat wie Österreich eine ganz wesentliche Bedeutung für einen effek­tiven Rechtsschutz. Da werden Sie mir recht geben. (Bundesrat Schennach: Das glaube ich nicht! – Bundesrätin Schumann: Doris, da sind wir uns nicht einig!)

Die Kosten muss ich an dieser Stelle nicht mehr genauer beleuchten, denn davon haben wir heute schon detailliert gehört. Nur noch einmal ganz knapp zusammen­ge­fasst: Wir sehen uns hier mit Sofortkosten von 10,9 Millionen Euro konfrontiert, und für die Jahre 2019 und 2020 noch einmal 10 Millionen Euro mehr. Also Einsparung, Effi­zienz – Fehlanzeige!

Weitere Fakten, die da noch in die Diskussion gehören: Zunächst einmal sind ganze 15 Dolmetscherinnen und Dolmetscher österreichweit dafür vorgesehen. Wenn man das hochrechnet, sind das ein bisschen mehr als eineinhalb Dolmetscher pro Bun­desland. Aus meiner Sicht ist das eine wirklich lächerliche Zahl, die man da vorge­sehen hat. Dafür hat man offensichtlich jede Menge Jobs für in dem Fall noch FPÖ-Funktionäre – wie Geschäftsführer, Aufsichtsräte und so weiter – geplant gehabt, die dann ja auch das BMI stellt. Anders kann ich mir diese Regierungsvorlage wirklich nicht erklären. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Dazu kommt noch die Tatsache, dass der künftige Innenminister oder die künftige Innenministerin die nötigen Geschäftsführer der BBU GmbH bestellt, wie wir gerade gehört haben, und sie eben nicht ausgeschrieben werden. Auch hier wird also wieder, wie so oft in der jüngeren Vergangenheit, ein System der Message Control in Rein­kultur geplant.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es im Wesentlichen nur einen Plan gegen die bisher in diesem Bereich tätigen NGOs gibt, denen die unabhängige und objektive Rechtsberatung somit eigentlich untersagt wird. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist unabhängig? Na geh! Die unabhängigen NGOs schaffen einfach nur Jobs für Linke!) Ich darf nochmals darauf hinweisen, dass wir bei Weitem nicht die Einzigen sind, die Kritik und Skepsis äußern. Es sind immerhin 40 Stellungnahmen im Begutachtungs­zeitraum eingelangt. (Bundesrat Weber: 44!) Fast alle davon sind sehr kritisch, negativ, beinhalten jedenfalls aber große Vorbehalte. Wer lesen kann, wer des Lesens mächtig und vor allen Dingen auch willens ist, sollte das zur Kenntnis genommen haben. Wir haben das jedenfalls getan.

Unter den 40 Stellungnahmen befinden sich zahlreiche von NGOs. Der Österreichische Verband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher beispiels­weise kritisiert zu Recht, dass sie zur Stellungnahme gar nicht erst eingeladen wurden. Das Finanzministerium hatte einiges zu bekritteln. Auch einige Länder haben Stellung genommen. Da möchte ich das Land Salzburg hervorheben, das eine ganz konkrete Kostensteigerung, und zwar ohne Verbesserung, und auch eine gewisse Unklarheit in der Umsetzung befürchtet.


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Die Stadt Wien weist außerdem auf einen Aspekt hin, den wir heute noch gar nicht in Betracht gezogen haben, nämlich auf Bedenken, dass diese Gesetzesvorlage nicht auf frauendiskriminierende Auswirkungen hin geprüft wurde, zumal wir wissen, dass in den vergangenen Jahren der prozentuelle Anteil von Frauen unter den AsylwerberInnen kontinuierlich gestiegen ist.

Besonders pikant ist, dass auch die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter eine durchaus kritische Stellungnahme abgegeben hat, aber auch die öster­reichischen Rechtsanwälte in Gestalt des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags. Ich darf auch aus dieser Stellungnahme zitieren – das dürfte für Sie vielleicht nicht unspannend sein –: „Aufgrund der Nahebeziehung der Bundesagentur zum BMI hegt der ÖRAK sohin Zweifel, ob auf diese Weise tatsächlich eine unabhängige Rechts­beratung gewährleistet werden kann.“ Weiter unten heißt es: „Es wird daher angeregt, den bestehenden Gesetzesentwurf im Sinne des Vorgesagten zu überdenken“. (Beifall bei der SPÖ.)

In einer weiteren Stellungnahme sieht der SWÖ eine ganz klare Verletzung des Prin­zips der Rechtsstaatlichkeit. Aus einer Stellungnahme der Diakonie darf ich die Direk­torin der Diakonie Moser zitieren: „Ein solch grundlegender Systemumbau in einem rechts­staatlich äußerst sensiblen Bereich ist für die Zeit der Übergangsregierung jedoch nicht angezeigt“. Und weiter heißt es, dass „die Verstaatlichung der Rechts­beratung durch eine Reihe namhafter Verfassungs- und MenschenrechtsexpertInnen als Angriff auf den Rechtsstaat bezeichnet, und massiv kritisiert wurde.“ (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage mich schon: Schrillen da nicht gerade für Sie alle Alarmglocken? Sie als ehe­ma­liger Präsident des OGH sollten sich da, glaube ich, sehr wohl sehr kritisch dazu äußern. (Bundesrat Seeber: Der Minister hat das vorhin ja ausführlich rechtlich be­gründet!)

Man muss aber sagen, es zieht sich durch und es ist symptomatisch für die ehemalige Bundesregierung, der aus wirklich gutem Grund am vergangenen Montag vom Parlament das Vertrauen entzogen wurde: Vielfach keine Begutachtung oder ein viel zu kurzer Begutachtungszeitraum, das Nichteinbeziehen von direkt Betroffenen, kein Dialog oder nur ein Scheindialog mit der Opposition, Gesetze werden durchgepeitscht, um die eigene Macht noch weiter auszubauen. Die Prinzipien der Demokratie und des Parlamentarismus, die wir vorhin präsentiert bekommen haben, werden ausgehebelt. Das ist aus meiner Sicht immer wieder festzustellen.

Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich appelliere wirklich ein­dringlich an Sie: Nehmen wir diese wiederholt genannten Kritikpunkte ernst und gehen wir in dieser Thematik zurück an den Start! 40 negative Stellungnahmen dürfen wir (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja gar nicht!), glaube ich, im Sinne der Rechtsstaatlichkeit, die heute bereits mehrfach als so bedeutsam für Österreich erwähnt und bestätigt wurde, im Sinne der Menschenrechte – denn an den Menschenrechten darf, glaube ich, in keinster Weise gerüttelt werden – und im Sinne des Rechts auf ein faires Asylverfahren nicht ignorieren.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, noch eines: Wahlkampfreden haben hier, an dieser Stelle, in diesem Hohen Haus keinen Platz! (Bundesrat Samt: Dann hört auf damit! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Daher: Zurück an den Start! Ich bringe in diesem Sinne folgenden Antrag ein:

Antrag

der BundesrätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betref-


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fend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundes­agentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (594 d.B. und 621 d.B.)

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen im Sinn der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen

den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (594 d.B. und 621 d.B.)

einen Einspruch zu erheben.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

Heute besteht die Chance, dem Rechtsstaat wirklich alle Ehre zu geben. Nutzen wir sie! – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

12.11


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den BundesrätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BBU-Errichtungsgesetz erlassen und das BFA-Verfahrensgesetz und weitere Gesetze geändert werden, mit der beigebrachten Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bruno Aschenbrenner. Ich erteile dieses.


12.12.49

Bundesrat Ing. Bruno Aschenbrenner (ÖVP, Steiermark): Werter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerin­nen und Zuseher dieser doch sehr emotionalen Debatte, die wir jetzt hier führen! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ruhe und Besonnenheit haben Sie das eine oder andere Mal ganz klar hervorgehoben, und ich bedanke mich sehr für die glasklaren Worte, die Sie gefunden haben – ein Beweis für Kompetenz und Weitblick! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Samt und Steiner. – Bundesrat Schennach: Keine Polemik, bitte!)

Kollegin Hahn, es ist ganz klar, dass Stellungnahmen hereinkommen, wenn die Leute Angst haben, ihr Geschäft zu verlieren. (Bundesrat Schennach: Fangen Sie jetzt auch mit der Diffamierung an?) Wenn wir die Stellungnahmen der Länder ansehen, die von vier Ländern gekommen sind, von Tirol, Salzburg, Wien und Niederösterreich, dann können wir feststellen, dass diese allesamt nicht negativ waren, weil es die Länder nicht betrifft.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie lang sollen wir warten? – Bis der Innen­minister dem Kollegen David Stögmüller passt? (Bundesrat Schennach: Na geh! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Bis wir einen Innenminister haben, der der Legis­lative genehm ist? (Bundesrat Weber: Zur Sache!)


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Bereits im Jahr 2017, Mitte 2017 ist in der letzten rot-schwarzen Regierung der Ansatz gefunden worden, eine eigene Gesellschaft für die Betreuung von Menschen, die in unserem Land um Asyl ansuchen, zu schaffen, und nun ist es so weit. Mit dem nun vorliegenden Gesetzesbeschluss schaffen wir Qualität und Objektivität und wird durch den Einsatz von hoch qualifizierten Mitarbeitern faire Rechts- und Rückkehrberatung garantiert sowie eine realistische Prognose für die Asylverfahren der Betroffenen ermöglicht.

Liebe Kollegin Schumann! Ganz am Anfang haben Sie unsere öffentlich Bediensteten, unsere Beamtinnen und Beamten dafür gelobt, dass sie sehr gute Arbeit leisten. (Bun­desrätin Schumann: Das tun sie ja auch!) Eben, und somit können wir uns sicher sein, dass auch in der BBU gute Arbeit geleistet wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

Nun ein paar Anmerkungen zum vorhin eingebrachten Antrag auf Einspruch. – Der zu bestellende provisorische Geschäftsführer hat ganz klar in erster Linie nur jene Handlungen vorzunehmen, die bei jeder zu gründenden Gesellschaft zu setzen sind: Eintragung ins Firmenbuch, Eröffnungsbilanz, Einleitung von Vergabeverfahren und dergleichen mehr. Die Ausnahme von einer normalen Stellenausschreibung gilt für maximal 24 Monate, und danach ist ordentlich auszuschreiben. (Bundesrat Weber: Das wird man dann sehen!) Das fällt demnach ganz klar in die Amtszeit eines neuen Innenministers nach den Wahlen im Herbst. Die Kosten sind konstruktiv und konser­vativ berechnet, und Einsparungen ergeben sich jedenfalls durch die Zusammenlegung der Overheads und der Geschäftsführung von aktuell drei juristischen Personen auf eine und somit den Umstand, dass die BBU keine Gewinne schreiben wird und daher jedenfalls die Gewinne der ORS eingespart werden. Die Rechtsberater und Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter werden übernommen, sodass sie mit ihrer Fachkompetenz auch weiterhin zur Verfügung stehen.

Die Bedenken betreffend Rechtsschutzdefizit sind ebenfalls nicht nachzuvollziehen, zumal in etlichen Staaten – sie wurden schon genannt – die Rechtsberatung ebenso von diesen selbst und nicht durch NGOs durchgeführt wird. Förderanträge können durch die BBU rechtzeitig, fristgerecht gestellt werden, sodass es keine Finanzierungs­probleme geben wird. Ein abzuschließender Rahmenvertrag stellt die Rechtsgrundlage für die BBU dar, und man kann sich sicher sein, dass der Abschluss dieses Vertrages, der für das Frühjahr 2020 geplant ist, schon in der Amtszeit eines neuen Innenminis­ters erfolgen wird. Auch der Aufsichtsrat ist erst zu bestellen, wenn die neue Bundes­regierung bereits im Amt ist, da die Agentur ihre tatsächliche Tätigkeit frühestens mit 1.7.2020 aufnehmen wird.

Fakt ist: Das BMI kann diese Aufgaben jedenfalls gut und ordentlich erledigen, und wir werden in unserem Österreich dementsprechend dem ganzen Weg zustimmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.18


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Dr.in Ewa Dziedzic. Ich erteile dieses.


12.18.15

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich halte nochmals fest: Wir treffen heute die Entscheidung darüber, ob künftig die Grundversorgung, die Rechts- und Rückkehrberatung, die Menschenrechtsbeobachtung bei Abschiebungen sowie die Übersetzungs- und Dolmetschleistungen für Asylwerber und -werberinnen allein durch die geplante Bundesagentur durchgeführt werden sollen.


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Zum Stichwort Demokratie und Demokratieverständnis: Eine einzige weisungs­gebun­dene Einrichtung ohne jegliche unabhängige Außenkontrolle, in der all diese heiklen – wir haben das schon mehrmals gehört –, äußerst heiklen Tätigkeitsbereiche zusam­men­gefasst werden, ist alles andere als demokratisch. Das ist das eine.

Stichwort Besonnenheit – (in Richtung Bundesminister Ratz) das haben Sie erwähnt –: Gerade jetzt müssten wir mit Beschlüssen, gerade mit Beschlüssen der ehemaligen Regierung, sehr besonnen umgehen und gerade diese weitreichenden Auswirkungen im Auge behalten. Es geht auch nicht nur um die Auswirkungen, sondern auch um die tatsächliche Umsetzung. Auch das war heute bereits Thema.

Zum Dritten stellt sich für mich aber noch die Frage, inwiefern nicht die Sturheit jener Mandatare, die in der Koalition gewesen sind und diese nach wie vor hochhalten, am meisten eine Rolle spielt, denn für uns selbst, auch wenn Sie sich das subjektiv vielleicht nicht vorstellen können, geht es nicht um wahltaktische Gründe. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner. Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Abseits von groben rechtlichen Bedenken (Ruf bei der FPÖ: Ziemlich groben, Frau Kollegin!), die zahlreiche Juristen/Juristinnen, Experten/Expertinnen in den erwähnten Stellungnahmen geäußert haben, ist es auch meine feste persönliche Überzeugung, dass es gerade in dieser Materie Objektivität statt parteiische Einflussnahme braucht. Zu Recht gibt es einen derart breiten Aufschrei, den Sie aber in Ihrer Verblendung schlicht und einfach ignorieren. (Beifall des Bundesrates Stögmüller.)

Für uns ist es Fakt, dass mit der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstüt­zungs­leistungen endgültig ein asyl- und fremdenrechtliches System etabliert wird, das sich zum einen bestenfalls nur aus sich heraus kontrollieren kann. Zum anderen aber wird eine Blackbox konstruiert, die intransparent, qualitativ unzureichend und auch fehler­anfällig ist, ohne dass es von außen ein Korrektiv dafür gäbe.

Hinzu kommt noch, dass diese strikte Unabhängigkeit des Rechtsbeistandes für die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes und eines fairen Asylverfahrens unabdingbar ist (Bundesrat Steiner: Die NGOs sind unabhängig? – Ruf bei der SPÖ: Das sagt ja schon der Name!) und er deshalb nicht in der direkten Einflussnahme des Innenministers stehen kann, der gleichzeitig weisungsbefugtes Organ des Bun­des­amtes für Fremdenwesen und Asyl ist. (Zwischenrufe bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.) Um genau dieses Korrektiv geht es. Es geht nicht um die NGOs, es geht um Transparenz und um Kontrolle, genauso wie es darum geht, dass der Innenminister in einem Interessenkonflikt sein wird, da er die Doppelfunktion in Zukunft auch dafür nützen könnte, dem BFA im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einen Pro­zessvorteil zu verschaffen. Das werden Sie (in Richtung Bundesminister Ratz) als Experte wissen. Damit – und da sind wir bei den Grundrechten – wird das Recht auf ein faires Verfahren nach der Grundrechtecharta der Europäischen Union unterlaufen. (Bundesrat Steiner: Aber das ist der Unterschied! Da sitzt der Experte, und Sie sind keine Expertin! – Bundesrätin Grimling  in Richtung Bundesrat Steiner –: Wie Sie der Experte sind!)

Wenn Sie die Grundrechte nicht überzeugen – auch das war heute schon Thema (Zwi­schenrufe bei der SPÖ), könnten Sie sich vielleicht noch mit den Mehrkosten be­schäftigen. Tatsächlich ist es so, dass die Kostenkalkulation nicht nur vollkommen unschlüssig ist (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von FPÖ und SPÖ) – das sagen Ihnen die Budgetexperten auch, wenn Sie mir nicht glauben –, sondern wir wissen auch, dass bei gleichbleibender Anzahl von neu eingehenden und abge­schlos­senen Verfahren mit etwa 69 000 anhängigen Verfahren im Asyl- und Fremden­rechts­bereich zu Beginn des Jahres 2021 zu rechnen sein wird und dadurch bisher nicht berücksichtigte Kosten von mindestens 17,6 Millionen Euro anfallen werden.


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Wenn Sie auch diese Argumente nicht überzeugen und wir schon feststellen mussten, dass es auch keinen Sinn hat, an Ihre Vernunft zu appellieren (Bundesrat Bader: Na, na, na!), möchte ich nur festhalten, dass gerade Sie (in Richtung Bundesminister Ratz) es gewesen sind, der gesagt hat, dass Beschlüsse mit weitreichenden Auswirkungen nicht dienlich und gerade in dieser Situation, in der wir uns befinden, auch gefährlich sind. Wir wissen auch, dass in dieser Situation der Unsicherheit Beschlüsse wie dieser zu noch mehr Ungewissheit führen werden.

Da Sie auch gemeint haben, Sie wollen nicht präjudizieren: Genau das erfolgt. Die nächste Regierung, egal, wie sie aussehen wird, ist daran gebunden. Genau das ist der Kritikpunkt unsererseits. Wenn dieses BBU-Errichtungsgesetz heute den Bun­desrat passiert, wird die Übergangsregierung zum einen zwangsläufig und unver­züglich Schritte setzen müssen, welche die normale bürokratische Verwaltungsarbeit weit überschreiten, aber auch die reguläre nächste Regierung in ihrem Gestal­tungs­spielraum einschränken und binden werden.

Das heißt, falls die Umsetzung der Vorbereitungshandlungen – die Sie nicht garan­tieren können – mangelhaft erfolgt, herrscht zum einen ein enormes rechtsstaatliches Risiko. Hinzu kommt eine Reihe von ungeklärten Fragen, die das Innenministerium erst in Absprache mit dem Justizministerium klären muss. Auch in diesem Punkt herrscht nichts anderes als reine Ungewissheit. Wird diese Bundesagentur nicht rechtzeitig errichtet und funktionsfähig sein, kommt es neben diesem Systembruch auch noch zu einem vollkommenen Versagen gerade in der zweiten Instanz. Die Verfahren kommen zum Erliegen, und das bedeutet wiederum eine massive Verzögerung der Verfahren und damit ebenso erhöhte Kosten für die Grundversorgung.

Menschenrechte zu wahren, die Flüchtlingskonvention zu respektieren, die Grund­rechtecharta nicht zu torpedieren hat im Übrigen auch nichts damit zu tun, wie viele Menschen Österreich bisher aufgenommen hat. Es geht vielmehr darum, wie wir faire Verfahren in Österreich weiterhin garantieren wollen. Diese regierungsunfähige Ex-Regierung wird so und so als eine wenig rühmliche Ära in die Geschichte eingehen, wie ich meine (Bundesrat Bader: Individuelle Geschichts...! – Zwischenruf des Bun­des­rates Steiner), und wir könnten heute dafür sorgen, dass diese Phase der Ver­unsicherung, der Unmenschlichkeit nicht in die Verlängerung geht. Sinnvoll ist daran nämlich gar nichts.

In einem gebe ich der ÖVP am Ende aber noch recht: Tatsächlich ist es so, dass wir ein funktionierendes System brauchen. Wir wissen – das haben wir Grüne erfragt –, dass die Fehlerquote im BFA bei 42 Prozent liegt – das kann man gar nicht oft genug wiederholen. Das ist Österreichs nicht würdig. Ich frage mich aber schon: Wenn Sie an einer Lösung orientiert, an einem funktionsfähigen System interessiert sind, wieso lassen Sie sich gerade beim heiklen Thema Asyl von der FPÖ vor ihr hertreiben? Wo bleiben Ihre Werte, Ihre erwähnte christlichsoziale Ausrichtung? Und nochmals: Wo bleibt hier die Vernunft? – Das alles, was Sie hier beschließen wollen, wird zu keiner demokratischen funktionsfähigen Lösung führen. Das ist Fakt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Eines noch: Die EU-Grundrechtecharta hat in Österreich Verfassungsrang – ich weiß nicht, ob Sie das wissen –, das stellte der Verfassungsgerichtshof bereits 2012 fest. Damals war der Anlass dafür, dass es bei den Grundsatzentscheidungen zahlreiche Beschwerden gegen die Entscheidungen des Asylgerichtshofes gegeben hat. Das heißt, auch das ist für mich kein Argument. Die Rechtsstaatlichkeit ist nur dann gewahrt, wenn sich alle hier notwendigen und zuständigen Behörden und Gerichte, genauso wie, wie im erwähnten Fall, der Verfassungsgerichtshof, dementsprechend zu Wort melden können und auch gewisse Dinge richtigstellen.


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Jedenfalls ist es in diesem Sinne und aufgrund des Beschlusses heute, den Sie mittragen, gefolgt von einer Reihe von Beschlüssen der türkis-blauen Ex- oder jetzt noch Übergangsregierung, für uns wirklich ein trauriger Abschluss. Ich kann nur noch einmal festhalten: Es ist ein Präjudiz, das Sie hier möglich machen. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Wille des Volkes zwar ein funktionierendes System wünscht, aber gleichzeitig auch ein transparentes und ein menschenwürdiges. Das wird mit diesem Beschluss sicherlich nicht erreicht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Stögmüller.)

12.29


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Spanring zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.29.48

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Dziedzic hat am Anfang ihrer Rede behauptet, dass bei der Rechtsberatung Weisungen möglich sind. – Das ist inhaltlich falsch. Der Innenminister hat nur gegenüber der Geschäftsführung ein Weisungsrecht, und diese wiederum unterliegt der Kontrolle des Aufsichtsrates. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Dziedzic.)

12.29


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. – Bitte.


12.30.21

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuseherinnen zu Hause! Ich könnte es mir jetzt leicht machen und einmal polemisch sagen, je lauter Kollegin Dziedzic gegen eine Gesetzesvorlage agiert, desto besser muss sie eigentlich sein. Darauf werde ich aber verzichten. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesrätin Dziedzic.)

Es ist in dieser Debatte schon einiges Bedenkliches zutage getreten, nämlich massive Zweifel an der Funktionsfähigkeit der österreichischen Verfassung. Das wurde speziell von den fraktionslosen Kollegen in einer despektierlichen Art und Weise gemacht, indem vorher Herr Minister Blümel überhaupt nur als Blümel angesprochen wurde, der jetzige Innenminister als Interimsminister (Rufe bei der SPÖ: Ist er ja!), und so hat sich das durchgezogen.

Es gibt diesen Begriff nicht. Es gibt einen Minister oder keinen Minister, und die österreichische Verfassung stellt sicher (Bundesrat Weber: Dieses Problem möchte ich haben ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn – Ruf bei der FPÖ: Du hast größere Probleme!), dass wir immer eine Regierung mit Ministern haben und eben nicht der Staatsnotstand ausbricht, sondern sehr wohl alles in geregelten Bahnen weitergeht. Zur Argumentation, die gebracht wurde: Wir wissen ja noch nicht, was die neue Re­gierung macht, deswegen dürfen wir diesem Gesetzesbeschluss, den der Nationalrat noch vor der Regierungsumbildung gefasst hat, nicht zustimmen!, würde ich vor­schlagen: Wir setzen gleich alle Gesetze außer Kraft, die die letzte Bundesregierung in den eineinhalb Jahren erlassen und beschlossen hat, denn wir wissen ja nicht, ob die neue das auch machen will. (Heiterkeit, Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Pisec.)

Also hier ist an Logik noch einiges aufzuholen. Ich weiß schon, dass euch das am liebsten wäre, aber das wird es halt nicht spielen, und so ist es auch nicht logisch. Das Argument von Kollegen Weber, wir können diese Behörde, diese Agentur nicht


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schaffen, weil wir noch nicht wissen, wer ihr vorstehen wird, wer der Geschäftsführer sein wird, ist auch ein sehr seltsames Argument, denn jede Institution wird zuerst ein­mal gegründet, und dann schaut man, wer sie führen soll, und nicht umgekehrt.

Besonders verwundert hat mich der Sinneswandel bei der SPÖ. Ihr seid es ja, die immer fordern: mehr Staat, weniger privat. Jetzt hat das diese Bundesregierung in einem Bereich gemacht, jetzt passt es euch auf einmal nicht. (Anhaltende Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Das ist also ein ganz eigenartiger Zugang. Wie es euch gerade in den Kram passt, so dreht ihr die Argumente, aber diese Argumentationen sind halt dann nicht glaubwürdig.

Tatsache ist natürlich, dass jene am lautesten gegen diese Gesetzesvorlage argu­mentiert und gekämpft haben, die selbst davon betroffen sind. Das sind also die NGOs, Diakonie, Caritas und so weiter. Das ist ja teilweise verständlich, weil es ihre Geschäfte betrifft, es wird ihnen ein gewisser Geschäftszweig entzogen. Wie gesagt, das ist noch verständlich, aber deswegen nicht unbedingt ernst zu nehmen.

Das Zweite, was mir auffällt, ist, dass es genau diese Organisationen waren, die im Jahr 2015 am lautesten die Welcome-Kultur propagiert haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Das halte ich nicht mehr für verständlich, sondern eher für gefährlich, muss ich ganz ehrlich sagen, denn die Objektivität, die hier immer einge­fordert wird, scheint gerade von jenen nicht gewährleistet zu sein, die am lautesten diese Welcome-Politik und diese Wir-schaffen-das-Politik propagiert haben.

Was erwarte ich mir als Objektivität in einer Rechtsberatung? – Ich erwarte mir auch, dass man ehrlich aufgeklärt wird, ob man eine Chance hat. Wie schätzt das ein Rechtsanwalt ein, wenn ich heute zu einer Rechtsberatung gehe und beispielsweise einen Streit mit meinem Nachbarn anzetteln will? – Er wird sagen: Passen Sie auf, da haben wir kaum Chancen. Wenn Sie wollen, können wir die Klage machen, aber ich sage Ihnen, die Chancen sind gering. – Dann werde ich es bleiben lassen, weil ich das Kostenrisiko selbst zu tragen habe.

Das ist in dem Fall aber nicht so. Derjenige, der hier sämtliche Instanzen in Anspruch nimmt, hat kein eigenes Kostenrisiko zu tragen. Damit entstehen natürlich enorme Folgekosten. Durch diese Verfahrensverschleppungen über alle Instanzen – es wurde ja bereits einmal erwähnt – entstehen sehr hohe Kosten, und es geht ja auch darum, diese Kosten in aussichtslosen Fällen zu vermeiden.

Da sind es ebenfalls wieder jene Organisationen, jene NGOs, die dann, wenn sie ein aussichtsloses Verfahren über Jahre verschleppt haben, am lautesten schreien und sagen: Um Gottes willen, der arme Mensch, der ist ja schon so gut integriert, dem muss man jetzt unbedingt ein humanitäres Bleiberecht geben! – Dasselbe Spiel hat man in der Lehrlingsdiskussion gesehen. Über 70 Prozent jener Asylsuchenden, die eine Lehre begonnen hatten, hatten bereits einen negativen erstinstanzlichen Be­scheid. Schauen wir einmal, dass jene, die schon Asylrecht in Österreich haben (Bun­desrätin Schumann: Ja, das werden wir machen!), eine Lehre beginnen! Hier also schließt sich der Kreis dieser NGOs, und deswegen bin ich sehr froh, dass die Rechts­beratung jetzt in objektive, in staatliche Hände gegeben wird.

Von Kollegin Hahn wurde die Rechtsstaatlichkeit ganz massiv in Zweifel gezogen. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Hahn.) – Sie haben diese Rede offensichtlich vorbe­reitet, natürlich noch nicht im Wissen, wer heute hier als Minister sitzt, und sind da irgendwie an den Falschen geraten, weil er sich gerade in diesen Dingen besonders gut auskennt.

Ein letztes Argument noch, das immer gebracht wird, ist jenes, dass wir jetzt ein Präjudiz schaffen und so weiter. Bitte, dieses Gesetz wird ja erst mit Ende 2020, also


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erst ab 2021, rechtswirksam. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es gibt noch genügend Zeit, eine solide Vorbereitung für die Umsetzung dieses Gesetzes zu machen. (Bundesrat Schennach: Nur der Minister sollte hier die Diffamierung von Caritas und Diakonie ...! Das ist erbärmlich!) Was ich gar nicht verstanden habe, war das Argument, dass die Rechtsberatung nicht demokratisch sei. Eine Rechtsberatung braucht nicht demokratisch zu sein. Sie soll objektiv, umfassend und kostenschonend stattfinden. Gott sei Dank werden wir heute dieses Gesetz, das die letzte Bundes­regierung noch auf den Weg gebracht hat, auf Schiene bringen und damit in die richtige Richtung fahren. (Beifall bei der FPÖ.)

12.39

12.39.17


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Bundesrat David Stögmüller hat gemäß § 51 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, den Tagesordnungspunkt 2 betreffend den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit be­schränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfah­rensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 ge­ändert werden, zu vertagen und den Ausschuss für innere Angelegenheiten erneut mit der Vorberatung zu betrauen.

Ich lasse nunmehr über den Vertagungsantrag des Bundesrates David Stögmüller gemäß § 51 Abs. 1 der Geschäftsordnung abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Tagesordnungspunkt zu vertagen und den Ausschuss für innere Angelegenheiten erneut mit der Vorberatung zu betrauen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der BundesrätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kolle­gen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BBU-Errichtungsgesetz erlassen und das BFA-Verfahrensgesetz und weitere Gesetze geändert werden, mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Einspruch ist somit abgelehnt. (Bundesrat Schennach: Schade!)

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Ausschussantrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen. (Jö-Rufe bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Keine Koalition ...?! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Ruf bei der SPÖ: Der Steiner hat’s leicht ...!)

12.41.433. Punkt

Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission für 2019 sowie dem Achtzehnmonats­pro-


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gramm des rumänischen, finnischen und kroatischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-673-BR/2019 d.B. sowie 10181/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger. – Ich bitte um den Bericht.


12.42.13

Berichterstatter MMag. Dr. Michael Schilchegger: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Bericht des Bundes­minis­ters für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2019 sowie dem Achtzehnmonatsprogramm des rumänischen, finni­schen und kroatischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union.

Dieser liegt Ihnen bereits in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Mai 2019 einhellig den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile ihm dieses. (Bundesrätin Mühlwerth – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Schabhüttl –: Er kann’s gar nicht erwarten, der Kollege Schabhüttl!)


12.42.59

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und werte Zuseher zu Hause! „Wir sind nicht auf der Erde, um ein Museum zu hüten, sondern um einen Garten“ – zu gestalten, auszubauen und – „zu pflegen“. – Zitat des Reformpapstes Johannes XXIII.

Unser Garten ist ein großer: Europa, Österreich – und hier geht es vor allem um die innere Sicherheit.

Die Zustimmung zu Europa und zu unseren Vertretern im Europaparlament wurde ja am vergangenen Sonntag mit einer hohen Wahlbeteiligung eindrucksvoll bekundet. Mit 35 Prozent der abgegebenen Stimmen zeigte sich auch großes Vertrauen zumindest für die Repräsentanten der Österreichischen Volkspartei, der ich angehöre. (Beifall bei der ÖVP.)

Bei der Sitzung des Nationalrates am 16. Mai hat der vor Kurzem vom Herrn Bun­des­präsidenten entlassene Innenminister Herbert Kickl dem Parlament einen Bericht mit Stellungnahmen und Einschätzungen zu sicherheitsrelevanten Themen des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für das Jahr 2019 sowie zum Achtzehnmonatsprogramm des EU-Ratsvorsitztrios Rumänien, Finnland und Kroatien vorgelegt. Es ist ein Bericht, der noch unter dem EU-Vorsitz Österreichs – in erster Linie unseres Bundeskanzlers Sebastian Kurz – entstanden ist. Der Misstrauensantrag rief Kopfschütteln hervor und war und ist auch im Inland nicht ganz nachvollziehbar.

Im Mittelpunkt des Berichtes stehen die Schaffung eines integrierten Grenzschutz­mana­gements, einer regulierenden Migrations-, Asyl- und Visapolitik sowie die Be­kämpfung von Kriminalität und des Terrors. – Es sind ganz wesentliche Punkte.

Zu Punkt eins: Das Ziel des integrierten europäischen Grenzmanagements besteht darin, das Überschreiten der Außengrenzen effizient zu steuern, den Migrationsdruck


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und künftige potenzielle Bedrohungen an diesen Grenzen zu bewältigen, somit unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte und Wahrung der Freizügigkeit einen Beitrag zur Bekämpfung von schwerer Kriminalität mit grenzüberschreitenden Dimen­sionen zu leisten und ein hohes Maß an innerer Sicherheit in der Union sicherzustellen.

Österreich ist gefordert, seine Strategie aus dem Jahre 2014 entsprechend zu über­arbeiten und eine Mehrjahres- oder überhaupt mehrjährige Strategie samt strate­gischem Implementierungsplan und jährlichen Aktionsplänen zu erstellen.

In Punkt zwei geht es um die Umsetzung einer gemeinsamen Visapolitik. Die Euro­päische Kommission bemüht sich im Rahmen eines ergebnisorientierten Prozesses darum, dass die fünf betroffenen EU-Mitgliedstaaten Bulgarien, Kroatien, Zypern, Polen und Rumänien in das amerikanische Programm – das ist so gestaltet, dass die Amerikaner nur jenen ein Visum ausstellen, die für 90 Tage in ihr Land einreisen dürfen – aufgenommen werden. Die Europäische Kommission wird spätestens im September 2019 über die weiteren Entwicklungen berichten. Österreich begrüßt die Bemühungen der Europäischen Kommission, um die Gegenseitigkeit bei der vollständigen Befreiung von der Visumspflicht für alle Mitgliedstaaten zu erzielen.

Der nächste Punkt ist natürlich auch ein sehr wesentlicher: die Verwendung von Finanz- und sonstigen Informationen zur Verhütung, Untersuchung oder Verfolgung bestimmter Straftaten. Strafverfolgungsbehörden werden bei schweren Straftaten direkten Zugriff auf die nationalen zentralisierten Register enthalten. Bisher war es ja nicht möglich, dass in Bankkonten Einsicht genommen wurde. Die neuen Richtlinien ergeben eine solche Möglichkeit, vor allem auch, dass es entsprechende Meldestellen für Geldwäscheverdachtsanzeigen geben wird.

Die Zielrichtung der Richtlinie zur Verstärkung der Finanzermittlung im Bereich der Strafverfolgung wird von Österreich daher entsprechend unterstützt. Durch die Richtlinie werden Finanzermittlungen in der EU erheblich beschleunigt. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für eine effektive Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Terrorismus.

Katastrophenschutzverfahren in der Union: Der Europäische Katastrophenschutz­mecha­nismus soll verstärkt und effektiver werden. Für den Fall, dass Länder in Bezug auf die nationalen Reaktionsfähigkeiten bei Katastrophenfällen überfordert sind, soll eine stärkere Beteiligung durch die EU sichergestellt werden. Es soll insbesondere die Schaffung von Kapazitäten, wie zum Beispiel Flugzeuge zur Waldbrandbekämpfung, ermöglicht werden. Darüber hinaus sollen auch jene Unterstützungsleistungen, die nicht überall vorhanden sind, international eingesetzt werden können. Wir hoffen natür­lich alle, dass solche Katastrophen in Zukunft nicht eintreten.

Von unserer Seite, also von der Seite Österreichs wird die kollektive Fähigkeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten im Bereich des Katastrophenschutzes begrüßt.

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Grenzüberwachung vor dem Hintergrund der Migrationskrise 2015. Wir alle können uns noch sehr gut erinnern, vor allem jene, die das so unmittelbar an der Grenze miterlebt haben wie einige von uns Steirern. Es waren große Schwachstellen im Bereich des Außengrenzmanagements vorhanden, als Tausende über die Grenze zu Slowenien bei Spielfeld nach Österreich gekommen sind, vorbei an allen Exekutivbeamten, Heeresangehörigen, die nicht fragten: Woher kommt ihr? Wohin geht ihr? – Es waren Menschen, die einfach vorbeimarschiert sind. Es geht also vor allem darum, dass ein entsprechend ausführliches Management unbedingt notwendig sein wird.

Die Entwicklung der letzten Monate, vor allem im Bereich der inneren Sicherheit und der Sekundärimmigration im Schengenraum, wurde eingehend beobachtet. Aufgrund


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nach wie vor zu hoher Zahlen von Aufgriffen illegal eingereister beziehungsweise auffälliger Personen und von Asylansuchen im Bundesgebiet ist die Lage als nicht ausreichend stabil zu bezeichnen. Aus diesem Grund erfolgen seit November 2018 für den Zeitraum von sechs Monaten diese Binnengrenzkontrollen zu Slowenien und zu Ungarn, die bekannt sind. Österreich bekennt sich zur Stärkung des Schengenraums. Geeignete Außengrenzkontrollen und ein krisenfestes Asylsystem sind jedoch wesent­liche Voraussetzungen für Freiheit, Sicherheit und Recht in einem Raum ohne Binnen­grenzen.

Ich glaube, die wesentlichen Punkte aus diesem umfangreichen Bericht mit all seinen inhaltlichen Schwerpunkten so weit dargestellt zu haben, und wir glauben – von unserer Vertretungsseite her –, diesem Bericht auch unbedingt zustimmen zu können. Es geht um die Sicherheit Österreichs. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.51


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Schabhüttl. – Bitte sehr.


12.51.26

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Dr. Ratz! Kolleginnen und Kollegen hier im Haus! Zuseherinnen und Zuseher hier und zu Hause! Ein Vorredner hat vorhin gesagt: „Ruhe und Besonnenheit“. – Ich habe es ein bisschen anders aufgefasst. Herr Dr. Ratz, ich hatte bis heute auch beim Lesen Ihrer Biografie kein Problem mit Ihrer Unabhängigkeit, aber – wie gesagt – eben nur bis heute. Ich glaube, als ehemaliger Präsident des Obersten Gerichtshofes hätten Sie die Aufgabe, die Ihnen heute gestellt wurde, unabhängiger und viel sachlicher lösen können. Ich kann, glaube ich, seitens unserer Fraktion sagen, dass auch bei Ihnen die Parteipolitik doch ein wenig mitgeschwungen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben vom Vorredner schon einiges über diesen Bericht gehört, den wir im Ausschuss auch einhellig zur Kenntnis genommen haben. Das lässt mir die Zeit, ein wenig auf den bisherigen Sitzungsverlauf einzugehen. Beginnen möchte ich mit Kollegin Mühlwerth – sie ist jetzt leider nicht da –, die sich am Anfang ihrer Rede für die zwei Ibizaboys, Herrn Strache und Herrn Gudenus, entschuldigt hat beziehungsweise deren Verhalten für nicht entschuldbar erklärt hat. Sie hat dies mit einiger Sachlichkeit gesagt, was mich auch dazu veranlasst hat, mit Applaus zu antworten, was ich normalerweise bei Reden von Kollegin Mühlwerth eher selten mache. Umso schlimmer ist es dann, wenn dies im Nachhinein – und da hat es mir schon wieder leidgetan, ihr für diese Offenheit applaudiert zu haben – wieder relativiert und entschuldigt wird.

Ich finde das sehr, sehr traurig, nicht nur angesichts dessen, dass Herr Strache und Herr Gudenus als hohe Repräsentanten der österreichischen Politik so in Misskredit geraten sind, sondern auch deshalb, weil wir alle damit in Misskredit geraten sind, jeder einzelne Politiker und jede einzelne Politikerin.

Die Aussage: Wir haben jetzt nichts mehr mit Herrn Gudenus – bei dem stimmt es wahrscheinlich –, aber auch mit Herrn Strache zu tun!, würde auch meinem Ansinnen entsprechen; aber wenn wir überlegen: Herr Gudenus ist freiwillig aus der Frei­heitlichen Partei ausgetreten, Herr Strache nicht. Bei allen anderen ähnlichen Verfeh­lungen wurde derjenige hinausgeworfen oder zumindest – so haben es die Freiheit­lichen bisher immer gesagt – wurde die Parteimitgliedschaft ruhend gestellt. Davon habe ich nun bis jetzt noch nichts gehört. Jetzt steht noch die Möglichkeit für Herrn Strache, ins Europäische Parlament zu kommen, im Raum, auch diesbezüglich hört man: Er wird das Richtige machen! – Ich denke schon, dass es einer klaren Sprache seitens der Freiheitlichen Partei bedarf.


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Ich habe mir zu den Reden von Herrn Kollegen Spanring – der ist auch nicht da – und von Herrn Krusche – der ist da – aufgeschrieben, dass sie ein wenig die Rechts­staatlichkeit vermissen lassen (Ruf bei der FPÖ: Zur Sache!), aber wirklich. Egal ob es ein Verwaltungsstrafverfahren, ein gerichtliches Verfahren, ein Asylverfahren ist, es gibt da Instanzenzüge – und das nenne ich Rechtsstaatlichkeit. Da kann man keinem Staatsbürger, keinem Asylwerber et cetera vorwerfen, dass er diese Rechtsinstanzen ausnützt beziehungsweise in Anspruch nimmt.

Auch Kollege Steiner ist jetzt nicht hier. Ich glaube, Kollege Steiner ist ein sehr emotio­naler Mensch. (Bundesrat Krusche: Na, kommen wir jetzt zur Sache! – Ruf bei der FPÖ: Um was geht es jetzt überhaupt?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Herr Kollege, bitte zur Tagesordnung übergehen!


Bundesrat Jürgen Schabhüttl (fortsetzend): Ich habe Kollegen Steiner – sehr unkul­tiviert! – schon öfter zuhören müssen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wenn er aber von der zweiten Reihe aus Fäkalausdrücke rausrülpst, hat das mit der Würde des Hauses überhaupt nichts mehr zu tun. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Rösch: Komm einmal zum Punkt! Um was geht’s denn?!) – Ich komme schon zum Punkt. Ich habe ja 10 Minuten Zeit, um zu reden. (Bundesrat Rösch: Dass ihr immer ein bissl länger braucht, das wissen wir, aber 10 Minuten, bis er zum Punkt kommt, ist ein bissl fad!)

Ich möchte Herrn Bundesrat Sperl zu der Geschichte mit den 1,50-Euro-Jobs sagen: Wenn jemand arbeitet, dann sind 1,50 Euro zu wenig, egal wer es ist. (Bundesrat Rösch: Das stimmt ja auch nicht! Immer diese Halbwahrheiten!) – Jetzt horchen Sie mir zu! Sie müssen mich fertig sprechen lassen! (Bundesrat Rösch: Ja, ihr tut immer so, als müsste der von 1,50 Euro leben! – Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesrat Rösch und Bundesrätin Hahn.– Ich bin bei Ihnen, dass wir die 1,50 Euro nicht nach unten revidieren, und ich bin bei Ihnen und unterstütze Sie dabei, dass Rekruten und Zivildiener mehr bekommen müssen. Dafür haben Sie meine Unterstützung, aber keiner sollte in unserem Land für Arbeit 1,50 Euro in der Stunde bekommen. (Bun­desrat Rösch: Das stimmt einfach nicht! – Ruf bei der FPÖ: Zur Sache!) – Ich spreche zur Sache. Jeder hat hier die Möglichkeit, zur Sache zu sprechen.

Wir haben ja schon vorhin gehört, dass es einige Punkte in diesem Bericht gibt, wie die gemeinsame Umsetzung der Visapolitik mit den USA, die Vorbereitung eines ungeordneten Brexits, Visainformationen, die Stärkung der Finanzmittel. Es gibt viele Punkte, mit denen wir uns auseinandergesetzt haben und denen wir hundertprozentig zustimmen können. Es gibt ein paar Punkte in diesem Bericht, die nicht unsere hundertprozentige Zustimmung finden, aber der Bericht ist wie vorhin gesagt schon im Ausschuss von uns zur Kenntnis genommen worden.

Da mir noch Redezeit bleibt, werde ich diese auch nützen (Bundesrat Rösch: Keine Drohungen!) und noch auf ein paar Dinge eingehen, da sie mit dem Innenministerium, mit dem Herrn Innenminister zu tun haben. Ich frage mich dauernd: Warum wollte die ÖVP unbedingt dieses Innenministerium zurück und hat dafür einiges in Kauf genommen? – Es gibt zwei Varianten: Kurz hat es bewusst gemacht, hat die Latte für die FPÖ so hoch gelegt, um diese Regierung zu sprengen; das ist ihm auch gelungen. Oder: Die ÖVP hatte Angst, dass etwas aus diesem Innenministerium an die Öffentlichkeit kommt, das uns alle erschüttern wird. Es gibt also diese zwei Varianten, die Auswahl überlasse ich Ihnen.

Auf alle Fälle kann ich jetzt allen ganz klar sagen: Wir – und ich sage bewusst: wir – Polizisten haben einen Eid auf die Republik abgelegt. Lassen Sie die Polizei unab­hängig ermitteln! An die ÖVP und an die FPÖ gerichtet sage ich: Hände weg – egal von welcher Seite – von der Einflussnahme auf unsere unabhängigen Polizistinnen und Polizisten! Sie haben das nicht verdient, weil sie gut arbeiten, und auch die Bevöl-


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kerung hat das nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Rösch: Es gibt kein einziges Beispiel, das das unterstützt!)

Herr Kurz hat seine Machtinteressen über die Staatsinteressen gestellt. Er hat sein Interesse über das der fleißigen und anständigen Bürger in diesem Land gestellt. Deshalb haben ihm die gewählten Volksvertreter im Nationalrat das Vertrauen ent­zogen, und das ist wirkliche Demokratie. (Bundesrat Rösch: Was ist das Prinzip? Man kann ja auch über den Silberstein reden!)

Es gibt keine Staatskrise, es gibt auch keine Regierungskrise. Wir haben ganz offen­sichtlich eine Kurz-Krise und eine ÖVP-Macht- und -Machtrauschkrise, und das brauchen wir nicht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir jetzt auch nicht gebraucht!)

13.00


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Bundesrat Gerd Krusche zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.

*****


13.01.02

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Vor­sitzender, du hast zugelassen, dass Herr Kollege Schabhüttl eigentlich 90 Prozent seiner Redezeit dazu verwendet hat, zu Dingen zu reden, die mit dem Verhand­lungsgegenstand überhaupt nichts zu tun haben, um über Gott und die Welt zu fabulieren. (Bundesrat Schennach: Was war in der Aktuellen Stunde?) Ich habe noch verstanden, dass zu Beginn, bei der Aktuellen Stunde, auf aktuelle Ereignisse Bezug genommen wurde, aber jetzt, bei einem vorliegenden Bericht, über Gudenus, über Strache, über Ibiza, über Machtgelüste der ÖVP zu fabulieren, unabhängig davon, ob da irgendein sachlicher Hintergrund vorhanden ist, ist fehl am Platz. Das hat da nichts zu suchen.

Ich möchte hier ausdrücklich – ich nehme mir das heraus – namens meiner Fraktion meine Enttäuschung über deine Verhandlungsführung zum Ausdruck bringen, nämlich dass du nicht entsprechend der Geschäftsordnung den Redner dazu aufgefordert hast, zur Sache zu sprechen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

13.02

*****


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm dieses.


13.02.24

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kollegen! Verehrte Zuhörer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Es ist ja bezeichnend für das Sittenbild dieser Sozialisten: Wenn es um das Thema Sicherheit geht, nutzt man die Rede lieber zum Verdienen von politischem Kleingeld. (Bundesrätin Schumann: Ja, Ibizavideo! Vernünftig!) Herr Schabhüttl, es ist eigentlich noch bezeichnender, das noch dazu in der Funktion eines Polizeibeamten zu tun, der eigentlich für seine Kollegen einstehen sollte, wenn es um solch einen Bericht geht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Das hat er ja gemacht! – Bundesrat Beer: Er redet als Bundesrat, nicht als Polizist!)


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Wenn wir uns heute diesem Bericht betreffend Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission sowie dem Achtzehnmonatsprogramm der Ratsvorsitze widmen, dann können wir sagen – bitte zuhören, denn jetzt geht es nämlich um die Sache; anders als bei Ihnen, Herr Schabhüttl! –: Dieser Bericht und dieses Arbeitsprogramm tragen eine starke rot-weiß-rote Handschrift. Das hat einzig und allein den Grund, dass sich unser Innenminister Herbert Kickl nicht zuletzt während der österreichischen Ratspräsident­schaft unermüdlich dafür eingesetzt hat, notwendige Lösungsansätze zu den entstan­denen Fehlentwicklungen in den Bereichen des Schutzes der Außengrenzen, aber auch der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung wie auch der Asyl- und Migrations­politik einzubringen und Maßnahmen vorzuschlagen. (Bundesrat Weber: Deshalb hat der Kurz ihn entlassen, oder wie?)

Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir seit der grenzenlosen und unkontrollierten Massenzuwanderung im Jahr 2015 in der EU eine Verdoppelung der religiös motivier­ten Terroranschläge allein bis zum Jahr 2017 zu verzeichnen hatten und diese An­schläge zuvor rund 10 Prozent ausmachten. Wir haben da ein veritables Sicherheits­problem in Europa, dem Herbert Kickl auch entschlossen entgegengetreten ist. (Bun­desrat Weber: Deswegen ist er jetzt fort, oder was?)

Was zeigen uns dieser Bericht und auch dieses Arbeitsprogramm für die Zukunft? – Nur deshalb, weil sich Österreich massiv dafür eingesetzt hat, auch europäische Lösungen zu finden, haben wir im Sicherheitsbereich – zwar rund vier Jahre später, aber doch – nun erstmals Einigungen erzielt, Richtlinien erarbeiten können, die eben die Voraussetzung bilden, um Trilogverhandlungen zu führen oder diese Verhandlun­gen zu starten, welche durch die nunmehrigen Ratsvorsitze fortgesetzt werden können. (Bundesrat Beer: Ja, ja!)

Daher war es keine Retropolitik, wie von manchen linken Realitätsverweigerern und Tagträumern beschworen wurde, dass es dann, wenn es keine klaren gesamteuro­pä­ischen adäquaten Lösungen im Bereich der Sicherheit gibt, eine Selbstverständlichkeit sein muss, dass man temporäre nationalstaatliche Regelungen schaffen muss, um die Sicherheit unseres Staates und seiner Bevölkerung auch zu gewährleisten, denn das Sicherheitsbedürfnis unserer Bevölkerung hat an oberster Stelle zu stehen.

Daher ist es auch wichtig, dass Österreich bei den Verhandlungen auch dafür einge­treten ist, dass es nunmehr entsprechende Handlungsspielräume bei der Einführung von temporären Grenzkontrollen an den Binnengrenzen gibt, um im Bedarfsfall auf eventuelle Bedrohungen auch umgehend reagieren zu können, denn genau beim Thema des umfassenden EU-Außengrenzschutzes und der entsprechenden Kontrollen gibt es leider bis heute keine praktikable europäische Lösung seitens der EU-Gremien. Es werden lediglich Ziele festgelegt – mittlerweile könnte man Bücher füllen mit den Wörtern soll und möglichst rasch.

Als weiteres vorrangiges Ziel neben der Umsetzung einer gemeinsamen Visumpolitik – möglichen Einreisen von Bürgern aller EU-Mitgliedstaaten in die USA, wie es mein Vorredner auch schon angesprochen hat – oder auch den entsprechenden Brexitvor­bereitungen sieht die Europäische Kommission aber nunmehr auch eine Reihe von Maßnahmen in Bezug auf die Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung vor. Auch da hat Österreich eine Vorreiterrolle eingenommen. Es galt auch, entsprechende Richtlinien zu erarbeiten, die beispielsweise einer Beschleunigung bei der Strafver­folgung im Bereich der Finanzermittlungen und der Geldwäschetatbestände und somit als effektive Maßnahme auch gegen organisierte Kriminalität und den Terrorismus dienen.

Wir haben auch im Bereich der EU-Informationssysteme verhandelt, um in Bezug auf die Identitätsfeststellung bei der Strafverfolgung, aber auch im Bereich der Rückfüh-


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rung entsprechende Erleichterungen zu erwirken. Bedeutend in diesem Zusammen­hang war neben dem Vorschlag der Installierung eines europäischen Katastrophen­schutzmechanismus auch die Erstellung eines Verordnungsvorschlages zur Verhin­derung der Verbreitung terroristischer Onlineinhalte sowie zu deren ehestmöglichen Entfernung.

Ein wichtiger wesentlicher Punkt war die Erhöhung der Sicherheit der Personal­aus­weise. Durch diese Veränderung erhält man auch eine maßgebliche Erhöhung der Sicherheit bei den Grenzkontrollen, was auch hinsichtlich der Ausrichtung auf eine Sicherheitsunion wesentlich ist.

Wenn wir den dritten Bereich der Asyl- und Migrationspolitik beleuchten, sehen wir, auch diesem wurde hinsichtlich der Ausrichtung als Sicherheitsunion Platz und Raum gegeben. Nur mit einem ganzheitlichen politischen Ansatz – neben Asyl- und Migra­tionspolitik auch den effektiven Grenzschutz, aber auch die Rückführung von illegal aufhältigen Personen sowie ein Resettlement miteinfließen zu lassen – wird es möglich sein, wieder jene Stabilität in Österreich, aber auch in Europa zu schaffen, die sich die Bürger verdient haben.

Österreich hat zur Erarbeitung dieser Richtlinien wesentlich beigetragen, denn wir brauchen auch in Europa eine klare Trennung zwischen Asyl und Zuwanderung. Es muss auch ein gemeinsames Ziel sein, dem Schlepperwesen, das ja in den ver­schiedensten Ausprägungen und unter verschiedensten Deckmänteln gegeben ist, entschieden entgegenzutreten. Es braucht auch konsequente Rückführungen von illegal aufhältigen Personen, aber auch von jenen, denen der Schutzstatus aberkannt wird, und es braucht auch die Abschiebung von straffällig gewordenen Schutz­suchen­den.

Wenn man sich in diesem Zusammenhang die gestrigen Meldungen vergegenwärtigt, die es da von oberösterreichischen Kreisen gibt, in denen ein paar Grüne, Sozialisten und NEOS glauben, den Rechtsstaat einfach nicht mehr zur Kenntnis nehmen zu müssen, dann frage ich mich schon, ob es für diese Personen nicht besser wäre, irgendeine imaginäre Funktion in ihrem Paralleluniversum wahrzunehmen, anstatt ein öffentliches Amt zu bekleiden. (Ah-Rufe bei der SPÖ.)

Eines muss man mittlerweile schon sagen: Noch zählt, glaube ich, schon, was für jeden Mandatar von uns gilt, und das ist das Gelöbnis, die Gesetze und die Ver­ordnungen in unserem Staat zu beachten. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Hahn und Wanner.) Genau diese Offenbarungen sind ja auch der Grund dafür, warum unser Innenminister Herbert Kickl für seine Arbeit nicht nur bei der Bevölkerung, sondern auch entsprechend - - (Rufe bei der SPÖ: Zur Sache! – Ruf bei der FPÖ: Das sagt gerade ihr! – Bundesrat Schennach: Der Krusche hat es gerade gesagt!) – Nein, es geht um das Thema Sicherheit, Kollege Schabhüttl, im Gegensatz zu deinen Ausfüh­rungen!

Das ist der Grund, warum er für seine Arbeit bei der Bevölkerung, aber auch bei den Exekutivbeamten immer noch einen hohen Stellenwert genießt: Die Bevölkerung hat wahrgenommen, dass er dieses Gelöbnis nicht nur lebt und gelebt hat, sondern dass er sich als Minister auch hinter die Exekutive gestellt hat, als deren Chef voll hinter seinen Mitarbeitern gestanden ist, und ihm auch der Selbstschutz der Beamten ein prioritäres Anliegen war. Eine moderne und bessere Ausrüstung für die Polizisten hat es vorher nicht gegeben, die hat er angeschafft, und er hat auch die notwendigen zusätzlichen Polizeiplanstellen vorgesehen.

Vor allem aber hat er eines gemacht – passen Sie auf, liebe Kollegen der Sozialisten! –, von dem Sie immer abrücken: Er hat den Österreicherinnen und Österreichern wieder das Gefühl der Sicherheit zurückgegeben. Das hat Innenminister Kickl gemacht. (Bei-


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fall bei der FPÖ. – Bundesrat Weber: Deswegen ist er abgesetzt worden? – Bundesrat Steiner: Weil er zu gut war! – Bundesrat Weber: Jetzt fragen wir einmal die ÖVP!) – Ja, ich weiß schon, dass Sie sich aufregen, Sie und ein paar von Ihren roten Personal­vertretern, die das einfach so ideologisch sehen, aber die sind in diesem Fall wenig repräsentativ. Die sind wenig repräsentativ, denn die machen nicht - - (Bundesrätin Schumann: Da müsst ihr auf die andere Seite schauen! – Bundesrat Beer: Nicht wir haben den Innenminister entlassen, sondern das war die ÖVP!) – Nein, es ist ja Ihre Geisteshaltung! Die fordernde Polizeiarbeit, die unsere Beamten jeden Tag machen, entspricht nicht Ihrer Realität von „Kommissar Rex“ und vielleicht ein paar „Tatort“-Folgen. (Bundesrätin Grimling: Die Situation hat sich geändert, Herr Kollege!)

Die fordernde Polizeiarbeit ist von diesem Minister geschätzt worden, und daher werden wir diesem Bericht selbstverständlich unsere Zustimmung geben, um auch die angeführten Ziele entsprechend einer europäischen Umsetzung zuzuführen, vor allem aber, um dem Sicherheitsgefühl unserer Bevölkerung in Österreich und Europa Rech­nung zu tragen. In diesem Zusammenhang gilt selbstverständlich unser Dank allen Exekutivbeamten, die diese fordernde Arbeit täglich hier in Österreich leisten. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

13.13


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Schabhüttl zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichti­genden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhalts zu beschrän­ken. (Bundesrat Rösch: Das wäre das erste Mal!) – Bitte sehr, Herr Bundesrat.


13.13.29

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Keine Angst, Herr Vizepräsident, ich werde es kurz halten!

Erste tatsächliche Berichtigung: Der Herr Vizepräsident hat mich darauf aufmerksam gemacht, zur Sache zu sprechen.

Zweite tatsächliche Berichtigung: Herr Abgeordneter Ofner hat gesagt, dass ich mich speziell als Polizist nicht für die österreichischen Polizistinnen und Polizisten und für die Sicherheit einsetze. (Bundesrat Ofner: Das ist ja auch wahr!) – Wenn er mir zugehört hätte, dann hätte er auch wissen müssen, dass ich das explizit so gesagt habe (Beifall bei der SPÖ) und auch gesagt habe, dass sie ganz tolle und unabhängige Arbeit leisten und die Politik aus dem Innenressort herausgehört. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Na ja, ich habe noch etwas, vielleicht fällt mir noch etwas ein. – Nein, das war es schon. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrat Seeber: Ist eh eine Gaudi mit Ihnen!)

13.14


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desminister Dr. Eckart Ratz. Ich erteile ihm dieses.


13.14.40

Bundesminister Dr. Eckart Ratz, betraut mit der Fortführung der Verwaltung im Bundesministerium für Inneres: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Das Jahr 2019 ist für die künftige Entwicklung der Europäischen Union maßgeblich. Letztes Wochenende haben die Wahlen zum Europäischen Parlament


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stattgefunden. Gestern haben sich die Staats- und Regierungschefs das erste Mal zum zukünftigen Personalpaket ausgetauscht. Anfang Juli hält das neue Europäische Parlament seine erste Plenarsitzung ab und im November soll die neue Europäische Kommission ins Amt eingeführt werden.

Mit der Verabschiedung der zukünftigen strategischen Agenda durch die Staats- und Regierungschefs beim Europäischen Rat im Juni werden die inhaltlichen Schwer­punkte für die nächsten fünf Jahre festgelegt. Das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2019 und das aktuelle Achtzehnmonatsprogramm der Ratsvorsitze, die heute für den Bereich Inneres auf der Tagesordnung des Bun­des­rates stehen, unterstreichen, wie wichtig eine handlungsfähige Union vor allem für den Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechtes ist.

Die Weiterarbeit an einem krisenfesten EU-Außengrenzschutz hat dabei hohe Priorität. Ein erweitertes Mandat für die Europäische Grenz- und Küstenwache konnte bereits verabschiedet werden. Jetzt geht es um die rasche Implementierung.

Zentral ist natürlich die kontinuierliche Verbesserung der Zusammenarbeit der Mitglied­staaten der Europäischen Union mit Drittstaaten. Die Hilfe vor Ort muss ausgebaut, der Kampf gegen die Schlepperei fortgesetzt und die Rückführung von nicht rechtmäßig im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhältigen Personen muss effizient umgesetzt wer­den.

Im Bereich der inneren Sicherheit stellt die Bekämpfung von Extremismus und Terroris­mus auch in den kommenden Monaten eine wichtige Priorität dar. Dabei muss der Fokus auf jegliche Form von Extremismus und Terrorismus gerichtet werden. Es geht um Fragen zu europäischen Grundwerten, es geht um ein gutes und sicheres Zusam­menleben. Wir müssen auch die Anstrengung zur Verhinderung der Verbreitung ter­roristischer Inhalte im Internet fortsetzen.

Dieses Jahr geht es auch darum, die notwendigen finanziellen Mittel im Bereich Inne­res, die Teil der Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen sind, anzunehmen. Eine effiziente Struktur sowie ausreichende Fördermittel sollen die Mitgliedstaaten bei der Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der inneren Sicherheit unter­stüt­zen.

Geschätzte Damen und Herren! Es liegt in unser aller Verantwortung, in den nächsten Monaten eine sichere und krisenfeste Union für unsere Bürgerinnen und Bürger mitzugestalten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

13.17

13.17.27


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, begrüße ich sehr herzlich den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Univ.-Prof. Dr. Heinz Faßmann. (Allgemeiner Beifall.)


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13.18.104. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (495/A und 612 d.B. sowie 10175/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin wurde Frau Bundesrätin Mag.Doris Schulz genannt. Ich bitte um den Bericht. – Frau Doris Schulz! (Die Genannte ist nicht anwesend. – Ruf bei der SPÖ: Mahlzeit!)

Dann bitte ich die Ausschussvorsitzende um den Bericht. – Danke schön.


13.19.13

Berichterstatterin Monika Mühlwerth: Ich bringe den Bericht des Unterrichts­aus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Mai 2019 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Mag.Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr dieses.


13.20.01

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Es geht jetzt also um das Schulunterrichtsgesetz. Es ist eines von mehreren Bildungsgesetzen, die wir in der Folge diskutieren werden. Das Kernelement des jetzt zu debattierenden Gesetzes ist das Verbot des Kopftuchs für Mädchen in der Volksschule.

Wir wissen zwar nach wie vor nicht – auch das konnte uns im Ausschuss nicht beant­wortet werden –, um wie viele Kinder es da tatsächlich geht, aber sicherheitshalber wurde es einmal zu einem Problem gemacht, und dieses Gesetz versucht, eine Lösung zu finden. Dahinter steckt offenbar der Ansatz, dass man jemanden von einer Wert­haltung, von einer Kultur überzeugen kann, wenn man Verbote und Strafen ausspricht. (Bundesrat Steiner: Kinderrechte!) Dahinter steckt offenbar die Überzeugung, dass man durch Strafen und Verbote jemanden gewinnen und überzeugen kann. Das erin­nert mich ein bisschen an schwarze Pädagogik, und die kann ich nicht vertreten. Ich glaube nicht daran, dass man mit Verboten und Strafen jemanden für etwas gewinnen kann. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)

Ich bin nämlich überzeugt davon, dass etwas ganz anderes gebraucht wird, wenn man bei jemandem einen Sinneswandel erwirken will. Es braucht nämlich Überzeugung, es braucht Vertrauen, und es braucht vor allem Dialog. Das eigentliche Thema ist, dass sich all diese Dinge, die wir in den Schulen bräuchten, mit den derzeitigen Ressourcen und mit der Personalausstattung meistens einfach nicht ausgehen. Um Eltern­ge­spräche zu führen, SchülerInnengespräche zu führen, Vertrauensbeziehungen aufzu­bauen, braucht man vor allem Zeit und vor allem Ressourcen, und die sind im Bil­dungssystem extrem knapp.


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Wir haben aber eine Idee, ein durchgerechnetes Modell der Arbeiterkammer, auf das ich große Stücke halte und das ich hier kurz erwähnen möchte, weil es vielleicht Entlastung bringen könnte. Man könnte nämlich an Schulstandorten, an denen es besondere Herausforderungen gibt – und die gibt es tatsächlich –, vonseiten der öffentlichen Hand entsprechend mehr Zuwendungen, mehr Personal, mehr Möglich­keiten für Spezialangebote zur Verfügung stellen. In vielen Ländern hat man damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht und Erfolge erzielt, zum Beispiel in London und auch in Berlin, in tatsächlich herausfordernden Gebieten. Dieses Modell nennt sich Chancenindex. Das wäre eine Möglichkeit, einige der Herausforderungen in den Griff zu bekommen: Je höher die Herausforderungen an einem Schulstandort sind, desto mehr Ressourcen gibt es, um auf diese Herausforderungen entsprechend reagieren zu können.

Was mich im Zusammenhang mit der Kopftuchdebatte beschäftigt, ist die Frage, wie wir als Staat generell mit religiösen Symbolen in Bildungseinrichtungen umgehen. Man hat jetzt ein singuläres Symbol herausgenommen, das Kopftuch, und versucht, hier einmal auszuprobieren, was geht – so erscheint es mir. Es scheint auch kein Zufall zu sein, dass es gerade dieses Symbol aus einem muslimischen Kulturkreis ist, das vor allem Frauen betrifft, weil das speziell in rechten Kreisen ein bevorzugtes Feindbild ist. Es ist darum auch kein Wunder, dass eben gerade dieses Symbol herausgepickt wurde.

Ich würde mir wünschen, dass wir generell darüber nachdenken, wie in Bildungs­einrichtungen mit Religionen umgegangen wird, ob Bildungseinrichtungen nicht auch ein religionenfreier Raum sein können. Man kann mit Kindern und jungen Menschen sehr gut über Werte, über Kultur, über das Zusammenleben reden und braucht da eigentlich keine Religion. (Beifall bei der SPÖ.)

Was aber passiert, ist, dass eine Gruppe von Mädchen zu einem Problem gemacht wird. Man signalisiert diesen jungen Mädchen – sie sind wirklich noch jung, sie sind unter zehn Jahre alt –: Ihr seid ein Problem! Die anderen mit ihren religiösen Symbolen sind offensichtlich etwas Besseres.

Wie gesagt, ich bin der Überzeugung, es bräuchte mehr LehrerInnen an den Schulen, es bräuchte mehr mobile Teams, es bräuchte SchulsozialarbeiterInnen, Beratungs­lehrerInnen, die man anfordern kann. Von der letzten Regierung wurde aber eine Maßnahme gesetzt, die Streichung des Integrationstopfes, die natürlich genau das Gegenteil von dem bewirkt, was tatsächlich gebraucht würde. Noch einmal: Wenn man möchte, dass Integration funktioniert, wird man mit bloßen Verboten und dem Fokus­sieren auf ein Defizit nicht weit kommen. Da braucht es einfach mehr.

Mit dem Finger auf eine besondere Gruppe zu zeigen – oder auf ein sogenanntes Defizit, das man herausklaubt –, ist aber wohl ein Grundprinzip Ihrer Bildungspolitik, Herr Minister. Ich möchte es an drei Beispielen festmachen:

Jemand kann nicht ausreichend Deutsch – weg in eigene Deutschförderklassen! Jemand zeigt ein unangenehmes, unangebrachtes Verhalten – weg in eigene Time-out-Klassen! Jemand trägt ein falsches Kleidungsstück – weg, denn sonst gibt es eine Strafe! – Das ist kein pädagogisch fundiertes Vorgehen und kein nachhaltiger Zugang. (Bundesrätin Mühlwerth: Euer Pädagogikkonzept ist gescheitert!) Das ist bloßes Bekämpfen eines Symptoms und keine nachhaltige Lösung; das reicht für Populismus, aber leider nicht für eine Lösung dieser Probleme. (Beifall bei der SPÖ.)

Mich hätte heute noch interessiert, Herr Minister, wie der weitere Plan ist, ob die nächste Ausbaustufe des Kopftuchverbots die Sekundarstufe I umfasst; aber diese Frage werde ich mir wahrscheinlich bis in den Herbst aufsparen müssen.


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Meine Fraktion, die sozialdemokratische Fraktion, steht für eine Politik der nach­halti­gen Lösungen und der gemeinsamen, zukunftsgerichteten Lösungen (Bundesrätin Mühlwerth: Mehr Geld und mehr Lehrer! – Bundesrat Steiner: Und die Ausländer rein!), darum können wir so einem Gesetz, das reine Symbolpolitik ist, leider nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.26


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile es ihr.


13.26.58

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren, wo immer Sie uns zuhören oder zusehen! Kollegin Gruber-Pruner, ich schätze dich sehr, ich weiß, du bist eine sehr engagierte Frau, aber was du jetzt von dir gegeben hast, verstehe ich nicht ganz. Du bist ja auch Mutter von Kindern, ich glaube, du hast auch Töchter. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.– Ach so. Ich bin in der glück­lichen Lage, Mutter von zwei Töchtern zu sein, und daher berührt mich das Kopftuch­verbot und gerade das Kopftuchverbot für Kinder natürlich. Man muss sich vorstellen, dass kleine Kinder zwischen sechs und zehn Jahren in der Schule ein Kopftuch aufsetzen müssen, weil es die Eltern wollen. Wir wissen ja, dass es die Eltern wollen und die Kinder dazu zwingen. Darum geht es heute.

Ja, natürlich ist es ein Symbol, aber es ist ein Symbol mit Substanz. Unsere von mir sehr geschätzte Staatssekretärin außer Dienst Karoline Edtstadler hat das in einer Salzburger Tageszeitung ganz richtig beschrieben. Sie hat gesagt: „Das Kinder­kopf­tuch“ – bitte, das Kinderkopftuch! – „ist ein politisches Symbol“ und kein religiöses. Auch da kann ich deine Meinung nicht teilen, liebe Kollegin.

An dieser Stelle möchte ich mich ganz, ganz herzlich bei der früheren Frau Staats­sekretärin bedanken. Sie war immer federführend, wenn es um Gewaltprävention gegangen ist. Sie hat diese Taskforce ins Leben gerufen, hat tolle Arbeit geleistet. Ich hoffe sehr, dass das in irgendeiner Art und Weise weitergehen wird. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Das war zaghaft, aber bitte!) – Sie wird sich sicher über diesen Applaus freuen, sie ist eine sehr engagierte Dame.

Wir haben im Nationalrat und in Unterrichtsausschusssitzungen über das Kopftuch­verbot in Volksschulen diskutiert, wir haben im zuständigen Bundesratsausschuss darüber diskutiert, wir haben Expertinnen und Experten gehört, sie haben das im Bun­desratsausschuss auch kurz zusammengefasst, und diese Expertinnen und Experten bestätigen unsere Ablehnung. Ich darf nur zwei Namen nennen, Necla Kelek, eine deutsche Soziologin, und Zana Ramadani kämpfen gegen das Kinderkopftuch. Zana Ramadani meint, junge Mädchen werden durch ein Kopftuch um ihre Kindheit, um ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung gebracht. Das sagt diese Islamexpertin, und die kennt sich ja sicher aus. (Präsident Appé übernimmt den Vorsitz.)

Liebe Kollegin Gruber-Pruner, darum sage ich dir als engagierter Vorsitzenden des Kinderrechteausschusses: Da müssen wir doch handeln, da müssen wir doch etwas tun! (Bundesrat Schennach: Die kennt sich auch aus! – Bundesrätin Grimling: Die kennt sich sehr gut aus!) Zu Recht haben wir hier im Bundesrat einen Kinderrechte­ausschuss, zu Recht kümmern wir uns um die Kinderrechte, und das ist für mich ein Zeichen des Handelns. Das sind Kinderrechte, die davon betroffen sind. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner.)

Sie sagt weiter: Das von der österreichischen Regierung angestrebte Verbot schützt Freiheit und Kinderrechte, verhindere eine Frühkonditionierung der Betroffenen und


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stelle somit einen wichtigen Schritt gegen die Ausbreitung des islamischen Funda­men­talismus dar. Jungen Mädchen ein Kopftuch aufzuzwingen ist für sie Missbrauch, der zu psychischen Schäden und Ausgrenzung aus dem öffentlichen Raum führt, denn Kinder würden dadurch auf ihre sexuelle Komponente reduziert. (Bundesrat Schennach: Wer sagt das?) – Das sage nicht ich, das sagt eine anerkannte Expertin. (Ruf bei der SPÖ: ...Integration!)

Darum müssen wir ja handeln. Wenn wir jetzt nicht handeln, machen wir uns ja mitschuldig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es geht ja darum, den Kopf freizumachen für diese jungen Mädchen in den Volksschulen (Bundesrat Schennach: Den Mädchen wie den Burschen!), in psychischer, in geistiger, in seelischer Hinsicht ihre Gedanken freizumachen. Auch wenn es nur ein Kind betrifft, das wir damit von dem Zwang, ein Kopftuch aufsetzen zu müssen, befreien, dann ist das für mich schon genug, dass ich hier stehe und für dieses Kinderkopftuchverbot einstehe. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wie mein Kollege Rudi Taschner im Nationalrat schon so treffend ausgeführt hat, geht es ja auch um ein Symbol der Aufklärung: „Es geht um die Aufklärung, die wir erhalten müssen.“ Das hat er sehr brillant formuliert und das kann ich nur wiederholen. Da müssen wir aufstehen und das müssen wir uns erhalten.

Als Politikerinnen und Politiker ist es unsere Aufgabe, Fehlentwicklungen, die sich in der Gesellschaft abzeichnen, die sich klar gegen unsere Grundwerte – wir haben heute schon sehr viel darüber gehört – richten, aufzuzeigen. Darum sind wir heute hier, um dieses Kinderkopftuchverbot zu beschließen.

Eine solche Fehlentwicklung ist nämlich für mich, dass der Glaube und die Kirche speziell bei jungen Mädchen – wir reden von sechs- bis zehnjährigen Mädchen – für politische Agenden instrumentalisiert wird (Bundesrätin Schumann: Burschen nicht? Was ist mit Burschen?), indem sie im Kindergarten und auch in der Volksschule zum Tragen eines Kopftuches gezwungen werden. Das steht für mich klar der Entwicklung von Kindern, der Entwicklung eines Selbstwertgefühles, der Entwicklung einer unab­hängigen Persönlichkeit entgegen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Daher stehen wir und meine Fraktion klar dafür ein, dass alle Mädchen in Volksschulen die Möglichkeit haben, sich frei zu entfalten, und zwar ohne Kopftuch, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrat Schennach: ...ohne Bart!)

Ich darf auch daran erinnern, dass wir hier vor nicht allzu langer Zeit eine Artikel-15a-Vereinbarung beschlossen haben, in der es um das Kopftuchverbot in Kindergärten ging, und da waren wir uns ja einig. Darum verstehe ich jetzt nicht, warum Sie, Kolle­ginnen und Kollegen von der SPÖ, jetzt nicht mit uns gehen können – die Kinder sind einfach nur älter, es ist an und für sich die gleiche Stoßrichtung –, aber Sie können das ja vielleicht noch später aufklären. Ich habe schon gesagt, und Sie werden es wohl nicht bestreiten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, dass es Eltern gibt, die auf die Kinder, auf die Mädchen Druck machen, dass sie das Kopftuch tragen, und das kann ja das Kind nicht selbst entscheiden. (Bundesrätin Schumann: Wenn sie hinaus­gehen, müssen sie’s wieder ...!)

Wenn sie es jetzt in der Schule abnehmen müssen, dann merken sie, dass sie nicht allein sind und dass sie eine Wahl haben. Sie merken, dass es nicht normal ist, wenn sie das Kopftuch tragen müssen. Das ist eben das Symbol, das wir hier aussenden müssen und wollen.

Abschließend darf ich noch einmal kurz sagen: Es geht um das Kinderkopftuch, es geht um kleine Mädchen, die gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen. Ja, natürlich, es ist ein Symbol, es ist ein bewusstes Symbol, das wir setzen. Es geht um Kinder, hier


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konkret um junge Mädchen, die in Österreich geboren wurden und hier sozialisiert werden. (Bundesrätin Schumann: Und Burschen?) Es geht darum, dass wir als Staat Österreich diese Signale setzen, dass extreme Religionsinterpretationen und Extreme in der Schule keinen Platz haben.

Zum Schluss möchte ich mich bei Ihnen, Herr Bundesminister, sehr, sehr herzlich für die Arbeit in der Regierung unter unserem Bundeskanzler Sebastian Kurz bedanken. Es wurden Reformen angefangen; ich darf nur hervorheben: Deutschförderklassen, Masterplan Digitalisierung, Pädagogikpaket und – hoffentlich dann bei einem der fol­genden Tagesordnungspunkte – die einheitlichen Herbstferien. Es ist viel, viel passiert. Ich danke Ihnen sehr, sehr herzlich. Sie haben in dieser kurzen Zeit mit der Regierung Kurz so viel weitergebracht. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­rätInnen der FPÖ.)

13.34


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile es ihr.


13.35.12

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuhörer! Ich komme aus Niederösterreich, und zwar aus einer Gemeinde mit einem extrem hohen Migranten­anteil.

Ich habe jetzt die Zahlen ausheben lassen, die wir ja bundesweit nicht zur Verfügung gestellt bekommen, und hinterfragt: Wir haben in unserer Gemeinde an die 600 Volks­schüler und einen Migrationsanteil von 45 Prozent. Ungefähr die Hälfte davon sind Mädchen. Was glauben Sie, wie viele Prozent davon ein Kopftuch tragen? (Bundesrat Schennach: Null!) – Null Prozent. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist jetzt aber nicht repräsentativ! – Bundesrat Samt: Gott sei Dank!)

Also ich denke, in einer Gemeinde mit einem der höchsten Anteile an Migranten und vor allem muslimischen Migranten ist das sehr wohl repräsentativ. Alle Lehrerinnen und Lehrer, Pädagoginnen und Pädagogen, die ich gefragt habe, haben mir das bestätigt. Es sind ganz seltene Einzelfälle, einen konnte ich in Graz ausfindig machen, wo es einmal ein Thema war, dass ein Mädchen in der Volksschule ein Kopftuch hätte tragen sollen.

Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass niemand von uns will, dass ein Kind in der Volksschule, ein Mädchen in der Volksschule, dazu gezwungen wird, ein Kopftuch zu tragen. (Bundesrat Steiner: Na dann stimmt zu!) Ich hoffe aber auch, dass wir uns darüber einig sind, dass ein Kopftuchverbot in der Volksschule keine Maßnahme ist, die irgendeine Wirkung in die Breite hat. (Ruf bei der FPÖ: Da sind wir uns nicht einig!) Ich nehme eher an, es steckt eine ordentliche Portion Unsicherheit dahinter, dass es nicht für jene Altersgruppe in Angriff genommen wird, bei der es tatsächlich ein Thema ist. Darüber spricht keiner. Denn wenn die Fachleute, die Expertinnen, die von Kollegin Eder-Gitschthaler genannt wurden, von Mädchen und von jungen Frauen sprechen, dann sprechen sie nicht von unter Zehnjährigen, sondern von jungen Mädchen, die älter als zehn Jahre alt sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich bin auch überzeugt davon, dass keiner von uns will, dass diesen Kindern ein Selbstbild, ein Frauenbild vermittelt wird, das bei uns in der Gesellschaft keinen Platz hat. Das wollen wir alle nicht; aber wenn wir das nicht wollen, dann dürfen wir keine Pseudoaktionen auf den Weg schicken, sondern müssen wirkliche Maßnahmen setzen, die sich an die Gruppe richten, die es betrifft, und das sind nun einmal nicht die


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unter Zehnjährigen. Ich habe das wirklich in vielen Gesprächen abgeklärt. Da ist nicht das Problemfeld.

Wenn wir wollen, dass junge Mädchen und Kinder die Chance haben, das Kopftuch wirklich länger als vier Unterrichtsstunden ablegen zu dürfen, dann müssen wir über das reden, was wir schon lange fordern, nämlich eine verschränkte Ganztagsschule. Dann haben diese Mädchen nämlich die Möglichkeit, ihren Tag ohne Kopftuch zu verbringen, dann haben sie die Möglichkeit, im geschützten Rahmen der Schule, begleitet von Pädagoginnen und Pädagogen, von Freizeitpädagoginnen und ‑pädagogen auch Sport zu treiben.

Das ist nämlich auch ein Recht, das jedes Kind haben sollte. Dann – das kann ich Ihnen bestätigen – geht es nicht mehr um das Kopftuch allein, wenn Mädchen nicht ins Freibad gehen dürfen, wenn Mädchen am Nachmittag am Sport nicht teilhaben dürfen. Das ist keine Frage des Kopftuchs.

Das, was hier gemacht wird, ist ein Gesetz, dem wir ruhigen Gewissens zustimmen könnten (Ruf: Ach geh! – Bundesrätin Zwazl: Dann stimmt doch zu!), weil wir ohnehin nicht wollen, dass Kinder in der Volksschule ein Kopftuch tragen, nur würden wir dann einem Gesetz zustimmen, das keine beziehungsweise eine äußerst marginale Wirkung hätte und sich an gar keine Zielgruppe richten würde. Außerdem wissen wir doch, dass die jungen Mädchen, wenn sie heimkommen, das Kopftuch wieder aufsetzen müssen. Dort sollten wir ansetzen, das ist der Punkt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Dieses Gesetz hat keinen realistischen Bezug zur Verbesserung der Situation der Mädchen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Aber wir müssen doch anfangen!) Dass ihr das nicht erkennt, und da richte ich mich gerade an die FPÖ, ist mir schon klar. Ihr wollt damit nur polarisieren. Es ist ein einfacher Weg, zu polarisieren, weil kein Gegen­wind kommt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist doch so abgedroschen! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Ich verstehe auch, dass ihr nicht weiter darüber nachdenkt, denn Begriffe wie Feminismus sind euch fremd! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden also diesem Gesetz nicht zustimmen – in der Hoffnung, dass die Botschaft angekommen ist: Es braucht ein Gesamtpaket. Wir wollen, dass junge Mädchen die Möglichkeit haben, das Kopftuch abzulegen, und das erreichen wir nicht mit diesem Gesetz.

Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Minister, die Frage beantworten können, wie viele Kinder unter zehn Jahren in Österreich davon betroffen sind. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Ich habe eines gefunden, und dieses Kind hatte auch ohne ein Gesetz die Möglichkeit, dieses Kopftuch abzulegen in Zusammenarbeit mit der Schulleitung, mit der Lehrerin, mit den Elternvertretern und mit Schulpsychologen und Integrations­pädagoginnen.

Wenn man aber 80 Millionen Euro für IntegrationspädagogInnen, für DeutschlehrerIn­nen, für SozialarbeiterInnen, für Psychologinnen und Psychologen streicht, dann ist diese Möglichkeit natürlich auch nur mehr begrenzt gegeben. Wir stimmen nicht zu, weil das Gesetz nichts bringt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.42


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.


13.42.18

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Sehr geehrte


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Damen und Herren, die Sie uns zu Hause über Livestream zuschauen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Also eines kann man auf jeden Fall festhalten, sehr geehrte SPÖ: Ihre Integrationspolitik ist gescheitert, und zwar veritabel gescheitert! (Beifall bei der FPÖ.)

Das Einzige, was Ihnen immer einfällt, ist: mehr Geld, mehr Personal! (Zwischenruf des Bundesrates Wanner.) Das höre ich ja jetzt schon fast mantraartig seit zehn Jahren. Sie haben zehn Jahre lang die Bildungsministerin gestellt, und das Ergebnis Ihrer Integrationspolitik? – Ist einfach nicht vorhanden. (Die Bundesrätinnen Hahn und Kahofer – in Richtung ÖVP zeigend –: ... Minister!) – Ist nicht vorhanden, auch nicht im Schulwesen. Ein Viertel aller Schüler kann nicht ausreichend lesen und schreiben, das ist die Erfolgsgeschichte der SPÖ. – Na gute Nacht! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es geht ja nicht um den Islam an sich als Religion, es geht vor allem um den poli­tischen Islamismus, und von diesem geht sehr wohl eine Gefahr aus. Die Anschläge der letzten Jahre, die politisch motiviert waren, kamen alle – alle! – aus dem Bereich des Islam. Daher hat meine Kollegin Eder-Gitschthaler völlig recht: Wir müssen irgend­wo beginnen. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten viel von Gewalt an Schu­len gehört – alles islamische Schüler. (Bundesrätin Grimling: Das ist doch nicht wahr! Das stimmt doch nicht! Es war ein Österreicher!)

Das ist so weit gegangen, dass sich der Lehrer nicht mehr anders zu helfen gewusst hat, als den Schüler zu bespucken. Nicht, dass ich das jetzt gutheiße, aber man muss auch die Lehrer verstehen, die ja völlig machtlos sind, denen Sie jedes Instrument aus der Hand genommen haben, mit dem sie sich noch irgendwie, auch über Strafen, hätten wehren können. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist Ihre fortschrittliche und erfolgreiche Integrationspolitik! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es sind immer - - (Bundesrat Schennach: Wir reden über Volksschulkinder!) – Ja, das beginnt ja schon in der Volksschule. Da steht ja schon der Vater da und sagt: Ich rede mit einer Frau nicht! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe das noch von keinem Angehörigen einer anderen Religion gehört. Ich habe es noch von keinem Juden gehört. Ich habe von keinem Sikh oder von Vertretern irgendeiner anderen Religion gehört, dass er gesagt hätte: Ich rede mit einer Frau nicht!

Es ist ganz wichtig, dass wir hier bei den kleinen Mädchen beginnen. (Bundesrätin Schumann: Da muss man bei den Burschen ansetzen!) Das sind nicht junge Frauen, sondern Kinder, die sind zwischen sechs und zehn Jahre alt.

Sie haben heute selbst gejammert im Zusammenhang mit der Agentur, die jetzt gegründet wird, sodass all diese Asylanträge, dieses Asylwesen in staatliche Hand kommen. Sie jammern aber doch nur deswegen, weil Ihren linken NGOs die Felle davongeschwommen sind. Das ist aber der einzige Grund. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da kam aus Ihren Reihen das Argument, und wenn es nur ein Fall ist, dann ist das schon wichtig, dass der die Rechtsberatungen in allen Ebenen und auf ewige Zeit hat. Und ich sage Ihnen jetzt: Es ist völlig unerheblich, wie viele Mädchen beziehungsweise Kinder davon betroffen sind. Auch wenn es nur eines ist, ist das genau eines zu viel. Darum ist es wichtig, hier ein Signal zu setzen und zu sagen: Das geht bei uns nicht! (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Alles ist zu wenig!)

Schüler islamischen Glaubens haben ja auch ein entsprechendes Elternhaus, wo, wie ich schon gesagt habe, der Vater sagt: Ich rede nicht mit einer Frau, und was eine Leh­rerin dir sagt, brauchst du nicht zu befolgen! Das ist ja das Schwierige, dort müssen wir ja ansetzen. (Bundesrätin Schumann: Das ist ein Megaproblem, das ist ein ...problem!)


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Ich verstehe ja überhaupt nicht, dass Sie, die Sie ja den Feminismus wie einen Bauchladen vor sich hertragen, da nicht mitstimmen können.

Natürlich ist das nur eine erste Maßnahme, natürlich müssen da noch weitere Schritte folgen, natürlich ist das nicht das Ende der Fahnenstange, aber wenn man so argu­mentiert, wie Sie immer argumentieren, dann müssten Sie ja eigentlich Feuer und Flamme dafür sein (Bundesrätin Schumann: ... Einzelmaßnahme!), dass wir schon in der Volksschule – nach dem Motto: Wehret den Anfängen! – beginnen, den Kindern das Kopftuch quasi wegzunehmen oder ihnen dabei zu helfen, dass sie es nicht tragen müssen, dass sie es ablegen müssen und sollen.

Das ist einmal ein ganz wesentlicher Schritt. Da kann ich nur an Ihre Vernunft appe­llieren, so sie noch vorhanden ist, dass Sie sagen: Ja, da gehen wir mit. Wir haben das ja im Mittelalter auch gehabt: Da war ja das Tragen offener Haare sündig. Dabei wurde genauso argumentiert, wie der politische Islamismus argumentiert: Die Männer werden dadurch gereizt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Und Sie lassen zu, dass Frauen zu einem reinen Sexsymbol herabgewürdigt werden? (Bundesrätin Schumann: Das Frauenbild haben wir im Ibizavideo gesehen!) Bei der Werbung sind Sie doch die Ersten, die sagen: Das darf so nicht sein! Was ist denn das für ein Argument? Ich empfehle Ihnen, zum Thema Kopftuch die entsprechenden Suren nachzulesen. Da steht auch, dass Frauen ihr Haupt verhüllen müssen, damit die Männer – die als rein getriebene Menschen dargestellt werden, was ja auch abzuleh­nen ist – nicht auf schlechte Gedanken kommen. Das alles nehmen Sie einfach so hin, das nehmen Sie zur Kenntnis. Nein, das tun wir nicht!

Es sind auch hier die Eltern in die Pflicht zu nehmen, denn es ist die Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen. Wir werden das ja beim Bifie auch noch einmal besprechen. Die Pflicht der Eltern ist jedenfalls die allererste. Es ist ja schon schlimm genug, dass immer die Schule das alles abfangen muss, die ja eigentlich dazu da ist, den Kindern, die Eltern wohl unterstützend bei der Erziehung zu begleiten, in allererster Linie Wissen zu vermitteln. (Bundesrätin Schumann: Mit der Herkunft hat das nichts zu tun!) Ich spreche hier ganz gezielt von Wissen. Aus den Reihen der SPÖ höre ich ja seit Jahren auch nur, es geht um Kompetenzen. Was ist denn das? (Bundesrätin Schumann: Ja, was ist das?) – Ja, Kompetenzen sind auch wichtig, soziale Kompetenzen und so weiter, aber die Schule muss auch Wissen vermitteln. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Ich kann nicht zu jeder Zeit und in jeder Minute alles im Internet nachschauen. Ich muss wissen, wie ich gewisse Dinge finde, wie ich das Internet et cetera nütze, was richtig ist, was falsch ist, was wichtig ist, was unwichtig ist. Dafür brauche ich Wissen. Daher ist die Schule ein Ort der Wissensvermittlung. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Natürlich ist die Schule auch ein Ort der Vermittlung von Kompetenzen, aber zumindest nach meinem Dafürhalten muss die Schule dafür sorgen, dass die Kinder eine gute Allgemeinbildung bekommen, eine gute Persönlichkeitsbildung, wo sie frei sind in ihrer Entscheidung, frei sind, zu entscheiden, was gut und was nicht gut ist, was richtig und was falsch ist.

Nur dann, wenn wir sie auf diesem Weg helfend unterstützen, auch gegen islamis­tische Eltern, die ihre Kinder zwingen, ein Kopftuch zu tragen, werden wir bei der Integration weiterkommen – ansonsten, sehr geehrte Damen und Herren, vor allem von der SPÖ, bleibt es ein gescheitertes linkes Projekt. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

13.50


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Bundesrätin Marianne Hackl. Ich erteile es ihr.



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13.50.45

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zu dem wichtigen Tagesordnungspunkt komme, möchte ich eines sagen: Gott sei Dank sind wir Burgenländer nicht so selbstdarstellend, wie wir das heute gesehen haben, wir sind eigentlich recht gestandene Leute. Somit möchte ich gleich zum aktuellen Tagesord­nungspunkt kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wenn wir uns mit Fragen beschäftigen, die für die Kinder und deren Zukunft in ihrer Schulzeit maßgebend sind, ist es für uns verpflichtend, dass wir die Vielfalt und die Talente der nächsten Generationen verantwortungsvoll unterstützen, sodass sie die bestmögliche Entfaltung ausleben können. So wurde auch das Thema Kopftuchverbot in den Volksschulen ausführlich, intensiv und verantwortungsvoll behandelt.

Das Kopftuch ist ein politisches Symbol und kein religiöses. Es ist ein Symbol der Unterdrückung und da dürfen wir nicht wegschauen. Wir alle wissen, dass Kinder oft nicht handsam miteinander umgehen. Mit diesem Gesetz wollen wir dem entgegen­wirken, sodass Glaube und Kinder, insbesondere Mädchen, für politische Agenden nicht missbraucht werden.

Das Tragen des Kopftuchs ist nämlich das Symbol der Geschlechtsreife der Frau, und beim besten Willen: Das ist im Kindergarten und in der Volksschule noch nicht ge­geben. Im Antrag steht aber auch, dass es ein verpflichtendes Elterngespräch geben muss.

In Absatz 2 ist festgehalten, dass „der Schulleiter unverzüglich [...] innerhalb von 4 Schultagen“ ein verpflichtendes Elterngespräch führen muss, das dokumentiert und an alle Behörden weitergeleitet werden muss.

Es ist also nicht so, dass kein Dialog stattfindet; es ist nicht so, dass die Verursacher nicht eingebunden werden. Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass junge Kinder in Rollenbilder gezwungen werden, denn ihre Chancen für die Entfaltungsmöglichkeiten müssen gewahrt werden. Wir wollen sie vor Zwang und sozialem Druck schützen. Deswegen ist das Kopftuchverbot für Kinder in der Volksschule in unseren Augen zielführend. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schererbauer.)

13.53


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile es ihm.


13.53.51

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Zuseherinnen und Zuhörer! Kollegen Bundesräte! Der Ursprung des religiösen Statements Kopftuch ist in den Suren 23 bis 24 zu finden. Da geht es nämlich um nichts anderes, als einerseits die Frau vor lüsternen Blicken der Männer zu schützen und andererseits die sexuelle Aufreizung der Männer zu verhindern. Ich hoffe jetzt schon inständig, dass wir hier herinnen doch alle die Auffassung teilen, dass wir nicht 200 bis 300 Jahre zurück in diese frauenverachtende Zeit wollen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Irgendwie habe ich aber schon das beklemmende Gefühl, dass es durch die falsche Politik der letzten Jahrzehnte im Jahr 2019 wirklich eine Diskussion über einen Kinder­kopftuchzwang in Österreich gibt – eigentlich traurig, aber schon sehr bezeichnend für diese verkorkste Weltanschauung der Sozialisten.


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Man muss sich einmal vorstellen, worüber wir hier diskutieren müssen: Wir müssen ernsthaft mit der sozialistischen Partei einen Kampf darüber führen, ob man im Jahr 2019 kleine Mädchen vor Frühsexualisierung, Zwang und Ausgrenzung schützen soll! Das verstehe, wer wolle, die Österreicher verstehen dies allerdings nicht.

Unser freiheitlicher Zugang ist einzig und allein der Schutz von kleinen unschuldigen Mädchen. Dieser Schutz darf nicht zugunsten von ein paar Verblendeten, unter einem religiösen Wahnsinn Leidenden in den Hintergrund geraten. Radikale Strömungen haben in Österreich nichts verloren! Durch den politischen Islam hat in vielen Ländern schon ein klarer Rückschritt in den Fragen der Frauenrechte stattgefunden.

Das Kinderkopftuch ist aus Sicht von Islamexperten und sehr vielen aufgeklärten Muslimen ein klarer Verstoß gegen die Kinderrechte; denn es braucht mir niemand zu erklären, dass ein Kind zwischen fünf und zehn Jahren ein Kopftuch freiwillig trägt. Ein Verbot des Kinderkopftuches ist daher unumgänglich. Hierfür brauchen wir weder Zahlen noch Statistiken, denn dieses Verbot ist, wie schon erwähnt wurde, schon allein durch einen einzigen Fall des Tragens eines Kinderkopftuches gerechtfertigt.

Wenn die Sozialisten heute im Bundesrat für das Kinderkopftuch stimmen und somit gegen die Kinderrechte in Österreich, dann frage ich mich schon, wofür wir im Bun­desrat einen Kinderrechteausschuss brauchen. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundes­rätInnen der ÖVP.) Dann können wir diesen Ausschuss sofort auflösen, denn worüber sollen wir in diesem Ausschuss noch jemals diskutieren, wenn ihr heute zugunsten des politischen Islams die Kinderrechte mit Füßen tretet? (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

Wenn Sie wirklich glauben, dass wir vor ein paar rückwärtsgewandten religiösen Stein­zeitislamisten aus dem Hinterland von Hochanatolien einknicken, dann haben Sie sich aber teuflisch geschnitten. Für diese Herren Väter, Brüder oder Onkel, die ihre Mädchen zwingen, ein Kopftuch, ein Kinderkopftuch zu tragen, schmeißen wir unsere aufge­klärten Errungenschaften wie das Kinderrecht auf Freiheit der Selbstbestimmung sicherlich nicht über Bord, das kann ich euch versichern!

Das islamische Kopftuch hat in Österreichs Schulen nichts verloren. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage: Auch das Kopftuch für Lehrerinnen an unseren Schulen sowie im öffentlichen Bereich und für Richterinnen muss zugunsten der Frauenrechte verboten werden. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

Ein Miteinander funktioniert nur, wenn nicht auch die Lehrerin durch ihr Kopftuch darauf beharrt, anders zu sein. Das Kopftuch ist eine Stigmatisierung der Mädchen und Frauen, die sie zu 90 Prozent sicherlich nicht selbst wählen dürfen. Das Kinderkopftuch ist noch dazu ein Symbol der schon im Kindesalter beginnenden Unterdrückung der Frauen.

Wenn sich die Sozialisten heute hier zum Handlanger des politischen Islams machen wollen und somit der Frauenfeindlichkeit die Hand reichen, ist diese Doppelzüngigkeit kaum zu überbieten. Wenn es doch so toll ist, dass man sich im politischen Islam verhüllen muss, frage ich schon, warum es dann nicht schon Massenauswanderungen von Frauen, von linken Feministinnen in solche Länder gibt. (Heiterkeit bei Bundes­rätInnen der FPÖ.) Eines ist nämlich auch klar: Mit dem Binnen-I und der Umdichtung unserer Bundeshymne ist keinem einzigen Mädchen und keiner einzigen Frau in Österreich geholfen. (Bundesrätin Mühlwerth: So ist es!)

Liebe Sozialisten! Bitte verweigert euch nicht länger der Realität! Die EU-Wahl ist vor­bei, die radikalen Muslime sind wieder zu den Grünen abgewandert, somit verliert ihr auch keine Wähler mehr. Jetzt könnt ihr frei von Parteikalkül mit uns ein Zeichen für Kinderrechte und Frauenrechte setzen. Stimmt gemeinsam mit uns für das Kinderkopf-


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tuchverbot in österreichischen Volksschulen! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

14.00


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Heinz Faßmann. Ich erteile es ihm.


14.00.26

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann, betraut mit der Fortführung der Verwaltung im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Mir persönlich war es immer wichtig, dass sich eine breite Diskussion mit dieser gesellschaftspolitisch doch wichtigen Fragestellung aus­einandersetzt. Ich habe daher angeregt, dass diese Diskussion auch in das Parlament übergeführt wird. Wir haben in der Plenarsitzung darüber gesprochen, wir haben zweimal im Unterrichtsausschuss darüber gesprochen, wir haben ein Expertenhearing mit sehr guten, sehr qualifizierten Experten und Expertinnen einberufen, und wir sprechen heute abermals hier im Bundesrat darüber.

Diese Fragestellung ist heikel, ist wichtig und wir haben es uns nicht leicht gemacht, hier zu einer Lösung zu kommen. Die Lösung ist aber notwendig, denn wir leben in einer Gesellschaft, die durch Zuwanderung gekennzeichnet ist. Wir leben in einer Einwanderungsgesellschaft, wobei ich immer gesagt habe, Einwanderungsgesellschaft wider Willen, weil es nie einen konkreten politischen Plan dafür gegeben hat, aber es hat sich so entwickelt und die Zahlen sprechen hier eine deutliche Sprache.

In dieser Einwanderungsgesellschaft müssen wir auch nach einem gemeinsamen Bauplan suchen und diesen ausdefinieren. Zu diesem gemeinsamen Bauplan gehören unzweifelhaft Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte dazu, aber, wie ich denke, auch die Forderung, Kinder ohne frühe Rollenzuweisung aufwachsen zu lassen.

Da schaue ich in Ihre Richtung, Frau Mag. Gruber. Wir haben doch, habe ich immer gedacht, einen gesellschaftspolitischen Konsens darüber, dass spezifische Rollenzu­schreibungen insbesondere im Primarstufenalter, aber auch später, eigentlich entbehr­lich sind. Wir versuchen doch eigentlich das Umgekehrte: geschlechtsspezifische Rol­lenstereotype zu hinterfragen. Gerade bei der Berufswahl sehen wir nach wie vor immer wieder, wie stark diese geschlechtsspezifischen Rollenstereotype sind, und wir meinen, das ist nicht notwendig. Natürlich ist das Tragen eines Kopftuches, insbeson­dere in diesem Alter, ein Bestärken eines geschlechtsspezifischen Stereotyps, denn es passiert hier eine geschlechtsspezifische Segregation von jenen, die ein Kopftuch tragen, und jenen, die keines tragen.

Frau Mag. Gruber, zu Ihrem ersten Argument, der Zahl: Ich sage schon öfters, und das sage ich immer wieder: Normsetzung ist nicht abhängig von der Quantität. Wir können eine Straßenverkehrsordnung nicht erst dann einführen, wenn es eine bestimmte Zahl an Übertretungen beziehungsweise bestimmten Verhaltensweisen gibt. Normsetzung ist immer unabhängig von einer Quantität. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Schennach: Unfallkreuzungen gibt es auch!)

In meinem Ministerium habe ich daher klarerweise aber auch – aus sozialwis­sen­schaft­lichen Interesse heraus, um zu wissen, wie die Situation ist, um nicht von Einzel­eviden­zen abhängig zu sein – eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Kenan Güngör wird diese Untersuchung machen oder er macht sie bereits.

Ich habe vor wenigen Tagen auch mit Interesse die ORF-Sendung „Orientierung“ gesehen. Der ORF hatte offensichtlich keine Schwierigkeiten, Mädchen mit Kopftuch zu dokumentieren und zu interviewen. In der Sendung „Orientierung“ standen Neuen


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Mittelschulen aus Meidling und der Donaustadt im Zentrum. (Zwischenruf der Bun­desrätin Hahn.) Beide Direktoren berichteten von einer konservativen Hinwendung vieler muslimischer Eltern und haben gesagt, das ist ein Thema in unseren Schulen (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), ganz im Unterschied zu Ihrer Erhebung, Frau Kahofer.

Sie haben nämlich gesagt, das war - - (Bundesrätin Kahofer: Dieses Gesetz bezieht sich auf Volksschulen!) – Ja, aber die Fragestellung bleibt ja dennoch, glaube ich, als solche erhalten.

Frau Gruber, Ihre Antwort war: mehr Ressourcen! – Mehr Ressourcen, der Chancen­index, das ist aber eine ganz unspezifische Antwort auf eine ganz spezifische Frage­stellung.

Frau Hackl, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die erste Maßnahme in dem vorgeschlagenen Gesetz sowieso die Beratung und das Gespräch zwischen Päda­gogen und den Eltern sind, in dem darauf hingewiesen wird, dass das Tragen eines Kopftuches im Volksschulalter hier in Österreich nicht notwendig ist, weil wir eine säkulare Gesellschaft haben, wo die Trennung von Staat und Kirche ein durchaus vernünftiges Ausmaß angenommen hat.

Frau Kahofer, Sie haben sehr deutlich darauf hingewiesen, dass das Problem nicht bei den unter Zehnjährigen liegt. Ich habe dann sehr gespannt darauf gewartet, dass Sie sagen, wo das Problem denn nun liegt. Sie haben es nicht ganz genau ausge­sprochen. Sie haben auch nicht ganz genau gesagt, dass Sie jetzt eine Ausweitung des Kopftuchverbotes auf die unter 14-Jährigen haben wollen. Da habe ich mir gedacht, das wäre eine interessante Wendung im politischen Geschehen gewesen, wenn Sie so etwas gefordert haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Als sozusagen die Peripetie in dieser Geschichte haben Sie die verschränkte Ganz­tagsschule verlangt. Also, abermals: Das eine hat mit dem anderen ein bisschen etwas zu tun, aber nicht wirklich. Das ist ein Gesetz, das auf eine ganz spezifische Maß­nahme abzielt, begrenzt, zielorientiert, pädagogisch vertretbar, weil das Gespräch an erster Stelle gesucht ist. Ich muss ganz offen sagen: Wer gegen eine frühkindliche Stigmatisierung ist, wer gegen Rollenstereotype ist, wer gegen die Segregation nach dem Geschlecht in der Volksschule ist, der muss diesem Gesetz eigentlich zustimmen, und dafür will ich abermals plädieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.07

14.07.20


Präsident Ingo Appé: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich lasse über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, abstimmen.

Es ist hiezu namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. Ich bitte um deutliche Stimmabgabe.


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Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alpha­be­tischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Wagner geben die BundesrätInnen ihr Stimm­verhalten mündlich bekannt.)

*****


Präsident Ingo Appé: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Nein“.

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche die Sitzung kurz zur Auszählung der Stimmen.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 14.13 Uhr unterbrochen und um 14.15 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

Ich nehme somit die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungs­ergebnis bekannt.

Auf den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird, keinen Einspruch zu erheben, entfallen demnach bei 58 abgegebenen Stimmen 38 „Ja“-Stimmen und 20 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag ist somit angenommen.

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Aschenbrenner;

Bader, Berger-Grabner, Bernard, Brunner, Buchmann;

Ecker, Eder-Gitschthaler, Ess;

Froschauer;

Gfrerer;

Hackl, Holzner;

Köck, Krusche;

Längle;

Mattersberger, Mühlwerth;

Neurauter;

Ofner;

Pisec, Preineder;

Raggl, Rösch;


BundesratStenographisches Protokoll893. Sitzung, 893. Sitzung des Bundesrates am 29. Mai 2019 / Seite 106

Samt, Saurer, Schererbauer, Schilchegger, Schulz, Schwindsackl, Seeber, Spanring, Sperl, Steiner, Steiner-Wieser;

Wagner;

Zeidler-Beck, Zwazl.

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Appé;

Beer;

Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn;

Kahofer, Kaske, Koller, Kovacs;

Lancaster;

Novak;

Prischl;

Reisinger;

Schabhüttl, Schennach, Schumann;

Wanner, Weber;

Zaggl.

*****

14.15.345. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird (595 d.B. und 613 d.B. sowie 10176/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag.a Doris Schulz. – Ich bitte um den Bericht.


14.16.05

Berichterstatterin Mag. Doris Schulz: Ich bringe den Bericht des Unterrichtsaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird. Im Wesentlichen geht es um eine entsprechende Anpassung des Schulzeitgesetzes durch die gesetzliche Verankerung von Herbstferien, und schulfreie Tage werden klarer geregelt.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Mai 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­ra­tes keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Ingo Appé: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Martina Ess. Ich erteile dieses.


14.17.02

Bundesrätin Mag. Martina Ess (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bildungsminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher via Livestream und auch oben auf der Besuchergalerie! Es besteht einfach kein Zweifel


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daran, dass die Bildungspolitik unter unserem Bundesminister, unter Ihnen, Herr Faßmann, gerade einen enormen Aufwind erlebt. Für mich ist das Wohltuendste an Ihrer Arbeit, dass aus dem Notwendigen, aus dem Diskutieren, aus dem Abwägen und oft auch Prüfen schnell gelebte Realität wird und das Umsetzen folgt. Dafür danke ich Ihnen. Ich würde sogar so weit gehen, dass man sagen kann, dass die Arbeitsweise von Ihnen und Ihrem Kabinett sogar von einer ganz raschen Umsetzung gekenn­zeichnet ist. Das ist grundvernünftig und schafft in vielen Themenbereichen Klarheit und so auch betreffend Herbstferien. Es ist Ihnen gelungen, diese bundesweit ein­heitlich einzuführen. Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundes­rätInnen Pisec und Steiner-Wieser.)

Diese Entscheidung trägt gerade in diesen sehr turbulenten Tagen für mich, für uns alle ganz klar die Handschrift der Bundesregierung unter Sebastian Kurz, die wir alle weiterhin unterstützen, und diesen Kurs gilt es definitiv auch weiterhin zu begrüßen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Es freut mich als ehemalige Schülerin – das ist schon ein bisschen länger her, das gebe ich zu –, aber auch als ehemalige Lehrerin und jetzt auch als Mutter, dass ich als Vorarlbergerin auf insgesamt 15 Jahre Erfahrung mit Herbstferien zurückblicken kann. Unser Ländle ist da Vorreiter, hat eine Vorreiterrolle, denn vor 15 Jahren wurden die Herbstferien eingeführt. Eines möchte ich vorwegnehmen: Natürlich gab es damals auch kontroversielle Diskussionen und Zweifel, wie es geregelt werden wird, was da alles kommen wird, weil es letzten Endes ein sehr emotionales Thema ist und weil es auch ein Thema ist, bei dem es nicht so einfach ist, alle Interessen unter einen Hut zu bringen. Da ist es ganz egal, wie man es macht, es wird immer Menschen geben, die es aufregen wird – einerseits weil sie vielleicht grundsätzlich Mühe mit Veränderung haben und ihnen andererseits diese geplante Veränderung, was die Herbstferien betrifft, schlicht nicht gefällt. Dennoch hat die Einführung der bundesweit einheitlichen Herbstferien, diese Veränderung im Schulzeitgesetz ihre absolute Berechtigung, denn das ist eine Entscheidung, die von den Österreicherinnen und Österreichern ganz klar gewünscht und auch seit Jahren, ja Jahrzehnten erwartet wird.

Es gibt sehr viele Zweifler und Zweiflerinnen, das weiß ich. Dazu eine klare Botschaft: Es ist etwas, auf das man gut vorbereitet ist. Es kommt nicht von heute auf morgen, sondern erst mit dem Schuljahr 2020. Alle wurden rechtzeitig informiert. Es bleibt genügend Zeit, um sich vorzubereiten. Wenn ich auf 15 Jahre Erfahrung in Vorarlberg zurückblicke, kann ich sagen, dass die Zweifel, die auch dort herrschten, sehr schnell verstummten, als es dann umgesetzt wurde, und es ist bei uns im Ländle schlicht überhaupt kein Thema mehr.

Wie schaut diese Herbstferienwoche jetzt ganz genau aus? Auch darüber wurde ja viel diskutiert, und ich möchte da jetzt Klarheit schaffen. Grundsätzlich werden die freien Dienstage nach Ostern und Pfingsten gestrichen, und der Rest der Herbstferien wird über die schulautonomen Tage sichergestellt. Wie auch in Vorarlberg ergibt sich zwi­schen dem 27. Oktober und dem 31. Oktober eine Zeit schulfreier Tage und insgesamt eine Woche vom 26. Oktober bis 2. November.

An dieser Stelle ist es wichtig, zu erwähnen, weil auch das oft nicht klar ist, dass die Anzahl der Schulunterrichtstage gleich bleibt. Das bringt mich zu einem sehr wesent­lichen Punkt, dass nämlich oft Stimmen laut werden, dass man jetzt für ein Betreu­ungsangebot sorgen muss und dass das alles viel komplizierter werden wird. – Das ist nicht so. Die Anzahl der Tage bleibt gleich, und für die Betreuung der Kinder muss nur in dieser Zeit gesorgt werden und nicht wie bisher an unterschiedlichen Tagen.

Ganz im Gegenteil: Es gibt zwei klare Argumente auch in diese Richtung. Es erleichtert einerseits den Bundesländern die Organisation von Betreuungsangeboten, und ande-


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rerseits haben es auch die Familien leichter, denn sie können besser planen. Wenn eine Familie mehrere Kinder hat, die an unterschiedlichen Schulen sind, an einer Volksschule, einem Gymnasium, einer Neuen Mittelschule, ist es für sie einfacher geworden, weil die Kinder zur selben Zeit freihaben.

Zum Schluss: Es gibt noch diejenigen, die sagen, dass Herbstferien ganz grundsätzlich nicht erwünscht sind. – Da kann ich sagen, dass wir in Vorarlberg damals bei der Einführung stets versucht haben, mit den Betroffenen, mit den Schulpartnern ein Ein­vernehmen herzustellen, denn es betrifft Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und natürlich auch die Schülerinnen und Schüler alle gleichermaßen. Bei der bundesweiten Ein­führung gab es jetzt eine Umfrage, und es stimmt schon, da gab es durchaus oftmals auch kontroversielle Meinungen oder Diskussionen, aber ein Anliegen war bei allen gleich, die große Bitte nämlich: Bitte schafft Klarheit und trefft eine Entscheidung!

Zusammengefasst: Diese Entscheidung wurde gefällt. Sie beendet aus meiner Sicht eine jahre-, ja fast jahrzehntelange Diskussion, sie ist familienfreundlich, sie ist meiner Meinung nach pädagogisch grundvernünftig und auch nachvollziehbar und ein ganz wichtiger Schritt in der Bildungspolitik. Da stimmen wir mit einem großen Dank an Sie, Herr Faßmann, und Ihr Kabinett zu. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

14.23


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Wanner. Ich erteile dieses.


14.23.20

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Wir haben da heute ein Wohlfühlthema. Ferien betreffen alle, und ich glaube, es ist ein ganz gutes Gesetz. Geschätzte Bundesräte und Bundesrätinnen! Liebe Damen und Herren zu Hause und auf der Galerie! Das Schulzeitgesetz wird geändert, und das ist gut so. Vorarlberg hat die Herbstferien seit 15 Jahren, Salzburg wollte sie im Jahr 2010 haben und hat es auch ein Jahr lang ausprobiert. Diese Probe hat damit geendet, dass man Schüler, Lehrer und Eltern befragt hat. Da hat es natürlich politische Strömungen gegeben, deswegen freut es mich, dass Kollegin Gitschthaler heute auch dafür ist. Die ÖVP war damals in Salzburg mit dem Argument dagegen, dass es pädagogisch die falsche Zeit sei, um Ferien zu machen, da der Lernfluss der Schüler dadurch gestoppt und unterbrochen werde. In diesem Bericht sehen wir, dass heute genau umgekehrt argumentiert wird. Es dürfte pädagogisch die richtige Zeit sein, und die Schüler brauchen genau zu diesem Zeitpunkt eine Lernpause. Ich finde das gut. Damals war es politisch nicht erwünscht, denn es war ein Vorschlag der SPÖ, ein Vorschlag von Gabi Burgstaller.

Also gut, jetzt kommen die Herbstferien. Wir nehmen uns Vorarlberg zum Vorbild. Es ist ganz gut, dass man da einen Bezugspunkt hat, und die Erfahrungen aus Salzburg sind, soviel ich gehört habe, auch eingeflossen. Es gibt jetzt Ferien vom 27. bis 31. Oktober, sprich 2. November. In begründeten Fällen können auch heuer schon Herbstferien angesetzt werden, wie ich gelesen habe.

Mir ist ganz wichtig, dass es in Summe zu keiner Ausdehnung der Ferienzeiten kommt, wie schon gesagt wurde. Es ist auch sehr wichtig, dass die Schulen selbst diese Fenstertage festlegen können, zumindest zwei, es können aber auch mehr sein.

Worauf ich noch hinweisen möchte, ist, dass im Gesetz eine Flexibilisierung hin­sichtlich Unterrichtsstunden und Pausen enthalten ist, denn ich glaube, dass genau das das Richtige ist, um auf den Lernstoff, um auf Bedürfnisse der Kinder, auf Schüler und Schülerinnen einzugehen. Man kann den Lernstoff so bringen, dass man auf


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Konzentrationsschwächen oder Überaktivität eingehen kann, und kann dadurch wesentlich besser unterrichten. Ich glaube, dass das zu einem Lernerfolg führen kann. Mir ist es ganz wichtig, das hier gesagt zu haben, weil es sonst so ein bisschen in Nebensätzen verschwindet.

Es ist richtig, dass das Blocken der Herbstferien einen Vorteil haben kann. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass es bei jeder Regelung Positives und Negatives, Vorteile, Nachteile, Gewinner und Verlierer gibt. Für Familien mit Kindern in verschie­denen Schulen war das bis jetzt sicherlich eine Katastrophe, denn da hat man diese einzelnen Tage aufsplitten müssen. Der einzelne Tag konnte aber zumindest doch leichter mit einer Kurzzeitbetreuung durch Großeltern und so weiter überbrückt werden. Jetzt ist eine ganze Woche frei, und daher sollten wir als Eltern auch eine ganze Woche Betreuung zumindest für die Kleinen und Kleinsten sicherstellen. Da wird es dann natürlich problematisch. Oma und Opa können nicht, wir haben leider keine flächendeckende Kinderbetreuung außerhalb der Schulzeit, das wissen wir. Da wird es also zu Problemen für die Familien kommen.

Das Bildungsinvestitionsgesetz regelt ja auch die Finanzzuwendungen für die außer­schulische Betreuung. Da hätte ich mir schon vorgestellt, dass man finanziell etwas nachrüstet, denn ich glaube, dass sie aufgrund dessen, dass das eine ganze Woche ist, jetzt mehr in Anspruch genommen wird, aber vielleicht kommt das ja noch. Wir haben gestern im Ausschuss gehört, dass momentan keine zusätzlichen Mittel dafür vorhanden sind. Das wäre jedenfalls nicht das Schlechteste.

Wir stimmen diesem Gesetzentwurf vollinhaltlich zu, haben aber einige Forderungen; ich sehe das eigentlich nicht als Forderungen, sondern als Bedürfnisse. Man sollte – im Ausschuss war es Kollegin Ess, die das angesprochen hat – in nächster Zukunft auch über das Ferienmodell nachdenken. Mir hat der Vorschlag sehr gut gefallen. Es gibt noch immer diese langen Sommerferien, die ja ursprünglich einmal Ernteferien waren. Da könnte man zukünftig etwas nachjustieren oder zumindest darüber diskutieren, da stimme ich mit dir völlig überein.

Noch nicht angesprochen wurde, was uns im Ausschuss gesagt worden ist: dass mit den Pädagogischen Hochschulen die Fortbildung für Lehrer in der Zeit noch nicht vereinbart ist. Ich gehe davon aus, dass das noch kommen wird.

Es ist ganz notwendig, für diese Woche eine flächendeckende Betreuung für unsere Kinder sicherzustellen. Vielleicht sollte man auch darüber nachdenken, dass der Erho­lungsurlaub für Eltern ein Erholungsurlaub und nicht ein Betreuungsurlaub sein sollte, aber vielleicht bekommen Eltern irgendwann einmal zusätzlich Betreuungsurlaub für die viele schulfreie Zeit, die man mit dem Erholungsurlaub nicht abdecken kann. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.29


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile dieses.


14.29.42

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu diesem Wohlfühlthema, wie es Michi genannt hat, ist jetzt wirklich nicht mehr viel hinzuzufügen. Mich freut es als ehemals betroffene Mutter von zwei Kindern an verschiedenen Schulen, dass jetzt für viele, viele Familien, für viele Eltern Klarheit geschaffen wird, dass man besser planen kann. Die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Schule wird erhöht, und das wird für die Eltern, Lehrer und Kinder jetzt besser geregelt.


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Kollege Wanner hat vorhin das Modell 2010 in Salzburg angesprochen. Ich habe das damals schon begrüßt, auch aus Sicht des Tourismus. Viele Touristiker, Hoteliers und Gastronomen haben mir gesagt, sie hätten gern im Herbst eine Woche, in der sie mit der Familie, mit ihren Kindern gemeinsam wegfahren können, denn die können ja in der Hochsaison nicht weg. Wie schwierig es für Unternehmer ist, mit der Familie einmal unterwegs zu sein, das wissen wir ja alle.

Mich freut es. Wir sind auch kein Einzelfall in Europa. Weitere 20 Länder haben diese Regelung bereits. Wir Freiheitliche stimmen diesem Modell zu, es freut mich, und ich kann nur allen Danke sagen, die daran beteiligt sind. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.31


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Heinz Faßmann. Ich erteile dieses.


14.31.19

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann, betraut mit der Fortführung der Verwaltung im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung: Herr Präsident! Hohes Haus! Nur eine kurze Kommentierung: Gestern hat mich der Bundespräsident bei meiner dritten Angelobung innerhalb meiner relativ kurzen politischen Karriere ermahnt, kooperativ zu sein, auf andere zuzugehen und mit ihnen zu sprechen. Ich denke, gerade dieser Vorschlag zur Änderung des Schulzeitgesetzes hat hervorragend unter Beweis gestellt, dass wir auf alle anderen zugegangen sind, mit den unter­schiedlichen Stakeholdern gesprochen haben. Am Ende des Weges haben auch die Stakeholder gesagt: Liebe Politik, entscheide du, denn wir können uns so nicht einigen! Wir haben das getan und haben damit eine merkwürdigerweise jahrzehntelange Dis­kussion beenden können. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wir haben sie auch deswegen beenden können, und da teile ich Ihre Meinung, Frau Ess, weil wir auf ein erfolgreiches Modell zurückgreifen konnten. Manche in diesem Bundesrat, aber vielleicht noch mehr im Nationalrat haben manchmal eine distanzierte Haltung dem Föderalismus gegenüber und meinen, dass der Föderalismus bei be­stimmten Reformprojekten eine verzögernde Kraft ist. Wenn man den Föderalismus richtig versteht, wenn die Länder innerhalb ihrer kompetenzrechtlichen Möglichkeiten, ihrer autonomen Möglichkeiten Dinge ausprobieren und der Bund dann nach einer Erprobungsphase auf erfolgreiche Modelle zugreift, dann ist dieser Föderalismus, glaube ich, richtig verstanden und nutzbringend für den gesamten Bund.

Und noch eine Bemerkung: Herr Wanner, ja, die Betreuung ist eine Notwendigkeit. Wir haben explizit ins Bildungsinvestitionsgesetz hineingeschrieben, dass es eine Förde­rung hinsichtlich Betreuung auch in Ferienzeiten – es steht drinnen: Herbstferien, Sommerferien – geben soll. Sie haben auch eine Erhöhung der Mittel angesprochen. Das Bildungsinvestitionsgesetz sieht 250 Millionen Euro oder anders gesagt eine Viertelmilliarde Euro zum Ausbau der GTS, der Ganztagsschulen, und Betreu­ungs­möglichkeiten für die kommenden drei Jahre vor. Aufgrund einer Verkettung von unglücklichen Umständen, wenn ich es einmal so formulieren darf, können wir dieses Bildungsinvestitionsgesetz, welches fertig begutachtet ist, leider nicht wie vorgesehen umsetzen. Wir werden schauen, was wir damit machen können. Ich halte es für eine sinnvolle Angelegenheit, weil eben genau dieser Punkt auch enthalten ist.

Insgesamt möchte ich dafür Danke sagen, dass es auch konsenshafte Gesetz­wer­dungsprozesse gibt. Das gibt Hoffnung. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.34

14.34.27


Präsident Ingo Appé: Vielen Dank, Herr Bundesminister.


BundesratStenographisches Protokoll893. Sitzung, 893. Sitzung des Bundesrates am 29. Mai 2019 / Seite 111

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nom­men.

14.35.006. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Institutes des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen und die Eingliederung des Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des öster­reichischen Schulwesens erlassen und das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens geändert wird (596 d.B. und 614 d.B. sowie 10177/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Ich bitte um den Bericht.


14.35.42

Berichterstatterin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Unterrichts­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Institutes des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen und die Eingliederung des Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des öster­reichischen Schulwesens erlassen und das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichi­schen Schulwesens geändert wird.

Es geht darum, dass das Bifie aufgelöst wird und die für evidenzbasierte Schulent­wick­lung weiterhin benötigte Expertise und Infrastruktur mit der Errichtung des Institutes des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen per 1. Juli 2020 in eine nachgeordnete Dienststelle des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung übergeleitet wird.

Der Bericht dazu liegt Ihnen schriftlich vor, daher komme ich zur Antragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Mai 2019 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.


Präsident Ingo Appé: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile dieses.


14.37.15

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause


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vor den Bildschirmen! Das Bifie, wir haben es schon gehört, das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens, soll, wenn es nach der jetzt ehemaligen türkis-blauen Bundesregierung geht, in ein dem Bildungsministerium nachgelagertes Institut für Qualitätssicherung im österreichi­schen Schulwesen umgewandelt werden. Mit welchem Ziel? – Stärkung der evidenz­basierten Qualitätsentwicklung im Bildungsbereich und Ressourceneffizienz in der Bildungsverwaltung, so heißt es zumindest in der Regierungsvorlage.

Das erscheint auf den ersten Blick gar nicht so schlecht und durchaus zustimmungs­würdig. Der Teufel steckt aber wie so oft im Detail, und daher haben wir auch einen ganz genauen, zweiten Blick darauf geworfen. Das Bifie wurde 2008 geschaffen, um angewandte Bildungsforschung und Bildungsmonitoring zu betreiben. Es hat die Aufgabe der nationalen Bildungsberichterstattung sowie der Information und der Beratung. Gerade im Bereich der Bildungsforschung erfüllt das Bifie aus meiner Sicht eine ganz wesentliche und zentrale Aufgabe für eine evidenzbasierte und zukunfts­gerichtete Entwicklung unseres Bildungswesens. Ich darf hier nur exemplarisch die Bildungsstandardtestungen nennen oder auch den Nationalen Bildungsbericht, der mit seinen knapp 900 Seiten ja nicht nur sehr detailliert, sondern auch sehr aussagekräftig ist. Darüber werden wir heute aber ohnehin noch ganz ausführlich diskutieren.

Nun aber zu unserer, wie ich meine, durchaus berechtigten Kritik: Ich habe im Aus­schuss bei den Expertinnen und Experten des Ministeriums nachgefragt, wie denn die betonte Unabhängigkeit des IQS dann ganz konkret gewährleistet und sichergestellt werden kann und soll, und man hat uns da auf § 3 im IQS-Einrichtungsgesetz ver­wiesen, wo die drei Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens niedergeschrieben wurden, nämlich Objektivität, Reliabilität und Validität. – Na ja, no na. So soll es letzt­endlich ja auch sein; davon gehe ich im wissenschaftlichen Bereich schon aus. Alles andere wäre aus meiner Sicht grob fahrlässig. Konkrete Aussagen über Maßnahmen und Schritte dahin gehend, wie man sich diese Umsetzung ganz genau vorstellen soll, ist man mir beziehungsweise uns jedoch schuldig geblieben.

Nun zu verschiedenen Kritikpunkten aus diversen Stellungnahmen: Neuerlich wird auch in diesem Fall die recht kurze Begutachtungsfrist von nur drei Wochen negativ hervorgehoben – wieder einmal und einmal mehr, muss man sagen. Man hat wieder das Gefühl, das wird um jeden Preis durchgezogen, damit erst gar keine Kritik aufkommen kann. Die pädagogische Hochschule weist des Weiteren darauf hin – und ich zitiere –, „dass ‚Steuerungslogik allein, keine besseren Ergebnisse gewährleisten kann‘“, und rät dann auch ganz konkret dazu, im weiteren Verlauf „kontinuierlich Feedback aus der Praxis einzuholen sowie eine prozessbegleitende Forschung anzu­denken“. – So weit, so gut.

Nach Meinung der Sozialdemokratie geht jedenfalls mit der Umbildung des Bifie in das neue IQS ein ganz klarer Verlust der Unabhängigkeit der wissenschaftlichen For­schung im Bildungsbereich einher – ganz so, wie das auch, wenn man genau hin­schaut, bei der Statistik Austria der Fall ist oder war. Nur das, was sozusagen politisch genehm ist, soll untersucht werden, nur das, was in das Regierungsbild passt, soll dann auch entsprechend datentechnisch und informationstechnisch veröffentlicht wer­den. Wir sind auch in dieser Hinsicht mit unserer Kritik, muss man sagen, nicht alleine, das wissen Sie. Namhafte Bildungsexperten, denen man in diesem Fall keinerlei Nähe zur Sozialdemokratie unterstellen kann, geben uns recht. Ich darf beispielsweise den Bildungsexperten Hopmann zitieren, der klar auf die Message Control hinweist. Das ist, glaube ich, ein ganz eindeutiger Anhaltspunkt dafür, dass Skepsis und Kritik ange­bracht sind.

Ich muss auch dazusagen, wir können davon ausgehen, dass Sie mit Ihrer doch noch immer aktuellen Regierungsmehrheit – nachdem wir die traute Zweisamkeit, sozu­sa-


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gen, von FPÖ und ÖVP heute schon erlebt haben (Beifall bei der SPÖ – Heiterkeit der Bundesrätin Eder-Gitschthaler– das Gesetz zur Einrichtung des IQS heute beschließen werden. Nichtsdestotrotz kann ich Ihnen nur versichern, dass wir in Zukunft und auch unter einem neuen Minister, einer neuen Ministerin einen sehr genauen Blick darauf werfen werden, dass die uns – und nicht nur uns – versprochene Unabhängigkeit auch wirklich Realität wird und möglich sein kann und das IQS als zukünftig nachgelagerte Dienststelle des Ministeriums nicht sozusagen eine Befehlsempfangsstelle des Bun­desministers oder der Bundesministerin wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.42


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile dieses.


14.42.44

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Worum geht es wirklich? – Der Nationalrat hat im Jahr 2008 ein Bundesinstitut für Bildungs­forschung, Innovation und Entwicklung des Bildungswesens geschaffen. Die Aufgaben dieses Instituts sind – wie auch meine Vorrednerin schon gesagt hat – angewandte Bildungsforschung, Bildungsmonitoring, nationale Bildungsberichterstattung, Informa­tion und Beratung. Das Institut steht der Bildungspolitik und der Schulverwaltung für entsprechende Auskünfte und Beratung zur Verfügung. Dieses Institut hat seinerzeit beim Beschluss seine Arbeit als Körperschaft öffentlichen Rechts aufgenommen, das Direktorium und der Aufsichtsrat aber waren vom Bildungsministerium beschickt. Sie wissen, dass ein Teil des Bifie, nämlich derjenige, der die Zentralmatura mit einigen Turbulenzen behandelt hatte, bereits 2017 in das Ministerium zurückgeführt wurde.

Der Rechnungshof hat die vorliegende Gesetzesinitiative ausdrücklich befürwortet, weil er im Rahmen vieler Überprüfungen festgestellt hat, dass das Bifie mit seinem Per­sonalstand und mit seinen Budgetplanungen über das Ziel hinausgeschossen ist. Die Kritik des Rechnungshofes ist, auf den Punkt gebracht, folgende: zu viel Budget, zu viel Personal, zu wenig Kontrolle und vor allem zu wenig Effizienz. Alle hier im Hohen Haus wissen um die Qualität der Rechnungshofberichte, und so sollten wir auch diese Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge des Rechnungshofes umsetzen. Der Sinn der Gesetzesinitiative ist, dass die Ressourcen effizienter genützt werden, der Output erhöht wird und Synergiepotenziale mit den einzelnen Abteilungen des Ministeriums genützt werden.

Bildungsminister Faßmann ist ein unumstrittener Wissenschaftler, der eigentlich, wenn ich das jetzt in einem Nebensatz sagen darf, unser aller Vertrauen verdient und diese Abwahl vorgestern in keiner Weise verdient. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bun­des­rätin Mühlwerth.)

Bei ihm, dem international anerkannten Fachmann, kann man voraussetzen, dass wis­senschaftliche Arbeit auch unabhängig betrieben werden kann. Die methodische Unab­hängigkeit für die Datenerhebung bleibt ja bestehen, sie ist im Gesetzestext auch ausdrücklich festgehalten. Was dazukommt, ist, dass die Daten, die das Ministerium selbst hat, nun weitergegeben werden, sodass kein zusätzlicher Aufwand mehr entstehen wird. Zukünftig wird es so sein, dass das Ministerium für das Budget und für die Personalausstattung verantwortlich ist.

Wir wollen mehr Fakten. Eine sinnvolle Schulentwicklung braucht praxisnahe Nutzung der Daten, eine sinnvolle Schulentwicklung braucht nationale und internationale Leis­tungs­messungen, und das Ziel ist, dass die Daten aus den Schulen direkt der Bil-


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dungspolitik zugutekommen. Auf die wissenschaftliche Unabhängigkeit habe ich schon hingewiesen.

Ich möchte Sie also nicht nur um Zustimmung zu diesem Gesetz bitten, sondern angesichts der Wahl zum Europäischen Parlament am letzten Sonntag noch einmal mit einem Anliegen von mir beschäftigen: Bereits im letzten Jahr habe ich mir die Anregung erlaubt, der politischen Bildung in den Schulen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Ich weiß, dieses Thema kommt querschnittsmäßig in den Schulen vor, aber eine Stunde in den Abschlussklassen würde vielen jungen Menschen vielleicht mehr Einblick in das politische Geschehen liefern und ihnen auch in der Entscheidungs­findung helfen. Ich habe gerade jetzt, als ich recht eifrig in der Wahlwerbung für das EU-Parlament tätig war, gesehen, wie viele Defizite bei jungen Menschen festzustellen sind, und ich hätte die Hoffnung, wenn wir ein Unterrichtsfach hätten, dass es zu einer verbesserten Information käme.

Zum Schluss möchte ich Ihnen, Herr Minister, vielmals danken. Sie sind in dieser kurzen Zeit wirklich zu besonderen Ergebnissen gekommen, haben auch in vielfältiger Weise Konsens von allen gefunden, und ich habe die Hoffnung, dass wir Sie vielleicht im September nach der Wahl hier wieder begrüßen dürfen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

14.47


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile dieses.


14.47.59

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie, zu Hause via Livestream! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der SPÖ, sagt doch einfach ganz klar und deutlich: Einem Gesetz, das von Schwarz-Blau kommt, können wir grundsätzlich nicht zustimmen! (Rufe bei der SPÖ: Stimmt ja nicht ...!) – Na, das haben wir ja letztes Mal schon erlebt, beim Konsulargesetz. Ihr sucht immer ein Haar in der Suppe – und man kann natürlich auch eines finden, wenn man sucht, das ist schon ganz klar. (Anhaltende Zwischenrufe der Bundesrätin Hahn.) Letzten Endes habt ihr aber keine wirklichen Argumente, warum ihr wo dagegenstimmt (neuerlicher Zwischen­ruf der Bundesrätin Hahn) – oder die falschen oder unwahre Argumente, auch das haben wir schon erlebt. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling, Hahn und Schumann.)

Dieses sogenannte unabhängige Bifie, das von euch jetzt so beschworen wird, ist ja spätestens seit 2014 absolut in der Kritik gewesen. Und von wegen unabhängig: Der Vorwurf lautete unter anderem, dass politisch motivierte Postenbesetzungen stattge­funden haben. – Also sehr unabhängig in alter SPÖ-Manier: Wir hieven dort nur unsere Leute hinein! (Bundesrätin Hahn: Soll es jetzt blau werden?) – Das kennen wir schon; und ihr nennt es dann unabhängig. (Bundesrätin Hahn: Also doch! Danke für die Bestätigung!)

Die Pannenserie bei der Zentralmatura ist uns allen ja noch in Erinnerung, so wie das Datenleck – und das waren alles SPÖ-Minister, die dieses Ministerium geführt haben (Zwischenruf bei der SPÖ) –, wodurch dann plötzlich Tausende E-Mail-Adressen von Lehrern öffentlich gemacht wurden, worüber sogar eure Ministerin entsetzt war, die gar nicht wusste, wie das passieren konnte.

Der Rechnungshof ist doch normalerweise auch euer Spezialgebiet. Wenn der Rech­nungshof sagt: Da ist etwas zu tun, da muss etwas verbessert werden!, seid ihr doch die Ersten, die sagen, dem muss man Folge leisten. Der Rechnungshof hat gesagt: Es ist teuer, es ist ineffizient, es ist intransparent! Proteste von Schülern, Eltern und Leh-


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rern waren kein Thema, wenn es die SPÖ betrifft; bei ÖVP und FPÖ war das natürlich immer ein Thema. Da haben so und so viele dagegen protestiert – bei euch niemand, das war immer alles unabhängig.

Weitere Kritik des Rechnungshofes: Die Ausgliederung – Unabhängigkeit – hat Folgen­des gebracht: hohe Kosten, keine Effizienzsteigerung; also ist das Bifie in dieser Form eigentlich tot gewesen.

Bei der Erhebung von Bildungsstandards gab es den Vorwurf, dass die Fragen viel zu intim waren – und das waren sie auch. Was sie da alles wissen wollten, erinnert schon sehr an George Orwell: Ich will jetzt bis ins letzte Glied alles von euch wissen! Dann waren die Daten erhoben, sind aber unter Verschluss gehalten worden. Man kann mit Daten, die man nicht kennt, aber nichts anfangen. Wenn man etwas verbessern will, muss man auch Daten zur Verfügung haben und sie wenigstens an die Lehrer weitergeben können.

All das ist im neuen Bifie-Gesetz vorgesehen. Die Unabhängigkeit der wissen­schaft­lichen Erhebung ist garantiert. Niemand würde heute sagen: Da schieben wir ein bisschen herum!; obwohl jetzt erst ein niederländischer Minister zurücktreten musste, weil er alle Kriminalfälle und alles, was Mord, Totschlag, Vergewaltigung betroffen hat, als ganz harmlos abgetan hat. Das eine waren die Ladendiebstähle, Mord beziehungs­weise Totschlag waren das andere. (Bundesrätin Hahn: Was hat das mit dem Bifie zu tun?!) Natürlich ist die Versuchung bei manchen offensichtlich groß. Das war aber kein rechter Politiker, möchte ich nur sagen. Das war wieder einer von der linken Seite, der halt versucht hat, manipulativ Daten zu veröffentlichen; das hat ja bei euch Methode. Das wird mit dem Bifie-Gesetz nicht passieren. (Rufe und Gegenrufe zwischen Bun­desrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Ich glaube auch, dass Herr Minister Faßmann als Wissenschafter, der ja der Unab­hängigkeit von Lehre und Forschung verpflichtet ist, jetzt einmal – so wie es geschrie­ben worden ist – wirklich darauf geschaut hat, dass das auch so bleibt. Natürlich werden die Daten an die Lehrer weitergegeben werden. Das muss auch so sein, damit diese sehen können, welche Schülergruppe Förderbedarf hat und welche Schüler­gruppe besonders begabt und zu fördern ist, denn wir haben in der Vergangenheit den Fokus immer allzu sehr auf jene Schüler gelenkt, die schwach waren, nie auf die, die stark waren. Wir müssen sowohl den Schülern helfen, die schwach sind, als auch jene stärken, die stark sind; wir müssen auch ihre Begabungen stärken.

Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir unter der Präsidentschaft von Kollegin Zwazl dazu schon einmal eine Veranstaltung mit Professor Hengstschläger gehabt haben, der völlig zu Recht gesagt hat, man solle vielleicht nicht immer den Fokus darauf richten, was einer nicht kann, sondern mehr darauf, was er kann, und ihn darin wirklich unterstützen und fördern.

Da das Bildungsforschungsinstitut – nach Ihrer Art und Weise – keineswegs unab­hän­gig, sondern parteipolitisch besetzt und motiviert war, ist es, glaube ich, sehr richtig und sehr gut, dass es jetzt in das Ministerium zurückkommt, denn die Opposition, wer immer es sein wird, schaut sowieso darauf, was passiert und was geschieht. Es ist übrigens auch die Aufgabe des Parlaments, insbesondere des Bundesrates, Kontrolle der Regierung auszuüben. Daher mache ich mir da relativ wenig Sorgen, dass nicht genau darauf geschaut wird, dass alles mit rechten Dingen zugeht; und wenn etwas schiefläuft, ist der Minister verantwortlich und nicht irgendjemand, wie das in der Vergangenheit der Fall war.

Das heißt, es ist ein gutes Gesetz, und wenn Sie sich überwinden können, einmal nicht reflexartig alles, was von ÖVP-FPÖ kommt, abzulehnen (Zwischenruf der Bundesrätin


BundesratStenographisches Protokoll893. Sitzung, 893. Sitzung des Bundesrates am 29. Mai 2019 / Seite 116

Schumann), dann könnten Sie, wenn Sie nach den Inhalten gehen, ja selbstver­ständ­lich zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.54


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Heinz Faßmann. Ich erteile dieses.


14.54.34

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann, betraut mit der Fortführung der Verwaltung im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung: Hohes Haus! Herr Präsident! Erstens wollte ich mich, Frau Neurauter, sehr für Ihre freundlichen Worte bedanken. Es tut im Prinzip immer gut, auch einmal freundliche Worte zu hören.

Das Zweite: Frau Hahn - - (Bundesrätin Hahn: Ich bin nicht unfreundlich!) – Nein, überhaupt nicht! Ich bin auch nicht unfreundlich zu Ihnen. Ich probiere es mit einer Suggestivfrage. (Bundesrätin Hahn: Das ist nach statistischen Kriterien nicht zulässig!) Haben Sie den Eindruck, dass die Wettervorhersage, die Temperaturangaben, die Angaben der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik für die nächsten Tage einer Message Control unterliegen oder vielleicht sogar, noch schlimmer, durch den Minister manipuliert werden? – Sie werden es klarerweise nicht, und ich habe großes Zutrauen zur Zentralanstalt. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Hahn und Schumann.) Die Zentralanstalt, Frau Hahn, ist eine nachgeordnete Dienststelle. Der Vorwurf der Message Control ist ein gewichtiger Vorwurf, keine Frage, nur muss ich da zu Herrn Hopmann sagen: Das muss man zuerst beobachten, denn man kann nicht schon a priori sagen, es gebe eine Message Control.

Dahin gehend würde ich die Kirche im Dorf lassen und sagen: Die Umwandlung des Bifie in ein IQS ist sinnvoll, denn das Bifie war eine rechtlich unabhängige, aber finanziell vollkommen abhängige Institution, was das von Frau Mühlwerth Ange­sprochene bewirkt hat: Daten wurden erhoben, aber nicht weitergegeben. Meine Vorgängerin hat nahezu erfolglos probiert, Auskunft betreffend jene Schulstandorte zu bekommen, die die informellen Kompetenzmessungen nicht durchgeführt haben oder deren Ergebnisse nicht abgerufen wurden. Es war, so hat mir mein Haus berichtet, ein rechtlicher Kampf zwischen dem Bifie und meiner Vorgängerin, die Daten zu bekom­men, weil das Bifie immer gesagt hat: Wir sind unabhängig und dürfen das nicht! Frau Mühlwerth, Sie haben vollkommen recht: Damit die Daten Sinn machen, müssten wir sie unmittelbar in ein Bildungssystem einfließen lassen.

Das ist eine sinnvolle Maßnahme. Die Unabhängigkeit wird durch das Gesetz garan­tiert, und wenn sie nicht durch das Gesetz garantiert wird, dann, denke ich, durch ein aufmerksames Parlament und natürlich auch durch aufmerksame Medien, die immer dahinter sind. Das ist gut, richtig und auch wichtig. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Mühlwerth.)

14.57

14.57.21


Präsident Ingo Appé: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll893. Sitzung, 893. Sitzung des Bundesrates am 29. Mai 2019 / Seite 117

14.57.537. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Landesvertragslehr­personen­gesetz 1966 geändert wird (723/A und 615 d.B. sowie 10178/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Ich bitte um den Bericht.


14.58.20

Berichterstatterin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Unterrichts­aus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Mai 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Landesvertrags­lehr­personengesetz 1966 geändert wird.

Mit diesem Gesetzesbeschluss wird Personen, die eine universitäre Lehramts­aus­bil­dung für höhere und mittlere Schulen nach dem alten Studienplan abgeschlossen haben, eine reguläre Anstellungsmöglichkeit als Lehrperson an Mittelschulen und poly­technischen Schulen gewährleistet.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme zur Antragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Mai 2019 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Ingo Appé: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Wanner. Ich erteile ihm dieses.


14.59.23

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Auf den ersten Blick könnte man diesem Ge­setzentwurf für die Landeslehrer zustimmen. Es geht darum, dass Pädagoginnen und Pädagogen mit einem universitären Lehramtsstudium nach alter Ordnung, die sich im alten Dienstrecht befinden und auch an Neuen Mittelschulen unterrichten, eine reguläre Anstellung als Lehrpersonal an Mittelschulen und polytechnischen Schulen erhalten können. Bis jetzt war das nur mit Sondervertrag möglich – so weit, so gut.

Durch die Quasiabschaffung und das Zurückdrängen des Teamteachings in den Neuen Mittelschulen, das für uns immer ein zentraler Punkt war – nämlich das Team­teaching, also dass man sich die Arbeit in der Klasse aufteilt, sich gegenseitig unter­stützt (Beifall bei der SPÖ) –, besteht diese Möglichkeit momentan nicht. In Summe betrifft dieses Zurückdrängen des Teamteachings 1 500 LehrerInnen und PädagogIn­nen.

Die Abwendung vom Teamteaching heißt für uns, dass die Neuen Mittelschulen aus­gehungert und enorm geschwächt werden. Das wollen wir nicht. Es stellt sich auch die Frage, was mit den Lehrern, die den Lehramtsabschluss nicht gemacht haben, aber schon jahrelang als gute Pädagogen an den Schulen sind, passiert. Dürfen sie bleiben oder müssen sie gehen? Diese Frage konnte bis jetzt nicht beantwortet werden. Zu guter Letzt – das war halt bei dieser alten Regierung durchgehend so – hat es wieder einmal kein Begutachtungsverfahren gegeben, diese Änderung ist wieder mit einem Initiativantrag eingebracht worden.


BundesratStenographisches Protokoll893. Sitzung, 893. Sitzung des Bundesrates am 29. Mai 2019 / Seite 118

Auf Nachfrage im Ausschuss, warum es keine Begutachtung gegeben hat – denn so dringend wäre eine Änderung nicht gewesen –, kam die lapidare Antwort, es seien ohnedies alle dafür. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Das ist aber nicht wirklich eine Begründung, mit der man leben kann. (Bundesrat Steiner: Hätten wir mit den Roten Falken reden müssen, oder was?! – Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von ÖVP, FPÖ und SPÖ.) Es sind alle dafür, das war die Antwort im Ausschuss.

Man bindet wieder einmal keine Experten ein, die Fachleute werden nicht gefragt (Bundesrat Bader: Geh, geh, geh!), frei nach dem Motto: Ich weiß eh alles, ich brauche niemanden zu fragen! – Eine Begutachtung hätte keinen Zeitverzug gebracht. Zur Einbindung der Länder, der Ländervertreter: Wo ist sie? (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Die Politik mit Einbindung der Sozialpartnerschaft wurde von dieser alten Regierung tatsächlich abgeschafft. Da machen wir nicht mit! Uns ist bewusst, dass man dem Gesetz auch etwas Gutes abgewinnen kann (Ruf bei der FPÖ: Da schau her!), allerdings wird die Neue Mittelschule enorm geschwächt. Diesen negativen Effekt hätte man mit etwas gutem Willen durchaus ausgleichen oder abschwächen können (Ruf bei der ÖVP: Jetzt hast du so gut angefangen!), aber leider ist es wieder einmal ein Husch-pfusch-Gesetz ohne einen seriösen Prozess, wie wir ihn uns vorstellen, geworden. Wir kennen das auch aus anderen Bereichen, der 12-Stunden-Tag und die Ökostrom­novelle waren nichts anderes. – Deswegen sagen wir Nein. (Beifall bei der SPÖ.)

15.03


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Doris Schulz. Ich erteile es ihr.


15.03.39

Bundesrätin Mag. Doris Schulz (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzesbeschluss dient Personen, die eine universitäre Lehramtsausbildung für höhere und mittlere Schulen nach dem alten Studienplan absolviert haben. Was das Gesetz jetzt neu regelt, ist, dass sie reguläre Anstellungsmöglichkeiten an Mittelschulen und polytech­nischen Schulen haben. Sie werden damit in das neue System aufgenommen, sie erhalten eine vollwertige Anstellung. Es ist somit ein attraktives Angebot für Junglehrer.

Im Ausschuss wurde besprochen und erklärt, dass dieses Gesetz aufgrund vieler Wünsche vieler Bildungsinstitutionen in diese Form gebracht wurde. Das war die Erklärung.

Im Hinblick auf die Pensionierungswelle bei den Lehrern in den Neuen Mittelschulen: Bis 2025 werden etwa 50 Prozent von ihnen in den Ruhestand treten. Es wird der Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern in den Pflichtschulen steigen. Daher ist es not­wendig, diesen Gesetzesbeschluss zu fassen.

Ich bedanke mich sehr herzlich bei Bundesminister Faßmann. Er hat einige bildungs­politische Irrtümer korrigiert. Herr Minister, Sie haben viele zukunftsweisende Gesetze auf den Weg gebracht, und wir hoffen, dass dieser Weg nach dem Herbst ent­sprechend positiv weitergeführt werden kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.05


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile es ihm.



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15.05.32

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wir haben schon gehört, warum dieses Gesetz gemacht werden soll. Der Hauptgrund ist, dass wir nicht wollen, dass es Sonderverträge gibt (Ruf bei der SPÖ: Ja, das wissen wir eh!), denn Sonderverträge bedeuten einen Nachteil für die Pädagogen. Deswegen verstehe ich den Zugang der SPÖ ja wieder einmal überhaupt nicht. (Ruf bei der SPÖ: Du musst nicht alles verstehen!) Man ist natürlich wieder einmal gegen Beschäftigung. Man propagiert zwar immer Beschäftigung, sucht aber immer nach einer Möglichkeit, bei einem Gesetz von Blau und Türkis nicht mitgehen zu müssen – und man sucht so lange, bis man irgendetwas gefunden hat. Ich glaube, wenn man sich das ein bisschen vergegenwärtigt hätte, dann wäre man auch draufgekommen, dass das die derzeitigen Dienstverhältnisse nicht berührt. Das ist sehr wohl entsprechend erläutert worden.

Wichtig aber ist, dass wir viele Junglehrer haben, die oft in höheren Schulen keine Beschäftigungsmöglichkeit haben. Damit wird aber eine Möglichkeit geschaffen, hochqualifizierte Lehrpersonen entsprechend unterzubringen, also werden vor allem auch Beschäftigungsmöglichkeiten für sie geschaffen. Daher verstehe ich es überhaupt nicht, wie man gegen solch eine Maßnahme sein kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen auch, dass wir mit Pensionierungen konfrontiert sind. Was gibt es Schlim­meres als lange Wartelisten? – Nun haben wir die Möglichkeit, diese Abgänge zu kompensieren und junge Pädagoginnen auch in Mittelschulen und polytechnischen Schulen einzusetzen.

Entschuldigen Sie, aber das, was gar niemand versteht, ist, dass jemand, der eine universitäre Ausbildung hat, nicht an einer Mittelschule oder an einer polytechnischen Schule unterrichten können soll. Deswegen: Liebe SPÖ, lassen Sie Ihren Worten auch einmal Taten folgen und unterstützen Sie diesen Beschluss! Immer nur zu propagieren, dass man hinter den Lehrpersonen und für Beschäftigung steht, und dann immer für das Gegenteil zu stimmen, ist wirklich mehr als unglaubwürdig (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) – aber ja, es ist halt die ideologische Geisteshaltung, nicht? (Beifall bei der FPÖ.)

Man muss natürlich auch verstehen: Sie haben nicht nur die verfehlte Bildungspolitik der letzten Jahre zu verantworten, sondern Sie sind gerade auch im bildungs­politi­schen Bereich für die Probleme verantwortlich, die wir da importiert haben und mit denen wir heute im Schulbereich konfrontiert sind.

Wir danken unseren Pädagogen und werden hier heute eine Maßnahme beschließen, mit der wir Lösungen schaffen und vor allem die Arbeit unserer Pädagoginnen und Pädagogen auch weiterhin unterstützen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.08

15.08.45


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll893. Sitzung, 893. Sitzung des Bundesrates am 29. Mai 2019 / Seite 120

15.09.098. Punkt

Nationaler Bildungsbericht Österreich 2018, vorgelegt vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung (III-682-BR/2019 d.B. sowie 10179/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zu Punkt 8 der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist wiederum Frau Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Ich bitte um den Bericht.


15.09.23

Berichterstatterin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Unter­richtsausschusses über den Nationalen Bildungsbericht Österreich 2018, vorgelegt vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Der gegenständliche Bericht wurde dem Bundesrat am 26. März 2019 zur geschäfts­mäßigen Behandlung übermittelt. Er besteht aus zwei Bänden. Darin geht es um den Umgang mit unterschiedlichen Potenzialen, die Kosten im Bildungsbereich und die Ver­teilung der Schülerströme. Das sind die drei zentralen bildungspolitischen Themen.

Er ist 900 Seiten dick und liegt Ihnen auch vor – Sie werden ihn sicher alle durch­gelesen haben –, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Mai 2019 den Antrag, den Nationalen Bildungsbericht Österreich 2018, vorgelegt vom Bundesminis­ter für Bildung, Wissenschaft und Forschung, zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Als Erste dazu ist Frau Bundesrätin Dr. Doris Berger-Grabner zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


15.10.32

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer auf der Besuchergalerie und via Livestream! Der Umgang mit unter­schiedlichen Potenzialen, die Kosten im Bildungsbereich und die Verteilung der Schü­ler­ströme sind drei der zentralen bildungspolitischen Themen, die dieser 900 Seiten lange Bildungsbericht behandelt.

Auf Grundlage diverser Studien – nationaler und internationaler – wurde darin eine Gesamtschau des heimischen Bildungsbereichs gegeben. Es findet sich darin ein zeitlicher Rückblick, er bietet aber auch Zukunftsperspektiven und politische Empfeh­lungen. Meiner Ansicht nach – ich denke, ich spreche für uns alle – ist dieser Bericht qualitativ sehr hochwertig, umfassend und äußerst informativ. Dafür möchte ich mich bei allen Mitwirkenden recht herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich selber bin Wirtschaftspädagogin und bereits seit über 20 Jahren im Bildungswesen tätig. Ich war auch langjährige wissenschaftliche Leiterin eines Marktforschungs­unter­nehmens und habe selber sehr viele Studienberichte erstellt. Was ich in meinen Berichten mache, ist ein Executive Summary und eine Zusammenfassung, weil das das ist, was der Auftraggeber als Erstes liest. Diese beiden Teile sind mir in diesem 900 Seiten langen Bericht abgegangen.

Wir haben im Ausschuss das Thema auch bereits besprochen und haben dann die Information bekommen, dass im nächsten Bildungsbericht zumindest eine Zusam­menfassung und eine kompaktere Darstellung vorgesehen sind. Für diese notwendige und vorgesehene Handlung bedanke ich mich schon jetzt.


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Prof. Fend, ehemaliger Professor an der Universität in Zürich, schreibt im Bildungs­bericht von einer Vision, von einem Bildungswesen, das sich den Anforderungen der Gegenwart stellt. Um ihn wörtlich zu zitieren: „Ernsthaftigkeit, Professionalität und Respekt beseelen die Akteurinnen und Akteure in ihrem Dienst an der Gesellschaft und den Kindern [...]. Mein Paradies im Jahre 2040.“

Auch wenn das österreichische Bildungssystem diese Vision noch nicht im Detail erfüllt, sind wir auf einem richtigen Weg, und zwar vor allem mit den Maßnahmen, die in den letzten eineinhalb Jahren von unserer Regierung gesetzt wurden und deren positiven Auswirkungen leider in diesem Bericht noch gar nicht aufscheinen, da sich dieser mit dem Zeitraum von 2015 bis 2018 befasst.

Ich spreche da zum Beispiel von den Deutschförderklassen und -kursen, dem Päda­gogikpaket, den Verbesserungen der Zentralmatura, dem Ausbau der ganztägigen Schulformen und der Förderung der Medienkompetenz unserer Kinder und Jugend­lichen und vielem mehr. An dieser Stelle möchte ich mich bei dir, lieber Herr Minister, und bei deinem ganzen Team herzlich für diese hervorragende Arbeit bedanken. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ofner.)

Ich möchte aus diesem Bericht ein Detailergebnis herausgreifen, nämlich welche Fak­toren für das Nichterreichen der Bildungsstandards maßgeblich sind. Ich sage es Ihnen, weil womöglich nicht alle diese 900 Seiten so gewissenhaft durchgeschaut und den Bericht im Detail studiert haben. Erstsprache und Migrationshintergrund fallen stärker ins Gewicht als der Bildungshintergrund der Eltern. Warum? – Sprache ist der Schlüssel zur Integration und zum Bildungserfolg. Deshalb kann ich gar nicht ver­stehen, weshalb einige hier nicht der Ansicht sind und waren, dass sich die Inves­titionen in die Deutschförderklassen und -kurse lohnen.

Eine weitere Forderung im Bildungsbericht ist, die Medienkompetenz zu stärken. Auch da hat die Regierung bereits gehandelt und Maßnahmen gesetzt, um die Medien­kom­petenz unserer Kinder, unserer Jugendlichen, aber auch der Erwachsenen und Leh­renden zu stärken, beispielsweise mit der Initiative Saferinternet.at, wo bereits etliche Workshops, Informationen, Übungen zur Verfügung gestellt werden, oder es wurde auch die Digitale Grundbildung als verpflichtendes Wahlfach in der Sekundarstufe I eingeführt.

Zusammenfassend: Wir waren und sind bereits auf einem sehr guten Weg, aber wir sind es unseren Kindern und Jugendlichen schuldig, auch weiterhin und ohne irgend­welche parteipolitischen Ideologien sachlich zu agieren und das österreichische Bil­dungssystem noch besser zu machen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich komme auch schon zum Schluss. Mit Freude habe ich gelesen, dass im neuesten europäischen Vergleich das öster­reichi­sche Bildungswesen unter den ersten zehn Nationen rangiert. Diesen Erfolg gilt es fortzusetzen, und es gilt auch, weiterhin schul- und bildungspolitische Entscheidungen für unsere Kinder und Jugendlichen zu treffen und die erfolgversprechenden Maß­nahmen der letzten eineinhalb Jahre fortzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

15.16


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Eva Prischl zu Wort. Ich erteile es ihr.


15.16.48

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine werten Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuhörer und Zuseher! Meine Vorrednerin hat schon einiges vorweggenommen. Ich habe mir auch


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diesen Bericht, die 900 Seiten, angesehen, aber nur zum Teil, nicht alles, muss ich sagen. Ich möchte zunächst einmal gratulieren, vor allem den MitarbeiterInnen, die dieses Werk geschaffen haben. Der Bericht ist sehr umfangreich und ein tolles Nachschlagewerk für die Bildungspolitik – dafür einen herzlichen Dank.

In diesem Bericht sind drei zentrale bildungspolitische Themen drinnen – das hat auch schon die Kollegin gesagt –: Umgang mit den unterschiedlichen Potenzialen, die Kosten im Bildungsbereich und die Verteilung der Schülerströme. Nun ist es aber wichtig, mit diesen erhobenen Fakten auch zu arbeiten und eine moderne Bil­dungs­politik für unsere SchülerInnen umzusetzen.

Wie die Bildungskarrieren der jungen Menschen in Österreich aussehen, ist immer noch sehr vom Bildungshintergrund der Eltern abhängig. Für alle SchülerInnen ist daher der Ausbau der ganztägigen Schulen – das ist eine Forderung von uns –, die Einführung neuer Lehr- und Lernformen, die Forderung nach bestausgebildeten Päda­gogInnen und der unterstützende Einsatz von digitalen Lernhilfen ein Gebot der Stunde.

Ich habe mir diese Schülerströme angesehen, die im Bericht sehr gut aufbereitet sind. Es gibt nach wie vor einen ungebrochenen Trend, nach der Volksschule in die gym­nasiale Unterstufe zu wechseln, wobei Wien im Jahr 2016/17 mit 55 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 38 Prozent liegt. Generell wird im städtischen Bereich das Gymnasium bevorzugt, wobei in der Sekundarstufe II durch die berufs­bildenden höheren Schulen, BHS, regionale Unterschiede bei der Schulauswahl etwas ausgeglichen werden. Zwei Drittel der BHS-SchülerInnen haben zuvor eine Haupt- oder Neue Mittelschule besucht.

Hat ein Volksschulkind einen Migrationshintergrund, tritt die Bedeutung des Wohnortes bei der Schulauswahl in den Hintergrund. Während zum Beispiel in Wien 73 Prozent der deutschsprachigen VolksschulabgängerInnen in eine AHS-Stufe wechseln, sind es bei den Kindern mit nichtdeutscher Alltagssprache nur 14 Prozent. Herkunftsbedingte Ungerechtigkeiten prägen diesen gesamten Bildungsverlauf, so folgern die Verfas­serInnen dieses Berichts.

Basis für einen erfolgreichen inklusiven Unterricht ist eine gute Beziehung zwischen den Lehrkräften und Lernenden beziehungsweise zwischen den SchülerInnen. Die Selbstständigkeit der SchülerInnen sollte genauso gefordert und gefördert werden wie die Zusammenarbeit beim Lernen.

Hinsichtlich der Lehrmethoden reichen die Empfehlungen von Strategien für selbst­ge­steuertes und kooperatives Lernen über Lernprojekte bis hin zu differenzierten Auf­gabenstellungen für die unterschiedlichen Niveaus in einer Klasse. Für die Unterrichts­organisation wünschen sich die AutorInnen des Berichts mehr Handlungsspielraum der Schulstandorte im Rahmen der Schulautonomie. Geht es nach der Einschätzung der BildungsexpertInnen, sollten die schwierigsten Klassen die erfahrensten Lehrpersonen erhalten. Ein Gebot der Stunde ist die Unterstützung durch SozialarbeiterInnen und SchulpsychologInnen. In Österreich gibt es diesbezüglich zu wenig Fachpersonal. Andere Länder sind uns da einige Schritte voraus.

Vergleicht man die Angebote der Bundesländer hinsichtlich der schulischen Nachmit­tagsbetreuung, zeigt sich leider ein großer Mangel in Niederösterreich – dem Bundes­land, aus dem ich komme –, in Tirol und in Vorarlberg. Hoch ist das Ausmaß hingegen im Burgenland und in Wien.

Mängel gibt es laut Bericht auch bei der Ausstattung der Schulen mit Informations- und Kommunikationstechnologie. Die Vermittlung digitaler Kompetenzen im schulischen Bildungsangebot ist aber ein Gebot der Stunde und ein ganz wichtiges Thema. Des-


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halb ist es wichtig, dass diese adäquate Ausstattung zur Verfügung gestellt wird. Diese Ausstattungsbereitstellung stellt aber für kleinere Gemeinden als Pflichtschulerhalter sowohl finanziell als auch ausschreibungstechnisch einen großen Aufwand dar.

Ich habe mir noch den EU-Vergleich angesehen. In Österreich gibt man überdurch­schnittlich viel Geld für die Bildung aus – gut so. An allgemeinbildenden Schulformen liegen die durchschnittlichen staatlichen Ausgaben pro Schüler bei 10 000 Euro jähr­lich. Das ist der Stand 2015/2016. Die Volksschulen sind aufgrund der geringen Wochenstundenzahl und der vergleichsweise niedrigen Gehälter der Lehrkräfte mit rund 8 100 Euro am günstigsten. In der Sekundarstufe I beanspruchen die Neuen Mittelschulen mit 12 400 Euro das meiste Geld. Vergleichsweise gering sind die Aus­gaben bei den AHS-Unterstufen, die bei 8 250 Euro liegen. Die AHS befinden sich mehrheitlich in Ballungszentren, was zu tendenziell größeren Schulklassen und gerin­geren Durchschnittskosten führt.

Sehr geehrter Herr Minister, ich hätte noch einen Appell anzubringen – besonders aus niederösterreichischer Sicht –, und zwar hätte ich gerne, dass es bundesweit gleiche und hochwertige schulische Ganztagsbetreuung gibt. Vor allem wäre es auch wichtig, dass unsere PädagogInnen mit Fachpersonal aus dem Bereich der Schulpsychologie und der Sozialarbeit unterstützt werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.22


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser zu Wort. Ich erteile es ihr.


15.22.33

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Beim vorliegenden Nationalen Bildungsbericht handelt es sich wirklich um eine sehr umfangreiche Zusam­menschau über das österreichische Bildungssystem. Die drei bildungspolitischen Ziele darin haben ja meine beiden Vorrednerinnen schon angesprochen. In zwei Bänden gegliedert werden auf über 900 Seiten Fakten, Zahlen, Daten und empirische Erhe­bungen wissenschaftlich dargestellt. Der Bericht gibt uns einen guten Einblick, aber auch einen guten Überblick über die wesentlichsten Punkte.

Man findet verschiedenste Themenblöcke, die sich mit Lehrern und Unterricht vor dem Hintergrund des sozialen Wandels beschäftigen. Man findet Themenblöcke, in denen es um die Ausgestaltung und Weiterentwicklung unseres Bildungssystems geht. Es werden die Steuerungen und auch die Perspektiven aufgezeigt, zum Beispiel, wie das Bildungssystem 2040 ausschauen könnte. Dieses Werk bietet also einerseits einen Blick in die Vergangenheit und andererseits einen Blick in die Zukunft.

Es wird weiters beschrieben, dass wir in einer Zeit zunehmender Digitalisierung leben, es wird aber auch auf mögliche Gefahren hingewiesen. So steht zum Beispiel auf den Seiten 486 und 487, dass bei einer starken Digitalisierung mit einem Verlust von Arbeitsplätzen zu rechnen ist. Daher, Herr Minister, bei dieser Entwicklung bitte gut aufpassen, damit dieses Horrorszenario auf den Seiten 486 und 487 nicht eintritt!

Der Bildungsbericht 2018 spiegelt aber auch die wachsende Heterogenität im Bil­dungssystem wider. Mit Heterogenität wird im Bericht die Verschiedenheit, Viel­schichtigkeit und Veränderlichkeit umschrieben. Diese Veränderlichkeit ist zu einem großen Teil auf die Migrationsbewegungen nach Österreich und die hohe Zahl an Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache – besonders in urbanen, dicht besiedelten Gebieten – zurückzuführen.

Im Bericht wird auch angeführt, dass Kinder mit niedrigem sozioökonomischen Status, Kinder mit Migrationshintergrund ohne ausreichende Deutschkenntnisse oder Kinder,


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deren Eltern ein niedriges Bildungsniveau haben, häufig eine schlechtere Ausgangs­lage haben, um in der Schule erfolgreich zu sein. Daher ist es und war es für uns Freiheitliche immer eine Forderung, dass die Kinder bereits vor dem Eintritt in die Schule Deutsch können, denn nur so können sie dem Unterricht folgen und nur so werden sie einen Erfolg haben können, ob in der Schule oder auch später im beruf­lichen Leben. (Beifall bei der FPÖ.)

Was mir beim Durchstudieren des Berichts etwas zu wenig vorkommt beziehungs­weise sogar fehlt, ist das Thema Gewalt und Mobbing an den Schulen. Körperliche und verbale Angriffe auf Lehrerinnen und Lehrer sind ja leider keine Ausnahme mehr, gerade der aktuelle Fall in Wien hat uns das wieder vor Augen geführt. Daher sollte doch dieses Thema Gewalt und Mobbing an den Schulen Gegenstand eines solchen Berichtes sein.

Ein erfreuliches Thema: Worum uns wirklich viele andere europäische Länder benei­den, ist unser duales Ausbildungssystem. Das hervorragende Urteil über unser duales Ausbildungssystem ist wahrlich erfreulich. Die duale Ausbildung ist ja die Schnittstelle zwischen Ausbildung im Betrieb und in der Schule. Es ist erwiesen und steht fest: Wer eine duale Ausbildung absolviert, hat, sollte er einmal in die Arbeitslosigkeit geraten, binnen dreier Monate wieder eine neue Arbeit. Auch die Einkommenserwartung ist mit dieser tollen Ausbildungsart sehr, sehr gut.

Ein Teil dieses Berichts beschäftigt sich auch mit dem Thema Elementarbildung. Darunter versteht man alle institutionellen Formen der Bildung und Betreuung von Kindern bis zum Schuleintritt, das heißt die institutionalisierte pädagogische Arbeit mit der Altersgruppe der unter Sechsjährigen. Da darf ich ein persönliches Wort anmerken, nämlich dass ich die Entwicklung und die Begrifflichkeit – dass man für Klein- und Kleinstkinder das Wort Elementarpädagogik verwendet – schon ein bissel schade finde. Ich würde mir wünschen, das weiterhin als Kindergarten anzusehen. Da diese ja großteils Ländersache sind, möchte ich diese Bemerkung auch hier anbringen: Lassen wir bitte Kinder Kinder sein! Lassen wir bitte Kinder ausgelassen toben und lassen wir ihnen ein spielerisches Erlernen bis zum Schuleintritt!

Daher kann ich auch der Vision, welche auf Seite 489 steht, eigentlich nicht sehr viel abgewinnen. Auf dieser Seite steht die Vision, dass 2040 eventuell die Volksschule vom 5. bis zum 11. Lebensjahr verlängert werden kann. Ich halte das nicht gerade für zielführend. Ich kann dieser Idee oder dieser Vision, wie es beschrieben ist, nicht viel abgewinnen.

Was wir heute schon ganz kurz in den vorhergehenden Reden von Kollegin Kahofer und Kollegin Prischl gehört haben: die Ganztagsschule. Man kann darüber diskutieren, aber die Ganztagsschule darf keine verpflichtende Zwangstagsschule werden (Beifall bei der FPÖ), sondern sollte eine freie Möglichkeit bleiben. Wer sie in Anspruch nehmen möchte, soll es tun, aber bitte keine verpflichtende Zwangstagsschule!

Wie ich bereits eingangs erwähnt habe, ist das ein wirklich sehr umfangreiches Werk, daher ein Kompliment an alle, die daran beteiligt waren und daran gearbeitet haben. Hinter 900 Seiten steckt viel Arbeit. Wir Freiheitlichen werden dem Bericht zustim­men. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.28


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec zu Wort. Ich erteile es ihm.


15.29.08

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für dieses


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wunderschöne zweibändige Kompendium, das Sie als wirklich wissenschaftliche Arbeit ganz toll erstellt haben.

Ich möchte mich aber auch beim Archiv des Parlaments bedanken, das mir den Bericht in Buchform zur Verfügung gestellt hat. Bei allem Respekt für das Onlinelesen: Mir ist mein Augenlicht zu wichtig. Als Vielleser brauche ich mein Augenlicht, daher lese ich sicherlich nicht mehr als 10 Seiten online. Den Rest habe ich gerne gedruckt, weil ich dann auch Kommentare und Notizen für mich selber machen kann. Das soll in späterer Folge auch ein Plädoyer für die doch auch etwas kritischere Betrachtung der Digitalität des 21. Jahrhunderts sein, der in der Schule immer das Wort geredet wird. Das sehe ich eher skeptisch. 

Ich möchte mich auf die Schule als Ort der Wissensvermittlung und weniger der Erzie­hungsvermittlung konzentrieren, weil Wissen das ist, was die Schüler heute bekommen wollen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, das wird auch nachgefragt, sofern natürlich die familiäre Basis stimmt und kein pädagogischer Nachhilfeunterricht in der Schule gegeben werden muss. Das sehe ich nämlich nicht als Aufgabe der Schule.

Der Fachkräftemangel, mit dem wir von der Wirtschaft – ich komme aus der Wirt­schaft – zu tun haben, beginnt aber mit dem Lehrermangel. Ich kann mich noch selber erinnern, wie vor 20 Jahren viele Freunde von mir diesen Beruf ergreifen wollten – mit einer unglaublichen achtjährigen Wartezeit, um eine Lehrerstelle zu bekommen. Heute gibt es zum Beispiel diese gemeinnützige Organisation Teach For Austria, die Quer­einsteiger sucht, damit diese freigewordenen Stellen endlich nachbesetzt werden. Es werden aber auch schon Studenten, die noch keinen master degree erworben haben, nach dem Bachelorexamen Stellen in den Hauptfächern angeboten, weil es offen­sichtlich auch dort Besetzungsprobleme gibt.

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist einfach ein Produkt von 20 – für mich leider Gottes schon 40 – Jahren sozialistischer Bildungspolitik in Österreich. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Das ist das Ergebnis, mit dem wir uns leider auseinan­der­setzen müssen. Deswegen sage ich Ihnen ganz ehrlich (Ruf bei der SPÖ: Die Gehrer ...!), bei all dem, was hier in der Regierung passiert ist: Ich wünsche, dass die Sozialisten in Österreich nicht mehr so schnell an die Macht kommen. (Beifall bei der FPÖ und des Bundesrates Seeber. – Rufe bei der SPÖ: Gehrer! Busek!)

Wenn die Industrie, die Wirtschaft die Mint-Fächer Mathematik, Informatik, Naturwis­senschaft und Technik nachfragt, können ja nicht einmal die Ausbildungsstellen be­setzt werden, abgesehen davon, dass es leider viel zu wenig ausgebildete Mint-Schüler gibt. 5 Millionen bezahlter Überstunden müssen jedes Jahr aufgewendet werden. Der Lehrermangel betrifft wie gesagt in erster Linie die Hauptfächer und inter­essanterweise sogar Englisch. Das, ehrlich gesagt, verstehe ich nicht ganz, weil man sicher im Zuge dieses Brexits einige englische Native Speaker nach Österreich wird abwerben können. Vielleicht hängt es aber auch mit dem Gehalt zusammen. Es ist doch mehr Netto vom Brutto gefordert. Ich hoffe, dass diese angedachte Steuer­reform, die eine Reduktion der Lohnsteuer bewirkt hätte, noch kommt, um diesen Lehrerberuf wieder attraktiver zu gestalten. Ich glaube, das ist sicherlich auch ein Grund dafür, dass weniger in diesen Lehrerberuf einsteigen, weil die Nettogehälter zu gering sind.

Auch von den administrativen Tätigkeiten sollte man die Lehrer und Lehrerinnen befreien, damit sie sich wirklich – das, finde ich, ist das Wichtige – auf die Vermittlung der Inhalte konzentrieren können. Schüler und Schülerinnen wollen auch gefordert werden. Sie wollen nicht unbedingt Freizeit, sie denken nicht immer in Urlaubs­dimen­sionen. Sie wollen auch kontinuierlich lernen und freuen sich, wenn sie ein Erfolgs­erlebnis im Sinne von Prüfungsergebnissen, im Sinne von Weitervermittlung ihrer eigenen erzielten Lerninhalte bekommen können. Es geht auch um die Glückseligkeit.


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Das schreibt die amerikanische Verfassung von 1776 so schön. Es geht um Pursuit of Happiness, es geht um die Glücklichkeit. Junge Menschen wollen glücklich sein. Meiner Meinung nach ist das – das weiß ich aus eigener Erfahrung von meiner Familie – die Vermittlung und das Können von Wissen.

Der zweite Punkt ist die Kulturtechnik. Gibt es diese Transformation der Kulturtechnik? Wir wissen, es ist das Zeitalter der Digitalität. Die Analogie ist passé – so wird es zumindest vermittelt. Findet die Digitalität wirklich statt und ist sie wirklich zwingend notwendig – das Onlinearbeiten nur am PC, die Hypertextualität anstatt der Linearität? Vom Augenlicht habe ich schon gesprochen. Das Abschweifen vom Thema im digitalen Nachschauen: Wer konzentriert sich wirklich im Internet, sodass er das erhält, was er auch sucht? Es geht auch um die Schnelligkeit.

Wenn ich heute diese Digital Natives beobachte, diese Generation ab etwa 2000, die auf der Universität sitzt, wenn man das empirisch beobachtet: Von zehn Studierenden schreiben neun mit der Hand mit und einer am PC. Offensichtlich ist das Erfassen mittels Handschrift besser, um das Gelehrte zu behalten und zu erlernen, um es kognitiv besser zu erfassen. Offensichtlich sind das Schreiben, das Lesen, das persönliche Notieren und Kommentieren der eigenen Mitschrift ein bedeutendes Ele­ment, bei dem der Computer nicht mithalten kann. Es geht da auch um die Schnellig­keit. (Ruf bei der SPÖ: Digitalität findet statt!) Für mich ist die Schnelligkeit wichtig im Leben, denn ich komme aus der Wirtschaft. Wer schnell ist, gewinnt, und das ist sicherlich nicht immer die Digitalität.

Ganz zum Schluss möchte ich noch auf Aristoteles verweisen, den ganz großen Philosophen aus dem Goldenen Zeitalter der Antike. Das Trivium war für ihn das Wichtige. Was muss ein Schüler können? – Er muss formal richtig die Grammatik beherrschen; das ist bei uns natürlich das Deutsche. Er muss die Dialektik beherr­schen, was bei Ihnen, den Sozialisten, überhaupt nicht passt. Es muss inhaltlich schlüssig sein. Wenn ich an den Karfreitag denke (Bundesrätin Schumann: Die Kant’sche Dialektik!), dann steigen alle Grausbirnen bei mir auf, sage ich Ihnen ganz ehrlich (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP – Zwischenrufe bei der SPÖ) – so viele Fehler in einem öffentlichen Antrag! Man muss lesen können, man muss die Rhetorik beherrschen, und es muss verständlich und nachvollziehbar sein, schnell und kompetenzorientiert. Die Symbiose von Analogem und Digitalem, diese berühmte Mitte, das, glaube ich, ist die Zukunft.

Da die Industrie auch oft von den Mint-Fächern redet, darf ich das ein bisschen relativieren. (Ruf bei der SPÖ: Zum Thema!) Als Schüler offen zu sein für alle späteren Berufsmöglichkeiten, dafür ist, glaube ich, wenn ich das aus dieser Perspektive erwähnen darf, eine gute Allgemeinbildung der beste Zugang. (Bundesrätin Grimling: Zack, zack, zack!) Voraussetzung dafür sind perfektes Lesen und Schreiben, Mathe­matik, eine gängige Fremdsprache zu beherrschen und das Lernen zu lernen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.36


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster hat sich Herr Bundes­minister Dr. Faßmann zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


15.36.30

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann, betraut mit der Fortführung der Verwaltung im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Ich wollte die eine Sache nochmals aufgreifen, Frau Berger-Grabner, nämlich die etwas kompaktere Darstellung. Es sind 900 Seiten, dieser Bericht ist etliche Kilogramm schwer. Ich glaube, man sollte tatsächlich überlegen, wie


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man Datensätze vielleicht eher ins Internet stellen und auch Texte mit Executive Summaries ausstatten kann, sodass man auf einen rascheren Blick sieht, um was es eigentlich geht und was notwendig ist.

Die Herausgeber haben das im Rahmen der Pressekonferenz getan. Sie haben drei ganz wesentliche Dinge hervorgestrichen. Sie haben von der Bedeutung der Erst­sprache für den Schulerfolg gesprochen und haben auch gesagt, wir müssen un­zweifelhaft etwas im Bereich der Sprachförderung tun. Ich bin daher auch froh, dass wir dieses System von Deutschförderklassen und Deutschförderkursen eingerichtet haben.

Sie sagen auch, dass sich die geschlechtsspezifische Differenzierung im Schulsystem unglaublich stark durchgesetzt hat und noch immer vorhanden ist. Burschen gehen dann in die HTLs, Mädchen verbleiben vielleicht in den AHS oder gehen eher in soziale Ausbildungswege hinein. Damit sind leider auch immer ganz unterschiedliche Ein­kommensniveaus verbunden. Sie streichen auch hervor – das ist das dritte sehr Posi­tive; das hat auch eine Vorrednerin hervorgestrichen –, dass die Schnittstelle zwischen der dualen Ausbildung und dem Arbeitsmarkt in Österreich ganz hervor­ragend funk­tioniert.

Da das meine letzte Sitzung hier im Bundesrat ist, wollte ich mich für die immer freundliche Aufnahme und ebenso für die ertragreichen Diskussionen bedanken, die ich hier erlebt habe. Die Idee des Arbeitsparlaments, bei dem Menschen mit einem unterschiedlichen sozialen und politischen Hintergrund zusammenkommen und offen über Probleme sprechen – ich muss Ihnen dieses Kompliment machen –, habe ich eigentlich im Bundesrat am ehesten realisiert gesehen. (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.) Da gibt es unzweifelhaft noch Verbesserungsbedarf in der Diktion, aber ich habe es hier noch am besten realisiert gesehen. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und SPÖ.)

Von den Ausschüssen habe ich eigentlich erwartet, dass dort eine inhaltliche Diskus­sion sowie die inhaltliche Weiterentwicklung bestimmter Ideen stattfindet. Wenn wir aber Diskussionen begonnen haben und 10 Minuten nach Aufruf eines Tagesord­nungspunktes die ersten OTS-Aussendungen über das Handy hinausgeschickt worden sind, dann war es für mich relativ klar, da kann man nicht diese vertrauensvolle Dis­kussion abführen, die notwendig ist, wenn man versucht, zu etwas Neuem zu gelan­gen, denn wenn man versucht, zu etwas Neuem zu gelangen, muss auch ab und zu ein Fehler erlaubt sein. Wenn das aber alles sofort dokumentiert wird, dann ist das schwierig.

Ich glaube, der österreichische Parlamentarismus wäre - - (Ruf bei der SPÖ: In unseren Ausschuss kommen ...!) – Wahrscheinlich. Ich glaube, der österreichische Parlamentarismus wäre gut beraten, wenn er entsprechende Formate findet, bei denen dieses vertrauensvolle, kooperative Zusammentreffen funktionieren kann. Da ist, glaube ich, mit Sicherheit noch Verbesserungsbedarf. 

Max Weber hat 1919 einen ganz berühmten Vortrag gehalten: Politik als Beruf. Er hat darin zwei ganz wesentliche Dinge betont: die Gesinnungsethik auf der einen Seite und die Verantwortungsethik auf der anderen Seite. Er hat für einen guten Politiker einge­mahnt, nicht immer nur an die Gesinnungsethik zu denken, also an den kurzfristigen Augenblick, sondern auch die Verantwortung für bestimmte Entscheidungen länger­fristiger Natur mit in die Überlegungen hineinzunehmen. Ich sage das deswegen, weil vieles in der vergangenen Woche in die Richtung gegangen ist, dass Gesinnungsethik und Verantwortungsethik deutlich auseinandergedriftet sind.

Machen Sie das Beste daraus! Rufen wir die politische Bildung in den Schulen tat­sächlich wieder verstärkt auf, damit das, was die Politik, glaube ich, in den vergan­genen Wochen so an Bildern hinterlassen hat, sich bei unserer Jugend nicht verfestigt,


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denn die Politikverdrossenheit, die sich jetzt möglicherweise abzeichnet, ist eine vehemente! Demokratie lebt vom Engagement, und deswegen muss man am Enga­gement weiterhin arbeiten. (Bundesrat Schennach: Gestern haben wir die Jugend am Heldenplatz gesehen!)

Ich bedanke mich für die Diskussionen, und ich freue mich, Sie in der einen oder anderen Weise wiedersehen zu dürfen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

15.41

15.41.40


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank, Herr Bundesminister! Danke auch für Ihre wertschätzenden Worte gegenüber dem Bundesrat. Auch wir wünschen Ihnen alles Gute. Danke auch für Ihre immer sehr unaufgeregte und sach­liche Diskussion mit uns. Vielen Dank, alles Gute! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort. – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Einstimmigkeit. Der Antrag ist angenommen.

15.42.299. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird (593 d.B. und 603 d.B. sowie 10182/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zu Punkt 9 der Tagesord­nung, zu dem ich Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger bei uns herzlich begrüße. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Andrea Wagner. – Ich bitte um den Bericht.


15.42.59

Berichterstatterin Andrea Wagner: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geän­dert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Mai 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.43.48

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie! Wenn man so wie ich heute den ganzen Tag über die Debatte verfolgt hat,


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möchte man meinen, dass die Türkisen mit den Blauen noch immer in einer Koalition sind. (Ruf bei der ÖVP: Na geh!) Uns wurde ja diesbezüglich etwas anderes angedichtet, aber es ist vielleicht gut so. (Bundesrat Bader: Wo warst du denn?) Ich war immer da, ja. Ich war immer da.

Um zum Wein oder zu diesem Weingesetz zu kommen: Wir wissen ja, dass der Wein österreichweit einen ausgezeichneten Ruf hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Da hast du wohl ein Haar im Wein gefunden!) Unsere Weine werden heute von den Wein­fachleuten und Weinfreunden gleichermaßen hochgeschätzt und stellen ihre Qualität und ihr beträchtliches Potenzial immer wieder bei internationalen Veranstaltungen, bei Verkostungen, bei Blindverkostungen unter Beweis. Wir wissen alle, dass der öster­reichische Wein ein Aushängeschild unseres Landes und mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden ist.

Die Aufbauarbeit der heimischen Winzer seit dem Glykolskandal, der für den Wein mit Sicherheit ein heilsamer Vorfall war, ist unbeschreiblich. Die österreichischen Winzer arbeiten bodenständig und mit viel Können, haben eine gute Ausbildung und die Liebe zu ihrem Produkt. Diese unglaubliche und beispielhafte Erfolgsgeschichte des öster­reichischen Weins, die wir in den letzten Jahrzehnten mitverfolgen konnten, ist auch einem ausgezeichneten und strengen Weingesetz zu danken.

Ich habe selbst im Tourismusmarketing für Spezialisierung im Tourismus gearbeitet und auch mit der Weinmarketinggesellschaft In Vino Veritas zusammengearbeitet. Ich kann mich noch erinnern, dass die Qualitätskriterien sehr hoch angesetzt worden sind.

Wir reden heute hier über die Angabe von DAC, also Districtus Austriae Controllatus; dieser Terminus wird jetzt in der Debatte öfters vorkommen. Die vorliegende Novelle zum Weingesetz 2009 sieht nämlich vor, für sämtliche bestehende und zukünftige DAC-Gebiete die Möglichkeit zu schaffen, bei Qualitätsweinen aus Trauben aus einem DAC-Gebiet die Angabe einer Großlage, eines Weinbauortes oder einer Riede am Etikett durch Verordnung zu verbieten, und das bedeutet, dass für Qualitätsweine aus Trauben aus DAC-Gebieten, die nicht als diese Weine in Verkehr gebracht werden, keine kleineren geografischen Angaben als das Bundesland am Etikett angegeben werden dürfen, wenn die entsprechende Verordnung erlassen ist. Das sind die genauen Regelungen.

Das schärft zwar durchaus das Herkunftsprofil der Qualitätsweine, aber es besteht auch die Gefahr, dass es dadurch zu gravierenden Benachteiligungen kleiner eigen­ständiger Weinbaubetriebe kommt. Betriebe aus Regionen, die keine DAC-Produkte erzeugen oder vermarkten, aber trotzdem erfolgreich sind, und die gibt es mehrfach, und sich eine eigene herkunftsbetonte Absatzschiene aufgebaut haben, werden damit benachteiligt. Bisher gesetzte und oft sogar mit öffentlichen Mitteln geförderte Mar­keting­maßnahmen könnten durch diese Änderung konterkariert werden.

Es ist diese Maßnahme, an der wieder einmal deutlich wird, dass unter Bundes­minis­terin Köstinger für kleine Weinbaubetriebe und Nebenerwerbsbetriebe nichts übrig ist beziehungsweise sie dafür nichts übrig hat. Sofern sie kleiner als 1,5 Hektar sind, sind diese auch von Förderungen ausgeschlossen. Hinter dieser Gesetzesänderung ist die Absicht zu vermuten, erfolgreiche kleine Weinbaubetriebe durch Benachteiligungen zu zwingen, Teil einer DAC-Region im weitesten Sinne des Wortes zu werden oder beizutreten.

Meine Damen und Herren! Für uns ist daher eine Zustimmung zu dieser Novellierung nicht möglich. Die Änderung des bestehenden Weingesetzes ist unserer Ansicht nach ein Anschlag auf die kleinen Winzerfamilien und die Nebenerwerbsbauern, die in wei-


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terer Folge dann in den regionalen Weinkomitees nicht entsprechend vertreten sind. (Beifall bei der SPÖ.)

15.48


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile es ihm.


15.49.01

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Wir diskutieren die Änderung des Weingesetzes, und Kollege Novak hat schon darauf hingewiesen, dass sich seit 1985, seit dem Weinskandal in Österreich sehr vieles und sehr Elementares in der Weinwirtschaft verändert hat. Das war damals die Krise des österreichischen Weinbaus. Die österreichischen Weinbauern, Winzer haben es verstanden, diese Krise als Chance zu nutzen – eine Chance deswegen, weil klar war, dass es nur einen wirklich erfolgreichen Weg geben kann, nämlich die Produktion in Richtung Qualität, Qualitätsorientierung, transparente Produktion, Produktion auf den Höfen, anstatt sie zu den großen Weinproduzenten zu verlagern. Dieser Weg war sehr, sehr erfolgreich, und ich darf mich bei allen bedanken und allen gratulieren, die diesen Weg mitgezeichnet und mitgetragen haben.

Es ist auch eine Erfolgsgeschichte des Weinbaus und des Ab-Hof-Verkaufs und damit nicht der Großbetriebe, sondern der kleinen qualitätsorientierten Betriebe. Das lässt sich auch an Zahlen festmachen: So betrug der Weinexport in Österreich nach dem Weinskandal 1986 um die 3 Millionen Euro und 2017 über 150 Millionen Euro. Damit entwickeln sich Einkommenschancen und Gelder, die dem österreichischen Weinbau und den Winzerfamilien zugutekommen.

Das war aber auch deswegen möglich, weil man bewusst in Richtung Qualität und weg vom österreichischen Denken gegangen ist, dass die Sorte entscheidend ist. Nein, es ist die Region, die wir im Weinbau weltweit kennen. Wir trinken Wein aus einer Region, ob der jetzt aus Spanien oder Frankreich kommt, ich möchte da jetzt keine speziell erwähnen, aber wir trinken nicht Weinsorten. Entsprechend haben auch wir diesen Weg eingeschlagen und mit der Entwicklung des DAC-Weines, des Districtus Austriae Controllatus, eine besondere gebietsspezifische Sorte und ein besonderes Qualitäts­kriterium erstellt, um einen gebietsspezifischen Qualitätswein hervorzubringen. Der Weinviertler DAC – als Niederösterreicher muss ich das sagen – ist eine der vielen Erfolgsgeschichten dieses DAC, dieses kontrollierten Systems.

Um dieses System entsprechend abzusichern, gibt es jetzt die Möglichkeit, dass das Weinkomitee, das in diesen regionalen Gebieten gegründet wird und sich aus Trau­benproduzenten, Weinproduzenten, Weinvermarktern, Händlern und Sektproduzenten zusammensetzt, also aus denen, die in der Region für den Wein zuständig sind, festlegen kann, wie tief die Bezeichnung geht, ob sie bis zur Lage geht, ob sie bei der Ortschaft bleibt, bei der Gemeinde bleibt oder eben auf das Weinbaugebiet beschränkt ist. Das ist kein Verbot, sondern die Möglichkeit, das festzulegen, und das wird von den Betroffenen und den Akteuren selbst festgelegt und entschieden. Somit glaube ich, dass das durchaus eine gute regionale Entscheidung sein wird. Es ist für mich nicht ganz verständlich, warum die SPÖ da nicht mitstimmen kann, weil nicht zwischen Groß und Klein, sondern maximal zwischen guter und weniger guter Qualität unterschieden wird.

Ich darf mich auch bei der freiheitlichen Fraktion bedanken, dass unser Pakt, unser begonnenes Projekt, gemeinsam etwas zu verändern, auch jetzt hält und fortgeführt wird und damit auch dieses Gesetz eine Mehrheit erlangt. (Bundesrätin Grimling: Ja


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freilich!) Regionale Entscheidungen sind subsidiär, und das entspricht dem Geist des Bundesrates. Wir stimmen der Vorlage zu. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.53


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile es ihm.


15.53.41

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizeprä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bild­schirmen! Als freiheitlicher Bundesrat begrüße ich den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2019 betreffend das Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 ge­ändert wird.

Da ich 1991 meinen erlernten Beruf, Elektroinstallateur im Anlagenbau, an den soge­nannten Nagel gehängt habe, um als Vollerwerbslandwirt in den Bereichen Getreide­anbau, Schweinemast und Weinbau auch während der Arbeitszeit mehr Zeit in der Natur in meinem wunderschönen Heimatland Niederösterreich, im Weinviertel, zu verbringen, sehe ich diese notwendige Gesetzesänderung vielleicht von einer anderen Seite als viele andere hier im Plenarsaal.

An dieser Stelle bedanke ich mich sehr herzlich bei allen Winzern in ganz Österreich, auch bei den kleinbäuerlichen Winzerbetrieben, für ihre Arbeit in den Weingärten, für ihre Arbeit in den Weinkellern und auch für ihre Arbeit, was die Vermarktung und das Marketing betrifft. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Im Weinbau hat sich nach dem Glykolweinskandal 1985, wie das auch schon von meinen Vorrednern berichtet wurde, einiges verändert. Was sich aber nicht verändert hat, ist, dass zeitaufwändige Arbeitsvorgänge wie das Schneiden der Reben, das An­binden und das Einstricken nach wie vor von Hand erledigt werden müssen.

Im Zuge der Vorbereitung zu dieser Gesetzesänderung habe ich als Freiheitlicher, der das Ohr beim Bürger hat, in diesem Falle beim Weinbauern, mit mehreren Weinbauern gesprochen, um den derzeitigen Status abzufragen und auf die derzeitigen Probleme eingehen zu können. In diesen Gesprächen kamen folgende Beispiele zur Sprache: In einer Gemeinde des Bezirks Mistelbach, in meinem Heimatbezirk, gab es vor einigen Jahren in der Gemeinde noch 200 Hektar Weingartenfläche, die von circa 200 Wein­bauern bewirtschaftet wurden. Im vorigen Jahr, im Jahr 2018, waren es in der gleichen Gemeinde nur mehr 150 Hektar Weingartenfläche, die von circa 30 Weinbauern bewirt­schaftet wurden. Früher wurde der Großteil des Ertrages dieser Weingartenfläche hauptsächlich als Dopplerware oder als Fasswein verkauft. In den letzten Jahren werden in dieser Gemeinde zirka 90 Prozent des Traubenertrags der Weingartenfläche direkt an die großen Weinvermarktungs- und Abfüllbetriebe verkauft und nur mehr 10 Prozent in Bouteillen. Nur in wenigen niederösterreichischen Gemeinden wie zum Beispiel in meiner Heimatgemeinde Poysdorf weichen die Zahlen von diesen Prozent­werten ab.

Wichtig ist, dass wir für unsere Weinbaubetriebe gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, die es ermöglichen, dass unsere Weinbaubetriebe ordentlich wirtschaften können, um auch in Zukunft sicherzustellen, dass unser gewohntes, wunderschönes Landschaftsbild und die Produktion von Qualitätswein mit allen Facetten erhalten bleiben.

Bei einem durchschnittlichen Ertrag von 8 000 Kilo Trauben pro Hektar benötigt man bei den derzeitigen Unkosten für die Aufwendungen einen Traubenpreis von circa 75 bis 80 Cent pro Kilo. Als Anhaltspunkt: Im Jahr 2018 war dieser 30 Cent pro Kilo bei


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einem um ein Drittel höheren Kiloertrag. Darum ist es, wie bereits erwähnt, wichtig, zusätzliche Möglichkeiten zu schaffen, um das Erfolgsprojekt DAC, das 2002 startete, zusätzlich zu den anderen Qualitätsweinen weiterzuentwickeln.

Ein kurzer Rückblick und ein paar Zahlen für Interessierte: Der erste österreichische DAC, die Bezeichnung steht für kontrollierte österreichische Herkunftsbezeichnung, war der Weinviertel DAC, der sich durch seinen fruchtig-würzigen, pfeffrigen Ge­schmack und hellgrüne Farbe auszeichnet. Die Rebsorte ist Grüner Veltliner.

Das Weinviertel ist ein typisches DAC-Gebiet, das auch das größte Weinbaugebiet mit einer Rebfläche von 13 858 Hektar ist. Es gibt derzeit 13 spezifische DAC-Weinbau­gebiete mit verschiedenen Merkmalen, zum Beispiel das Mittelburgenland mit seinem Blaufränkisch, das Traisental, Kremstal und Kamptal mit ihren Rebsorten Grüner Velt­liner und Riesling, das Weinbaugebiet Leithaberg mit seinem Chardonnay als Weiß­wein und seinem Blaufränkisch als Rotwein, das Weinbaugebiet Eisenberg mit seinem Blaufränkisch und so weiter.

Nun zur Gesetzesänderung: Worum geht es? – Wir haben vor Jahren eingeführt, dass die Winzer selbst bestimmen, wohin die Entwicklung gehen soll. Deswegen wurden damals regionale Weinkomitees geschaffen, die Sie hier zu Unrecht kritisieren – der Kollege von der SPÖ, Novak –, denn in diesen regionalen Weinkomitees sind genau die Vertreter der Weinwirtschaft, die Winzerinnen und die Winzer, die Genos­sen­schaften und der Weinhandel, also die gesamte Branche. Die fragen sich selbst: Was machen wir jetzt zum Beispiel im Weinviertel? Wie können wir gemeinsam mit der Österreich Wein Marketing die Märkte besser bearbeiten? Die Winzer definieren das selbst, und sie treten dann mit den Vorschlägen an die Kammern, an die Politik, an das Ministerium und an den Nationalrat heran.

Der Effekt ist, wie man sieht, dass wir in der Weinwirtschaft extrem erfolgreich sind. Wir sind als kleines weinbautreibendes Land Österreich auf allen Märkten der Welt mit unseren Weinen vertreten. Die Konsumentin/der Konsument ist ja oftmals kein Weinspezialist und kennt sich im großen Angebot nicht aus. Darum ist das Interesse der Weinwirtschaft: Man definiert Weine, die gebietstypisch sind, damit ein Konsument zum Beispiel weiß, dass, wer im Weinviertel oder in der Südsteiermark einen Wein kauft, der die regionale DAC-Herkunftsbezeichnung hat, das ein ganz gebietstypischer Wein ist. Das heißt, der Konsument kann sich auf die DAC-Herkunftsbezeichnung ver­lassen. Das ist im Dienst des Konsumenten, und das machen die übrigen großen weinbautreibenden Länder wie zum Beispiel Italien, Frankreich, Spanien und so weiter schon lange.

Bei dieser Novelle geht es jetzt unter anderem darum, dass in der Steiermark, in drei steirischen DAC-Regionen – Südsteiermark, Vulkanland Steiermark und Weststeier­mark – gewollt wird, dass Weine, die nicht als DAC-Weine in Verkehr gebracht werden, eben nur die Bezeichnung Steiermark tragen dürfen. Ja, es ist zwar ein Eingriff, aber der Punkt ist, dass die regionalen Weinkomitees das entscheiden. Bisher gab es da immer Dreiviertelmehrheiten und Mehrheitsentscheidungen, und wir Freiheitlichen haben erreicht, dass da jetzt das Einstimmigkeitsprinzip herrscht. (Bundesrat Novak: Wie bei der EU!) In der Steiermark ist das der Wunsch der Weinwirtschaft, dem wir eben Rechnung getragen haben. Das ist ein flexibles System und ein System, das sehr erfolgreich sein kann.

Das sieht man zum Beispiel in der Weinstadt Poysdorf, wo ein starkes wein­touris­tisches Merkmal erarbeitet wurde. Die sanften Hügel des Weinviertels werden in Kombination mit der entspannten Atmosphäre der Kleinstadt und ihrer geradlinigen Menschen schmackhaft gemacht. So ein Setting braucht Qualitätsweine, wie in Poysdorf zum Beispiel den Saurüssel.


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Da die Änderung des Weingesetzes 2009 im Zeichen der zusätzlichen Qualitäts­steige­rung mit der Chance auf höhere Absatzpreise für die heimischen Weinbauern steht und mit dem Einstimmigkeitsprinzip auch der Schutz für unsere kleineren Betriebe ge­währleistet ist, werden wir Freiheitliche keinen Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates erheben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Schabhüttl: Na Gott sei Dank!)

16.01


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­ministerin Elisabeth Köstinger. – Bitte, Frau Bundesminister.


16.01.47

Bundesministerin Elisabeth Köstinger, betraut mit der Fortführung der Verwaltung im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus: Geschätzter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Der Glykolskandal wurde bereits erwähnt. Er ist zweifelsohne der Ursprung einer beispiellosen Qualitätsgeschichte, die in Österreich nach diesem Skandal ihren Lauf genommen hat. Die Weinwirtschaft in Österreich hat sich auf vollkommen neue Beine gestellt und hat sich vor allem auch selbst das ganz große Ziel gesetzt, Qualitätsprodukte zu erzeugen. Mittlerweile sind österreichische Weine wirklich überall auf der Welt zu finden. Wir können mittlerweile mit Stolz darüber sprechen, dass wir, was die Weinkultur betrifft, ganz großen und bekannten Weinbauländern wie Italien oder Frankreich in nichts nachstehen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

International unterscheidet man zwischen dem romanischen und dem germanischen Weinrecht. Herr Bundesrat Bernard hat das eigentlich schon sehr gut ausgeführt. Die meisten trinken sehr gerne Wein, aber ich glaube, nur die wenigsten wissen wirklich, was da dahinter steht. In Österreich ist das germanische Weinrecht historisch das am meisten angewandte, das heißt, die Rebsorte an sich gibt dem Wein den Namen. Neben dem germanischen Weinrecht hat aber natürlich auch das romanische Wein­recht in Österreich immer stärker Einzug gehalten. Mit dem DAC-System haben wir in Österreich vor allem unseren Weinproduzenten eine sehr gute weitere Möglichkeit eröffnet, Weine besser zu vermarkten, und darum geht es auch in letzter Konsequenz.

Das Weingesetz erlaubt bisher, dass jeder Qualitätswein die Angabe von Großlagen, Gemeinden und Rieden tragen darf. Mit der jetzigen DAC-Verordnung und der ent­sprechenden Änderung schaffen wir Rechtssicherheit, wozu eben eine Novelle zum Weingesetz 2009 erforderlich geworden ist. Wenn die DAC-Verordnung eine derartige Möglichkeit nicht vorsieht, können auch weiterhin Großlagen, Weinbaugemeinden und Rieden angegeben werden.

Es freut mich wirklich ganz besonders, dass mit dieser Novelle des Weingesetzes ein wichtiger Schritt für die heimischen Weinbauern gesetzt werden kann. Herr Bundesrat Novak hat gemeint, das wäre zum Nachteil von kleinen Weinproduzenten. Dazu möchte ich hier noch einmal ganz klar sagen: Das Gegenteil ist der Fall! (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Vor allem große Produzenten haben ja oft die Möglichkeit, ihr Einkommen mit der Menge zu erwirtschaften. Kleine Produzenten leben davon, dass sie für ihr Produkt mehr Wertschöpfung erzielen, und mehr Wertschöpfung erziele ich vor allem auch über das ganze Thema der Herkunft. Deswegen ist dieses Gesetz ein weiterer wich­tiger Schritt für unsere Winzer, für unsere Weinproduzenten, für unsere Weinkultur, das in den entsprechenden Bundesländern zu ermöglichen. Vor allem die Kleinen brauchen auch Unterstützung, und die haben wir mit dieser Novelle geleistet. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)


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Es ist hier auch das Nationale Weinkomitee beziehungsweise das regionale Wein­komitee angesprochen worden. Dazu ist hier noch einmal zu sagen: Jede Region entscheidet nach dem Einstimmigkeitsprinzip für sich selbst, ob sie das will oder nicht. Also: Mehr Unterstützung, mehr Regionalität und mehr Selbstbestimmtheit als durch diese Novelle werden wir in Zukunft nicht herstellen können.

Ich bedanke mich sehr herzlich für die Zusammenarbeit, was dieses Gesetz betrifft. Ich bin überzeugt davon, dass es einen weiteren wichtigen Schritt im Rahmen der Quali­tätsstrategie des österreichischen Weinbaus darstellt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.05

16.05.33


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke, Frau Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.05.5810. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jah­resvorschau 2019 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates (III-678-BR/2019 d.B. sowie 10183/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 10 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner. – Ich bitte um den Bericht.


16.06.17

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Andrea Holzner: Geschätzter Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Bericht der Bundes­ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend die Jahresvorschau 2019 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Mai 2019 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahresvorschau 2019 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programmes der Europäischen Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster. Ich erteile es ihr.



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16.07.41

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Frau Ministerin! Werte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Geschätzte Zu­seher und Zuseherinnen! Mit diesem Bericht informiert uns das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus über die Aktivitäten der Kommission und des Rates in seinem Zuständigkeitsbereich.

Die Darstellung in diesem Bericht erfolgt klar und knapp, der Bericht gewährt jedoch nur in Ansätzen Einblick in die Positionierung des Ministeriums bei den europäischen Verhandlungen. Da hätten wir uns mehr erwartet. Ein Mehr an Transparenz hätte auch da einen wertvollen Beitrag zu einem konstruktiven Miteinander liefern können, besonders im Zusammenhang mit der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020. Da wird es um sehr viel Geld gehen. Es ist zu erwarten, dass es sich wieder um ein Drittel des gesamten EU-Budgets handeln wird.

Die Förderinstrumente der Gemeinsamen Agrarpolitik steuern die Struktur der land­wirtschaftlichen Betriebe und vieles mehr im ländlichen Raum. Die erste Säule der GAP fördert zurzeit das Entstehen von Großbetrieben. Landbesitz konzentriert sich in den Händen weniger, Umweltprobleme werden geschaffen und erhebliche Defizite beim Tierwohl entstehen. Da besteht dringender Handlungsbedarf! Eine zentrale Förderung von Großbetrieben mit geringen Umweltauflagen darf es nach 2020 im Interesse unserer Nachkommen nicht mehr geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Anträge der sozialdemokratischen Fraktion zur Präzisierung der Positionierung Österreichs bei den Verhandlungen wurden in den Ausschüssen allesamt abgelehnt.

Ich frage Sie: Ist es richtig, dass Betriebe kleiner und mittlerer Nebenerwerbslandwirte verstärkt gefördert werden sollen, dass es eine verpflichtende Kappung der EU-Direkt­zahlung für Großbetriebe gibt, dass es eine gerechtere Verteilung der flächenbezo­genen Zahlungen gibt oder dass bei Erhalt des Zwei-Säulen-Modells die Verschiebung zur zweiten Säule erfolgt, womit möglicherweise dem Bauernsterben Einhalt geboten werden kann? Wer spricht sich gegen einen europaweiten Tierschutz aus?

Die Förderwürdigkeit sollte auch über messbare Nachhaltigkeitskriterien bestimmt werden. Agrarförderungen sollen nur jene Betriebe erhalten, die sich zu einer Reduk­tion der Pestizide verpflichten. Die Verwendung von Pestiziden und Herbiziden wie zum Beispiel Glyphosat – unter dem Namen Roundup 1974 von Monsanto auf den Markt gebracht –, das eine nachgewiesene karzinogene Wirkung hat, sollte generell - - (Ruf bei der ÖVP: Nein, nicht, nicht! Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass - -!) – Okay. Ich glaube, es reicht im Sinne der Bevölkerung, dass man einen Schutz vor karzinogenen Substanzen hat (Bundesrat Preineder: Da dürfen wir kein Schnitzel essen, Frau Kollegin!) und es ein Verfahren gibt. (Bundesrat Preineder: Da muss man es auf der ganzen Welt verbieten! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Im Prinzip sollte im Sinne der Bevölkerung der Verlust der Förderung eintreten. Es gibt unterschiedliche Meinungen. Dazu sind wir im Parlament: damit wir unterschiedliche Positionen diskutieren. Hier ist die Position der Sozialdemokratischen Partei vorge­bracht worden. (Beifall bei der SPÖ.) Ihre Position werden wir auch noch hören, keine Frage, und in diesem Haus wird sich Ihre Position durchsetzen, da Sie ja eine Koalition haben. – Okay? (Ruf bei der ÖVP: ... diskutieren!) – Ja, wir diskutieren es.

Das waren unter anderem nur ein paar Ausschnitte aus den Punkten, die ich erwähnt habe, bei denen sich die sozialdemokratische Fraktion dafür einsetzt, dass sie in die Verhandlungen eingebracht werden. Diese konkreten Forderungen habe ich aus diesem Bericht nicht herauslesen können. Wir von der sozialdemokratischen Fraktion sehen dies als Mangel an, deshalb nehmen wir diesen Bericht auch nicht zur Kennt-


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nis. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth – erheitert –: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es doch nicht dasselbe!)

16.13


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bun­desrätin Andrea Wagner. Ich erteile es ihr.


16.13.52

Bundesrätin Andrea Wagner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen via Livestream und auf der Galerie! Nachhaltiges Europa, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Phytosanitäres, Umwelt, Klimapolitik, Kreislaufwirtschaft und Abfall, Energie, Fischerei, Tourismus und noch einige mehr sind die vielen Bereiche, die in diesem Bericht enthalten sind – diese EU-Jahresvorschau 2019 greift also breite und wichtige The­men­felder der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf.

Die Bereiche stehen in einem sehr starken Zusammenhang, und es werden zentrale europäische Frage angesprochen, die jede Bürgerin und jeden Bürger betreffen. Es handelt sich um eine gemeinsame Agrarpolitik, welche die Lebensmittelversorgung sichern sowie eine hohe Qualität und hohe Standards der Lebensmittel garantieren soll. Ebenso ist eine nachhaltige Energieversorgung angesprochen, die bedeutet: weg von fossilen Energieträgern, kein Atomstrom und hin zur Kreislaufwirtschaft mit intakter Wasserversorgung und einem klimaneutralen Europa.

Es steht die Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020 an. Die GAP, die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union, ist seit den 1960er-Jahren eines der zentralen Politikfelder der Europäischen Union. Gemeinsam mit der Regionalpolitik gehört die GAP zu den wenigen vergemeinschafteten Politikbereichen, das heißt mit gemeinsamen Regeln und Finanzierung auf EU-Ebene. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Lancaster, ich kann Ihre Ausführungen nicht nachvollziehen, weil es ein vergemeinschafteter Bereich ist, dem Ihre Prozentangaben nicht entsprechen. Rechnet man alle Bereiche zusammen und wären sie alle vergemeinschaftet, so machte das Agrarbudget nur ein knappes Prozent aus, wenn ich richtig informiert bin. (Ruf bei der SPÖ: Oder nicht!) – Ja, ich bin richtig informiert. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenbe­mer­kung von Bundesministerin Köstinger.)

Die erwähnten zwei Säulen sollen erhalten bleiben. Wir haben zu Hause einen Milch­viehbetrieb, wir sind seit 1995 ein biologisch wirtschaftender Betrieb, und wenn es so wie jetzt in Zeiten des Klimawandels beispielsweise zu einer Futterknappheit kommt, bildet die erste Säule eine gewisse Grundsicherung ab. Die zweite Säule ist ein Agrarumweltprogramm, das Öpul, nach dem viele Betriebe wirtschaften. Zu den anderen Dingen komme ich noch. (Beifall bei der ÖVP.)

Die EU-Kommission hat die Vorschläge für den Mehrjährigen Finanzrahmen vorgelegt, in welchem im Bereich der GAP massive Kürzungen im Raum stehen. Was würden diese Kürzungen bedeuten? – Zum einen bedeuten sie eine Schwächung der erfolg­reichen ökosozialen Agrarpolitik und empfindliche Einkommenseinbußen bei den Bäuerinnen und Bauern, zum anderen sind gut funktionierende Maßnahmen wie das Agrarumweltprogramm, die Bergbauernförderungen und -investitionsprogramme, insbesondere in benachteiligten Gebieten und im Berggebiet, bedroht.

Die bäuerlichen Familienbetriebe – und das sind in Österreich 93 Prozent – bewirt­schaften flächendeckend vielfältig und nachhaltig die heimische Kulturlandschaft. Die bäuerlichen Familienbetriebe sichern die Basis für wirtschaftliche, vitale und lebens­werte ländliche Räume. (Beifall bei der ÖVP.)


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Die geforderten Leistungen müssen auch dementsprechend abgegolten werden. Mehr Leistung für weniger Geld geht sich einfach nicht aus. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es braucht auch in Zukunft Stabilität und Planungssicherheit für die bäuerlichen Fa­milienbetriebe. Es braucht auch weiterhin beziehungsweise verstärkt die Unterstützung der künftigen Hofübernehmer. Die Jungbäuerinnen und -bauern sind motiviert, gut ausgebildet und voller Ideen und Tatendrang. Sie sind die Zukunft der europäischen Landwirtschaft und des ländlichen Raums. In Österreich haben wir die drittjüngste Landwirtschaft in der EU. Rund 11 Prozent der Bäuerinnen und Bauern sind unter 35 Jahre. Damit das so bleibt, sollen die jungen Bäuerinnen und Bauern besonders im Fokus der zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik stehen.

Viele Menschen haben leider nicht mehr den Zugang zur Landwirtschaft so wie meine Nachbarin, eine Mittelschülerin, die am Abend oft, wenn sie Zeit hat, vorbeikommt und mir im Stall hilft und nach den Namen der neugeborenen Kälber fragt. Das Bild, das viele von der Landwirtschaft haben, haben sie oft aus der Werbung. Dieses Bild der Landwirtschaft aus der Werbung entspricht nicht der Realität. Es braucht verstärkt Initiativen und Projekte, die das Verständnis der Menschen aller Altersstufen für Land­wirtschaft und Ernährung fördern, denn nur wer die Zusammenhänge von bäuer­licher Produktion, Lebensmitteleinkauf, Umwelt, Landschaft und Klimaschutz kennt, kann auch dementsprechend handeln. Es braucht ein reales Bild, ein wirkliches Bild von der Landwirtschaft. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Schule am Bauernhof, Landwirtschaft in der Schule, Erlebnis Bauernhof und Open Bauernhof oder ein Kochbuch mit klimafreundlichen Rezepten sind nur einige Bei­spiele, die ein reales Bild der Landwirtschaft zeigen und die Zusammenhänge zwi­schen den verschiedenen Bereichen aufzeigen. Wissen führt zu Wertschätzung, Wertschätzung wiederum zu Wertschöpfung und zu einem partnerschaftlichen Mitei­nander von Landwirtschaft und Konsumenten, und dies trägt nebenbei auch wesentlich zum Klimaschutz bei.

Der Klimawandel ist sicherlich nicht nur meines Erachtens die größte Herausforderung, die dringend unsere Aufmerksamkeit erfordert. Der Klimawandel benötigt unver­züg­liches Handeln.

Auf EU-Ebene geht es in der beginnenden zweiten Jahreshälfte um viel. Viele Entscheidungen sind zu treffen und Verhandlungen für den Mehrjährigen Finanz­rahmen stehen an. Leider kannst du dich, liebe Frau Ministerin, nicht mehr in diesem Umfang einbringen. Aufgrund der heute schon erwähnten innenpolitischen Ereignisse kannst du dich nicht mehr im gewohnten Umfang einsetzen und einbringen wie bisher. Ich möchte mich bei dir bedanken, Frau Bundesminister, für deine großartige Arbeit in diesen vielen Bereichen. Erwähnen möchte ich insbesondere das Biomasseförderung-Grundsatzgesetz – und dafür Danke sagen – sowie den Durchbruch in der Plastikricht­linie der EU, der dir während der österreichischen Ratspräsidentschaft dank deiner Hartnäckigkeit und deinem Durchhaltevermögen gelungen ist. (Beifall bei der ÖVP.) Du hast auch die Kulinarikinitiative auf den Weg gebracht und wichtige Maßnahmen im Bereich der Herkunftskennzeichnung gesetzt.

Danken möchte ich auch Sebastian Kurz. Er ist ja derzeit als Bundeskanzler zu Unrecht in eine Pause gegangen worden. Sebastian Kurz und Elli Köstinger, beide habt ihr für die bäuerlichen Familienbetriebe Bedeutendes erreicht, und dafür möchte ich Danke sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die genannten Themen sind viel zu wichtig, als dass man sie parteipolitischen Inter­essen unterordnet und wertvolle Zeit verstreichen lässt. Deshalb lautet meine große Bitte: Arbeiten wir gemeinsam an einem klimafreundlichen und umweltökologisch orientierten Europa mit einer sehr sicheren Lebensmittelversorgung (Zwischenrufe bei


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der SPÖ – Bundesrat Weber: Ganz was Neues!) für uns und unsere zukünftigen Generationen!

Als ÖVP setzen wir den Weg der Veränderung fort und uns gemeinsam mit aller Kraft dafür ein. Ich bitte euch alle, mitzugehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

16.22


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Schabhüttl. Ich erteile es ihm.


16.23.04

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Köstinger! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Haus! (Ruf bei der ÖVP: Frau Minister! Das wird er nicht gelernt haben! – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Kinderstube ist nicht Sache der SPÖ!) Wir haben hier schon sehr viel über den Bericht gehört.

Frau Kollegin Wagner hat eine wirklich sehr emotionale Rede gehalten, das gestehe ich ihr zu, sie kommt aus der Branche. Nur: Der Ansprechpartner sitzt hier (in Richtung ÖVP weisend), und er sitzt schon Jahrzehnte hier. Deine Ansprache braucht immer nur aus 3 bis 4 Metern Entfernung rechts von hier zu kommen, dann wären viele Probleme erledigt – wenn du gehört wirst. Wenn du es nicht wirst, dann musst du in diese Richtung (in Richtung SPÖ weisend) schreien (Ruf bei der ÖVP: Ihr habt zu lange mitgemischt! Deswegen!), obwohl wir nicht zuständig sind. Du musst immer schauen, wohin du deine Botschaften richtest! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Wo war die SPÖ in den letzten zehn Jahren? In der Regierung ...!) – Na ja, aber das Landwirtschaftsministerium haben wir nie gehabt, das Umweltministerium haben wir nie gehabt. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von ÖVP, FPÖ und SPÖ.)

Ich weiß nicht, ich kann die Unruhe jetzt nicht nachvollziehen. (Bundesrätin Mühlwerth: Was für Unruhe?!) – Na, wenn Sie wollen, können Sie herauskommen, sich herstellen und etwas reden, und wenn nicht, müssen Sie auch ein bisschen ruhig sein. (Bun­desrat Krusche: Das erregt unsere Heiterkeit! Unqualifiziertes ... erregt immer unsere Heiterkeit!)

Frau Köstinger, leider werden wir Sie oder werden wir uns die nächsten Monate einmal ganz bestimmt nicht sehen. Ich fand es immer sehr, sehr erfrischend, wenn Sie gekommen sind. Es war immer wieder sehr emotional, auch deswegen, weil bei Ihnen ganz stark zu sehen ist, was Ankündigung, PR, Werbung und Umsetzung sind und wie weit diese auseinanderliegen. Ich habe mir das wirklich sehr oft angeschaut, bis hin zu dem Punkt, dass ich zu den Sitzungen des Landwirtschaftsausschusses gegangen bin. Was dort alles angekündigt worden ist und was wirklich umgesetzt wurde, liegt sehr weit auseinander, liegt wirklich sehr weit auseinander. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) – Sie können nachher ohnedies reden. Wenn Sie dran sind, können Sie alles sagen, aber jetzt bin ich dran. (He-Rufe bei ÖVP und FPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn ich dann darauf hinarbeite, dass man etwas gegen den Klimawandel, gegen viele Beeinträchtigungen der Umwelt tut, dass man in Zukunft eine gewisse Energie­autarkheit herstellt, dann kann ich Ihnen nur ein Beispiel mitgeben (Zwischenrufe bei der ÖVP), und dieses Beispiel ist das Burgenland, und das wissen Sie. Sie haben gesagt, Sie werden sich das anschauen; bis heute haben Sie sich das nicht ange­schaut. Wir werden dieses Bioland Burgenland, und das wissen Sie ganz genau, umsetzen, nicht, weil wir uns irgendeiner Klientel verpflichtet sehen, sondern weil wir für unsere Menschen dort arbeiten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Wir haben jetzt schon 150 Prozent Energieautarkheit im Bereich Strom. Wir setzen auch in vielen anderen Bereichen Projekte um, zum Beispiel gesunde Ernährung in Kindergärten, in Schulen, in öffentlichen Einrichtungen. Wir setzen gerade alles um, und das wären auch für Sie Leitprojekte gewesen, aber wenn es das rote Burgenland macht, wird es die schwarze Ministerin wahrscheinlich nicht machen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Auf eines möchte ich auch noch hinweisen. Neben der Ankündigungspolitik, die bis jetzt nichts Substanzielles hatte und nur die PR groß hielt, muss ich Folgendes einwerfen (Bundesrat Steiner: Aber wenn Sie so viel heiße Luft produzieren, ist das fürs Klima auch nicht gut!): Was mich demokratiepolitisch am meisten gestört hat, war natürlich die Biomassegeschichte, bei der Sie gesehen haben: Okay, es gibt jetzt keine Mehrheit, dann suchen wir einen anderen Weg! – Sie haben dann das Parlament, das in Österreich aus zwei Kammern besteht, einfach übergangen. – Okay! Natürlich haben Sie aber dafür auch die Rechnung präsentiert bekommen.

Abschließend, weil wir uns länger nicht mehr sehen, möchte ich das Ganze noch mit zwei positiven Dingen beenden. Das Erste ist: Wir haben auch Gemeinsamkeiten. Ich habe gelesen, wir haben beide am 22.11. Geburtstag. Zweitens: Etwas Erfreuliches aus Ihrer Zeit als Ministerin, zu dem ich Ihnen gratulieren wollte, ist, dass Sie in dieser Zeit ein Kind bekommen haben. – Herzliche Gratulation dazu! Ich hoffe, Sie haben auch in nächster Zeit ein wenig Zeit, für Ihr kleines Baby da sein zu können, und dafür wünsche ich Ihnen alles Gute. (Beifall bei der SPÖ. – Na-Rufe bei der ÖVP. – Bundesrat Seeber: Jetzt hör doch auf!)

16.28


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.28.43

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die EU-Jahresvorschau des Bun­desministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus befasst sich auf 24 Seiten mit vielen wichtigen Themen. Es ist zu lesen von Bioökonomie, EU-Waldstrategie, Umwelt­pro­grammen wie zum Beispiel dem EU-Förderprogramm Life, von Neuerungen betreffend die EU-Wasserrahmenrichtlinie, von Energie, Kreislaufwirtschaft und Abfall, um nur einige zu nennen.

Maßnahmen für die Gemeinsame Agrarpolitik der EU: Die Landwirtschaft verändert sich immer schneller, und das nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. In vielen EU-Ländern müssen Landwirte ihre Betriebe zusperren. Die verbleibenden Höfe und Felder werden größer, jeder Fleck wird so intensiv wie möglich genutzt. Auch wenn die österreichische Landwirtschaft mit ihrem hohen Bioanteil und der vergleichs­weise kleinstrukturierten Bewirtschaftungsweise eine gewisse Sonderstellung in Europa hat, bleibt auch sie von europäischen beziehungsweise weltweiten Entwick­lungen nicht verschont. Die Veränderungen in der Landwirtschaft betreffen ganz direkt landwirtschaftliche Betriebe, aber auch uns alle, weil sie so eng mit unserer Ernährung, dem Klima, der Natur und dem lebendigen ländlichen Raum verbunden sind.

Es ist daher unausweichlich, einen aktiv gestalteten Wandel in der Landwirtschaft herbeizuführen. Ein wichtiger Hebel dafür ist die Gemeinsame Agrarpolitik – kurz GAP – der EU. Sie ist eine der ältesten europäischen Politikbereiche und mit knapp 40 Prozent des EU-Haushaltes und 60 Milliarden Euro finanziell noch immer am besten ausgestattet.


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Österreich hat in der aktuellen Periode von 2014 bis 2020 4,8 Milliarden Euro an Direktzahlungen bekommen, plus 3,9 Milliarden Euro für die zweite Säule, also für ökologische Maßnahmen und ländliche Entwicklung. Diese hat Österreich auf 7,7 Mil­liarden Euro aufgestockt. 24 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Österreich werden aktuell bereits biologisch bewirtschaftet. Damit ist Österreich Europameister. Auch der Erhalt des ländlichen Raumes wird aus dem Agrarbudget gefördert. Öster­reich stellt dafür EU-weit den höchsten Anteil an Gesamtmitteln zur Verfügung.

Einer der größten Schätze, die unser schönes Land hat, ist ausreichend vorhandenes, qualitativ hochwertiges Trinkwasser. Dies ist keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Nicht wenige Länder in der EU haben mit Wasserknappheit und mit der Wasserqualität zu kämpfen. Bundesratspräsident Ingo Appé hat das Wasser in der Zeit seines Vorsitzes zum Schwerpunktthema gemacht. Dazu gab es kürzlich eine Enquete, die aufgezeigt hat, wie achtlos Menschen sehr oft mit diesem wertvollen Gut umgehen.

Die EU hat zum Thema Wasser für 2019 eine Änderung der Trinkwasserrichtlinie geplant; da wird es speziell um die Frage der kleinen Anlagen gehen. Derzeit ist einmal im Jahr eine Überprüfung nötig, die Kosten belaufen sich auf circa 2 000 Euro. Dieses Untersuchungsintervall soll nun von einmal auf zweimal pro Jahr – ursprünglich wären sogar zehn Untersuchungen pro Jahr angedacht gewesen – erhöht werden, was wiederum bedeuten würde, dass sich der Wasserzins deutlich erhöhen könnte. In dieser Frage wäre es wichtig, dass die EU unterschiedliche Maßstäbe anwendet. Da wir in Österreich qualitativ höchstwertiges Wasser haben, sind meiner Meinung nach andere Parameter als zum Beispiel in Teilen Osteuropas anzuwenden, wo man mehr­fach aufbereitetes Wasser verwendet.

Unsere Landwirte haben zurzeit mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen. Ist es in vielen Teilen Österreichs der Borkenkäfer, der ganze Landstriche zerstört und somit das wirtschaftliche Überleben der Forstwirte gefährdet, haben es die Obst- und Gemüsebauern mit einer Vielzahl von Schädlingen zu tun, die ganze Ernten ver­nichten; nicht zu vergessen ist die Dürre der letzten Jahre und noch vieles mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, treten wir für eine starke soziale und ökolo­gische Agrarpolitik ein! Landwirtinnen und Landwirte brauchen die erforderlichen Unter­stützungen und Rahmenbedingungen, um ihre Betriebe fit für die Zukunft zu machen. Wir alle brauchen eine zukunftsgerichtete Agrarpolitik für den Erhalt unserer Lebens­grundlagen. (Vizepräsident Koller übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte mich bei allen Landwirtinnen und Landwirten bedanken, die mit ihrem Fleiß und ihrem Einsatz enorm viel für dieses Land und seine Bevölkerung leisten. Mit der Umsetzung dieser Maßnahmen kann die dringend notwendige Agrarwende gelingen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

16.33


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. Ich erteile dieses.


16.33.31

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesminister Köstinger! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme mir vor, dass ich ein bisschen mehr Inhalt bringe als Kollege Schabhüttl. Das, was du gemacht hast, war eigentlich respektlos, anstandslos und dem Haus nicht dienend. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Vorredner sind dankenswerterweise schon sehr tief in den Bericht hineinge­gan­gen. Zusammenfassend kann man sagen und ableiten, dass in den nächsten Wochen und Monaten bedeutende Entscheidungen – vor allem auf EU-Ebene – für die Zukunft


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der europäischen, aber insbesondere auch der österreichischen Landwirtschaft an­stehen. Dabei geht es um verschiedene Bereiche, und ich sage das sogar ein bisschen politisch: Schon in den nächsten Wochen wird über eine aus Sicht der Landwirtschaft ganz wichtige Personalie entschieden: Wer wird zukünftiger EU-Agrarkommissar? Dazu bräuchten wir eine starke Stimme in Brüssel, die auch Österreich vertritt, doch diese starke Stimme, befürchte ich, wird leider fehlen. Es ist absolut nicht egal, wer EU-Kommissar wird, aus dem einfachen Grund: Wenn jemand einen Zugang zu unserer kleinstrukturierten österreichischen Landwirtschaft hat, wenn er dafür Ver­ständ­nis hat, dann dürfen wir auch erwarten, dass dies einen entsprechenden Einfluss auf die zukünftige Agrarpolitik haben wird.

Eine zweite wichtige Entscheidung wird die Finanzierung der sogenannten Gemein­samen Agrarpolitik, der gesamten Förderpolitik in Europa, für die nächsten Jahre sein. Dazu gibt es im Mehrjährigen Finanzrahmen der EU bereits einen Vorschlag, der eigentlich existenzgefährdende Kürzungen der Mittel insbesondere für die ländliche Entwicklung vorsieht, was katastrophal für unsere kleinstrukturierte ökologische Landwirtschaft wäre. Insbesondere unsere österreichischen Betriebe und vor allem unsere Bergbauernbetriebe kämen unter die Räder. Daher bräuchten wir in diesem Punkt eine sehr starke Stimme in Europa. Das wäre, glaube ich, der Europäische Rat, und da wissen wir noch nicht, wer uns vertritt. Ich befürchte aber, dass wir eine Kraft, wie wir sie mit unserem Bundeskanzler bisher aufgebracht haben, in den nächsten Monaten nicht haben werden.

Zum Dritten geht es um die Ausgestaltung der bereits angesprochenen Gemeinsamen Agrarpolitik. Es ist ganz entscheidend, wie diese ausschaut. Wollen wir in Richtung einer industrialisierten Landwirtschaft in Europa gehen, bei der nach dem Prinzip Wachsen oder Weichen gehandelt wird, oder wollen wir doch auch in Zukunft unsere kleinbäuerliche, nachhaltige Landwirtschaft in Form von Familienbetrieben weiter auf­rechterhalten?

Es kommt also eine ganz entscheidende Phase für die österreichische Landwirtschaft auf uns zu. Ich habe es angesprochen, wir brauchen eine starke Stimme in Brüssel, und diese gewichtigen Stimmen wären jene unseres Bundeskanzlers und unserer professionellen Landwirtschaftsministerin, unserer Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, unserer Elli Köstinger. (Beifall bei der ÖVP.)

Leider müssen wir befürchten, dass, wie ich schon betont habe, unsere Stimme in Europa in den nächsten Monaten leiser sein wird. Wir können zwar hoffentlich in Öster­reich ausmachen, dass wir in den nächsten Monaten keine unüberlegten Be­schlüsse fassen, die uns sehr viel Geld kosten, wir können aber nicht von Brüssel verlangen, dass man mit den angesprochenen Beschlussfassungen auf uns wartet, bis wir in Österreich wieder eine funktionierende Regierung haben.

Ich frage jetzt schon auch einmal die roten und blauen Mandatare hier im Haus: Mit welcher Begründung wurde unserer Bundesministerin Köstinger eigentlich das Miss­trauen ausgesprochen und warum kann unsere Frau Bundesminister bei diesen wich­tigen Entscheidungen in den nächsten Monaten nicht dabei sein? (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Das werden wir erklären! Das werden wir erklären!) Sie werden auch Ihren Wählern – auch wenn nur sehr wenige bäuerliche Wähler dabei sein werden – erklären müssen, warum unsere österreichischen Anliegen nicht entsprechend Gehör finden werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend darf ich mich noch an unsere Bundesministerin wenden: Wir sind sehr, sehr dankbar für deine Arbeit in den letzten zwei Jahren. Wir sind aber auch sehr, sehr zuversichtlich, dass du im Herbst, ausgestattet mit noch viel mehr Vertrauen und Stimmen aus der Bevölkerung, zu uns auf die Regierungsbank zurückkommst, und


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dann hoffen wir, dass wir viele Dinge doch noch ins Trockene bringen können. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

16.39


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­ministerin Elisabeth Köstinger. – Bitte.


16.39.28

Bundesministerin Elisabeth Köstinger, betraut mit der Fortführung der Verwaltung im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich darf vielleicht mit dem Rückblick vor allem auf das Thema Ratspräsidentschaft beginnen. Ich glaube, die Vorausschau ist auch im Nationalrat schon intensivst diskutiert worden; sie wird aufgrund der Entscheidung am Montag für die nächsten Monate hinfällig. Ich möchte aber trotzdem noch einiges ansprechen, das in den vergangenen Monaten, vor allem eben auch unter dem österreichischen Ratsvorsitz, passiert und beschlossen worden ist.

Da sei noch einmal eines vorausschickend dazugesagt: Mein Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus war insgesamt für vier Ratsformationen zuständig: für Landwirtschaft, Umwelt, Energie und eben auch für die Kohäsionspolitik. Wir haben in den sechs Monaten unserer Ratspräsidentschaft insgesamt acht formelle Räte sowie drei informelle Räte in Österreich veranstaltet. Wir haben auf technischer Ebene insgesamt 232 Ratsarbeitsgruppensitzungen geleitet und 37 Trilogverhandlungen ge­führt. In diesem Zusammenhang auch ein ganz, ganz herzliches Dankeschön an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses, die in dieser Zeit wirklich Außer­ordentliches geleistet haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben mein Bundesministerium natürlich auch mit einem Motto versehen. Sie wissen, die österreichische Ratspräsidentschaft ist unter dem Motto ein Europa, das schützt gestanden, ein Thema, das uns als Bürgerinnen und Bürger sehr nahegeht. Für mein Ressort war das Generalmotto: Ein Europa, das Klima schützt. Da ging es vor allem um den aktiven Klimaschutz, den wir in all unseren Ratsformationen voran­zutreiben versucht haben. Wir konnten dabei wesentliche Erfolge auf europäischer Ebene erzielen. (Bundesrat Schabhüttl: Keine Ergebnisse!)

Eines sei auch hier dazugesagt: Ich weiß natürlich, dass man sich immer sehr gern um seinen eigenen Schrebergarten kümmert, aber all das, was wir an europäischen Lösungen vor allem auch zum Thema Klimaschutz zustande gebracht haben, hat natürlich einen viel, viel größeren Effekt, als wenn wir es nur im kleinen Bereich machen, was natürlich auch sehr wichtig ist. (Bundesrat Schabhüttl: Keine Ergeb­nisse!) Da haben wir aber wirklich ganz große Erfolge feiern können. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Wir haben uns erfolgreich darauf einigen können, dass eine CO2-Reduktion von 37,5 Prozent für Pkws und leichte Nutzfahrzeuge gesetzlich verankert wird. Lassen Sie mich kurz ausführen, was das bedeutet. Das bedeutet, dass nicht jeder Einzelne gegängelt und zur Kasse gebeten wird, sondern dass wir die Industrie und die Hersteller in die Pflicht nehmen, notwendige Investitionen und Innovationen vorzuneh­men, damit das Auto weniger CO2 ausstößt und eben nicht einfach der Einzelne dafür zahlen muss. Auch das ist aktive Sozialpolitik – das sei vielleicht in diesem Kreis dazugesagt. (Beifall bei der ÖVP sowie der BundesrätInnen Ofner und Steiner-Wieser.)


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Ganz wichtig war uns während unserer Ratspräsidentschaft der Abschluss des Clean Energy Package. Das hat es in dieser Form noch nie gegeben, dass sich die Euro­päische Union auf gemeinsame Spielregeln, was Energieversorgung und Energie­produktion betrifft, einigen konnte. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Bereich für die Erreichung der Pariser Klimaziele. Ohne die langfristige Umstellung unseres gesamten Energiesystems werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen. In Österreich haben wir eine hervorragende Ausgangssituation. Wir produzieren jetzt schon 74 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbarer Energie. Das ist de facto ein Spitzenwert. Wir werden das einzige Land in Europa sein, das in der Produktion spätestens im nächsten Jahr frei von Atomstrom und Kohlestrom ist. Gestern hat die EVN angekündigt, die Kohlestromproduktion im Kraftwerk Dürnrohr mit Ende dieses Jahres einzustellen. Das bringt eine massive CO2-Reduktion. Das war auch sehr, sehr viel Vorarbeit, die da geleistet worden ist, und ich darf mich dafür wirklich ausdrücklich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Das Kohlekraftwerk Mellach in der Steiermark wird im nächsten Jahr folgen. Was die Energiezukunft Österreichs betrifft, können wir also wirklich auf ganz, ganz große Erfolge im letzten und im heurigen Jahr zurückblicken.

Das war mir wirklich besonders wichtig, und in diesem Kreis sei noch eines dazu­gesagt: Es ist vor allem auch in den letzten Wochen sehr viel über Treibhaus­gas­bilanzen, über potenzielle Strafzahlungen, wenn wir unsere Ziele verfehlen, diskutiert worden. Mein Ansatz war immer, dass wir jetzt nachhaltig investieren, weil das viel intelligenter ist, als irgendwo Zertifikate zu kaufen. Wir werden es schaffen, unser Wirtschaftssystem nachhaltig auf CO2-arme und CO2-neutrale Technologien umzu­stellen und trotzdem als Wirtschaftsstandort, als Arbeitsfaktor in Europa, in Österreich erfolgreich zu sein. (Bundesrat Schennach: Nur Ankündigungen!) Ich bin überzeugt davon. Wir haben die Weichen in diese Richtung gestellt, und wir werden mit aller Kraft weiter daran arbeiten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Schabhüttl: Keine einzige Maßnahme ist eingeleitet worden!)

Erlauben Sie mir, in diesem Zusammenhang etwas zu sagen, weil ich das fast schon amüsiert mitverfolgt habe: Die Treibhausgasbilanz in Österreich ist 2015, 2016 und 2017 gestiegen. Das kann man uns jetzt natürlich vorwerfen. Der damalige Verkehrs­minister – der Verkehr ist ja der ganz große Treiber bei den Treibhausgasemissionen – war Jörg Leichtfried. Das wird ein bisschen unter den Tisch fallen gelassen. Vor allem das Jahr 2017 hat man, glaube ich, dieser Bundesregierung noch nicht zurechnen können. Uns ist es gelungen, und wir haben jetzt eben die ersten Zahlen von Eurostat bekommen, da wirklich eine Trendumkehr zu schaffen. Im Jahr 2018 werden wir das erste Mal nach drei Jahren wieder ein Minus in der Treibhausgasbilanz vorfinden. Und da darf ich auch dem Koalitionspartner, mit dem es uns trotz tosender Kritik gelungen ist, permanent Maßnahmen umzusetzen, ein ganz, ganz herzliches Dankeschön sagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben eine gemeinsame Klima- und Energiestrategie aufgestellt, wir haben den „Raus aus dem Öl“-Bonus beschlossen, über den sich die Leute wirklich freuen, weil wir sie nicht zur Kasse bitten und sagen: So, ihr zahlt jetzt dafür. Wir geben ihnen stattdessen Geld in die Hand, damit sie ihr Energiesystem umstellen können. Das ist auch eine soziale Politik, die sich mit Klima- und Umweltschutz verbinden lässt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das ist ehrlich gesagt auch der ganz, ganz große Unterschied. Ich bin dem Bundesrat aus dem Burgenland – den Namen weiß ich jetzt leider nicht genau (Ruf bei der SPÖ: Schabhüttl! – Bundesrat Krusche: Den muss man sich nicht merken!) – wirklich für die


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letzten Wortbeiträge dankbar, die er hier getätigt hat. Ich war viele Jahre auf europäischer Ebene im Parlament tätig. Ich habe den Parlamentarismus in einer Form kennengelernt, die mich wie nichts anderes geprägt hat. Was ich jedoch nicht aushalte und wovor ich keinen Respekt habe, ist, wenn permanent mit Schaum vor dem Mund eine Hasstirade losgelassen wird, die ihresgleichen sucht, und das ist auch das, was die Österreicherinnen und Österreicher nicht mehr aushalten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Bader: Bravo! – Bundesrat Schennach: Die Einigkeit ist ja ganz unglaublich!)

Eines ist wirklich wichtig, nämlich dass man die Meinung der anderen aushält. Wir haben 2017 eine Wahl gewonnen, wir haben eine Koalition gebildet und wir haben mit aller Kraft daran gearbeitet, für dieses Land etwas weiterzubringen. Ich persönlich habe mich nie dazu bemüßigt gefühlt, deswegen irgendjemanden permanent persön­lich anzugreifen, und ich sage Ihnen, das ist nicht der Weg, den der Wähler und die Wählerin in Österreich goutieren werden. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren BundesrätInnen! Ich darf mich sehr herzlich für die Zusammenarbeit bedanken. Es hat mich sehr gefreut, und wir sehen uns mit Sicherheit wieder. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)

16.48

16.48.05


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke, Frau Bundesministerin. Alles Gute weiter­hin!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

16.48.41Einlauf


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 14 Anfragen, 3650/J-BR/2019 bis 3663/J-BR/2019, eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Antrag 260/A-BR/2019 der Bundesräte David Stögmüller, Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bundesgesetz, mit dem das Sozial­versicherungsorganisationsgesetz (SV-OG) in der Fassung des BGBl. 100/2018 abge­än­dert wird“.

Dieser Gesetzesantrag wird gemäß Art. 41 Abs. 1 B-VG in Verbindung mit § 21 GO-BR dem Nationalrat zur weiteren geschäftsordnungsmäßigen Behandlung unterbreitet.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Mittwoch, der 19. Juni 2019, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll893. Sitzung, 893. Sitzung des Bundesrates am 29. Mai 2019 / Seite 145

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, den 17. Juni 2019, 14 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche eine gute Heimfahrt.

Diese Sitzung ist geschlossen.

16.50.09Schluss der Sitzung: 16.50 Uhr

 

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