Stenographisches Protokoll

106. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 12. Juni 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

106. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 12. Juni 2002

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 12. Juni 2002: 9.03 – 23.49 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz über die betriebliche Mitarbeitervorsorge (Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz – BMVG) und mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das ORF-Gesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Journalistengesetz geändert werden, und Bericht über den

Entschließungsantrag 20/A (E) der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abfertigung – sicher und gerecht und den

Entschließungsantrag 32/A (E) der Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abfertigung neu und die

Petition (34/PET) betreffend "Betriebsrat BMW Werk Steyr – Abfertigung NEU", überreicht vom Abgeordneten Ing. Kurt Gartlehner

2. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiter (Parlamentsmitarbeitergesetz) geändert wird

3. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Passgesetz 1992, das Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen und das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert werden (SPG-Novelle 2002)


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106. Sitzung / Seite 2

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Forstliches Vermehrungsgutgesetz 2002 erlassen wird und das Düngemittelgesetz 1994, das Futtermittelgesetz 1999, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Pflanzgutgesetz 1997, das Rebenverkehrsgesetz 1996, das Saatgutgesetz 1997, das Sortenschutzgesetz 2001, das Weingesetz 1999 und das Qualitätsklassengesetz geändert werden (Agrarrechtsänderungsgesetz 2002)

6. Punkt: Bericht über den Antrag 497/A der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 geändert wird

7. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 619/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pestizid-Aktionsprogramm zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in Österreich

8. Punkt: Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 27. Februar 2002 über die finanziellen Folgen des Ablaufs der Geltungsdauer des EGKS-Vertrags und über den Forschungsfonds für Kohle und Stahl samt Anhängen und Anlagen sowie Erklärungen der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten

9. Punkt: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien andererseits samt Anhängen und Protokollen sowie Schlussakte und Erklärungen

10. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China über kulturelle Zusammenarbeit

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Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht des Abgeordneten Anton Leikam 18

Angelobung des Abgeordneten Gerhard Abraham 18

Personalien

Verhinderungen 18

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Kolleginnen und Kollegen, die dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 98/A gesetzte Frist bis 30. Juni 2003 zu erstrecken – Annahme 40, 248

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 der Geschäftsordnung, das Volksbegehren "Sozialstaat Österreich" (1161 d. B.) in erste Lesung zu nehmen – Annahme 40, 40

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 40

Erklärung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner zum Thema "Südtirol" im Sinne des § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung 64


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106. Sitzung / Seite 3

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 65


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106. Sitzung / Seite 4

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 64

Redner:

Peter Schieder 67

Dr. Andreas Khol 68

Edith Haller 69

Dr. Evelin Lichtenberger 70

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 71

DDr. Erwin Niederwieser 72

Dr. Gerhart Bruckmann 73

Dr. Gerhard Kurzmann 74

Mag. Ulrike Lunacek 75

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen betreffend "leere Regierungsbank" 77

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung

1. der Frühpensionierungen im Bereich der Bahn, Post und Telekom,

2. der Ablöse von Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern in der öffentlichen Wirtschaft des Bundes,

3. des Vorruhestandes mit 55 im öffentlichen Dienst (so genannte "Chance 55"),

4. anderer Funktionsveränderungen im Bereich des Bundes (z.B. im Bereich der Sozialversicherungen)

seit Februar 2000 auf Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit sowie Gesetzmäßigkeit gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 241

Bekanntgabe 79

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 80

Redner:

Dr. Günther Kräuter 242

Gerhard Reheis 244

Nikolaus Prinz 245

Mag. Beate Hartinger 246

Karl Öllinger 247

Ablehnung des Antrages 248

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen betreffend Nicht-Anwesenheit von Bundesminister Mag. Herbert Haupt zu Beginn der Debatte über die Dringliche Anfrage 116

Verlangen des Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler auf Erteilung eines Ordnungsrufes 143

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer im Zusammenhang mit dem von Abgeordnetem Ing. Peter Westenthaler gestellten Verlangen auf Erteilung eines Ordnungsrufes 208

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung 235

Unterbrechung der Sitzung 235

Aktuelle Stunde (25.)

Thema: "Postenschacher der Bundesregierung"

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer 18

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 21

Dr. Josef Cap 24

Wolfgang Großruck 25

Ing. Peter Westenthaler 27

Dr. Alexander Van der Bellen 28

Rudolf Nürnberger 30

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 31

Werner Miedl 33

Mag. Karl Schweitzer 34

Dr. Peter Pilz 35

Ausschüsse

Zuweisungen 38

Auslieferungsbegehren

gegen die Abgeordneten Ridi Steibl und Mag. Karl Schweitzer 38

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Regieren neu – Postenschacher, Privilegien und Proporz in der PVA (3985/J) 110

Begründung: Karl Öllinger 117

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 121

Debatte:

Mag. Werner Kogler 128

Mag. Karl Schweitzer (tatsächliche Berichtigung) 130

Dr. Josef Cap 131

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 133

Dr. Gottfried Feurstein 133

Mag. Karl Schweitzer 135

Dr. Peter Wittmann (tatsächliche Berichtigung) 137

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 138

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 138

Norbert Staffaneller (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 140

Rudolf Nürnberger 141

Mag. Dr. Josef Trinkl 144

Theresia Zierler 146

Ludmilla Parfuss (tatsächliche Berichtigung) 148

Doris Bures 149

Karl Öllinger 150

Dr. Martin Graf 152

Dr. Peter Wittmann 154


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106. Sitzung / Seite 5

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes – Ablehnung 129, 155

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1131 d. B.): Bundesgesetz über die betriebliche Mitarbeitervorsorge (Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz – BMVG) und mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das ORF-Gesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Journalistengesetz geändert werden, und den

Entschließungsantrag 20/A (E) der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abfertigung – sicher und gerecht und den

Entschließungsantrag 32/A (E) der Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abfertigung neu und die

Petition (34/PET) betreffend "Betriebsrat BMW Werk Steyr – Abfertigung NEU", überreicht vom Abgeordneten Ing. Kurt Gartlehner (1176 d. B.) 41

2. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiter (Parlamentsmitarbeitergesetz) geändert wird (1177 d. B.) 41

3. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1178 d. B.) 41

Redner:

Friedrich Verzetnitsch 42

Dr. Werner Fasslabend 44

Ing. Peter Westenthaler 46

Karl Öllinger 49, 157

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 51

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 53

Heidrun Silhavy 55

Dr. Reinhold Mitterlehner 58

Sigisbert Dolinschek 60

Theresia Haidlmayr 62

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 64, 76


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106. Sitzung / Seite 6

Renate Csörgits 78

Mag. Walter Tancsits 78

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 80

Franz Riepl 81

Dr. Gottfried Feurstein 85

Norbert Staffaneller 88

Sophie Bauer 89

Edeltraud Gatterer 90

Dr. Alois Pumberger 92

Helmut Dietachmayr 93

Ridi Steibl 94

Edith Haller 95

Dr. Ilse Mertel 96

Mag. Dr. Josef Trinkl 97

Andreas Sodian 99

Mag. Christine Lapp 100

Karl Donabauer 101

Mag. Rüdiger Schender 103

Gabriele Heinisch-Hosek 104

Josef Blasisker 105

Josef Horn 106

Hermann Böhacker 107

Karl Dobnigg 108

Harald Trettenbrein 109

Bernd Brugger 155

Hans Sevignani 156

Ing. Kurt Gartlehner 157

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 1176, 1177 und 1178 d. B. 159

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1138 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Passgesetz 1992, das Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen und das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert werden (SPG-Novelle 2002) (1170 d. B.) 161

Redner:

Rudolf Parnigoni 161

Günter Kößl 164

Dr. Peter Pilz 165, 200

Dr. Helene Partik-Pablé 168

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 170

Anton Gaál 176

Johann Loos 180

Mag. Terezija Stoisits 181

Hermann Reindl 184

Katharina Pfeffer 185

Karl Freund 186

Günter Kiermaier 187

Mag. Eduard Mainoni 189

Mag. Gisela Wurm 190

Matthias Ellmauer 191

Dr. Elisabeth Hlavac 192

Robert Egghart 193

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 194

Paul Kiss 195

Ludmilla Parfuss 197

Roland Zellot 198


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106. Sitzung / Seite 7

Otto Pendl 198

Ilse Burket 199

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes – Ablehnung 168, 202

Annahme 201


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106. Sitzung / Seite 8

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (1133 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Forstliches Vermehrungsgutgesetz 2002 erlassen wird und das Düngemittelgesetz 1994, das Futtermittelgesetz 1999, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Pflanzgutgesetz 1997, das Rebenverkehrsgesetz 1996, das Saatgutgesetz 1997, das Sortenschutzgesetz 2001, das Weingesetz 1999 und das Qualitätsklassengesetz geändert werden (Agrarrechtsänderungsgesetz 2002) (1154 d. B.) 202

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 497/A der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 geändert wird (1155 d. B.) 202

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 619/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pestizid-Aktionsprogramm zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in Österreich (1156 d. B.) 202

Redner:

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 203

Georg Schwarzenberger 204

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 206, 226

Robert Wenitsch 208

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 210

Christian Faul 212

Jakob Auer 213, 232

Mag. Kurt Gaßner 215

Roland Zellot 216

Ludmilla Parfuss 217

Hermann Gahr 218

Josef Horn 219

Evelyn Freigaßner 220

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 221

Erwin Hornek 222

Heinz Gradwohl 223

Klaus Wittauer 225

Franz Kampichler 227

Anna Elisabeth Achatz 228

Johannes Zweytick 229, 231

Johannes Schweisgut 230

Dr. Gabriela Moser 233

Annahme des Gesetzentwurfes in 1154 d. B. (namentliche Abstimmung) 235

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1155 und 1156 d. B. 238

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Regierungsvorlage: Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 27. Februar 2002 über die finanziellen Folgen des Ablaufs der Geltungsdauer des EGKS-Vertrags und über den Forschungsfonds für Kohle und Stahl samt Anhängen und Anlagen sowie Erklärungen der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten (1099 d. B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) 238

9. Punkt: Regierungsvorlage: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien andererseits samt Anhängen und Protokollen sowie Schlussakte und Erklärungen (1127 d. B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) 238

10. Punkt: Regierungsvorlage: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China über kulturelle Zusammenarbeit (1070 d. B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) 238

Redner:

Mag. Christine Muttonen 238

Mag. Ulrike Lunacek 239

Genehmigung der drei Staatsverträge in 1099, 1127 und 1070 d. B. 240

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 1099 und 1127 d. B. 240

Eingebracht wurden

Volksbegehren 37

1161: Volksbegehren "Sozialstaat Österreich"

Bürgerinitiativen 38

Bürgerinitiative betreffend "Rechtzeitiger Beschluss des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes" (Ordnungsnummer 28)

Bürgerinitiative betreffend "einer verschuldensunabhängigen Entschädigungslösung für Patienten nach Behandlungsfehlern" (Ordnungsnummer 29)

Regierungsvorlagen 37

1090: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus (Protokoll "Tourismus")

1091: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Berglandwirtschaft (Protokoll "Berglandwirtschaft")

1092: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 über die Beilegung von Streitigkeiten

1093: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Raumplanung und nachhaltige Entwicklung (Protokoll "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung")

1094: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bergwald (Protokoll "Bergwald")


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106. Sitzung / Seite 9

1095: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr (Protokoll "Verkehr")

1096: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz (Protokoll "Bodenschutz")

1097: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege (Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege")

1098: Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie (Protokoll "Energie")

1125: Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie

1137: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen

1143: Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird

1144: Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel samt Anlagen und Erklärung

1145: Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (POP) samt Anhängen und Erklärungen

1146: Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt samt Anlagen

1158: Bundesgesetz über die Veräußerung von beweglichem Bundesvermögen

1159: Bundesluftreinhaltegesetz

1160: Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002

1165: Strafprozessreformgesetz

1166: Strafrechtsänderungsgesetz 2002

1167: Zinsenrechts-Änderungsgesetz – ZinsRÄG

1168: Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof

1169: Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird

1171: Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe samt Anlagen und Erklärung

1172: Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997 (FrG-Novelle 2002) und das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2002) und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden


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106. Sitzung / Seite 10

Berichte 38

Zu III-124: Nachtrag zum Tätigkeitsbericht über das Verwaltungsjahr 2000; Rechnungshof

III-152: Fünfundzwanzigster Bericht (1. Jänner bis 31. Dezember 2001); Volksanwaltschaft

III-153: Bericht des Universitätenkuratoriums im Sinne des § 83 Abs. 3 des UOG 1993 über seine Tätigkeit im Kalenderjahr 2001; BM f. Bildung, Wissenschaft und Kultur

III-154: Jahresbericht 2001 der Elektrizitäts-Control GmbH; BM f. Wirtschaft und Arbeit

III-155: Bericht betreffend Umweltförderungen des Bundes, 2001 sowie die Finanzvorschau über die dem Bund aus der Vollziehung des Umweltförderungsgesetzes erwachsenden Belastungen; BM f. Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

III-156: Bericht betreffend Evaluierung der Umweltförderung des Bundes für den Zeitraum 1.1.1999 – 31.12.2001; BM f. Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

III-157: Forschungs- und Technologiebericht 2002; BM f. Bildung, Wissenschaft und Kultur im Einvernehmen mit dem BM f. Verkehr, Innovation und Technologie

III-158: Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft 2000/01; BM f. Wirtschaft und Arbeit

Anträge der Abgeordneten

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Entwicklungs- und Sicherheitsraumes für eine gentechnikfreie, nachhaltige Landwirtschaft (698/A) (E)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer "GVO-freien Zone Österreich" (699/A) (E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserungen des Pestizid-Monitorings und Information der KonsumentInnen (700/A) (E)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung der Gebärdensprache (701/A) (E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des Auftrags des Obersten Sanitätsrates zur Minimierung der Belastung durch elektromagnetische Felder der Mobilfunktelefonie (702/A) (E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Autobahnüberholverbote, insbesondere auf der Innkreis Autobahn (703/A) (E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenlegung der Kleinstbezirksgerichte (704/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rückerstattung der Mehrwertsteuer für Feuerwehren und Wohlfahrtsorganisationen bei der Anschaffung neuer Gerätschaften (705/A) (E)


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106. Sitzung / Seite 11

Jakob Auer, Dr. Michael Krüger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Wählerevidenzgesetz 1973, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden (706/A)

Anfragen der Abgeordneten

Walter Murauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Personalreduktion in Justizanstalten (3960/J)

Mag. Helmut Kukacka, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Ausweitung der Schülerfreifahrt auf Internatsschüler (3961/J)

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesregierung betreffend Daten zu den Mitgliedern des Vorstandes und der Aufsichtsräte von Unternehmungen, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen (3962/J)


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106. Sitzung / Seite 12

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend "Verkehrskonzept Taxham/Liefering – Forderungen an den Bund" (3963/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Zusatztafeln an Ortstafeln (3964/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Artothek (3965/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Artothek (3966/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Ausfuhr von Arzneimitteln ohne Ausfuhrbewilligung durch LH Dr. Jörg Haider (3967/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ausfuhr von Arzneimitteln ohne Ausfuhrbewilligung durch LH Dr. Jörg Haider (3968/J)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend emissionsseitige Luftreinhaltungsvorschriften (3969/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Schulbauten in OÖ (3970/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verschleuderung von Bundeswohnungen und Verhinderung des Mieterwerbs (3971/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Diskriminierung behinderter Menschen im öffentlichen Verkehr auf Grund des Fehlens von Regelungen durch das BMVIT (3972/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Verwaltungsassistent – Ausbildungsverordnung – Ergebnisse (3973/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Verwaltungsassistent – Ausbildungsverordnung – Ergebnisse (3974/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Verwaltungsassistent – Ausbildungsverordnung – Ergebnisse (3975/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verwaltungsassistent – Ausbildungsverordnung – Ergebnisse (3976/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verwaltungsassistent – Ausbildungsverordnung – Ergebnisse (3977/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verwaltungsassistent – Ausbildungsverordnung – Ergebnisse (3978/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Verwaltungsassistent – Ausbildungsverordnung – Ergebnisse (3979/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Verwaltungsassistent – Ausbildungsverordnung – Ergebnisse (3980/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Verwaltungsassistent – Ausbildungsverordnung – Ergebnisse (3981/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Verwaltungsassistent – Ausbildungsverordnung – Ergebnisse (3982/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Verwaltungsassistent – Ausbildungsverordnung – Ergebnisse (3983/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Verwaltungsassistent – Ausbildungsverordnung – Ergebnisse (3984/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Regieren neu – Postenschacher, Privilegien und Proporz in der PVA (3985/J)

Josef Edler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Realisierung des Wiener Verkehrsprojektes B 3d (Donau Straße-Abzweigung Hirschstetten) (3986/J)


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106. Sitzung / Seite 13

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend "Jedes Mitglied in der Bundesregierung ist Tourismusminister ..." (3987/J)

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend "Jedes Mitglied in der Bundesregierung ist Tourismusminister ..." (3988/J)

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend "Jedes Mitglied in der Bundesregierung ist Tourismusminister ..." (3989/J)

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Jedes Mitglied in der Bundesregierung ist Tourismusminister ..." (3990/J)

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Jedes Mitglied in der Bundesregierung ist Tourismusminister ..." (3991/J)

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend "Jedes Mitglied in der Bundesregierung ist Tourismusminister ..." (3992/J)

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend "Jedes Mitglied in der Bundesregierung ist Tourismusminister ..." (3993/J)

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend "Jedes Mitglied in der Bundesregierung ist Tourismusminister ..." (3994/J)

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "Jedes Mitglied in der Bundesregierung ist Tourismusminister ..." (3995/J)

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend "Jedes Mitglied in der Bundesregierung ist Tourismusminister ..." (3996/J)

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "Jedes Mitglied in der Bundesregierung ist Tourismusminister ..." (3997/J)

Paul Kiss, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Zusammenlegung von Bezirksgerichten im Burgenland (3998/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Tierarzneimittel-Anwendungsverordnung und Pharmakovigilanz (3999/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Untersuchung von Putenfleisch in Österreich (4000/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Puten- bzw. Truthahnproduktion in Österreich (4001/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Preissteigerungen durch die Euro-Umstellung (4002/J)

Otto Pendl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Platznot an Gymnasien in Baden bei Wien/NÖ (4003/J)


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106. Sitzung / Seite 14

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend "ORF und die Kurzbahn EM Schwimmen in Wien" (4004/J)


Nationalrat, XXI.GP
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106. Sitzung / Seite 15

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend "ORF und die Kurzbahn EM Schwimmen in Wien" (4005/J)

Anna Elisabeth Achatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die EU-weite einheitliche Kennzeichnung von GVO in Lebens- und Futtermitteln (4006/J)

Robert Wenitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Dolmetscherkosten bei der Fremdenpolizei der BH Gänserndorf (4007/J)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend handgreifliche Tumulte an der Universität Salzburg unter Beteiligung eines Angehörigen des österreichischen Bundesheeres in Uniform im letzten Jahr (4008/J)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend handgreifliche Tumulte an der Universität Salzburg unter Beteiligung eines Angehörigen des österreichischen Bundesheeres in Uniform im letzten Jahr (4009/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend "Gesetzliche Strafandrohungen gegenüber ArbeitnehmerInnen" (4010/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend "Gesetzliche Strafandrohungen gegenüber ArbeitnehmerInnen" (4011/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend "Gesetzliche Strafandrohungen gegenüber ArbeitnehmerInnen" (4012/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend "Gesetzliche Strafandrohungen gegenüber ArbeitnehmerInnen" (4013/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Gesetzliche Strafandrohungen gegenüber ArbeitnehmerInnen" (4014/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Gesetzliche Strafandrohungen gegenüber ArbeitnehmerInnen"(4015/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend "Gesetzliche Strafandrohungen gegenüber ArbeitnehmerInnen" (4016/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend "Gesetzliche Strafandrohungen gegenüber ArbeitnehmerInnen" (4017/J)

Mag. Johann Maier , Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend "Gesetzliche Strafandrohungen gegenüber ArbeitnehmerInnen" (4018/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "Gesetzliche Strafandrohungen gegenüber ArbeitnehmerInnen" (4019/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend "Gesetzliche Strafandrohungen gegenüber ArbeitnehmerInnen" (4020/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "Gesetzliche Strafandrohungen gegenüber ArbeitnehmerInnen" (4021/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend erfolgreiche Aufgriffe illegaler Importe von Dopingmitteln (Nahrungsergänzungsmittel, Arzneimittel, Anabolika etc.) durch die Zollfahndung (4022/J)

Jakob Auer , Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Erhöhung der Mindestdeckungssumme der Kfz-Haftpflichtversicherungssummen (4023/J)

Ridi Steibl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Errichtung einer Bundesstelle zur Förderung und Koordination der Vereinbarkeit von Beruf und Familie (4024/J)

Mag. Maria Kubitschek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Verhandlungen der Welthandelsorganisation zu Gesundheitsdienstleistungen (4025/J)

*****

Dr. Brigitte Povysil, Dr. Andrea Wolfmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Desinformationskampagne der Grünen durch Verbreitung eines unrichtigen und unechten Protokolls der Kulturausschusssitzung vom 13. März 2002 (26/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (3672/AB zu 3706/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (3673/AB zu 3708/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen (3674/AB zu 3703/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (3675/AB zu 3736/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (3676/AB zu 3828/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (3677/AB zu 3704/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (3678/AB zu 3709/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (3679/AB zu 3707/J)


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106. Sitzung / Seite 16

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen (3680/AB zu 3710/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen (3681/AB zu 3749/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen (3682/AB zu 3778/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (3683/AB zu 3712/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen (3684/AB zu 3734/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (3685/AB zu 3713/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen (3686/AB zu 3715/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (3687/AB zu 3717/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Paul Kiss, Kolleginnen und Kollegen (3688/AB zu 3714/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Günter Kiermaier, Kolleginnen und Kollegen (3689/AB zu 3765/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (3690/AB zu 3716/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung, Kolleginnen und Kollegen (3691/AB zu 3726/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung, Kolleginnen und Kollegen (3692/AB zu 3727/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Anna Elisabeth Achatz, Kolleginnen und Kollegen (3693/AB zu 3776/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen (3694/AB zu 3780/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Kolleginnen und Kollegen (3695/AB zu 3718/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (3696/AB zu 3719/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Trinkl, Kolleginnen und Kollegen (3697/AB zu 3720/J)


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106. Sitzung / Seite 17

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen (3698/AB zu 3721/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen (3699/AB zu 3722/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (3700/AB zu 3724/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen (Zu 3659/AB zu 3692/J)

 

 


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106. Sitzung / Seite 18

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie und eröffne die 106. Sitzung des Nationalrates, die für heute einberufen wurde.

Die Amtlichen Protokolle der 103., 104. und 105. Sitzung sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen, ohne Einspruch geblieben und gelten daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Antoni, Hagenhofer und Lackner.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, dass Herr Abgeordneter Anton Leikam auf sein Mandat verzichtet hat und an seiner Stelle Herr Gerhard Abraham in den Nationalrat berufen wurde.

Das Innenministerium hat uns den Wahlschein des Genannten bereits übermittelt. Er ist, wie mir gesagt wird, im Hause anwesend, ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Schriftführer ist Herr Abgeordneter Jakob Auer. Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch den Schriftführer wird der neue Mandatar seine Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten haben.

Ich darf nunmehr den Herrn Schriftführer um die Verlesung der Gelöbnisformel bitten.

Schriftführer Jakob Auer: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Abgeordneter Gerhard Abraham (SPÖ): Ich gelobe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße den neuen Kollegen herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

"Postenschacher der Bundesregierung"

Zur Begründung des Themas der Aktuellen Stunde ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer zu Wort gemeldet. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.05

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Postenschacher dieser schwarz-blauen Bundesregierung (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen) ist das Hauptmerkmal dieser Regierung in den letzten zweieinhalb Jahren – das haben Sie in den letzten Tagen wieder ganz eindrucksvoll bestätigt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Mir ist schon ganz kalt, weil der "Kühlschrank" vor mir steht! Der "Kühlschrank" ist im Raum!)


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106. Sitzung / Seite 19

Jeder stellt sich die Frage: Wo ist heute Herr Abgeordneter Gaugg? – Wenn er nicht im Parlament ist, geht er unter Umständen seiner Tätigkeit in der Pensionsversicherungsanstalt nach. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie ist das mit dem "Kühlschrank"? Es wird immer kälter hier herinnen, wenn Sie ans Rednerpult treten!) Herr Abgeordneter Westenthaler! Es stellt sich die Frage: Wo ist Ihre Ankündigung, dass das Mandat des Herrn Gaugg mit der Position in der Pensionsversicherungsanstalt unvereinbar ist? (Abg. Ing. Westenthaler: Der "wandelnde Kühlschrank" spricht zu uns!)

Herr Bundeskanzler, Sie haben erst gestern darauf hingewiesen, dass es politisch unvereinbar wäre, dass Herr Abgeordneter Gaugg gleichzeitig im Parlament und in der Pensionsversicherungsanstalt ist. Es zeigt sich ganz deutlich, dass das Parlament das letzte Mal hinters Licht geführt wurde, als Herr Sozialminister Haupt abgestritten hat, dass er bei "verschwörerischen" Besprechungen dabei war, in denen dieser Postenschacher ausgemacht wurde. (Abg. Böhacker: Peinlich!) Herr Abgeordneter Gaugg hat, als man ihm gesagt hat, er werde in die Pensionsversicherungsanstalt einziehen, gemeint, das wäre schwachsinnig. – Diesen Ausführungen des Abgeordneten Gaugg ist in der Tat nichts hinzuzufügen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wie schaut dieser Postenschacher aus, der ständig damit gerechtfertigt wird, dass es um Kosteneinsparungen ginge, um Strukturreformen, um etwas effizienter zu gestalten? (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )  – Es wird in Zukunft zusätzlich zu den zwei Direktor-Stellvertretern in der Pensionsversicherungsanstalt einen dritten geben, nämlich Herrn Gaugg, und dieser ist ganz offensichtlich mit seiner Bezahlung nicht zufrieden, denn er will unbedingt 200 000 € Jahresgehalt haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie kennen das Gesetz nicht! – Gegenrufe bei der SPÖ.) Das will ein Herr Gaugg, der aus einer Partei kommt, die immer vorgibt, dass niemand mehr als 66 000 S pro Monat verdienen solle.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Gaugg ist das Musterbeispiel der "Selbstversorgungsmaschinerie" der Freiheitlichen Partei in dieser Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wie wirkt sich das auf die Kosten aus? Wir wirkt sich das auf diejenigen aus, die es letztendlich mit ihren Beiträgen zu bezahlen haben? – Die "Säuberungen" im Hauptverband haben Sie damit erklärt, dass dort alles effizienter und kostengünstiger sein müsse. Der Effekt Ihrer Veränderungen im Hauptverband liegt heute auf dem Tisch: Die Ausgaben für die Leitungsorgane sind um 80 Prozent höher als zuvor. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist ja gar nicht wahr!) Es sind 80 Prozent mehr für die Bürokratie (Abg. Mag. Schweitzer: Darf der ungestraft die Unwahrheit sagen?), die von den Beitragszahlern zu bezahlen ist!

Während Sie von den Koalitionsparteien einerseits Sozialabbau und Pensionsabbau betreiben, werden von Ihnen andererseits Funktionäre dorthin geschickt, die um 80 Prozent mehr Kosten verursachen, als in der Vergangenheit angelaufen sind. Das ist eine völlig falsche Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es stellt sich auch die Frage: Welche Qualifikation bringt Herr Abgeordneter Gaugg dort ein? – Eine A-Qualifikation, eine B-Qualifikation? – Weit gefehlt! Die einzige Qualifikation, die er dort einbringt, ist die "F-Qualifikation": Er ist der Abgesandte der FPÖ und nicht mehr, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wer glaubt, dass es mit dieser Geschichte zu Ende ist, dem kann man schon heute sagen, welcher Abgeordnete von der FPÖ als Nächster zu versorgen ist. Er sitzt heute zufälligerweise hier. Es weiß heute schon jeder, dass auf Grund der Eingliederung des Postbusses in den Bahnbus der designierte Bus-Chef Herr Abgeordneter Firlinger sein wird. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Phantasien! Aufwachen!) Er wird der Nächste sein, der versorgt werden wird, meine Damen und Herren!

Da der Herr Finanzminister mit der Maastricht-Wirksamkeit der SCHIG ein großes Problem hat, soll diese nun den Österreichischen Bundesbahnen umgehängt werden. Die Konsequenz wird


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106. Sitzung / Seite 20

sein, dass die Position des früheren FPÖ-Abgeordneten Gilbert Trattner als Geschäftsführer dort obsolet wird. – Aber keine Sorge, meine Damen und Herren, auch für ihn wird bereits vorgesorgt. Herr Gilbert Trattner soll nämlich neuer Vorstand bei den Österreichischen Bundesbahnen werden. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) So wird der Postenschacher dieser Bundesregierung fortgesetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: Wie ist denn der SPÖ-Obmann geworden? – Abg. Mag. Schweitzer: Der hat Fieber!)

Es stellt sich die Frage, wieso die ÖVP dazu so beredt schweigt. Wieso schweigt die ÖVP (Abg. Ing. Westenthaler: Fiebriger "Kühlschrank"! – Abg. Mag. Schweitzer: Alfred Gusenbauer, der "Kühlschrank"! – weitere Zwischenrufe – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) so beredt zu diesem Postenschacher der Freiheitlichen Partei? – Man braucht nicht weit zu gehen (Abg. Ing. Westenthaler: Der "Kühlschrank" fiebert!), man braucht nur in die Herrengasse in das Innenministerium zu gehen. Dort findet man den Grund für das Schweigen der Österreichischen Volkspartei, dort sitzt nämlich der Obersäuberer der ÖVP, Innenminister Strasser, der jeden leitenden Beamten, der nicht seine Gesinnung teilt, knallhart und eiskalt eliminiert. Das ist keine demokratische Vorgangsweise, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Herr Innenminister hat gestern gesagt, das wäre alles nur vorübergehend, die Strukturreformen müssten noch kommen, Herr Strohmeyer sei nur vorübergehend bei der Flugpolizei, und das sei mit allen anderen vereinbart. – Ich stelle mir daher die Frage, wieso denn der Gendarmeriegeneral Strohmeyer abgesetzt wurde. Hat es – falls es nicht die Frage der Gesinnung war, die den Innenminister gestört hat – irgendeine sachliche Kritik an seiner Arbeit gegeben? (Abg. Ing. Westenthaler: Die Frage ist, warum ist er das überhaupt geworden?) Ist es ein Zufall, dass all die Beamten, die vom Innenminister abgesetzt werden (Abg. Mag. Schweitzer: Deine Fragen setzen zu spät an! – weitere Zwischenrufe), Beamte sind, die nicht dem ÖAAB angehören?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Inzwischen gibt es Empörung – ja, Herr Kiss, Sie werden staunen –, die nicht nur die allgemeine Öffentlichkeit und die Betroffenen erfasst. Auch bestimmte Funktionäre der Fraktion Christlicher Gewerkschafter, die bei der Gendarmerie tätig sind, sind bereits enorm empört über diese Vorgangsweise des Innenministers.

Herr Bundeskanzler! Ich werde Ihnen einen mir vorliegenden Brief eines FCG-Funktionärs an das Kabinett des Innenministers vorlesen. Meine Damen und Herren! Dieser Funktionär schreibt wortwörtlich (Abg. Großruck: Habt ihr den selbst geschrieben?):

"Ich möchte aber morgen Früh mein Spiegelbild ohne Grauen erblicken können und komme nicht mehr umhin, Euch, liebe Kollegen, meine Sicht nahe zu bringen!" (Abg. Ing. Westenthaler: "Dein Gusi"!)

Weiters: "Ein Mann, unser Gendarmeriegeneral Brigadier Oskar Strohmeyer, welcher politi-schen Gesinnung er auch angehören mag" (Abg. Dr. Khol: Welcher? – Rufe bei den Freiheitlichen: Welcher?), "wird aufgrund seiner richtigen und mutigen Aussagen ins ‚Exil‘ geschickt." (Abg. Ing. Westenthaler: Wo gehört er denn hin, der Herr Strohmeyer? Warum wurde er denn das überhaupt, was er ist? – Weil er ein braver Roter ist!)

Ich zitiere weiter: "Wem macht die Wahrheit Schwierigkeiten? Wer soll sonst noch für uns Gendarmen das Wort erheben, wenn nicht unser Chef?"

Dieser FCG-Funktionär schließt diesen Brief mit den Worten: "Ein FCG/ÖVP-Funktionär der Basis fordert daher:

Wiedereinsetzung des Brigadier Oskar Strohmeyer als Gendarmeriezentralkommandant!" (Abg. Kiss: Den Brief hast du wahrscheinlich selbst geschrieben! Den Brief habt ihr aber selbst geschrieben! Wie heißt der FCG-Funktionär, der das geschrieben hat?)

"Sofortige Neuaufnahmen bei der Gendarmerie!


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106. Sitzung / Seite 21

Zurücknahme der Planstelleneinsparungen für das Jahr 2003 in der Höhe von kolportierten 600!"  – Zitatende.

Das ist die Meinung der Basis der Fraktion Christlicher Gewerkschafter, mit der Sie nichts mehr zu tun haben, Herr Abgeordneter Kiss, denn Ihnen geht es nur noch um brutale Machtpolitik. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser ganze Postenschacher geschieht in derselben Zeit, in der diese Bundesregierung nichts gegen 33 000 zusätzliche Arbeitslose in Österreich – 17 Prozent mehr als im vergangenen Jahr – unternimmt, in der diese Bundesregierung nichts macht, um das Wachstum in Österreich zu erhöhen, in der diese Bundesregierung bei der so dringend notwendigen Steuerreform für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen nichts weiterbringt.

Meine Damen und Herren! Dieser Postenschacher legt Ihre Gesinnung offen: Es geht Ihnen um brutale Macht- und Personalpolitik und nicht um die Interessen der österreichischen Bevölkerung! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen.)

9.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer Stellungnahme zum Thema dieser Aktuellen Stunde gelangt nun der Herr Bundeskanzler zu Wort. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Dr. Cap  –: Josef, weißt du, was ein Paradoxon ist? – Ein fiebriger Kühlschrank!) Die Stellungnahme soll gleichfalls 10 Minuten nicht überschreiten. (Weitere Zwischenrufe.)

Herr Kollege Schweitzer, ich bitte darum, es mir nicht schwer zu machen, wenn ich bemüht bin, dem Herrn Bundeskanzler das Wort zu erteilen. (Abg. Mag. Schweitzer: Ich habe nur erklärt, was ein Paradoxon ist! – Abg. Wochesländer: Der Parnigoni hat auch keine Ruhe gegeben! – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! Es ging so ein Frösteln durch den Raum! – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Der Herr Bundeskanzler gelangt zum Wort. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

9.16

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich danke natürlich Alfred Gusenbauer für die Gelegenheit, über die Bemühungen der österreichischen Bundesregierung zu sprechen – einer rot-weiß-roten Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Herr Abgeordneter Gusenbauer, mit "Blau-Schwarz" müssen Sie aufpassen, das wäre nämlich Lagerdenken, und das ist nicht erwünscht, wie wir in diesen Tagen gehört haben. Passen Sie auf! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich nehme daher mit Freude die Gelegenheit wahr, Ihnen eine Stellungnahme dazu abzugeben, wie wir versuchen, Personalbesetzungen objektiv vorzunehmen. Ich denke, dass man das, was in diesen zweieinhalb Jahren versucht wurde, in seiner Gesamtheit sehen sollte.

Ich beginne mit einem der besonders wichtigen Bereiche, mit der öffentlichen Wirtschaft, der staatsnahen Wirtschaft. Sie wissen genau, dass wir den Aufsichtsrat der ÖIAG total entpolitisiert haben. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)  – Na, das Gelächter sollte Ihnen im Hals stecken bleiben, meine Damen und Herren von der Linken (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), denn einen Jürgen Hubbert von Daimler-Benz politisch zu punzieren, das kann wirklich nur Ihnen einfallen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist Ihrer eigentlich auch unwürdig, Herr Abgeordneter, einen Franz Rauch, einen Paul Achleitner, einen der international erfolgreichsten Österreicher im Banken- und Versicherungsgeschäft, in eine politische Mickymaus-Debatte hineinzuziehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Seien Sie bitte vorsichtig, denn es geht dabei um den Wirtschaftsstandort Österreich, und das, was hier gesagt wird, Herr Abgeordneter, wird in Hongkong, in New York und in London regis


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106. Sitzung / Seite 22

triert. Machen Sie den Wirtschaftsstandort Österreich und die ÖIAG nicht schlecht! Passen Sie da auf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Früher waren dort zwei ehemalige Minister an der Spitze (Abg. Heinzl: Du!), heute sind es die Herren Michaelis und Wieltsch. Sie haben mit einem fundierten Aufsichtsrat in wenigen Monaten die Reduktion der Schulden der ehemaligen verstaatlichten Industrie um zwei Drittel erreicht. (Abg. Parnigoni: Der Freundeskreis des Herrn ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie haben die Schulden angehäuft, die jetzt dank dieser Profis und Experten abgebaut sind. Ich denke, dass Österreich auf dieses Beispiel stolz und dafür dankbar sein kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch in den Tochterbetrieben gibt es Experten: Bei Böhler gibt es heute einen Raidl, bei der VOEST einen Struzl, bei der ÖMV einen Ruttenstorfer – gänzlich unbekannt? (Abg. Dr. Petrovic: Wo ist der Herr Gaugg?) Ist daran wirklich so viel zu kritisieren? (Abg. Parnigoni: Den haben Sie nicht verhindern können!)

Ich denke, Herr Abgeordneter Gusenbauer, das ist ein Musterbeispiel dafür, wie man die Wirtschaft aus den politischen Fängen herausführen kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nehmen Sie die Austrian Airlines als Beispiel. Welche Diskussionen hat es hier gegeben! Ich sage offen: Es ist ein tolles Unternehmen, und es hat mir weh getan, wie da herumgestritten wurde. Mit der Neubesetzung unter Vagn Soerensen kam es zu einem großartigen Turn-around, und nicht einmal Sie kommen auf die Idee, einen gebürtigen Dänen in die Nähe irgendeiner politischen Partei zu rücken. Gott sei Dank haben wir die Weichen hier so gestellt, dass es keinen parteipolitischen Einfluss gibt und eine objektive, nachvollziehbare Bewertung sichtbar ist.

Nehmen Sie das nächste Beispiel: den Hauptverband – der ist ja eines Ihrer Lieblingsbeispiele. Haben Sie völlig vergessen, dass Sie frühere Minister sofort nach deren Amtstätigkeit unter Nachsicht aller Dienstauflagen dorthin gebracht haben? Ist Ihr Gedächtnis wirklich so kurz? (Abg. Ing. Westenthaler: Zeitrechnung!)

Sind Kandlhofer, der Generaldirektor des Hauptverbandes, oder Ewald Wetscherek, der neubestellte Generaldirektor für die zusammengelegte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeitnehmer, der übrigens eine breite Mehrheit bekommen hat, wirklich Personen, die Sie kritisieren wollen? Trauen Sie sich! Stellen Sie sich her, Herr Abgeordneter, und kritisieren Sie diese qualifizierten Persönlichkeiten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter! Ich stehe nicht an, in aller Klarheit zu sagen, dass auch ein Abgeordneter zum Nationalrat, der sich bewährt hat und in einem objektiven Verfahren ausgesucht wird (ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen), genau die gleiche Chance wie ein verdienstvoller Gewerkschaftssekretär oder ein früherer sozialdemokratischer Minister verdient. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Einsparungen im Hauptverband, die Einsparungen bei den Krankenkassen werden durch dieses neue Management Dutzende Millionen Euro ausmachen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Bis jetzt kein einziger!) Das haben wir – und mit uns die Versicherten – vermisst, schmerzlich vermisst. Die Bereitschaft dazu hat früher – leider, sage ich – gefehlt. Doch das ist der große Unterschied: nicht die Farbe, sondern die Gesinnung in Richtung Reform! Das ist das Entscheidende, und darauf legen wir Wert! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das nächste Beispiel ist der ORF. Was haben Sie nicht alles kritisiert! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Ja, sicher! Doch da – wenn das so ist – frage ich: Warum hat dann der Stiftungsrat, der unabhängiger ist als jeder Aufsichtsrat (Zwischenrufe – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), als jedes Kuratorium des Österreichischen Rundfunks zuvor, in dem keine Politiker, keine Sekretäre von Ministern oder Parteisekretäre sitzen  – dazu ein schmerzhaftes Lachen des Herrn Cap, der drinnen war ... (Abg. Eder: Das ist Verhöhnen!) Nein, das ist kein


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Verhöhnen, das ist die Wahrheit, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Warum hätten sonst auch Ihre, die Ihnen nahe stehenden Kuratoren mit breiter Mehrheit dieses Personenpaket abgesichert? – Man kann doch stolz darauf sein, dass der Österreichische Rundfunk heute unabhängiger (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) argumentieren und agieren kann als zu Ihrer Zeit. Wir sind stolz darauf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Was den öffentlichen Dienst im engeren Sinne betrifft, haben wir tatsächlich gespart. Wir haben bisher 14 Sektionen, 58 Gruppen und 82 Abteilungen eingespart. Wir haben mit dem Sparen bei uns selbst, in der Zentralverwaltung begonnen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Frühpensionierungen!)

Ich sage Ihnen dazu noch etwas: Wenn Sie manches kritisieren, dann denken Sie immer daran, dass es ein großartiges Gesetz gibt, das – im Unterschied zu anderen Ländern – den Personalvertretungen in Österreich echte Mitsprachemöglichkeiten gibt. Jede einzelne Ausschreibung, jede einzelne Entscheidung in den Zentralverwaltungen ist natürlich von einer Kommission vorbereitet worden. (Abg. Bures: Geheimsitzungen von Herrn Minister Haupt!) Mir ist kein einziger Fall bekannt, Frau Abgeordnete, bei welchem nicht einer Empfehlung der Kommission gefolgt wurde. (Abg. Dr. Gusenbauer: Welche Kommission war beim Strohmeyer?) Auch das sollen die Damen und Herren, die vor den Fernsehschirmen sitzen, heute wissen: Es gibt ein Verfahren, wir haben uns daran gehalten, und die Ergebnisse sind in Ordnung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben unseren höchst erfolgreichen Innenminister kritisiert. Das verstehe ich, denn Jahr für Jahr verbessert sich das subjektive Sicherheitsgefühl der Österreicher (ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ), und das tut Ihnen weh, weil wir bezüglich der Sicherheit extrem verantwortungsbewusst sind. Wir kümmern uns um die Nöte und Sorgen der einfachen BürgerInnen Österreichs. Ich denke, dass es sehr wichtig ist, Ernst Strasser bei seinen Reformbemühungen den Rücken zu stärken. Ihre billige Polemik entlarvt sich von selbst! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen Folgendes: Ich bekenne mich zum öffentlichen Dienst, zu einem Berufsbeamtentum. Dieses bedeutet auf der einen Seite einen großen Vorteil für Österreich – das sind keine Privilegien –, nämlich dass es eine korruptionsfreie, unabhängige, dem politischen Druck entzogene Verwaltung gibt, und das ist etwas wert. Auf der anderen Seite steht aber auch eine erhöhte Verantwortung der Spitzenfunktionsträger in der öffentlichen Verwaltung. Ich denke, Ernst Strasser und wir alle, die Österreicherinnen und Österreicher, können erwarten, dass sich auch die Spitzenfunktionäre in der Exekutive dieser Reformambition nicht verschließen.

Wir wollen einen unabhängigen starken öffentlichen Dienst, möchten aber auch den Reformeifer einmahnen. Parteipolitische Agitation hat hier überhaupt nichts verloren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich sage das deswegen, weil General Strohmeyer vor relativ kurzer Zeit etwas wurde (Abg. Dietachmayr: Märchenstunde!)  – Sie kennen die Umstände, ich gehe nicht näher darauf ein. Ich sage: Ich erwarte, dass hier ohne parteipolitische Agitation vorgegangen wird. (Abg. Dietachmayr: Das glaubt Ihnen doch niemand!)

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Ist Ihr Gedächtnis wirklich so kurz, dass Sie gegen die Bundesregierung und gegen eine rot-weiß-rote Personalpolitik polemisieren? (Neuerliche ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Haben Sie wirklich vergessen, dass die SPÖ die Stirn hatte, eine mit der Personalvertretung ausverhandelte Botschafter-Liste deswegen 26 Wochen lang zu blockieren, weil sie einen anderen als den jetzigen höchstqualifizierten, unabhängigen, parteipolitisch nicht engagierten Botschafter Woschnak an der österreichischen Vertretung in Brüssel haben wollte? Haben Sie das wirklich vergessen? Dann schämen Sie sich wenigstens im Nachhinein ein bisschen für diese damalige Handhabe! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Von wegen Ge- oder Missbrauch öffentlicher Institutionen: Was sagen Sie dazu, dass etwa Susanne Brandsteidl, die neue Chefin des Wiener Stadtschulrates, wörtlich erklärt hat, sie möchte die Wiener Schulbehörde, wenn sie ein Parlamentsmandat bekommt, als Headquarter der SPÖ-Bildungspolitik verwenden? (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das verstehe ich nicht unter objektiver Arbeit. Jeder soll seine Gesinnung haben – keine Frage! –, aber wir brauchen den Stadtschulrat oder den Landesschulrat nicht als parteipolitische Kaderschmiede für irgendjemanden.

Seien Sie daher nicht einäugig! Suchen Sie wenigstens auch die Späne im eigenen Auge, Herr Abgeordneter Gusenbauer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Erfolgreiche Politik erfordert Dialog, aber auch, dass man zu notwendigen Entscheidungen steht und diese rechtfertigen kann. Wenn Sie die Arbeitsmarktsituation einmahnen, dann haben Sie völlig Recht. Wenn Sie danach fragen, was die Regierung gemacht hat (Abg. Eder: Gar nichts!) oder nicht gemacht hat, dann frage ich Sie: Warum haben Sie eigentlich gegen das Konjunkturbelebungsprogramm dieser rot-weiß-roten Regierung gestimmt? Dieses Programm schafft nämlich Wachstumsimpulse! (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Wir haben jetzt schon 5 000 Arbeitsplätze mehr als vor einem Jahr – und auf diesem Weg gehen wir weiter. Es ist ein rot-weiß-roter Weg! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen jetzt in die Debatte ein. (Abg. Gaugg schüttelt – an der Regierungsbank stehend – Bundeskanzler Dr. Schüssel die Hand. – Oh-Rufe bei der SPÖ.) In der Debatte darf kein Redner länger als 5 Minuten sprechen. Wir werden diese Debatte so führen, dass die Fernsehzuschauer auch mit dem österreichischen Nationalrat Freude haben werden. (Abg. Mag. Schweitzer: Zwei Wortmeldungen und 4 : 0!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Cap –: Wie ist das mit dem "Kühlschrank"? Welche Marke?)

9.28

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Wir alle haben gesehen, wie sich Abgeordneter Gaugg beim Herrn Bundeskanzler bedankt hat. Der Herr Bundeskanzler hat ihn ja auch eifrig verteidigt. Es freut mich, dass der Teilzeitabgeordnete Gaugg hier sein kann. (Abg. Wochesländer: Wo sind denn Ihre Leute?) Theoretisch müsste er ja zu diesem Zeitpunkt in einem Hinterzimmer für die drei Prüfungen lernen, damit er überhaupt die Minimalqualifikationen für den Superposten mit Dienstwagen, mit 200 000 € im Jahr, den er in einer knappen Abstimmung mit einer Schmähausschreibung ergattert hat, aufweist. Dazu kommt, dass ihm der Herr Bundeskanzler hier im Plenum auch noch die Stange hält. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wie hat der ehemalige Arbeitgeber der Bank für Kärnten und Steiermark über den Abgeordneten Gaugg so schön gesagt? – Das sei ein Mitarbeiter, der sein Butterbrot von beiden Seiten beschmieren will, sagte er. Er sei für die Bank untragbar. Außerdem habe Gaugg den Ruf der Bank geschädigt. Man habe mit ihm schlechte Erfahrungen gemacht. Man wolle ihn weghaben, das sei das Wichtigste für die Bank. Das ist eine "super" Voraussetzung des Abgeordneten Gaugg für die Bewerbung! Das ist eine blaue, eine parteipolitische Besetzung! Sie wollen in der Pensionsversicherungsanstalt für Arbeitnehmer einen Agenten sitzen haben (Abg. Dr. Khol: "Agenten"? – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident, was heißt "Agenten"?), der Ihnen die Informationen zuträgt. Herr Gaugg, der nicht qualifiziert ist, will dort Pfründe und Privilegien realisieren. Das ist das, was die FPÖ will, und der Bundeskanzler unterstützt das! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Schauen wir uns doch an, was da passiert! "Chance 55": flächendeckende Frühpensionierungsaktion für Spitzenbeamte, damit man die Posten mit Parteigängern und blau-schwarzen Freunderln besetzen kann. Das ist die Wahrheit! Rot-weiß-rot – das ist ein Schwindeletikett! Das ist


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blau-schwarz, meistens schwarz (Abg. Mag. Schweitzer: Wo?), weil ihr zuwenig dazu einbringen könnt; aber es ist immer noch genügend blau, das reicht auch.

Zur ÖIAG, zu den staatsnahen Betrieben: Um 200 Millionen oder 300 Millionen Schilling sind dort höchstqualifizierte Spitzenkräfte verjagt worden, damit man die Prinzhorn-Freunde, die Schüssel-Freunde unterbringen kann, damit man das blau-schwarz einfärben kann.

Sozialversicherung: Es gibt ein eigenes Gesetz, damit Herr Frad dort sitzen kann, dem die Finanzierung von – wahrscheinlich – Sektrunden bei fünf Bällen schon so teuer gekommen ist, dass er gesagt hat, er müsse mehr Gehalt bekommen. Die Wahrheit ist, Ihre so genannten Reformen – neues Regieren ist das schon gar nicht – führen dazu, dass es so teuer wie noch nie ist, weil überall Pfründner aus der blau-schwarzen Ecke Platz nehmen und diese Republik so behandeln, als ob sie das Privateigentum der beiden Regierungsparteien wäre. Das ist die Wahrheit, so schaut es aus! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zum Thema "unabhängig": Mir fehlt die Zeit, um hier aufzuarbeiten, was sich im Stiftungsrat bei der Wahl der neuen Generaldirektoren abgespielt hat, welcher Druck da ausgeübt wurde. ÖVP-Minister haben sogar mit Rücktritt gegenüber einzelnen Stiftungsräten aus Bundesländern, die unsicher waren, gedroht. Das war der Einsatz damals. Natürlich wird von Ihrer Seite, Herr Bundeskanzler, versucht, den ORF als Wahlkampfmaschinerie für Ihren persönlichen Wahlkampf zu missbrauchen. (Abg. Dr. Trinkl: Das sagt gerade Cap!) Das ist das, was Sie vorhaben, und das muss man in aller Deutlichkeit den Österreicherinnen und Österreichern sagen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn es Auseinandersetzungen in der alten Koalition gegeben hat, dann waren das immer Auseinandersetzungen – das ist schon richtig –, bei denen es um Personalbesetzungen gegangen ist. In erster Linie heißt es für die ÖVP – das sage ich in Richtung Freiheitliche, die das jetzt erleben – und ihre Regierungsbeteiligten: Posten zu besetzen, ÖAABler auf Posten zu bringen, Landwirtschafts-ÖVPler in Positionen zu bringen. Das ist genau das, was sie auf Kosten der Steuerzahler und der Beitrittszahler macht! (Abg. Schwarzenberger: Wo? Wo?) Das muss man den Österreicherinnen und Österreichern sagen!

Eine letzte Bemerkung zu Innenminister Strasser: Es ist unfassbar, was sich da abspielt. Das ist eine Massensäuberung von Andersdenkenden, ein Vorgehen gegen einen Gendarmeriegeneral, der sich für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher verantwortlich fühlt und das kritisch aufzeigt. Aber das wird weggewischt. Der Innenminister will keine Kritiker. Er will keine Andersdenkenden, er will keinen Pluralismus. Am liebsten wäre ihm, dass das Innenministerium aus blauen Leibeigenen besteht. Das ist das, was Sie vorhaben!

Sie lächeln immer, Herr Bundeskanzler! Ich sage Ihnen etwas: Heute hat Herr Innenminister Strasser Oskar Strohmeyer ausgewechselt. Gestern hat er den Stapo-Chef ausgewechselt, und morgen wird er Sie auswechseln, Herr Bundeskanzler! Dann wird Ihnen das Lachen vergehen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

9.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. Die Redezeit beträgt ebenfalls 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Parnigoni: Groß ruck! Groß ruck!)

9.34

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bedanke mich sehr herzlich bei Ihnen, Herr Gusenbauer, und bei Ihren Kollegen für das Thema der Aktuellen Stunde, denn Sie müssen wissen, dass jede Frage an unseren Bundeskanzler ein aufgelegter "Elfer" für ihn ist, den er Ihnen ins Tor schießt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Er hat das mit seiner Darstellung wieder bewiesen. Sie müssen nämlich wissen, dass der Bundeskanzler nicht nur ein ganz hervorragender Chef der Bundesregierung ist, sondern auch ein


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guter Fußballspieler und dass er jeden Elfer, den Sie ihm auflegen, in ein Tor verwandelt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aber diese Gelegenheit auch dafür nützen – ich bedanke mich noch einmal für dieses Thema –, manche Dinge richtig zu stellen, die verzerrt und bewusst falsch dargestellt wurden und die unreflektiert und parteipolitisch eingefärbt von Seiten der Opposition gekommen sind. Ich lade die Opposition, vor allem die SPÖ, ein: Folgen Sie kurz einigen meiner Gedankenmodelle!; ich habe es nicht kompliziert gemacht.

Sie geben mir sicher Recht, wenn ich behaupte und feststelle, dass sowohl in einer Privatfirma als auch in einem Ministerium Fehler passieren können – so weit geben Sie mir sicher Recht. Sie geben mir sicher auch Recht, wenn ich behaupte, dass nicht alles wie am Schnürchen laufen kann. Sie werden mir wahrscheinlich auch Recht geben, wenn ich sage, dass ein Firmenchef die Verantwortung dafür hat, wenn etwas nicht so läuft, wie es soll, wenn Fehler passieren. Er sollte diese Fehler abstellen. Dasselbe, meine Damen und Herren, gilt natürlich auch für ein Ministerium, für den Chef des Ministeriums, für den Minister.

Sie werden mir sicher Recht geben (Zwischenruf der Abg. Silhavy ), wenn ich behaupte, dass der Firmenchef diese Verantwortung wahrzunehmen hat. Dasselbe gilt auch für einen Minister. Sie werden mir auch Recht geben, meine Damen und Herren, wenn ich meine, dass dann, wenn ein Mitarbeiter, vor allem ein leitender Mitarbeiter in einem Privatunternehmen gegen die Unternehmensziele handelt, nicht das vollzieht, was die Unternehmensführung vorgibt, Konsequenzen zu ziehen sind. Das, meine Damen und Herren, gilt auch für ein Ministerium. Sie werden mir schließlich Recht geben, wenn ich sage, dass eine Firmenleitung alles daransetzen muss, um die Unternehmensziele zu erreichen, und das hat auch der Minister zu tun.

Gerade unser Sicherheitsminister, der für die Sicherheit in Österreich verantwortlich ist, hat darauf zu schauen, dass seine Spitzenbeamten die Maßnahmen, die Vorgaben, die das Parlament beschließt und von der Regierung kommen, mit vollziehen. Minister Strasser hat, meine Damen und Herren, diese Verantwortung in höchstem Maße wahrgenommen, indem er jenen Beamten, der 16 000 Gendarmeriebeamte angeschrieben und ihnen mitgeteilt hat (Zwischenruf des Abg. Edler ), dass er die Sicherheit Österreichs durch die Maßnahmen der Bundesregierung gefährdet sehe, dorthin versetzt hat, wo er hingehört, nämlich weg von einem verantwortungsvollen Posten, auf dem er die Politik und auch die Vorgaben des Ministers nachzuvollziehen hat, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Ach so? Aha!)

Der Minister hat verantwortungsvoll gehandelt, ja er hat so handeln müssen, meine Damen und Herren! (Abg. Parnigoni: Ostblock!) Bundeskanzler Dr. Schüssel hat auf die Verantwortung, auf die Pflichten der Beamten verwiesen. (Abg. Parnigoni: " Klasse" Methoden!) Herr Strohmeyer hat als leitender Beamter, als General im Innenministerium die Verpflichtung gehabt, die Schritte der Bundesregierung mitzutragen und mitzuverantworten.

Sowohl Herr Gusenbauer als auch Herr Cap beklagen die Qualifikation des Herrn Gaugg. Diesbezüglich darf ich Ihnen etwas auf die Sprünge helfen. Auch der von Ihnen so beklagte General Strohmeyer hat Nachsichten gebraucht, und zwar die Nachsicht vom Ernennungserfordernis der abgeschlossenen Hochschulbildung gemäß § 4 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Ah!) und hat dazu die Zustimmung des Finanzministeriums gebraucht. Schlögl und Edlinger haben durch Nachsichten ermöglicht, dass Strohmeyer General wurde und die Gendarmerie geleitet hat, meine Damen und Herren! (Rufe bei der ÖVP: Ah so!) Das ist die Wahrheit! (Abg. Dr. Khol: Günstling!) Auf der einen Seite sprechen Sie Abgeordnetem Gaugg die Qualifikation ab, auf der anderen Seite haben Sie Nachsichten am laufenden Band erteilt – er hat nämlich auch noch eine zweite gebraucht. Das war richtig zu stellen! Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie beklagen hier, dass Bundesminister Strasser das Richtige tut, nämlich ein rot-weiß-rotes Ministerium zu machen. Wenn Sie sich beklagen, meine Damen und Herren von der Opposition, dass es immer wieder Ihre Parteigänger erwischt, dann muss ich Ihnen sagen: Das ist im Innenministerium gar nicht anders möglich, denn in den letzten 30 Jahren sind dort nur Ihre Partei


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gänger aufgenommen worden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: So ist es!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Abgeordneter, den Schlusssatz!

Abgeordneter Wolfgang Großruck (fortsetzend): Ich sage meinen Schlusssatz und ende wie immer mit einem Vierzeiler:

Dunkelrot war 30 Jahre das Ministerium eingefärbt,

alle Posten, alle Ämter hat nur die SPÖ vererbt.

Seit der Wende vor zwei Jahren kommt alles in das richtige Lot,

Sicherheitsminister Strasser macht es wieder rot-weiß-rot. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

9.40

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Sozialminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! (Abg. Mag. Schweitzer: 5 : 0!) Die Aktuelle Stunde der SPÖ verläuft – ich möchte dazu ein Gedankenspiel machen – so ähnlich wie die Teilnahme der Franzosen bei der Fußball-WM: hochambitioniert angefangen und ohne Tor heimgefahren. So ähnlich geht es Ihnen heute bei der Aktuellen Stunde! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist schon peinlich, Herr Kollege Gusenbauer (Abg. Mag. Schweitzer: Gusenbauer dauerverletzt!), wenn Sie hier am Rednerpult gegen den Postenschacher und über die Personalprobleme vom Leder ziehen, obwohl doch Ihre Partei 30 Jahre lang ein ganz enges System des Postenschachers der roten Art und Weise in diesem Land aufgebaut hat, egal, ob in der ÖIAG, ob bei den ÖBB, ob in den staatsnahen Betrieben, in der AUA oder auf dem Flughafen. (Abg. Dr. Mertel: Blau-schwarzer Filz!) Es wurde schön besetzt nach Ihrem parteipolitischen Muster. Doch jetzt kritisieren Sie auf einmal, dass in der Pensionsversicherungsanstalt ein Freiheitlicher, der ein Qualifizierungsverfahren bestanden hat, der sich rechtmäßig beworben hat, der von einem unabhängigen Personalberatungsbüro ausgewählt worden ist (Abg. Bures: Das ist absurd!), stellvertretender Generaldirektor wird. Ich werde Ihnen erzählen, warum Sie das tun. Ihr Vertreter, der dort jahrelang mit einem Sondervertrag ohne Qualifikation gesessen ist, Herr Freitag, ist nicht mehr zum Zug gekommen, und deswegen rächen Sie sich jetzt am Herrn Gaugg. Das werden wir Ihnen vermasseln, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich werde Ihnen jetzt sagen, welchen Unsinn Sie hier verzapft haben. Herr Gusenbauer sagte hier am Rednerpult die Unwahrheit, indem er behauptete, Herr Gaugg verdiene 200 000 €. (Abg. Dr. Gusenbauer: Will! Will!) Hier ist der Lohnzettel des Herrn Gaugg für den Monat Juni. 2 069 € wird Herr Gaugg verdienen. Aber jetzt erzähle ich Ihnen, was Ihr Stellvertreter Freitag bisher verdient hat: 10 000 € hat er mittels Sondervertrag abkassiert. (He-Rufe bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.) Der sozialistische Stellvertreter hat mittels Sondervertrag 10 000 € abkassiert – plus 80 Prozent Pensionsbezug, plus Dienstwagen, plus Chauffeur, plus Sondervertrag. Das war Ihr privilegierter Herr Freitag.

Jetzt erzähle ich Ihnen gleich noch etwas: Gestern ist ein gewisser Herr Haas aufgetreten – Kollege Riepl, Herr Nürnberger, alle werde ihn kennen, er ist nämlich der Zentralsekretär der Metallergewerkschaft. Der Zentralsekretär der Metallergewerkschaft war gestern im Radio zu hören und hat die Bevölkerung im wahrsten Sinne des Wortes angelogen. Er hat dort gesagt, Herr Gaugg verdiene 200 000 € – das habe ich Ihnen schon mit dem Gehaltszettel widerlegt –, es werde alles aufgebläht, es gebe mehr Direktoren. In Wirklichkeit wissen wir, dass es laut Gesetz


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nach der Zusammenlegung nur mehr einen Direktor und nur mehr einen Stellvertreter gibt, das heißt, dass wir sechs Bereichsdirektoren einsparen.

Dieser Herr Haas – und jetzt hören Sie mir gut zu! – hat am 17. Mai 2002 im Hauptquartier der Metallergewerkschaft in der Plößlgasse ein Gespräch mit unserem Nationalratsabgeordnetem Graf geführt. (Zwischenruf der Abg. Bures.  – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung der Abg. Bures –: Zuhören!) Herr Haas hat ein Gespräch mit Herrn Graf geführt und diesem – das war vor der Wahl des Kollegen Gaugg – folgendes unanständiges und unmoralisches Angebot gemacht: Er hat ihm nämlich gesagt: Herr Kollege Graf! Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wenn Sie und Ihre Kollegen unseren sozialistischen Stellvertreter Freitag wieder wählen, dann garantiere ich Ihnen, dass wir Reinhart Gaugg zum Direktor unserer Landesdirektion Kärnten machen! Er kann verdienen, was er will, er bekommt alles, was er will, aber ihr müsst unseren roten Stellvertreter wählen! (He-Rufe bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist ein absoluter Skandal und ein unmoralisches Angebot, das wir sofort abgelehnt haben, weil wir bei Ihren Postenschachereien und Ihren Postenpackeleien nicht mitspielen! So ist die SPÖ, so denkt sie! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sage Ihnen daher Folgendes: Das, was Sie heute betreiben, ist ein reines Ablenkungsmanöver. Wir haben keine Personalprobleme, und wir machen keinen Postenschacher. Das einzige Personalproblem, das derzeit existiert, haben Sie in Ihrer Partei mit Ihrem Parteivorsitzenden, den Sie nicht anbringen – das ist die Wahrheit – und den Sie auch nicht schachern können, weil ihn niemand will – nicht einmal die eigene Partei.

Wie ist es denn mit dem "wandelnden Kühlschrank" Gusenbauer? – Ein Abgeordneter aus Ihrer Partei hat das gesagt.

Wie ist denn ein Parteivorsitzender "ohne Charisma"? – Ich zitiere da Helmut Zilk.

Wie ist es denn in einer Partei, in der Freundschaft nicht mehr zählt? – Abgeordneter Keppelmüller meinte dies.

Wie ist es denn, wenn der Parteivorsitzende gerade noch zu einem Parteisekretär qualifiziert ist, beim nächsten Mal nur im Team antreten darf – laut Burgstaller – und beim übernächsten Mal schon gar nicht – das sagt Herr Zilk –, weil dann Häupl antreten soll? (Abg. Bures: Herr Struwwelpeter!)

Herr Kollege Gusenbauer! Sie sind nicht nur ein "wandelnder Kühlschrank", wie das Kollege Leikam gesagt hat, sondern auch das, was Herr Zilk schon deutlich gemacht hat: Sie sind auch das politische Milchpackerl mit dem Ablaufdatum auf dem Rücken. Das haben Sie bereits, Herr Kollege Gusenbauer, mit dem laufen Sie bereits herum. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher haben Sie nicht das Recht, auf andere zu zeigen. Sie haben bezüglich Personalbesetzungen und Postenschacher der SPÖ sehr viel Butter auf dem Kopf! (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) Ich bin froh, dass heute die Sonne scheint, denn damit passt das Sprichwort: Wer so viel Butter wie Sie auf dem Kopf hat, Herr Kollege Gusenbauer, der soll nicht in die Sonne gehen! Heute scheint die Sonne, und Ihnen rinnt die Butter des Postenschachers schon über beide Ohren herunter. Sie werden daher in dieser Frage nicht glaubwürdig werden, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Herr Westenthaler! Sie sind ein Loser!)

9.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.46

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Es liegt mir fern, jede Postenbesetzung, die während der Zeit dieser Bundesregierung passiert ist, durchgeführt wurde, als Postenschacher oder Privilegienwirtschaft zu bezeichnen.


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Das ist sie sicher nicht! Der Herr Bundeskanzler hat mehrere Beispiele erwähnt, darunter Herrn Ruttenstorfer in der OMV. Ich sehe keinerlei Anlass, diese Besetzung zu kritisieren. (Abg. Böhacker: Wir auch nicht!) Er war schon ein guter Staatssekretär, er hat mir hervorragend gefallen, und er wird hoffentlich auch ein hervorragender Generaldirektor sein. Aber dass Ihnen gerade dieses Beispiel einfällt, Herr Bundeskanzler, das ist mir schon unangenehm aufgestoßen, weil für die Bestellung des Herrn Ruttenstorfer nicht Sie und auch nicht die Bundesregierung zuständig sind, sondern der Aufsichtsrat der OMV. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Da hat sich die Politik herauszuhalten und zurückzuhalten. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist Entpolitisierung!) Insofern ist es durchaus kein Verdienst dieser Bundesregierung, dass der Aufsichtsrat eines Unternehmens einen guten Generaldirektor bestellt.

Etwas völlig anderes ist die schwarz-weiß-schwarze Personalpolitik im Innenministerium, und dafür ist tatsächlich die Bundesregierung beziehungsweise der Innenminister zuständig. (Beifall bei den Grünen.)

Nicht ohne eine gewisse Amüsiertheit verfolge ich auch die Erinnerungen an gewisse personalpolitische Maßnahmen der SPÖ. Da wird schon etwas dran sein, es wird die eine oder andere Personalentscheidung (Abg. Kiss: Die eine oder andere!) zu der Zeit, als die SPÖ das Sagen gehabt hat, genauso zu kritisieren gewesen sein. Aber was soll das in dieser Debatte? – Nehmen Sie die Fehler der Personalpolitik der SPÖ von damals jetzt als Begründung und zum Anlass, die gleichen Fehler, wenn nicht schlimmere, zu begehen? (Abg. Ing. Westenthaler: Pflichtverteidiger der SPÖ!) – Das kann doch kein Argument für diese Art von Personalpolitik sein! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben mit keinem Wort zu einem Verfahren Stellung genommen, das ich auf folgende Art und Weise darstellen und karikieren werde, aber nur wenig karikieren. Es geht dabei um einen Betrieb mit über 6 000 Beschäftigten. Das ist kein Gemischtwarenladen, das ist kein Pimperlbetrieb, das ist ein Riesenbetrieb. Dieser Betrieb hat einen "Umsatz" – unter Anführungszeichen – in der Größenordnung von 15 bis 20 Milliarden € pro Jahr. – Ich weiß es jetzt nicht auswendig, sagen wir, es sind rund 17 Milliarden € pro Jahr. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: 12 habe ich gesagt!) – Es ist schon mehr, Herr Bundeskanzler, aber es ist egal, es sind weit über 10 Milliarden €, es ist also ein Riesenbetrieb. (Abg. Dr. Martin Graf: Das zweitgrößte Budget der Republik!) – Wenn Sie so wollen!

Wie werden die Spitzenpositionen in diesem Betrieb besetzt? – Da wird eine Ausschreibung gemacht – eine so genannte! In dieser Ausschreibung steht weder drinnen, was der zukünftige Generaldirektor-Stellvertreter genau machen soll, noch steht drinnen, wie diese Spitzenposition bezahlt werden soll, noch wird geregelt, ob es Unvereinbarkeiten gibt oder nicht. Das nennen Sie eine Ausschreibung für einen Betrieb mit über 6 000 Beschäftigten?! – Im Nachhinein wird erklärt, es soll geklärt werden, was dieser Generaldirektor-Stellvertreter – egal, ob er jetzt Gaugg heißt oder anders – machen soll und wie viel er verdienen soll. Kandidat Gaugg geht her und sagt, 5 000 € seien ihm zu wenig. Das verstehe ich! Für einen Riesenbetrieb dieser Art scheint mir das kein angemessenes Gehalt zu sein, und das wird nicht im Vorhinein festgelegt. Die Manager von Betrieben in einem derartigen Ausmaß und mit dieser Bedeutung für die Republik sollen gut, ihrer Verantwortung angemessen verdienen. Das gilt aber nicht nur für Herrn Gaugg, sondern alle sollen entsprechend honoriert werden.

Das ist ein derart stümperhaftes Verfahren für die Besetzung eines solch verantwortungsvollen – nehme ich einmal an – Dienstpostens in einem solchen Betrieb, dass es sich da keineswegs um einen Skandal Gaugg allein handelt. Es ist schon bemerkenswert genug, dass sich ein Arbeitnehmervertreter der FPÖ, der er einmal war, so nehme ich an, nicht geniert, Privilegienwirtschaft dieser Art pur zu betreiben. (Abg. Ing. Westenthaler: 2 069 €!)

Herr Westenthaler, Sie haben heute hier geschwindelt. (Abg. Ing. Westenthaler: 2 069 €!) Sie reden davon, was Herr Gaugg heute dort bekommt. Das ist gar nicht die Frage gewesen! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist sein Gehalt! – Abg. Mag. Schweitzer: Das ist die Realität!)


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Die Aussage war, dass die Forderung 200 000 € im Jahr ist. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie haben hier glatt die Unwahrheit gesagt. Die SPÖ hat nie behauptet, dass er heute 200 000 € verdient. (Abg. Mag. Schweitzer: Der "Kühlschrank" ...!) Nein! Dass er es haben will, das wurde behauptet, und das haben Sie nicht bestritten! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wer ist zuständig für ein derartiges Ausschreibungsverfahren? – Ist es Herr Gaugg? – Nein. (Abg. Böhacker: Schlusssatz!) Ist es der Herr Bundeskanzler? – Nein. (Abg. Ing. Westenthaler: Der "Kühlschrank"!) Es ist Sozialminister Haupt! Er ist oberste Aufsichtsbehörde.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz, der womöglich nicht vier Zeilen umfassen soll!

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): Ich werde hier kein Gedicht vortragen, Herr Präsident, keine Sorge!

Die oberste Aufsichtsbehörde ist das Sozialministerium. Sozialminister Haupt trägt die Verantwortung für dieses Schlamassel! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

9.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Haas-Rücktritt wird erklärt!)

9.51

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Die Vertreter auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Ihnen, Herr Westenthaler: Es ist falsch, Generaldirektor-Stellvertreter Freitag verdient nicht 10 000 €. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viel?) Ich bin gerne bereit, seinen Lohnzettel vorzulegen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viel bekommt er?)

Zu Herrn Haas – hören Sie zu! –: Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Herr Westenthaler! Hören Sie zu! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie trauen sich nicht!) Sie haben ihn bezichtigt, die 200 000 € seien gelogen. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Herr Westenthaler (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viel verdient er?): Klagen Sie Herrn Zentralsekretär Haas, dass die 200 000 € nicht stimmen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist er nicht wert!) Ich mache Sie darauf aufmerksam, kollegialerweise! Er wird den Wahrheitsbeweis antreten, und Sie werden mit der Klage genauso ausrutschen wie damals, als Sie die Vorsitzenden der Gewerkschaften geklagt haben, als Sie mich persönlich geklagt haben, dass ich Zahlungen bar auf die Hand bekommen hätte. Dann sind Sie auf dem Boden kriechend dahergekommen mit der Bitte, dass wir uns mit einer Ehrenerklärung zufrieden geben sollen.

Ich lade Sie ein: Klagen Sie Herrn Haas! Er wird den Wahrheitsbeweis antreten. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber nun zu Ihnen, Herr Bundeskanzler: Wetscherek ist nie in Frage gestanden. Er ist beinahe mit Stimmeneinhelligkeit gewählt worden, und ich selbst habe immer gesagt, dass er ein anerkannter Fachmann ist.

Aber nun zu Herrn Gaugg: Auch diesbezüglich bin ich ganz wertfrei und solid und muss sagen – jetzt ist er nicht da, zumindest sehe ich ihn nicht –: Ich würde mir, wenn ich Gaugg wäre, all das nicht bieten lassen. Zuerst darf ich in Erinnerung rufen, dass er sich immer aufgeregt hat ... (Zwischenruf des Abg. Jung. )  – Ich habe mein ganzes Leben lang nie einen Posten angestrebt. Ich erinnere an Folgendes: Vor einigen Sitzungen hat er gesagt, all das stamme aus der "Prawda". (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viel bekommt Freitag?) Nun gibt es Pressemeldungen von Herrn Gaugg, meine sehr geehrten Damen und Herren – ich zitiere –:

Gaugg: Verschwörungen, weil erstmals ein Blauer in die Sozialversicherung kommt.


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Weiteres Zitat: Über einen Doppelmörder wird weniger berichtet als über jemanden, der eine Ausschreibung gewinnt, schnaubt er.

Nun gut, das stimmt. Jetzt frage ich Sie, Herr Gaugg: Was haben Sie gewonnen, was haben Sie bewiesen? Haben Sie einen Test gemacht, haben Sie eine Prüfung gemacht? – Nichts. (Abg. Ing. Westenthaler: Jenewein!) Es gibt ein Protokoll über eine Packelei, und mit einer knappen Stimmenmehrheit hat er gewonnen.

Jetzt mache ich Herrn Abgeordneten Gaugg folgendes faire Angebot, zu dem ich auch stehe, wenn er das, wozu ich ihn danach auffordere, erfüllt: Ich stelle mich bei der nächstbesten Gelegenheit hier her, entschuldige mich bei ihm und leiste Abbitte. – Jetzt kommt meine Aufforderung: Wenn er qualifiziert ist, wenn er eine Ausschreibung gewonnen hat, dann soll er nächste Woche die B-Prüfung machen, soll sie bestehen, und dann bin ich bereit, mich zu entschuldigen, aber er soll nicht drei Jahre dafür lernen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind nicht der Oberlehrer, der das bestimmt! Sie bestimmen das nicht!)

Aber wissen Sie, Herr Abgeordneter Westenthaler (Abg. Ing. Westenthaler: Sie bestimmen das nicht!), die Gefahr, dass ich mich entschuldigen muss, ist äußerst gering (Abg. Ing. Westenthaler: Sie nicht!), weil Herr Gaugg nicht einmal in der Lage ist, sein Büro in der Pensionsversicherungsanstalt zu finden. Dass er dieses nicht gefunden hat, sehe ich noch ein, weil das ein großes Gebäude ist, aber dass er drei Kilometer Luftlinie entfernt in ein falsches Gebäude gegangen ist, das verstehe ich nicht. Der jüngste Lehrling in Österreich, der im September seinen Lehrplatz antritt, weiß, wo er sich melden muss, wo er "Guten Tag!" sagen muss, aber Herr Gaugg findet nicht einmal sein Büro, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Der letzte Abkassierer!)

Eine weitere Frage: Laut Gaugg wird derzeit noch über sein Leistungspaket verhandelt. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Vater der Koalition!) Was ist ein Leistungspaket? – In der Sozialversicherung, meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es Tausende von Beschäftigten, dort sind das Gehalt und das so genannte Leistungspaket klar und deutlich geregelt. Dort gibt es einen Kollektivvertrag, ein Dienstrecht und eine Dienstordnung. Laut Dienstordnung kann Herr Gaugg 5 087 € oder mit Sondervertrag 6 153 € verdienen. Da teile ich die Auffassung des Herrn Klubobmannes Van der Bellen, dass dieser Betrag für eine solche Leistung sicherlich zu wenig ist. (Abg. Mag. Schweitzer: Was verdienen Sie eigentlich?) Daher kann man ihm einen Sondervertrag geben; das steht auch in der Zeitung, das ist alles klar. (Abg. Mag. Schweitzer: Was verdienen Sie eigentlich?) Aber Voraussetzung für diesen Sondervertrag ist, dass er die B-Prüfung macht. Wir werden sehr genau aufpassen, dass ihm diese nicht erlassen wird. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie verdienen mehr als ein Generaldirektor!)

Noch einmal zu Ihnen, Herr Westenthaler: Sie haben gesagt, es sei wie bei Frankreich 0  : 0. Ich lese Ihnen etwas vor. (Abg. Ing. Westenthaler: Das habe ich nicht gesagt!) Im heutigen "Kurier" – da werden Sie sagen, der stehe uns nicht nahe – steht:

"Im Ärmel" – "Nein, es wird nicht buchstabiert. Obwohl es natürlich verlockend wäre: G ierig, A bkassieren, U nverschämt, G eldgeil ..." – Das steht für Gaugg!

"Überflüssig. Es ist längst klar, was da läuft und für wie dumm wir verkauft werden sollen: ..."

(Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind der letzte Abkassierer!) Das ist ein 11 : 0 gegen Sie, Herr Westenthaler! Die Menschen werden Ihnen die Antwort geben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

9.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Haupt. In diesem Fall ist die Redezeit ebenfalls mit 5 Minuten begrenzt. – Bitte, Herr Minister.

9.57

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist dies, so glaube ich, auch für mich die Gelegen


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heit, vor der interessierten Öffentlichkeit einige Punkte in Bezug auf die Postenbesetzung, insbesondere in jenen Bereichen, in denen mein Haus Aufsichtsbehörde und nicht Dienstgeber ist, klarzustellen.

Herr Professor Van der Bellen! Sie haben gemeint, ich wäre der Höchstzuständige. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass der Höchstzuständige für die Verträge der Überleitungsausschuss als Dienstgeber ist und dass die dortigen Einrichtungen die entsprechenden Verträge machen. Ich darf Sie weiters darauf aufmerksam machen, Herr Kollege Van der Bellen, dass es Ihnen genauso wie mir bekannt ist, dass das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen die Aufsichtsbehörde ist.

Ich habe zu überprüfen, ob es im Bereich der Gesetzmäßigkeit ordnungsgemäß zugegangen ist. Ich habe nicht zu überprüfen, wie und in welchem Tempo dort etwas erledigt wird – noch dazu nicht im untergeordneten Bereich. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, sehr geehrte Damen und Herren, dass der Posten ausgeschrieben worden ist, dass der Überleitungsausschuss, das Präsidium des Überleitungsausschusses, Kollege Haas – Kollege Haas ist meines Wissens, Kollege Nürnberger, ein Angehöriger der Arbeitnehmer, die der Sozialdemokratie nahe stehen – und seine beiden Stellvertreter das Büro Jenewein ausgewählt haben.

Das Büro Jenewein hat aus jenen, die sich beworben haben, eine Vorauswahl getätigt. Aus dieser Vorauswahl sind zwei Kandidaten für den Posten des Generaldirektors und die nunmehr strittigen Kandidaten Freitag und Gaugg für die Position des Stellvertreters hervorgegangen. (Abg. Nürnberger: ... Das Protokoll bestätigt das nicht!) Wenn Sie mitgezählt haben, dann wissen Sie, dass davon der überwiegende Anteil aus den beiden Häusern beziehungsweise aus den Sozialversicherungsträgern kommt und bei den Ärzten und auch bei den Leitenden und leitenden Stellvertretern Kandidaten von außerhalb des Hauses gekommen sind.

Ich darf Sie weiters darauf aufmerksam machen, Herr Kollege Nürnberger – damit Sie das auch wissen –, dass die von Ihnen zitierte Dienstordnung den Arbeitnehmern gleichermaßen einräumt, innerhalb von drei Jahren die B-Prüfung nachmachen zu können und nicht innerhalb eines Tages. (Abg. Nürnberger: Das soll er machen! Ich habe nichts dagegen!) Ich darf Sie weiters darauf aufmerksam machen (Abg. Bures: Waren Sie bei der Geheimsitzung, Herr Minister?), dass auch der jetzige Obmannstellvertreter der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten seit 1990 in dieser Position ist und bis dato die von Ihnen erwähnte Dienstprüfung nicht hat. Ich sage das auch in aller Klarheit dazu. (Rufe bei den Freiheitlichen: Ah so!)

Es ist das – das sage ich auch dazu – eine Möglichkeit, die jemandem auf Antrag eingeräumt werden kann. Ich möchte aber, dass die Dinge in der Öffentlichkeit fair bewertet werden, wenn die Dienstprüfung und das Vorhandensein der Dienstprüfung zu Kriterien der Qualifikation hochstilisiert werden. (Abg. Bures: Waren Sie bei der Geheimsitzung, Herr Minister?)

Ich darf also wiederholen: Es war ein unabhängiges Personalberatungsbüro, nicht vom Ministerium, sondern vom Überleitungsausschuss eingesetzt, von drei Personen, die sicherlich mit der Fraktion des Kollegen Gaugg nichts zu tun haben. Nach der Vorauswahl ist Kollege Gaugg so wie Kollege Freitag zur Wahl vorgeschlagen worden und hat die Wahl mit einer Stimme Mehrheit dort für sich entscheiden können.

Ich darf des Weiteren hinzufügen, dass es für mich – das habe ich auch im Bundesrat gesagt – ein riesiges Problem ist, dass entsprechend der von Ihnen zitierten Dienstordnung jemand, der von den Gremien abgewählt ist, nach wie vor, obwohl er diese Tätigkeit nicht mehr bekleidet, das gleiche Gehalt bekommt wie vorher für die verantwortungsvolle Tätigkeit im Bereich eines der größten Dienstgeber dieser Republik. (Abg. Bures: Geheimsitzung!)

20 Milliarden € Umsatz, sehr geehrte Damen und Herren, nahezu sämtliche Pensionisten in die-sem Bereich, mehrere Milliarden Umsatzvolumen pro Monat. Ich glaube daher, dass jetzt nicht die Zeit ist, hier parteipolitisches Hickhack zu betreiben und die Pensionisten und Pensionistinnen, die Öffentlichkeit zu verunsichern, sondern dass es endlich an der Zeit wäre, Arbeiten zu beginnen, zu vollbringen und in entsprechender Form umzusetzen.


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Einsparungspotentiale: Wir haben derzeit zwei Anstalten, zwei Generaldirektoren, zwei Generaldirektor-Stellvertreter. In Zukunft werden wir einen Generaldirektor und einen Generaldirektor-Stellvertreter haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben zwei Bereiche mit sechs Direktionen. Diese werden zusammengelegt: Aus zwölf Direktionen werden insgesamt sechs Direktionen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, allein mit diesen Zahlen ist nachzuweisen, dass die Bundesregierung im Bereich der PVA um Einsparungen bemüht ist und vor der Wahl die Qualifikationen nicht von der Bundesregierung, sondern von Unabhängigen festgestellt wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte.

10.02

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Nürnberger, ich habe eine große Bitte: Sparen wir uns das Hickhack auf diese Art und Weise, wie Sie es zu machen bereit sind. (Abg. Nürnberger: Sparen Sie sich Protokolle und Geheimsitzungen!) – Herr Kollege Nürnberger! Es glaubt Ihnen niemand, es glaubt Ihnen weder der Fernsehzuseher noch jemand hier im Hause, Sie verlieren das Spiel, weil die SPÖ in dieser Frage überhaupt nicht glaubwürdig ist. (Abg. Nürnberger: Stimmt es, oder stimmt es nicht? Ja oder nein? Ja oder nein?!) Stehen Sie dazu, dass wir gute Leistungen haben wollen, die wir gut bezahlen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Kollege Nürnberger! Herr Kollege Gaugg ist durchaus jemand, der als Qualifizierter in Frage kommt und seine Leistung erbringen wird – so wie viele SPÖ-Gewerkschafter in diesen Funktionen. Lassen Sie sich das sagen, Herr Kollege Nürnberger! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Nürnberger. )

Ich wäre dankbar dafür, meine Damen und Herren, wenn wir uns zu folgendem Grundsatz durchringen könnten: Es sind Reformen in allen Belangen notwendig. Herr Kollege Cap! Herr Kollege Gusenbauer! Auch davor werden Sie sich nicht verschließen können! Sie sprechen aber einen Bereich wie die Exekutive an, von dem ich selbst weiß, wie es dort zugeht, in dem 30 Jahre hindurch nicht einmal eine Reform durchgeführt wurde – nicht eine Reform! Herr Kollege Gusenbauer! Natürlich tut es weh, zu reformieren, natürlich ist es nicht einfach, zu reformieren. Da stellt sich ein Minister Strasser hin und sagt: Jawohl, ich will im Interesse der öffentlichen Sicherheit Reformen durchziehen! Reformen, die ein Minister Blecha, ein Minister Löschnak, ein Minister Einem, ein Minister Schlögl nicht durchgeführt haben, Herr Kollege!

Herr Kollege Nürnberger hat von Nachsichten gesprochen: Ich habe geglaubt, Sie reden von General Strohmeyer. Er hat nämlich zwei Nachsichten sozusagen in Empfang nehmen dürfen, als er sehr überraschend im Jahre 1999, kurz vor der Ablöse des Herrn Schlögl, zum General avanciert ist. Herr Kollege Nürnberger! Reden wir einmal darüber, und reden wir darüber, wie notwendig die Reformen bei der Exekutive sind!

Da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Kollege Van der Bellen, wenn Sie sagen: aus Fehlern lernen. Jetzt sage ich Ihnen, wo Fehler passiert sind: Die SPÖ hat in ihrer 30-jährigen Ministerschaft im Innenressort zuerst über Personen nachgedacht und dann über Strukturen. Minister Strasser macht das ganz anders, Herr Kollege Van der Bellen: Wir denken zuerst über Strukturen nach und werden dann die besten Personen für diese Strukturen finden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Die "Struktur" heißt ÖVP! Das ist Ihre Struktur!)

Herr Kollege, ich sage Ihnen etwas: Wissen Sie, wie die österreichische Exekutive bis vor kurzem organisiert war? – Sie war wie die chinesische Post organisiert. Eine Anzeige musste bis zu sieben Unterschriften tragen – das war das Werk der SPÖ-Minister! Dass ein Urlaubsschein


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für einen Sonderurlaub sieben Unterschriften tragen musste, meine Damen und Herren, war der Zustand in der österreichischen Exekutive. Oder: Für die Installierung einer weiteren Drogengruppe an einem Standort Österreichs brauchten wir über ein halbes Jahr – so hat das Sicherheitsmanagement ausgesehen. Die Bürger wollten es, es wurde von der Öffentlichkeit gefordert, alle wollten es – das Sicherheitsmanagement in Graz war nicht dazu im Stande, obwohl das Personal dafür da war.

Meine Damen und Herren! Damit müssen wir Schluss machen, und Minister Strasser ist der beste Garant dafür! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Noch eines: Das Haus war ruhig, als es darum ging, an der untersten Ebene zu reformieren, zu sparen, die notwendigen Reformen durchzuführen. Jetzt, wo es darum geht, dass man genau die gleichen Reformen in der Zentralstelle durchführt, wo es darum geht, dass in der Gruppe A, in der Gruppe B und in der Sektion I Parallelitäten und gleiche Strukturen bestehen, schreit man plötzlich auf, jetzt hört man plötzlich die SPÖ ganz laut schreien.

Soll ich Ihnen sagen, wieso Sie schreien? – Das ist ganz leicht erklärbar: 14 Landesgendarmeriekommandanten sind nach 30 Jahren SPÖ-Regierungszeit von der SPÖ; es sind 14 Polizeidirektoren von der SPÖ; es sind 14 Zentralinspektoren von der SPÖ; es sind 14 Kriminalinspektoren von der SPÖ. Meine Damen und Herren! Das, was da gespielt wurde, war für mich staatspolitisch gefährlich. Das Spiel war sehr gefährlich. Ich denke, es ist höchste Zeit, damit Schluss zu machen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin sehr dankbar dafür, dass es unter dieser Bundesregierung gelingt, notwendige Reformen einzuleiten. Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass es gelingt, sie auch umzusetzen, denn von Reformen hat man unter der SPÖ-Ministerschaft oft gehört, aber sie wurden nie umgesetzt.

Ich kann mich daran erinnern, Herr Minister Einem, dass Sie einmal einen Sparerlass herausgegeben haben, 20 Prozent an Überstunden einzusparen. Vielleicht können Sie sich an diese Geschichte erinnern. Es wurde nie evaluiert. (Abg. Marizzi: Jetzt werden 100 Prozent eingespart!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Werner Miedl (fortsetzend): Wir wissen aber, dass dann ein Mehr an Überstunden herausgekommen ist, als es vorher der Fall war. Herr Minister Einem! Diese Reformen sind nicht unsere. Wir wollen es anders machen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Nürnberger hat das Plenum bereits fluchtartig verlassen! – Abg. Dr. Khol: Er holt den Gehaltszettel! – Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.08

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Es dürfte kein Zufall sein, dass ÖGB-Vizepräsident Nürnberger nach seiner schwachen Rede den Saal verlassen hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt kommt er wieder!) – Es freut mich, dass er wieder kommt.

Es ist schon paradox, wenn sich ein Gagenkaiser dieser Republik (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP), wie es ÖGB-Vizepräsident Nürnberger mit einem Bezug in der Höhe von 188 691 S pro Monat ist (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), über Postenschacher aufregt, obwohl in seiner Fraktion eine Frau Csörgits sitzt, die das, was Kollege Gaugg für seine Arbeit in der Pensionsversicherungsanstalt insgesamt im Monat bekommt, als vernachlässigbare Größe bezeichnet. Kollege Nürnberger! Es ist schon paradox, wenn der Herr ÖGB-Präsident Verzetnitsch mit einer Gage in der Höhe von 194 696 S noch immer hier sitzt und Beifall klatscht, wenn hier von Postenschacher die Rede ist! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Machen Sie doch Ordnung in Ihren Reihen (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viel hat Elsner gekriegt?)  – bei Elsners und wie sie alle heißen, und vor allem, Herr Kollege Nürnberger, bei Ihrem persönlichen Freund Herrn Freitag! Dieser Herr Freitag, ein Ex-SPÖ-Landtagsabgeordneter, Ihr persönlicher Freund, ist seit zwölf Jahren mit einem Sondervertrag beschäftigt. (Ruf: Seit zwölf Jahren!) Sie haben Recht: Herr Freitag verdient nicht 10 000 €, nein, es sind 9 099 € plus Dienstalterszulage – mit Sondervertrag! (Abg. Nürnberger: Wieder falsch!) Herr Kollege Nürnberger! Zwölf Jahre Herr Freitag – hat er eine Dienstprüfung? Herr Kollege Nürnberger, hat Ihr Freund Freitag diese Dienstprüfung innerhalb dieser zwölf Jahre gemacht? (Abg. Nürnberger: Woher wissen Sie denn, ob das mein Freund ist?) – Bitte, geben Sie mir eine Antwort! (Rufe bei den Freiheitlichen: Ja oder nein? – Abg. Nürnberger: Das war damals nicht notwendig!) – Nein!

Zwölf Jahre lang hat er Zeit gehabt – keine Dienstprüfung. Herr Kollege Nürnberger! Zwölf Jahre keine Dienstprüfung! (Abg. Ing. Westenthaler: Abkassierer! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Dieser Herr Freitag ist nach Auskunft des Personalberatungsbüros im Vergleich zu Kollegen Gaugg auch schlecht qualifiziert, verdient aber fünf Mal so viel. – Das zum Postenschacher, Herr Kollege Gusenbauer, den Sie heute hier als Thema der Aktuellen Stunde eingebracht haben! Sie haben genug zu tun.

Höhepunkt des sozialdemokratischen Postenschachers im rot-schwarzen österreichischen System war die Versorgung des Ex-Ministers Rudolf Scholten. Darf ich Sie daran erinnern, womit das geendet hat, Herr Kollege Gusenbauer? (Abg. Ing. Westenthaler: Edlinger!) Wissen Sie noch, womit das geendet hat, dass ein Brief hinterlassen wurde, der aufgezeigt hat, wie Sie in dieser Republik mit diesen vielen (der Redner hält eine Liste in die Höhe) rot-schwarzen Besetzungen "gefuhrwerkt" haben? – Ich kann sie nicht alle vorlesen, die Zeit reicht nicht aus, Kollege Gusenbauer! (Abg. Ing. Westenthaler: Postenschacher bis in den Tod!) Sie und Ihre Sozialdemokraten, Vranitzky, Klima, Verzetnitsch, Einem, und wie sie alle heißen, haben dabei die Finger im Spiel gehabt!

Schauen wir doch in die Bereiche Polizei und Gendarmerie! Wie schaut es denn dort aus? Warum wurde Herr Strohmeyer überhaupt bestellt, Herr Kollege Gusenbauer? Warum wurde Herr Schnabl überhaupt Polizei-General? Warum wurde Herr Stiedl überhaupt Wiener Polizeipräsident? Was war denn die Qualifikation bei all diesen Herren? – Sie waren Sozialdemokraten; genau so Sozialdemokraten wie all jene Herrschaften, die im Bundesministerium für Inneres von einem Herrn Löschnak, von einem Herrn Einem und von einem Herrn Schlögl eingestellt wurden: wie der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, wie alle Sektionschefs im Bundesministerium für Inneres, wie alle Gruppenleiter im Bundesministerium für Inneres, Herr Kollege Einem, wie alle 14 Polizeipräsidenten in den österreichischen Städten, in Wien, in Graz, in Villach und so weiter, wie alle Landesgendarmeriekommandanten. Sie alle sind Sozialisten, das war die Qualifikation. Das war bei den meisten die einzige Qualifikation: durch die Bank rot.

Wenn es jetzt rot-weiß-rot wird, dann haben die Sozialdemokraten ein Problem. Das zeigt schon, welche Gesinnung Sie wirklich haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Kollege Gusenbauer! Postenschacher hat es gegeben – Postenschacher gibt es nicht mehr! Verantwortlich dafür ist eine FPÖ in einer völlig neu denkenden Bundesregierung! Das hat Qualität, das bringt Zukunft für Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächster und letzter Redner der Aktuellen Stunde Herr Abgeordneter Dr. Pilz. 5 Minuten, Herr Abgeordneter. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ein Debakel! Letzter Debakelsprecher Pilz! – Abg. Dr. Khol: Pilz ist immer witzig!)

10.13

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was die Regierungsparteien heute überzeugend vorgestellt haben, findet sich unter dem Titel "neu re


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gieren". So habe ich mir "neu regieren" vorgestellt. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Rot-weiß-rot! Rot-weiß-rot!)

Herr Abgeordneter Khol! Damit kommen wir zum Hauptproblem dieser Bundesregierung: akute spontane kollektive Farbenblindheit. Das Innenministerium hat neue Farben, es hat drei neue Farben, wenn wir alle Postenbesetzungen durchgehen: erstens schwarz, zweitens schwarz und drittens tiefschwarz. Jetzt gibt es Abgeordnete (Abg. Ing. Westenthaler: Die schwarz angezogen sind!) und Minister, die erklären, dass schwarz rot ist und dass schwarz weiß ist, und das kollektiv!

Herr Bundeskanzler! Ich würde gerne an dieser Stelle den Herrn Innenminister fragen, was seine Beamten Führerscheinaspiranten raten würden, die nicht in der Lage sind, zwischen Farben zu unterscheiden. (Abg. Ing. Westenthaler: Warum ist Pilz heute tiefschwarz? – Abg. Dr. Pumberger: Er ist schwarz angezogen, weil er auf einen Posten hofft!) Die Farbenblindheit in diesem Ressort – ich gehe auf die ersten Details ein – ist nicht etwas, das wir nur unter Postenschacher abtun sollten. Es ist schlimm genug, wenn Sie hier heraus gehen und sagen: Weil Sozialdemokraten in den letzten Jahrzehnten ihre Ämter oft parteipolitisch missbraucht haben, deshalb ergebe sich für Politiker der neuen Koalitionsparteien quasi ein Naturrecht, jetzt ihrerseits ihre Positionen zu missbrauchen! (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben versprochen, mit Privilegien und Parteibuchwirtschaft Schluss zu machen, aber erklären Sie mir bitte, was Herr Gaugg jetzt vorhat. (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) In einem "Kurier"-Interview hat er erklärt, er wolle mit dem Postenschacher, mit dem Missbrauch und den bürokratischen Wucherungen in der Sozialversicherung Schluss machen. Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Brauchen Sie in Ihrem Kampf gegen Privilegien jetzt immer ein Nationalratsmandat plus einen Posten, der aus der Sozialversicherung finanziert wird, plus einen Dienstwagen, plus einen Chauffeur, um Privilegien bekämpfen zu können? Können Sie ohne Chauffeur und Dienstwagen keine Privilegien mehr bekämpfen? (Beifall bei den Grünen.)

Die andere Seite – das wurde heute bereits erwähnt – ist jene der ÖVP, wo es nicht um persönlichen Postenschacher und nicht um persönliche Bereicherung geht. Das Projekt im Innenministerium ist ein völlig anderes Projekt. Das Projekt im Innenministerium ist der Versuch, mit den Mitteln einer Partei die politische Macht in einem der sensibelsten Ressorts zu übernehmen. Ich schildere Ihnen jetzt kurz, wie das passiert.

Der heikelste Bereich des Innenministeriums ist mit Sicherheit die Staatspolizei. Der Innenminister selbst hat erst in der letzten Sitzung des Innenausschusses erklärt, dass es überhaupt keinen fachlichen und sachlichen Einwand gegen die Arbeit des letzten Leiters der Staatspolizei gibt. Trotzdem hat er etwas getan, das dem Chef der Staatspolizei klargemacht hat, dass er keine Überlebenschance im Ressort hat. Er hat ihm gesagt: Weil wir die Stapo nicht einfach so umbesetzen können und weil es gegen Sie keinen einzigen persönlichen oder sachlichen Vorwurf gibt, werde ich Folgendes tun: Ich werde einen neuen Titel für den Chef der Staatspolizei erfinden! – Er hat Dr. Heindl klargemacht, dass der Gruppenleiter zwar der Gruppenleiter bleibt, aber einen neuen Titel bekommt, nämlich "Direktor". Und nur weil der Titel geändert wird, muss die Funktion des Direktors neu ausgeschrieben und besetzt werden.

Jetzt stelle ich wieder eine einfache Frage: Ist der Beste genommen worden? (Ruf bei den Freiheitlichen: Ja!) Ist der Beste gesucht worden? Hat man tatsächlich geschaut, wer über die höchsten Qualifikationen für den sensibelsten Job im Innenministerium verfügt? – Der Einzige, über den man nachgedacht hat und den man jetzt auch bestellt hat, ist ein Experte des Heeres-Nachrichtenamtes, des militärischen Geheimdienstes – ohne staatspolizeiliche Erfahrung, ohne Erfahrung des Vollzugs der Strafprozessordnung im Bereich der politischen Kriminalität; jemand, der etwas völlig anderes gelernt hat, etwas, das letzten Endes mit der Arbeit der Staatspolizei unvereinbar ist, der ein völlig anderes Verhältnis zur Justiz hat, ein völlig anderes Verhältnis zur Polizei, der aus einer völlig anderen Sicherheitskultur kommt.

Jetzt haben wir einen Stapo-Chef, von dem wir nur eines wissen: dass er das richtige Parteibuch hat.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Jetzt, meine Damen und Herren, finden wir uns in einer Zeit wieder, die ich mit "Noricum" und "Lucona" für abgeschlossen geglaubt habe: Ein Minister reklamiert zum ersten Mal seit sehr langer Zeit die Staatspolizei als Eigentum und Instrument seiner eigenen Partei! Das, meine Damen und Herren (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), bedeutet viel mehr als Postenschacher, das ist eine Gefahr für Rechtsstaat und Demokratie! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich schließe damit die Aktuelle Stunde ab.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich auf die schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 3960/J bis 3984/J.

2. Anfragebeantwortungen: 3672/AB bis 3700/AB;

Ergänzung zur Anfragebeantwortung: Zu 3659/AB.

3. Volksbegehren:

Volksbegehren "Sozialstaat Österreich" (1161 der Beilagen).

4. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1137 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird (1143 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Veräußerung von beweglichem Bundesvermögen (1158 der Beilagen),

Bundesluftreinhaltegesetz (1159 der Beilagen),

Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002 (1160 der Beilagen),

Strafprozessreformgesetz (1165 der Beilagen),

Strafrechtsänderungsgesetz 2002 (1166 der Beilagen),

Zinsenrechts-Änderungsgesetz – ZinsRÄG (1167 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (1168 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird (1169 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997 (FrG-Novelle 2002) und das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2002) und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden (1172 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:


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Immunitätsausschuss:

Ersuchen des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien (12 U 251/02t) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Ridi Steibl wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 StGB,

Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (095 Hv 45/02m) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Karl Schweitzer wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 StGB;

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Bürgerinitiative Nr. 28 betreffend "Rechtzeitiger Beschluss des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes", eingebracht von der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek,

Bürgerinitiative Nr. 29 betreffend "einer verschuldensunabhängigen Entschädigungslösung für Patienten nach Behandlungsfehlern".

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Justizausschuss:

Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie (1125 der Beilagen);

Rechnungshofausschuss:

Nachtrag zum Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 2000 (Zu III-124 der Beilagen);

Umweltausschuss:

Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus (Protokoll "Tourismus") (1090 der Beilagen),

Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Berglandwirtschaft (Protokoll "Berglandwirtschaft") (1091 der Beilagen),

Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 über die Beilegung von Streitigkeiten (1092 der Beilagen),

Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Raumplanung und nachhaltige Entwicklung (Protokoll "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung") (1093 der Beilagen),

Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bergwald (Protokoll "Bergwald") (1094 der Beilagen),

Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr (Protokoll "Verkehr") (1095 der Beilagen),

Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz (Protokoll "Bodenschutz") (1096 der Beilagen),

Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege (Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege") (1097 der Beilagen),

Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie (Protokoll "Energie") (1098 der Beilagen),


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Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel samt Anlagen und Erklärung (1144 der Beilagen),

Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (POP) samt Anhängen und Erklärungen (1145 der Beilagen),

Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt samt Anlagen (1146 der Beilagen),

Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe samt Anlagen und Erklärung (1171 der Beilagen);

Verfassungsausschuss:

Fünfundzwanzigster Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2001) (III-152 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Umweltausschuss:

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Umweltförderungen des Bundes, 2001 sowie die Finanzvorschau über die dem Bund aus der Vollziehung des Umweltförderungsgesetzes erwachsenden Belastungen (III-155 der Beilagen),

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Evaluierung der Umweltförderung des Bundes für den Zeitraum 1.1.1999 – 31.12.2001 (III-156 der Beilagen);

Wirtschaftsausschuss:

Jahresbericht 2001 der Elektrizitäts-Control GmbH, vorgelegt vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (III-154 der Beilagen),

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft 2000/01 (III-158 der Beilagen);

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Bericht des Universitätenkuratoriums im Sinne des § 83 Abs. 3 des UOG 1993 über seine Tätigkeit im Kalenderjahr 2001, vorgelegt von der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (III-153 der Beilagen),

Forschungs- und Technologiebericht 2002, vorgelegt von der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (III-157 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters gebe ich bekannt, dass der Klub der Grünen das Verlangen gestellt hat, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 3985/J der Abgeordneten Öllinger und Kollegen an den Sozialminister betreffend Regieren neu –


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Postenschacher, Privilegien und Proporz in der Pensionsversicherung der Angestellten dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen, die Sie alle kennen, wird diese Dringliche Anfrage um 15 Uhr aufgerufen.

Fristerstreckungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters habe ich mitzuteilen, dass Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer beantragt hat, die dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 98/A der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Nationalratswahlordnung und andere Gesetze gesetzte Frist bis 30. Juni 2003 zu erstrecken.

Dieser Antrag wird am Schluss der Sitzung nach Beendigung der Verhandlungen zur Abstimmung gelangen.

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 GOG

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters liegt mir der Vorschlag vor, das Volksbegehren "Sozialstaat Österreich" in erste Lesung zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag zustimmen, das Volksbegehren in erste Lesung zu nehmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, das ist vom Hohen Haus einstimmig so beschlossen, und wir werden so vorgehen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir weiters der Vorschlag vor, über die Punkte 1 bis 3, 5 bis 7 sowie 8 bis 10 der heutigen Tagesordnung eine gemeinsame Debatte durchzuführen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Es liegen keine vor. Wir werden so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Wir haben Konsens über die Gestaltung und Dauer dieser Debatte wie folgt erzielt: Die Tagesblockzeit soll 8 "Wiener Stunden" betragen, das heißt: SPÖ 156 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 116 Minuten, Grüne 92 Minuten.

Wir haben für die Debatte zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 3 bis 12 Uhr folgende Redeordnung vereinbart: zunächst je ein Redner jeder Fraktion mit 10 Minuten Redezeit, danach allenfalls zwei Wortmeldungen von der Regierungsbank, maximal 10 Minuten, und die restliche Redezeit bis 12 Uhr wird dann vom Vorsitz führenden Präsidenten zu gleichen Teilen auf die vier Fraktionen aufgeteilt werden.

Ich gebe bekannt, dass ich bei dieser Debatte von der Pro-Kontra-Redeordnung abgehen und den Fraktionen der Reihe nach das Wort erteilen werde, wie das auch mit den vier Ordnern vereinbart ist, um diese Redeordnung durchführen zu können; wir haben nämlich nur eine Kontra-Fraktion und drei Pro-Fraktionen.

Um 12 Uhr wird die Debatte zwecks Abgabe einer Erklärung der Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten zum Thema Südtirol unterbrochen. Die Erklärung wird längstens 12 Minuten dauern, im Anschluss daran gibt es eine Debatte, eine Rederunde à 6 Minuten, ein Regierungsmitglied mit 6 Minuten, ein SPÖ-Mandatar 4 Minuten, je ein ÖVP- und FPÖ-Mandatar 3 Minuten, ein Grüner 4 Minuten.


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Weiters ist noch vereinbart: Wenn ein Regierungsmitglied die Redezeit überschreitet, wird das jener Fraktion abgezogen, der dieses Regierungsmitglied angehört.

Tatsächliche Berichtigungen werden, wenn welche verlangt werden, erst nach 13 Uhr zum Aufruf gelangen.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das jetzt so festgelegt.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1131 der Beilagen): Bundesgesetz über die betriebliche Mitarbeitervorsorge (Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz – BMVG) und mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das ORF-Gesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Journalistengesetz geändert werden, und

den Entschließungsantrag 20/A (E) der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abfertigung – sicher und gerecht und

den Entschließungsantrag 32/A (E) der Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abfertigung neu und

die Petition (34/PET) betreffend "Betriebsrat BMW Werk Steyr – Abfertigung NEU", überreicht vom Abgeordneten Ing. Kurt Gartlehner (1176 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiter (Parlamentsmitarbeitergesetz) geändert wird (1177 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1178 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 3 der Tagesordnung. Die Debatte wird unter einem durchgeführt.

Mündliche Berichterstattung wird keine erstattet. Daher gehen wir sogleich in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Verzetnitsch. Vereinbarte und daher einzuhaltende, weil beschlossene Redezeit ist 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Verzetnitsch begibt sich zum Rednerpult und stellt dort eine Tafel mit der Überschrift auf: "ÖGB – Wir haben uns für dich stark gemacht, EIN ERFOLG DES ÖGB, ABFERTIGUNG FÜR ALLE".)


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10.25

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Hohes Haus! Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Herren Minister! Ich bin froh darüber, dass bei dieser Materie keine Geheimsitzungen notwendig waren, um ein Ergebnis zu erzielen, sondern dass heute hier ein Akt abzuschließen sein wird, der über Jahre hinweg in der politischen Diskussion stand. Es sind dies die seltenen Momente im parlamentarischen Geschehen, die letztendlich alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unseres Landes, aber auch die Arbeitgeber positiv betreffen. Man hat von einer so genannten Win-Win-Situation gesprochen.

Für mich ist es die umfassendste Neuordnung seit rund 80 Jahren, die in diesem Zusammenhang zu erwähnen ist. Es ist mit dem heute zu beschließenden Gesetz endlich gelungen, die negativen Wirkungen des derzeit bestehenden Abfertigungsgesetzes der Vergangenheit angehören zu lassen.

Was sind diese negativen Wirkungen? – Dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor dem nächsten Sprung der Abfertigung gekündigt wurden, weil man den höheren Abfertigungsanspruch nicht zahlen wollte, dass unter dem Titel, es könnte ja auch eine Abfertigung fällig werden, Mobbing betrieben wurde, dass der Mobilitätscharakter nicht zum Tragen gekommen ist, weil es ... (Abg. Mag. Schweitzer: Wieso habt ihr das nicht gemacht? Bis 1999? Wieso nicht?)  – Zuhören, es wird auch darauf Bezug genommen. Fragen Sie einmal die Herren, die hinter mir sitzen, dann werden Sie die entsprechende Antwort bekommen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird auch mit all jenen Mobilitätshemmnissen zu Ende sein, die immer wieder in den Betrieben festzustellen sind – wenn man selbst kündigt, dann würde man die Abfertigung verlieren, und daher bleibt man auch.

Das Wesentlichste für uns Sozialdemokraten und Gewerkschafter ist aber, dass endlich Schluss ist mit den Unterschieden zwischen jenen, die vollzeitbeschäftigt sind, und jenen, die in Saison beschäftigt sind, die in kurzfristigen Maßnahmen sind. Es ist die Einsicht eingekehrt, dass Abfertigung als Wert erhalten bleiben soll und dass Abfertigung kein Relikt ist, das man gegen eine Pensionsvorsorge tauschen kann. Die Wahlfreiheit ist ein ganz entscheidender Faktor bei der Neuregelung dieser Abfertigung – einfach auch deswegen, weil auf Grund der heutigen Erfahrung zwei Drittel der Abfertigungen nicht bei Pensionsantritt, sondern im Laufe des Arbeitslebens ausbezahlt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist nicht leicht umzusetzen, und das war nicht leicht umzusetzen. Wir haben nämlich zum Beispiel im Jahre 1999, das Sie angesprochen haben, einen Antrag betreffend Abfertigung hier im Haus eingebracht, der von Ihrem Koalitionspartner ÖVP nicht angenommen wurde. Es ist damals klar und deutlich zum Ausdruck gekommen, dass man die Abfertigung in eine Pension umwandeln will, dass ein Arbeitnehmer ein Jahr braucht, um überhaupt Abfertigungsansprüche zu haben, und es wurde vor allem auch der Tausch von Arbeitnehmerrechten zur Einführung der Abfertigung eingefordert. Dagegen haben sich die Sozialdemokraten gewandt. (Abg. Mag. Schweitzer: Aber warum haben Sie das nicht mit uns gemacht?) Das ist der Einwand, den Sie in Ihrem Folder fälschlicherweise immer wieder in der Öffentlichkeit zitieren.

Wären wir Ihrem Vorschlag gefolgt, dann hätten wir heute keine Abfertigung mehr, sondern eine Pensionskasse. Wären wir Ihrem Vorschlag gefolgt, dann wären Arbeitnehmerrechte gegen die Abfertigung getauscht worden. Wären wir Ihrem Vorschlag gefolgt, dann würden die Saisonkräfte nicht in der Abfertigung umfasst sein. Das ist die Wahrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich behaupte – das sicher mit Fug und Recht; die Debatten waren ja nachvollziehbar, im Jahre 1999, im Jahre 2000 und auch im Jahre 2001 –: Erst die Urabstimmung des ÖGB mit über 807 000 Stimmen hat dazu geführt, dass die Wirtschaft und auch Sie als Koalition verhandlungsbereit wurden. (Abg. Ing. Westenthaler: Das glauben Sie aber selbst nicht! – Abg. Böhacker: Das ist ja kindisch!) Das war das Ergebnis der Meinungen jener Menschen, die für


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diese Abfertigung gestimmt haben, und das können Sie nicht wegleugnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Am 23. Oktober, unmittelbar nach dem 19. Oktober, also nach dem Ergebnis der Urabstimmung, war es auf einmal möglich, mit der Wirtschaft zu einem Ergebnis zu kommen, das erfreulicherweise auch die Regierung als Basis für das gemeinsame Handeln genommen hat. (Abg. Mag. Schweitzer: Meinen Sie das ernst wegen der Urabstimmung? – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es war seltsam, dass unmittelbar nach der Urabstimmung und nach der Einigung auf die Abfertigung auf einmal ganzseitige Inserate von Firmen zu lesen waren, in denen stand: Wir sind die neue Abfertigungskasse. Jetzt ist es bei ihnen wieder ruhig geworden, weil sie in die Praxis gehen müssen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das war schon alles fertig bei der Abstimmung!)

Wir haben die Abfertigung für alle ArbeitnehmerInnen, auch die Lehrlinge, die Saisonkräfte, die kurzfristig Beschäftigten, die Vertragsbediensteten, erreicht. (Abg. Mag. Schweitzer: Aufwachen! – Abg. Ing. Westenthaler: Aufwachen!) Alle werden in diese neue Regelung einbezogen, ja sogar die parlamentarischen Mitarbeiter. Das sollten wir als Erfolg sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Ihr seid eine hinige Partie!)

Ich denke auch, dass es ein absoluter Erfolg ist, dass bei der Ersatzzeitenregelung gemeinsam der Weg gegangen worden ist, alle Möglichkeiten des Ersatzes in dieses Gesetz miteinzubeziehen. Damit gelingt es erstmals, dass Frauen aus der unleugbar schlechten Situation herauskommen, dass sie auf Grund ihres Lebensverlaufs, weil sie bei den Kindern oder wegen der Pflege einer Person zu Hause bleiben, immer wieder niedrigere Abfertigungen bekommen. Mit diesem Gesetz erreichen wir in Übereinstimmung mit allen Ersatzzeitenregelungen einen Ausgleich, der absolut positiv und für die Zukunft ein richtiger Ansatz ist.

Mitbestimmung und Wahlfreiheit sind weitere Elemente dieser Abfertigungsregelung. Auch in der Kassenauswahl haben wir einen gemeinsamen Nenner gefunden, gehen wir einen gemeinsamen Weg.

Das war ein großes Vorhaben, heißt es. Die erste Reihe der Erfolgreichen wird immer dichter. Wir sehen allenthalben Plakate, auf denen sich jeder rühmt, er habe die Abfertigung gebracht. Soll so sein! Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden sicher den Erfolg unserer Arbeit lukrieren können. Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Koalitionsparteien, geben Sie sich einen Ruck und folgen Sie auch jenen Vorschlägen, die im Ausschuss noch behandelt worden sind! Es ist nämlich nicht einsichtig, dass auf der einen Seite am Montag dieser Woche für die Wirtschaft ein neues Steuerpaket geschnürt worden ist, auf der anderen Seite aber bis jetzt keine Bereitschaft bestand – vielleicht gelingt uns eine Änderung noch vor der Beschlussfassung –, dass zum Beispiel auch in jenen Fällen, in welchen es um Streitbeilegung geht, die steuerliche Begünstigung, wie sie heute vorhanden ist, nämlich ohne Höchstgrenze, auch in Zukunft eingesetzt werden kann und nicht wieder eine Reduktion von Arbeitnehmer-Steuerbegünstigungen stattfindet, obwohl man den Arbeitgebern in der Frage der Übertragung steuerlich eindeutig entgegenkommt. Das kann nicht unser Ziel sein. Ich erwarte mir da von den Koalitionsparteien ein aktives Vorgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

In gleicher Weise ist es für uns nicht verständlich, dass man richtigerweise in der Frage der Einhebung der Beiträge eine Kostenbegrenzung für die Gebietskrankenkassen vorgesehen hat, man aber bei den Mitarbeitervorsorgekassen, obwohl die Wirtschaftskammer durch ihren Präsidenten signalisiert hat, dass sie sich eine Änderung vorstellen kann, nach wie vor Verwaltungsgebühren in der Höhe von bis zu 3,5 Prozent, aber auch 1 Prozent für die Überleitung und 1 Prozent für die Verwaltung und Barauslagen vorsieht. Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Begrenzung der Verwaltungsgebühren auf 2 Prozent durchaus Sinn machen würde, ohne dass dadurch die Verwaltung dieser Abfertigungskassen nicht möglich ist.


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Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, fordere ich Sie auf: Nutzen wir die Chancen, die jetzt noch bestehen, schauen wir, dass wir vor allem in der Frage der Steuerbegünstigung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch etwas erreichen. Geben Sie sich einen Ruck, folgen Sie den Abänderungsanträgen der Sozialdemokraten! Wir haben viel erreicht: zukunftsorientierte Arbeitnehmerrechte, für die Arbeitgeber eine Regelung, die endlich Schluss macht mit dem Umstand, dass auch einzelne Arbeitgeber Schwierigkeiten haben, die Abfertigungsleistung zu erbringen.

Ich möchte am Schluss meiner Ausführungen sehr bewusst all jenen danken – egal, ob sie Experten der Sozialpartner, der Regierung, der einzelnen Ministerien oder der politischen Gruppierungen waren –, die dazu beigetragen haben, dass wir gemeinsam viel erreicht haben. Vor Beschlussfassung sollten wir auch in den offenen Fragen noch eine Einigung erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

10.34

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der neuen Abfertigungsregelung, die der Nationalrat heute in wenigen Stunden beschließen wird, geht es nicht einfach um eine nach einigen Jahren notwendige Änderung oder Verbesserung eines an sich durchaus bewährten Gesetzes, sondern darum, dass eine grundsätzlich neue Weichenstellung erfolgt, dass eine revolutionäre Weiterentwicklung des Abfertigungsrechtes, ja sogar der gesamten Sozialpolitik auf dem Tapet steht. (Beifall bei der ÖVP.)

Das kommt bereits in der neuen Bezeichnung zum Ausdruck. Es geht nicht nur um "Abfertigung neu", sondern um betriebliche Mitarbeitervorsorge. Diese betriebliche Mitarbeitervorsorge bedeutet auf der einen Seite eine Abfertigung für alle Arbeitnehmer und auf der anderen Seite den großen, breiten Einstieg in eine attraktive Zusatzpension für alle österreichischen Arbeitnehmer. Damit ist tatsächlich eine neue Dimension erreicht. (Beifall bei der ÖVP. – Die Abgeordneten der ÖVP stellen Taferln vor sich auf die Bank, deren Aufschriften die Inhalte der "Abfertigung neu" wiedergeben.)

Bei der Frage "Abfertigung neu" geht es nicht nur darum, dass in Zukunft alle österreichischen Arbeitnehmer ein Abfertigung bekommen. Bis jetzt war es ja so, dass wesentliche Gruppen de facto vom Anspruch auf Abfertigung ausgeschlossen waren. In Zukunft werden alle – vom Lehrling beginnend bis zum Ende der Lebensarbeitszeit –, die sich im Arbeitsprozess befinden, Anspruch auf eine Abfertigung haben. Das heißt, dass auch die Saisonbeschäftigten, die Frauen, die sich in Karenzzeit befinden, Lehrlinge und junge Menschen, die beim Bundesheer oder beim Zivildienst sind, in diesen Anspruch auf Abfertigung miteinbezogen sind. Allein daran ist diese ganz gewaltige Dimension bereits erkennbar.

Die Arbeitnehmer werden diese Abfertigung auch dann bekommen, wenn sie selbst kündigen, weil sie selbst kündigen müssen, weil sie sich verändern müssen, auf einem mobiler gewordenen Arbeitsmarkt. Wir werden damit eine wesentlich verbesserte Voraussetzung auch zur erforderlichen Mobilität auf dem österreichischen Arbeitsmarkt schaffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es werden alle österreichischen Arbeitnehmer eine Abfertigung in der Höhe ihres Jahresgehaltes am Ende ihres Berufslebens haben – das ist eine Dimension, die für jeden Arbeitnehmer von grundlegender Bedeutung ist –, und das zu einem Steuersatz, der mit 6 Prozent tatsächlich vergünstigt ist, womit allen österreichischen Arbeitnehmern auch eine Steuerbegünstigung zugute kommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber es geht nicht nur um die Abfertigung, sondern auch darum, dass jeder österreichische Arbeitnehmer auch die Möglichkeit haben wird, sich nach freier Wahl an Stelle der Abfertigung für eine attraktive Zusatzpension zu entscheiden. Diese attraktive Zusatzpension wird für einen


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durchschnittlichen Arbeitnehmer einige hundert Euro, das heißt, einige tausend Schilling pro Monat ausmachen. Das wird sich für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer ungefähr in der Größenordnung von 5 000 S, 6 000 S bewegen und wird damit ein wesentlicher Beitrag zu seiner Zukunftsvorsorge sein.

Es wird nicht nur die Möglichkeit geben, eine Zusatzrente, eine Zusatzpension zu beziehen, sondern der Anspruch darauf wird auch vererbbar sein. Die Ehegattin oder der Ehepartner, auch minderjährige Kinder, ja sogar Kinder bis zum 27. Lebensjahr werden anspruchsberechtigt sein, wenn der Anspruchsberechtigte vorzeitig sterben sollte.

Es wird gleichzeitig die weltweit erste Regelung sein, bei welcher ein zweites attraktives Standbein in der Pensionsversicherung aufgebaut wird, ohne dass ein einziger Groschen oder ein einziger Cent oder ein einziger Euro an zusätzlicher Belastung oder Beitragsverpflichtung für den Arbeitnehmer entsteht! Das ist wahrscheinlich die echte, ganz große Dimension! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es wird auch für die Wirtschaft kein Nachteil sein. Viele Betriebe – gerade kleine und mittlere Betriebe – haben in der Vergangenheit enorm darunter gelitten, dass sie oft ganz kurzfristig in der Lage sein mussten, Millionenbeträge an Abfertigungen auszuzahlen, ohne dass sie in der Lage gewesen wären, das zu leisten. Das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Die Abfertigung wird auch für die Betriebe in Zukunft kalkulierbar sein, und sie wird sich auch in einer vertretbaren Höhe halten, sodass sie auch leistbar sein wird.

Das zeigt, dass diese neue Abfertigung, die betriebliche Mitarbeitervorsorge tatsächlich eine "Win-Win-Situation" ist, dass sie allen etwas bringt. Es war daher wahrscheinlich kein Zufall, dass bei den Beratungen in der letzten Ausschusssitzung, dass beim Hearing im Sozialausschuss Stellungnahmen, Äußerungen und Bemerkungen von den Experten gekommen sind, wie ich sie in diesem Hause noch nie gehört habe. Da war zum Beispiel die Rede davon, dass es eine revolutionäre Weiterentwicklung des Abfertigungsrechtes ist. Da war die Rede davon, dass es ein zukunftsweisender Gesetzentwurf ist. Da war die Rede davon, dass man weit zurückblicken muss, um ein sozialpolitisches Gesetz von ähnlicher Bedeutung zu finden. Da war die Rede davon, dass es ein großer Wurf ist. Da war die Rede davon, dass es ein ganz großer Wurf ist und dass es hoher politischer Kunst bedurft hat, das über die Bühne zu bringen.

Ich möchte mich daher an dieser Stelle nicht dem kleinlichen Parteienstreit anschließen, sondern allen ein Danke sagen, die sich dafür eingesetzt haben und auch nur einen ganz kleinen Beitrag dazu geleistet haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich richte diesen Dank an allererster Stelle an jenen Mann, der die Idee dazu bereits vor zehn Jahren geboren hat (Abg. Mag. Schweitzer: Sigisbert Dolinschek!), nämlich an Josef Fink, der mit dem Anspruch "Abfertigung auch für Selbstkündiger" und mit dem Anspruch "Abfertigung über Pensionskassen" (Abg. Mag. Schweitzer: Wann war das?) – im Februar 1992 – in die Öffentlichkeit getreten ist (der Redner hält die Kopie zweier Zeitungsartikel, deren Titel die erwähnten Ansprüche zum Inhalt haben, in die Höhe) und dieses Modell entsprechend vorgestellt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich freue mich darüber, dass er diesen Kampf fortgesetzt hat. Ich freue mich auch darüber, dass er heute hier auf der Galerie sitzt, dass er heute hier mit dabei ist. Ich glaube, es sollte niemand anstehen, ihm für diesen seinen persönlichen Einsatz einen parteiübergreifenden Applaus zu geben. Dem Herrn AK-Präsidenten aus Vorarlberg Josef Fink, vom ÖAAB, ein herzliches Danke! (Beifall bei der ÖVP sowie demonstrativer Beifall des Redners.)

Mein Dank gilt aber auch dem Bundeskanzler. Ich erinnere mich noch gut daran, dass vor allem er es war, der kurz, nachdem wir die Abfertigung zum politischen Thema im Arbeits- und Sozialrecht gemacht haben, ganz entscheidend mitgeholfen hat, dass der Durchbruch erzielt werden konnte.

Ich erinnere mich noch sehr genau an die Stunden und Tage, als wir in Telfs zusammengesessen sind und in nächtelanger Verhandlungsarbeit mit Leo Maderthaner als Vertreter der Arbeit


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geber die erste sozialpolitische Einigung und Vereinbarung zur Einführung und Durchführung dieser "Abfertigung neu" zustande gebracht haben. Ohne Bundeskanzler Schüssel, dem damaligen Parteiobmann und Vizekanzler, wäre das nicht möglich gewesen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich danke auch allen anderen, die mitgeholfen haben, Widerstände zu überwinden. Ich danke allen, egal ob es Walter Tancsits war oder Christoph Leitl in der weiteren Folge oder Reinhold Mitterlehner. Ich sage auch Dank Herrn Fritz Verzetnisch, der es auch nicht leicht gehabt hat, denn große Teile der sozialdemokratischen Gewerkschafter waren bis zum Schluss dagegen; das muss man dazusagen. (Abg. Kiss: Burgenland explizit!)

Denken Sie nur daran: Es ist noch kaum ein Jahr her, dass wir an die Sozialpartner ein Ultimatum stellen mussten, dass wir gesagt haben: Wir wollen, dass bis Ende Juni 2001 die Verhandlungen abgeschlossen sind! Die Abfertigung muss kommen! – Und das in einer Situation, als wir die wesentlichen Eckpunkte sozialpartnerschaftlich bereits ausverhandelt hatten! Denken Sie nur daran, welche Widerstände es dagegen gegeben hat!

Es ist für mich nicht nur der Moment großer Genugtuung, sondern auch der Moment innerer Freude, dass sich zwei ursprünglich äußerst skeptische Bereiche, nämlich ÖGB und Wirtschaft, heute dafür nicht genieren und durchaus positiv dazu stehen und sagen: Ja, wir sind auch die Väter dieser Regelung! – Ich halte es für wichtig, dass man in einer derartigen Situation die eigenen Bedenken und die eigene Skepsis überwindet und sich auch zu einem Modell, das ein anderer politischer Mitbewerber vorgebracht hat, positiv bekennen kann. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall des Abg. Böhacker. )

Ich wende mich jetzt mit der folgenden Bemerkung an die Kollegen von den Sozialdemokraten: Wir hätten uns wahrscheinlich wesentlich leichter mit der Vermarktung der "Abfertigung neu" getan, wenn wir nicht darauf gewartet hätten, dass es eine sozialpartnerschaftliche Einigung gibt. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Es wäre für uns leichter gewesen, denn wir hätten sagen können: Das ist der alleinige Erfolg der Regierung, das steht völlig außer Zweifel und kann nicht in Frage gestellt werden! Aber wir haben es nicht getan, weil wir den sozialpartnerschaftlichen Konsens für wichtig erachten.

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (fortsetzend): Für uns ist die "Abfertigung neu" ein ganz wesentlicher Fortschritt. Für uns lautet die Maxime des politischen Handelns: langfristig denken, solide wirtschaften und sozial handeln! Wir glauben, dass wir mit dieser Abfertigungsregelung, mit dieser neuen Regelung für eine attraktive Zusatzpension einen ganz wichtigen Schritt zu einer nachhaltigen Sicherung des Wohlstands für alle Österreicher, insbesondere für die Arbeitnehmer, gemacht haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

10.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. Gleiche Redezeit – minus den langen Schlusssatz. (Heiterkeit.)  – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich hoffe, Sie ziehen nicht mir den langen Schlusssatz von meinem Vorredner ab! Das wäre nicht ganz fair! – Heiterkeit.)

10.45

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Regierungsmitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist doch ein bisschen zum Schmunzeln, aber durchaus legitim, dass – und das soll in der Politik auch so sein – jede Partei ihre Verdienste vor sich herträgt. Daher muss man mit Schmunzeln zur Kenntnis nehmen, dass der ÖGB-Präsident und SPÖ-Abgeordnete Verzetnitsch eine Werbetafel für die Regierung hier aufstellt, lobt und auch Werbung betreibt für die Tatsache, dass es diese neue Bundesregierung war, die es geschafft hat, nach vielen Jahren der Diskussion diese "Abfertigung neu" umzusetzen. Genauso ist es legitim, dass Kollege Fasslabend auf die Verdienste des ÖAAB in diesem Zusammenhang hinweist. Nur: Man soll dabei ganz korrekt bleiben und alle Umstände, die letztlich zu diesem Erfolg geführt haben, aufzählen und darf nicht unfair sein.


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Es steht fest: Der ÖAAB hat seine Verdienste, und die Gewerkschaft hat auch ihre Verdienste. Doch bei all dem sollte man doch einen kleinlichen "Vaterschafts-Streit" vermeiden. Eines kommt aber bei einer klaren Diagnose heraus: dass – und das ist unbestritten – erst mit dieser neuen Regierung unter Bundeskanzler Schüssel und Vizekanzlerin Riess-Passer, mit den beiden Parteien FPÖ und ÖVP dieses hervorragende Ergebnis für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zustande gebracht werden konnte – und nicht vorher. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist für mich nach der Einführung des Kindergeldes sicher der größte sozialpolitische Erfolg dieser Bundesregierung, weil das ungerechte System der Sozialdemokratie der vergangenen Jahre, bei welchem nur ein Bruchteil der Arbeitnehmer in den Genuss einer Abfertigung gekommen ist, von einem neuen System abgelöst wird, bei welchem alle Arbeitnehmer, und zwar fairerweise auch solche mit Kurzdienstzeitverhältnissen, in den Genuss einer steuerbegünstigten Abfertigung kommen, und zwar schon ab dem ersten Tag, was auch etwas Entscheidendes ist.

In diesem Zusammenhang muss ich Sie, Herr Kollege Fasslabend, schon daran erinnern, dass wir eine Diskussion darüber geführt haben, ob der Anspruch auf eine Abfertigung schon ab dem ersten Tag gegeben sein soll, wo Sie sich zwar dafür eingesetzt haben, es aber in der ÖVP Stimmen dagegen gab. Es gab vor einem Jahr auch eine Klausur des freiheitlichen Parlamentsklubs darüber, und unmittelbar danach konnte man in den Zeitungen lesen: "Blaue wollen Abfertigung ab dem ersten Arbeitstag" und "Für ÖVP soll Anspruch ab einem Jahr entstehen". Ich habe damals sogar eine Rüge der Generalsekretärin Rauch-Kallat für diese Forderung bekommen.

Ich bin froh darüber, dass es jetzt einen Anspruch auf Abfertigung bereits ab dem ersten Tag gibt. In der "Kronen Zeitung" heißt es zu diesem Ergebnis: "Vor ‚Revolution‘ bei Abfertigung". – Das war auch ein Ergebnis der damaligen freiheitlichen Klubklausur.

Aber ich möchte noch weiter zurückgehen, da Sie, Herr Abgeordneter Fasslabend, das Jahr 1992 erwähnt haben und Ihrem verdienstvollen Abgeordneten, der sich auch angestrengt hat, dieses Ergebnis zu erreichen, hier gedankt haben. Ich gehe ein Jahr weiter zurück, und zwar in das Jahr 1991. (Abg. Mag. Schweitzer hält ein Buch in die Höhe.) Karl Schweitzer zeigt auch ein Buch, das in diesem Zusammenhang steht. Es war nämlich der Werkzeugmacher und Arbeitnehmervertreter der FPÖ im Parlament, Sigisbert Dolinschek, der zuallererst hier im Hohen Hause, und zwar 1991 – die APA berichtete damals darüber –, diese "Abfertigung neu" bereits so, wie sie heute beschlossen werden wird, gefordert hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die APA berichtete dazu im Jahre 1991 Folgendes:

"Der FPÖ-Abgeordnete Sigisbert Dolinschek hat sich dafür ausgesprochen, alle Ansprüche, die ein Arbeitnehmer erworben hat, in den nächsten Betrieb mitnehmen zu können. Dadurch würde dem Arbeitnehmer bei Selbstkündigung der Abfertigungsanspruch nicht verlorengehen. Es käme auch wieder zu mehr Mobilität am Arbeitsmarkt."

Er erklärte damals sein System, nämlich dass die Abfertigungsansprüche vom Betrieb in einem bestimmten Prozentsatz in eine Kasse einbezahlt werden sollen. Damals wurde er dafür noch scharf kritisiert, vor allem in den Folgewochen und -monaten, als die FPÖ dann – und das ist der Unterschied! – auch einen Antrag hier im Hohen Haus eingebracht hat, in welchem genau dieses Modell, das wir heute hier beschließen werden, vorgeschlagen wurde. Schon vor zehn Jahren wurde dieser Antrag hier im Hohen Haus eingebracht, und zwar vom Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Klubobmann Jörg Haider. Es hat damals wilde Debatten darüber gegeben. Der damalige Tourismussprecher der ÖVP hat uns damals ausrichten lassen, dass dies ein arbeitgeberfeindliches Modell wäre und dass es die Betriebe in den Ruin führen würde.

Es hat also damals durchaus unterschiedliche Meinungen darüber gegeben. Schön wäre es gewesen – ich sage das, um auch noch einen letzten Blick in die Geschichte zu werfen –, wenn es uns damals, bereits 1991, Herr Kollege Fasslabend, gelungen wäre, diesen Antrag, den die Ab


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geordneten Dolinschek und Haider eingebracht haben und der sich von den Vorstellungen Ihres Abgeordneten nicht wesentlich unterscheidet, gemeinsam zu beschließen. Das hat leider nicht funktioniert, weil die SPÖ das damals nicht wollte. Die SPÖ wollte damals das unfaire System, bei welchem nur ein kleiner Bruchteil von Arbeitnehmern in den Genuss einer Abfertigung kommt, perfektionieren. Sie wollte nicht, dass Fairness und Gerechtigkeit bestehen so wie bei diesem System der Abfertigung, das in Zukunft zur Anwendung kommt. Damals haben Sie einen schweren Fehler begangen, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das war ein sehr schwerer Fehler, den Sie damals begangen haben. Heute ist jedem Zuseher, jedem Arbeitnehmer, aber auch den Arbeitgebern klar, dass die "Abfertigung neu" ein Erfolg der beiden Regierungsparteien beziehungsweise der Regierung neu ist. Daher tun Sie sich auch schwer, jetzt in dieses Thema hineinzukommen.

Ich verstehe das, das ist schwierig, und zwar aus folgendem Grund: Solch ein sozialpolitisches Prestige-Projekt umzusetzen, das in seinen Auswirkungen sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer einen Erfolg bedeutet, das hat es in der Geschichte eigentlich nur selten gegeben. Es kam nur selten vor, dass man solch einen großen Wurf erzielt hat, und allen, die daran mitgewirkt haben, ist dafür zu danken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was sind die wichtigsten Punkte des bisher ungerechten SPÖ-Systems? – Bisher musste jeder Arbeitnehmer, der zu jenem Bruchteil der Arbeitnehmer gehörte, die eine Abfertigung bekamen, durchgehend drei Jahre im gleichen Betrieb arbeiten. Das war natürlich in einer Zeit der Mobilisierung auf dem Arbeitsmarkt immer seltener der Fall. Infolgedessen erhielten zwei Drittel aller Arbeitnehmer überhaupt nicht die Chance, eine Abfertigung zu bekommen. Nur 3 Prozent der Arbeitnehmer konnten die volle Abfertigung ergattern. Das war ein unfaires System, das zum Zeitpunkt der Regierung der Sozialdemokraten angewandt wurde und das jetzt durch ein faires System abgelöst wird.

Das neue System ist deshalb ein faires System, weil die Möglichkeit besteht, dass eine Abfertigung bei jeglicher Form der Aufkündigung eines Dienstverhältnisses, also allen Arbeitnehmern entsprechend ausbezahlt wird. Es gibt also auch eine Abfertigung bei Selbstkündigung, sie kann nach dem Rucksackprinzip mitgenommen werden. Auch das war von Seiten der Wirtschaftsvertreter – ich sage das, weil Sie, Herr Kollege Fasslabend, vorhin den Kollegen Mitterlehner genannt haben und ich auch seine Aussagen aus den vergangenen Jahren kenne – nicht von Vornherein ausgemacht, nämlich dass es eine Abfertigung auch bei Selbstkündigung gibt. Dagegen hat es Widerstände gegeben. Diese sind beseitigt worden, und jetzt erhält der Arbeitnehmer bei jeglicher Form der Aufkündigung des Dienstverhältnisses eine Abfertigung. Das ist auch gerechter. Bisher war eine große Zahl von Arbeitnehmern vom Anspruch ausgeschlossen.

Der große sozialpolitische Sprung, der Kern dieser Maßnahme ist die Abfertigung bei jeglicher Form der Aufkündigung des Dienstverhältnisses. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dies gilt unabhängig von der Länge des Dienstverhältnisses, nämlich auch für Saisonniers, für Lehrlinge, für Frauen und Männer in Karenz, und das bereits ab dem ersten Tag, ab Beginn des Arbeitsverhältnisses. Dazu kommt noch – und dafür danke ich auch dem Finanzminister, der das ermöglicht hat –, dass das Ganze steuerbegünstigt ist, genauso wie das 13. und 14. Monatsgehalt. Das ist etwas, was notwendig ist, um da keine weiteren Belastungen einreißen zu lassen.

Etwas ganz Entscheidendes für den Arbeitnehmer ist auch – und das haben wir auch noch durchgesetzt –, dass er die freie Wahlentscheidung hat, wie er diese Abfertigung bei Auszahlung in Anspruch nehmen will, ob er lieber eine Pension haben will oder ob er es sich auszahlen lassen will. Das ist etwas, was den Arbeitnehmer flexibel macht, denn er selbst kann entscheiden, er selbst beherrscht sozusagen seine Ansprüche. Das ist auch ein großer Erfolg dieser neuen Regelung, den wir hier verzeichnen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben ein System mit sehr großer Gerechtigkeit geschaffen, das das bisherige System der Ungerechtigkeit, der Unfairness ersetzt. Wir sind froh darüber, dass wir diesen sozialpolitischen Meilenstein heute mit Mehrheit beschließen können. Ich stehe auch nicht an, heute hier zu sagen – obwohl es hier heute Vormittag heftige Auseinandersetzungen gab und wir wahrscheinlich auch am Nachmittag in anderen Fragen, zum Beispiel in Fragen der Personalpolitik, zusammenkrachen werden –, dass in den letzten Wochen das Engagement der Sozialpartner in dieser Frage lobenswert war. Dieses Engagement, der Beitrag der Sozialpartnerschaft, der Gewerkschaften und natürlich auch der Wirtschaftskammer sind zu würdigen, und es ist auch zu danken dafür, dass wir in dieser Frage eine gemeinsame Lösung gefunden haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich danke, dass heute eine große Erfolgsstory mit dieser "Abfertigung neu" ihren Schlusspunkt findet. Über diesen Beschluss für die österreichischen Arbeitnehmer, der auch im Sinne der österreichischen Arbeitgeber ist, können wir froh sein. Es ist ein Meilenstein, den wir mit diesem Beschluss heute hier im Parlament setzen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es gilt hier die ungeschriebene Regel, dass Taferln genügend lang, ohne die Zeit mit einer Stoppuhr zu messen, präsentiert werden können, bis alle Medien davon Kenntnis erlangt haben – und sie dann nach geraumer Zeit wieder weggeräumt werden. (Die Abgeordneten der ÖVP nehmen die aufgestellten Taferln von den Bänken.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Öllinger begibt sich mit einem Koffer und einer Schachtel zum Rednerpult. – Unruhe im Saal.)

10.55

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Ich erkläre Ihnen schon noch, Herr Bundeskanzler, welche Bewandtnis es mit dem Koffer hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Gute Reise!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist natürlich schon erstaunlich und auch nicht weiter überraschend, dass Sie die Gelegenheit nutzen, um die "Abfertigung neu" in all ihren Vorzügen anzupreisen. Ich gebe auch zu: Ja, es ist jetzt endlich in dieser "Abfertigung neu" etwas geregelt und verbessert, was in der alten Abfertigung schlicht eine Katastrophe war. (Abg. Mag. Schweitzer: Stimmt ihr zu?) Das stufenweise Anheben der Abfertigung, die Abfertigung erst nach mehreren Jahren, nach drei Jahren: Das ist vorbei! Das ist auch gut so. (Abg. Mag. Schweitzer: Wer hat es möglich gemacht?)

Ich möchte nicht zu jenen gehören, Kollege Fasslabend, die den Anspruch, der Urheber dieser "Abfertigung neu" zu sein, für die Grünen haben wollen. (Abg. Mag. Schweitzer: Das geht auch nicht!) Aber ich sage Ihnen Folgendes, Herr Kollege Fasslabend: Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass – und das war zu der Zeit, als ich noch Arbeiterkammerrat war – vor ungefähr zehn Jahren in der Arbeiterkammer darüber debattiert wurde. Damals stand dort ein Antrag von mir zum Thema Abfertigung zur Debatte, in welchem gefordert wurde, eine Abfertigung auch bei Selbstkündigung zu bezahlen, und es waren die Vertreter aller anderen Fraktionen – sowohl der Sozialdemokraten als auch der Christgewerkschafter oder des ÖAAB und auch der Freiheitlichen – dagegen. Das hat mich verblüfft. Ich bin froh darüber, dass wir jetzt so weit sind, dass wir das, was unsäglich war, was dazu geführt hat, dass fast niemand die Abfertigung tatsächlich beanspruchen konnte, beseitigt haben.

Aber gestatten Sie mir schon eines zu sagen: Ein wirklich großer, ein revolutionärer Wurf, so wie Sie das bezeichnet haben, ist das leider nicht. Herr Abgeordneter Fasslabend, das wissen Sie doch selbst!

Zwei Beispiele: Bisher konnte man nach 25 Jahren vom Letztgehalt ein Jahresgehalt erhalten, wenn man so glücklich war und tatsächlich eine Abfertigung beanspruchen konnte. (Abg. Böhacker: 3 Prozent aller Abfertigungen!) Ich weiß. Ich sagte ja: "wenn man so glücklich war"! (Abg. Böhacker: ... Das ist wirklich unglaublich! Das ist an den Haaren herbeigezogen!) Jetzt ist es so, dass viele nach 40 Jahren Arbeit nicht einmal ein Jahresgehalt erhalten werden –


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nicht einmal ein Jahresgehalt! –, denn nur bei einer optimalen Berechnung all dessen, was Sie annehmen, kommt man bei 38 bis 40 Jahren zu einem Durchschnittsgehalt, aber nicht zu dem, was man das letzte Jahr verdient hat. (Zwischenruf des Abg. Murauer. )

Na gut, es muss ja nicht alles optimal geregelt sein. Ich weiß, die Wirtschaft fühlt sich natürlich dadurch, dass die Abfertigung jetzt für alle bezahlt werden muss, auch "beschwert". Damit könnte ich schon leben, aber es ist nicht so, dass die, die vorher nach 25 Jahren das Jahresgehalt erhalten haben, jetzt das Gleiche erhalten werden. Das ist es nicht! Sie sollten so ehrlich sein, das auch so darzustellen.

Es ist weiters nicht so – und das ist einer der springenden Punkte –, dass die Erwartungen in die Verzinsung des angesparten Kapitals, so wie Sie es berechnet haben, sich erfüllen werden. Jeder Finanzexperte, der in den letzten Monaten und Wochen dazu befragt wurde, weiß, dass die 6 Prozent, die die Grundlage für ein Jahresgehalt nach 40 Jahren bilden, zu hoch angesetzt sind. Sei’s drum. Möglicherweise haben wir jetzt 40 blühende Jahre der Weltwirtschaft vor uns, dann könnte das aufgehen.

Wenn da nicht noch etwas anderes wäre, und zwar die Verwaltungskosten. Durch die Konstruktion der "Abfertigung neu" haben Sie relativ hohe Verwaltungskosten geschaffen. Würde die Abfertigung nicht nur anders eingehoben, sondern auch anders verwaltet und ausbezahlt werden und gäbe es nicht diese Konkurrenz zwischen den Abfertigungskassen, dann könnte man mit wesentlich niedrigeren Verwaltungskosten arbeiten und die Abfertigung als einen stolzen Erfolg verkaufen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Herr Abgeordneter Fasslabend! Herr Kollege Westenthaler ist ja nicht mehr da. (Abg. Ing. Westenthaler  – hinter der Regierungsbank stehend und winkend –: Oja, da schau, Herr Kollege!)  – Gut, wunderbar! Ich nenne Ihnen noch ein Beispiel. Sie haben das Schild "flexibel für die Karriere" aufgestellt. Das war eine Forderung der Grünen, aber ich verstehe Ihre Haltung in Bezug auf diesen Punkt nicht – sofern Sie mit Ihrer Konstruktion der Abfertigung nicht eine eindeutige Absicht hatten. Wir Grünen hätten gerne gehabt, dass die Abfertigung auch bei einer Bildungskarenz, bei einer Erziehungskarenz (Abg. Steibl: Ist es ja!), bei einer Hospizkarenz oder bei einer sonstigen Unterbrechung, zum Beispiel weil jemand ein Sabbatical macht, beansprucht werden kann.

Ist es denn nicht für jedes Unternehmen positiv, wenn jemand eine Bildungskarenz bean-sprucht? Wissen wir nicht, dass das unter den derzeitigen Bedingungen, die es für die Bildungskarenz gibt, nämlich 6 000 S, nur sehr schwer möglich ist? Wissen wir nicht aus der Debatte über die Hospizkarenz, dass gerade deshalb, weil eine Hospizkarenz nicht bezahlt wird, sie sich wahrscheinlich niemand leisten kann? Hätte da nicht die Möglichkeit bestanden, eine Chance für viele, Hospizkarenz, Erziehungskarenz einfach materiell besser auszugestalten, indem man es ermöglicht, die "Abfertigung neu" auch bei einer vorübergehenden Auflösung zu beanspruchen? – Das wollten Sie aber nicht!

Warum wollten Sie es nicht, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien? Das ist die Frage und einer der wichtigen Punkte, in denen ich Ihnen misstraue. Sie wollten es deshalb nicht, weil Sie die "Abfertigung neu" zu einer zweiten Pensionssäule ausbauen wollen. Ich glaube, dass wir in wenigen Jahren wahrscheinlich hier in diesem Haus, wenn Sie die Möglichkeit dazu haben sollten – ich hoffe es nicht –, darüber diskutieren müssten, dass Sie die Möglichkeit, die Abfertigung bei einer Auflösung des Dienstverhältnisses zu beanspruchen, einschränken wollen.

Sie wollen eine zweite Pensionskasse, eine zweite Pensionssäule daraus machen. Das trägt die "Abfertigung neu" nicht! Das trägt sie nicht – sowohl von den Summen, die für sie angespart werden, als auch von den Möglichkeiten, die jemand hat, wenn er oder sie Billa-VerkäuferIn ist, am Ende dieser 40 Jahre eines Arbeitslebens tatsächlich zu einer einigermaßen akzeptablen Summe zu kommen. Da sind ein paar 100 000 S drinnen – nicht mehr!


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Das, meine Damen und Herren, ist dann die "Abfertigung neu". (Der Redner hält eine weiße Schachtel mit der Aufschrift "Abfertigung neu" in die Höhe und stellt sie dann vor sich auf das Rednerpult.) Das ist ein kleines Köfferchen, von dem wir noch nicht wissen, was alles drinnen sein wird. (Abg. Ing. Westenthaler: Lesen Sie es!) Es gibt verfassungsrechtliche Bedenken – ich habe sie noch nicht erörtert –, was das Steuerprivileg, das Sie heute möglicherweise mit einem Abänderungsantrag einbringen wollen, betrifft. Herr Universitätsprofessor Doralt hat sich dazu ja schon eindeutig geäußert. Es gibt auch verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich der Besteuerung der Abfertigung. Das wissen Sie, nur wollen Sie es nicht sagen, weil Sie sich selbst und den Leuten natürlich jetzt die Freude nicht nehmen lassen wollen. Es gibt weiters verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich des unterschiedlichen Pensionsalters.

Für die Leute gibt es ein kleines Köfferchen, für Herrn Abgeordneten Gaugg gibt es einen großen Koffer – jedes Jahr! (Der Redner stellt einen blauen Koffer mit der Aufschrift "FP-Gaugg 200 000 €", an dem 100-€-Scheine angebracht sind, vor sich auf das Rednerpult.) Das erhalten die Leute am Ende eines Arbeitslebens. (Der Redner weist auf die weiße Schachtel.) Nicht viel drinnen, aber immerhin. Das erhält Kollege Gaugg jedes Jahr: 200 000 €. (Der Redner weist auf den blauen Koffer.) Für viele Menschen in dieser Republik sind es 200 000 S oder 14 000 € am Ende eines Arbeitslebens aus der "Abfertigung neu" – und für den Abgeordneten Gaugg gibt es 200 000 € jedes Jahr!

Soll sein, aber wir diskutieren hier auch über große Sprünge, über einen großen Wurf. Der große Wurf ist der FPÖ mit dem Abgeordneten Gaugg und seinem Job in der Pensionsversicherungsanstalt gelungen. Was das für die Beschäftigten in diesem Land bedeutet, in welche Richtung sie mit diesem kleinen Köfferchen marschieren, ob in Richtung zweite Pension, das ist noch offen. Das ist das Problem. (Abg. Böhacker: Schlusssatz! Die Zeit ist aus!)

Und die Causa Gaugg, Herr Bundesminister Haupt, werden wir ja heute Nachmittag noch zu diskutieren Gelegenheit haben. Sie sollten sich jedoch nicht darüber verschweigen, was das eine und was das andere heißt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Böhacker: Das ist die glatte Unwahrheit, die Sie hier sagen!)

11.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

11.06

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine geschätzten Kollegen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich habe mich schon ein wenig gefragt, wie Herr Abgeordneter Öllinger diesen Zustand der Einsamkeit und des Alleineseins überwinden beziehungsweise den Versuch dazu unternehmen wird, denn in Wirklichkeit muss er sich heute einsam fühlen, wenn die drei wesentlichen Fraktionen dieses Hohen Hauses und die Sozialpartner eine echte Jahrhundertreform beschließen wollen, aber die Grünen – aus welchen Gründen auch immer – sich dagegenstellen.

Sie, sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger, haben in eher peinlicher Weise versucht, dieses Einsamsein zu übertünchen. Das war billige Polemik an einem Tag, an dem zu Gunsten der Arbeitnehmer dieses Landes eine wirklich große Reform beschlossen wird. Aber das ist Ihre Sache. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es waren nicht Vertreter der Regierungsparteien, es war nicht ich, es war nicht Finanzminister Grasser, die von einem großen Wurf, von einer Jahrhundertreform gesprochen haben, es waren Kommentatoren dieses Landes. So gesehen erhöht das die Sicherheit der Arbeitnehmer dieses Landes, dass es sich tatsächlich um eine der wichtigsten Reformen der letzten und auch der nächsten Jahre handelt, und zwar in ihrem Sinne, denn es sind die Arbeitnehmer dieses Landes, meine sehr verehrten Damen und Herren, die die Gewinner der Abfertigung für alle, die die Gewinner der betrieblichen Mitarbeitervorsorge sind.

Natürlich ist es auch ein Tag des Abschiedes. Wir nehmen Abschied von einem nicht gerechten System, von einem unfairen System, von einem System, das nach dem Prinzip Hoffnung ge


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staltet insofern war, als nämlich alle Arbeitnehmer Österreichs hofften, jemals eine Abfertigung zu erhalten. Tatsächlich erhalten aber pro Jahr nur rund 160 000 Arbeitnehmer bei etwa 1,2 Millionen aufgelösten Dienstverhältnissen eine Abfertigung, gerade einmal 15 Prozent. Für 85 Prozent hat sich diese Hoffnung bisher als trügerisch erwiesen. In Zukunft wird es eine Abfertigung für alle geben, eine Vorsorge für alle. Das ist sozial gerecht, das ist fair, und das ist im Sinne der Arbeit dieser Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Seien wir uns also dessen bewusst, dass dieser Tag des Abschiedes einen Abschied von einem kleinen Teil der Zweiklassengesellschaft bringt und dass wir heute den Arbeitnehmern dieses Landes sagen können: Ihr seid vor uns alle gleich. – Natürlich, Herr Abgeordneter Öllinger, können nicht Weihnachten und Ostern gleichzeitig sein. Sie haben hier einen optimalen Verlauf eines Berufslebens eines Arbeitnehmers skizziert, der eben nach 25 Dienstjahren – in 3 Prozent der Fälle war das der Fall – ein volles Jahresgehalt an Abfertigung gewissermaßen als Anspruch erworben hat. Das wird so nicht eins zu eins übertragbar sein, aber sehr wohl wird sich nach einer Phase von 37 bis 38 Jahren ein Jahresgehalt im Rucksack eines Arbeitnehmers – es geht hier nicht um Koffer, sondern es geht um einen Rucksack – finden, wenn er klug genug war, die ganze Zeit über sein Kapital anzusparen, es wachsen zu lassen und die Abfertigungsrendite in Anspruch zu nehmen.

Mitarbeitervorsorge bedeutet aber noch etwas anderes. Herr Präsident Verzetnitsch hat das Stichwort "Wahlfreiheit" in die Diskussion gebracht. Es besteht nämlich ein hohes Maß an Wahlfreiheit für die Arbeitnehmer dieses Landes, entweder während ihres Berufs- und Arbeitslebens im Falle des Falles, wenn es die Not erfordert, auf den Abfertigungsrucksack zurückzugreifen oder aber, wenn sie klug sind, das Kapital wachsen zu lassen, zuzuwarten und es später als betriebliche Zusatzpension in Anspruch zu nehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Solange die volle Wahlfreiheit gegeben ist, so glaube ich, ist das im Sinne aller Arbeitnehmer. Ich bedanke mich ausdrücklich bei Finanzminister Grasser, dass er es durch eine steuerliche Begünstigung der Zusatzpension möglich gemacht hat, diese so zu attraktivieren, dass die klugen Österreicher, die ohnedies als Sparefrohs bekannt sind, in einem hohen Maße auf diesen Zeitpunkt warten werden. Gerade hier, sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger, verstehe ich Ihre Polemik schon gar nicht (Abg. Öllinger: Wieso Polemik?), wenn Sie auch diese steuerliche Begünstigung der Zusatzpension mies machen wollen. Das ist nicht im Sinne der Arbeitnehmer dieses Landes. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Österreicher werden in Zukunft vorsorgen, statt sich abfertigen zu lassen; sie haben die Wahlfreiheit. Es werden alle österreichischen Arbeitnehmer umfasst sein, es werden die Mitarbeiter sein, die saisonal beschäftigt sind, und es werden die Lehrlinge sein. Es ist erfreulich, dass es auch gelungen ist, Ersatzzeiten finanzierbar zu machen. Da bedanke ich mich bei Sozial- und Familienminister Haupt mit seinem Familienfonds. Es wird für die Zeiten der Familienhospizkarenz und für die Zeiten der Kindererziehung ebenfalls Einzahlungen für die "Abfertigung neu", für die Abfertigung für alle geben. Das ist wichtig, damit die Österreicher vorsorgen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Wort des Dankes am Schluss aber auch an die Sozialpartner: Ich meine, dass dieses große Reformwerk vor allem in dieser großen Konsensstimmung, die auch heute im Hohen Hause herrscht, ohne den Konsens der Sozialpartner nicht möglich gewesen wäre. Den Präsidenten, den Verhandlern herzlichen Dank!

Ich meine auch, dass es ohne die Vorarbeit, die schon vor Jahren gelaufen ist, nicht möglich gewesen wäre, diese große Reformarbeit auf die Beine zu stellen. Präsident Fink ist extra aus Vorarlberg angereist und hat die Abfertigung gewissermaßen im Rucksack mitgebracht. Andere waren auch beteiligt. Der Bundeskanzler hat sich über die letzten Jahre in hohem Maße engagiert und diese Arbeit begleitet.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein hohes Maß an gemeinsamer Arbeit, das zu einem guten Ziel geführt hat. Die Gewinner dieser Arbeit sind Österreichs Arbeitnehmer, und das ist besonders erfreulich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Grasser. – Bitte.

11.12

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Regierungskollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich sage ganz offen: Ich freue mich wirklich sehr, dass es möglich ist, diese Neuregelung der Abfertigung heute hier zu diskutieren. Martin Bartenstein hat auf die Experten, auf die Fachkommentatoren hingewiesen. Ich glaube, wir können wirklich mit Stolz und voller Überzeugung sagen: Hier ist uns gemeinsam einer der größten Würfe der letzten Jahrzehnte in sozialpolitischer Hinsicht gelungen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist ein wirklich großer sozialpolitischer Fortschritt, den wir auch von unserer Seite durch steuerliche Begleitmaßnahmen optimal abzustützen versucht haben. Meine Damen und Herren! Man kann, so glaube ich, wirklich sagen, dass das nicht weniger als ein Quantensprung, als ein riesiger Erfolg für die Arbeitnehmer ist. Es ist auch ein Erfolg für die Wirtschaft und damit ein Erfolg für Österreich, den wir hier gemeinsam erreichen konnten. Ich bin sehr froh darüber, dass es dieser Bundesregierung gelungen ist, diesen Wurf im Konsens mit den Sozialpartnern auszuverhandeln. Damit gelingt uns eine massive Verbesserung, und das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Politik dieser österreichischen Bundesregierung das Vertrauen der Bevölkerung verdient. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Schauen wir uns an, welche Vorteile dieser Abfertigung es für die Arbeitnehmer gibt! Da müssen wir einfach Folgendes sehen – ich glaube, man kann es nicht oft genug betonen –: In der alten Konstruktion hat es bisher jährlich bis zu einer Million Arbeitsverhältnisse gegeben, die ohne Abfertigungsanspruch beendet worden sind. Jetzt, meine Damen und Herren, werden alle Arbeitnehmer in Österreich diese Mitarbeitervorsorge in Anspruch nehmen können. Das ist ein riesiger Erfolg, den wir hier für die Arbeitnehmer in Österreich zustande bringen konnten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es gibt damit kein Mobilitätshindernis mehr für die Arbeitnehmer. Auch bei Selbstkündigung erwerben sie sich diesen Anspruch. Es gibt keine Sprungstellen, die bisher in der alten Abfertigungskonstruktion vorgesehen waren. Es gibt kein Hindernis, was den Wechsel von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung betrifft. Es gibt kein Hindernis, was den gleitenden Übergang zu einer Pension für die Arbeitnehmer betrifft. Es besteht die Chance, dass man auch mehr als ein Jahresgehalt erreicht. Bisher war die Höhe der Abfertigung mit einem Jahresgehalt begrenzt. In der Rechnung, die die Sozialpartner gemeinsam gemacht haben, ist es so, dass man, wenn man über 37 Berufsjahre erreicht, mehr als ein Jahresgehalt ausbezahlt bekommen kann.

Wir haben – Martin Bartenstein hat darauf hingewiesen – auch eine besonders steuerbegünstigte Verrentungsmöglichkeit vorgesehen – bei völliger Wahlfreiheit: wählt man die Auszahlung als Kapitalbetrag, oder wählt man quasi die zweite Säule, nämlich die Pensionsvorsorge. Wir haben in Rechnungen bewiesen, dass man, wenn man die Variante der Pensionsvorsorge wählt, durch diese Möglichkeit der steuerlichen Begünstigung, nämlich dass man gar keine Steuern bezahlt, am Ende des Tages in etwa um 20 Prozent mehr herausbekommen kann, als es mit der einmaligen Abfindung durch den Kapitalbetrag der Fall ist.

Wenn man sich ansieht, welche Vorteile die Wirtschaft in Österreich davon hat, muss man einfach sehen, dass wir Liquiditätsspitzen vermeiden. Gerade für viele Klein- und Mittelbetriebe in Österreich bedeutete es bisher ein riesiges Problem, wenn es zu einer Zusammenballung von mehreren Abfertigungsansprüchen und zu deren Auszahlung zum Beispiel innerhalb eines Zeitraums von einem oder zwei Jahren gekommen ist. Das war eine riesige liquiditätsmäßige Belastung, in manchen Fällen sogar eine existentielle Bedrohung für Klein- und Mittelbetriebe. Jetzt gibt es durch dieses beitragsorientierte System eine gleichmäßige Belastung mit


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1,53 Prozent. Das ist für viele Klein- und Mittelbetriebe in Österreich eine dramatische Verbesserung insofern, als sie vorausplanen können, als es planbar ist, als es berechenbar ist, als es eine gleichmäßige Belastung ist.

Und man muss auch sehen: Es wird weniger an Belastung geben, als das bisher der Fall war. Von daher wird man in den Betrieben auch mehr Eigenkapital aufbauen können, und zwar dadurch, dass man im Vergleich, wie viel an Abfertigungen ausbezahlt wurde – ganz unterschiedlich je nach Branche – und wie viel man jetzt an Beiträgen bezahlt, nämlich 1,53 Prozent, besser dasteht. Das ist ein positiver Eigenkapitaleffekt.

Man wird auch international eine bessere Vergleichbarkeit haben, was die Unternehmensbilanzen betrifft. Wir haben zu guter Letzt auch durch die Option zur steuerfreien Übertragung der Abfertigungsrückstellungen auf Eigenkapital einen positiven Eigenkapitaleffekt. Ich glaube, dass das für unsere Unternehmen wichtig ist. Wir müssen nämlich sehen, dass wir, was das Eigenkapital betrifft, im internationalen Vergleich sehr schlecht liegen, und wir wissen gleichzeitig, dass Eigenkapitalmangel auf der einen Seite noch immer die Insolvenzursache schlechthin und auf der anderen Seite der Engpassfaktor schlechthin für das Wachstum von Unternehmen ist. Wir wollen, dass unsere Unternehmen wachsen können, weil das natürlich wiederum auch wichtige Beschäftigungseffekte hat. Wir wissen, dass es das Ziel dieser Bundesregierung ist, in Österreich zur Vollbeschäftigung zu gelangen. Auch da haben wir einen wesentlichen Effekt erzielt. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte eine Facette beleuchten, die bisher nicht angesprochen worden ist, nämlich den Kapitalmarkt. Wir haben im Unterschied zum bisherigen System auch den Kapitalmarkt mit in das System eingebaut, die Vorteile und Chancen, die uns der Kapitalmarkt bringen kann. Wir rechnen mit einer Rendite in der Größenordnung von 6 Prozent auf das Kapital, das angespart und eingezahlt wird. Der Kapitalmarkt wird mit Zins- und Zinseszinseffekten einen entsprechenden Beitrag leisten.

Wir müssen sehen, dass wir – unserer Schätzung nach – nach zehn Jahren in diesem neuen System in Österreich ein veranlagtes Gesamtvermögen von in etwa 4 Milliarden €, oder 4 000 Millionen €, haben werden. Davon kann wiederum ein Anteil in einer Größenordnung von 1,5 Milliarden € in österreichischen Aktien angelegt werden.

Ich betrachte auch das als eine große Chance für die Wirtschaft unseres Landes, denn der Effekt ist, dass mit der "Abfertigung neu" Risikokapital geschaffen wird. Wir wissen, wie wichtig Venture Capital, wie wichtig Risikokapital für unsere Unternehmen ist, wie wichtig das für das Eigenkapital ist. Damit werden die Betriebe krisensicherer, als das heute der Fall ist. Wir werden damit wiederum zum Wachstum beitragen können. Es ist also auch ein schöner struktureller Erfolg mit dieser Lösung verbunden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich habe im Steuerteil darauf hingewiesen: Wir haben wirklich versucht, dort, wo es irgendwie geht, zu unterstützen – egal, ob das die laufenden Beiträge der Arbeitgeber an die Kassen betrifft, ob das die Beträge aus Anlass des Übertritts vom alten in das neue System betrifft, ob das die steuerliche Behandlung der Mitarbeitervorsorgekasse ist. Wir haben gesagt, wir wollen dazu beitragen, dass wir eine möglichst große Rendite für die Arbeitnehmer erreichen. Daher wird in der Kasse keine Versicherungssteuer gezahlt. Das eingezahlte Kapital und die erwirtschafteten Erträge werden in der Kasse ertragsteuerfrei sein, und die Leistungen der Kasse sind auch von der Umsatzsteuer befreit.

Wir haben den Steuervorteil von 6 Prozent bei der Auszahlung weiterhin beibehalten, und wir haben – wie ich es bereits früher angesprochen habe –, was die Pensionssäule, die zweite Säule der Pensionsvorsorge betrifft, die völlige Steuerfreiheit erreicht. Das heißt also, in der Überführung von der Mitarbeitervorsorgekasse in eine Rentenversicherung bleibt dieser Vorgang steuerfrei. Es gibt keine Versicherungssteuer, die wir verrechnen, die Kapitalerträge bleiben kapitalertragsteuerfrei. Wir verrechnen auch keine Mindeststeuer, und die Auszahlung der Rente an den Arbeitnehmer ist ebenso steuerfrei. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Ich bin selten in der Situation, als Finanzminister sagen zu können, dass bei etwas wirklich die komplette Steuerfreiheit vorgesehen ist, aber uns waren hier einfach die Mitarbeiter wichtig. Uns war wichtig, dass die Arbeitnehmer in Österreich am Ende des Tages den größtmöglichen Effekt, den größtmöglichen Vorteil aus diesem neuen Abfertigungssystem ziehen und die größtmögliche Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals erhalten sollen.

Meine Damen und Herren! Wir hatten auch einen guten, einen konstruktiven Dialog mit den Sozialpartnern. Ich glaube, wir haben als österreichische Bundesregierung gezeigt, dass es uns um die Sache selbst geht. Es geht uns um die beste Lösung für Österreich, für die Arbeitnehmer und für die Wirtschaft in unserem Land.

Und damit, Herr Öllinger, ist es ein großer, ein wirklich großer, ein revolutionärer Wurf, der hier gelingt, eine Strukturreform für den Standort Österreich, für die Arbeitnehmer in Österreich und für die zweite Säule der Pensionsvorsorge. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Wir haben in der Präsidiale vereinbart, die Redezeit bis 12 Uhr – zu diesem Zeitpunkt beginnt die Erklärung der Frau Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten – gleichmäßig zwischen den Fraktionen aufzuteilen. Ich schlage daher vor, dass die Redezeit ab nun 9 Minuten pro Redner beträgt.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

11.23

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Dass wir uns mit dem Thema "Abfertigung neu" beziehungsweise mit dem – wie es jetzt heißt – Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz befassen, hat wohl weniger mit unsozialen und unfairen Systemen zu tun, Herr Kollege Westenthaler, sondern mit realen Veränderungen in der Wirtschaft. Das ist ganz einfach im Zusammenhang damit zu sehen, dass die Unternehmen Arbeitnehmer nicht mehr so lange beschäftigen, die Beschäftigungsphasen kürzer werden und dergleichen mehr.

Im Erkennen dieser Situation – ich danke Herrn Minister Bartenstein dafür, dass er das auch erwähnt hat – hat gerade unsere ehemalige Bundesministerin Eleonora Hostasch den Grundstein für die heutige Gesetzeswerdung gelegt. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Das ist ein Abfertigungsmodell, meine Damen und Herren, das in Zukunft gewährleisten wird, dass alle privatrechtlich Beschäftigten in diesen Geltungsbereich fallen. Das ist eine Gesetzeslage, durch die auch sichergestellt wird, dass man bei einem freiwilligen Arbeitsplatzwechsel nicht bestraft wird.

Das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz – wie es nun genannt wird – ist ein Kompromiss; ein Kompromiss, in dem wesentliche Punkte und Inhalte unseres sozialdemokratischen Modells umgesetzt werden. Meine Damen und Herren! Den Wahrheitsbeweis dazu treten wir gerne an: Es gibt zwei Abänderungsanträge zu diesem Thema hier in diesem Haus – zwei Anträge, einen von der ÖVP und einen, der von uns eingebracht worden ist. Dieser beweist sozusagen, wie unser Modell ausgesehen hat.

Und was sind die fixen Eckpunkte, die wir nun durchgesetzt haben? – Das sind die Wirksamkeit der Abfertigung ab dem ersten Tag, keine Beitragsbegrenzung auf 25 Beitragsjahre, keine Begrenzung mit dem 45. Lebensjahr, sondern Beitragszahlungen während der gesamten Beschäftigungszeit.

Das sind weiters die Anrechnung von diversesten Karenzzeiten und, als ganz wesentliches Element, die Erhaltung der Abfertigung als Entgeltbestandteil. Etwas, was sehr umstritten war, nämlich die Wahrung des Anspruchs bei Selbstkündigung, ist ebenfalls darin enthalten.


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Die Sozialpartnereinigung – und auch dazu stehe ich –, die Basis des heute zu beschließenden Gesetzestextes ist, hat über weite Bereiche das SPÖ-Modell bestätigt. Ich stehe daher nicht an, Herr Kollege Dr. Khol, mich bei der ÖVP für ihre Einsicht zu bedanken. Ihr Modell, Ihr Antrag, hätte nämlich Folgendes bedeutet: nicht ab dem ersten Tag, nicht bis zum letzten Tag, Nichterfassung der Saisonniers, kein Anspruch bei Bildungskarenz, kein Anspruch bei Selbstkündigung und auch kein Anspruch bei Elternkarenz. – Daher herzlichen Dank für Ihre Einsicht und dafür, dass Sie das Sozialpartnermodell in diesen wesentlichen Eckpunkten akzeptiert haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Sie haben in diesem Haus kein eigenes Modell vorgelegt (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), aber wesentliche Proponenten von Ihnen haben immer wieder gesagt, die Abfertigung müsse zwingend in eine Privatpensionszahlung umgewandelt werden. (Rufe bei den Freiheitlichen: Nein! – Abg. Achatz: Wer hat das gesagt?)  – Herr Böhacker zum Beispiel, nachvollziehbar und in den Medien auch nachlesbar. (Abg. Böhacker: Das ist doch Unsinn! ... Unwahrheit!) Aber hören Sie einmal zu: Ich anerkenne ja – und das wollte ich Ihnen gerade sagen – auch Ihr Abrücken von dieser Position, weil es uns ermöglicht, gemeinsam etwas Positives für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Lande zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Nehmen Sie das zurück! Das ist ja unerhört!)

Nun werden Sie sich aber wundern, meine Damen und Herren, warum gerade die Vertreterin jener Partei, deren Inhalte weitestgehend in dieser zur Beschlussfassung vorliegenden Materie umgesetzt worden sind, hier nicht jubelt und in einer Lobrede von "Jahrhundertgesetz" und "Jahrtausendgesetz" spricht. Ich sage Ihnen ganz klar: Es gibt einige kritische Schwachstellen, die wir gerne bereinigt hätten. Es gab aber in den Ausschussverhandlungen leider keine Bereitschaft seitens der Regierungsparteien, diese auch auszuräumen.

Ich hoffe und würde mir sehr wünschen, dass uns die heutige gemeinsame Debatte in die Lage versetzt, diese Schwachstellen doch noch zu beseitigen. Eine dieser Schwachstellen betrifft das Übergangsrecht. Es wäre wünschenswert, dass bei der Übertragung von Altansprüchen ein Mehr an Sicherheit für die ArbeitnehmerInnen gegeben ist, weil diese eben sehr häufig von der Wirtschaft unter Druck gesetzt werden. Diese Sicherheit sollte sozusagen in der Gesetzgebung ihren Niederschlag finden, damit die Chancen fair und gleich verteilt sind – für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch für Unternehmer.

Wir werden dazu einen Abänderungsantrag einbringen, und ich hoffe, dass es Ihnen möglich sein wird, diesem Abänderungsantrag zuzustimmen, denn es geht um die Ausgewogenheit der Chancen zwischen Arbeitnehmerinteressen und Unternehmerinteressen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt sind die Verwaltungskosten. Sie wissen, Herr Bundesminister Grasser, dass die Verwaltungskosten neben der Veranlagung das wichtigste Element für den Ertragserfolg sind. Selbst bei einer Maximallaufzeit von 40 Jahren muss damit gerechnet werden, dass sich 1 Prozent an Verwaltungskosten mit 0,33 Prozent auf den Veranlagungserfolg auswirkt. Bei kürzeren Zeiträumen steigt diese Negativwirkung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ungleich höherem Maße.

Wenn wir nun dem niedrigeren Beitragssatz auf Grund der Wirksamkeit von Beschäftigungsbeginn bis zu Beschäftigungsende als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten unsere Zustimmung geben, so wollen wir wenigstens durch unseren Antrag auf Senkung des Verwaltungsaufwandes etwas für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tun und, auch bei diesem Satz, die Erzielung eines besseren Erfolgs bewirken.

Stimmen Sie bitte unserem Abänderungsantrag zu, denn sonst, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, wird es bereits nach einem kurzen Zeitraum notwendig sein, hier über den Beitragssatz und eine Erhöhung des Beitragssatzes zu diskutieren! Sie können mich beim Wort nehmen. Darum appelliere ich an Ihre Vernunft. (Beifall bei der SPÖ.)


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Drittens – wohl einer der bedeutendsten Punkte –: das Steuerrecht. Herr Minister Grasser! Ich bin froh darüber, dass Sie vor mir das Wort ergriffen haben. Während Sie nämlich Unternehmen für die Übertragungszahlungen von freiwilligen Abfertigungen eine Absetzbarkeit über fünf Jahre ermöglichen, sollen freiwillige Abfertigungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern künftig voll versteuert werden. Das ist ein Nachteil, auf den nicht nur die Interessenvertretungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vehement hinweisen, sondern beispielsweise auch der Handelsverband, der Verband der Elektrizitätsunternehmer und die Industriellenvereinigung.

In einer Stellungnahme der Wirtschaftskammer Österreich heißt es wörtlich:

Die Abschaffung der steuerbegünstigten Behandlung von freiwilligen Abfertigungen für Zeiträume für die zukünftigen Anwartschaften gegenüber den Mitarbeitervorsorgekassen kann so nicht akzeptiert werden. – Zitatende.

Übrigens: Unterschrieben ist diese Stellungnahme auch vom stellvertretenden Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich, Abgeordnetem Dr. Mitterlehner. – Herr Dr. Mitterlehner, wir werden Ihnen und den Regierungsparteien auch hier mit einem Abänderungsantrag die Möglichkeit bieten, Ihre eigene Kritik, das, was Sie in der Stellungnahme fordern, auch tatsächlich umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister Grasser! Wenn wir alle hier von einem großen Wurf reden und dieser Wurf vor allem von der Regierungsbank aus bejubelt wird, dann fordere ich Sie schon auf, Privilegien der Wirtschaft nicht zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu finanzieren. Geben Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die gleiche faire Chance, wie Sie sie mit dieser Gesetzeslage den Unternehmern bieten! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Aus diesem Grunde bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy und GenossInnen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (1176 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschussberichtes 1176 der Beilagen wird wie folgt geändert:

Artikel 17 wird wie folgt geändert:

In Ziffer 3 lautet § 26 Ziffer 1 lit. d: Beiträge, die der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer an eine Mitarbeitervorsorgekasse leistet, im Ausmaß von höchstens 1,53 Prozent des monatlichen Entgelts einschließlich der Sonderzahlungen im Sinne arbeitsrechtlicher Bestimmungen und zuzüglicher etwaiger Verzugszinsen im Ausmaß des § 6 Abs. 6 beziehungsweise von höchstens 1,53 Prozent der Bemessungsgrundlage für entgeltfreie Zeiträume, weiters Beiträge, die im Zuge von Übertragungen von Altabfertigungsanwartschaften im Sinne des § 3 Ziffer 1 geleistet werden, sowie Beiträge, die auf Grund des BMVG oder gleichartiger österreichischer Rechtsvorschriften durch das Übertragen von Anwartschaften an eine andere Mitarbeitervorsorgekasse als Überweisung der Abfertigung ... (Abg. Ing. Westenthaler : Sie sind fertig! Die 9 Minuten sind beendet! Das ist nicht sehr fair, was Sie da machen!)  – Wie viel Zeit ist eingestellt, Herr Präsident?

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Sie haben Ihre Redezeit überzogen, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Heidrun Silhavy (fortsetzend): Auf Grund der Abmachung, dass wir nicht Einzelredezeitbeschränkung, sondern Zeitbeschränkung auf Grund der ORF-Übertragung haben, wird der Antrag von einer anderen Kollegin meiner Fraktion eingebracht werden.


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Ich fordere Sie dennoch auf, unseren Abänderungsanträgen zuzustimmen, damit dieser Wurf auch wirklich der große Wurf wird. (Beifall bei der SPÖ.)

11.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

11.33

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das neue Vorsorgemodell muss auf jeden Fall ein Erfolg werden – und das nicht nur, wenn man von den Aussagen der Kommentatoren und der Experten ausgeht, sondern auch angesichts dessen, dass man hier hören konnte, wer aller in welchem Jahr das neue System schon immer erfunden hat.

Nur, Herr Kollege Öllinger: So wird es natürlich nicht sein können, dass jeder, der irgendwann einmal im Jahre Schnee die Abfertigung bei Selbstkündigung gefordert hat, damit schon das neue System erfunden hat!

Das ist nämlich etwas ganz anderes, und das sollten Sie eigentlich erkennen, und das ist das Entscheidende, glaube ich. Natürlich gab es in diesem Zusammenhang viele Ideen, natürlich gibt es da viele Väter, denn viele haben einen Beitrag dazu geleistet, dass es überhaupt zu diesem neuen System kommen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ganz klar ist aber auch die Rolle der Sozialpartner, meine Damen und Herren, die auch hier schon mehrmals erwähnt worden ist. Man kann nämlich noch so viele gute Ideen haben, noch so viele Programme machen und beschließen lassen, im Endeffekt ist die politische Kunst der gemeinsame Nenner, und den gemeinsamen Nenner in dieser Materie haben die Sozialpartner zu Stande gebracht. Das ist einmal ein Punkt, den man ihnen zurechnen muss.

Der zweite Punkt ist meiner Meinung nach, da es ja auch um die Akzeptanz des Systems geht, dass die Sozialpartner mit vielen anderen dazu beigetragen haben.

Ganz wesentlich aber ist der dritte Punkt – und vor allem dazu brauchen wir die Sozialpartner –, nämlich dass das neue System in den Betrieben auch gelebt wird. Es müssen die Unternehmer dazu stehen, es müssen die Betriebsräte dazu stehen, ebenso die Interessenvertretungen. Das tun wir, und deshalb bin ich sicher, dass das neue System ein ganz, ganz großer Erfolg sein wird! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Was ist das Entscheidende am neuen System im Unterschied zum alten System? – Das neue System geht in Richtung einer Beitragsorientierung, das alte System war ein System der Leistungsorientierung, sprich: der Abwicklung nach Monatsgehältern.

Herr Kollege Westenthaler! So erklärt sich auch die Problematik der Abfertigung bei Selbstkündigung: dass es, wenn das eine Art Treueanspruch nach Monatsgehältern ist, im alten System eine andere Grundlage hat als im neuen System. Daher haben wir auch dieses Problem dann nicht mehr gehabt. Das Zweite erklärt sich jetzt auch mit dem ersten Tag der Zahlung. Das war auch im alten System schon möglich. Wenn jemand eine Abfertigung bekommen hat – nach drei Jahren zwei Monatsgehälter –, so hat er diese für die gesamten drei Jahre bekommen. Die Frage ist nur gewesen: Wann zahlen die Betriebe Beiträge? – Sie zahlen jetzt nach einem Probemonat. Man sollte den Unterschied zwischen altem und neuem System doch genau sehen.

Sie sollten auch den Unterschied bei den Kosten sehen, weil es nicht ausreicht, zu sagen, die Wirtschaft hat früher 2,5 Prozent gezahlt – volkswirtschaftlich gesehen –, in Zukunft ist der Beitragssatz 1,53 Prozent; große Ersparnis! Tatsache ist, dass es sicher Betriebe gibt, die kostenmäßig eine Entlastung erfahren. Andere Unternehmen, in Branchen wie etwa der Gastronomie, haben bis jetzt nichts gezahlt und werden nun belastet. Und Sie müssen auch sehen, dass Sie


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am Anfang ja beide Systeme haben: das alte System mit seinen Kosten und das neue System, das entsprechend aufgebaut wird.

Aus Sicht der Unternehmerschaft – die Vorteile für die Arbeitnehmer wurden ja schon dargestellt: nicht 15 Prozent der Arbeitnehmer im Jahr erhalten dann eine Abfertigung, sondern für 100 Prozent gilt die neue Vorsorge – ist festzustellen, dass die Unternehmen ihre Verpflichtungen mit der Beitragsleistung erledigt haben. Der Unternehmer haftet daher nicht für die Ansprüche, sondern es haftet die Mitarbeitervorsorgekasse. Das ist ein eminent großer Vorteil, der sich auch für die Arbeitnehmer entsprechend günstig auswirkt, weil das System sicherer wird.

Das Zweite – und das hat der Herr Finanzminister bereits angesprochen –: Gerade die manchmal kumuliert auftretende Zahlung von Abfertigungen hat viele Betriebe in Zahlungsschwierigkeiten, in Liquiditätsprobleme gebracht. Das neue System ist kontinuierlich: Es beinhaltet eine Beitragsleistung von Monat zu Monat und wird diese Probleme nicht mehr bringen. Daher wird es jetzt leichter sein, Betriebe zu übergeben, es wird aber auch leichter sein, entsprechende Umstrukturierungen vorzunehmen.

Und drittens werden wir Wettbewerbsgleichheit im Bereich der Wirtschaft haben. Warum? – Es hat bisher Unternehmen gegeben, die die Abfertigung nicht kalkuliert haben. Wenn jemand die Abfertigung als Kostenfaktor nicht kalkuliert, was passiert dann? – Dann passiert möglicherweise, wenn der Konkurrent die Kosten drinnen hat, dass der andere Betrieb irgendwann insolvent wird. Und das ist auch in der Praxis so geschehen: Ein Drittel aller Zahlungen beim Insolvenzfonds waren Abfertigungszahlungen.

Das, meine Damen und Herren, gehört der Vergangenheit an. Die neue Regelung ist ein Schritt in Richtung mehr Wettbewerbsgleichheit.

Es ist auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmungen angesprochen worden. Wer internationale Bilanzen betrachtet und die Kennzahlen vergleicht, der wird den Faktor Rückstellungen nicht finden. Bis jetzt haben große Unternehmungen daher Wettbewerbsnachteile gehabt. In Zukunft sind diese Forderungen nicht mehr in der Bilanz zu finden. Daher bedeutet das neue System auch mehr Standortvorteile, mehr Wettbewerbsvorteile für den Standort Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Natürlich hat alles nicht nur Vorteile, sondern ist auch mit gewissen Nachteilen verbunden. Wir sehen sehr wohl Belastungen im Bereich der Ersatzzeitenfinanzierung auch bei den Unternehmen. Wir sehen sehr wohl, dass die Möglichkeit der Bildung von Rückstellungen von 50 Prozent auf 45 Prozent gekürzt worden ist. Und weil das hier mehrmals angesprochen worden ist: Wir danken dem Herrn Finanzminister, dass er die Möglichkeit geschaffen hat und wir das heute auch beschließen werden, dass, wenn Rückstellungen aufgelöst worden sind, Zahlungen, die später eintreten, auch entsprechend abgeschrieben werden können.

Meine Damen und Herren! Herr Professor Doralt ist, abgesehen davon, dass er kein Verfassungsexperte ist, im Irrtum, wenn er meint, das sei irgendwie verfassungswidrig. Denn: Was passiert dadurch? – Erstens einmal wird die Eigenkapitalbasis der Betriebe gestärkt; niemand steckt sich das in die eigene Tasche. Zweitens wird die Zahlung beziehungsweise die steuerliche Option erst dann fällig, wenn de facto auch die Leistung fällig ist. Bei derartigen Betrieben sind es im Schnitt mindestens 17, maximal sogar 30 Jahre, bis es tatsächlich zur Abfertigungsleistung kommt, weil der Mitarbeiter geht. Und dann kann der Betrieb das in fünf Jahren abschreiben. Das ist doch eine wirklich zu vertretende Möglichkeit, für die wir danken.

Und wenn das jemand jetzt umdreht und sagt: Ja, aber da ist der kleine Betrieb, der Mittelbetrieb benachteiligt, weil der keine Rückstellungen gebildet hat!, dann, meine Damen und Herren, muss ich sagen: Ja, das ist richtig, weil er meistens auch keine Mitarbeiter gehabt hat und schon deswegen keine Rückstellungen gebildet hat. Daher: Drehen wir es doch um! Bevorteilt wird derjenige Betrieb, der über Jahre hinweg Mitarbeiter beschäftigt hat, der ein kontinuierlicher Faktor am Arbeitsmarkt war, der Rückstellungen gebildet hat. Er wird für seine Personalpo


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litik belohnt, und das ist doch durchaus in Ordnung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch auf zwei Problembereiche zu sprechen kommen. Erstens auf die Kostenfrage; diesbezüglich gibt es einen Abänderungsantrag. Was die Kosten angeht, ist zu sagen, dass in diesem Zusammenhang nicht alles nur vom Wettbewerb abhängt, sondern auch davon, was der Staatskommissär kostet und wie sich das ganze System entwickeln wird. Ich glaube, es ist richtig, auf Grund einer entsprechenden Ausschussfeststellung einmal fünf Jahre abzuwarten, dann die Kosten anzuschauen und erst danach zu entscheiden. Ich sehe aber jetzt schon die Notwendigkeit, dass die Betriebe sehr, sehr verantwortungsvoll agieren, denn die Rendite soll auf jeden Fall diese 6 Prozent erreichen.

Es wird immer wieder auch bei uns, bei den Unternehmern, gefragt: Werden durch das neue System nicht Mitarbeiter, die vom Betrieb weggehen, bestraft, weil es sich eigentlich gar nicht mehr lohnt, dass man Mitarbeiter lange im Unternehmen beschäftigt hält?

Meine Damen und Herren! Genau auf diese Problematik gibt das neue System eine Antwort: Wer will, dass das alte System gilt, kann das alte System aufrechterhalten, braucht mit den Mitarbeitern keine Vereinbarung zu schließen, dass sie ins neue System gehen. Das heißt – und das ist für mich, in einem Satz zusammengefasst, der große Vorteil des neuen Systems –, der treue Mitarbeiter im Unternehmen wird nicht bestraft, und der mobile Mitarbeiter im Unternehmen, der junge Mitarbeiter wird durch das neue System belohnt.

In diesem Sinne wundert es mich, dass alle zustimmen – und nur die Grünen wieder einmal nicht über ihren eigenen Schatten springen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dolinschek zu Wort. – Bitte. (Abg. Dolinschek wird auf dem Weg zum Rednerpult von Beifall der Freiheitlichen begleitet. – Abg. Mag. Schweitzer: Der Werkzeugmacher!)

11.43

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts einer solch bedeutenden Reform, als die sie heute schon von vielen Vorrednern, auch von der Regierungsbank aus, bezeichnet worden ist, möchte ich feststellen: Ich fühle mich wie jemand, der nach einem beschwerlichen Aufstieg den Gipfel erreicht.

In den zirka zwölf Jahren, die ich bereits hier im Hohen Hause verbracht habe (Abg. Parnigoni: Geht’s bergab!), habe ich, wenn mich jemand gefragt hat – vor allem zu Beginn meiner Tätigkeit hier –, wofür ich mich denn hier einsetzen werde, gesagt: für die Arbeitnehmer, für die Pendler. Und auf die Frage: Wofür denn konkret?, habe ich geantwortet: für eine Reform der Abfertigung. Das war mir immer ein Anliegen.

Das hat sich dann über Jahre hingezogen, und es war nicht immer ganz einfach. Im Jahre 1991 habe ich einmal eine Pressekonferenz in Klagenfurt gegeben, bei der ich meine Vorstellungen kundgetan habe, wonach jeder Arbeitnehmer seinen Abfertigungsanspruch für jeden Tag, den er in einem Betrieb gearbeitet hat, in den nächsten Betrieb mitnehmen können soll. Diese 4 Prozent der Lohnnebenkosten – dieser Betrag ist seinerzeit kolportiert worden –, mit denen die Abfertigungsansprüche die Betriebe belasten, sollen mitgenommen werden können, sollen in eine überbetriebliche Pensionskasse eingezahlt werden, und der Arbeitnehmer kann sich das entweder auszahlen lassen, oder er lässt es bis zu seinem Pensionsantritt in dieser Betriebspensionskasse drinnen.

Das hätte den Vorteil gehabt, dass der Arbeitnehmer später oder eben gleich einen hohen Betrag zur Verfügung gehabt hätte. Ich habe das oft propagiert und habe im Jahre 1992 im Parlament einen Antrag eingebracht, in dem es darum ging, dass die älteren Arbeitnehmer, die immer wieder verstärkt vom Arbeitsmarkt gedrängt worden sind, einen zusätzlichen Pensionsan


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spruch erreichen können sollen. Dieses Sieben-Punkte-Programm wurde von der damaligen Regierung abgelehnt, und das war bezeichnend!

Ich habe immer wieder Vorstöße unternommen – im Sozialausschuss, hier im Plenum; alle, die schon länger hier sind, können sich daran erinnern. Und wenn Frau Kollegin Silhavy gemeint hat, auch Frau Kollegin Hostasch hat sich, als sie Ministerin war, dafür eingesetzt, muss ich sagen: Das ist mir nicht bekannt. Ich habe das bei Hesoun eingefordert. Er hat gesagt, die Sozialpartner müssen darüber beraten, so ginge das nicht. Hums hat dasselbe gesagt – und die Frau Hostasch ebenfalls.

Die Zeit verging. Zehn Jahre sind ins Land gezogen – getan hat sich nichts. Entsprechende Fortschritte auf Seiten der Sozialpartner waren ebenfalls überfällig. Arbeitnehmervertretungen, wie Arbeiterkammer und ÖGB, haben nur darauf geschaut, dass ihre Pensionsansprüche – und die der Funktionäre waren doppelt so hoch wie die Pensionsansprüche derjenigen, die sie zu vertreten hatten – gewahrt bleiben. (Abg. Silhavy: Gaugg! Gaugg! Kehren Sie vor der eigenen Tür!) Das war so, Frau Kollegin Silhavy! Das brauchen Sie nicht abzustreiten, so war das!

Dort haben Sie nichts geändert, und jetzt, wo es so weit ist, wo Sie erkannt haben, dass das ein großer Wurf, eine große Reform wird, springen Sie auf den fahrenden Zug auf! – Aber ich bin froh darüber. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich bin außerordentlich froh darüber, dass Herr Präsident Verzetnitsch im Jahre 1999 einen diesbezüglichen Antrag eingebracht hat. Dieser war im Großen und Ganzen auch in meinem Sinn. (Abg. Verzetnitsch: 1991 bereits!) 1991 war noch gar nichts! Da war überhaupt noch nichts! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

Herr Präsident, Sie hätten jedenfalls die Möglichkeit gehabt, das über die Sozialpartner hier im Hohen Haus, dem Sie schon so lange angehören, durchzusetzen. – Es war nicht möglich. Es war nicht möglich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe im Laufe dieser Jahre viele, viele Podiumsdiskussionen durchgeführt, eine davon vor etlichen Jahren auch mit dem Kollegen Nürnberger, veranstaltet vom Freien Wirtschaftsverband in der Brigittenau, und dort hat er gesagt, das einzig Wahre sei die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse. – Diese Gruppe ist heute nicht mit dabei, weil sie sich nicht dafür interessiert hat. Ich bin aber überzeugt davon, dass sie sich auch noch dafür interessieren wird, dass sie sich hier einklinken wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Verzetnitsch: Die sind ja mit dabei! – Abg. Silhavy: Der weiß ja nicht einmal, wovon er redet!)

Von der Jungen ÖVP war ich ebenfalls zu einer Diskussion eingeladen; Amon war damals der Einladende; Kollege Feurstein war dabei. Es war eine recht sachliche Diskussion, und es waren gewisse Ansätze zu erkennen, aber die Wirtschaft oder die Lobby der Wirtschaft war damals noch nicht bereit, das so mitzutragen. Deswegen war es ungeheuer wichtig, dass die freiheitliche Fraktion in die Regierung eingetreten ist, und seit die Freiheitlichen in der Regierung sind, ist es möglich geworden (Beifall bei den Freiheitlichen), diese große Reform umzusetzen.

Ich weiß schon, dass es nicht immer ganz einfach ist, wenn die Sozialpartner, Arbeitgebervertreter und Arbeitnehmervertreter, verhandeln, vor allem, wenn man so viele Jahre verhandelt, weil dann schon jeder jeden Zug des anderen kennt. Deshalb ist da nichts mehr weitergegangen.

Wir haben Akzente gesetzt, aber wir haben gewusst, eines wird nicht gehen: Dass wir die Abfertigung bei Selbstkündigung einfach auszahlen, ohne Begleitmaßnahmen. Wir wussten, dem wird die Wirtschaft nicht zustimmen, wir müssen auch der Wirtschaft ein Zuckerl geben. (Abg. Böhacker: Fairness!) Fairness, richtig! Fairness.

Wichtig war aber vor allem die Erkenntnis, dass dieses Mobilitätshemmnis, das die Abfertigung in ihrer bisherigen Form dargestellt hat, beseitigt wird. Die Wirtschaft hat nämlich erkannt, dass es ihr schadet, wenn wir so weitertun. Berufsgruppen mit hoher Fluktuation – Präsident Verzetnitsch hat das bereits angesprochen –, Saisonbeschäftigte waren früher ausgeschlossen; die sind jetzt alle mit drinnen.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wäre eigentlich dafür gewesen, dass man nicht über das gesamte Erwerbsleben diese 1,53 Prozent einzahlt, sondern dass man die zu leistenden Einzahlungen auf die ersten 25 Erwerbsjahre, die auch bisher für die Abfertigung maßgeblich waren, beschränkt. Warum? – Es wäre natürlich ein höherer Beitrag notwendig gewesen. Die Wirtschaftskammer hat immer wieder betont, die Lohnnebenkosten für die Abfertigung betragen vier Prozent, und wenn das die ersten 25 Erwerbsjahre einbezahlt werden würde, würde sich ein beträchtlicher Betrag ansammeln. Wenn jemand das in einer überbetrieblichen Pensionskasse liegen lässt, wäre natürlich später eine viel höhere – eine viel höhere! – Rendite herausgekommen als bisher.

Die Experten haben die Sozialpartner im Ausschuss sehr gelobt dafür, dass das zustande gekommen ist, aber sie haben auch bekrittelt, dass die Rendite eher etwas niedriger ausfällt. (Abg. Silhavy: Unser Abänderungsantrag!) Meine Vorstellung wäre gewesen, dass die ersten 25 Jahre Einzahlungen erfolgen und der Betrag dann länger liegen bleibt. Auf diese Weise würde wesentlich mehr herauskommen.

Aber nichtsdestotrotz ist es ein großer Wurf. Als die ersten Gespräche mit dem Herrn Finanzminister stattgefunden haben, hat er uns versichert, die günstige Besteuerung mit 6 Prozent bei Auszahlung – wofür die Wahlfreiheit besteht – bleibe erhalten, und wenn jemand das in Form einer Rentenzahlung ausbezahlt bekommt, sei es überhaupt steuerfrei. – Meine Damen und Herren! Das ist die große Errungenschaft dieser Bundesregierung, die sich hier durchgesetzt hat!

Es ist bereits angesprochen worden, dass diese alten Ansprüche bis zu 7 500 € auch weiterhin mit einem festen Steuersatz von 6 Prozent zu versteuern sind, also begünstigt, auch wenn jemand Ansprüche darüber hinaus hat, was seine Abfertigung angeht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin stolz darauf, dass diese Reform zustande gekommen ist. Es ist heute schon zitiert worden, und wenn der ehemalige Kollege Lukesch heute zuhört, wird er sich vielleicht daran erinnern, dass er seinerzeit gesagt hat: Wenn wir das so umsetzen, wie es die Freiheitlichen haben wollen, dann würde ein großer Teil der Klein- und Mittelbetriebe in die Pleite schlittern. – So ist es nicht! Wir haben uns zusammengerauft, zusammengeredet, und es ist ein sehr großer, bedeutender Wurf gelungen.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (fortsetzend): Der Schlusssatz: Ich bin stolz, der eigentliche Motor dieser Reform gewesen zu sein, wesentlich dazu beigetragen zu haben, dass diese Abfertigung für alle Arbeitnehmer greifbar wird, für alle Österreicher gilt, also auch in den Saisonbetrieben ausbezahlt wird. (Lebhafter Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Die Redezeit der grünen Fraktion wird auf zwei Redner aufgeteilt. Ihre Redezeit beträgt wunschgemäß 5 Minuten, Frau Abgeordnete. – Bitte.

11.53

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Heute wurde die "Abfertigung neu" schon hin und her gelobt, aber wie es damit wirklich ausschauen wird, das wird, so glaube ich, die Zeit zeigen. (Abg. Böhacker: Warum sind Sie immer so negativ?)

Herr Präsident Fasslabend, es ist nicht so, wie Sie gesagt haben – ich zitiere –: dass alle österreichischen Arbeitnehmer am Ende ihres Berufslebens eine Abfertigung in der Höhe ihres Jahresgehaltes haben. – Das stimmt nicht, Herr Fasslabend, denn wie Sie wissen, muss das Berufsleben zumindest 40 Jahre dauern, damit man unter Umständen auf ein Jahresgehalt kommt! – Das ist ein wesentlicher Punkt, aber das haben Sie nicht dazugesagt.


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Trotzdem glaube ich, dass die "Abfertigung neu" ein Fortschritt ist, weil dadurch gerade jene Menschen, die bis jetzt keinen Abfertigungsanspruch gehabt haben, zumindest die Chance haben, in Zukunft eine Abfertigung zu bekommen. Nur: Die Fakten stimmen nicht ganz. Es stimmt auch nicht, wie Sie, Herr Finanzminister, gesagt haben – als Sie meinten, Sie als Finanzminister können das selten tun, aber heute sagen Sie es –, dass diese Abfertigung, wenn sie ins Pensionssystem übergeführt wird, steuerfrei sein wird. Das können Sie heute locker sagen, weil Sie zu dem Zeitpunkt, zu dem es dann für die ersten Menschen in Kraft tritt, schon lange nicht mehr Finanzminister sind, und kein Mensch kann dann auf Ihre Versprechen zurückgreifen, sondern bis dahin hat sich die Welt geändert! (Bundesminister Mag. Grasser: Wer weiß das? – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Ob dann diese Altersvorsorge, diese zweite Säule, noch steuerfrei ist oder nicht, das wissen Sie nicht, das weiß ich nicht, aber in der Regel wissen wir, dass es nicht so sein wird. Es wird nämlich auch verfassungsmäßig ein Problem sein, da Privatpensionen jetzt nur bis zum siebten Jahr steuerfrei sind, und wenn Sie jetzt diese Abfertigungspensionen steuerfrei ließen, würden Sie wahrscheinlich mit der Verfassung ein Problem bekommen.

Auch heißt es jetzt noch, jeder kann seine Abfertigung nehmen, wann er will, wenn er zu einem neuen Dienstgeber wechselt. Ob das aber auch in Zukunft so sein wird, werden wir sehen. Es wird für die einzelnen Arbeitnehmer immer schwieriger werden, ihre Abfertigung zu nehmen und zu gehen, und es wird immer mehr Druck dahin gehend ausgeübt werden – wie es Herr Bartenstein ja will –, dass dieses Geld in einem Rucksack mitgenommen wird. Die Wahlfreiheit, wann sich der Arbeitnehmer sein Geld nimmt, wird immer kleiner werden, befürchte ich. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Die Wahlfreiheit ist voll gegeben, Frau Abgeordnete!) – Momentan noch! Momentan! Das heißt ja nicht, dass es so bleibt. (Bundesminister Dr. Bartenstein: "Read my lips!")

Herr Bartenstein, ich sage Ihnen: Vorsorgen, statt sich abfertigen zu lassen – da kann ich nicht ganz mit. Ich denke, das Geld, das ich schon habe, das habe ich auch wirklich. Das andere habe ich noch nicht, und ob ich das kriege, ist eine andere Sache. Also werde ich es mir nehmen, wenn ich kann, und werde nicht irgendwas zusammensparen, wo ich gar nicht weiß, wie das im Endeffekt ausschaut.

Also nicht Rucksack-Prinzip, sondern Geld herausnehmen, wenn es möglich ist, und jeder soll sich selbst überlegen, wie er dann sein Geld anlegen will. Wenn er sich heute die Abfertigung als Zusatzpension nimmt, wird er wahrscheinlich auch Pech haben, wenn er eine Mietzinsbeihilfe braucht, weil diese Einkommen nämlich zusammengeführt werden und er unter Umständen, wenn er diese Abfertigungspension nicht hat, Sozialleistungen erhält, mit der Abfertigungspension aber nicht.

Aber ich möchte die Zeit dazu nutzen, mich auch noch mit Herrn Gaugg auseinander zu setzen. Herr Gaugg, ich habe jetzt über eine Woche lang nachgedacht, warum Sie so einen Stress haben, jetzt bei der PVA so viel Geld verdienen zu müssen. Ich verstehe es einfach nicht! Sie dürfen ja ohnehin nur 66 000 S für sich selbst behalten! Warum also dieser Stress? Sie kommen doch mit dem Geld, das Sie jetzt als Abgeordneter verdienen, locker durch und müssen noch nicht einzahlen. Wenn Sie jetzt mehr verdienen, müssen Sie das ja ohnedies eins zu eins abliefern.

Ich frage mich: Gibt es einen Druck von Ihrer Fraktion, über die PVA die Parteikassa der FPÖ aufzubessern? Was ist es? Herr Gaugg, kommen Sie runter! Vergessen Sie den Stress! Wenn es stimmt, dass diese 66 000-S-Regelung – oder 4 796-€-Regelung – pro Monat noch gilt, brauchen Sie sich keinen Stress zu machen. Dann lassen Sie es so, wie es ist! Herr Abgeordneter Gaugg, die PVA ist nicht dazu da, die Finanzkassen der FPÖ aufzufüllen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wochesländer: Das ist eine Unterstellung!)


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11.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

11.58

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Wirtschaftsminister! Herr Finanzminister! Hohes Haus! Ich möchte nur noch zwei Punkte, die bisher nur teilweise erwähnt wurden, in die Debatte einbringen.

Erstens: Offenbar haben bisher sowohl die Bundesregierung als auch die Regierungsparteien eine Verpflichtung, die besteht, nämlich, jede neue Maßnahme im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf Frauen und Männer zu überprüfen, nicht erfüllt. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. ) Ich verstehe nicht ganz. Vielleicht sagen Sie noch etwas dazu, Herr Bundesminister, Sie können sich ja jederzeit zu Wort melden.

Herr Bundesminister, gerade eben, am 2. Mai, ist wieder im Ministerrat beschlossen worden, dass das Gender Mainstreaming durchzuziehen ist. Das wirkt natürlich massiv unterschiedlich bei Frauen und Männern, denn wir wissen, dass bei Frauen schon die Aktivbezüge um ein Drittel geringer sind und dass sie stärker von berufsbedingten Unterbrechungen betroffen sind. Daher wäre das, was mein Kollege Öllinger angeregt hat, so wichtig gewesen, nämlich dass Mittel gerade auch für eine beispielsweise betreuungsbedingte Unterbrechung angesprochen werden können. – Aber von all dem ist nichts!

Und vor allem besteht die Verpflichtung, dass Sie sagen, wie das auf Frauen und Männer wirkt. Dazu haben Sie sich, wie gesagt, verpflichtet. Das ist nicht irgendetwas, was man auch tun kann, wenn einem fad ist, sondern das ist etwas, was Sie tun müssen. Ich bedauere, dass diese Verpflichtung zwar auch von der Regierung immer wieder betont wird, aber noch nie erfüllt worden ist. Ich verlange das! (Beifall bei den Grünen.)

12.00

Erklärung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten zum Thema "Südtirol" gemäß § 19 Abs. 2 GOG

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 zwecks Abgabe einer Erklärung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten zum Thema "Südtirol".

Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung entsprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten eine Debatte stattfinden.

Zunächst begrüße ich aber unsere Gäste in der Loge, an der Spitze Herrn Alt-Landeshauptmann Dr. Silvius Magnago (allgemeiner Beifall), Herrn Staatsrat a. D. Alcide Berloffa (allgemeiner Beifall), Frau Landtagspräsidentin Dr. Alessandra Zendron (allgemeiner Beifall), den Obmann der Südtiroler Volkspartei Dr. Siegfried Brugger (allgemeiner Beifall), den Obmann der Freiheitlichen Partei Pius Leitner (allgemeiner Beifall), Herrn Altbundespräsidenten Dr. Kurt Waldheim (allgemeiner Beifall), den früheren Vizekanzler und Außenminister Dr. Alois Mock (allgemeiner Beifall) sowie Alt-Landeshauptmann Dipl.-Ing. Alois Partl. (Allgemeiner Beifall.)

Die für die Debatte vereinbarten Redezeiten darf ich wie folgt in Erinnerung bringen: Für die Erklärung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten sind längstens 12 Minuten in Aussicht genommen. Danach folgen ein Redner pro Fraktion à 6 Minuten, ein Regierungsmitglied mit 6 Minuten, ein SPÖ-Mandatar mit 4 Minuten, je ein ÖVP- sowie FPÖ-Mandatar mit je 3 Minuten sowie ein grüner Mandatar mit 4 Minuten.

Überschreitet ein Regierungsmitglied die vorgegebene Redezeit, vermindert sich im selben Maße die Redezeit des zweiten Redners jener Fraktion, der das Regierungsmitglied zuzurechnen ist.

Weiters ist vereinbart, dass während der Fernsehübertragungszeit keine tatsächlichen Berichtigungen aufgerufen werden.

Ich erteile nunmehr der Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten das Wort. – Bitte, Frau Bundesminister.


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12.03

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Vor fast genau zehn Jahren, nämlich am 5. Juni 1992, hat der Nationalrat die Bundesregierung mit Entschließung ersucht, den seit 1960 bei den Vereinten Nationen anhängigen Streit mit Italien über die Auslegung des Pariser Abkommens betreffend Südtirol für beigelegt zu erklären.

Auf Grund eines Berichtes des Außenministeriums war das Parlament damals nach eingehender Debatte zur Überzeugung gelangt, dass das Paket derart als erfüllt anzusehen ist, dass Südtirol – ich zitiere wörtlich – "heute in seinem ethnischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bestand gesichert ist". Damit waren die wesentlichen Voraussetzungen des Pariser Vertrages als verwirklicht anzusehen.

Am 11. Juni 1992, also gestern vor zehn Jahren, erklärte Österreich sodann in einer offiziellen Note an die italienische Seite den Streit über Südtirol für beigelegt. Diese Erklärung wurde noch am selben Tag dem Generalsekretär der Vereinten Nationen notifiziert.

Hohes Haus! Ich halte es für wichtig, der Öffentlichkeit diese Abläufe in Erinnerung zu rufen, ebenso die Tatsache, wie intensiv sich das Parlament damals mit dem Thema Südtirol auseinander gesetzt hat. Darin kommt eben vor allem der staatspolitische Stellenwert zum Ausdruck, welcher der Südtirolfrage mit gutem Grund stets beigemessen worden ist.

Ich halte es daher auch für wichtig, dass der Unterausschuss zur Erörterung südtirolpolitischer Fragen auch zehn Jahre nach Streitbeilegung weiter besteht, wodurch sinnfällig zum Ausdruck gebracht wird, dass die Schutzfunktion Österreichs für Südtirol auf der Grundlage des Pariser Abkommens weiterhin gegeben ist (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der Grünen) und auch auf einem parteienübergreifenden Konsens beruht.

Alois Mock, der ja, wie wir alle wissen, vor zwei Tagen Geburtstag hatte und dem ich noch einmal herzlich gratulieren möchte, meinte: "Für die Anliegen Südtirols wird sich die Schutzmacht Österreich immer einsetzen – mit der Kraft des Verstandes und des Herzens!"

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute kann ich das in meiner Funktion als Außenministerin, aber auch als Österreicherin, die gewisse familiäre Bande nach Südtirol hat, nur bestätigen. Selbstverständlich stehe ich dazu und habe es, wie ich meine, auch in der Vergangenheit schon gezeigt. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

An dieser Stelle darf ich noch einmal einen herzlichen Gruß an eine Reihe von Freunden aus Tirol und Südtirol richten, die, angeführt von Alt-Landeshauptmann Silvius Magnago, heute bei uns sind. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie dieser Debatte beiwohnen! (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die dynamische Weiterentwicklung der Autonomie Südtirols in den letzten zehn Jahren bestätigt, dass die Abgabe der Streitbeilegungserklärung zum richtigen Zeitpunkt erfolgte und die richtige Entscheidung war. Das Land konnte seither, wie ich meine, seine Kompetenzen noch erheblich ausbauen und sogar die Autonomie zusätzlich festigen. Auch sonst sind die Dinge für Südtirol gut gelaufen.

Seit Österreichs EU-Beitritt am 1. Jänner 1995 sind die Tiroler Landesteile in einem Binnenmarkt miteinander verbunden und entwickeln sich, eingebettet in den europäischen Integrationsprozess, immer besser. Wir verfügen damit über denkbar günstige Rahmenbedingungen auch für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit vor allem im Rahmen dieser Europaregion. Die regionale Zusammenarbeit über den Brenner, so darf ich sagen, ist tatsächlich auch ein ausgezeichnetes Beispiel für gute regionale Kooperation.

Eine zusätzliche Dynamik ist nun durch das Schengener Abkommen entstanden, durch den Wegfall der Grenzkontrollen am Brenner im April 1998. Ich erinnere mich, dass das auch ein großer emotionaler Moment war, und zwar sowohl für die Tiroler als auch für die Südtiroler.


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Durch die Teilnahme Österreichs und Italiens auch an der gemeinsamen Währung konnte natürlich die wirtschaftliche Kooperation zwischen den Tiroler Landesteilen noch weiteren Impetus erhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben die Streitbeilegung vor zehn Jahren in der vertrauensvollen Erwartung erklärt, dass Italien auch nach unserem Schritt als unser künftiger Partner in der Union, auch im Bewusstsein um die gemeinsamen europäischen Werte, den rechtlichen Besitzstand Südtirols weiter schützen und fördern würde. Ich darf heute sagen: Wir haben uns nicht getäuscht!

Darüber hinaus herrscht heute im Land an Etsch und Eisack sozialer Friede. Das Zusammenleben der verschiedenen Sprachgruppen entwickelt sich gedeihlich, und die Wirtschaft floriert. All dies geht zwar nicht nur, aber doch auch sehr stark auf dieses erfolgreiche Funktionieren der Autonomie zurück.

Wenn nun die Entwicklung der letzten zehn Jahre für Südtirol positiv verlaufen ist, so hängt dies aber auch mit der hohen Qualität der Beziehungen zwischen Österreich und Italien zusammen. Unsere Erfahrungen mit dem offenen Dialog mit Italien über alle Fragen gemeinsamen Interesses, also auch über Südtirol, darf ich als sehr positiv charakterisieren.

Skeptiker haben in jüngster Zeit argumentiert, die gesellschaftlichen Umwälzungen, die in Europa und in der Welt seit der Einigung über das Südtirol-Paket vor fast 33 Jahren eingetreten sind, würden die Südtirol-Autonomie überholt und somit revisionsbedürftig erscheinen lassen. Ich teile diese Meinung nicht! Zwar hat sich im sozialen Gefüge und im Bewusstsein der Menschen natürlich sehr viel geändert; das bedeutet aber nicht, dass die kulturelle Identität mit dem wesentlichen Kriterium der Sprache dem heutigen Menschen kein Anliegen mehr wäre.

Europa betont – ganz im Gegenteil! – mit Nachdruck den Diskurs über die Minderheiten und die Notwendigkeit des Schutzes dieser Identität. Wir haben dazu gestern den Generalsekretär des Europarates bei uns gehabt. Er hat uns das noch einmal ganz klar bestätigt.

Die Grundpfeiler der Südtirol-Autonomie, die genau dieses Ziel verfolgen, haben sich meiner Überzeugung nach als friedensstiftende Instrumente bewährt.

Sehen wir uns die heutige Welt mit ihren zahlreichen gewaltsam geführten Konflikten um ethnische Minderheiten an! Einige haben sich ja auch vor unserer Haustür abgespielt. Das hilft uns, zu ermessen, welcher Erfolg diese Südtirol-Lösung war und wie wichtig unser Einsatz ist, auch in anderen Streitfällen im Rahmen der Europäischen Union, der OSZE – ich erinnere hier an die österreichische Präsidentschaft im Jahre 2000, wo wir so viele Streitfälle im Bereich der Minderheiten hatten –, aber auch der Vereinten Nationen zu einer friedlichen Beilegung zu mahnen und entsprechende Maßnahmen zu unterstützen.

Ich bin überzeugt davon, dass von dieser Südtirol-Lösung eine wirkliche Vorbildwirkung für die Lösung anderer Minderheitenkonflikte ausgehen kann. Über die Grundprinzipien und die Kernlemente der Südtirol-Autonomie kann heute kein europäischer Politiker, der Verantwortung für Sprachen und Minderheiten hat, hinwegsehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung grundsätzlicher Art. Ich habe gestern schon angeführt, dass es eine gewisse Analogie gibt zwischen der Situation des Jahres 2000 und der heutigen. Damals gab es auf der einen Seite Minderheitenkonflikte in Jugoslawien und auf der anderen Seite trotzdem die Hoffnung, in die Europäische Union zu kommen. Heute ist es ja in gewisser Weise ähnlich: auf der einen Seite immer noch große Konflikte im Nachbarschaftsbereich, auf der anderen Seite die EU-Erweiterung. Daher darf ich doch die Frage in den Raum stellen: Wäre es nicht richtig, auch hier zu einer Kultur der Vergangenheitsbewältigung und der Streitbeilegung zu kommen? – Ich glaube, die Antwort kann nur ein entschiedenes Ja sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Österreich unterstützt diese EU-Erweiterung mit Nachdruck, aber ich glaube, es sollte auch dieser große historische Schritt für uns und auch für andere, für Nachbarländer, ein Anlass sein,


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mit der Geschichte ins Reine zu kommen und so unbelastet in das gemeinsame Europa von morgen, in das Europa der ungeteilten Menschenrechte hineinzugehen. Ich glaube, wir selbst haben in den letzten Jahren wichtige Gesten zur Bewältigung unserer eigenen Vergangenheit gesetzt. Daher dürfen wir, so meine ich, mit Recht darauf hoffen, dass auch andere europäische Staaten mit ähnlichem Weitblick und Verantwortungsgefühl darangehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal Alois Mock zitieren, der hier am 5. Juni 1992, an dieser Stelle, im Rahmen einer Debatte gesagt hat:

"In einer Welt blutigster Nationalitätenkonflikte kann jene Lösung, die Österreich und Italien im Falle des vor der UNO anhängigen Streites gefunden haben, für ganz Europa als Zeichen der Hoffnung gelten, als Zeichen für eine neue Kultur des internationalen Zusammenlebens".

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Wort haben auch heute ihre Bedeutung nicht verloren. – Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Danke, Frau Bundesministerin, für Ihre Ausführungen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte.

12.13

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich finde es richtig und gut, dass gestern von der Frau Außenministerin zu einem Südtirol-Festakt anlässlich des 10. Jahrestages von Paket-Abschluss und Streitbeilegung eingeladen wurde, und ich finde es auch richtig und gut, dass sie heute hier im Parlament eine Erklärung dazu abgegeben hat.

Zu den fünf Punkten, die die Frau Außenministerin erwähnt hat, nämlich dynamische Weiterentwicklung, gute Rahmenbedingungen für die Europaregion, neue Dynamik durch Schengen, Impetus für die wirtschaftliche Entwicklung sowie gute Beziehungen zwischen Österreich und Italien, möchte ich sagen, dass auch die Sozialdemokratie diesen Punkten völlig zustimmt und auch wir keine Revisionsbedürftigkeit der Verträge sehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist dies ein guter Anlass, sich eines Momentes hier im Parlament von vor zehn Jahren zu erinnern, von dem Abgeordneter Dr. Peter Jankowitsch damals, am 5. Juni 1992, richtig feststellte, dass es ein "guter Beitrag in einer zerklüfteten Welt sei, in der es dem Generalsekretär der Vereinten Nationen wahrscheinlich nur selten passieren werde, dass zwei der Mitgliedstaaten vor ihn hintreten und sagen: Herr Generalsekretär, unser Streit ist zu Ende!"

Es ist dies meiner Meinung nach auch ein guter Anlass, festzuhalten, wie richtig dieser Schritt von vor zehn Jahren war und wie positiv, verstärkt natürlich durch die gemeinsame Mitgliedschaft von Italien und Österreich in der EU, er sich ausgewirkt hat.

Darüber hinaus ist es auch ein guter Anlass, die Vertreter Südtirols und Italiens in Wien und hier im Parlament zu begrüßen und auch dadurch die guten Beziehungen und die Verbundenheit zu erneuern. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich an die Parlamentssitzung vom 5. Juni 1992 noch genau. Eingeleitet haben Bundeskanzler Vranitzky und Außenminister Mock. Berichterstatter war ich selbst als Ausschussobmann. Es gab eine interessante Debatte, die von weitgehendem Konsens geprägt war. Der parteiübergreifende Konsens war damals nicht vorhanden. Die FPÖ-Vertreter sprachen sich dagegen aus. In der namentlichen Abstimmung wurde der Bericht mit 125 "Ja"- und 30 "Nein"-Stimmen, also SPÖ, ÖVP und Grüne dafür, FPÖ dagegen, angenommen.


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Auch die Entschließung – und ich stehe nicht an, das hier auszusprechen; Geschichte ist Geschichte –, die sehr weitgehend von Abgeordnetem Khol geprägt wurde, wurde mehrheitlich angenommen.

Meine Damen und Herren! Ich finde es auch gut, dass die Frau Außenministerin gestern und teilweise auch heute alle gewürdigt hat, die auf italienischer Seite, auf österreichischer Seite, auf der Seite des Bundeslandes Tirol und auch auf Seiten Südtirols dazu beigetragen haben. Ich habe es selbst erlebt, dass sich hier im Parlament zum Beispiel Mock und Steiner, um zwei Vertreter der ÖVP zu nennen, und viele andere übrigens auch dafür eingesetzt haben.

Ich habe es deshalb – und ich möchte das heute auch erwähnen – als etwas politisch kleinkariert empfunden, dass die Frau Ministerin gestern und auch heute einen ausgelassen hat, der dann gestern dankenswerterweise von Landeshauptmann Durnwalder erwähnt wurde, nämlich Dr. Bruno Kreisky. Seine Verdienste für Südtirol sind unvergessen. (Beifall bei der SPÖ, bei den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es ist heute genau das eingetreten, was Kreisky in seiner visionären Rede am 18. Oktober 1960 in den Vereinten Nationen gesagt hat, dass das nämlich eine Chance ist und zu guten Beziehungen zwischen Österreich und Italien führen wird.

Ich habe es auch ein bisschen bedauert, dass gestern kein Vertreter der Sozialdemokraten zu Wort kommen konnte. Sagen Sie nicht, es hätten nur Regierungsvertreter gesprochen! Es hat richtigerweise gestern auch der Obmann der Südtiroler Volkspartei, also der stärksten Partei in Südtirol, gesprochen. Es war das eine vertane Chance, auch zu zeigen, dass hier eine einheitliche Linie besteht, dass Sie den Worten hinsichtlich einer gemeinsamen Außenpolitik auch Taten folgen lassen. Ich glaube, das war eine ungenützte Chance von Ihnen, Frau Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Italien und Österreich haben Europa mit der Südtirol-Lösung ein gutes Beispiel gegeben. Es ist aber nicht nur ein Beispiel für andere Länder, es muss auch ein Beispiel für uns selbst sein, für die Behandlung der Minderheiten und Volksgruppen in unserem eigenen Lande. (Beifall bei der SPÖ.)

12.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

12.19

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Frau Außenministerin! Liebe Gäste aus Südtirol und aus dem Bundesland Tirol! 1918 kam Tirol unter das Beil. Es wurde in drei Teile zerhackt: Südtirol kam zu Italien, die Unrechtsgrenze am Brenner wurde aufgerichtet. Die Italianisierung meiner Heimat begann.

Die deutsche Sprache wurde in den Keller verbannt. Der Todesmarsch der österreichischen Minderheit schien zu beginnen. Das Verbrechensregime von Adolf Hitler, der Nationalsozialismus, hat Südtirol endgültig verraten. Die Südtiroler wurden ausgesiedelt, sie wurden zu Fremden in der Heimat. 1945, nach dem Krieg, kamen die Ausgesiedelten zurück, hatten keine Staatsbürgerschaft mehr, waren rechtlos und Fremde im eigenen Land.

In den Verhandlungen in Paris, wo wir die Unrechtsgrenze beseitigen wollten, hat Gruber mit Außenminister De Gasperi ein Autonomieabkommen geschlossen, das berühmte Gruber-De Gasperi-Abkommen. Die Autonomie wurde aber nicht eingehalten. Italien hat damals nicht Wort gehalten. Daraufhin kam der Streit, den wir vor zehn Jahren nicht ohne Risiko beigelegt haben. Das Risiko für Österreich war, dass der Todesmarsch der Minderheit weitergehen würde. Das Risiko für Österreich war, dass die Brennergrenze als Unrechtsgrenze weiterbestehen würde. Das Risiko war, dass wir auch unseren Anspruch auf Selbstbestimmung dieses Landes verwirken würden. – Es hat sich gelohnt, dass wir dieses Risiko eingegangen sind.


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Meine Damen und Herren! Heute können wir sagen, Italien hat Wort gehalten. Südtirol ist ein blühendes Land. Der Todesmarsch der Minderheit ist gestoppt. Bei jeder Volkszählung wird der Anteil der deutschsprachigen Bevölkerung wieder größer, und wir nähern uns wieder dem Wert von 1918. Die Landeseinheit ist im Geist der Europäischen Union hergestellt. Wer nicht Tiroler ist, der kann nicht fühlen, was es bedeutet, wenn wir heute über die Brennergrenze fahren und keinen Reisepass mehr herzeigen müssen. Da wird einem warm ums Herz. (Allgemeiner Beifall.)

Die Landeseinheit ist hergestellt im Geiste Europas. Die Minderheit ist eine Brücke geworden, die Italien und Österreich verbindet. Wir können heute sagen, wir sind befreundete Länder.

Wir werden auch nicht vergessen, wie die Regierung von Italien uns behandelt hat, nämlich die Berlusconi-Regierung, nicht die vorhergehende, als alle anderen mit uns nicht reden wollten. Wir sind Freunde geworden. Die Lösung des Südtirolproblems hat dazu beigetragen. Ich hoffe, dass im Geist der Großzügigkeit auf beiden Seiten des Brenners auch die Trientiner jetzt großzügig sind zu einer kleinen Minderheit, die von Herrn Nicolussi, dem Bürgermeister – er ist unter uns –, hier vertreten wird. Es gibt noch eine kleine versprengte österreichische Minderheit in Trient, die nicht die Sprachautonomie hat. Die Trientiner bitte ich, sie großzügig zu behandeln. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Frau Bundesminister hat auf etwas hingewiesen, was ich unterstreichen möchte, und ich möchte es deutlicher sagen. Wir haben dieses Problem zwischen Österreich und Italien in Verhandlungen gelöst, die hart geführt wurden, die immer wieder unterbrochen waren, die manchmal zu scheitern drohten, in sehr langen Verhandlungen. Politik ist das Bohren harter Bretter mit Geduld und Augenmaß. Wir hatten alles: Geduld, harte Bretter und Augenmaß. Ich hoffe, dass die Tschechen, die auch in die Europäische Union wollen und die mit uns jahrhundertelang im gleichen Staatsverband waren, ebenfalls diese Geduld und das Augenmaß aufbringen werden, um ihre Probleme im Verhandlungswege zu beheben, bevor sie in die Europäische Union kommen, nämlich derart, dass die Unrechtsdekrete von Beneš zu historischem Unrecht erklärt werden und eine Versöhnungsgeste uns gegenüber gesetzt wird. Das ist meine Hoffnung! (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte abschließend allen Landsleuten aus Südtirol und Tirol herzlich dafür danken, dass sie hier sind. Wir versprechen Ihnen: Wir bleiben eure Schutzmacht! Ihr werdet den Schutz nicht mehr brauchen; schützt, bitte, ihr uns! Glück auf! (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

12.25

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Frau Außenminister! Hohe Gäste auf der Galerie! Liebe Tiroler nördlich und südlich der Brennergrenze und nicht zuletzt Hohes Haus! Es ist und bleibt Unrecht, dass man im Jahre 1918 Südtirol gegen seinen Willen von Österreich getrennt hat. Es ist und bleibt Unrecht, dass in Zeiten des Faschismus eine Italianisierungs- und Majorisierungskampagne durchgeführt und großer Druck auf die Bevölkerung ausgeübt wurde. Es ist und bleibt aber auch Unrecht, dass den Südtirolern zweimal das Selbstbestimmungsrecht verwehrt wurde. Das sage ich aus der Sicht der Tochter von zwei Südtiroler Optanten, zwei von 75 000, die damals unter dem Druck des Faschismus ihre Heimat verlassen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nicht nur die Südtiroler, die nach Südtirol zurückgegangen sind, waren rechtlos, auch wir Optanten, die in Österreich geblieben sind, haben erst 1949 oder 1950 die Staatsbürgerschaft erhalten. Aber auch jene, die in Südtirol geblieben sind, die "Dableiber", sind einen harten und steinigen Weg gegangen, um zu ihrem Recht zu kommen. Nachdem der Grundstein, das Gruber-De Gasperi-Abkommen aus 1946, nicht eingehalten worden war, war es absolut richtig, die Streitbeilegungserklärung 1960 bei der UNO zu hinterlegen. Es war gut, den Weg der ewig


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dauernden steinigen Verhandlungen zu gehen. Es hat schon im Jahr 1969 den Versuch eines Paketabschlusses gegeben, allerdings ohne Erfolg.

Aber auch das Paket von 1992 und die Streitbeilegungserklärung waren mit einem gewissen Risiko behaftet. Es hat der damalige Außenminister Mock damals bereits eingestanden, dass es keine Ideallösung war. Es war gewissermaßen ein Blankoscheck, denn diesem Hohen Haus war der Text des Abkommens gar nicht bekannt. Es hat die internationale rechtliche Absicherung der Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis gefehlt. Außenminister Mock hat damals bereits gesagt, dass es noch offene Fragen gibt, etwa die der "Schwarzen Listen", die strafrechtliche Verfolgung der Südtirolaktivisten und eben diese Unsicherheit der AKB.

Landeshauptmann Durnwalder hat gestern dankenswerterweise festgehalten, dass aus Sicht der Freiheitlichen, die damals in Opposition waren, ihre Nein-Stimme verständlich und richtig war. Aber ich stehe heute nicht an, einzugestehen, dass in diesen zehn Jahren seit der Streitbeilegung die italienische Regierung alle Maßnahmen mit Südtirol abgesprochen hat, dass die Vereinbarungen eingehalten wurden, ja noch mehr: Man hat Südtirol sogar noch mehr Kompetenzen zugestanden. Österreich hat in diesen zehn Jahren sehr gut die Aufpasserfunktion ausgeübt. Das hat gestern der italienische Europaminister Buttiglione auch in dem Sinn unterstützt, dass er von zwei intelligenten Regierungen gesprochen hat. Auch das gestehe ich hiermit ein und bin mit Dank erfüllt. Dank vor allem an den großen Kämpfer Silvius Magnago, der hier auf den Rängen sitzt, an Landeshauptmann Durnwalder, an Außenminister Mock, an die Tiroler Landeshauptleute und an alle, die an dieser Lösung mitgewirkt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Ich kann heute guten Gewissens wiederholen, was 1992 UN-Generalsekretär Boutros-Ghali gesagt hat, nämlich dass hier ein Minderheitenkonflikt vorbildlich gelöst wurde.

Ich möchte aber Herrn Landeshauptmann Durnwalder um Folgendes ersuchen: Er möge in der Schulfrage nicht nachlassen. Er möge mit Vehemenz die Aufhebung der über die Südtiroler Aktivisten verhängten strafrechtlichen Sanktionen weiter betreiben. Auch die Problematik der Ortsnamenregelung, der so genannten Toponomastik, die ja auch auf ein faschistisches Dekret zurückgeht, steht noch vor einer Lösung. Ich bitte ihn, sich weiter dafür einzusetzen.

Ich gebe so wie Klubobmann Khol die Versicherung ab, dass diese österreichische Regierung ihre Schutzfunktion auch weiterhin ausüben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

12.31

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Vor allem sehr geehrte Gäste aus Südtirol! Vor zehn Jahren war der Abschluss des so genannten Südtirol-Paketes nicht nur der Abschluss eines langen, zähen und oft gestörten Verhandlungsprozesses, sondern es war auch de facto der Abschluss einer Vorstellung, die in der Konfliktregion herrschte, dass man nur ohne den jeweils anderen im eigenen Land ein gutes Südtirol würde bauen können. Es war das Ende einer Vorstellung, dass das Verschwinden des anderen die optimalste aller Varianten sein würde. Sie wurde ersetzt durch ein Bild des Zusammenlebens, durch ein Bild des Miteinander-Auskommens, auch auf der Basis und nach einer langen Geschichte von Konflikten.

Von De Gasperi und Gruber über Kreisky und Saragat bis zu vielen großen Persönlichkeiten, von denen einige uns heute die Ehre ihrer Anwesenheit geben, haben sich Menschen dafür engagiert, in der Minderheitenfrage mit einem weiten Blick in die Zukunft zu agieren, mit einem Blick in die Zukunft eines Zusammenlebens, auch wenn sie in ihrer jeweiligen eigenen Gruppe damals weit davon entfernt waren, eine Mehrheit zu haben. Sie hatten aber auch die nötige Zähigkeit, diese Mehrheit, die gegen eine friedliche Lösung stand, zu überzeugen und für diese Überzeugung zu arbeiten.


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106. Sitzung / Seite 71

1992 war der Abschluss des Südtirolpaketes keine Selbstverständlichkeit; das muss man in Erinnerung rufen. Das internationale Umfeld war beileibe nicht so günstig für eine Lösung einer Frage wie der Südtirol-Frage, wie man es heute oft unterstellt. Es gab die Krise durch die Selbständigkeit von Kroatien und Slowenien, die Nationalismus und Nationalisten, auch in Südtirol, auch in Österreich, neuen Auftrieb gab und verstärkt dazu bewog, nicht zu den bis zu diesem Zeitpunkt schon erreichten Erfolgen zu stehen. Es gab Proteste, und es gab ein Wiederaufleben eines nationalistischen Diskurses. Es gab damals Bossis Padanien, und es gab eine sich abzeichnende Wende in Italien, die natürlich auch klarmachte, dass es vielleicht in wenigen Jahren nicht mehr möglich sein würde, die Konsenspolitiker auf beiden Seiten anzutreffen, die fähig waren, dieses Projekt zu tragen und gegen die Kritiker in den eigenen Reihen und im eigenen Land auch durchzutragen.

Es gab den Missbrauch des großen Schlagwortes der Europaregion, das zum Rütteln an der Deutschen Eiche missbraucht wurde. Das waren zweifellos alles Störungen, die von den weitblickenden Politikern und Politikerinnen damals überwunden wurden.

1992 wurde eine sichere Basis geschaffen für eine Entwicklung in Südtirol dahin gehend, dass erstens Südtirol seine Dinge selbst erledigen können würde, ohne vorher in Wien oder in Rom zu antichambrieren, und dass zweitens die Konsensmethode, der institutionalisierte Respekt für Minderheitenrechte, es ermöglichen würde, Schritte in Richtung Zusammenleben zu machen. Südtirol wurde so zu einem anerkannten Modell, das eine sichere Basis für eine Weiterentwicklung und auch für eine Respektierung zum Beispiel neu entstehender gemischter Identitäten in Südtirol bilden kann. Das ist auch die Anforderung an Österreich als Schutzmacht, diese Prozesse zu unterstützen und ständig im Kontakt mit diesen Entwicklungen zu bleiben.

Zum Abschluss: Ein Modell wie Südtirol ist ein schützenswertes und unterstützenswertes Modell, weil es auch Vorbild für viele Konfliktregionen in Europa ist. In Zeiten des Rechtspopulismus halte ich es für extrem wichtig, die Worte in "nationalen Fragen" – unter Anführungszeichen – bedachtsam zu wählen – und wir haben heute nicht nur bedachtsame Worte gehört – und solche Erfolgsmodelle von einer Rückwendung zu nationalistischen Denkmustern nicht gefährden zu lassen. Eine Realität in Südtirol kann nicht einbalsamiert werden, sondern sie muss auf der Basis dieser Verträge für ein gedeihliches Zusammenleben weiterentwickelt werden. Österreich und Italien können stolz auf dieses gemeinsame Modell sein! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus hat sich Frau Vizekanzler Dr. Riess-Passer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Vizekanzler.

12.37

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freunde aus Südtirol! Hohes Haus! Als 1992 der Paket-Abschluss erfolgte und die Streitbeilegungserklärung abgegeben wurde, konnte niemand von uns mit Sicherheit sagen, ob es zehn Jahre später Grund zum Feiern geben wird. Es gab damals auch Sorge und Skepsis. Aus heutiger Sicht erscheint diese positive Entwicklung fast selbstverständlich. Wenn man aber die Geschichte der letzten Jahrzehnte kennt, dann wird man schnell zu der Erkenntnis kommen, dass das Erreichte alles andere als selbstverständlich war.

Es ist das Ergebnis – es ist heute schon mehrfach gesagt worden – des unermüdlichen Einsatzes einer ganzen Reihe von Politikern aus Südtirol, Italien und Österreich. Es hat in den letzten zehn Jahren nicht nur keine Einschränkungen von Seiten Roms gegenüber der Autonomie gegeben, sondern im Gegenteil, es sind in verschiedenen Bereichen auch Zuständigkeiten dazugekommen. Die Südtirol-Autonomie ist damit von einem Konfliktfall zu einem herausragenden Modell des Zusammenlebens geworden. Ich glaube daher auch, dass es an der Zeit wäre, eine letzte offene Frage aus der Vergangenheit zu lösen und die letzten Aktivisten der sechziger Jahre zu begnadigen und damit auch einen Schlussstrich unter diese Vergangenheit zu ziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Die Südtiroler Autonomie hat Vorbildwirkung für Europa in mehrfacher Hinsicht, vor allem im Hinblick auf die Lösung von Minderheitenfragen in verschiedenen europäischen Staaten. Minderheitenfragen kann man nie mit Minimallösungen oder mit Mittelmaß lösen, sondern hier ist in Europa noch vieles zu tun, und Südtirol kann hier ein Vorbild sein. Ich habe bei meinen Gesprächen in Rom vor kurzem, auch mit verschiedenen Regierungsmitgliedern, die Überzeugung vertreten, dass wir, Österreich und Italien, gemeinsam, auch beim EU-Konvent, die Festlegung von Mindeststandards für die Minderheitenpolitik in Europa vorantreiben sollen, weil das wirklich ein dunkler Punkt in der europäischen Entwicklung ist, dass die Grundrechtskommission es nicht zustande gebracht hat, diese für das friedliche Zusammenleben in Europa so wichtige Frage entsprechend zu lösen.

Gerade diejenigen, die immer so gerne auf die europäischen Werte verweisen und diese immer im Munde führen, sollten genau in dieser Frage auch entsprechend unterstützend tätig sein. Es ist das auch ein Appell nicht nur an die jetzigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern auch an jene, die Mitglied dieser Gemeinschaft werden wollen, an unsere Nachbarn im Osten und Südosten, dem Beispiel Österreichs und Italiens zu folgen und anstehende Probleme zu lösen, damit man frei und ohne innere Vorbehalte und Belastungen aus der Vergangenheit in eine gemeinsame Zukunft in Europa gehen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Recht auf Heimat und das Selbstbestimmungsrecht der Völker – das Frau Kollegin Lichtenberger, muss ich Ihnen sagen – haben nichts, aber schon gar nichts mit Nationalismus zu tun, sondern sind unverzichtbarer Bestandteil des friedlichen Zusammenlebens der Völker in Europa! (Abg. Dr. Lichtenberger: Das wäre schön!) Ihren Worten habe ich entnommen, dass Sie das nicht verstanden haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Europaregion Tirol ist kein Blick zurück, sondern sie ist ein Vorbildmodell für die Zukunft in Europa und für die Stärkung der Regionen und auch für die Vertretung der regionalen Interessen in diesem Europa. Das unterstütze ich mit ganzem Herzen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Man muss jeder Versuchung widerstehen – Frau Abgeordnete Haller hat schon darauf hingewiesen –, unter Berufung auf den Zeitgeist die Prämissen der Südtirol-Autonomie in einzelnen Punkten leichtfertig in Frage zu stellen. An der Substanz der Autonomie, die die Identität der Sprach- und Volksgruppen sichert, muss daher weiter entschieden festgehalten werden. Die österreichische Bundesregierung wird auch weiterhin ihre Schutzmachtfunktion auf der Grundlage des Pariser Abkommens, und zwar nicht nur aus Verpflichtung, sondern aus ganzem Herzen, erfüllen. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter DDr. Niederwieser. – Bitte.

12.42

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Freunde aus Südtirol! Hohes Haus! Wenn der österreichische Nationalrat seine Tagesordnung unterbricht, um sich eigens dem Thema Südtirol zu widmen, dann wohl deshalb, weil wir uns als österreichischer Nationalrat immer noch und auch in Zukunft unserer Verantwortung bewusst sind, die wir für Südtirol tragen, und weil wir auch heute daran denken, dass Südtirol bis 1919 ein Teil Tirols und ein Teil Österreichs gewesen ist.

Aber wenn wir in einer so ernsten Situation zusammenkommen und überlegen, was in den letzten zehn Jahren passiert ist, dann lohnt sich auch der Blick in die Zukunft. Ich sage ganz offen: Unsere Erwartungen für die nächsten zehn Jahre sind nicht so gut wie die für die letzten zehn Jahre. Es wäre falsch, von der Geschichte zu reden und Teile davon wegzulassen, Kollege Khol oder auch Kollegin Haller.

Was ist das Problem, das den Südtirolern in den letzten Monaten tatsächlich große Sorgen bereitet hat? Wieso hat eine Partei wie die Südtiroler Volkspartei, die an und für sich eine ziemlich


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konservative Partei ist, ein Bündnis mit Mitte-Links geschlossen, um in ihrem Wahlkreis einen Kandidaten der Liste Berlusconi zu verhindern? – Weil sie gewusst haben, dass sich die Autonomie Südtirols unter dieser Mitte-Links-Konstellation sehr positiv weiterentwickelt hat, und weil sie befürchtet haben und nach wie vor befürchten – und das müssen wir, bitte, ernst nehmen! –, dass es mit der Autonomie nicht positiv weitergehen wird, und sie wissen, dass man hier sehr auf der Hut sein muss.

Wieso muss man sehr auf der Hut sein? – Auch da lohnt sich der Blick in die Geschichte. Kollegin Haller, du hast die Optanten erwähnt. Das ist wirklich ein schlimmes Kapitel, das den Ausgang in einem Abkommen, geschlossen 1939 in Berlin zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien, genommen hat: Jene, die den Südtirolern zugesagt haben, die dortige deutsche Minderheit zu schützen, genau jene haben dann diese deutsche und österreichische Minderheit verraten. 75 000 Menschen mussten wegziehen! Dass die Menschen in Südtirol eine gewisse Sorge darüber haben, wie sie von jener Partei, die sich nach wie vor offen und ungeniert als die Nachfolgepartei der damaligen Faschisten bezeichnet und deren Vertretern die Frau Vizekanzlerin erst vor kurzem einen Besuch abgestattet hat, wie sie von jener Partei, die sie in der Geschichte so leidvoll erfahren haben, behandelt werden, das liegt auf der Hand.

Ich denke daher, dass es wichtig ist, dass wir uns zu einer gemeinsamen Politik für Südtirol bekennen, aber dass wir auch diese Gefahr des Nationalismus in Europa ganz klar sehen und auch wissen, dass jeder Nationalismus eine extrem minderheitenfeindliche Position einnimmt und dass das Überhandnehmen des Nationalismus in Europa die Minderheiten – auch die österreichische Minderheit in Südtirol – gefährdet.

Wir wünschen unserer österreichischen Minderheit, dass die Entwicklung in den nächsten zehn Jahren zumindest so gut weitergeht wie in den letzten zehn Jahren. Wir erinnern sie aber auch an ihre Verantwortung für ein positives Zusammenleben aller Volksgruppen in Südtirol. Wir erklären hier in aller Deutlichkeit, dass es eine gemeinsame Südtirol-Politik mit uns nur dann gibt, wenn Sie als Regierungsparteien die Interessen Südtirols über die Interessen der Parteibindungen zu den Rechtsparteien in Italien stellen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte.

12.46

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Frau Außenministerin! Liebe Freunde aus Süd- und Nordtirol! Carissimi amici dell’Italia! Meine Legitimation, als Zweitredner meiner Fraktion zu diesem Thema sprechen zu dürfen, leite ich nicht so sehr aus der formalen Tatsache ab, Mitglied des Südtirol-Unterausschusses zu sein, sondern vielmehr aus dem Faktum, dass ich seit meiner Jugend in diese Problematik involviert war. Ich habe in Rom studiert und promoviert, habe dann 1959, in einer besonders schwierigen Zeit, mit einem Jugendchor Südtirol bereist. Wir haben jeden Abend unter einer anderen Dorflinde unsere Volkslieder gesungen, von "Kein schöner Land in dieser Zeit" bis "Wahre Freundschaft soll nicht wanken", um der dortigen autochthonen deutschsprachigen Bevölkerung das Bewusstsein zu geben, dass sie nicht nur vom offiziellen Österreich nicht vergessen ist, sondern auch vom einfachen Volke nicht.

Dann war ich später zehn Jahre hindurch Präsident der Österreichisch-Italienischen Gesellschaft, die sich die Vertiefung der Freundschaft zwischen den beiden Völkern zum Ziel gesetzt hat.

Da mir nur drei Minuten Redezeit zur Verfügung stehen, möchte ich mich auf zwei Gedanken beschränken: Erstens möchte ich meiner außerordentlich großen Freude darüber Ausdruck verleihen, dass der Südtirol-Konsens aller vier Parteien heute außer Frage steht, was nicht immer der Fall war. Zweitens möchte ich einen Gedanken unterstreichen, den sowohl die Frau Bundesministerin als auch Dr. Khol in ihren Schlussworten bereits zum Ausdruck gebracht haben: Eine Vereinbarung der Art, wie sie die Streitbeilegung mit Italien bezüglich Südtirol dar


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stellt, kann nur dann funktionieren, wenn sie von beiderseitigem Verständnis für die Position des jeweils anderen getragen ist. Österreich hat am Fall Südtirol bewiesen, dass es dieses Verständnis aufbringt, und Italien hat dieses Verständnis von der anderen Seite her aufgebracht.

Wir haben zwei bilaterale Probleme, die noch offen sind – das ist bereits gesagt worden –: AVNOJ und einige wenige der insgesamt 143 Beneš-Dekrete. Dass Österreich das Verständnis aufbringt, hat es bewiesen. Es bleibt an der anderen Seite zu beweisen, dass das Verständnis auch von dorther kommt (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und den Freiheitlichen), ein Verständnis, das, wenn es aufgebracht wird, zeigt, dass die Südtirol-Lösung fundamentale Bedeutung für ein Europa von morgen hat und dass Lösungen zustande kommen können, die im beiderseitigen Interesse liegen – und damit auch im Interesse der Erhaltung des Friedens im Europa von morgen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.49


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. – Bitte.

12.49

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Frau Außenministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! In den Beziehungen zwischen Österreich und Italien spielte das Thema "Südtirol" in der Vergangenheit eine äußerst wichtige und – das erkennt man, wenn man an die Ereignisse der sechziger Jahre denkt – auch eine durchaus belastende Rolle. Erst der Paket-Abschluss des Jahres 1969, der den besseren Schutz der Südtiroler im italienischen Staat sicherte, und die Erlassung des neuen Autonomiestatutes 1971/72 führten nach und nach zu einer Normalisierung der politischen Verhältnisse.

Mit der Abgabe der so genannten Streitbeilegungserklärung von Seiten Österreichs gegenüber Italien wurde am 11. Juni 1992 der zu Beginn der sechziger Jahre vor der UNO aufgeworfene Südtirol-Konflikt formell beendet.

Wir freuen uns alle über diese positive Entwicklung der Südtirol-Autonomie, die in vielen mittel- und osteuropäischen Staaten als Beispiel und als Vorbild für das Zusammenleben verschiedener Volksgruppen betrachtet wird. Zweifellos stellen die kürzlich erfolgte Verankerung des Namens "Südtirol" in der Verfassung, die Abschaffung des römischen Sichtvermerkes für Landesgesetze sowie die Rückstufung des Regierungskommissariates weitere Erfolge der Südtirol-Politik dar. Trotzdem sind das Festhalten an der geltenden Sprachenzugehörigkeitserklärung und die Beibehaltung der so genannten Ansässigkeitsklausel durchaus notwendig. Ein Thema für die Zukunft bleibt die Frage der Ortsnamenregelung, der so genannten Toponomastik, wenn man nicht Relikte der Vergangenheit für immer festschreiben will.

Meine Damen und Herren! Es ist auch zu hoffen, dass sich ähnliche Vorfälle wie jene neulich beim Dreier-Landtag nicht mehr wiederholen. Dort haben nämlich die Abgeordneten der Provinz Trentino wegen eines Antrages, der eine Amnestie ehemaliger Südtiroler Freiheitskämpfer betraf, eine völlig unnötige Provokation gesetzt.

Ich möchte mit einigen persönlichen Anmerkungen schließen. Der Besuch der Frau Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer am 25. Mai in Südtirol hat die engen Verbindungen zwischen Österreich und Südtirol ebenso vertieft wie der Besuch der Frau Außenministerin einige Wochen und Monate davor. Nicht nur das Treffen mit Herrn Landeshauptmann Durnwalder, sondern auch die Gespräche mit Südtiroler Bäuerinnen haben deutlich gezeigt, dass die Südtiroler unser Land noch immer als Schutzmacht betrachten. Beeindruckend war auch das Schützentreffen in Salurn, zu dem wir vom Abgeordneten Leitner, der heute auch als Zuhörer anwesend ist, begleitet wurden.

Ich hoffe, meine Damen und Herren, dass jetzt, nach dieser Zehn-Jahres-Feier, bald auch jene Reise des österreichischen Südtirol-Ausschusses zustande kommt, auf die wir uns eigentlich seit Herbst vergangenen Jahres vorbereiten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

12.53

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehrte Frau Außenministerin! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren Gäste auf der Galerie! Meine Damen und Herren hier im Plenum! Diese Südtirol-Autonomie, dieses Südtirol-Paket, das vor zehn Jahren hier im Nationalrat beschlossen wurde, ist wirklich einzigartig und beispielgebend, sowohl für die Europäische Union, wohl auch für die erweiterte Europäische Union, als auch – und das ist heute schon erwähnt worden – für den gesamten Bereich der Vereinten Nationen. Ich selbst habe in zahlreichen Gesprächen auf internationaler Ebene dieses Beispiel der Südtirol-Autonomie immer wieder als positives Beispiel dafür erwähnt, wie Minderheitenrechte geschützt werden können und wie das im Einvernehmen gehen kann, auch wenn es schwierig war; das ist mir schon bewusst.

Aber, meine Damen und Herren, es gibt in Österreich wohl auch andere und sehr aktuelle Themen, von denen ich meine, dass sie auch zu einem Herzensanliegen, wie Sie, Frau Ministerin, Südtirol gestern genannt haben, dieser Regierung und dieses Parlaments gemacht werden sollten – die es leider nicht sind.

Das eine ist die Erweiterung der EU, sind die Beziehungen Österreichs zu seinen Nachbarstaaten, vor allem derzeit zu Tschechien. Wie sieht da die Realität aus? Da ist von Herzensanliegen und von gemeinsamem Vorgehen lange nicht die Rede. Wie ist es sonst zu erklären, dass die Abkommen zwischen Österreich und der Tschechischen Republik über die Beschäftigung in Grenzzonen und über den Austausch von Arbeitnehmern zur Erweiterung der beruflichen und sprachlichen Kenntnisse seit mehr als einem halben Jahr nicht einmal in den Außenpolitischen Ausschuss kommen? Dies deshalb, weil die Regierungsfraktionen – auch Ihre Fraktion, Frau Außenministerin – das einfach nicht wollen, weil sie sich mit der anderen Regierungsfraktion nicht einigen. Die Erweiterung ist so gesehen kein Herzensanliegen dieser Regierung, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie schaffen es auch nicht, einen Antrag der Grünen, der eine gemeinsame österreichisch-tschechische Erklärung zu den Beneš-Dekreten zum Ziel hat, um hier ein Zeichen gegenüber Tschechien zu setzen und das auch von den Tschechen einzufordern, auf die Tagesordnung dieses Ausschusses zu setzen. (Abg. Großruck: Südtirol ist das Thema!) Auch das ist nicht möglich, Frau Außenministerin! Das heißt, die EU-Erweiterung, die Beziehungen zu Tschechien sind Ihnen kein Herzensanliegen, so wie es richtigerweise das Südtirol-Autonomie-Paket ist. (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Südtirol! Südtirol!) Dieses Herzensanliegen, das es für die Grünen sehr wohl ist, das wird von Ihnen, Frau Ministerin, das wird von den Regierungsfraktionen in diesem Parlament nicht einmal halbherzig betrieben. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Klubobmann Khol hat gehofft, dass die Trentiner jetzt auch gegenüber ihren deutschsprachigen Sprachgruppen großzügig sein werden. Herr Klubobmann Khol – er ist leider jetzt nicht im Saal –, sehr geehrte Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! (Abg. Mag. Schweitzer: Auf der Galerie ist er! – Abg. Schwarzenberger: Er horcht zu!) Wie schaut es denn mit der Großzügigkeit gegenüber den Slowenen in Österreich aus? Wie sieht es denn mit den zweisprachigen Ortstafeln aus? Da ist es wohl so, dass auch da ein Unrecht ist und bleibt (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), sodass die Kärntner Slowenen jetzt noch immer zum Verfassungsgerichtshof gehen müssen, um die Umsetzung des Erkenntnisses die Amtssprachen betreffend einzufordern, um die 4. Klasse Volksschule zweisprachig machen zu können, um die zweisprachigen Ortstafeln überall umzusetzen. (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Zur Sache! Zur Sache!)

In Südtirol sieht man, dass das für niemanden mehr ein Problem ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Letztklassig, was Sie da machen! Entsetzlich!) In Südtirol stehen überall zwei-, manchmal sogar dreisprachige Ortstafeln, Herr Kollege Schweitzer. Warum ist das in Kärnten nicht möglich? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Grauenhaft,


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was Sie da abziehen!) Warum will Herr Landeshauptmann Haider das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht umsetzen?

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz, Frau Abgeordnete, bitte!

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (fortsetzend): Es kommt der Schlusssatz: Das sollten Sie zu einem Herzensanliegen machen, genauso wie Sie Südtirol zu einem gemacht haben! Das gehört auch in Österreich umgesetzt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 wieder auf.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Petrovic, die in ihren Ausführungen vor dieser Debatte irrtümlich unterbrochen wurde. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.58

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Meine feministische Kritik an der "Abfertigung neu" habe ich bereits vorgetragen. Mir ist bei Durchsicht des Präsidialprotokolls aus gegebenem Anlass auch aufgefallen, dass das Präsidialprotokoll der Forderung und Verpflichtung nach sprachlicher Gleichbehandlung leider nicht gerecht wird. Ich rege beim Präsidenten und beim ganzen Hohen Haus an, in Zukunft darauf zu achten.

Mein letzter Punkt zur "Abfertigung neu" – und da komme ich zurück auf die Ausführungen des Abgeordneten Mitterlehner, der sich für diese Neuregelung bedankt hat –: Die Kritik am steuerlichen Doppelprivileg für Großunternehmen ist also offenbar berechtigt. Ich verstehe nicht, wie Sie eine Regelung beschließen können, durch die eine steuerrechtliche Begünstigung der Vergangenheit, die nach der alten Rechtslage sicher gerechtfertigt war, jetzt auf einmal zu einem Doppelprivileg umfunktioniert wird, denn diese Beträge, die nach der "Abfertigung alt" als Rücklage gebildet worden sind, können jetzt offenbar irgendwie verwendet werden.

Das heißt, Beträge, die zweckgebunden gebildet worden sind – ich erinnere daran: die Abfertigung ist ja letztlich ein Gehaltsbestandteil –, können jetzt für irgendwelche, auch private Zwecke verwendet werden. Damit ist einerseits klar, dass das Geld, das eigentlich für bestimmte Zwecke gebunden war, jetzt nach Gutdünken der Unternehmungen eingesetzt werden kann, und zweitens scheint die Kritik des Steuerrechtlers Doralt offenbar berechtigt zu sein.

Es sind nicht alle Unternehmungen gleichermaßen in der Lage gewesen, solche Rücklagen zu bilden. Das ist nicht gleich bei allen Branchen – ich denke da etwa an Saisonbranchen –, und das ist nicht gleich bei Klein- und Großbetrieben, und ich habe schon den Eindruck, dass – es ist zwar jetzt niemand auf der Regierungsbank – die vorhin anwesenden Vertreter der Industrie, etwa der Herr Finanzminister oder der Herr Wirtschaftsminister, hier sehr klar ihre Handschrift hinterlassen haben.

Ich frage Sie, Herr Stummvoll, Herr Mitterlehner: Wie erklären Sie das den Kleinbetrieben, dass die ganz großen Unternehmen, die zuvor schon das Privileg hatten, steuerlich begünstigte Rücklagen zu bilden, diese jetzt für irgendwelche privaten Zwecke, nicht einmal zur Stärkung der Eigenkapitalbasis, verwenden können, während diese Möglichkeit kleineren Betrieben oder etwa Saisonbetrieben von der Realität her nicht offen stand?

Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, auch die regen Debatten in den Bankreihen lassen darauf schließen, dass das auch für Sie eine Frage ist, die offenbar nicht genug berücksichtigt worden ist. Ich habe außerdem den Eindruck, dass dieser Problemkreis in Zukunft wahr


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scheinlich auch die Höchstgerichte beschäftigen wird. Es scheint mir wirklich nicht angebracht, dass vor allem offenbar durch eine sehr komplizierte Textierung der verschiedenen Gesetze, die da geändert werden, durchs Hintertürl ein gewaltiges Privileg für einige wenige Großbetriebe eingeführt worden ist, von dem die kleinen Betriebe nichts haben – und schon gar nicht die Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer.

Meine Damen und Herren! In einer Diskussion über eine derartige, nämlich sachlich überhaupt nicht gerechtfertigte Privilegienwirtschaft hätte ich mir schon erwartet, dass zumindest irgendjemand auf der Regierungsbank anwesend ist und sich auch dazu äußert. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Sophie Bauer.  – Abg. Dr. Khol: Der Bundeskanzler ist da!) Dann erwarte ich mir auch, dass er sich dazu äußert. (Abg. Dr. Stummvoll: Fragestunde ist keine!) Es ist keine Fragestunde, aber ich habe den Eindruck, dass auch in Ihren Reihen einige Fragen laut geworden sind.

Ich denke, wenn ein nicht ganz unmaßgeblicher Steuerrechtler, der einen gewissen Namen hat, meint, das sei eine grobe Verfassungswidrigkeit – und ich kann der Argumentation durchaus folgen –, dann wäre es doch ein bissel mehr als ein Gebot der Höflichkeit, dass irgendein Vertreter der Regierung dazu sagt: Nein, wir sehen das nicht so!, oder: Ich teile die Argumente nicht, weil ...! Aber Derartiges habe ich eigentlich nicht gehört, sondern nur den Dank des Herrn Mitterlehner, und diesen Dank können wahrscheinlich nur einige wenige Großbetriebe nachvollziehen. Ich glaube, die Vertreter der Wirtschaft werden sich vor allem von den Klein- und Mittelbetrieben eine sehr harsche Kritik anzuhören haben – und ich, das muss ich sagen, teile diese Kritik. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Zufallsprinzip einzuführen, wer welche Steuerprivilegien hat, halte ich nach der Verfassung für nicht gerechtfertigt. Dass privilegierte Rücklagen, die steuerlich viel besser behandelt worden sind, jetzt auch für private Zwecke umgepolt werden können, während gleichzeitig die Bei-träge, die jetzt für die "Abfertigung neu" abzuführen sind, wieder als Betriebsausgabe gelten, das ist etwas, was in der österreichischen Rechtsordnung in dieser Form ziemlich einzigartig ist.

Meine Damen und Herren! Ich fordere Sie auf: Überdenken Sie diesen Passus noch einmal, be-vor wir uns vielleicht wieder mit der Peinlichkeit konfrontiert sehen, dass ein Höchstgericht Änderungen durchführt!

Es wäre auch ganz freundlich und ganz nett, wenn sich irgendjemand dazu äußern würde. In diesem Sinne möchte ich den Antrag stellen, dass auf der Regierungsbank ein Mitglied präsent sein möge. (Beifall bei den Grünen.)

13.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete! Meines Wissens ist der Herr Bundeskanzler nur kurz hinausgegangen und wird gleich wieder hier sein. Also vielleicht warten wir einen Redner ab, wenn Sie einverstanden sind. Nein? – Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

13.05

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Es wäre nicht "nett", wie meine Kollegin es formuliert hat, sondern es ist wohl notwendig, dass in einer Debatte – egal, über welches Thema, heute eben über das Thema "Abfertigung neu" – ein Regierungsmitglied anwesend ist. Es ist überhaupt niemand mehr auf der Regierungsbank anwesend!

Unter solchen Umständen kann man wohl nur die Sitzung unterbrechen und warten, bis die Regierungsbank wieder etwas voller ist als jetzt – jetzt ist sie ja vollkommen leer. So geht es sicher nicht! (Abg. Dr. Khol: Er ist schon da!)

13.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir haben schon Ihrem Antrag entsprochen: Herr Minister Bartenstein ist schon da! Wir können die Sitzung fortsetzen. Danke, Herr Minister Bar-tenstein!


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Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Csörgits. – Bitte.

13.06

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist schon bezeichnend für diese Bundesregierung, dass bei solch einem wichtigen Meilenstein, nämlich "Abfertigung neu", die Regierungsbank so leer ist. Das ist schon bezeichnend, denn in der Diskussion heute Vormittag haben fast alle Redner von ÖVP und FPÖ gesagt, wie wichtig ihnen die "Abfertigung neu" sei und wie entscheidend sie alle dazu beigetragen hätten. Das dürfte jetzt aber nicht mehr so bedeutend sein, wie es am Vormittag dargestellt worden ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Zwischen Tun und Handeln ist ein ganz gewaltiger Unterschied. Ich möchte von dieser Stelle aus sehr deutlich sagen: Die "Abfertigung neu" ist ein Verdienst der Sozialpartner (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), die "Abfertigung neu" ist vom ÖGB, von der Arbeiterkammer mit der Bundeswirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung ausgehandelt worden. So ist es gewesen und nicht anders! (Beifall bei der SPÖ.) Ich weiß, dass ein Erfolg viele Väter hat, aber ich weiß auch ganz genau, wer die Mutter war, nämlich der ÖGB und die Interessenvertretung der Arbeitnehmer dieses Landes! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich besonders hervorheben, wie wichtig diese Veränderung für berufstätige Frauen ist. Erstmals in der Geschichte wird eine derartige Regelung für berufstätige Frauen, die zum Beispiel im Saisonbereich beschäftigt sind, also kurze Beschäftigungen haben und früher nie in den Genuss gekommen sind und nie die Gelegenheit gehabt haben, eine Abfertigung zu bekommen, geschaffen.

Ich möchte weiters ganz deutlich sagen, dass es erst durch Druck seitens des ÖGB und der Arbeiterkammer gelungen ist, dass auch die Ersatzzeiten im Zusammenhang mit Kinderbetreuungszeiten angerechnet werden, denn im ursprünglichen Entwurf war das nicht vorgesehen. Der ÖGB, die ÖGB-Frauenabteilung, hat massiv dagegen gewettert und gesagt, es könne ja wohl nicht so sein, dass Präsenzdienstzeiten angerechnet, Kinderbetreuungszeiten aber nicht angerechnet werden. Das ist abgeändert worden – aber nicht auf Grund der Bundesregierung, sondern auf Druck des ÖGB, der ÖGB-Frauenabteilung, und der Arbeiterkammer. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Bundesregierung behauptet immer, so frauen- und familienfreundlich zu sein. Wenn man sich den alten Entwurf anschaut, dann muss man sagen: Das ist nicht der Fall, es hat durchaus des Nachrüstens von unserer Seite bedurft.

Ich freue mich darüber, dass die "Abfertigung neu" jetzt auf Schiene gesetzt ist. Ich darf noch einmal sagen: Es war in erster Linie ein Verdienst des ÖGB und der Arbeiterkammer! (Beifall bei der SPÖ.)

13.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

13.08

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Abfertigung sichern und Zusatzpension ermöglichen – das waren die beiden Hauptziele, die wir über Jahre hinweg verfolgt haben. Ich freue mich über jeden einzelnen – auch über Frau Kollegin Csörgits –, der wann immer während dieses Prozesses mitbekommen hat, dass das der Weg in die Zukunft ist, und heute mit uns dieses Gesetz mitbeschließt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir bekennen uns zu beiden Zielen: sowohl die Abfertigung sichern als auch die Zusatzpension ermöglichen. Das ist doch attraktiv, wenn kein Zwang – wie es ja in der Diskussion immer wieder unterstellt wurde – ausgeübt wird und wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, sich bei Kündigung für den "Rucksack" oder für die Auszahlung zu entscheiden, wenn er die Möglichkeit hat, sich bei der Pensionierung zu entscheiden, und – was ich für beachtenswert halte – wenn


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er die Möglichkeit hat, sich schon ab dem 40. Lebensjahr endgültig für die wesentlich günstigere Verrentung zu entscheiden; günstiger durch die Steuerbegünstigung.

Ich weiß nicht, weshalb gerade jene Gruppen – und das ist mir schon während der gesamten Diskussion rund um die "Abfertigung neu" aufgefallen –, die jetzt schon an die Abfertigung herangekommen sind, die jetzt schon Betriebspensionszusagen haben oder hatten, die jetzt schon höher abgesichert waren, das als einen Schaden und nicht als einen Vorteil für den Arbeitnehmer angesehen haben.

Ich will auf die Diskussion um die Urheberschaft nicht weiter eingehen – nur so viel: Das zeigt, dass Beharrlichkeit dazu führt, dass sich richtige Ideen durchsetzen, auch wenn anfangs sehr viele Etablierte dagegen sind. So freut es mich, dass uns die Sozialpartner in diesem letzten Jahr des Diskussionsprozesses unterstützt und ein Paket geschnürt haben, auf dessen Grundlage wir heute abstimmen werden.

Ich sage aber auch ganz offen dazu, dass dieses Paket vielleicht dann, wenn es ohne Sozialpartner ausverhandelt worden wäre, in Nuancen – nicht in der Grundausrichtung – anders aussehen würde.

Ich möchte zwei Punkte ansprechen, und zwar erstens einen Abänderungsantrag von der SPÖ, in dem es um die so genannten Mindeststandards bei Übertragung geht. – Ich hätte mir hier auch eine Sicherung gewünscht, nicht so kompliziert, mehr im Sinne einer Klausel, aber, meine Damen und Herren: Wenn man a) ja zu einer Sozialpartnerregelung sage, dann kann man doch b) als Gesetzgeber nicht dort in individuelle Arbeitsvertragsregelungen eingreifen, wo sich die Sozialpartner nicht geeinigt haben und keinen Entwurf in dieser Frage zustande gebracht haben. Wer ja zu a), zur Sozialpartnerregelung, sagt, muss das auch zu b) sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens, meine Damen und Herren, möchte ich die Rolle der Arbeiterkammern aufgreifen, die auch Frau Kollegin Csörgits dankenswerterweise angesprochen hat. Ich freue mich, dass die Bundesarbeitskammer mit ihrem Präsidenten Tumpel in Bezug auf die Abfertigungsdiskussion offensichtlich aufgewacht ist. In den letzten Jahren habe ich nämlich nichts von ihm gehört – bis zum vergangenen Montag, als er von mir in der letzten Sozialpartnerrunde dezidiert darauf angesprochen wurde, ob er denn wirklich damit einverstanden wäre, dass, so wie es jetzt ist, die Vertreter der Arbeitnehmerschaft in den Schiedsverfahren und in den Aufsichtsräten vom ÖGB gestellt werden. Es hat dazu keine Meinung von Seiten der gesetzlichen Interessenvertretung gegeben.

Das, meine Damen und Herren, wäre bei unseren "Ohne-Sozialpartner-Regelungen" selbstverständlich anders. Das gehört aber nicht hierher, das gehört innerhalb der Arbeiterkammern ausdiskutiert, und dort wird es sicherlich auch noch eine Rolle spielen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sehen dieses Sozialpartnerpaket, das letzten Endes auch dadurch zustande gekommen ist, dass es von einem Minister moderiert wurde, der Wirtschaft und Arbeit in einem Ressort vereinigt, als Zukunftskompetenz dieser Bundesregierung, wodurch auch neue zukunftsträchtige Regelungen – Kinderbetreuungsgeld, "Abfertigung neu", Familienhospizkarenz, was jahre- und jahrzehntelang nicht möglich gewesen ist – zustande kommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.14

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen haben gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen zur Überprüfung

1. der Frühpensionierungen im Bereich der Bahn, Post und Telekom,


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2. der Ablöse von Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern in der öffentlichen Wirtschaft des Bundes,

3. des Vorruhestandes mit 55 im öffentlichen Dienst (so genannte "Chance 55"),

4. anderer Funktionsveränderungen im Bereich des Bundes (zum Beispiel im Bereich der Sozialversicherungen)

seit Februar 2000 auf Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit sowie Gesetzmäßigkeit.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen. Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

13.15

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Dieses neue Abfertigungssystem ist sicherlich eine historisch sehr bedeutsame Leistung, eine wichtige Reform, die diese Bundesregierung vornimmt und umsetzt.

Wie bereits bisher in der Debatte ausgeführt, gibt es sicherlich eine ganze Menge von Vorteilen, die sich aus diesem neuen System der Abfertigung ergeben. Abgesehen davon, dass nun mehr als 3 Prozent der Arbeitnehmer in den Genuss einer Vollabfertigung kommen, abgesehen von der Tatsache, dass bislang in etwa 15 Prozent der Arbeitnehmer überhaupt in den Genuss einer Abfertigung gekommen sind, besteht nun die Möglichkeit für alle Arbeitnehmer, eine Abfertigung zu erhalten, und es besteht auch die Möglichkeit, eine attraktive Zusatzpension durch eine entsprechende Verrentung und mit steuerlichen Vorteilen zu erhalten.

Die vielfältigen und, wie ich meine, auch durchgängigen Probleme des alten Systems werden wohl in Zukunft nach einer bestimmten Übergangszeit der Vergangenheit angehören; ebenso die Ungerechtigkeiten, die nachteilige Auswirkungen nicht nur für die Arbeitnehmer hatten, sondern auch für die Arbeitgeber.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, festzuhalten, dass sich in der Vergangenheit schon der Verdacht aufgedrängt hat, dass aus der Sicht der SPÖ das alte System der Abfertigung möglichst erhalten bleiben sollte – heute eine geänderte Darstellung. Sie haben und hätten 30 Jahre Zeit gehabt, das alte System in ein neues, zeitgemäßes umzuwandeln. Die Diskussion darüber, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ob nun eine Abfertigung ein Lohnbestandteil oder eine Treueprämie ist, wird mit Sicherheit der Vergangenheit angehören.

Was Ihnen möglicherweise abhanden kommen wird, ist ein bisschen Klassenkampf, der auf dieser Bühne nicht mehr ausgetragen werden kann, nämlich: hier der böse Unternehmer, der seinen mit Abfertigungsanspruch behafteten Arbeitnehmer gleichsam loswerden will, ihn zur Selbstkündigung bewegt, und da der entlassene Arbeitnehmer, der eben einen entsprechenden Abfertigungsanspruch hat. – Dies wird der Vergangenheit angehören.

Dieser Bundesregierung ist es zu danken, dass dieses neue System der Fairness nun zur Umsetzung gebracht wird. Ich möchte an dieser Stelle nicht verabsäumen, meinem Kollegen Sigi Dolinschek, der 1991 die klubinterne Diskussion über das Abfertigungssystem begonnen und 1992 einen entsprechenden Antrag im Parlament eingebracht hat, für seine Beharrlichkeit zu danken, die er hier an den Tag gelegt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Des Rätsels Lösung ist mit einem Wort zu beschreiben, und dieses Wort heißt "Rucksack": nicht ein Rucksack, mit dem man eine Last auf den Rücken geschnallt bekommt, sondern ein Ruck


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sack, der auch unterwegs, sollte das Bedürfnis bestehen, eine "Wegzehrung" bietet oder eben eine Zusatzpension ermöglicht.

Für mich erstaunlich ist, dass – wie in keinem anderen Fall – die Vaterschaft für diese Regelungen doch von so vielen getragen und übernommen werden will; trotzdem, denke ich, wird kein Vaterschaftstest vorgenommen werden. Mit den Müttern ist das ganz anders, die Mutterschaft ist normalerweise immer unbestritten. Aber in Bezug auf das nun vorliegende Sozialpaket wurden schon die Ministerin außer Dienst Hostasch sowie der ÖGB und die Arbeiterkammer als Mütter genannt. Also von der Ministerin außer Dienst Hostasch, die zwar möglicherweise ein optisch mütterlicher Typ ist, habe ich – und das blieb wohl auch für die Öffentlichkeit unbemerkt – von Mutterschaft nichts vernommen.

Wenn Herr Arbeits- und Wirtschaftsminister Bartenstein davon spricht – das hat er in seinem Schlusssatz getan –, dass die Gewinner die österreichischen Arbeitnehmer seien und das erfreulich sei, dann möchte ich festhalten, dass das für die Arbeitnehmer sehr wohl erfreulich ist, möchte aber nicht verhehlen, dass das auch aus der Sicht der Unternehmer durchaus positiv zu sehen ist.

Wir wissen, dass in der Vergangenheit auf Grund des bestehenden Systems Unternehmungen oft in Zahlungsschwierigkeiten gerieten, insbesondere im KMU-Bereich, die tatsächliche Existenzbedrohungen dargestellt haben, die in manchen Fällen auch zu Insolvenzen geführt haben. Wir wissen, wie schwierig es war mit Übergaben von Unternehmen, vom Vater auf den Sohn oder auf einen anderen Unternehmensnachfolger, der gesagt hat: Ja, ich übernehme, aber du fertigst zuerst deine alten und treu gedienten Arbeitnehmer ab; anderenfalls übernehme ich dein Unternehmen nicht!

Vorteilhaft ist sicherlich auch eine Absenkung der Beiträge im Bereich des Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds, die ja kommen wird, insbesondere natürlich für jene Arbeitnehmer, die nun im Abfertigungssystem neu sind.

Ein Eigenvorsorgemodell für Unternehmer wird von dieser Bundesregierung angedacht, und ich bin auch sehr zuversichtlich, dass dieses System zur Umsetzung kommen wird, und zwar für jene Gruppen, die von der "Abfertigung neu" nicht bedacht sind. Diese sollten auch die Möglichkeit einer zusätzlichen Pensionsvorsorge erhalten.

Lassen Sie mich abschließend noch etwas zur Mobilität der Arbeitnehmer, die auch schon angesprochen wurde, sagen: Ich sehe die Mobilität der Arbeitnehmer als Vorteil auch für Arbeitgeber, denn nur zufriedene und engagierte Arbeitnehmer sind, wie ich meine, eine sehr wesentliche Voraussetzung für den Erfolg eines Unternehmens. Der Erfolg eines Unternehmens ist direkt im Konnex mit den Arbeitsplätzen zu sehen, mit einem positiven Beschäftigungseffekt und dient somit auch der Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der övp.)

13.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Riepl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

13.22

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Hohes Haus! Herr Abgeordneter Tancsits hat beklagt, dass die Arbeiterkammer in den letzten Jahren nichts zur Abfertigungsdiskussion beigetragen habe. Ich erinnere nur daran, Herr Abgeordneter, wie viele Vollversammlungen in den Arbeiterkammern in allen Bundesländern sich regelmäßig mit dieser Forderung der sozialdemokratischen Gewerkschaftsfraktion auseinander gesetzt haben. Auch Ihre Vertreter des ÖAAB haben teilweise mitgestimmt und die gleiche Meinung vertreten. – Das nur zur Ordnung. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Die Abfertigung in der jetzigen Form, die "Abfertigung neu", ist sicherlich ein sozialpolitischer Fortschritt, zu dem ich mich bekenne; das ist auch schon ausgeführt worden. Eine langjährige Forderung der Gewerkschaften ist damit in Erfüllung gegan


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gen, nämlich die Forderung, dass auch bei Selbstkündigung ein Abfertigungsanspruch gesichert ist.

Ich möchte nicht den Urheberstreit fortsetzen, aber ich kann mich noch daran erinnern, Herr Abgeordneter Fasslabend, dass es schon in den siebziger Jahren Bundeskongress-Beschlüsse des ÖGB und einzelner Gewerkschaften gab, in denen genau dieses Modell, insbesondere den Anspruch bei Selbstkündigung betreffend, formuliert und verlangt wurde. Damals waren auch die christlichen Gewerkschafter nicht dagegen. – Das nur zur Wahrheit im Rahmen dieser Diskussion.

Sehr verehrte Damen und Herren! Positiv ist, dass nunmehr fast alle Arbeitnehmer Anspruch haben, positiv ist, dass die Einhebung der Beiträge über die Gebietskrankenkassen erfolgt – es war ja anderes geplant –, und positiv ist, dass auch die Petition des BMW-Betriebsrates Steyr mit dieser heutigen Beschlussfassung als erfüllt gelten kann.

Defizite gibt es zum Beispiel beim Übertragungsangebot der Arbeitgeber. Es kann ein Teilverzicht vereinbart werden, und das ist eine Sache, die nicht unbedingt positiv ist.

Dazu möchte ich auch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, 1176 der Beilagen, betreffend Änderungen und Verbesserungen der Abfertigungsbestimmungen beim Übergang vom alten in das neue Recht für den Arbeitnehmer einbringen.

Die vorgeschlagenen Änderungen bezwecken vor allem, Übervorteilungen der Arbeitnehmer bei der Übertragung von Altanwartschaften an die Mitarbeitervorsorgekasse zu unterbinden.

Zuletzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich aber noch einen wichtigen Punkt – zum wiederholten Male – in Erinnerung bringen. In der Regierungsvereinbarung von ÖVP und FPÖ ist klar festgehalten, was die Zielsetzung bei der "Abfertigung neu" sein soll. Die Regierung hätte, wenn diese Regelungen in der Form umgesetzt worden wären, Hunderttausende Arbeitnehmer benachteiligt, Saisonarbeiter hätten erst nach dem zweiten Dienstjahr Anspruch erhalten – das geht bei Saisonarbeitern, wie wir wissen, ja nicht –, über 45-Jährige hätten keine Beiträge mehr lukrieren können, und nach 25 Beitragsjahren wären ebenfalls keine Beiträge mehr zu zahlen gewesen, und das Ganze hätte in einer Zwangspension gemündet.

Nur durch die Sozialpartner und insbesondere durch die Gewerkschaft und durch die Arbeiterkammer konnte die Regierung davon abgehalten werden, ihre vereinbarten Vorhaben umzusetzen, und ich denke, das sollte man unmissverständlich, klar und deutlich im Rahmen dieser Diskussion aussprechen. – Hoch lebe die Gewerkschaft in unserem Land! (Beifall bei der SPÖ.)

13.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag der Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen auch schriftlich überreicht wurde, genügend unterstützt ist und daher mit in Verhandlung steht.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Im Übrigen wird er auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1176 d. B. betreffend die Regierungsvorlage: Bundesgesetz über die betriebliche Mitarbeitervorsorge (Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz – BMVG) und mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeits


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verfassungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das ORF-Gesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Journalistengesetz geändert werden, und

den Entschließungsantrag 20/A (E) der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abfertigung – sicher und gerecht und

den Entschließungsantrag 32/A (E) der Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abfertigung neu und

die Petition (34/PET) betreffend "Betriebsrat BMW Werk Steyr – Abfertigung Neu", überreicht vom Abgeordneten Ing. Kurt Gartlehner

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Das Bundesgesetz über die betriebliche Mitarbeitervorsorge (Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz – BMVG) und mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das ORF-Gesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Journalistengesetz wird wie folgt geändert:

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. In § 3 Z 1 wird folgender Satz angefügt:

"Als Altabfertigungsanwartschaft im Sinne dieses Gesetzes werden auch Anwartschaften gewertet, die sich durch Aliquotierung des jeweiligen Anspruchs zwischen zwei Abfertigungssprüngen und zwischen dem Beginn des Arbeitsverhältnisses und der Vollendung des dritten Arbeitsjahres (Erreichung von 2 Monatsentgelten Abfertigungsanwartschaft nach altem Recht) ergeben."

2. In § 14 Abs 2 Z 4 wird folgender Satz angefügt:

"In Fällen des Übertritts vom alten in das neue Recht werden Beschäftigungszeiten nach altem und nach neuem Recht zusammengerechnet."

3. In § 47 Abs 2 wird folgender Satz angefügt:

"In der Vereinbarung nach Abs 1 kann festgelegt werden, dass bei der Berechnung des Ausmaßes der Abfertigung Beschäftigungszeiten zwischen zwei Abfertigungssprüngen und Beschäftigungszeiten vor Vollendung des dritten Beschäftigungsjahres aliquot berücksichtigt werden können."

4. In § 47 Abs 3 Z 1 wird folgender Satz angefügt:


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"In der Vereinbarung nach Abs 1 kann festgelegt werden, dass bei der Ermittlung des Ausmaßes des Übertragungsbetrages Beschäftigungszeiten zwischen zwei Abfertigungssprüngen und Beschäftigungszeiten vor Vollendung des dritten Beschäftigungsjahres aliquot berücksichtigt werden."

5. § 47 Abs 3 Z 3 lautet:

"Die Überweisung des vereinbarten Überweisungsbetrages hat jährlich mit mindestens je einem Fünftel zu erfolgen, wobei die Zahlung jeweils zu Jahresbeginn zu leisten ist. Ab dem 2. Jahr hat die Teilzahlung zuzüglich der Rechnungszinsen von 6 vH pro Jahr zu erfolgen. Vorzeitige Überweisungen sind zulässig."

6. § 47 Abs 3 Z 4 lautet:

"4. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgenommen die in § 14 Abs 2 genannten Fälle hat der Arbeitgeber den aushaftenden Teil des vereinbarten Übertragungsbetrages vorzeitig an die MV-Kasse zu überweisen. Für die in § 14 Abs 2 Z 1 – 3 genannten Fälle kann vereinbart werden, dass der zum Zeitpunkt der Beendigung noch aushaftende Teil des Übertragungsbetrages vom Arbeitgeber nicht mehr entrichtet werden muß."

7. Nach § 47 Abs 3 Z 4 wird folgende Z 5 eingefügt:

"5. Wird in der Einzelvereinbarung nach Ziff 1 ein Übertragungsbetrag festgelegt, der niedriger liegt als die zum Stichtag der Übertragung erworbenen Monatsentgelte, so gilt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgenommen die in § 14 Abs 2 Z 1 – 3 genannten Fälle folgende Sonderregelung: Bei Beendigung im ersten Jahr nach der Übertragung sind 100 % des Differenzbetrages zwischen den zum Zeitpunkt des Übertritts erworbenen Monatsentgelten und dem vereinbarten Übertragungsbetrag vom Arbeitgeber an die MV-Kasse nachzuentrichten. Bei einer Beendigung im zweiten Jahr nach dem Übertragungsstichtag sind 80 %, im dritten Jahr 60 %, im vierten Jahr 40 % und im fünften Jahr 20 % des Differenzbetrages an die Kasse nachzuentrichten. Die Nachentrichtung hat zuzüglich der Rechnungszinsen von 6 vH pro Jahr zu erfolgen."

Begründung:

Zu Z 1:

Die Definition der Altabfertigungsanwartschaft ist vor allem für Fälle des Übertritts vom alten in das neue Recht von Bedeutung. Durch die Anfügung dieser Bestimmung wird klargestellt, dass in Übertrittsvereinbarungen nach § 47 auch aliquot erworbene Anwartschaften berücksichtigt werden können.

Zu Z 2:

Klarstellung, dass bei Übertritt vom alten in das neue Recht sämtliche Beschäftigungszeiten in einem Arbeitsverhältnis berücksichtigt werden. Trifft zB ein Arbeitnehmer nach 15 Arbeitsjahren bei einem Arbeitgeber mit diesem eine Übertrittsvereinbarung und wird 1. Jahr später gekündigt, so soll selbstverständlich ein Anspruch auf Auszahlung der Abfertigung bestehen, obwohl in diesem Fall erst 1 Einzahlungsjahr in die Kasse gegeben ist.

Zu Z 3:

Durch diese Bestimmung wird sichergestellt, dass bei der Ermittlung des Ausmaßes der Altabfertigungsanwartschaft alle Beschäftigungszeiten in adäquater Weise berücksichtigt werden können.

Zu Z 4:

Durch diese Bestimmung wird sichergestellt, dass bei der Festlegung des Übertragungsbetrages als Abgeltung für die Altabfertigungsanwartschaft alle Beschäftigungszeiten in adäquater Weise berücksichtigt werden können.


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Zu Z 5:

Es soll sichergestellt sein, dass die Teilzahlungen des Überweisungsbetrages jeweils zu Jahresbeginn zu erfolgen haben.

Zu Z 6:

In Verbindung mit der Anfügung von Z 5 wird die Möglichkeit eröffnet, in der Übertragungsvereinbarung zu fixieren, dass bei einer Beendigung in den in § 14 Abs 2 Z 1 – 3 genannten Fällen für den Arbeitnehmer nur das bereits an die Kasse übertragene Kapital erhalten bleibt.

Zu Z 7:

Die Regelung dient dazu, Übervorteilungen von Arbeitnehmern bei der Übertragung von Altanwartschaften an die MV-Kasse zu unterbinden. Solche Übervorteilungen sind vor allem in jenen Fällen denkbar, in denen ein Arbeitgeber plant, einen Arbeitnehmer in absehbarer Zeit zu kündigen, mit ihm vorher aber noch eine Übertragung der Altanwartschaft an die MV-Kasse vereinbart unter Festlegung eines Übertragungsbetrages, der niedriger liegt, als die erworbenen Monatsentgelte an Altabfertigungsanwartschaft. Die gesetzliche Regelung stellt sicher, dass bei Arbeitgeber-Kündigung innerhalb des ersten Jahres nach Übertritt jedenfalls die volle Altabfertigungsanwartschaft zusteht. In den folgenden 4 Jahren gelten Übergangsregelungen.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

13.26

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Minister! Ich bin schon überrascht über die Argumentation aus den Reihen der SPÖ. Ich verstehe sie einfach nicht. Sie versuchen mit aller Vehemenz zu sagen, das Modell, das heute beschlossen wird, stamme von Ihnen. Niemand wird Ihnen das glauben, auch Ihnen nicht, Herr Präsident Verzetnitsch, niemandem von der SPÖ wird man das glauben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Silhavy: Die Anträge, die im Haus liegen, lesen, Herr Kollege!)

Die Anträge, Frau Abgeordnete, die Anträge, die Sie vom ÖGB gestellt haben, kenne ich. Sie sind seinerzeit mit gutem Grund von den christlich-sozialen Gewerkschaftern abgelehnt worden – mit gutem Grund! (Abg. Verzetnitsch: Abgelehnt? Wo bitte?)  – Zum Teil; gewisse Anträge sind von uns nicht akzeptiert worden.

Meine Damen und Herren! Es geht darum, dass wir den überaus erfolgreichen Weg, den wir im Sozialausschuss klar dargelegt haben, weiterführen. Damals wurde klar gesagt: Es ist ein großer Tag für die Sozialpolitik, eine revolutionäre Weiterentwicklung des Arbeitsrechtes, es handelt sich um ein abgerundetes Werk mit einem weiten gesellschaftlichen Konsens! – Das ist für mich wichtig, und daher ist es unkorrekt, wenn Sie ein Modell, das Sie irgendwann einmal zur Diskussion gestellt haben, hier negativ beurteilen. (Abg. Silhavy: Es gibt einen Antrag von Ihnen und einen Antrag von uns!) Es war ein gemeinsames Bemühen, aus den Modellen, die vorgelegt worden sind, etwas Gemeinsames zu schaffen. Dazu sollten wir stehen: dass es ein gemeinsames Bemühen war, aus verschiedenen Modellen etwas Gemeinsames zu schaffen! Zu diesem Modell stehen wir! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zwei Überlegungen waren für uns immer entscheidend: Abfertigung für alle – ganz entscheidend – und eine Regelung, die eine breitestmögliche Gestaltung für den einzelnen Arbeitnehmer offen lässt. Er soll über das Geld in verschiedener Weise verfügen können: Er soll es verwenden können, um Arbeitsplatzprobleme zu überbrücken, er soll es aber genauso für die Altersvorsorge verwenden können. Das soll in der freien Entscheidung des Arbeitnehmers liegen, und das sichern wir.


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Wir haben auch einen klaren Akzent gesetzt, indem wir festgelegt haben, dass derjenige, der diese angesparten Gelder verrentet, sie steuerfrei bekommen soll. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt. Ich verstehe nicht, dass man in dieser Frage der Verrentungsmöglichkeit immer wieder negativ argumentiert. (Abg. Verzetnitsch: Wie war es bei der Selbstkündigung?)

Ihr ursprünglicher Vorschlag war auch ein anderer. In Ihrem ursprünglichen Entschließungsantrag war eben auch ein anderer Vorschlag enthalten, den wir so nicht hätten akzeptieren können. Herr Abgeordneter Verzetnitsch! Sie haben die Möglichkeit der Verrentung mit Steuerfreiheit, wie sie heute gegeben ist, in Ihrem Antrag nicht vorgesehen.

Das war in Ihrem Vorschlag nicht enthalten. Auch das könnte ein Vorwurf sein, den wir Ihnen machen. Wir machen Ihnen aber keine Vorwürfe, sondern wir sind froh, dass diese gemeinsame Lösung – Regierung, Sozialpartner und Parlament sind dafür – zustande gekommen ist.

Da es trotz der intensiven Beratungen im Sozialausschuss drei Probleme gibt, die wir noch korrigieren sollten, bringe ich einen Abänderungsantrag ein. Dieser beinhaltet vor allem drei wichtige Punkte. Der erste bezieht sich auf die Verjährungsfrist, und der zweite bezieht sich auf die Möglichkeit, dass der Präsident des Nationalrates, der Präsident des Rechnungshofes und der Vorsitzende der Volksanwaltschaft mit den Mitarbeitervorsorge-Kassen eigene Verträge abschließen können. Der dritte ist für uns Arbeitnehmer ein besonders wichtiger Punkt. Er sieht vor, dass, wenn in einem Dienstverhältnis zur Streitbeilegung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Vereinbarung abgeschlossen wird, bis zum Betrag von 7 500 € die bisherige Besteuerung angewendet werden sollte.

Auch das ist ein gemeinsamer Schritt, um eben ein Problem gemeinsam zu lösen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bitte Sie abschließend, meine Damen und Herren – auch die Abgeordneten der Grünen bitte ich darum –, sich das, was unser Anliegen war, wirklich bewusst zu machen: Der Spielraum für die Eigenverantwortung des Arbeitnehmers bei den angesparten Geldern soll möglichst breit sein, und jede Bevormundung durch den Staat soll zurückgedrängt werden. Wir wollen den selbständigen Bürger, und wir meinen, dass hiermit ein wichtiger Schritt, um den selbständigen Bürger zu ermöglichen, gesetzt wird.

In diesem Sinne wäre es wünschenswert, wenn es eine gemeinsame Zustimmung zu dieser Regierungsvorlage gäbe. (Beifall bei der ÖVP.)

13.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag der Abgeordneten Dolinschek, Mag. Tancsits, Verzetnitsch, Gaugg, Dr. Feurstein, Kolleginnen und Kollegen auch schriftlich überreicht wurde und genügend unterstützt ist; er steht daher mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf die leichtere Fassbarkeit des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Im Übrigen wird auch dieser Antrag dem Stenographischen Protokoll beigedruckt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Mag. Tancsits, Verzetnitsch, Gaugg, Dr. Feurstein und Kollegen betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes über die betriebliche Mitarbeitervorsorge (Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz – BMVG), mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bau


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arbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das ORF-Gesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Journalistengesetz geändert werden in der Fassung des Ausschussberichtes (1176 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der eingangs erwähnte Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

1. Dem Artikel 1 § 44 Abs.1 wird folgender Abs. 2 angefügt:

"(2) Die Verjährungsfrist (§ 31 VStG) beträgt bei Verwaltungsübertretungen nach Abs. 1 18 Monate."

2. Artikel 1 § 45 Abs. 1 lautet:

"§ 45. (1) Wer den Bestimmungen der §§ 22 und 23 zuwiderhandelt, begeht, soferne die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA bei vorsätzlicher Begehung mit einer Geldstrafe bis zu 20 000 Euro, bei fahrlässiger Begehung mit einer Geldstrafe bis zu 10 000 Euro zu bestrafen."

3. In Artikel 17 wird folgende Z 6a eingefügt:

"6a § 67 Abs. 8 lit. a lautet:

,a) Auf gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen beruhende Vergleichssummen sind, soweit sie nicht nach Abs. 3, 6 oder dem letzten Satz mit dem festen Steuersatz zu versteuern sind, gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen. Fallen derartige Vergleichssummen bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses an und werden sie für Zeiträume ausbezahlt, für die eine Anwartschaft gegenüber einer MV-Kasse besteht, sind sie bis zu einem Betrag von 7 500 Euro mit dem festen Steuersatz von 6 % zu versteuern; Abs. 2 ist nicht anzuwenden.’"

4. Artikel 23 § 35 samt Überschrift lautet:

"Anwendung des BMVG

§ 35. (1) Das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz (BMVG), BGBl. I Nr. XXXX/2002, ist mit folgenden Maßgaben anzuwenden:

1. Entgelt im Sinne des § 6 Abs. 1 bis 4 BMVG ist das Monatsentgelt gemäß § 8a Abs. 1.

2. Abweichend von § 9 Abs. 1 BMVG hat die Auswahl der Mitarbeitervorsorge-Kasse


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für Bedienstete des Bundes durch den Bundesminister für öffentliche Leistung und Sport nach Anhörung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zu erfolgen.

2a. Abweichend von Z 2 erfolgt die Auswahl der Mitarbeitervorsorge-Kasse

für Bedienstete

durch

der Parlamentsdirektion

den Präsidenten des Nationalrates

des Rechnungshofes

den Präsidenten des Rechnungshofes

der Volksanwaltschaft

den Vorsitzenden der Volksanwaltschaft

nach Anhörung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst.

3. § 6 Abs.5, § 9 Abs.1, § 10 und § 47 BMVG sind nicht anzuwenden.

(2) Abs. 1 ist abweichend von den Bestimmungen des § 1 auf alle Bundesbediensteten anzuwenden, die nicht Beamte sind."

Begründung:

Zu Z 1 und 2 (§ 44 Abs.2 und § 45 Abs. 1 BMVG)

Redaktionsfehlerberichtigung; Vereinheitlichung der Verjährungsfristen sowie der Zuständigkeit der FMA in den §§ 44 und 45.

Zu Z 3 (§ 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988):

Die Ergänzung des § 67 Abs. 8 lit a EStG 1988 bewirkt, dass Vergleichszahlungen bei oder nach Beendigung eines Dienstverhältnisses zur Streitbeilegung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (zum Beispiel Streitbeilegungszahlungen über strittige Überstundenleistungen) bis zu einem Betrag von 7 500 Euro weiterhin (also auch im Regime des neuen Abfertigungsrechtes) dem festen Steuersatz von 6 % unterliegen. Inhaltlich wird damit die Regelung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 partiell – und in modifizierter Form – weitergeführt. Sollten die Vergleichszahlungen den Betrag von 7 500 Euro überschreiten, käme es insoweit zur bisherigen "Fünftelbegünstigung".

Zu Z 4 (§ 35 VBG):

Mit diesen Änderungen wird im Sinne der Gewaltentrennung für die Parlamentsdirektion, den Rechnungshof und die Volksanwaltschaft die Auswahl der Mitarbeitervorsorgekasse den jeweiligen Präsidenten bzw. Vorsitzenden übertragen.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Staffaneller. – Bitte.

13.32

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Abfertigung für alle ist nun nicht mehr nur eine Forderung der FPÖ, genauso wie die Lösung für eine Mitarbeitervorsorge, sie ist nun endlich Wirklichkeit geworden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dies war schon eine Forderung der FPÖ im Jahre 1992, wie Sie gehört haben – und zwar im Antrag von unserem Abgeordneten Dolinschek, der auch heute hier sitzt –, und auch eine Forderung aus dem Wahlprogramm 1999. All das kann nun mit breitem Konsens verwirklicht werden. Diese Regierung hat das zusammengebracht, und die Sozialpartner haben mitgeholfen. – Ich danke dafür.


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106. Sitzung / Seite 89

Sehr geehrte Damen und Herren! Noch vor einigen Jahren war die Abfertigung für alle für viele Personen eine Utopie. Der überwiegende Teil der Arbeiter und Angestellten konnte nur davon träumen, bis zu einem allfälligen Abfertigungsanspruch in Beschäftigung zu stehen. Viele waren verzweifelt! Ich weiß das auch aus beruflicher Erfahrung, wenn ältere Frauen um die 50 Jahre ... (Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy und Sophie Bauer. )  – Ich meine, auf dem Arbeitsmarkt, bei der Arbeitsvermittlung. Ich weiß, dass ältere Frauen oft zum Arbeitsamt, zum Arbeitsmarktservice gekommen sind und sich beklagt haben: Bitte, helft mir! Durch Mobbing von Seiten des Betriebes habe ich meinen Arbeitsplatz verloren! Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten, dort zu arbeiten, und ich weiß nicht ein und aus! Ich weiß nicht, wohin. Ich habe auf die Abfertigung verzichtet, nur damit ich persönlich wieder eine andere Lösung für mich finden kann.

Bei der Vermittlung von Frauen und auch Männern ab 50 – Frau Kollegin Parfuss, du weißt es ja selbst –, gibt es noch immer Probleme auf dem Arbeitsmarkt. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Schon früher!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Abfertigung konnte man sich hauptsächlich nur bei wirtschaftlich sehr gut geführten und gesunden Betrieben erwerben. Nur da konnte man sicher sein, dass die Abfertigung auch ausbezahlt wird. SaisonarbeiterInnen oder auch Personen, die im Zuge des Personalleasings bei Leasingfirmen tätig sind, waren ohnehin immer ausgeschlossen, aber auch da gibt es eine Änderung – auch dank der Zusammenarbeit der Ministerien. Bundesminister Bartenstein und Bundesminister Haupt stehen dabei an vorderster Stelle.

Für die Saisonarbeiter bedeutete diese Frage bisher natürlich eine Einschränkung der Mobilität. Eine Einschränkung der Mobilität auf dem Arbeitsmarkt bedeutete es aber auch, wenn Personen nicht kündigen konnten, sich kein anderes Dienstverhältnis suchen konnten, obwohl sie die Auffassung vertraten, dass sie etwas anderes machen, sich im Beruf weiterentwickeln, weiter an sich arbeiten wollten. Da gab es einfach Hemmnisse, und diese Hemmnisse sind jetzt beseitigt worden. Das kommt sicher nicht nur den einzelnen Arbeitnehmern, sondern in hohem Maße auch der Wirtschaft zugute. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abg. Steibl. )

Warum kommt das der Wirtschaft in hohem Maße zugute? – Die Wirtschaft wird sich in vielen Fällen nicht mehr um qualifizierte Ausländer bemühen müssen, sondern es werden auch Inländer, die mobil sind, die bereit sind, den Arbeitsplatz zu wechseln, an sich zu arbeiten, Neues zu lernen und sich weiterzubilden, verstärkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die breite Einigung, der Wille zum Konsens, aber auch der Konsens der Sozialpartner und der Entschluss, eine möglichst breite Basis für diese Lösung zu finden, müssen anerkannt, müssen gelobt werden.

Wenn die Experten die Auffassung vertreten, dass so viele Vorteile gleichzeitig selten in einem Gesetz zu finden sind, dann können wir dem nur beipflichten und nochmals den Beteiligten, die das zustande gebracht haben, danken.

Herr Bundesminister Grasser, der Herr Finanzminister, betonte, dass die "Abfertigung neu" als die historisch bedeutendste Leistung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den letzten Jahrzehnten gesehen werden kann. Er meinte, dass diese betriebliche Mitarbeitervorsorge ein Meilenstein ist, der alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu klaren Gewinnern macht. – Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bauer. Die Uhr ist wunschgemäß auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte.

13.38

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Im Herbst des Vorjahres wurde von den Sozialpartnern ein Ent


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wurf für eine Reform zur "Abfertigung neu" vorgelegt, der aber nicht in dieser Form zum Tragen gekommen ist.

Die heute zu beschließende Regierungsvorlage ist ein wichtiger Schritt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Durch diese Neuregelung können in Zukunft auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die kurzfristig zusammenhängende Arbeitszeiten haben, einen Abfertigungsanspruch erreichen.

Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren war es ja fast schon an der Tagesordnung, dass kurz vor Erwerb eines Abfertigungsanspruchs das Arbeitsverhältnis gelöst wurde.

Wo es aber besonders krass war, das war bei den Leihfirmen, denn bei diesen konnte ja das Arbeitsverhältnis von einem Tag auf den anderen gelöst werden; und nach einer bestimmten Wartezeit wurden dieselben Personen zur gleichen Tätigkeit wieder an den Arbeitsplatz geholt. Dadurch wurde eben der Abfertigungsanspruch verhindert.

Es wurde im Ausschuss von der ÖVP und FPÖ sowie auch von den Experten im Hearing diese "Abfertigung neu" als Meilenstein bezeichnet. – Ich finde, als einen Meilenstein könnte man es dann bezeichnen, liebe Frau Abgeordnete Steibl, wenn Kann- und Sollbestimmungen nicht im Gesetz verankert wären.

Besondere Probleme wird es beim Übergangsrecht geben, weil eben auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entsprechender Druck ausgeübt werden kann.

Der Experte der Freiheitlichen, Professor Marin, hat ja auch gesagt, dass es eine "Abfertigung leicht" ist, und es sollen die Firmen profitieren. – Ich sage Ihnen, genau beim Übergangsrecht werden die Firmen profitieren, weil eben dort, wo es keinen Betriebsrat gibt, auf die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Druck ausgeübt werden kann.

Ich möchte auch noch feststellen, auch wenn es oft anders dargestellt wird, dass jetzt nach diesem Modell die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erst nach 37,5 Jahren so viel Geld erhalten werden, wie sie bisher nach 25 Jahren erhalten haben.

Es ist wichtig, dass jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin auf eine Abfertigung ein Anrecht hat und dass dies ermöglicht wird. Wir Sozialdemokraten werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass dort, wo es Risiken oder Probleme gibt, wie eben beim Übergangsrecht, die Arbeitnehmer entsprechend beraten und aufgeklärt werden, damit sie keine Nachteile erleiden. (Beifall bei der SPÖ.)

13.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gatterer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

13.41

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte ebenfalls mit einem "Hoch lebe!" beginnen: Hoch lebe die Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg für die Bürgerinnen und Bürger in Österreich für gute und vernünftige Sachen!

Das "Hoch lebe die Gewerkschaft!" war, wie ich glaube, nicht das Richtige. Es haben sich heute schon sehr viele hineinreklamiert und betont, dass es ihre Idee war. Ich denke, die Idee der Gemeinsamkeit steht hier im Vordergrund, über die Parteigrenzen hinweg. Mir tut es Leid, dass sich die Grünen hier nicht einklinken. Man sieht auch, wenn sich alle bemühen, dann kommt etwas Gescheites heraus, zum Beispiel eben eine Abfertigung für alle.

Ich würde mir von der SPÖ wünschen, dass wir viele gemeinsame Ziele haben, denn ich finde, dass es dem Bürger nicht hilft, wenn es hier immer nur Frontalopposition oder Ansätze zur Frontalopposition gibt. (Abg. Silhavy: Dann müssen Sie eine gescheite Politik machen!) Eine Zusammenarbeit wäre sinnvoll, und genau das ist ein Ansatz für eine gescheite Politik. Denken


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Sie an das Beispiel der Familienhospizkarenz! Es gibt vieles, bei dem wir gemeinsame Ansätze haben. Ich denke, das sollte auch der Erfahrungswert von heute sein. Abfertigung für alle heißt eben Gerechtigkeit für alle. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich wundere mich darüber, dass es zum Beispiel nie möglich war, mit Ihnen von der SPÖ über jene Leute zu reden, die wir ausgeschlossen haben, etwa über den Tourismusbereich oder über die Lehrlinge.

Ich muss auch sagen, Abfertigung ist das erste Mal weiblich. Ich kenne keine weiblichen Abfertigungskaiser. Ich bin auch schon ein bisschen länger im Parlament und weiß – ich kann es vom ÖAAB sagen –, wie lange sich der ÖAAB dafür eingesetzt hat, wie lange wir dieses Modell dis-kutiert haben, das Kollege Fink dann vorgelegt hat, wie oft Kollege Fasslabend das eingebracht hat, wie oft wir Abgeordneten selbst Anfragen damals noch an Lore Hostasch gestellt haben. (Widerspruch bei der SPÖ.)

Ich finde, es bringt nichts, wenn wir uns jetzt streiten. Wir sollten lieber sagen, wir haben etwas Tolles erreicht! Dass jetzt wirklich Lehrlinge, Frauen, Arbeitnehmer in den Tourismusbetrieben in die Abfertigung einbezogen sind, das ist eine ganz faire Geschichte! Das ist eben soziale Gerechtigkeit, wie wir sie uns vorstellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Für uns gilt auch der mündige Bürger. Die Wahlfreiheit, dass der Bürger jetzt selbst entscheiden kann, ob er die Abfertigung nimmt, ob er sie früher herausnimmt, ob er sie stehen lässt oder ob er sie ab 40 bereits in ein Pensionssystem einbringt oder ob er eine Zusatzpension haben will, das ist eine zutiefst demokratische Sache. Wir sagen, für uns sind die Bürger mündig, und wir werden ihnen nichts vorschreiben. Jeder muss das für sich selbst entscheiden. Das ist für mich ein ganz wichtiger Schritt.

Das Nächste ist die Mobilität. Wir alle kennen die Daten, wonach ungefähr eine Million Arbeitnehmer in Österreich binnen eines Jahres den Job wechselt. Bitte, das alte System hat ja überhaupt keine Rücksicht auf die neuen Bedingungen, auf die Globalisierung, auf die neuen Arbeitsformen genommen! Das ist ein erster Schritt, wir haben uns dazu bekannt, und ich hoffe, im Herbst gibt es hier eine weitere Einigung, weil wir auch andere Gruppen mit einbeziehen wollen, die jetzt nicht beinhaltet sind. Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass auch Hausfrauen – oder auch Unternehmer, freie Dienstnehmer – sich in dieses Modell einklinken können. Ich finde, es ist ganz wichtig, dass wir auch diesen Menschen diese Perspektive der Vorsorge geben.

Wir müssen auch die unterschiedlichen Verläufe berücksichtigen: Einmal ist man selbständig, einmal unselbständig, und ein anderes Mal ist man karenziert. Diesbezüglich gilt mein Dank, vor allem der Dank der Frauen, dem Herrn Minister Bartenstein dafür, dass die Karenzzeiten nun gewertet werden, und zwar sowohl die Familienhospizkarenz als auch die normale Karenz.

Ich möchte Herrn Kollegen Öllinger noch sagen, dass er vielleicht das Gesetz doch nicht ganz genau gelesen hat, denn der Mutterschaftsaustritt bedeutet natürlich nach wie vor, dass man seine Anwartschaften lukrieren könnte. Wir müssen den Frauen auch sagen: Überlegt es euch gut, ob ihr die Abfertigung in bar herausnehmt oder, was für Frauen vielleicht wichtig ist, ob ihr es euch unter Umständen leisten könnt, es stehen zu lassen. Gerade bei den niedrigen Frauenpensionen, die wir haben, zu sagen: Okay, ihr habt dann einmal ein zweites Standbein in der Pension, und das ist ein Vorteil für euch!, das ist eine Aufklärungsarbeit, die wir noch leisten müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Eigenvorsorge müssen wir natürlich forcieren. Da sind wir gefordert. Gerade in den Übergangszeiten sind auch wir Politiker gefordert, zu beraten.

Ich möchte noch erwähnen, dass jeder Tag zählt, was ganz wichtig ist. Dass es einen ständigen Anspruchszuwachs gibt, auch das ist ganz wichtig.

Ich möchte nur noch einige Experten zitieren. Es waren im Grunde genommen alle von dieser Lösung sehr angetan. Da vorhin Herr Professor Bernd Marin von Frau Kollegin Bauer zitiert


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worden ist, möchte auch ich zwei Aussagen von ihm bringen: ein großer Wurf – eine revolutionäre Weiterentwicklung. – Dem ist an sich nichts hinzuzufügen. Ich bin der Regierung und allen, die daran mitgearbeitet haben, sehr dankbar dafür, dass es diese Lösung gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

13.47


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

13.47

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Nach der Familienhospizkarenz und dem Kindergeld ist jetzt ein neuer revolutionärer Wurf gelungen: die "Abfertigung neu". Ein wirklich großer Tag für die österreichische Sozialpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gesundheitsausschuss sind die Experten Rede und Antwort gestanden, und es waren nicht nur Anhänger der Regierungsparteien, wie etwa Professor Marin, die diese Lösung begrüßt haben, sondern einhellig und durchwegs ist Lob für diese "Abfertigung neu" ausgesprochen worden. Man hat Ausdrücke verwendet wie: "ein großer Wurf", "eine bedeutende sozialpolitische Errungenschaft", und man hat sich gefreut, dass die Sozialpartner mit ins Boot geholt werden konnten, denn dadurch ist gewährleistet, dass andere Regierungsformen, sollten jemals solche kommen, diese "Abfertigung neu" beibehalten werden. Das ist auch eine Sicherstellung für unsere Arbeitnehmer.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Professor Theodor Tomandl hat die alte Abfertigung als "exotische Blüte in der europäischen Arbeitswelt-Landschaft" bezeichnet, und so kann man sie auch sehen. Der Zweck dieser "Abfertigung alt" wurde immer nebuloser. Nur etwa 15 Prozent der Arbeitnehmer hatten Anspruch darauf, und nur etwa 3 Prozent kamen in den Genuss eines vollen Jahresgehaltes.

Die "Abfertigung alt" war eine Bremse für die Mobilität des Arbeitnehmers, eine Belastung für Klein- und Mittelbetriebe, wenn mehrere Abfertigungen gleichzeitig anfielen, und bei Selbstkündigung war überhaupt der komplette Verlust der "Abfertigung alt" gegeben.

Für viele Arbeitnehmer, etwa für Sigisbert Dolinschek, war es wirklich ein Anliegen, dass hier eine Reform kommen muss. Er hat sich zwölf Jahre lang dafür eingesetzt. Andere sahen die Reform als nicht so notwendig an, wie zum Beispiel manche SP-Spitzenabfertigungskaiser, die sich bisher schon hohe Abfertigungen zuschanzten. Ich erinnere zum Beispiel an den Abfertigungsanspruch des ÖGB-Präsidenten Verzetnitsch oder den des Kollegen Nürnberger oder den von Frau Kollegin Csörgits von über 2 Millionen Schilling. – Diese Kollegen haben keinen Grund gehabt, die "Abfertigung neu" voranzutreiben.

Oder: Klima: 3 Millionen Schilling an Abfertigung, zusammen mit dem Pensionsanspruch insgesamt 14 Millionen Schilling. – Oder: die rote Nationalbank: Präsident Heinz Kienzl: 11,5 Millionen Schilling an Abfertigung. (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr. )

Bei Selbstkündigung, Herr Kollege, hat es sich die SPÖ auch gerichtet. Rudolf Streicher ist Ihnen ja bekannt. Auch bei Selbstkündigung, beim Wechsel von der AMAG zu Steyr-Daimler-Puch, hat er 2,2 Millionen Schilling an Abfertigung bekommen. Der rote BAWAG-Generaldirektor Elsner: 50 Millionen Schilling an Abfertigung! – Verzetnitschs Kommentar dazu: Ein guter Mann braucht eben eine hohe Abfertigung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die "Abfertigung neu" ist ein großer Sprung. Ich bedauere nur, dass heute der Urheberstreit so geführt wird. Ich sage Ihnen: Seit die Freiheitlichen in der Regierung sind, ist diese "Abfertigungskutsche" unterwegs. Der Kutscher Sigisbert Dolinschek lädt alle herzlich ein: Es gibt das Trittbrett links und das Trittbrett rechts, da sind Sie gerne aufgestiegen, und die "Abfertigungskutsche" steuert nun der Abstimmung entgegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.51

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.51

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es wäre jetzt natürlich verlockend, auf die polemischen Äußerungen meines Vorredners einzugehen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Aber eines sollte bei dieser Debatte doch auch einmal gesagt werden, weil vielleicht viele Zuhörerinnen und Zuhörer durch diese Debatte verunsichert wurden: Bestehende Abfertigungsansprüche bleiben unangetastet! Das heißt, dass jene Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer, die schon jetzt Abfertigungsansprüche besitzen, keine Sorge zu haben brauchen, dass die bisherige Regelung für sie nicht mehr gelten würde.

Die Neuregelung der Abfertigung war ein wichtiger Schritt und war zum Teil auch dringend notwendig. Sie ist ein erfreuliches Lebenszeichen der von der Bundesregierung für überflüssig erklärten Sozialpartnerschaft. Erinnern Sie sich zurück: Sie haben die Sozialpartnerschaft in vielen Äußerungen verdammt. Heute können wir feststellen, dass es gerade die Sozialpartnerschaft war, die hier ein sehr kräftiges und positives Lebenszeichen gegeben hat!

Es gibt auch jetzt noch Probleme, und bei allem Positiven, das heute schon gesagt wurde, sollten auch einige Schwachpunkte, die es bei dieser Regelung gibt, nicht verheimlicht werden. Sie könnten ja heute einer Reihe von Abänderungsanträgen die Zustimmung erteilen, um dieses Gesetz noch besser aussehen zu lassen. Wenn das heute nicht möglich ist, dann wird es sicherlich auch in Zukunft noch Möglichkeiten geben, Verbesserungen durchzuführen.

Der Kreis der Abfertigungsbezieher wurde zwar wesentlich vergrößert, aber der zu verteilende finanzielle Kuchen wurde diesem größeren Kreis nicht angepasst. Wenn der Kuchen jetzt auf mehr Leute aufgeteilt wird, dann ist es klarerweise so, dass jeder Einzelne – das weiß jedes Kind – nur einen kleineren Anteil bekommt. Das hat zur Folge, dass die Höhe der Abfertigung künftig wahrscheinlich deutlich geringer als bisher ausfallen wird. Man kann sich ja ausrechnen, dass, wenn bisher 25 Jahre notwendig waren, um ein Jahresgehalt zu erreichen, dafür in Zukunft wahrscheinlich eine wesentlich längere Beschäftigungsdauer notwendig sein wird.

Es besteht auch die Gefahr, dass bei einer schlechten Entwicklung der Kapitalmärkte die den Berechnungen zugrunde liegende Verzinsung nicht erreicht wird, was bedeutet, dass die Höhe der Abfertigung wiederum geringer ausfallen wird. Es fehlt daher noch ein Ausgleichsmechanismus gegen Kapitalmarktschwankungen. Das mit dem Tageswertprinzip verbundene Risiko von starken Kursschwankungen zum Auszahlungszeitpunkt schlägt damit voll auf die Abfertigungshöhe durch. Auch hier könnten noch Änderungen beschlossen werden, genauso wie in Bezug auf die Regeln zum Kündigungsschutz.

Eines wurde heute schon von einem meiner Vorredner angeführt, und das ist die Höhe der Ver-waltungskosten. Die Verwaltungskosten mindern entscheidend den Ertrag. (Abg. Dr. Mitterlehner: Jawohl!) Werden die geregelten Maximalwerte der Verwaltungskosten ausgenützt, ist selbst bei 6 Prozent Ertrag das Erreichen eines Jahresgehaltes im Laufe eines Arbeitslebens unmöglich.

Ich bringe daher folgenden Antrag an:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy und KollegInnen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, 1176 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Das Bundesgesetz über die betriebliche Mitarbeitervorsorge (Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz – BMVG) und mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestellten


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gesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das ORF-Gesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Journalistengesetz wird wie folgt geändert:

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. In § 26 Abs. 1 wird der Ausdruck "in einer Bandbreite zwischen 1 vH und 3,5 vH" durch den Ausdruck "in einer Bandbreite zwischen 1 vH und 2 vH" ersetzt.

2. In § 26 Abs. 2 wird der Ausdruck "höchstens 1,5 vH des Übertragungswertes" durch den Ausdruck "höchstens 0,5 vH des Übertragungswertes" ersetzt.

3. Im § 26 Abs. 3 Z 2 wird der Ausdruck "1 vH pro Geschäftsjahr" durch den Ausdruck "0,8 vH pro Geschäftsjahr und ab 1. Jänner 2005 0,5 vH pro Geschäftsjahr" ersetzt.

*****

Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie, dem zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Silhavy, Kollegen und Kolleginnen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.55

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! "Abfertigung neu", eine ÖVP-Idee setzt sich durch – um in der Sprache von Kollegin Silhavy zu sprechen. (Abg. Silhavy: Gott sei Dank nicht!) Wenn Kollegin Silhavy sagt, wir hätten kein eigenes Modell vorgelegt (Abg. Silhavy: O ja! Aber ...!), so ist das wohl nur auf das Nicht-Akzeptieren seitens der SPÖ zurückzuführen, dass wir von der ÖVP in dieser Regierung mit der FPÖ das durchgesetzt haben, was mit Ihnen in der Regierung leider nicht möglich war, nämlich eine neue betriebliche Mitarbeitervorsorge für unsere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie wissen ganz genau, dass wir seit Jahren schon daran arbeiten – es sitzt ja auch der Arbeiterkammerpräsident Fink hier auf der Galerie – und dass wir schon im Jahre 1996 einen ÖAAB-Beschluss eingebracht haben – im Jahre 1996! Ich sage Ihnen, dass auch unser Bundeskanzler Schüssel in einer Pressemeldung festhält, dass er schon vor dreieinhalb Jahren mit dieser Idee zur SPÖ, unserem damaligen Regierungspartner, gegangen ist und das umsetzen wollte; aber das war leider nicht möglich. Es geht sogar so weit, dass wir heute von der Arbeiterkammer Oberösterreich eine Pressemeldung bekommen, worin es heißt: "ein Verwässern der Abfertigung". Ich frage Sie, wie Sie das wirklich sehen und wie ernst Sie das nehmen.

Wenn Kollegin Petrovic heute gesagt hat, dass sie sich Mittel für beitragsbedingte Auszeit wünscht, so muss ich Ihnen dazu sagen, dass gerade Bundeskanzler Schüssel zusätzlich festgehalten hat, dass es eine weitere Lösung für diejenigen, die jetzt noch nicht berücksichtigt sind, geben wird, das heißt für Neue Selbständige, für Bauern, freie Dienstnehmer und natürlich auch für Voll-Hausfrauen. Es wird ein nächster Schritt sein, dass es eine breite zusätzliche


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Vorsorge gerade für diese Gruppe auf freiwilliger Basis geben wird, um für diese Gruppe eine Zukunftsvorsorge einzuführen.

Ich möchte noch auf Kollegen Öllinger eingehen, da er ein Beispiel gebracht hat. Ich bedauere es – wie wir alle – sehr, dass die Grünen hier nicht mitgehen, denn wir haben gedacht, dass sie doch einen Weitblick haben. Sie haben zumindest bei der Familienhospizkarenz mehr Gefühl als die SPÖ gezeigt, denn die SPÖ hat dieses Familienhospizkarenz-Modell dann im Bundesrat insgesamt abgelehnt.

Aber zurück zum Kollegen Öllinger. – Wenn er das Beispiel bringt, dass es nicht einmal nach 40 Jahren möglich ist, eine Abfertigung in Höhe eines Jahresgehalts zu erhalten, möchte ich sagen: Genau das ist der Punkt, deswegen ändern wir es ja so, dass künftig 3,1 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Anspruch auf diese Mitarbeitervorsorge haben. Es ist schon notwendig, auch in der Zeit, in der das Fernsehen hier ist, bei der Wahrheit und den Tatsachen zu bleiben, anstatt hier Ängste in der Bevölkerung zu schüren!

Ich möchte auch dazusagen – das hat meine Kollegin Gatterer schon angeschnitten –: Es stimmt nicht, dass gerade Mütter in Karenz benachteiligt sind, denn wir haben die Zeiten für Präsenzdienst, Ausbildungsdienst und Zivildienst sowie Mutterschutz, Karenzzeit und Familienhospizkarenzzeit abgesichert, und es gibt auch hier eine Mitarbeitervorsorge.

Ich möchte, nachdem heute hier schon sehr viel gesagt worden ist, zum Abschluss aus dem "Kurier" zitieren. Dort lautet ein Kommentar:

"Die Neuregelung der Abfertigung ist die einzige grundlegende Strukturreform, die diesen Namen auch verdient, die in Österreich in den letzten zehn Jahren gelungen ist." – Dazu muss man sagen, dass das dieser Regierung gelungen ist.

Die Verfasserin schreibt weiters: "Die Regierung hat damit Druck auf die Sozialpartner gemacht, und diese haben bewiesen, dass sie zu positiven Systemänderungen fähig sind."

Das ist ein Danke an die Sozialpartner. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

14.00

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Da mir nur ganz wenig Redezeit zur Verfügung steht, möchte ich in aller Kürze Folgendes sagen. Es ist peinlich, billig und totaler Unsinn, was die Grünen gegen diese neue Abfertigungsregelung, gegen die "Abfertigung neu" vorbringen. Ich finde das wirklich peinlich, und ich bin eigentlich eine, die immer bemüht ist, auch den Argumenten der Opposition objektiv gegenüberzustehen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wenn Kollege Verzetnitsch und auch andere meiner Vorredner von einer "Win-Win-Situation" gesprochen haben, dann kann ich ihnen nur Recht geben. Es gibt ein altes Sprichwort, das sagt: Wirtschaft sind wir alle. Wirtschaft besteht aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Nur dann, wenn beide zusammenarbeiten und wenn sich beide Seiten dieser Situation bewusst sind – wenn sich die Arbeitnehmer bewusst sind, dass es die Unternehmer sind, die letztlich den Karren ziehen und die Verantwortung, das unternehmerische Risiko übernehmen; aber der Unternehmer ist auf seine Arbeitnehmer, auf deren Situation und auf deren Mitarbeit angewiesen –, kann dies dazu führen, dass eine Regelung wie die "Abfertigung neu" zustande kommt.

Ich möchte mich auch meinerseits dafür bedanken. Mein Mann und ich haben ein kleines Unternehmen, und uns ist es passiert, dass wir in einem Jahr zweimal eine Abfertigung zahlen mussten. Bei den derzeitigen Gewinnspannen im Handel ist dies äußerst schwierig. Ich kann es


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von meiner Seite aus den Unternehmern, die jetzt dieser Regelung teilweise noch unaufgeklärt oder kritisch gegenüberstehen, nur ans Herz legen: Es ist eine absolute "Win-Situation" auch für die Unternehmer! Diese 1,53 Prozent, die zu bezahlen sind – das ist eine Rechtssicherheit, die hier geboten wird! Vorher bestand totale Unsicherheit: Muss ich Abfertigung bezahlen?, muss ich nicht?, mit allen damit verbundenen negativen Begleiterscheinungen.

Dass es für die Arbeitnehmer eine "Win-Situation" ist, steht, glaube ich, außer Frage. Während es bisher so war, dass bei 15 Prozent aller jährlich aufgelassenen Arbeitsverhältnisse die Arbeitnehmer einen Abfertigungsanspruch hatten, werden es in Zukunft 100 Prozent sein. Dagegen sind auch diese kritischen, nicht begründbaren Argumente seitens der Opposition wirklich "Peanuts"!

Meinerseits wäre zu diesem Vaterschaftsstreit noch Folgendes zu sagen: Ich glaube auch, dass man anfänglich ruhig verschiedene Positionen einnehmen kann. Es ist wohl ein Beweis für die Sozialpartnerschaft in Österreich, dass diese Regelung zustande gekommen ist, es ist aber wirklich der Reformkraft dieser Regierung und vor allem meinem – unter Anführungszeichen – "alten" Kollegen aus dem Nationalrat Sigisbert Dolinschek zu verdanken, dass wir in Zukunft diese Regelung für unsere Arbeitnehmer haben werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Ob seiner Hartnäckigkeit!)

Ich bedanke mich in diesem Sinne bei allen für die konstruktive Zusammenarbeit – außer natürlich bei den Grünen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

14.04

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! An alle, die an dieser Konstruktion mitgewirkt haben, auch der Dank der SPÖ, auch an den neuen Sozialarchitekten Dolinschek! (Abg. Gaugg: Ich nehme den Dank gerne entgegen!) Herr Bonze, wenn Sie wieder mit mir sprechen, dann können Sie das gerne von Ihrem Platz aus tun. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gaugg. )

Frau Abgeordnete Gatterer schwärmt hier von der Tätigkeit über die Parteigrenzen hinweg. Ich schließe mich der Schwärmerei an, muss aber eines sagen: Diese Schwärmerei zeigt sich nur dann, wenn Sie uns brauchen; dann erkennen Sie als Kärntnerin, wenn die Grenzen überschritten werden sollen. (Abg. Gaugg: Die, die in der Landesregierung nicht einmal einen Tisch hat!) Setzen Sie sich hin und seien Sie einmal ruhig, bitte, lassen Sie auch andere zu Wort kommen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Das hätten Sie gern! Ich werde meine Stimme so lange erheben, bis Sie ...!)

Frau Gatterer, nur, damit ich Ihnen Ihre Schwärmerei vor Augen führen kann: Am 6. April 2000 wurde ein Unterausschuss des Sozialausschusses zu dieser "Abfertigung neu" beschlossen. Wer hatte denn die Konstituierung dieses Ausschusses verhindert? – Die ÖVP! Der Unterausschuss konnte sich nie konstituieren und wurde erst vorige Woche anlässlich des Sozialausschusses notgedrungen konstituiert, da dies nach der Geschäftsordnung notwendig war, weil wir am 6. Juni 2002 das Ganze im Ausschuss beschlossen haben. (Abg. Steibl: Wir haben ja gewusst, dass Sie keine Modelle haben! Wir haben die Sozialpartner arbeiten lassen!) Streuen Sie uns doch nicht Sand in die Augen!

Wenn Frau Steibl hier sagt: ÖVP, eine Idee setzt sich durch – Gott sei Dank nicht! Gott sei Dank haben Sie Ihre Ideen nicht durchgesetzt! Was waren denn die Ideen der ÖVP? – Die Abfertigung nicht ab dem ersten Tag und nicht bis zum letzten Tag wirksam; keine Bewahrung der Ansprüche bei Selbstkündigung; Saisonniers wären überhaupt nie inbegriffen gewesen! Das sind Ihre Punkte gewesen. (Abg. Dr. Trinkl: Dass ihr so ein Herz für die Saisonniers habt!)

Werfen wir einen Blick auf die Entstehungsgeschichte der "Abfertigung neu". Ein kurzer Blick zeigt uns schon, von wem die Impulse ausgegangen sind und wer die Konzepte erarbeitet hat. Das war nämlich der ÖGB! (Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Bereits vor zehn


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Jahren hat Präsident Verzetnitsch hier in einem Vorstoß unterbreitet, dass die Selbstkündigung abfertigungswirksam werden soll. Woran ist dies gescheitert? – An dem damaligen Koalitionspartner ÖVP, wie immer! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Trinkl: ÖVP, ja, ja! – Abg. Ing. Westenthaler: Da sehen Sie, wie wichtig die FPÖ ist!)

Daher ist dieser Gesetzentwurf, den ich als hervorragende Leistung der Sozialpartner bewerte – mit ernst zu nehmenden Schwachstellen, das räume ich aus meiner Sicht ein –, ein echter Fortschritt aus der Sicht der Arbeitnehmer und vor allem der Arbeitnehmerinnen, insbesondere auch deshalb, weil die freien Dienstverträge angesichts der Steigerung der atypischen Dienstverhältnisse einbezogen werden. Die Vorteile haben aus meiner Sicht vor allem jene Arbeitnehmerinnen – und es sind eben überwiegend Frauen betroffen –, bei denen die Erwerbslaufbahnen Lücken aufweisen. Das ist die klassische Frauenerwerbstätigkeit.

Frau Steibl und Frau Gatterer! Dafür, dass nicht alles beim Alten bleibt – das hätte die ÖVP am liebsten: dass zum Vorteil der Unternehmer immer alles so bleibt –, haben sich die ÖGB-Frauen eingesetzt. Sie haben eine Unterschriftenaktion gestartet. Auf Grund dieser Aktion konnte ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das glauben Sie doch selbst nicht!) Ich glaube das selbst, Sie können das ruhig annehmen. Ich halte es überhaupt für unfair, das Sie immer von der Regierungsbank aus dreinreden. Melden Sie sich zu Wort! Sie brauchen mir nicht in den Rücken Ratschläge zu erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Aktion hat bewirkt, dass Beiträge aus dem Familienlastenausgleichfonds für so genannte entgeltfreie Zeiträume während des Bezuges des Kinderbetreuungsgeldes, Bildungskarenz und Familienhospizkarenz in die Mitarbeitervorsorgekasse eingezahlt werden. (Abg. Dr. Trinkl: Das ist "Sozialpolitik neu"!)

Noch eine Anmerkung, Herr Präsident, zu den Beiträgen für die Karenzzeiten, was im Vollausbau immerhin einen Betrag von 12,1 Millionen € ausmachen wird: Ich bin dafür, dass für solche familienpolitische Anliegen aus dem FLAF gezahlt wird, aber gleichzeitig erfüllt mich die Entwicklung und die Zukunft der Familienförderung auch mit Sorge. Die interne Prognose des Finanzministeriums über die Gebarung des FLAF bestätigt nämlich nun erstmals das, was wir immer befürchtet haben und wovor wir gewarnt haben: dass der FLAF sich mit dem Kinderbetreuungsgeld übernimmt. (Abg. Steibl: Das ist aber ... Stichwort ÖBB!)

Die Prognose geht in die Richtung, dass der Reservefonds – und das ist die letzte Reserve – für das Jahr 2004 ein Defizit von 13,3 Millionen € und für 2005 eines von 38,4 Millionen € haben wird. Da sind die Kosten für die "Abfertigung neu" noch nicht einmal inbegriffen. Das heißt im Klartext, hätten Sie sich beim Kinderbetreuungsgeld nicht übernommen und hätten Sie nicht entgegen den Prinzipien sinnvoller Armutsbekämpfung mit der Gießkanne gefördert, müssten wir heute nicht um die Stammleistungen (Abg. Dr. Pumberger: Sie wollen eine Kürzung des Kindergeldes?) und um andere sinnvolle Leistungen wie die finanzielle Absicherung von Betreuenden bei der Familienhospizkarenz zittern! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Jetzt schämen Sie sich aber, Frau Mertel!)

14.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Trinkl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

14.10

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der heutigen Vorlage wurde immer wieder von einem großem Wurf, von Erfolgen und von vielen, vielen Superlativen gesprochen. Ich glaube, durch die Verwendung dieser Begriffe kommt sehr deutlich die Reformfreude dieser Bundesregierung zum Ausdruck, besonders in sozialpolitischen Fragen – auch wenn Herr Kollege Öllinger dem nicht immer folgen kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben das Kindergeld umgesetzt. Wir haben die Familienhospizkarenz umgesetzt. Wir haben Arbeiter und Angestellte gleichgestellt. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Frau Kollegin, ich weiß, dass das natürlich auch Sie in der letzten Koalition gerne getan hätten, aber das war


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eben leider nicht immer möglich. – Ein weiterer arbeits- und sozialrechtlicher Meilenstein im Erfolgsmosaik dieser Bundesregierung ist die Mitarbeitervorsorge. Das Wort unseres Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel, das er in der letzten Woche mehrmals verwendet hat – stark, schwarz, sozial –, wird damit Wirklichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Weil hier schon so viel Geschichtsforschung betrieben worden ist, möchte auch ich einen kleinen Beitrag dazu leisten; vielleicht können wir dann am Ende der Debatte wirklich sagen, was wahr ist. 1996 hat der ÖAAB ein Konzept entwickelt; ich gebe zu, dass dieses innerhalb der Volkspartei intensiv diskutiert wurde. Aber 1998 hat dabei Wolfgang Schüssel in Telfs den Brückenschlag erreicht und innerhalb der ÖVP eine sozialpartnerschaftliche Einigung zustande gebracht. Das war die Grundlage für das ÖAAB-Modell, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir hätten gerne diese Abfertigungsfrage bereits in der alten Koalition diskutiert und umgesetzt. Leider Gottes war uns das nicht möglich, aber vielleicht war auch die Zeit noch nicht reif. (Abg. Verzetnitsch: Sie wissen auch, warum!)

Aber heute sind wir am Ziel, Herr Präsident Verzetnitsch! Der Weg dahin war gesäumt von intensiven Verhandlungen, von guten Verhandlungen, aber auch getragen von dem Willen, erfolgreich zu sein. Das möchte ich hier mit allem Nachdruck unterstreichen! Die Grundlage für die Einigung war natürlich die Arbeit der Sozialpartnerschaft, die damit ein starkes Lebenszeichen von sich gegeben hat. Dafür gebührt der Sozialpartnerschaft auch Dank und Anerkennung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Wenitsch. )

Dieses Ringen um eine gemeinsame Lösung ist positiv zu beurteilen, und es war letztendlich von Erfolg gekrönt. Ich möchte damit allen Unkenrufen eine Absage erteilen, die von gefährlichem Lagerdenken in der heutigen Zeit reden, denn genau diese Vorlage heute zeigt, dass dieses Lagerdenken in wichtigen Dingen und in wichtigen Fragen nicht gegeben ist und nicht gegeben sein darf, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Selbstverständlich hat die Bundesregierung diesen Konsensvorschlag aufgegriffen und, mit geringfügigen Änderungen, auch umgesetzt. Der vorliegende Entwurf – und viele meiner Vorredner und Vorrednerinnen haben das bereits gesagt – ist eine echte "Win-Win-Situation", und darauf können wir stolz sein. Man sollte das nicht konterkarieren, man sollte jetzt nicht versuchen, das eine oder andere Haar in der Suppe zu finden – es ist eine "Win-Win-Situation"! Es haben alle Arbeitnehmer die Chance, eine Abfertigung zu bekommen, die Lösung ist für die Betriebe kostenneutral, und letztendlich profitiert der Wirtschaftsstandort Österreich von dieser neuen Regelung.

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat versprochen – und ich appelliere deshalb daran, das noch in diesem Jahr in Angriff zu nehmen –, diese Vorsorgemöglichkeit auch allen anderen Berufsgruppen zu eröffnen, weil es ein Akt der Fairness ist, dass derjenige, der für sein Alter vorsorgen will, auch die entsprechende Möglichkeit dazu bekommt.

Letztendlich schafft man mit dem neuen Mitarbeitervorsorgegesetz auch eine gewisse Manövriermasse für die überall geforderte und längst fällige Lohnnebenkostensenkung, weil, wie wir wissen, in der Vergangenheit ein großer Anteil der Insolvenzgelder für Abfertigungen in Anspruch genommen worden ist. Diese Mittel müssen in Zukunft auch für andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Wir sollten den Betrieben nicht mehr Geld wegnehmen, als die Fonds tatsächlich benötigen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Eines möchte ich am Ende noch sagen, weil hier auch die Möglichkeit geschaffen wurde, Abfertigungsrückstellungen gewinnneutral aufzulösen und in Eigenkapital überzuführen: Gerade vor dem Hintergrund der Verhandlungen über Basel II gewinnt die Eigenkapitalfrage enorme Brisanz, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle werden froh sein, wenn unsere Betriebe ausreichend Eigenkapital zur Verfügung haben, um eben diese Herausforderung Basel II entsprechend bewältigen zu können. Es geht hier nicht um ein Privileg für die Wirtschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern es geht um die Verfestigung des Wirtschaftsstandortes Österreich.


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106. Sitzung / Seite 99

Insgesamt, so meine ich, können wir auf die heutige Vorlage sehr, sehr stolz sein. Professor Marin hat im Hearing gemeint, es sei eine hohe politische Kunst gewesen, die gegensätzlichen Standpunkte zusammenzuführen und zu dieser Lösung zu kommen. Ich glaube, wir sollten das auch so anerkennen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sodian. – Bitte.

14.16

Abgeordneter Andreas Sodian (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Mertel, Sie sehen, wie wichtig es ist, dass die Freiheitlichen in der Regierung sind. Sie haben ja der ÖVP manches vorgeworfen, was nicht möglich war – mit den Freiheitlichen in der Regierung war es möglich, eine optimale Regelung zu finden, Frau Kollegin! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das derzeit bestehende Abfertigungssystem entspricht ja – das wissen wir – nicht mehr den Anforderungen eines modernen Arbeitsmarktes und den heutigen Bedürfnissen der Arbeitnehmer. Es war mobilitätshemmend – das ist bekannt –, weil die Arbeitnehmer durch den Verlust ihrer Ansprüche gestraft wurden, wenn sie den Arbeitsplatz aus eigenem Antrieb wechseln wollten. Es war KMU-feindlich, weil ein kleines Unternehmen bei der Auszahlung eines 25-jährigen Abfertigungsanspruches an den Rand der Liquidität getrieben wurde. 75 Prozent der Unternehmer sind ja Einzelunternehmer, und diese waren nicht verpflichtet, Rückstellungen vorzunehmen. Auch die restlichen 25 Prozent der Kapitalgesellschaften mussten nur zu 25 Prozent Rücklagen bilden. Es war außerdem sozial ungerecht, weil zwei Drittel der Arbeitnehmer nie in den Genuss einer Abfertigung kamen.

Daher ist dies jetzt eine tolle Reform, auch für den Arbeitgeber; ich spreche hier als Arbeitgeber, und ich stehe dazu. Die Abfertigung ist planbar, sie ist berechenbar, und sie ist in vielen Fällen eine geringere Belastung als früher. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Durch die Option, Rückstellungen zur Eigenkapitalbildung verwenden zu können, ist ebenfalls ein Wunsch der Wirtschaft erfüllt worden. Der große Vorteil für die Unternehmer wird jedoch nicht die eventuelle finanzielle Entlastung sein, sondern der große Vorteil liegt meiner Ansicht nach in der größeren Mobilität, die die Arbeitnehmer in Zukunft haben werden. Das ist der große Vorteil für die Unternehmer! Wie oft habe ich persönlich erlebt, dass brauchbare, gute Mitarbeiter nur deswegen nicht den Arbeitsplatz gewechselt haben, weil sie auf die Abfertigung nicht verzichten wollten, und daran ist die Mobilität gescheitert. Mit dieser Reform wird das jetzt wesentlich besser! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Als kleines Manko sehe ich die Regelung für die Bauarbeiter und ihre Unternehmer. In diesem Bereich werden weiterhin Beiträge von über 3 Prozent bezahlt werden. Die Bauunternehmungen haben bis jetzt über 3 Prozent bezahlt, und es gibt keinerlei Rücklagen, sodass auch in den nächsten fünf, zehn, 20 Jahren weiterhin dieser hohe Betrag bezahlt werden muss.

Ein weiterer Nachteil besteht für die Mitarbeiter, und zwar derart, dass sie sich ihre Mitarbeitervorsorgekasse nicht aussuchen können. Das ist ein Manko, aber wir wissen, worauf das zurückzuführen ist. Es ist eine Sozialpartnereinigung gewesen, ein Umlageverfahren einzuführen, und daher sind keinerlei Rückstellungen vorhanden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sprach von einer tollen Reform. Es wird im Herbst eine Jahrhundertreform werden, wenn auch die Unternehmer ein Eigenvorsorgemodell wie die Arbeitnehmer bekommen werden! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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106. Sitzung / Seite 100

14.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

14.20

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wir diskutieren schon einen Vormittag lang über die "Abfertigung neu". (Abg. Böhacker: Einen Nachmittag!) Es ist die Zeit wert, geht es doch immerhin um mehr als drei Millionen Menschen, die in Beschäftigung stehen und die das alle betreffen wird. In diesem Sinne möchte ich mich auch auf die Menschen, die das betreffen wird, beschränken, weil damit meiner Meinung nach eine sehr wesentliche Entscheidung hinsichtlich der heutigen Arbeitsverhältnisse getroffen wird: Immerhin ein Drittel aller Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer wechselt innerhalb eines Jahres den Dienstgeber. Das heißt, die Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist sehr groß geworden; man muss auf dem Arbeitsmarkt unterwegs sein. Ich denke daher, dass diese Aufwertung der "Abfertigung neu" ein sehr wesentlicher Aspekt für die Beschäftigungssituation der Menschen in unserem Land ist.

Eine Gefahr sehe ich allerdings bei dieser "Abfertigung neu". Da in den Diskussionen und Verhandlungen immer wieder erwähnt wird, dass die Frage des Pensionssystems hinsichtlich der Finanzierung eine sehr prekäre ist, habe ich bei der derzeitigen blau-schwarzen Bundesregierung Angst, dass im Zuge der "Abfertigung neu" am Pensionsrecht immer wieder etwas abgezwickt wird, sodass in nächster Zeit Verschlechterungen mit dem Hinweis auf die "Abfertigung neu" auf uns zukommen könnten.

Da aber im nächsten Jahr Wahlen sind, werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten das mit einem entsprechenden Wahlergebnis abwenden können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Aspekt – und dazu möchte ich auch einen Abänderungsantrag einbringen – ist die Frage der Übertragung von alten Abfertigungsverhältnissen in neue. Hier wird eine Steuerbegünstigung erschwert und ist erst ab dem dritten Jahr des Dienstverhältnisses möglich. Da hat die Regierung in den Rucksack einen sehr großen Mühlstein eingepackt. Es ist also nicht nur für Jause und Labsal gesorgt, sondern es ist ein Mühlstein eingepackt, den wir mit unserem Antrag aus dem Rucksack herausnehmen wollen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1176 der Beilagen betreffend die Regierungsvorlage Bundesgesetz über die betriebliche Mitarbeitervorsorge (Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz – BMVG) und mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das ORF-Gesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Journalistengesetz geändert werden

und den Entschließungsantrag 20/A (E) der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abfertigung – sicher und gerecht

und den Entschließungsantrag 32/A (E) der Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abfertigung neu

und die Petition (34/PET) betreffend "Betriebsrat BMW Werk Steyr – Abfertigung neu", überreicht von Abgeordnetem Ing. Kurt Gartlehner

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:


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Das Bundesgesetz über die betriebliche Mitarbeitervorsorge (Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz – BMVG) und mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das ORF-Gesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Journalistengesetz wird wie folgt geändert:

Artikel 17 wird wie folgt geändert:

In Z 3 lautet § 26 Z 7 lit. d:

"d) Beiträge, die der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer an eine MV-Kasse leistet, im Ausmaß von höchstens 1,53 Prozent des monatlichen Entgelts einschließlich der Sonderzahlungen im Sinne arbeitsrechtlicher Bestimmungen (§ 6 des Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetzes – BMVG, BGBl. I Nr. XXXX/2002, oder gleichartige österreichische Rechtsvorschriften) und zuzüglich etwaiger Verzugszinsen im Ausmaß des § 6 Abs. 6, beziehungsweise von höchstens 1,53 Prozent der Bemessungsgrundlage für entgeltfreie Zeiträume (§ 7 BMVG oder gleichartige österreichische Rechtsvorschriften), weiters Beiträge, die im Zuge von Übertragungen von Altabfertigungsanwartschaften im Sinne des § 3 Z 1 geleistet werden, sowie Beträge, die auf Grund des BMVG oder gleichartiger österreichischer Rechtsvorschriften durch das Übertragen von Anwartschaften an eine andere MV-Kasse oder als Überweisung der Abfertigung an ein Versicherungsunternehmen als Einmalprämie für eine Pensionszusatzversicherung gemäß § 108 b oder als Überweisung der Abfertigung an ein Kreditinstitut zum ausschließlichen Erwerb von Anteilen an einem prämienbegünstigten Pensionsinvestmentfonds gemäß § 108 b geleistet werden. Wird vertraglich oder kollektivvertraglich ein höherer Beitragssatz vereinbart, so tritt anstelle des gesetzlichen Beitragssatzes von 1,53 Prozent der vereinbarte Beitragssatz, höchstens jedoch 3 Prozent zuzüglich etwaiger Verzugszinsen im Ausmaß des § 6 Abs. 6."

*****

Ich ersuche Sie um Ihre Zustimmung, damit wir diesen Mühlstein aus dem Rucksack entfernen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag der Frau Abgeordneten Silhavy, der von Frau Abgeordneter Mag. Lapp eingebracht und mitunterfertigt wurde, ist genügend unterstützt und steht in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Donabauer. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

14.25

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Als diese Regierung angetreten ist, hat sie es sich zum Ziel gesetzt, die Sozialsysteme Österreichs, die gut sind, dahin gehend weiterzuentwickeln, dass sie nicht nur heute funktionstüchtig sind, sondern auch nachhaltig finanzierbar bleiben. – Das haben wir eingehalten. Diesbezüglich gab es viele positive und sinnvolle Veränderungen, und ich bin froh, dass wir diese Lösungen und Leistungen gemeinsam erbringen konnten.

Die Zielausrichtung war zweitens, dass wir uns laufend den neuen Bedürfnissen anpassen und diese nicht nur aufzeigen, sondern auch nachhaltig Lösungen anbieten. Wenn wir heute dieses


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Mitarbeitervorsorgegesetz beschließen, dann ist das der vierte wesentliche Meilenstein in einer gut ausgerichteten und auch engagiert dargestellten Sozialpolitik.

Die ersten drei sind die Pensionsreform, die vielfach kritisiert wurde und heute von allen, die das Thema ernst nehmen, bejaht wird, das Kinderbetreuungsgeld, über das wir uns freuen und bei dem wir nicht herumdiskutieren müssen, was dort vielleicht noch zu ändern wäre – es ist gut und wird von den Bürgerinnen und Bürgern allgemein positiv beurteilt –, und das Familienhospizkarenzgesetz, das wir in der letzten Nationalratssitzung beschlossen haben. Auch wenn Sie nicht dafür gestimmt haben, es ist trotzdem gut. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.  – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Ich meine, dass es ganz entscheidend ist, dass wir diesen Weg gegangen sind. Wenn wir heute das Mitarbeitervorsorgegesetz beschließen, dann können wir uns nicht nur vor den Bürgerinnen und Bürgern in Österreich sehen lassen, sondern europaweit und sogar weltweit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das ist qualitätsorientierte Sozialpolitik, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Das ist für mich in einer Zeit, in der der Zeitgeist auf Entsolidarisierung ausgerichtet ist, wohltuend. Deshalb ist es umso bemerkenswerter, dass wir hier einen gemeinsamen Weg mit einer Wirkung auf Jahrzehnte, einer Wirkung für die nächsten Generationen finden konnten, einen Weg, der einfach "Abfertigung neu" heißt. – Das ist Qualität! Das ist nicht nur – wie heute schon so oft erwähnt – ein Meilenstein in der Wirtschaftspolitik, sondern meiner Meinung nach auch ein Meilenstein in der Sozialpolitik. Darüber sollten wir uns wirklich gemeinsam freuen.

Meiner Ansicht nach ist das auch deshalb bemerkenswert, weil wir erstmals erreichen konnten, dass in Zukunft alle Dienstnehmer eine Abfertigung bekommen sollen. Bis dato – da gibt es unterschiedliche Zahlen – hat maximal etwa ein Drittel eine Abfertigung erreicht, weil sehr viele Menschen anderen Zwängen unterworfen waren und deshalb nicht mehr zur Erreichung einer Abfertigung kamen. – Das war für mich auf Dauer nicht haltbar.

Zum Zweiten wissen wir ja alle, dass Betriebe gerade bei der Betriebsübergabe, bei der Aufgabe des Betriebes oder bei der Kündigung mehrerer Mitarbeiter oft in sehr große Schwierigkeiten gekommen sind. Auch das ist somit gelöst. Insgesamt ist es also wirklich eine herzeigbare und gute Sache.

Ich freue mich besonders darüber, dass nicht nur die Regierung diese Vorgabe machte und die Behandlung durchgeführt hat und unser Herr Bundeskanzler sich in bewundernswerter Weise mit allen besprochen und letztendlich diese Lösung mit den Ressortministern und den Sozialpartnern erreicht hat, sondern dass auch die Sozialpartner wirklich aktiv mitgewirkt haben und eingebunden waren. Ich weiß, dass in den letzten Jahren gerade über deren Bestand sehr viel diskutiert und polemisiert wurde, aber mit dieser Lösung wird mehr als deutlich, dass Sozialpartnerschaft etwas Gutes und Positives ist. Sie muss nur gelebt und geübt werden. – Hier haben wir den Beweis dafür!

Ich verstehe deshalb nicht ganz, warum, wenn allerorts Freude herrscht – Frau Kollegin Silhavy, Sie müssen es auch zur Kenntnis nehmen –, die AK Oberösterreich und der Sozialausschuss wieder einmal beweinen, was alles noch zu machen wäre, und auf einige wenige Kleinigkeiten hinweisen.

Natürlich wird uns die Zeit zeigen, dass wir auch dieses Gesetz werden nachbessern müssen (Abg. Verzetnitsch: Wir wissen manches jetzt schon!), das ist keine Frage, aber heute soll das Positive im Mittelpunkt stehen und nicht die Kleinigkeiten.

Ich meine, diese ganz besondere Entscheidung verdient es wirklich, richtig beurteilt zu werden. Das ist ganz entscheidend. Während bisher die Entschädigung eher leistungsorientiert ausgerichtet war, wird sie in Zukunft beitragsorientiert ausgerichtet sein. Folgende Punkte sind dabei zu erwähnen:


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In einer Sendung im deutschen Fernsehen heute früh wurde gezeigt, dass die Pensionslösung von Minister Riester, die auch für die Altersvorsorge eine zweite Säule zum Inhalt hätte, in Wirklichkeit nicht angenommen wird. – Der Kommentator hat gesagt, man wisse nicht, ob das System zu kompliziert sei, ob die Bürger kein Verständnis hätten oder ob die Regierung es schlecht vermittelt habe.

Wir sind mit unserer Regelung einen viel besseren Weg gegangen, und wir haben damit eine verlässliche Zusatzpension – sprechen wir es einmal aus! – für die Zeit geschaffen, in der der Bürger aus dem Erwerbsleben ausgetreten ist und sich in den wohlverdienten Ruhestand begibt – und das noch dazu steuerbegünstigt! Ich meine, das muss einmal gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Schlussendlich freue ich mich noch über zwei Dinge, nämlich einerseits, dass der Beitragssatz mit 1,53 Prozent nun gesetzlich festgelegt ist und dass die Veranlagung unter entsprechender staatlicher Aufsicht erfolgt, und andererseits – Sie werden sich vielleicht darüber wundern –, dass die Sozialversicherungsanstalten, die alle Daten der Bürger haben, nach langen Verhandlungen in die Beitragseinhebungen miteinbezogen werden konnten und diese nun auch kostengünstig – mit 0,3 Prozent – durchführen. Die Einbindung der Sozialversicherungsanstalten ist meiner Meinung nach ebenfalls eine wirklich positive Entscheidung.

Was ich noch erwarte, ist, dass nun auch weiterverhandelt wird, dass auch freie Dienstnehmer, Selbstständige oder Bauern, die sich freiwillig als Einzahler einbringen möchten, die Möglichkeit haben, sich zu beteiligen. Es wird in Zukunft auch eine umfassende Information aller Beitragszahler geben, und ich wünsche mir, dass dies auch im gesetzlichen Pensionsversicherungssystem so kommen möge. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. – Bitte.

14.33

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren dieses Hohen Hauses! Wir stehen vor einer großen Reform im Arbeitsrecht. Das hat nicht zuletzt das Expertenhearing von letzter Woche ganz deutlich gezeigt, bei dem beinahe ausnahmslos alle Experten davon gesprochen haben, wie großartig diese Neuentwicklung und Weiterentwicklung ist und wie großartig und wichtig dieser Reformentwurf ist.

Es war die Rede von einer revolutionären Weiterentwicklung, von einem revolutionären Entwurf. Andere Experten haben von einem sozialpolitischen Meilenstein gesprochen. Ein Experte hat gemeint, man müsse im österreichischen Sozialrecht sehr weit zurückblicken, um einen derart großen Wurf zu finden. Sogar Herr Professor Marin, der bekanntermaßen ein sehr kritischer Beobachter der Sozialpolitik dieser Bundesregierung ist, hat sich ausgesprochen positiv zu dieser Neuregelung geäußert. (Abg. Silhavy: Von wem war der Experte?) Dieses Lob ist auch gerechtfertigt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Kollegin Silhavy! Zum ersten Mal ist etwas gelungen, was sozialistische Sozialminister 30 Jahre lang nicht zu Stande gebracht haben: dass alle Arbeitnehmer in Österreich in den Genuss einer Abfertigung kommen können! (Abg. Silhavy: Herr Kollege Schender! Ich habe Ihnen nur eine Frage gestellt!)  – Frau Kollegin Silhavy, das haben Sie und Ihre Kollegen von der sozialistischen Fraktion nicht zu Stande gebracht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich aber kurz auf Folgendes eingehen: Dieser Entwurf ist vor allem für junge Menschen wichtig. Zum ersten Mal werden Bevölkerungsgruppen wie etwa die Lehrlinge in den Genuss einer Abfertigung kommen und bereits während ihrer Lehrzeit für ihre Abfertigung ansparen können. Zum ersten Mal werden auch Präsenz- und Zivildiener Zeiten für ihre Abfertigung sammeln können. Studenten, die neben ihrem Studium monatsweise oder abschnittsweise Gelegenheitsjobs erledigen, werden für ihre Abfertigung ansparen, und auch junge Mütter werden Zeiten ansparen, während sie Kinderbetreuungsgeld beziehen.


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106. Sitzung / Seite 104

Das ist wichtig für junge Menschen, und es bedeutet dieses neue System gerade auch aus diesem Grund für die jüngere Generation eine verbesserte Altersvorsorge. Arbeitgeber sorgen für ihre Arbeitnehmer vor. Das ist gelebte Sozialpartnerschaft abseits der Theorie! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es bedeutet dieses Modell daher auch einen wichtigen Schritt in Richtung Reformierung des Pensionssystems, in Richtung Drei-Säulen-Modell und in Richtung Absicherung zukünftiger Pensionen. Es wird neben der staatlichen Grundsicherung eine zweite Säule in Form der verpflichtenden betrieblichen Altersvorsorge aufgebaut werden. Das ist eine verantwortungsvolle und vorausschauende Politik, um unser zugegebenermaßen gutes Sozialsystem auch für zukünftige Generationen absichern zu können.

Die wesentlichen Verbesserungen liegen auf der Hand: Die Mitnahme im Rucksack von erworbenen Ansprüchen auch bei Selbstkündigung schafft flexiblere Arbeitnehmer und ist wichtig für die Wirtschaft. Die Möglichkeit der einmaligen Auszahlung wird bestehen bleiben, und zwar mit einem begünstigten Steuersatz von 6 Prozent. Vor allem wird es auch die Chance geben, sich die Abfertigung als Zusatzrente steuerfrei auszahlen zu lassen. – Das ist ein Anreiz in Richtung Absicherung des Pensionssystems.

Es ist ein Meilenstein in der österreichischen Sozialpolitik, was diese blau-schwarze Bundesregierung (Abg. Silhavy: Ich hätte gedacht, sie ist rot-weiß-rot!) unter Federführung der FPÖ, ihrem Sozialminister Haupt, ihrem Sozialsprecher Gaugg und Herrn Kollegen Dolinschek als Vater dieses Modells in zwei Jahren geschafft hat! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben in zwei Jahren geschafft, was die SPÖ in 30 Jahren nicht geschafft hat. Die Arbeitnehmer in diesem Land werden es dieser Bundesregierung danken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.  – Ruf bei der SPÖ: Hoffentlich!)

14.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

14.37

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich werde dem "Vater" dieses Gesetzes sicherlich nicht so gratulieren wie mein Vorredner, und Sie können auch nicht erwarten, dass wir das BMVG – ich weiß nicht, warum Sie es jetzt umgetauft haben, wo doch vorher monatelang "Abfertigung neu" in ganz Österreich plakatiert war – nur positiv bewerten.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich möchte Ihnen ein bisschen auf die Sprünge helfen. (Abg. Großruck: Lieber nicht!) Ursprünglich war Ihr Modell sehr lückenhaft. (Abg. Murauer: Das ist übertrieben!)  – Herr Kollege! Wie so vieles, was Sie in den letzten beiden Jahren angefangen haben, war auch dieses Modell lückenhaft. Heute ist es wirklich einzig und allein das Verdienst der Sozialpartner und Folge ihrer Verhandlungen, dass dieses Gesetz – mit all den Schwächen, die es noch hat – so zu Stande gekommen ist. Denen ist in Wirklichkeit zu danken! Sie lassen sich ständig – und das schon sehr lange – für Dinge feiern, die Sie gar nicht so gewollt haben. (Abg. Mag. Schender: Sie sind doch Jugendsprecherin! Das ist doch eine Freude für die jungen Leute, die erstmals eine Abfertigung bekommen!)

Jetzt komme ich dazu, Ihnen ein bisschen auf die Sprünge zu helfen. Das jetzige Modell ist nämlich nicht das Modell, das im Regierungsübereinkommen oder in den ersten Entwürfen enthalten war, denn Sie hätten die Beitragszahlungen erst ab dem 13. Monat begonnen, jetzt besteht hingegen ein Abfertigungsanspruch ab dem ersten Tag, was ich im Sinne der Lehrlinge sehr begrüße – genau wie auch du gerade, Rüdiger. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Anspruch besteht nach dem Probemonat!)  – Nach dem Probemonat, das ist richtig, Herr Bundesminister. Das war eine guter Einwurf in meinem Rücken, danke für die Belehrung! (Abg. Dr. Mertel: Das macht er gern!) Sie haben Recht.

Bei Ihnen hätten die Beitragszahlungen nach 25 Dienstjahren geendet. – Jetzt kann wenigstens bis zur Pension angespart werden. Auch das wollten Sie ursprünglich nicht! (Abg. Silhavy:


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106. Sitzung / Seite 105

Schwere Geburt!) Sie wollten eine verpflichtende Verwendung als zweite Säule in der Pensionsversicherung. – Jetzt gibt es wirklich eine echte Wahlfreiheit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und auch diese Wahlfreiheit wollten Sie ursprünglich nicht. Sie wollten auch keine Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Die waren im Gesetzesentwurf einmal enthalten, einmal nicht, jetzt sind sie wieder drinnen. (Abg. Mag. Schender: Aber wir machen es!)  – Herr Kollege Schender! Es wäre eine definitive Schlechterstellung von Frauen gewesen, das weißt du genau, aber diese frauenfeindliche Passage ist zum Glück auch wieder gestrichen worden.

In Wirklichkeit sind Sie und nicht wir noch auf den fahrenden Zug aufgesprungen, wie Herr Kollege Dolinschek gesagt hat. (Abg. Mag. Schender: Da müssen Sie aber selber lachen!)

Ich begrüße wirklich – das habe ich vorhin schon gesagt –, dass es jetzt auch für Lehrlinge nach dem Probemonat einen Abfertigungsanspruch gibt, wiewohl ich nicht so einfach wie Herr Kollege Schender über Lehrlinge sprechen würde, wo doch im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit wirklich dramatische Zahlen auf dem Tisch liegen (Abg. Mag. Schender: Die zweitbesten in Europa!) und du als Jugendsprecher noch überhaupt nichts dagegen getan hast. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Zum Abschluss möchte ich sagen, dass Sie unsere drei Abänderungsanträge – Übertrittsrecht, Verwaltungskosten und Steuerrecht – wirklich nicht vernachlässigen sollten. Machen Sie doch diese Reform, die Sie als Jahrhundertreform bezeichnen, komplett, indem Sie auch diesen Anträgen zustimmen! (Beifall bei der SPÖ.)

14.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Blasisker. – Bitte.

14.41

Abgeordneter Josef Blasisker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! In 30 Jahren unter sozialistischen Bundeskanzlern hat es keine so fortschrittliche und wichtige Politik für die Arbeitnehmer gegeben, wie sie heute unter dieser Bundesregierung umgesetzt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Bundesregierung ist es, die die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, das Kindergeld, die Familienhospiz und vieles andere mehr ermöglicht und umgesetzt hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute präsentieren wir Ihnen den nächsten wichtigen Reformschritt, einen sozialpolitischen Meilenstein: die "Abfertigung neu". (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zwei Drittel der Arbeitnehmer waren bisher von der Abfertigung nahezu ausgeschlossen – etwa 2 Millionen Menschen. Nur 3 Prozent der Arbeitnehmer konnten jemals die volle Abfertigung ausschöpfen. 15 Prozent der Arbeitnehmer konnten irgendeinen Abfertigungsanspruch geltend machen. Bei Selbstkündigung hat der Arbeitnehmer bisher immer durch die Finger geschaut.

Der SPÖ waren die Arbeitnehmer während ihrer Regierungszeit gerade in der Abfertigungsfrage kein besonderes Herzensanliegen – uns aber schon! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Ich kenne einen Angestellten, der seit 25 Jahren in einer Firma beschäftigt ist und sich beruflich verändern möchte, sich aber bis dato nicht getraut hat, zu kündigen, weil er ja seinen Anspruch auf Abfertigung verloren hätte. Jetzt sichern wir nicht nur besonders für Menschen wie ihn die Abfertigung, sondern ermöglichen auch eine flexiblere Lebensplanung. Mehr Freiheit für den Arbeitnehmer – damit wird die FPÖ wieder einmal ihrem Parteinamen gerecht! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Präsident Verzetnitsch! Ich nehme aber wohlwollend zur Kenntnis, dass die SPÖ heute erkannt hat, was für eine gute Sache diese "Abfertigung neu" ist. Seit Alt-Bundeskanzler Klimas Interview mit der "Presse" darf man in der SPÖ offenbar wieder die Wahrheit sagen, nämlich


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106. Sitzung / Seite 106

dass die Regierung ihre Arbeit gut macht. – Das freut uns natürlich besonders! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was sind nun die positiven Veränderungen der "Abfertigung neu"? Ich kann nur mehr wiederholen: Abfertigung für alle Dienstnehmer, auch für in Saisonberufen Beschäftigte, Lehrlinge, Männer und Frauen in Karenz und Präsenzdiener; Anspruch auf Abfertigung auch bei Selbstkündigung; nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Wahlfreiheit zwischen Barauszahlung, Weiterveranlagung in der Mitarbeitervorsorgekasse oder einer Rentenversicherung; bestehende Ansprüche bleiben selbstverständlich unberührt. Auch für die Unternehmen gibt es eine Entlastung, da für sie die Abfertigung finanziell planbar wird.

Wir Freiheitlichen stehen auf der Seite der Menschen, betreiben Politik mit Herz und Verstand und freuen uns immer – auch für zukünftige Projekte –, wenn wir gemeinsam mit den Sozialpartnern unsere Vorstellungen für eine bessere Zukunft zum Wohle unserer Bürger umsetzen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Horn. – Bitte.

14.44

Abgeordneter Josef Horn (SPÖ): Werter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Lieber Herr Kollege vom Zentralbetriebsrat! Liebe Kollegen der Eisenbahnergewerkschaft! Das ist heute ein wirklich wichtiger Punkt im Werden der "Abfertigung neu". Es nennt sich zwar "Mitarbeitervorsorge", aber es entspricht dem, was immer unser Wunsch war: die Abfertigung in ein System überzuführen, in dem man sie auch bei Arbeitsplatzwechsel auf eigenen Wunsch nicht verliert. Diesem Schritt sind wir sehr nahe.

Aus einem unzureichenden Vorschlag der Regierungsparteien, dem man keinesfalls hätte zustimmen können, ist nach den Änderungsforderungen, nach den großen Bemühungen der sozialdemokratischen Fraktion, des ÖGB und der Arbeiterkammer und nach den vielen Verhandlungen der politischen Parteien (Abg. Dr. Ofner: 30 Jahre verhandelt!) in diesem Hohen Haus nun ein Entwurf geworden, den man den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmern nun auch vorstellen kann. (Beifall bei der SPÖ.  – Abg. Dr. Ofner: Auweh, auweh! Dabei hättet ihr es so lange schon gerne gemacht!)

In den ersten Vorschlägen von ÖVP und FPÖ war davon die Rede, dass eine Leistung der Arbeitgeber erst fällig wird, wenn man ein Jahr beschäftigt ist. Dann sollte ein Beitrag von 2,5 Prozent für längstens 25 Jahre bezahlt werden. Wenn man das Pech hatte, älter als 45 zu sein, sollte man ausscheiden.

Der nächste Anschlag war die Festlegung, dass nun ein Arbeitsleben lang Beiträge geleistet werden sollten und die Auszahlungsbeträge der Pensionskasse zufließen müssten. (Abg. Silhavy: Das haben die FPler wollen!)  – Ja! Erst der große Protest der Opposition – ÖGB und AK – führte zum Einlenken (Abg. Großruck: Haben den Bundesminister in die Knie gezwungen!): Beitragszahlung zur Abfertigung ab Beginn einer Beschäftigung nach maximal einem Probemonat bis zum Pensionsantritt, Beitragsleistungen von 1,53 Prozent. Dieser Prozentsatz sollte aber in einem Generalkollektivvertrag festgelegt werden. – Warum denn?

Wiederum entstand große Unruhe, da es keinen General kollektivvertrag gibt, sondern unzählige verschiedene Verträge. Dem Druck der Opposition ausgesetzt, gibt man erst nach, als Finanzminister Grasser bemerkt, dass die Arbeitskostenbelastung nach EU-Betrachtung keine Erhöhung darstelle. Hätte sich der Finanzminister rechtzeitig schlau gemacht, wäre viel Unruhe erspart geblieben. (Abg. Dr. Ofner: Armutschkerln!)

Unsere Forderungen im Ausschuss zur Absicherung der Veranlagungsziele mit entsprechender gesetzlicher Festlegung wurden von den Regierungsparteien ebenso abgelehnt wie eine Regelung für die Übertragung von bisher erworbenen Abfertigungsansprüchen nach dem derzeitigen Abfertigungsgesetz.


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Ich hoffe, dass Sie dem heutigen Antrag unserer Fraktion die Zustimmung erteilen, denn es wäre dann von Rechtssicherheit die Rede, es kämen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich gleichermaßen gültige Regelungen für die Übertragungen von alten Abfertigungsansprüchen zustande.

Ich vermisse in diesem Haus besonders die Unterstützung jener Betriebsräte des ÖAAB und der Fraktion Christlicher Gewerkschafter, die auf den unteren Ebenen genau die gleichen Probleme und Sorgen haben, die aber offenbar in diesem Haus kein Sprachrohr haben. Dass diese Abfertigungsregelung für einen großen Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen völlig neuen Zugang zum Thema Abfertigung bringt, ist sicher eine große sozialpolitische Entscheidung. (Beifall bei der SPÖ.)

14.48


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

14.48

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Jugendsprecherin der Sozialdemokraten hat sich in ihrer Rede über die angeblich ach so schlechte Arbeitsmarktsituation in Österreich alteriert. Ich darf Ihnen Folgendes sagen: Die jüngste Statistik des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger besagt, dass per 31. Mai 2002 3 155 648 unselbstständig Erwerbstätige in Österreich gemeldet waren – ein historischer Höchststand! Auch im Vergleich zum Vorjahr ist die Gesamtzahl der Beschäftigten um 5 520 Personen – oder 0,18 Prozent – gestiegen. Spitzenreiter in der Zunahme ist das Bundesland Salzburg. Ist ja klar, Salzburg ist absoluter Spitzenreiter! Negativer Spitzenreiter ist wer? – Natürlich das mit absoluter Mehrheit rot regierte Wien: 9 854 weniger unselbstständig Erwerbstätige in Wien – ein Rückgang von 1,28 Prozent!

Das ist die Politik der Sozialdemokratie, die Arbeitslose nur so produziert. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich darf zum Jahrhundert-Reformwerk "Abfertigung neu" kommen. Ich habe den Eindruck, dass Teile der Sozialdemokraten und die Grünen im Gesamten den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Nur so kann ich mir nämlich diese ständigen Nörgeleien an diesem wirklichen Jahrhundert-Reformwerk erklären.

Es ist ja geradezu kindisch, wenn immer wieder versucht wird, an den Haaren herbeiziehend, den Bestand alt und neu zu vergleichen: Nach 25 Jahren ein Jahresgehalt an Abfertigung. – Magere 3 Prozent aller Erwerbstätigen sind in den Genuss davon gekommen!

Mit der "Abfertigung neu" werden 100 Prozent, werden alle in den Genuss der Abfertigung kommen! – Angesichts dessen zu nörgeln ist wahrlich übertrieben.

Kollegin Petrovic – sie ist leider derzeit nicht im Saal – hat von Privilegien für Großbetriebe und so weiter gesprochen. – Sie soll mir zeigen, wo in dieser Regierungsvorlage etwas Verfassungswidriges enthalten ist, wo hier Privilegien vorgesehen sind! (Abg. Dr. Stummvoll: Sie hat keine Ahnung!) Jedes Unternehmen hat in der Vergangenheit die Möglichkeit gehabt, Abfertigungsrückstellungen zu bilden, und zwar in der Höhe von 50 Prozent des Gesamtanspruches. Davon mussten wiederum 50 Prozent im nachfolgenden Wirtschaftsjahr durch Wertpapiere gedeckt werden. Dies gilt für alle Unternehmer, ob klein oder groß, in gleicher Weise.

Hier von Privilegien zu sprechen, lässt für mich nur den Schluss zu, dass Frau Kollegin Petrovic diesen Antrag gar nicht gelesen hat – oder sie hat ihn nicht verstanden! (Abg. Dr. Van der Bellen: Doralt! Doralt!) Jetzt wundert es mich eigentlich auch nicht mehr, warum die Grünen bei diesem Jahrhundert-Reformwerk hier nicht mitstimmen und sich damit gegen 85 Prozent der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Van der Bellen: Doralt!)

14.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Dr. Graf! Ich muss mich jetzt entscheiden, ob ich zur Abstimmung einläuten lasse, was dann nicht notwendig ist, wenn alle drei der noch zu Wort gemeldeten freiheitlichen Redner sprechen, denn in diesem Fall geht es sich nicht aus. Bleibt die Rednerliste unverändert? (Abg. Dr. Martin Graf: Ja, aber sie werden alle kürzer sprechen, dann geht es sich aus!) Gut, dann lasse ich einläuten.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dobnigg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

14.52

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Hohes Haus! Vorweg möchte ich eine Klarstellung zu den Aussagen des Herrn Kollegen Böhacker in Bezug auf die Jugendbeschäftigung machen:

Beim AMS in Leoben gibt es keine einzige gemeldete freie Lehrstelle. Vom Vorjahr sind es noch dreißig Schulabgänger, die eine Lehrstelle suchen, und jetzt sind es über 200. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Sie haben bei der letzten Nationalratssitzung den Antrag der SPÖ abgelehnt, in dem es darum ging, eine Jugendbeschäftigungsoffensive zu starten. (Abg. Böhacker: Wollen Sie ein neues "Euroteam"?) Also reagieren Sie und sorgen Sie dafür, dass die Jugend eine Beschäftigung bekommt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Wollen Sie ein neues "Euroteam"?)

Hohes Haus! Meine Vorredner haben bereits sehr deutlich darauf hingewiesen, von welch großer Bedeutung das heute zu beschließende neue Abfertigungsgesetz für das Wohl der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. Deshalb gilt vorweg mein besonderer Dank den Sozialpartnern und an deren Spitze dem ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch und dem Präsidenten der Wirtschaftskammer Christoph Leitl gemeinsam mit ihren Verhandlungsteams für die geleistete konstruktive Vorarbeit und die im Konsens erfolgte Sozialpartnereinigung. Letztendlich ist diese "Abfertigung neu" auch ein großer Erfolg der österreichischen Sozialpartnerschaft, die trotz zahlreicher Unkenrufe von Seiten der Regierung einmal mehr ihre Problemlösungskompetenz und ihre tragende Rolle für eine Konsensdemokratie sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat.

Das von den Sozialpartnern im November des Vorjahres eingebrachte und vorgelegte und von der Regierung in weiten Teilen übernommene Konzept für die Neuregelung der Abfertigung deckt sich größtenteils auch mit den Vorgaben der Sozialdemokratie.

Dank gebührt den Sozialpartnern in diesem Zusammenhang vor allem dafür, dass sie standhaft gegen die von der Regierung ursprünglich – abweichend von der Sozialpartnereinigung – beabsichtigte Verschlechterung angekämpft und sich dabei weitgehend durchgesetzt haben.

Ganz besonders freut es mich aber, auch als Arbeitnehmervertreter und Sozialdemokrat, dass nach vielen Initiativen von Seiten der SPÖ über viele Jahre hinweg, bei vielfacher Blockadehaltung der ÖVP, nun endlich dieses neue, moderne Gesetz zur Beschlussfassung ansteht.

So konnte das derzeitige Abfertigungssystem den Anforderungen eines modernen Arbeitsrechtes nicht mehr zur Gänze entsprechen und wurde auch der Dynamik des Arbeitsmarktes nicht mehr gerecht. In Zeiten zunehmender Flexibilität kamen immer weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Genuss einer Abfertigung, wie heute schon mehrfach angesprochen, zuletzt nur mehr rund 15 Prozent. Zusätzlich wirkte der Verlust der Abfertigung bei Selbstkündigung als Mobilitätshindernis.

Vor allem aber gerieten Saisonbeschäftigte nie in den Genuss des Erwerbs eines Anfertigungsanspruches. Außerdem gab es sehr viele Unternehmer, welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach einer bestimmten Zeit der Beschäftigung kurz vor dem Erreichen des Stichtages für eine entsprechende Abfertigung kündigten und sich damit eine Auszahlung ersparten.


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Aus all diesen Gründen ist das heute zum Beschluss vorliegende Bundesgesetz über die betriebliche Mitarbeitervorsorge, sprich "Abfertigung neu", ein wichtiger und ein richtiger Schritt hin zu einem modernen und gerechten heimischen Arbeitsrecht. (Abg. Dr. Ofner: Da schau her!) Ein bereits vor Jahren, vor allem aber auch von uns Sozialdemokraten eingeleiteter Prozess kann mit dem heutigen Tag erfolgreich abgeschlossen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol  – in Richtung des den Vorsitz führenden Präsidenten Dr. Fischer –: Ausläuten!)

Abschließend ist es mir noch wichtig, auf Folgendes hinzuweisen: Auch in Hinkunft muss die Abfertigung ein Teil des Entgeltes bleiben. Die "Abfertigung neu" darf nicht als zweite oder dritte Säule, so wie es Kollege Schender von den Freiheitlichen vorhin angesprochen hat, des Pensionssystems missbraucht und dann als Begründung für allfällige zukünftige Kürzungen der Pensionen herangezogen werden.

Zusammenfassend möchte ich nochmals feststellen: Diese "Abfertigung neu" ist ein wichtiges und richtiges Gesetz zum Wohle und im Interesse der heimischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Mein Dank gilt nochmals den Verhandlungsteams der Sozialpartner.

Abschließend wünsche ich allen österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein harmonisches, unfallfreies Arbeiten und ein herzliches "Glück auf"! (Beifall bei der SPÖ.)

14.57


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Trettenbrein. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Die bringen wir nicht mehr zusammen, die Abstimmung!)

14.57

Abgeordneter Harald Trettenbrein (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Für mich ist die "Abfertigung neu" ein "Wunderkind", denn jeder will plötzlich der "Vater" sein! Die SPÖ akklamiert das in ihren Gewerkschaftszeitungen, die ÖVP hält heute Vormittag eine Veranstaltung vor dem Parlament ab – und dabei ist gerade in diesem Fall die Vaterschaft so sicher wie das Amen im Gebet: Die "Abfertigung neu" ist und bleibt ein Kind der FPÖ! Hätte sie ein Gesicht (Rufe bei den Grünen: Oje! Oje!), dann wäre es das Spiegelbild von Sigisbert Dolinschek (Beifall bei den Freiheitlichen – Abg. Dr. Mertel: Das ist ja ein Alptraum! Ein Alptraum! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), denn er war es, der diese Idee bereits 1991 geboren hat. Da wussten die Sozialpolitiker von Ihrer Seite noch nicht einmal, was es heißt, eine Abfertigung für alle zu bezahlen – außer vielleicht für Ihre Funktionäre –, denn wie sonst wäre es möglich, dass 30 Jahre lang nichts in dieser Richtung passiert ist?

Geschätzte Damen und Herren! Die "Abfertigung neu" ist nach dem Kindergeld wieder einmal eine Idee aus dem Süden Österreichs, die sich hier in Wien durchgesetzt hat. Das Sensationelle an dieser Abfertigung ist, dass sie ab dem ersten Tag und auch bei Selbstkündigung ausbezahlt wird. Was für Sie von der SPÖ besonders wichtig ist: Es bekommt sie jeder – egal ob er Charisma besitzt und fleißig und erfolgreich im Beruf ist oder ob er kein Charisma hat, ein "wandelnder Kühlschrank" ist und hinten ein Ablaufdatum drauf hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nach dem Kindergeld und der Familienhospizkarenz ist die "Abfertigung neu" der dritte große Schritt in der freiheitlichen Sozialpolitik, und ich kann Ihnen eines garantieren: Es wird mit Sicherheit nicht der letzte Schritt sein! (Beifall und Bravoruf bei den Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte aber auch die Gelegenheit wahrnehmen, um den neuen Kollegen aus meinem Bezirk, aus Wolfsberg, hier willkommen zu heißen. Ich wünsche ihm viel Glück und Erfolg, denn er wird es in dieser kalten Fraktion, in der das Wort "Freundschaft" nicht mehr zählt, bitter nötig haben! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 1 bis 3 der heutigen Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß den Bestimmungen der Geschäftsordnung um 15 Uhr beginnen kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Regieren neu – Postenschacher, Privilegien und Proporz in der PVA (3985/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 3985/J.

Diese Interpellation ist an alle Mitglieder des Hohen Hauses verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch einen Schriftführer erübrigt.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Der Sozialsprecher der FPÖ, Reinhart Gaugg, ist in einer vertraulichen Besprechung von FPÖ- und ÖVP-FunktionärInnen, in Anwesenheit des Generaldirektors der PVAng, Dr. Ewald Wetscherek und offensichtlich auch unter Ihrer – zumindest zeitweisen – Präsenz am 14. Mai 2002 als zukünftiger stellvertretender Generaldirektor der neuen Pensionsversicherungsanstalt (PVA) vereinbart worden.

Der Generaldirektor der PVAng, Dr. Ewald Wetscherek, hat bei dieser Sitzung gemeinsam mit den anderen SitzungsteilnehmerInnen sich selbst als zukünftigen Generaldirektor der PVA vereinbart.

Die geheime Absprache von FPÖ und ÖVP

Die Positionen des leitenden Angestellten und des leitenden Arztes der PVA sowie deren ständiger Stellvertreter waren bis 5. Mai 2002 öffentlich ausgeschrieben. 31 Personen hatten sich für die Funktion des leitenden Angestellten und seiner Stellvertretung, 21 für die Funktion des leitenden Arztes und seiner Stellvertretung beworben. Das Personalberatungsunternehmen Jenewein führte, nachdem etliche BewerberInnen wegen formaler Kriterien ausgeschieden worden waren, mit insgesamt 21 Personen Gespräche. Noch bevor sich das vom Überleitungsausschuss der PVA eingesetzte Personalvorschlags – oder Bewerbungskomitee in zwei Sitzungen mit den Bewerbungen auseinandergesetzt hatte, wurden in einer vertraulichen Fraktionssitzung von FPÖ und ÖVP bereits definitive Absprachen über die Wahl des leitenden Angestellten und seines Stellvertreters getroffen!

Die Beiziehung des Personalberatungsunternehmens Jenewein zu den Sitzungen des Personalvorschlagskomitees war nicht zuletzt deshalb eine Farce, weil das Ergebnis dieser Beratungen, nämlich dem Überleitungsausschuss eine "Kandidatenliste" von 2 Kandidaten für den leitenden Angestellten und 4 KandidatInnen für den ständigen Stellvertreter vorzuschlagen, durch die Absprache von FPÖ und ÖVP schon längst obsolet geworden war.

Keine Wahl bei der Wahl

Wie überflüssig die teure Behübschungsaktion des Personalberaters Jenewein (Kosten: € 50.000,- !!) durch die Absprache von ÖVP und FPÖ war, beweist auch die "Wahl" des Überleitungsausschusses. Von den zwei Kandidaten für den leitenden Angestellten wurde nur einer, von den vier KandidatInnen für die Stellvertretung wurden gar nur zwei in einem eigenartigen Prozedere abgestimmt! Wie in dem vertraulichen Papier der Sitzung vom 14. Mai festgehalten, wurden die vereinbarten Kandidaten am 27.5. natürlich – wie vereinbart – bestellt.

Das Ergebnis der geheimen Wahl um die Stellvertretung, bei der nur Abg. Gaugg und der stv. GD Freitag zur Wahl standen, fiel mit 12 Stimmen für Gaugg, 11 Stimmen für Freitag, 2 Ent


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haltungen und einer ungültigen Stimme denkbar knapp aus. Gaugg erhielt nicht die einfache Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten. Da das ASVG im § 538c (Überleitungsausschuss – Errichtung) aber davon spricht, dass die Beschlüsse "mit einfacher Mehrheit" zu fas-sen sind und nicht wie in den Passagen über den Hauptverband die "Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen" einfordert, ist jedenfalls davon auszugehen, dass mit der "einfachen Mehrheit" nur die Mehrheit der Anwesenden gemeint sein kann. Diese Mehrheit haben weder Gaugg noch Freitag erreicht. Warum über die anderen Kandidaten für die Stellvertretung überhaupt nicht abgestimmt wurde, warum über die KandidatInnen nicht einzeln abgestimmt wurde, warum über den zweiten Kandidaten für den Generaldirektorsposten auch nicht abgestimmt wurde, ist nur durch die Vorabsprachen der Fraktionen und den Verzicht auf die Ergebnisse der KandidatInnenfindung erklärbar: der Überleitungsausschuss der PVA, die Fraktionen von ÖVP und FPÖ und der Sozialminister nehmen die eigenen Beschlüsse und die gesetzlichen Vorgaben nicht ernst!

In der Sitzung vom 14. Mai 2002 wurden noch weitere Vorabsprachen getroffen, die zum Beispiel beinhalten, dass der als SPÖ-Mann geltende Dr. Klaus Schneider nur dann "befristet auf ca. 1,5 Jahre" zum Chefarzt bestellt werden solle, wenn es "Konsens im Entscheidungsgremium" gibt. Im Falle eines fehlenden Konsens ("anderenfalls") "wird Dr. Müller Chefarzt".

Auch bezüglich weiterer Personen, die alle als BewerberInnen für die Funktionen des leitenden Angestellten bzw. des Chefarztes oder deren Stellvertretung fungieren, wird eine "Verwendung in der PVA" beschlossen unter der Voraussetzung: "Konsens im Entscheidungsgremium und Zustimmung der Betroffenen." Konsens im Entscheidungsgremium heißt: wenn die SPÖ-Fraktion der Bestellung einer blauschwarzen Führungsriege zustimmt, dürfen einige "ihrer" Leute auf "Verwendung" rechnen. "Zustimmung der Betroffenen" heißt: aber nur, wenn sie kuschen.

Selbst für den Wechsel im Vorsitz des Kontrollausschusses der PVA wurde eine "Verwendungszusage" vereinbart, mit der offensichtlich der FPÖ-Abgeordnete Dr. Martin Graf in diese Funktion gehievt werden soll.

"Betreffend Pressearbeit wird Personalberater Dr. Jennewein (!) ein Auftrag erteilt. Er soll eine mediale Begleitung bereits ab Do, den 16.5.02 vornehmen", heißt es in dem vertraulichen Protokoll der Sitzung vom 14.5. weiter. Dem Personalberater wurde damit von einem nicht befugten Gremium die undankbare Aufgabe zugeteilt, eine Entscheidung über die Personalauswahl, die nicht seine war, in der Öffentlichkeit als seine darzustellen und die von der FPÖ-ÖVP-Runde vereinbarten Postenbestellungen schon vor der eigentlichen Entscheidung des Überleitungsausschusses und seiner eigenen Auswahl medial aufzubereiten.

Einzig der in dem vertraulichen Protokoll als stellvertretender Chefarzt ausgewählte Dr. Walgram kam nicht zum Zug – doch das hat möglicherweise andere Gründe. Der neu gewählte stellvertretende Chefarzt Dr. Steininger ist jedenfalls auf der oben schon erwähnten Liste von Personen zu finden, für die ebenfalls eine "Verwendung in der PVA" vereinbart wurde.

Die Absprache von FPÖ und ÖVP hat sich damit tatsächlich als "Sündenfall" (LH Haider) erwiesen.

Sozialversicherung als Auffanglager für gescheiterte politische Funktionäre?

Der neue stellvertretende Generaldirektor Gaugg weiß selbst am Tage seines Dienstantrittes noch nichts über seinen Dienstvertrag, seine Leistungsbeschreibung oder sein Anforderungsprofil (APA 032 vom 3.6.02). Weder ihm noch seinen Parteifreunden bzw. Ihnen ist bis dato anscheinend klar, ob der Posten eines Vize-Generaldirektors der PVA ein "fulltime-job" ist oder nicht. Dabei wurde in der im April 2002 beschlossenen ASVG-Novelle in den Erläuterungen festgehalten:

1. Die Bestellung des leitenden Angestellten der künftigen Pensionsversicherungsanstalt und seines ständigen Stellvertreters durch den Überleitungsausschuss erfolgt bereits mit Wirkung ab 1. Juni 2002. Es ist davon auszugehen, dass der ständige Stellvertreter nach der inneren


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Organisation der Pensionsversicherungsanstalt mit einem eigenen Wirkungs- und Geschäftsbereich ausgestattet wird (§ 538d Abs. 4 ASVG).

Selbst jetzt, Wochen nach der Wahl von Reinhart Gaugg, gibt es noch immer keine konkrete Beschreibung der Aufgaben und Anforderungen. Damit wird immer deutlicher, dass der Satz, den der Abgeordnete Gaugg anlässlich der Nationalrats- Debatte um die Absetzung des Hauptverbands-Präsidenten Sallmutter formulierte, für ihn selbst bzw. die FPÖ/ÖVP-Koalition gilt:

"Sie haben diesen Hauptverband und die Sozialversicherungen als Auffanglager für gescheiterte politische Funktionäre verwendet."

(Reinhart Gaugg)

Damals wurden von ÖVP und FPÖ für Funktionäre und leitende Angestellte (Geschäftsführung) des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger Unvereinbarkeitsregelungen geschaffen, die zwar nur auf den Ausschluss von Hans Sallmutter abzielten, aber auch für politische Mandatare, ja sogar Mitarbeiter einer politischen Partei gelten sollten. Jetzt, bei der Bestellung der Geschäftsführung der größten Sozialversicherungsanstalt, gelten anscheinend andere Spielregeln:

Der Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt darf auch Aufsichtsratsvorsitzender bzw. Stellvertreter eines der größten privaten Versicherungskonzerne, der auch private Pensionskassen betreibt, bleiben. Sein Stellvertreter darf auch Abgeordneter zum Nationalrat sein, ein ande-rer Abgeordneter (Martin Graf) darf auch Mitglied des Überleitungsausschusses (vergleichbar dem Verwaltungsrat des Hauptverbandes) sein, andere Abgeordnete (Max Hofmann, Walter Tancsits, Johann Römer) dürfen sich mit dem Bundesminister, dem obersten Aufsichtsorgan über die Sozialversicherungen, schon lange vor der Wahl über die Wahl absprechen.

Die FPÖ im Zickzackkurs

"Proporz und Postenschacher stehen im öffentlichen Dienst und im Bereich der staatsnahen Unternehmungen nach wie vor auf der Tagesordnung. Dem muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden.

Dies ist durch Abschaffung jeglichen Parteieneinflusses im öffentlichen Dienst, bei der Bestellung der Organe von Unternehmen im staatsnahen Bereich, der bisher parteipolitisch besetzten Beiräte im Förderungsvergabewesen und der bisher parteipolitisch zusammengesetzten Organe im Schulbereich zu erreichen."

(aus: Ideen 2000. Unser Programm für Österreichs Zukunft. FPÖ")

Schon seit Jahren verspricht die FPÖ ein Ende des Postenschachers, der Privilegien- und Pfründewirtschaft. Seit sie an der Regierung beteiligt ist, betreibt sie diese genau so ungeniert wie die ÖVP. Ob in der ÖIAG, in den Ministerien, beim ORF oder in den Sozialversicherungen: überall werden Versorgungsposten, Zusatzposten, Aufstiegs- und Auffangposten geschaffen, ohne Rücksicht auf Versprechen und Anforderungen.

Dementsprechend widersprüchlich sind die Reaktionen aus der FPÖ:

FPÖ-Generalsekretär Schweitzer geht davon aus, dass Reinhart Gaugg sein Nationalratsmandat zurücklegen wird, wenn sich der Posten des Vizegeneraldirektors der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) als "Fulltime-Job" herausstellen sollte. Er, Schweitzer, "glaube sicherlich, dass es ein Fulltime-Job werden wird" (APA, 29.5.02)

"Ich sehe keine Unvereinbarkeit. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun." (LH Haider, Kurier, 30.5.02)

"Für ihn, Schweitzer, stehe fest, dass die ganze Geschichte nicht vereinbar ist" (Presse, 31.5.02)


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Sozialminister Herbert Haupt (F) hält einen Rückzug des FP-Sozialsprechers Reinhart Gaugg aus dem Nationalrat nicht für nötig (APA, 28.5.02)

FP-Klubobmann Peter Westenthaler hatte heute Vormittag gemeint, Gaugg könne als PVA-Vize nicht im Parlament bleiben (APA, 28.5.02)

"Im Vorgespräch sagte er mir, wenn er diese Funktion antritt, die ja hauptamtlicher Natur ist, wird er sein Mandat niederlegen. Daran hat sich nichts geändert." (Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, 1.6.02, Presse)

"Mit mir hat nie jemand von der FPÖ darüber gesprochen, dass ich mein Mandat zurücklegen soll, wenn ich zum Generaldirektor-Stellvertreter der PVA gewählt werde" (Reinhart Gaugg, 7.6.02, Kleine Zeitung)

Gaugg Akkumuliert Unvereinbar Große Gagen

Seit Anfang Juni ist Reinhart Gaugg ständiger stellvertretender Generaldirektor der PVA und bezieht einstweilen ein Gehalt in der Höhe von rund € 5.000,-, das um 25 Prozent gekürzt wird, weil Gaugg nach wie vor sein Mandat als Abgeordneter zum Nationalrat ausübt. Weil Gaugg aber eine wesentlich höhere Gage will, wird das Abgeordnetenmandat als Faustpfand eingesetzt. Rund 200 000 Euro jährlich sind die Gehaltsvorstellungen von Reinhart Gaugg, wie der Vorsitzende des Überleitungsausschusses, Karl Haas in einem ORF-Interview bestätigt.

Da Gaugg aus seinen früheren politischen Funktionen als Landtagsabgeordneter und Vizebürgermeister von Klagenfurt bereits einen Anspruch auf eine Politikerpension erworben hat, die mit einer Pensionsleistung der PVA gedeckelt werden würde, will Gaugg auch keinen "normalen" Sondervertrag mit Pensionsanspruch (der ihn zudem eine einmalige Beitragszahlung von rund 138 000 Euro bzw. 2 Millionen Schilling kosten würde), sondern einen besonderen Sondervertrag für ein besonderes Sondergehalt.

Der Sozialminister, der vorher schon bei der fraktionellen Absprache zur Wahl von Reinhart Gaugg anwesend war, verwendet sich auch in der Causa Sondervertrag für ein Sondergehalt für Reinhart Gaugg:

"Am Mittwoch zitierte Sozialminister Herbert Haupt PVA- Generaldirektor Ewald Wetscherek zu sich, um für Gaugg zu intervenieren. Er erreichte, dass Gaugg nicht erst, wie zuvor geplant, am 17. Juni, sondern bereits diesen Montag sein neues Büro beziehen kann. Und Haupt deponierte auch den Wunsch, dass seinem Parteikollegen ein Sondervertrag gewährt werden möge." (profil, 3.6.2002)

Reinhart Gaugg: Sondergremium für Sonderprüfung für Sondervertrag für Sondergehalt?

Schon für das vorläufige Gehalt von Reinhart Gaugg ist die Absolvierung der Dienstprüfung B eine Voraussetzung, die allerdings gestundet werden kann. Sozialminister Haupt hat nun im Rahmen einer Dringlichen Anfrage der SPÖ im Bundesrat eine äußerst bemerkenswerte Feststellung gemacht:

"Ich möchte aber auch hinzufügen, dass für diese Dienstprüfungen eine eigene Dienstordnung der Prüfungsablegung existiert, die besagt, dass in diesem Falle die Dienstprüfung nicht mit einem entsprechenden Besuch der Akademie des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger verbunden ist, sondern dass die Dienstprüfung vor einem entsprechenden Sondergremium abgelegt werden kann, was ich für durchaus sinnvoll erachte. Ich halte es tatsächlich nicht für gerechtfertigt, wenn ein leitender Angestellter, wenn er wirklich ein Experte ist, die Zeit für einen meiner Ansicht nach sinnlosen Schulbesuch – verzeihen Sie mir diese drasti-sche volkstümliche Ausdrucksweise! – verschwenden muss"

(BM Haupt, 688. Sitzung des Bundesrates vom 6.6.02, vorläufige Version)


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Bundesminister Haupt, oberste Aufsichtsbehörde der Sozialversicherungen, drückt nicht nur beide Augen zu, wenn es um die eigene Teilnahme an einer vertraulichen fraktionellen Besprechung und deren Festlegung auf Kandidaten – unabhängig von der Arbeit des Personalvorschlagkomitees und des Personalberaters – geht;

Bundesminister Haupt hat auch anscheinend kein Problem damit, dass der Überleitungsausschuss die Ergebnisse des Komitees nicht zur Kenntnis nimmt und nur über einzelne Kandidaten in einem merkwürdigen Verfahren abstimmen lässt;

Bundesminister Haupt hat auch kein Problem damit, dass für seinen Parteifreund Gaugg erst ein Sondervertrag für ein Sondergehalt ausgehandelt werden muss;

Bundesminister Haupt legt hingegen dem Generaldirektor der PVA nahe, einen besonderen Sondervertrag auszuhandeln und

Bundesminister Haupt spricht sich im Bundesrat dafür aus, dass die für den Sondervertrag und das Sondergehalt jedenfalls vorgeschriebene Dienstprüfung als Sonderprüfung vor einer Son-derkommission abgelegt werden kann.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1. Haben Sie am 14.5.2002 an dem Treffen von FPÖ- und ÖVP-Abgeordneten im Parlament mit dem Zweck einer Absprache über die Postenbestellung in der PVA teilgenommen? Wenn ja, zu bzw. ab welchem Zeitpunkt und zu welchem Zweck?

2. Haben Sie dadurch davon Kenntnis erhalten, dass sich die TeilnehmerInnen an diesem Treffen darauf vereinbart haben, Hrn. Wetscherek zum Generaldirektor und Hrn. Gaugg zum stellvertretenden Generaldirektor der PVA zu wählen?

3. Teilen Sie unsere Ansicht, dass durch diese Absprache das Objektivierungsverfahren mithilfe des Personalberaters Jenewein überflüssig bzw. ausgehebelt wurde? Wenn nein, warum nicht?

4. Wurde durch die Absprache der Beschluss des Überleitungsausschusses, über dieses Verfahren und die KandidatInnenliste die für die jeweilige Funktion Bestqualifizierten zu wählen, nichtig gemacht? Wenn nein, warum nicht?

5. Haben Sie selbst bzw. Ihr Ministerbüro auf das Zustandekommen der vertraulichen Sitzung am 14.5.2002 Einfluss genommen ?

6. Haben Sie bzw. Ihr Ministerium vor der Sitzung des Überleitungsausschusses am 27.5.2002 schriftlich oder mündlich Kenntnis von der Auswahl der BewerberInnen durch Dr. Jenewein und von der KandidatInnenliste erhalten?

7. Haben Sie bzw. Ihr Ministerium vor der Sitzung des Überleitungsausschusses am 27.5.2002 in irgendeiner Form Einfluss auf die Auswahl der BewerberInnen für die PVA genommen?

8. Werden Sie – im Wissen, dass die Absprache den Beschluss und das Auswahlverfahren ausgehebelt hat – eine Überprüfung bzw. Aufhebung der Ergebnisse veranlassen?

9. Haben Sie vor der Entscheidung des Überleitungsausschusses gewusst, dass –unabhängig von der Wahl eines ständigen Stellvertreters – jedenfalls die amtierenden stellvertretenden GeneraldirektorInnen von PVAng und PVArb einen verbindlichen Rechtsanspruch auf den Posten von stellvertretenden GeneraldirektorInnen haben?

10. Halten Sie den Wahlmodus des Überleitungsausschusses, nicht alle qualifizierten KandidatInnen der Kandidatenliste zur Wahl zu stellen, sondern bei der Abstimmung über den Generaldirektor eine ja/nein-Abstimmung, bei der Abstimmung über die Stellvertreter zwei Perso


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nen auf dem Stimmzettel zur Wahl zu stellen, für gesetzeskonform bzw. im Einklang mit der Geschäftsordnung des Überleitungsausschusses?

11. Halten Sie die Geschäftsordnung des Überleitungsausschusses, die sich in den Passagen über Abstimmungen ("einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen") auf die Geschäftsordnung des Hauptverbandes bezieht, die eine andere Bestimmung des ASVG (§ 441) zur Grundlage hat als sie der Überleitungsausschuss vorgegeben hat (§ 538c: "einfache Mehrheit entscheidet"), für gesetzeskonform?

12. Halten Sie die Interpretation Ihrer Beamten über das Abstimmungsergebnis Gaugg/Freitag für gesetzeskonform bzw. werden Sie diesbezüglich ein Gutachten in Auftrag geben?

13. Ist es richtig, dass gemäss der Interpretation Ihrer Beamten ein Wahlergebnis von 2 Stim-men für Gaugg und 1 Stimme für Freitag (Rest ungültige Stimmen oder Stimmenthaltungen) auch eine gültige Wahl von Reinhart Gaugg bedeutet hätte?

14. Ist es richtig, dass der Vorschlag, Reinhart Gaugg zu wählen, von Abg. z. NR Martin Graf im Überleitungsausschuss eingebracht wurde?

15. Ist es richtig, dass Dr. Martin Graf auf Vorschlag der Bundeswirtschaftskammer bzw. des Rings Freiheitlicher Wirtschaftstreibender in die PVAng als Versichertenvertreter entsandt wurde?

16. Aus welcher Tätigkeit bezieht Dr. Martin Graf, der beruflich eine Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter, also als unselbständig Beschäftigter in einer Kanzlei angibt, seine Berechtigung, als Versichertenvertreter der Arbeitgeberkurie aufzutreten?

17. Von welchem Gremium ist Dr. Jenewein mit der Begleitung der KandidatInnenfindung beauftragt worden?

18. Ist es richtig, dass der Überleitungsausschuss keinen Beschluss gefasst hat, Dr. Jenewein den Auftrag zu geben?

19. Von welchem Gremium wird/wurde der Auftrag Jenewein, der nach Ihren eigenen Angaben € 50.000,- berechnet hat, bezahlt?

20. Werden Sie als Aufsichtsbehörde die Auftragsvergabe an Dr. Jenewein überprüfen?

21. Sie haben gegenüber dem Bundesrat erklärt, dass Sie am 14.5., im Klub der freiheitlichen Fraktion einige Teilnehmer der angeblichen Sitzung getroffen haben und sich dort "im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des ASVG über den Stand der Dinge im Überleitungsausschuss erkundigt hätten. Welche Auskünfte haben Sie dabei erhalten?

22. Sie haben auf die Feststellung "im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen" großen Wert gelegt: wer ist "im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen" für den Überleitungsaus-schuss vertretungsbefugt nach außen und daher Ihr Ansprechpartner?

23. Sie haben im Zusammenhang mit der ihrer Meinung nach angeblichen Sitzung des weiteren gesagt: "Ich habe mich bei Herrn Wetscherek, Herrn Haas und bei allen anderen, von den Direktoren der beiden Anstalten beginnend, erkundigt". Waren die Direktoren der beiden Anstalten bei der "angeblichen Sitzung" anwesend?

24. Haben Sie Herrn Haas tatsächlich bei dem vertraulichen Treffen von ÖVP und FPÖ am 14.5. getroffen und sich bei ihm erkundigt? Wenn nein, wann sonst haben Sie sich bei Herrn Haas erkundigt und worüber?

25. "profil" vom 3.6.2002 berichtet über ein Gespräch von Ihnen mit PVA-GD Wetscherek, in dem sie für Gaugg interveniert hätten. Haben Sie bei diesem Treffen für Gaugg interveniert?


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26. Haben Sie bei diesem Treffen gegenüber GD Wetscherek den Wunsch deponiert, dass Gaugg einen Sondervertrag erhalten soll?

27. Haben Sie auch Vorschläge bzw. Wünsche hinsichtlich der Ausgestaltung des Sondervertrags gegenüber Dr. Wetscherek geäussert? Wenn ja, welche?

28. Ist es richtig, dass Abg. Gaugg – anders als Fr. Vizekanzlerin Riess-Passer der Meinung war – bereits einen gültigen Vertrag mit der PVA hat, da Grundlage des Dienstvertrages die Dienstordnung ist und diese keinen Zweifel zumindest an der gehaltsmäßigen Einstufung des stv. GD Gaugg zulässt?

29. Ist es richtig, dass Abg. Gaugg für seine Tätigkeit bei der PVA einen Sondervertrag anstrebt?

30. Ist es richtig, dass Abg. Gaugg einen Sondervertrag anstrebt, der über die Bestimmungen der Dienstordnung hinausgeht, also ein besonderer Sondervertrag wäre?

31. Wer ist Ihrer Meinung nach befugt, einen besonderen Sondervertrag mit dem stv. GD Gaugg abzuschliessen?

32. Welche Gehalts- und sonstigen Vorstellungen hinsichtlich der Ausgestaltung seines Arbeitsverhältnisses hat Herr Gaugg für seinen besonderen Sondervertrag geäussert?

33. Werden Sie sich tatsächlich dafür einsetzen, dass Herr Gaugg seine Dienstprüfung vor einem Sondergremium ablegen kann?

34. Sieht die Geschäfts- und Prüfungsordnung des dafür massgeblichen Hauptverbandes die Ablegung der Dienstprüfung "vor einem entsprechenden Sondergremium" vor?

35. Wie soll dieses Sondergremium zusammengesetzt sein?

36. Hat Abg. Gaugg gegenüber dem Überleitungsausschuß bzw. seinen Mitgliedern jemals schriftlich oder mündlich kundgetan, dass er im Falle seiner Wahl auf sein Abgeordnetenmandat verzichten werde?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf § 93 Abs. 2 GOG verlangt.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Erstanfragesteller ist Herr Abgeordneter Öllinger. Er erhält zur Begründung der Anfrage das Wort. Die Redezeit für diese Begründung darf 20 Minuten nicht überschreiten. (Abg. Dr. Van der Bellen: Zur Geschäftsbehandlung!)

Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.00

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Sozialminister Haupt, an den sich die Anfrage richtet, ist, wenn ich nicht ganz erblindet bin, noch nicht auf der Regierungsbank.

15.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, Sie sind noch nicht ganz erblindet, und es wird mir mitgeteilt, dass der Herr Minister in ein oder zwei Minuten kommen wird. (Abg. Dr. Martin Graf: Es ist noch nicht drei Uhr!) Im Sinne des Friedens in diesem Hause schlage ich vor (Abg. Dr. Martin Graf: Es ist noch nicht drei Uhr! Es ist eine Minute vor drei!) – nein, das stimmt nicht! –, dass wir eine kurze Pause von 10 Sekunden machen. (Abg. Schwarzenberger: Ist schon da! – Abg. Dr. Martin Graf: Ist ja schon da! – Bundesminister Mag. Haupt betritt den


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Sitzungssaal, begibt sich zu seinem Platz auf der Regierungsbank und entnimmt seiner Aktentasche diverse Unterlagen.)

Jetzt gibt es noch die Möglichkeit zum Auspacken der Aktentasche, und dann wird Herr Abgeordneter Öllinger das Wort ergreifen.

Herr Abgeordneter Öllinger, Ihre Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte.

15.01

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! "Regieren neu" – "Regieren neu" heißt: Proporz neu, Privilegien neu und Postenschacher neu. (Abg. Mag. Schweitzer: Bring Beispiele!) Nur zu diesem Resultat kann man kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man die Ereignisse der letzten Wochen, die sich vor aller Öffentlichkeit abgespielt haben, Revue passieren lässt.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Ich erinnere Sie daran: 1998 hat Ihr damaliger Parteiobmann Haider einen "Bürgervertrag", einen "Demokratievertrag" vorgeschlagen, einen "Ehrenkodex für politische Funktionäre", dessen "Prinzipienkatalog" unter anderem den "Kampf gegen Parteibuchwirtschaft, Privilegien und Kammerzwang" beinhaltet hat, der für jeden österreichischen Wahlberechtigten auch eine Klagsmöglichkeit vor einem freiheitlichen Ehrengericht oder Salzamt vorgesehen hat (Abg. Parnigoni: Wieso? Ist ein Ehrengericht und ein Salzamt dasselbe?), wo sich jeder österreichische Wahlberechtigte beschweren kann, wenn freiheitliche Funktionäre die Bedingungen dieses "Demokratievertrags", dieses "Ehrenkodex für politische Funktionäre" nicht einhalten. Da heißt es unter anderem:

"Wenn ein politischer Funktionär, obwohl es für ihn zumutbar ist oder gewesen wäre, sich im Sinne des gegenständlichen Vertrages (Ehrenkodex) zu verhalten, wesentliche Bestimmungen des Vertrages verletzt, missbraucht er das Vertrauen der Wähler und macht sich der Nichteinhaltung politischer Versprechen schuldig."

Wir kommen noch darauf zurück, meine Damen und Herren, aber Sie können sich diesen Vertrag gerne noch einmal bei mir abholen, damit Sie sich selbst darüber ins Bild setzen können, wie ernst gemeint Ihre politischen Versprechen sind.

Im Jahre 2000, meine Damen und Herren, gab es etwas anderes von Seiten der Freiheitlichen Partei: "Ideen 2000: Unser Programm für Österreichs Zukunft" – hier nur als Schwarz-weiß-Kopie erhältlich. Aber dennoch, meine Damen und Herren vor allem von der Freiheitlichen Partei: Seien Sie daran erinnert, was der letzte Punkt dieses Ideenprogramms für 2000 – und das war ja ein Wahlprogramm – beinhaltet, nämlich "Proporz und Postenschacher abschaffen":

"Proporz und Postenschacher stehen im öffentlichen Dienst und im Bereich der staatsnahen Unternehmungen nach wie vor auf der Tagesordnung. Dem muß endlich ein Riegel vorgescho-ben werden. Dies ist durch Abschaffung jeglichen Parteieneinflusses ... zu erreichen."

Was passiert im Jahr 2002 im Bereich der Sozialversicherungen? – Ich stehe nicht an zu sagen, werte Kolleginnen und Kollegen auch von der Freiheitlichen Partei: Selbstverständlich hat jeder freiheitliche Funktionär, jedes Mitglied der Freiheitlichen Partei genauso das Recht wie jeder oder jede andere ParteigängerIn oder auch Nicht-ParteigängerIn, sich für einen Job zu bewerben, aber  – und der Punkt zum "Aber" ist der folgende –:

Im Jahr 2002 gibt es Posten im Bereich der neu geschaffenen Pensionsversicherungsanstalt. Da gibt es eine Ausschreibung. Da wird den ganzen April bis Anfang Mai ausgeschrieben: Wir brauchen einen leitenden Angestellten, einen Generaldirektor, einen stellvertretenden Generaldirektor, wir brauchen einen Chefarzt und einen Stellvertreter des Chefarztes. – Anfang Mai ist die öffentliche Ausschreibung beendet. Und was passiert dann?

In der Pensionsversicherungsanstalt, im so genannten Überleitungsausschuss, treffen die Bewerbungen ein. Wer trifft sich dann? – Der Überleitungsausschuss beschließt, dass ein so genanntes Personalkomitee die Bewerbungen prüft und diesem Personalkomitee eine Personal


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beratungsfirma beigezogen wird. Das erste Treffen dieses Personalkomitees – Herr Kollege Feurstein, Sie wissen es wahrscheinlich – findet am 16. Mai statt. Aber schon am 14. Mai gibt es ein protokolliertes Treffen (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe)  – Abgeordneter Graf wird es ja kennen –, das in den Räumen des FPÖ-Klubs stattfindet. Und noch bevor sich die Gremien und die Zuständigen in der Pensionsversicherungsanstalt treffen, um über die Personalauswahl zu befinden, um über die Bewerbungen zu befinden, treffen sich zwei Fraktionen in Anwesenheit des Herrn Bundesministers – zumindest in seiner zeitweisen Anwesenheit – in den Räumen des FPÖ-Klubs, um gleich das Personalpaket für die öffentliche Ausschreibung festzumachen!

Das nennen Sie Abschaffung der Parteibuchwirtschaft?! Das nennen Sie ernsthaft Abschaffung der Parteibuchwirtschaft?!

Und da wird festgelegt, bis auf den letzten Posten, der zu vergeben ist, wer in dieser neuen Pensionsversicherungsanstalt was werden soll – alles: Der Generaldirektor, der Stellvertreter, der Chefarzt, der Stellvertreter des Chefarztes – über alle befinden die anwesenden Vertreter, unter anderem zumindest zeitweise – der Herr Bundesminister wird uns dazu ja noch Auskunft geben – der Bundesminister Haupt, der Abgeordnete Graf, der Abgeordnete Hofmann, der Abgeordnete Tancsits, der Abgeordnete zum Landtag und dortige Präsident Römer und der Hofrat Dr. Wetscherek. Also der Bewerber, derjenige, der sich bewirbt, ist bei diesem Treffen auch dabei und beschließt sich dort selbst, macht mit sich und mit ÖVP- und FPÖ-Abgeordneten und -Mitarbeitern aus: Ich bestelle mich zum Generaldirektor!

Sauber, sauber! Das ist das, was Ihr Parteiobmann im Jahre 1982 verkündet hat: "Pfründewirtschaft gehört abgeschafft!" (Der Redner hält ein mit diesem Wortlaut übertiteltes Schriftstück in die Höhe.)  – Damals hat Ihr Parteiobmann gesagt: "Dieses Versorgungssystem für politische Funktionäre ist in einer Demokratie untragbar!"

Ja, meine Damen und Herren: Dieser Meinung sind wir tatsächlich! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn es Postenbestellungen gibt, die nur der Versorgung von politischen Funktionären, die abgeschoben werden sollen, dienen sollen, dann haben Sie keine Unterstützung dafür! Sie haben überall und jederzeit eine Unterstützung auch der Grünen, wenn es darum geht, in einem einigermaßen objektiven oder an einem Ausgleich orientierten System auch freiheitliche Vertreter zu akzeptieren. – Aber da geht es doch schlicht um Postenschacherei! Da treffen sich zwei Fraktionen in Anwesenheit des Bundesministers schon vor dem Personalfindungskomitee und machen sich aus: Der wird es und der wird es; und was das Personalberatungsbüro sagt und was das Personalfindungskomitee sagt, das ist uns völlig egal! – Die Chose geht also weiter.

Das Personalfindungskomitee der PVA sagt: Zwei sind geeignet für den Generaldirektor, vier sind geeignet für den Stellvertreter. Und dieser Vorschlag wird am 27. Mai auch dem Überleitungsausschuss zur Kenntnis gebracht.

Dort findet aber etwas anderes statt – Kollege Graf weiß es ja –: Er schlägt für die Funktion des Stellvertreters den Kollegen Gaugg vor, und ein Vertreter der Sozialdemokraten schlägt den Kollegen Freitag vor. Zuvor wird Herr Wetscherek gewählt – aber nicht in einem Auswahlverfahren, bei dem der Zweite, der als qualifiziert betrachtet wurde, auch zur Auswahl gestanden wäre, nein: Da wird nur mehr Herr Wetscherek gewählt! – Warum eigentlich? Es waren ja zwei qualifiziert, Herr Kollege Graf! Was ist mit dem Zweiten? Wo ist der verloren gegangen? Haben Sie den auf der Strecke verloren?

Dann haben wir die Wahl zum Stellvertreter: Vier sind qualifiziert. – Abgestimmt wird nicht über die vier, abgestimmt wird über zwei: Den einen schlägt Herr Graf vor, den anderen schlägt ein sozialdemokratischer Kollege vor. Die anderen zwei waren "zu viel".

Eine Farce, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, eine absolute Farce! Das, was Sie hier gemacht haben, ist eine Verhöhnung jeglichen Wahlverfahrens, jeglichen Bestellungs


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verfahrens und aller BewerberInnen, die sich in Treu und Glauben, dass sie bei einer Bewerbung ernst genommen werden, beworben haben! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und, meine Damen und Herren, das Ganze kostet ja auch Geld! Obwohl der Überleitungsausschuss, wie mir versichert wurde, Herrn Jenewein nicht beauftragt hat, hat Herr Jenewein ein Honorar kassieren dürfen: 50 000 € oder rund 700 000 S – dafür, dass insgesamt 50 BewerberInnen verhöhnt worden sind. Verhöhnt sind sie worden! 50 000 € oder mehr als 700 000 S werden ausgegeben für ein Personalberatungsunternehmen, für ein Verfahren, bei dem von Anfang an festgestanden ist, dass es völlig umsonst, dass es eine reine Farce ist. – Das ist die erste Realität, die wir festhalten.

Aber kommen wir zurück zum Abstimmungsvorgang, meine Damen und Herren: Der Herr Bundesminister hat in einer Dringlichen Anfrage, die es im Bundesrat gegeben hat, erklärt, er sehe da keine Probleme, soweit er das überhaupt sehen könne. Er habe das Protokoll dieser Sitzung noch nicht, aber seine Vertreter in diesem Überleitungsausschuss hätten ihm berichtet, es sei alles in Ordnung gewesen.

Herr Bundesminister! Dazu hätte ich schon einige Fragen. Die eine Frage ist folgende: Zwölf waren für Gaugg, elf waren für Freitag, zwei haben sich enthalten und einer oder eine hat ungültig gestimmt. (Abg. Dr. Petrovic: Das ist keine Mehrheit!)  – Ist das eine Mehrheit? (Ruf bei den Freiheitlichen: Eine klare Mehrheit!) – 26 Personen waren anwesend. (Ruf: ... gültigen Stimmen!)

Danke, dass Sie mir das Stichwort "gültige Stimmen" gegeben haben. Sie kennen hoffentlich das Gesetz, das Sie zuvor beschlossen haben, das ASVG, in dem es in dem entsprechenden Paragraphen – ich glaube, es ist der § 538 – nicht heißt, die einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen entscheidet, sondern wo es nur heißt, die einfache Mehrheit entscheidet. Und das kann nur – da bei anderen Bestimmungen des ASVG ausdrücklich drinnen steht, die einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, und in diesem Punkt nicht – so interpretiert werden. Das ist ganz logisch von Seiten des Gesetzgebers – dieser wird sich, also Sie werden sich dabei ja wohl etwas gedacht haben –, dass das die Mehrheit der Anwesenden ist. Die Mehrheit der Anwesenden bei 26 aber ist nicht 12, sondern das ist 14! War es eine Mehrheit von 14? – Nein, weder für den einen noch für den anderen. – Trotzdem: Der Abstimmungsvorgang wird für gültig erklärt.

Es bleibt noch eine Frage zum Abstimmungsvorgang offen: Beim Vorsitzenden wird mit Ja/Nein abgestimmt, bei den Stellvertretern wird nur über zwei abgestimmt und nicht über vier – also welche Willkür bei Abstimmungsvorgängen ist denn noch möglich? Und bei den Stellvertretern wird in einem Ausschließungsverfahren abgestimmt: Wer für Gaugg ist, ist gegen den anderen Bewerber, Herrn Freitag. Ist das irgendwo geklärt gewesen? – Nein, es war nicht geklärt! (Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf. )

Nein, es ist nicht geklärt. Zeigen Sie mir die Bestimmung, Herr Graf (Abg. Dr. Martin Graf: Geschäftsordnung!), wo Sie den unterschiedlichen Wahlmodus für den Generaldirektor und den Generaldirektor-Stellvertreter festgelegt haben. Das war nicht geklärt! (Abg. Dr. Martin Graf: Geschäftsordnung und Enunzierung des Herrn Vorsitzenden!)

Und deshalb, meine Damen und Herren, hat der Herr Bundesminister – und das ist der Punkt für ihn – ein Problem: Er ist das Aufsichtsorgan, er muss in diesem Fall einschreiten!

Aber kommen wir gleich noch auf Sie, Herr Abgeordneter Graf, zu sprechen: Sie haben den Wahlvorschlag gemacht. (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist mein Recht!)  – Okay, aber meine Frage – ich habe sie auch an den Herrn Bundesminister gerichtet – ... (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist mein Recht!)

Selbstverständlich, wenn Sie ein legitimierter Vertreter sind. (Abg. Mag. Schweitzer: Ist er ja!) Und meine Frage ist schlicht und einfach: Sind Sie ein legitimierter Vertreter? (Abg. Dr. Martin Graf: Selbstverständlich!)  – Das, was ich weiß, was ich auf Ihrer Homepage gesehen habe, ist,


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dass Sie Rechtsanwaltsanwärter in einer Kanzlei sind. Das hat mich natürlich zu der Frage gebracht: Ein Rechtsanwaltsanwärter – es steht drinnen: seit 1992 – tritt als Unternehmervertreter auf? (Abg. Mag. Schweitzer: Aber er hat auch ein Unternehmen!) Nun, dann muss er ja auch ein Unternehmer sein. (Abg. Mag. Schweitzer: Er hat auch ein Unternehmen!)

Also uns ist es nicht gelungen, dieses Unternehmen ausfindig zu machen! Uns ist es dafür gelungen, von der Bundeswirtschaftskammer Auskunft zu erhalten (Abg. Mag. Schweitzer: Restaurant Graf!), und die Bundeswirtschaftskammer hat uns erklärt (Abg. Mag. Schweitzer: Restaurant Graf!): Wir können nicht sagen, ob Herr Graf legitimiert ist, denn er wurde vom Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender nominiert (Abg. Dr. Martin Graf: Dann ist es sicher richtig!), und der wird das wohl geprüft haben.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Das ist mir zu wenig! Ich möchte von Ihnen eine Auskunft haben, ob Herr Abgeordneter Graf zu dem Zeitpunkt, zu dem er als Versichertenvertreter in die PVAng geschickt wurde, tatsächlich befugt war – genauso wie alle anderen 25, 26 TeilnehmerInnen dieses Gremiums –, darüber abzustimmen. Da schaut es nämlich dann schon etwas anders aus, wenn statt 12 Stimmen für Herrn Gaugg am Ende dann nur mehr elf Stimmen übrig bleiben. Das sind immer noch um drei zu wenig, aber, meine Damen und Herren, man kann als Bundesminister eines nicht tun (Abg. Mag. Schweitzer: Darf ich Ihnen was sagen? – Abg. Dr. Petrovic: Nachher!), nämlich die Augen zumachen und sagen: Es wird schon alles seine Richtigkeit haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Nichts hat bisher seine Richtigkeit gehabt in diesem ganzen Verfahren! Und das ist das eigentliche Problem.

Nehmen Sie dieses Blatt Papier (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe), von dem der Herr Bundesminister noch immer sagt, er wisse nicht, woher das komme, und das, was darin steht, stimme überhaupt nicht: Fast alles, was da drinnen steht, stimmt – mit Ausnahme einer einzigen Person!

Aber gehen wir weiter: Herr Abgeordneter Gaugg wird in einem Verfahren, das für sich genommen einige Punkte (Abg. Mag. Schweitzer: Karl Öllinger!)  – betreffend die Bestellung, die Auswahl des Personalberatungsbüros, den Abstimmungsvorgang (Abg. Mag. Schweitzer: Karl Öllinger! – Abg. Dr. Petrovic  – in Richtung des Abg. Mag. Schweitzer –: Wortmeldung! Sonst: Ruhe!)  – offen lässt, zum Generaldirektor-Stellvertreter bestellt. Was bleibt offen? – Alles! Alles bleibt offen! Herr Abgeordneter Gaugg sagt: Ich bin zwar jetzt Generaldirektor-Stellvertreter, aber ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß nicht, wie viel Gehalt ich bekomme. Ich weiß nur, dass ich mehr Gehalt will und dass ich etwas tun will – aber wie viel ich tun will, ob ich das nebenberuflich oder hauptberuflich tun will und tun kann, das weiß ich noch nicht.

Herr Abgeordneter Westenthaler, der jetzt ganz offensichtlich wieder in die Schweigephase eingetreten ist, sagt, Gaugg kann eines nicht: Er kann nicht Abgeordneter und Generaldirektor sein. – Daraufhin widersprechen ihm andere aus seiner Partei und sagen: Er kann schon beides sein! – Daraufhin sagen wieder andere: Nein, er kann nur das eine sein! – Daraufhin sagt die Chefin der Partei: Einstweilen darf er beides sein, aber dann, wenn er den Vertrag hat, dann muss er sich entscheiden, und dann wird er, so wie er es versprochen hat, sein Mandat zurücklegen. – Daraufhin sagt Herr Abgeordneter Gaugg: Ich habe das niemandem versprochen!

Ja was gilt jetzt? Was darf er sein: Eines? Beides? Bis irgendwann? Was ist er? (Abg. Mag. Schweitzer: Vom Gesetz her darf er was sein?)

Ich rede jetzt nicht vom Gesetz, ich rede vom FPÖ-Demokratievertrag! Ich rede von dem, was Sie immer öffentlich angekündigt haben: dass Sie sich anders verhalten wollen, dass Sie nicht beim Postenschacher mitmachen, dass Sie nicht bei den Privilegien mitmachen, dass Sie nicht beim Proporz mitmachen! – Und was kommt heraus? – Schön machen Sie mit, überall! Wo es nur irgendwie geht, sind die Freiheitlichen dabei. (Abg. Mag. Schweitzer: Nenn Beispiele!) Und wenn es geht, dann werden wir ganz unverschämt, dann verlangen wir nämlich Gagen (Abg. Mag. Schweitzer: Nenn Beispiele!), die jedem qualifizierten Angestellten sonst verwehrt wer


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den. Jahrelang haben Sie sich dadurch ausgezeichnet, dass Sie genau diesen Generaldirektoren die Gagen madig gemacht haben (Abg. Mag. Schweitzer: Nenn Beispiele!), dass Sie gesagt haben: Das ist viel zu viel! Die bekommen viel zu viel! Herunter mit den Gagen! – Und dann, wenn Herr Gaugg sich um eine Gage anstellen darf, dann sagt Herr Gaugg nicht: Ich möchte gleich viel haben wie Herr Freitag!, ich möchte gleich viel haben wie Herr Wetscherek!, sondern dann sagt Herr Gaugg: Ich möchte viel mehr haben! Ich möchte 200 000 € haben!

Auch dazu eine Erklärung, meine Damen und Herren, weil mich das natürlich irritiert hat. Ich habe mir gedacht: Das ist doch komisch! Warum verlangt der Abgeordnete Gaugg 200 000 € und will nicht den "normalen" Sondervertrag – ... Entschuldigung, das muss ich vorher erklären: Gaugg hat ja schon einen Vertrag; er könnte jedoch einen Sondervertrag haben: mit zirka 8 000 €. Da müsste er aber die berühmte Pensionsvorauszahlung machen, von der Herr Generaldirektor Wetscherek. gesprochen hat: 140 000 €, also rund 2 Millionen Schilling.

Das ist viel Geld, aber dafür bekommt man dann auch – was Sie von den Freiheitlichen immer kritisiert haben – eine Super-Pension. Die will Gaugg aber nicht! Da habe mir gedacht: ehrenhaft, wirklich ehrenhaft! Kollege Gaugg verzichtet auf diese Super-Pension, verzichtet sozusagen aber auch auf eine Vorauszahlung von 2 Millionen Schilling. (Abg. Nürnberger: Aufpassen, was jetzt kommt!)

Was wissen wir? – Kollege Gaugg hat schon aus seiner Tätigkeit als Vizebürgermeister, als Landtagsabgeordneter und als Gemeinderat in Klagenfurt eine wunderbare Pension, eine "alte" Politikerpension. Diese steht ihm auch zu; ich bin ihm darum nicht neidig. Nur weiß Kollege Gaugg genauso wie wir  –  wir wissen das, und Sie brauchen uns nicht für dumm zu verkaufen!  –: Wenn Gaugg jetzt die zweite Pension beanspruchen würde, dann wird das gedeckelt; dann verliert er von irgendeinem Teil seiner beiden Pensionen einen kleinen Teil – und das will der Herr Gaugg nicht! Deshalb will Herr Gaugg also lieber auf das Pensionsprivileg der Pensionsversicherungsanstalt verzichten und sagt: Geben Sie mir das lieber in bar! Bar aufs Handerl will der Herr Gaugg das Geld! (Aha-Rufe bei der SPÖ.)

Das ist die Realität, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen: Sie haben jeglichen Kredit, jegliche Glaubwürdigkeit verspielt! Sie, Herr Bundesminister ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Sie, Herr Bundesminister Haupt, haben bei diesem Spiel vom Anfang bis zum Schluss mitgespielt – und nicht Ihre Funktion als Aufsichtsorgan wahrgenommen, denn dann hätte es nicht zur Bestellung des Herrn Gaugg in dieser Form kommen können! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage gelangt der Herr Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen zu Wort. Die Redezeit soll nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister Haupt.

15.22

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Herr Prä-sident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zu den Anmerkungen des Kollegen Öllinger Folgendes zu sagen:

Herr Kollege Öllinger, Sie haben hier von einer Umfärbelungsaktion gesprochen, die bei der Sozialversicherungsanstalt – so, wie Ihrer Ansicht nach in anderen Bereichen auch – stattfinden würde.

Herr Abgeordneter Öllinger, ich darf Sie nach dieser Kritik, die es ja bereits auch heute Vormittag hier im Zusammenhang mit dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gegeben hat, und zwar was den dortigen Direktor und seine Stellvertreter anlangt, darauf hinweisen, dass es in dieser Angelegenheit offensichtlich fraktionelle Vorbesprechungen gege


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ben hat, wobei zwei der Generaldirektor-Stellvertreter mit Sicherheit an Sitzungen der Fraktion der Sozialdemokraten teilgenommen haben; weiters ein Vertreter jener Fraktion, die der Österreichischen Volkspartei zuzurechnen ist! Diese waren also jedenfalls nicht bei einer Vorbesprechung einer Fraktion, die man den Freiheitlichen zuordnen könnte!

Das nur dazu, um einmal vor einer breiten Öffentlichkeit diese so genannte Umfärbelungsaktion klar zu widerlegen und der Tatsache der Teilnahme bestimmter Personen an fraktionellen Vorbesprechungen gegenüberzustellen!

Weiters wurde hier immer wieder die Bestellung eines Personalberatungsbüros zum Zwecke der Auswahl der Kandidaten in Frage gestellt. Dazu darf ich zum wiederholten Male festhalten – ich habe das ja bereits des Öfteren hier und auch im Bundesrat, und zwar im Zuge der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage der sozialdemokratischen Bundesrätinnen und Bundesräte, getan –: Das Institut Jenewein wurde nicht vom Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen mit der Kandidatenauswahl beauftragt, sondern in der PVA und dem dortigen Überleitungsausschuss wurde seitens eines Gremiums von neun Personen der Beschluss gefasst, ein Personalberatungsunternehmen mit der Auswahl der Kandidaten zu betrauen. Mit dieser Aufgabe wurde das Institut Jenewein betraut, und zwar durch den Obmann des PVA-Überleitungsausschusses Haas und dessen beiden Stellvertreter. Meines Wissens trägt dieser Vertrag mit Jenewein auch die Unterschrift des Obmannes des PVA-Überleitungsausschusses, Haas. Jedenfalls ist keine Unterschrift aus dem Bereiche "meines" Ministeriums auf diesem Vertrag zu finden! – Das bitte zu dieser Diskussion im Bundesrat sowie jener bereits heute Vormittag hier im Nationalrat.

Zur oft angesprochenen Frage: Ist ein Mandat mit dieser Position vereinbar oder nicht?, möchte ich sagen: Die rechtliche, die verfassungsmäßige Grundlage dafür, wie das zu sehen ist, kenne ich selbstverständlich auch, denn ich habe das, als die Diskussion darüber entbrannte, vom allseits anerkannten Verfassungsexperten Univ.-Prof. Dr. Mayer prüfen lassen. Herr Univ.-Prof. Dr. Mayer ist in seinem Gutachten auf die Fragestellung eingegangen, ob dieser Posten mit einem Mandat kompatibel ist, und er hat das mit einem eindeutigen Ja beantwortet.

Herr Kollege Öllinger, Sie als Sozialsprecher der Grünen wissen sicherlich auch – wie übrigens viele andere hier im Hohen Hause –, dass die Dienstordnung sogar expressis verbis vorsieht, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wenn sie ein öffentliches Mandat ausüben, seitens des Dienstgebers die hiefür notwendige Zeit einzuräumen ist. Daher nochmals: Sogar die Dienstordnung schließt das nicht aus! (Abg. Öllinger: Das war nie die Frage ...!) – Ich danke Ihnen, dass Sie jetzt auch mit diesem Zwischenruf bestätigt haben, dass das keine Frage ist.

Da Sie, Herr Abgeordneter Öllinger, hier auch behauptet haben, ich wäre in dieser Sache meiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen: Selbstverständlich bin ich ihr nachgekommen und habe in diesem Zusammenhang auch Rechtsgutachten eingeholt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage, zunächst zu den Fragen 1 bis 5:

Hinweisen möchte ich auch auf das, was ich bereits zum "Wahrheitsgehalt" anlässlich der Prä-sentation dieses angeblichen "Protokolls" durch Kollegen Nürnberger hier im Hohen Hause dargelegt habe. Das, was ich bereits damals zum "Wahrheitsgehalt" dieses ominösen "Protokolls" gesagt habe, kann ja nachgelesen werden.

Ihnen, die Sie ja nicht bei der letzten Bundesratssitzung dabei waren, darf ich zur Kenntnis bringen, was ich in Beantwortung dieser mir bereits von den sozialdemokratischen Bundesrätinnen und Bundesräten gestellten Fragen im Bundesrat gesagt habe.

Ich war bis 17.41 Uhr am gegenständlichen Tag im Sozialausschuss. – Im Übrigen darf ich Ihnen auch empfehlen, alles über den Verlauf dieser Sitzung des Sozialausschusses nachzulesen! Wenn Sie das tun, können Sie nämlich auch unschwer den Zeitpunkt des Sitzungsendes ersehen. – Ich meine daher, dass diese Frage außer Streit steht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Zum weiteren Ablauf: Nach Beendigung dieser Ausschusssitzung am 14. Mai habe ich mich mit einem Abgeordneten dieses Hauses über die Familienhospizkarenz sowie über eine Terminfrage unterhalten. Danach wurde von den anwesenden Personen mit mir eine Terminvereinbarung für die Nachverhandlungen betreffend Karenzgesetz getroffen. Gegen 18 Uhr habe ich die Räumlichkeiten des Klubs der Freiheitlichen betreten.

Herr Abgeordneter Öllinger, ich glaube, das ist – meiner Einschätzung nach und nachdem Sie und weitere Angehörige Ihrer Fraktion ja auch an diesen Vorgesprächen bezüglich Termin-setzung teilgenommen haben – ein durchaus nachvollziehbarer und realistischer Zeitrahmen, dass ich eben um rund 18 Uhr in die Räumlichkeiten des Klubs der Freiheitlichen gekommen bin.

Der weitere Ablauf – und ich zitiere dazu aus dem Stenographischen Protokoll des Bundes-rates, 688. Sitzung –:

"Ich habe nie bestritten ..., im Klub der freiheitlichen Fraktion einige Teilnehmer der angeblichen Sitzung getroffen zu haben. Dort habe ich mich in Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des ASVG über den Stand der Dinge im Überleitungsausschuss erkundigt."

Am 15. Mai 2002 – um Ihnen das nochmals in Erinnerung zu rufen – habe ich, und zwar um zir-ka 7 Uhr früh, im Ministerium mit dem Obmann des Überleitungsausschusses, Haas, ein Gespräch geführt. Auch habe ich mich – über Monate laufend – bei Entscheidungsträgern über den aktuellen Stand der Zusammenführung erkundigt, und zwar bei Herrn Wetscherek, bei Herrn Haas und bei anderen dieser beiden Pensionsversicherungsanstalten.

Auch hat – zu unterschiedlichen Zeiten – eine Reihe von Betriebsräten, von Mitarbeitern beider Institute, von Ärzten und ärztlichen Mitarbeitern zu diesem damals laufenden Vorhaben der Zusammenlegung dieser zwei Anstalten bei mir vorgesprochen. – Ich führe das deswegen so ausführlich an, damit dann nicht der eine oder andere sozusagen in den Geruch kommt, an "Geheimgesprächen" teilgenommen zu haben.

Es hat dazu also eine Reihe von Sitzungen gegeben. Und: Laut ASVG habe ich als Aufsichts-behörde sogar die Pflicht, mich kundig zu machen, wie der entsprechende Stand der Dinge ist und der Vorgang abläuft.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie also nochmals darauf hinweisen: Schluss der Sitzung des Sozialausschussses: 17.41 Uhr, um 18 Uhr bin ich in den Klub der Freiheitlichen gekommen und habe mich dort bei einigen Damen und Herren – im Sinne des ASVG! – über den Stand der Dinge und ihre Einschätzung dazu erkundigt.

Zur Frage 2:

Durch Gespräche, die ich in Umsetzung des § 420 ASVG gehalten habe, habe ich erfahren, dass Dr. Wetscherek, Dr. Ehrenstein, Herr Freitag, Kollege Gaugg und andere als qualifiziert angesehen wurden.

Zur Frage 3, die lautet:

"Teilen Sie unsere Ansicht, dass durch diese Absprache das Objektivierungsverfahren mithilfe des Personalberaters Jenewein überflüssig bzw. ausgehebelt wurde? Wenn nein, warum nicht?"

Ich halte die Beiziehung eines unabhängigen Personalberatungsunternehmens bei Funktionsvergaben in einem Betrieb im öffentlichen Bereich, der noch dazu das zweithöchste Budget dieser Republik hat, für wichtig und sehe damit die Forderung nach Objektivierung als erfüllt an, wenn eine Vorauswahl von Kandidatinnen und Kandidaten, die sich beworben haben, nach die-sem Grundsatz erfolgt.


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Zur Frage 4:

Meines Wissens hat keine Absprache  – wie das jedoch laufend darzustellen versucht wird – stattgefunden, und ich meine daher, dass sich damit auch eine Reihe anderer Dinge erledigt. – Frage 5 habe ich bereits beantwortet.

Zur Frage 6, die lautet:

"Haben Sie bzw. Ihr Ministerium vor der Sitzung des Überleitungsausschusses am 27.5.2002 schriftlich oder mündlich Kenntnis von der Auswahl der BewerberInnen durch Dr. Jenewein und von der KandidatInnenliste erhalten?"

Von einer konkreten Auswahl der Firma Dr. Jenewein habe ich nicht Kenntnis erhalten; mir wurde aber mitgeteilt, welche Qualifizierungsgrade einzelne Kandidaten haben. – Nach Abschluss des Auswahlverfahrens habe ich ein Exposé über die Kandidaten übermittelt bekommen, das damals bei der 688. Sitzung des Bundesrates auch neben mir auf der Regierungsbank aufgelegen ist.

Zur Frage 7, die lautet:

"Haben Sie bzw. Ihr Ministerium vor der Sitzung des Überleitungsausschusses am 27.5.2002 in irgendeiner Form Einfluss auf die Auswahl der BewerberInnen für die PVA genommen?" – Antwort: nein.

Zu Ihren Ausführungen betreffend "Wahl" – Sie wissen es ja in Wirklichkeit auch, Kollege Öllinger, und ich habe Ihnen bei Ihrer Rede sehr genau zugehört –: Dabei handelt es sich nicht um eine Wahl, sondern um eine Beschlussfassung, und im Laufe Ihrer Ausführungen haben Sie ja dann teilweise und durchaus richtig von Beschlussfassung und nicht ausschließlich von einer "Wahl" gesprochen.

Ich gehe davon aus, dass Sie, Herr Abgeordneter Öllinger, als alter Kenner des Sozialversicherungsrechtes – verzeihen Sie mir den Ausdruck "alt"! – wissen, dass auf Grund des § 538c Abs. 3 ASVG sowie der Bestimmungen des Geschäftsordnungsausschusses und Überleitungsausschusses bei schriftlicher Abstimmung die Abgabe eines leeren oder ungültigen Stimmzettels als Stimmenthaltung gilt und Stimmenthaltungen bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses unberücksichtigt bleiben. – Es war daher davon auszugehen, dass damit auch dort die Beschlussfassung ordnungsgemäß ist.

In diesem Zusammenhang darf ich Sie, meine Damen und Herren, darauf hinweisen, dass es in der Geschichte des ASVG und der Sozialversicherungsträger sogar einmal einen Präzedenzfall in einer Gebietskrankenkasse gegeben hat, wo von den Anwesenden ausschließlich der Obmann eine Pro-Stimme abgegeben hat und sich alle anderen Anwesenden der Stimme enthalten haben – und dieses Stimmverhalten wurde damals von der Aufsichtsbehörde als ordnungsgemäße Beschlussfassung anerkannt und nicht aufgehoben. – Das dazu, um das Ganze zu relativieren, was hiezu seitens der Oppositionsparteien immer wieder in die Diskussion gewor-fen wird.

Weiters darf ich Ihnen mitteilen, meine Damen und Herren, dass im Zusammenhang mit der Bestellung des leitenden Arztes sowie dessen Stellvertreters seitens der Aufsichtsbehörde die klare Stellungnahme abgegeben wurde, dass ich wünsche, dass die Ursachen für Beschwerden über ärztliche Untersuchungen im Rahmen der beiden Pensionsversicherungsträger, die Bür-gerinnen und Bürger an mein Haus und an die Volksanwaltschaft mehrfach herangetragen haben, seitens der neuen chefärztlichen Leitung nunmehr abgestellt werden.

Zur Frage 8:

Diese Frage stellt sich so nicht! Das Auswahlverfahren wurde in keinster Weise "ausgehebelt". – Ich bin befugt, die Rechtmäßigkeit der Bestellung zu überprüfen. Da diese nach Ansicht meines Hauses rechtmäßig erfolgt ist, werde ich keine Aufhebung veranlassen.


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Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass es bei besagter Sitzung eine Sitzungsunterbrechung gab, da es zunächst seitens der dortigen sozialdemokratischen Fraktion eine Meinung in Bezug auf das Abstimmungsverfahren und dessen Rechtmäßigkeit gab, wie Sie von den Grünen das heute hier bei Ihrer Anfrage skizziert haben, Herr Kollege Öllinger. – Gegen Ende der Sitzung hat jedoch die dortige sozialdemokratische Fraktion ihre Bedenken zurückgezogen und sich der Rechtsansicht der Beamten meines Ministeriums sowie den offensichtlich in der Zeit der Sitzungsunterbrechung eingeholten Rechtsansichten angeschlossen.

Zur Frage 9:

Bis zum 31. Dezember 2002 bestehen die Sozialversicherungsträger der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten und der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter weiter – und damit auch die Posten der stellvertretenden GeneraldirektorInnen. Über diesen Zeitraum hinaus besteht nach der Dienstordnung ein Rechtsanspruch auf Weitergewährung der Bezüge, auf die Dienstposten jedoch nicht mehr.

Meine Damen und Herren! Besetzungen über einen kurzen Zeitraum von einem halben Jahr sind bei Wirtschaftsunternehmen durchaus üblich, um die Kontinuität der Führung in einem Überleitungsprozess in Unternehmungen zu gewährleisten.

Zur Frage 10:

Es handelt sich dabei nicht um eine "Wahl", sondern um einen Beschluss des Überleitungsausschusses zur Aufnahme eines leitenden Dienstnehmers. Das Procedere entspricht der Geschäftsordnung des Überleitungsausschusses.

Zur Frage 11:

Diese Bestimmung ist durchaus auch in anderen Geschäftsordnungen üblich.

Zu den Fragen 12 und 13:

Festgehalten wird, dass über den gesamten Vorgang der Beschlussfassung ein schriftliches Wortprotokoll aufgenommen wurde. Dieses Protokoll ist heute, am 12. Juni 2002, also mehr als 14 Tage nach der maßgebenden Sitzung, noch immer nicht in meinem Ministerium eingelangt. Das kann ich Ihnen, nach Rückfrage bei meinen Beamten, mitteilen.

Meinen Beamten, die in ihrer Eigenschaft als Vertreter der Aufsichtsbehörde an der Sitzung teilgenommen haben, stellte sich die Beschlussfassung wie folgt dar:

Erste Beschlussfassung: als leitender Angestellter Hofrat Dr. Ewald Wetscherek; von 26 Stimmen wurden 24 Stimmen für den Genannten abgegeben.

Zweite Beschlussfassung: als Stellvertreter des leitenden Angestellten Abgeordneter zum Nationalrat Reinhart Gaugg. Von 26 Stimmen entfielen zwölf Stimmen auf den Genannten; elf Stimmen auf den früheren Stellvertreter des leitenden Angestellten Robert Freitag; eine Stimme war ungültig; zwei Stimmenthaltungen.

Auf Grund der Bestimmungen des § 538c Abs. 3 ASVG sowie der Bestimmungen der Geschäftsordnung des Überleitungsausschusses, wonach bei schriftlicher Abstimmung die Abgabe eines leeren oder ungültigen Stimmzettels als Stimmenthaltung gilt und Stimmenthaltungen bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses unberücksichtigt bleiben, war davon auszugehen, dass die einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen mit zwölf Stimmen erfüllt ist.

Dieser Umstand wurde zunächst von der dortigen sozialdemokratischen Fraktion in Zweifel gezogen, die die Meinung vertrat, dass von 26 Stimmen die einfache Mehrheit durch den Abge-ordneten Gaugg zum Nationalrat nicht erreicht worden sei. – Gegen Ende der Sitzung, nach einer halbstündigen Sitzungsunterbrechung, hat die sozialdemokratische Fraktion diese Beden


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ken jedoch zurückgezogen und diesen Beschluss als rechtsgültig anerkannt. – Das habe ich ja bereits vorhin ausgeführt.

Zur Frage 13:

Nochmals: Es handelt sich dabei nicht um eine "Wahl", sondern um einen Beschluss.  – Wenn die anderen Voraussetzungen gegeben wären, so wäre ein Beschluss gültig. – In diesem Zusammenhang darf ich nochmals auf einen Präzedenzfall im Bereich eines Krankenversicherungsträgers verweisen.

Zur Frage 14: ja.

Zur Frage 15:

Ja. Dr. Martin Graf wurde von der Wirtschaftskammer auf Grund der Ergebnisse des d’Hondt’schen Verfahrens entsandt.

Zur Frage 16:

Dr. Martin Graf ist meines Wissens darüber hinaus Geschäftsführer eines Betriebes in Wien. – Die Prüfung unterliegt im Übrigen der entsendenden Organisation, also in diesem Falle der Bundeswirtschaftskammer Österreich – und nicht meinem Hause als Aufsichtsbehörde. Ich darf Sie auf die gesetzlichen Bestimmungen aufmerksam machen.

Zu den Fragen 17 bis 20:

Der Überleitungsausschuss hat am 18. März 2002 beschlossen, zur Auswahl geeigneter Kandi-daten für die Position des leitenden Angestellten und leitenden Arztes der künftigen Pensionsversicherungsanstalt sowie deren ständiger Stellvertreter aus seiner Mitte ein Bewerbungskomitee zu bilden und begleitend einen externen Berater beizuziehen. Das Präsidium des Überleitungsausschusses betraute damit Dr. Jenewein. Die Bezahlung erfolgt vorläufig durch die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten. Das ist weder für mich noch für meine Aufsichtsorgane ein Verstoß gegen die Vergabevorschriften.

Zu den Fragen 21 und 22:

Ansprechpartner sind der Vorsitzende des Überleitungsausschusses und seine Stellvertreter.

Zu den Fragen 23 und 24:

Herr Haas hatte am 15. Mai 2002 um genau 7 Uhr bei mir einen offiziellen Termin in meinem Büro, den dieser zu einer Aussprache wahrgenommen hat.

Zur Frage 25: nein.

Zur Frage 26:

Nein, ich stelle aber fest, dass Arbeitnehmer Gaugg dieselben Rechte auf einen Sondervertrag hat wie andere Dienstnehmer im Bereich der Sozialversicherungsträger auch. – Hinzufügen darf ich, dass es eine Reihe von Sonderverträgen bei allen Trägern gibt und das daher keine ungewöhnliche Angelegenheit ist, sondern dass das in sehr vielen Trägern so gehandhabt wird.

Ich habe hier eine Liste von Sonderverträgen, die genehmigt wurden, so beispielsweise durch den Hauptverband, durch die Gebietskrankenkassen Wien, Niederösterreich, Burgenland, Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol, Vorarlberg; weiters Sonderverträge im Rahmen der Betriebskrankenkasse Kapfenberg, Österreichischer Bergbau, bei den Eisenbahnen, bei den öffentlichen Bediensteten, bei der gewerblichen Wirtschaft, bei den Sozialversicherungsanstalten der Bauern, der Arbeiter, der Angestellten und bei der AUVA sowie beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger sowie bei der SVA.


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Ich glaube, sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft gilt – wie ja dieser Liste zu entnehmen ist –, dass es nach der derzeit gültigen Dienstordnung auch für ältere Dienstnehmer, wenn sie im Bereich der Träger aufgenommen werden wollen, notwendig ist, Sonderverträge abzuschließen, und ich meine daher, dass da eine Gleichbehandlung aller stattfinden sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Frage 27:

Die Ausgestaltung des Sondervertrages ist Angelegenheit des Dienstgebers und des Dienstnehmers, und zwar nach den üblichen dienstrechtlichen Bestimmungen. Sie wissen selbst, dienstrechtliche Bestimmungen sind Kollektivverträge, die DOA oder andere. Diese sind nicht in meinem Wirkungsbereich und in meinem Bereich als Aufsichtsbehörde gelegen.

Zur Frage 28:

Abgeordneter Gaugg hat meines Wissens seit 1. Juni einen Arbeitsvertrag nach den kollektivvertraglichen Bestimmungen, aber keinen Sondervertrag, wie es heute Vormittag bereits in der Aktuellen Stunde für jedermann hörbar und sichtbar hier dargestellt worden ist.

Zu den Fragen 29 bis 31:

Die Frage eines allfälligen Sondervertrages haben die zuständigen Selbstverwaltungskörper – zunächst der Überleitungsausschuss und die Geschäftsführung des Hauptverbandes – und Herr Abgeordneter Reinhart Gaugg als Dienstnehmer zu klären. Mir steht das Aufsichtsrecht über die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse zu.

Zur Frage 32:

Der diesbezügliche Vertrag wurde der Aufsichtsbehörde noch nicht zur Zustimmung vorgelegt, daher kann ich mich dazu auch nicht weiter äußern.

Zur Frage 33:

Herr Abgeordneter zum Nationalrat Reinhart Gaugg wird genauso behandelt wie vergleichbare Dienstnehmer in der Sozialversicherung auch. Ich glaube, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz unbestritten sein sollte.

Zu den Fragen 34 und 35:

Die Prüfungsordnung enthält lediglich Bestimmungen über den Ablauf der Prüfung. Die Zusammensetzung der Prüfungskommission obliegt dem Hauptverband. In der Vergangenheit wurde die Zusammensetzung dieser Kommission bei bestimmten, einer Fraktion zustehenden Kandidaten mit Herrn Präsidenten Sallmutter abgestimmt. Es gibt einige Fälle, in denen solche Kommissionen in Abstimmung mit dem Präsidenten des Hauptverbandes auch tatsächlich die Prüfung abgenommen haben.

Zur Frage 36:

Herr Abgeordneter Gaugg hat gegenüber dem Überleitungsausschuss beziehungsweise seinen Mitgliedern jeweils schriftlich oder mündlich kundgetan, dass er im Falle seiner Wahl auf sein Abgeordnetenmandat verzichten werde. Das ist eine Angelegenheit, die auf Grund der Verfassungslage Kollege Gaugg, und ausschließlich er, beantworten kann. Zur rechtlichen Bewertung dieser Frage habe ich Ihnen ohnehin schon die Schlussfolgerung, zu der Univ.-Prof. Dr. Mayer. in seinem Gutachten kommt, zur Kenntnis gebracht.

Ich hoffe, ich habe damit Ihre Anfrage erschöpfend genug beantwortet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundesminister.


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Ich gehe nunmehr in die Debatte ein. In dieser Debatte darf bekanntlich kein Redner länger als 10 Minuten sprechen. Gesamtredezeit der Klubs: 25 Minuten.

Als erster Redner zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Maximale Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.  (Abg. Mag. Schweitzer   –  in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Kogler –: Werner, sag die Wahrheit! – Abg. Ing. Westenthaler: Südafrika ist ausgeschieden!)

15.43

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Bezüglich der letzten Hoffnung, die Sie hier noch zum Ausdruck gebracht haben, muss ich Sie enttäuschen. Dem können wir nicht zustimmen. Es ist vielmehr eigentlich ein Jammerbild, das Sie hier abgegeben haben, ein Zerrbild des Anspruches, mit dem Sie einmal angetreten sind. Kollege Öllinger hat Ihnen Ihre Sonderverträge gegenüber den österreichischen Bürgern schon vorgehalten.

Warum ist es eigentlich nur mehr ein Jammerbild und ein Zerrbild? – Kommen wir doch auf diese angebliche Fraktionssitzung mit dem angeblich eintreffenden Bundesminister im angeblichen Fraktionsraum der Freiheitlichen zu sprechen. – Herr Bundesminister! Der Einzige, der hier etwas angeblich sieht, sind Sie. Alle anderen gehen von den Fakten aus, die dort auch protokolliert wurden, und ich würde Sie wirklich herzlich einladen, anlässlich einer Dringlichen Anfra-ge hier nicht mit dem Nebelwerfer zu agieren, sondern die Fragen zu beantworten (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), sonst muss ich davon ausgehen, dass wir jetzt in einer angeblichen Nationalratssitzung eine angebliche Dringliche Anfrage mit einem angeblichen Sozialminister behandeln. (Abg. Dr. Trinkl: Ja, das kann man so sagen! Das hört sich ge-nauso an!)

Folgender Umstand ist offen geblieben: Wenn Sie darauf rekurrieren, dass Sie quasi einer Verpflichtung nachgekommen seien – ich zitiere Sie wörtlich –, nämlich der Verpflichtung, sich schlau zu machen, rekurrieren Sie ganz offensichtlich auf den § 460 Abs. 4 ASVG, wonach tatsächlich der Bundesminister seine Zustimmung zu geben hat hinsichtlich dieser Bestellungen. Das ist richtig! Aber nach Vorschlag. Vorher sollte Ihnen in Ihrer ministeriellen Funktion maximal die Rolle des Kontrollors, die aber dafür anständig, zukommen, aber es ist sicherlich keine Rede davon, dass der Bundesminister für soziale Angelegenheiten in dieser Sache für diese Postenschacherei von Anfang weg Schmiere zu stehen hat. Davon ist keine Rede in diesem ASVG. (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist wirklich unerhört! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist hier keine Wahlrede!)

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Kollege, wir finden sicher einen anderen Ton, um diese Sachverhalte auszudrücken! (Abg. Ing. Westenthaler: Nur, weil Südafrika ausgeschieden ist!)

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Also ich darf festhalten, dass es sich unserer Meinung nach, wie aus dem Titel der Dringlichen Anfrage hervorgeht, um eine Postenschacherei handelt und dass der Herr Bundesminister von Anfang weg über die Dinge Bescheid gewusst hat, teilweise sogar dabei war und insofern hier seine nützlichen Dienste angeboten hat, die Dinge auf eine Reise zu bringen, die völlig in die falsche Richtung geht, und das wider seine eigentliche Verantwortung.

Es ist unverantwortlich, was hier passiert ist, und es ist eigentlich untragbar, was Sie hier gemacht haben. Die Folge davon ist daher der Misstrauensantrag, den wir im Zuge dieser Debatte noch einbringen werden. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Kollege Westenthaler! Bezeichnen Sie das weiterhin, wie Sie wollen. Sie sind sicher sehr erfinderisch. Ich bin für jeden weiteren Zuruf dankbar. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich wollte nur sagen, dass Südafrika ausgeschieden ist!)

Nächster Punkt: die Rolle der Personalberater. Das wird ja immer lustiger. Der Herr Bundesminister beantwortet die diesbezüglichen Fragen kaum, gleichzeitig stellt sich aber heraus, dass er


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bei anderer Gelegenheit sehr wohl darüber Bescheid weiß, dass die Personalberatungsfirma in Wirklichkeit gar nicht mehr Personalberatung betreibt, weil vorher schon alles ausgeschnapst wird, sondern einen Auftrag zur medialen Umsetzung ausfasst – ich zitiere wörtlich aus diesem Protokoll –, zur medialen Umsetzung dieser Postenschacherei.

Also ich frage Sie, Herr Bundesminister: Wer wird diese 50 000 € tragen? Die Sozialversicherungseinzahler? Das ist wirklich eine interessante Frage. Das ist der glatte Missbrauch einer Personalberatung! Das wird dazu umfunktioniert, die Leute zu belügen, um hier Objektivität vorzugaukeln, aber in Wahrheit haben Sie alles vorher schon ausgepackelt, wie es im Sinne dieser Anfrage ganz deutlich wird und wofür die Beweisführung jetzt schon gelungen ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Sie haben sich ja leider in zusätzliche Widersprüche verwickelt, anstatt dass Sie irgendetwas klarer gemacht hätten.

Dasselbe gilt für den Wahlvorgang, den Sie hier auf Grund der Fragen des Kollegen Öllinger noch einmal angesprochen haben. Es wird nunmehr in der Gesetzeslage ganz deutlich unterschieden zwischen dem Begriff der "einfachen Mehrheit der gültigen Stimmen" und eben der "einfachen Mehrheit". Und ich frage Sie: Wenn diese Unterscheidung keinen Sinn machen würde, wozu steht sie dann da so drinnen? Es kann nur so gemeint sein, wie es von Kollegen Öllinger interpretiert wurde, und deshalb ist das, was Sie hier angeboten haben, maximal als eine Flucht nach vorne zu sehen.

Aber kommen wir zum eigentlichen Punkt, zum Ansinnen des Kollegen Gaugg, das er letztlich hier vorbringt und das Sie stützen, das Sie sogar befördern. Sie sind der Beförderer einer Regelung für ein Sondergehalt via Sondervertrag des Herrn Kollegen Gaugg. Das sind Sie, Herr Bundesminister, und das ist mittlerweile offensichtlich auch schon Ihre öffentlich eingeschlagene Linie, wie in den Medien nachzulesen ist.

Aber dass jetzt nicht einmal mehr die Voraussetzungen erfüllt werden müssen, das ist eigentlich neu. Da haben wir auch aufgehorcht. Jetzt plötzlich soll möglicherweise die Prüfungskommission an sich entweder gar nicht mehr gelten, wie es vorgesehen ist, oder eine andere Kommission kommen. Günstigstenfalls wird Kollege Gaugg seine an sich notwendigen Dienstprüfungen vor einer Sonderkommission ablegen müssen. Eine Sonder kommission für eine Sonder prüfung für einen Sonder vertrag für ein besond eres Sonder gehalt des Herrn Gaugg. Das ist Ihre Privilegienbekämpfung! Gratuliere! Neu regieren – wunderbar! So haben wir uns das immer vorgestellt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie haben hier offen erkennbar Ihre Verantwortung völlig verfehlt!

Deshalb darf ich anschließend an diese Ausführungen folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagung des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen, eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend "Regieren neu – Posten-schacher, Privilegien und Proporz der PVA"

Der Nationalrat wolle beschließen:

Dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird gemäß Artikel 74  B-VG das Vertrauen versagt.

*****

(Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Der wird aber nicht durchgehen!) Herr Kollege Westenthaler! Das werden auch Sie einmal zu verant-worten haben, warum der jetzt allenfalls nicht durchgeht, wie Sie hier ankündigen. Im Vorfeld haben Sie wieder davon gesprochen, dass es sich um eine Inflation von Misstrauensanträgen


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handelt. Das kann nur auf Ihre Unfähigkeit zurückzuführen sein, Ursachen und Wirkungen zu unterscheiden. In Wirklichkeit haben wir eine Inflation von Anlassfällen, eine Inflation von Anlassfällen, die Misstrauensanträge hier im Haus regelmäßig rechtfertigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist die Performance des neu Regierens. "Neu regieren" heißt offensichtlich, völlig zu Recht viele Misstrauensanträge auf sich zu ziehen.

Dasselbe gilt ja im Übrigen auch für den jetzt nicht anwesenden Bundesminister Strasser, denn dort kommt zur parteipolitischen Umfärbeaktion noch hinzu, dass wir auch einen demokratie-politisch schwer bedenklichen Vorgang haben, wenn ein Geheimdienstler an die Spitze der Staatspolizei gesetzt wird. Insofern reden Sie nicht von einer Inflation von Misstrauensanträgen! Besinnen Sie sich, wenn Ihnen das möglich ist! Denken Sie nach über die Inflation von Anlassfällen, die Ihre Wenderegierung hier verursacht!

Ich darf abschließend noch einmal festhalten ... (Abg. Ing. Westenthaler: Das Lamperl leuchtet noch gar nicht!) Kollege Westenthaler, manchmal kommt man auch mit weniger als 10 Minuten durch. Das ist auch für mich eine neue Erfahrung. Sie sollten sich aber nicht zu früh freuen. (Abg. Mag. Schweitzer: Zu wenig vorbereitet! – Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt! – Abg. Mag. Schweitzer: Du kannst noch drei Minuten reden!) Sie sollten sich nicht zu früh freuen, denn in Wirklichkeit haben der Herr Bundesminister Strasser und der Herr Bundeskanzler mit ihrer Verteidigungsstrategie heute einen Anlass gegeben, einen Misstrauensantrag gegenüber der gesamten Bundesregierung vorzubereiten. (Abg. Ing. Westenthaler: Endlich!)

Diese Verteidigung war eigentlich eine Selbstanklage, und das sollten Sie mit sich selber ausmachen. Kollege Westenthaler, melden Sie sich zu Wort und stellen Sie die Dinge klar! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Ich tät’ mir einmal überlegen, warum jeder Misstrauensantrag scheitert!)

15.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den der Herr Abgeordnete Kogler vorgetragen hat betreffend Versagung des Vertrauens im Sinne des Artikels 74 der Bundesverfassung, ist ordnungsgemäß eingebracht und steht zur Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Abgeordneter Mag. Schweitzer zu Wort. Rede-zeit: 2 Minuten. Die sonstigen Bestimmungen der Geschäftsordnung sind bekannt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.52

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Die Begründung der Dringlichen Anfrage der Grünen durch Kollegen Öllinger war gekennzeichnet durch Unwissenheit und durch eine Unwahrheit. (Abg. Schieder: Bringen Sie den Sachverhalt!) Durch Unwissenheit und durch eine Unwahrheit! Auf die Unwissenheit werde ich in meiner Wortmeldung eingehen, auf die Unwahrheit gehe ich jetzt ein, Kollege Öllinger.

Die Unwahrheit besteht darin, dass Kollege Öllinger behauptet hat, Kollege Gaugg hätte auf eine sehr generöse Pensionsregelung deshalb verzichtet, weil er bereits Anspruch auf eine Politikerpension hätte. Wahr ist vielmehr, dass Kollege Gaugg – so wie auch ich und meine freiheitlichen Kollegen und auch die Grünen – ins neue System optiert hat und somit kein Anrecht auf eine Politikerpension hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Öllinger, der sich zu Wort melden will –: Es kann keine persönliche Erwiderung geben laut Geschäftsordnung, Kollege Öllinger!)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: So einfach ist die Sache nicht. Aber, Herr Kollege, es ist die ganze Fraktion angesprochen worden und nicht ein einzelner Abgeordneter. (Abg. Ing. Westenthaler: Das habe ich gemeint!) Daher kann ich das Wort zu einer persönlichen Erwiderung wirklich nicht erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Martin Graf: Schon wieder ein Eigentor!)


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Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Cap. Die Redezeit beträgt 8 Minuten. – Bitte.

15.54

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Ich glaube, dass es ganz gut ist, dass wir hier noch einmal im Rahmen einer Dringlichen darüber diskutieren können, wie ernst es der FPÖ respektive dieser Bundesregierung war und ist, wirklich neu regieren zu wollen. Ich höre noch die vielen Reden einzelner Abgeordneter der ÖVP, aber insbesondere der FPÖ, und da ganz besonders des Abgeordneten Gaugg, der jetzt wahrscheinlich irgendwo in einem Hinterzimmer bibbernd am Lautsprecher zuhört, wie die Debatte hier vonstatten geht, der keinen einzigen Debattenbeitrag vorbeigehen ließ, ohne gegen die roten – und jetzt, ÖVP, bitte hinhören! – und schwarzen Bonzen in diesem Privilegienstaat zu wettern. Er ließ keine einzige Wortmeldung aus! Die ganze Zeit sang er das Lied von den Arbeitnehmerverrätern in diesem Land. Und er, Gaugg, war der einzig wahre, echte Vertreter der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, quasi die Spitze im Antiprivilegienkampf. Das haben wir uns hier anhören müssen, immer und immer wieder.

Nun, wer ist dieser Abgeordnete Gaugg eigentlich? – Das sollte man wissen, damit man einfach versteht, warum es diese Nibelungentreue gibt; die Nibelungentreue seitens des Sozialministers Haupt bis hin zum Misstrauensantrag, den er heute dafür abkassiert, und die Nibelungentreue des Jörg Haider gegenüber Gaugg. Ja, Gaugg ist ein Mann der ersten Stunde gewesen! Wir erinnern uns an die Machtergreifung Jörg Haiders in der FPÖ. (Abg. Ing. Westenthaler: Was heißt "Machtergreifung"? Das war ein Parteitag!) Das war dieser historische Parteitag, bei dem ein Delegierter damals gesagt hat: Mit dem Steger würde ich nicht auf Urlaub fahren, aber mit dem Haider ginge ich wieder nach Russland. (Abg. Mag. Schweitzer: Der Gusenbauer greift auch nach der Macht, aber er erwischt sie nicht!) Er hat damit ein bisschen was zur Geschichtsaufarbeitung des Zweiten Weltkrieges einbringen wollen, und er hat gesagt, er kann sich durchaus ein zweites Mal Stalingrad, aber unter der Führung Haiders vorstellen. – In der Literatur nachlesbar. (Abg. Mag. Schweitzer: Ist eine demokratische Wahl Machtergreifung?)

Der gute Abgeordnete Gaugg war ja damals auch einer von den zweien, die Jörg Haider auf ihre Schultern hoben. Wir sehen heute noch die Fotos, wo er Jörg aufhob. (Abg. Mag. Schweitzer: Du wirst nicht mehr auf die Schultern gehoben!) Also er war ein Mann der ersten Stunde und unter Steger wahrscheinlich ein Illegaler, der unter dem Revers das Haider-Abzeichen hatte und angedeutet hat, wenn Haider endlich die Macht ergreift, dann kommt er aus seiner Illegalität hervor und wird sich deklarieren. Und das hat er getan!

Und jetzt ist die Stunde der Dankbarkeit. Jetzt müssen Sie alle, die Sie hier sitzen, diese Diskussion aushalten. Die müssen Sie aushalten. Sie werden sich alle fragen, wieso Sie den Kopf hinhalten müssen, damit der Herr Gaugg in diese Superposition kommt. Aus purer Liebe ma-chen Sie das, weil Sie da gerade so mit glitzernden Augen schauen? Aus purer Liebe? – Nein, es ist die Dankbarkeit und die Nibelungentreue! (Abg. Ing. Westenthaler: Reihenweise fehlen die Abgeordneten bei Ihnen! Da gibt es keine Nibelungentreue!)

Sie haben sich geschworen: Dieser Mann muss in eine der wichtigsten Positionen der Republik! Mit Dienstwagen, 200 000 € und so weiter, und so weiter.

Dafür nehmen Sie alles in Kauf: dass Sie nicht mehr – es ist ohnehin schon fast unglaubwürdig, aber ein paar scheinen es geglaubt zu haben, wenn man die Wahlergebnisse betrachtet – die Antiprivilegienpartei sind, dass Sie nicht mehr die Partei sind, die gegen Postenschacher, gegen Parteibuchwirtschaft ist. (Abg. Dr. Ofner: Der Cap ist nur auf das Fernsehen eingestellt!) Da sind Sie alle hier herausgekommen. Sie auch da mit Ihrem Schmäh: So weit wird es gehen, bis die ÖVP herunterfliegt von den Bänken!

Ich sage Ihnen etwas: Sie sollten Postenbesetzungsseminare in der ÖVP-Akademie besuchen. Die können das nämlich besser als Sie. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Die werden Ihnen zeigen, wie man das macht. Butterweich und flächendeckend, ohne dass man es merkt. (Abg. Neudeck: Richtig!) Man macht eine Tür auf, und schon sitzt ein Schwarzer drinnen. Man macht die Tür zu, und der zweite ist mittlerweile hinter Ihrem Rücken auch schon drinnen. So


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geht es bei der ÖVP zu! Und wir wissen, wovon wir sprechen, denn wir waren 14 Jahre lang mit der ÖVP in der Koalition, und die hat nichts anderes im Kopf gehabt als die Postenbesetzung. – Das war damals so. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ja, ja, ja! (Abg. Ing. Westenthaler: Das war wenigstens ehrlich! Das war jetzt wirklich ehrlich!)

Jetzt sitzen Sie zufällig gerade, Klubobmann Westenthaler, aber normalerweise liegen Sie mit dem Bauch auf dem Tisch, weil Sie dauernd über den Tisch gezogen werden von der ÖVP, wenn es um Postenbesetzungen geht. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Aber fragen Sie sich doch bitte, warum Klubobmann Khol in so stoischer Ruhe, man kann fast sagen, aristokratisch vornehm, hier sitzt. (Abg. Mag. Posch: Nein, vornehm ist er nicht!) In dem Moment, in dem er hier sitzt und nichts sagt, sind in der Zwischenzeit schon wieder drei Posten mit ÖVPlern besetzt worden. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Sie wissen es nur noch nicht. Und wieder hat ein Blauer den Kürzeren gezogen.

So läuft das im Wesentlichen ab, während Sie Ritter Gaugg in Nibelungentreue in die Pensionsversicherungsanstalt für Arbeitnehmer einreiten lassen wollen und dann auch noch öffentlich streiten: Soll er mit Mandat rein? Ohne Mandat rein? Soll er den oder den Vertrag kriegen? Minister Haupt versucht hier, den politischen Alzheimer der ÖVP zu kopieren, indem er die ganze Zeit sagt, er war nicht bei dieser Verschwörerbesprechung. Der gute Herr Wetscherek, den Sie alle gewählt haben, der war dabei, denn es ist um seinen Kopf gegangen. Von der ÖVP war der Herr Tancsits dabei. Herr Tancsits, können Sie sich noch erinnern? Eine tolle Sitzung war das! Endlich wieder einmal zusammenkommen, eine Liste nehmen, alles bis hinunter zum Arzt, vielleicht auch noch bis zum Portier wird besetzt. Alles andere auch noch, Lüftungsanlagen, alles, was es dort gibt. Das wird ausgemacht und verteilt, denn das ist alles Privateigentum. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist Ihr Bereich, denn da wird bestimmt! So, wie das bei Ihnen in Niederösterreich und in anderen Bundesländern gemacht wird, soll ganz Österreich durchorganisiert werden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und was sagt der Herr Wetscherek? – Es habe wegen des zeitgleichen Sozialausschusses wohl ein Kommen und Gehen geherrscht, Haupt habe jedoch auch an der Besprechung über die Führungsebene der PVA teilgenommen. – Der hat keinen Alzheimer, der kann sich erinnern. Der sieht Haupt förmlich vor sich, bildlich, auch von der Akustik her. Wahrscheinlich hat er auch etwas gesagt und hat Ezzes gegeben: Wie kann man mich, Haupt, als das Aufsichtsorgan möglichst optimal überlisten? – Das war sein Beitrag in diesen Verschwörersitzungen, zu denen er sich auf Zehenspitzen hineingeschlichen hat und dann auf Zehenspitzen wieder heraus. Und dann ist er im Sozialausschuss gesessen und hat gesagt: Ich war eh die ganze Zeit da! Könnt ihr euch denn nicht erinnern? Ich war eh die ganze Zeit da! – Das ist die Art, wie hier mit dieser Republik, wie hier mit dieser Postenbesetzungsstrategie umgegangen wird, und zwar flächendeckend in allen Bereichen.

Der Herr Gaugg ist da. Er hat wahrscheinlich wieder Skripten studiert für die vielen Prüfungen, die er nachmachen muss. Sind wir durch? Haben wir es schon auswendig gelernt? Aber es ist ein bisschen viel: die A-Prüfung, die B-Prüfung, die C-Prüfung, für Sie wahrscheinlich noch die D-Prüfung dazu. (Abg. Neudeck: Das könnte man sich mit einem roten Parteibuch alles ersparen!) Da muss man schon ein bisschen etwas lernen, bis es einmal so weit ist, dass man ein bisschen die Qualifikationen erbringt. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Man muss auch ein bisschen Herumbasteln am Sondervertrag: vielleicht zwei Dienstautos – falls eines kaputt ist, damit man ein bisschen mehr Bewegungsfreiheit hat –, drei oder vier Bleistifte und das tägliche Joghurt. Was Sie sich halt so vorstellen in Ihrer Phantasie. – Unfassbare Zustände sind das!

Aber der Herr Strasser hat es zu bunt getrieben. Das ist nämlich der Zweite. Jetzt können Sie (in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler) stoisch da sitzen, und jetzt kann Herr Klubobmann Khol ein bisschen Nervosität spielen. Strasser hat es zu bunt getrieben. Der ist der Zweite, der heute drankommt, und mit Recht drankommt, denn er ist der Dreisteste von allen. Er ist zwar auch der Cleverste, aber zu dreist. Die Schlauheit kann auch übertrieben werden. Daher gibt es


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heute, wie ich höre, zwei Misstrauensanträge. Voll verdient! Das ist keine Inflation. Nein! Voll berechtigt. Für die Fehltritte, die Sie produzieren, haben Sie diese Misstrauensanträge verdient.

Wir werden diese Misstrauensanträge natürlich unterstützen. Wir werden auch der Bevölkerung mitteilen, was Sie hier aufführen mit deren Steuergeldern, mit den Beiträgen, die sie einzahlt. (Abg. Neudeck: Das habt ihr der Bevölkerung schon längst gezeigt!) Wir werden ihr sagen, wie wucherisch Sie damit umgehen, nur damit Sie Ihre Freunderln hier unterbringen: hier in Ihrer "Privatrepublik", zu der Sie Österreich degradieren wollen. (Abg. Mag. Schweitzer: Ja, ja, ja!) Es ist skandalös! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie demonstrativer Beifall des Abg. Gaugg. )

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. Sie besteht aus der Wiedergabe des zu berichtigenden Sachverhaltes und dann der Darstellung des tatsächlichen Sachverhaltes. (Abg. Nürnberger: Er will auch ein Joghurt!)

16.03

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Abgeordneter Cap hat in seiner kabarettistischen Darbietung behauptet, dass bei der Politischen Akademie der ÖVP ein Stellenbesetzungsseminar stattfinde.

Als Vorstandsmitglied der Politischen Akademie berichtige ich tatsächlich: Solche Seminare finden bei der Politischen Akademie nicht statt, aber offensichtlich im Renner-Institut. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Posch: Für den Jenewein!)

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Der hat um 4 Uhr Dienstschluss gehabt!)

16.04

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich glaube, alle sind der Meinung, dass manche Begleitumstände bei der Bestellung von Herrn Abgeordnetem Gaugg nicht überall goutiert worden sind (Abg. Schwemlein: "Begleitumstände" ist richtig!), aber auch nicht diese Dringliche Anfrage, meine Damen und Herren. Die gehört nämlich genau in dieses Fahrwasser.

Die Ausdrücke, die Sie, Herr Abgeordneter Cap, verwendet haben – zum Beispiel "Machtergreifung" –, gehören eigentlich nicht ins österreichische Parlament. Wir sollten niemandem vorwerfen, er ergreift die Macht. Wir sind Demokraten und sollten auch in diesem Sinne handeln, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: "Machtergreifung" ist nicht okay!)

Noch etwas, Herr Abgeordneter Cap, da Sie von Postenbesetzungen sprechen: Ich kenne nur einen Bereich, ich kenne das Sozialministerium, und ich kenne das AMS. Ich kenne bis heute noch keinen AMS-Leiter, der nicht SPÖ-Mitglied oder SPÖ-Sympathisant ist. Dabei geht es um 90 Stellen. (Abg. Schwemlein: Woher wissen Sie das?)  – Ja, ich kenne alle, weil ich mich sehr damit auseinander gesetzt habe. (Abg. Schwemlein: Persönliche Schnüffelei!) Nennen Sie mir einen, der nicht Sympathisant Ihrer Partei ist, meine Damen und Herren von der SPÖ! Damit müssen Sie mir nicht kommen. Die Postenbesetzung der SPÖ war immer eine großartige Vorgangsweise der SPÖ-Funktionäre. Das haben Sie verstanden, und Sie verstehen es immer noch, Herr Abgeordneter Cap. Hier sollten Sie kein Öl ins Feuer gießen oder die Dinge falsch darstellen. Sie sitzen hier wirklich mitten im Wasserfall drinnen, meine Damen und Herren.

Aber lassen Sie mich auf den Grundgehalt dieser Anfrage eingehen. Aus meiner Sicht geht es dabei um zwei Dinge. Es geht um die Fragen: Ist die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten für Arbeiter und Angestellte richtig gewesen?, und: Ist die Bestellung von Herrn Abgeordnetem Gaugg korrekt gewesen? – Das sind die zwei entscheidenden Fragen, mit denen wir uns auseinander setzen müssen.


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Zur ersten Frage: Es ist richtig, dass die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten für Arbeiter und Angestellte in der Zeit einer SPÖ-Regierung nicht möglich gewesen ist. Seit die FPÖ in der Regierung ist, ist es möglich, diese Zusammenführung, die eigentlich alle wollen – nämlich Arbeiter und Angestellte in einer Versicherungsanstalt zusammenzuführen –, durchzusetzen.

Ich bin sehr froh, dass dieses Vorhaben gelungen und nun in Umsetzung ist, dass es für 5,5 Millionen versicherte Arbeiter und Angestellte eine Versicherungsanstalt gibt, dass es für alle Versicherten eine Anlaufstelle in den Bundesländern gibt, dass Entscheidungen für die Versicherten draußen vor Ort erfolgen können, dass Angestellte und Arbeiter gleiche Unterstützungsleistungen bekommen und gleiche Rehabilitationseinrichtungen in Anspruch nehmen können.

Meine Damen und Herren! Das sind alles Dinge, die nun ab 1. Jänner 2003 möglich werden und in vielen Bereichen bereits umgesetzt worden sind.

Es wird ein einheitliches Leistungsrecht geben. – Sie von der SPÖ haben dagegen gestimmt, als wir das vor sechs, sieben Monaten hier im Hohen Haus beschlossen haben. Jetzt sind wir in der Umsetzung, und ich meine, dass diese Entscheidungen richtig waren, auch wenn sie gegen die Stimmen der SPÖ erfolgt sind, gegen die Stimmen der Grünen erfolgt sind. Es ist gut, dass sie jetzt gemeinsam mit der FPÖ durchgesetzt werden konnten und dass Minister Haupt hier auch die entscheidenden Anregungen gegeben hat, damit wir zu dieser Umsetzung kommen können.

Zu Beginn des Jahres wurde dann klar, dass die Führungsstrukturen ebenfalls neu zu besetzen sind, und zwar möglichst frühzeitig. Wir haben vereinbart, dass mit 1. Juni bereits die operative Führungsebene neu zu besetzen und zu bestellen ist. Sie wissen, ab 1. Juli soll dann auch die Funktionärsebene neu bestellt werden.

Sie kritisieren diese Bestellung, doch ich entnehme der Anfrage unmittelbar, dass Sie klar zum Ausdruck bringen: Jawohl, es ist korrekt ausgeschrieben worden. Wir können einmal feststellen: Die Ausschreibung des leitenden Angestellten und seiner Stellvertreter war am 5. Mai 2002 korrekt erfolgt. Es gab auch Bewerbungen. 31 haben sich für die Stellvertretung beworben, 21 für die Funktion des leitenden Arztes und seiner Stellvertreter. Ich meine also, auch die Ausschreibung ist korrekt erfolgt. Hier kann es keinerlei Vorwürfe geben, und ich glaube auch, dass es keinerlei Vorwürfe gibt.

Das Personalberatungsbüro Jenewein hat dann geeignete Kandidaten ausgewählt. Zwei wurden für die Position des leitenden Angestellten als geeignet erachtet und vier für den Posten des ständigen Stellvertreters. Auch da ist also ein klarer Vorschlag erfolgt.

Dann kam das Ganze in den Überleitungsausschuss, und im Überleitungsausschuss kommt es natürlich darauf an, welche Anträge gestellt werden. Es wurde ein Antrag für den leitenden Angestellten gestellt, und dieser Antrag ist mit 24 : 1 : 1 Stimmen angenommen worden. Es ist also eine klare, eindeutige Bestellung des leitenden Angestellten erfolgt.

Und dann gab es Vorschläge für den Stellvertreter. Es gab zwei Vorschläge, es gab den Vorschlag Gaugg und es gab den Vorschlag Freitag. Der Vorschlag Gaugg und der Vorschlag Freitag wurden in einem Wahlverfahren abgestimmt, und auch hiebei gab es eine klare Relation: 12 : 11 : 3. Und es ist eindeutig so, dass bei Wahlen – der Minister hat schon auf die Beschlüsse hingewiesen, wenn man das Ganze schon so wie der Abgeordnete Öllinger auf Wahlen abstellt, dass es sich also hiebei um Wahlen handelt – die gültigen Stimmen zu zählen sind. (Abg. Öllinger: Nein! § 538, lesen Sie nach!)

Ich lese jetzt nach, was bei uns hier im Nationalrat gilt. (Abg. Öllinger: Nein, der Nationalrat ist unmaßgeblich!) Ich sage Ihnen: Genau die gleiche Regelung gibt es im ASVG. Entscheidend ist die Mehrheit der gültigen Stimmen. Die unbedingte Mehrheit der gültigen Stimmen ist entscheidend, wenn es sich um Wahlen handelt. (Widerspruch des Abg. Öllinger. )


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Aber der Minister hat auch zu einer anderen Frage Stellung genommen, nämlich zu dem Fall, dass es sich um einen Beschluss handelt. Auch in diesem Punkt haben Sie Unrecht, wenn Sie, Herr Öllinger, behaupten, dass nicht korrekt abgestimmt worden sei beziehungsweise die Mehrheitsverhältnisse nicht korrekt festgestellt worden seien. Sie sind festgestellt worden im Verhältnis 12 : 11 von 23 Stimmen: 12 Stimmen für Gaugg, 11 Stimmen für Freitag.

Sie argumentieren mit Hinweisen auf verschiedene Umstände, die irgendwo geäußert worden sind, und zitieren eine Reihe von vertraulichen Papieren. (Abg. Öllinger: Das war in den Zeitungen zu lesen!)  – Nein, es geht um vertrauliche Papiere. Sie schreiben auf der Seite 2 Ihres Antrags, dass Sie vertraulichen Papieren manches entnehmen. – Ich meine, wir sollten hier nicht mit vertraulichen Papieren argumentieren, sondern wir sollten mit Fakten argumentieren, und die Fakten habe ich Ihnen aufgezählt. Ich stelle also fest: Auch dieser Vorgang, die Wahl des Abgeordneten Gaugg, war korrekt.

Die letzte Frage, die sich stellt: Ist es mit seiner Funktion vereinbar, dass sich ein Abgeordneter um einen solchen Posten bewirbt? – Es hat in der Vergangenheit immer wieder solche Bewerbungen gegeben. Abgeordnete haben sich um führende Posten in allen möglichen Bereichen beworben. Diese Bewerbungen wurden immer akzeptiert. Warum wollen Sie die Bewerbung des Abgeordneten Gaugg nicht akzeptieren? (Abg. Öllinger: Das hat doch niemand gesagt!)

Für mich gibt es kein einleuchtendes Argument, diese Bewerbung nicht zu akzeptieren, und es ist, so meine ich, die persönliche Entscheidung des Abgeordneten Gaugg, festzustellen, dass er, wenn seine Vertragsverhandlungen abgeschlossen sind, zurücktritt, und zwar in welcher Form, in welchem Ausmaß und in welche Richtung er das tun wird.

Ich halte es hier mit der Frau Vizekanzlerin, die schon mehrfach ganz klar zum Ausdruck gebracht hat, dass der Abgeordnete Gaugg, wenn seine Angelegenheiten geklärt sind, auf seine Funktionen im politischen Bereich verzichten wird, dass er sie zurücklegen wird, "wie das bei uns im Gegensatz zu anderen Parteien üblich ist".

Ich meine also, das Ganze, was Sie hier aufführen, ist ein Sturm im Wasserglas. Es entbehrt jeder Grundlage, weil die Vorgangsweise korrekt war. Es gab korrekte Ausschreibungen, es gab korrekte Vorgangsweisen im Überleitungsausschuss, und es handelt sich jetzt einzig und allein um die Frage der vertraglich eindeutigen Bestellung des Abgeordneten Gaugg durch die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten beziehungsweise durch die neue Pensionsversicherungsanstalt und deren Überleitungsausschuss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Redezeit gleichfalls 10 Minuten. – Bitte.

16.14

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe schon bei meiner tatsächlichen Berichtigung festgestellt, dass der Begründer dieser Dringlichen Anfrage bei seiner Begründung durch das Verbreiten von Unwahrheiten und durch Unwissenheit aufgefallen ist. Ich werde noch einmal erklären, warum es sich auf der einen Seite um Unwahrheit und auf der anderen Seite um Unwissenheit handelt.

Herr Kollege Öllinger! Womöglich wider besseres Wissen zu behaupten, dass Kollege Gaugg einen Anspruch auf eine Politikerpension habe und sich deshalb nicht um die bessere Pensionsmöglichkeit bemüht habe, das finde ich schon mehr als bedenkenswert. Kollege Gaugg ist als Parlamentarier dieses Hauses so wie andere auch ganz normal bei der Wiener Städtischen versichert und zahlt seine Pensionsbeiträge ein, um einmal eine Privatpension zu bekommen. – Das zur Unwahrheit, Herr Kollege Öllinger! (Abg. Öllinger: Da muss ich jetzt was dazu sagen!)

Zur Unwissenheit: Kollege Graf sitzt deshalb vom RFW nominiert im Überleitungsausschuss, weil Kollege Graf Inhaber eines Kaffeerestaurants in der Billrothstraße 19 ist. Wenn man recherchiert, dann kann man das im Firmenbuch tun – und so weit dürften auch die Kenntnisse bei den Grünen bereits reichen, dass sie das Firmenbuch über ihre im Klub befindlichen Computer


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öffnen können – und dort erfahren, dass Kollege Graf dort geschäftsführender Gesellschafter ist, nämlich beim Kaffeerestaurant Graf, Billrothstraße 19, hier in Wien, Herr Kollege Öllinger, und auf Grund dieser Tatsache auch rechtmäßig vom Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender als Mitglied in diesen Überleitungsausschuss nominiert wurde. – So weit die Unwissenheit, Herr Kollege Öllinger! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und jetzt bleiben wir einfach bei den Fakten, Herr Kollege Cap. Im Gegensatz zu den vielen Besetzungen, die Sie in 30 Jahren auf rein parteipolitischer Basis gemacht haben, gemeinsam mit der ÖVP, natürlich gemeinsam mit der ÖVP, und vielleicht hat die ÖVP das damals auch besser gekonnt ... (Abg. Edlinger: Die sind immer mit Listen gekommen!)  – Das mag schon sein; ich kann da nicht mitreden, weil Sie da gepackelt haben.

Sie waren ja einer der Oberpackler in der Praschak-Geschichte, habe ich in den Protokollen nachlesen können, Herr Kollege Edlinger! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ein tödlicher Postenschacher!) In einem der größten Packler-Skandale, der schlussendlich auch zum Tod eines ganz wesentlichen Bankiers geführt hat, waren Sie einer der Oberverhandler, einer von jenen, die einen ehemaligen SPÖ-Minister zu Unrecht in eine Position gehievt haben, was letztlich zum Tod des Herrn Praschak geführt hat. (Ruf bei den Freiheitlichen: Jawohl!) Da waren Sie dabei, Herr Kollege Edlinger! (Abg. Edlinger:  ... Wahnsinn ...! – Abg. Ing. Westenthaler: Edlinger trägt Mitschuld!)

Nur damit wir das alles nicht vergessen, wenn heute ein Riesenwirbel gemacht wird über eine völlig rechtmäßige Bestellung des Kollegen Gaugg, eine rechtmäßige Bestellung, wie das ja bereits in der Beantwortung der Dringlichen Anfrage durch Minister Haupt klar geworden ist, und auch dir klar hätte werden müssen, wenn du aufgepasst hättest, Kollege Wittmann. Selbst du hättest das schon begriffen, wenn du es begreifen wolltest.

Kollege Gaugg hat sich gemeinsam mit 40 anderen Kandidaten beworben, und ihm wurde attestiert, dass er ein dynamisch-selbstbewusstes Auftreten hat, durchsetzungskräftig ist, weiß, was er will, dass er planerische Fähigkeiten hat, dass er ein Stratege und Motivator ist und dass er eine hohe Führungskompetenz hat. (Abg. Dr. Cap: Wer?)  – All das wurde Kollegen Gaugg von einem unabhängigen Personalberatungsbüro bescheinigt, und er wurde als der Bestqualifizierte für diese Position beschrieben. (Abg. Dr. Cap: Was ist mit der Bank für Steiermark und Kärnten?)

Und dann, Herr Kollege Cap, kommt es zur Wahl in diesem Überleitungsausschuss, in dem die FPÖ mit 3 von 25 Mitgliedern vertreten ist. Ich betone, mit drei, die SPÖ mit vielen mehr! – Und in diesem Überleitungsausschuss ist es dann so, dass die SPÖ jemanden als Konkurrenten von Reinhart Gaugg vorschlägt, der bereits ewig lange für die SPÖ Landtagsabgeordneter war, der seit zwölf Jahren in diesem Unternehmen tätig war, ohne jemals die Dienstprüfung gemacht zu haben. – Typisch für die SPÖ: Keine Qualifikation, aber jahrelang dabei, und mit Supergagen noch dazu! Und das ist es, was ich Ihnen zum Vorwurf mache. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie regen sich über eine rechtmäßige Bestellung auf und haben kiloweise Butter am Kopf. Peter Westenthaler hat das heute Vormittag hervorragend beschrieben. Und seien Sie froh, dass die Sonne nicht scheint, Sie wären schon fett bis über die Ohren von der zergehenden Butter auf Ihren SPÖ-Köpfen! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

Lieber Kollege Cap! Da ist dieser Herr Freitag, ein Gewerkschaftsfunktionär, natürlich schon ewig lang SPÖ-Mitglied, nicht qualifiziert, der sitzt heute noch immer in dem Unternehmen, nicht qualifiziert, ohne Dienstprüfung, mit 9 099 € Gage plus Dienstalterszulage, und er erfüllt keine einzige Qualifikation. – Kollege Gaugg, seit 1. Juni in diesem Amt, sitzt dort, aber nicht, wie Sie behaupten, mit 200 000 oder irgendwieviel Euro, sondern mit genau – und das ist der Gehaltszettel (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe)  – 2 069,87 € Bezug, Herr Kollege Cap.


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Wenn Sie aber die Meinung vertreten, dass Kollege Gaugg auf Grund dieser Gage, die er erhält, sofort sein Mandat zurückzulegen habe, dann reden wir doch einmal über all jene (in Richtung SPÖ), die hier sitzen, und wer aller dann sofort gehen müsste! Das werden wir auch noch machen, Herr Kollege Cap. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kollege Gaugg hat ein Recht darauf, seinen Vertrag, den Inhalt seines Vertrages abzuwarten, bis er für sich endgültig eine Entscheidung trifft. Und wenn dieser Vertrag vorliegt, dann wird Kollege Gaugg auch eine Entscheidung treffen.

Aber wir von der FPÖ, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben der ÖVP, haben der SPÖ, haben den Grünen einen Vorschlag gemacht, der da lautet: Beraten wir doch gemeinsam über eine Novellierung des Unvereinbarkeitsgesetzes, und schauen wir uns einmal an, was mit einem Mandat im Parlament vereinbar ist und was nicht! Wir sind der Auffassung, dass hier im Nationalrat einige mit unvereinbaren Jobs sitzen, und das vor allem in den Reihen der SPÖ, wie eine Sophie Bauer, eine Renate Csörgits, ein Rudolf Parnigoni, ein Franz Riepl, eine Heidrun Silhavy, ein Fritz Verzetnitsch, ein Manfred Lackner, eine Ilse Mertel, natürlich ein Rudolf Nürnberger, ein Otto Pendl, ein Rainer Wimmer, eine Maria Kubitschek, ein Johann Maier, ein Erwin Niederwieser, ein Josef Horn. Schauen wir uns das doch einmal an! (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Machen wir das gesetzlich fest!

Herr Kollege Nürnberger! Wie war es denn, als Sie auf der Straße am Vormittag gegen das demonstriert haben, wofür Sie hier dann am Nachmittag gestimmt haben? Wer ist stärker, ich, der Nürnberger auf der Straße, oder ich, der Nürnberger im Parlament? – Das ist eine Unvereinbarkeit! Sie haben hier als Vertreter der Gewerkschaft, die draußen gegen das auftritt, was dann hier herinnen von Ihnen beschlossen wird, nichts verloren. Das möchte ich Ihnen schon klar und deutlich sagen. Das war aber 1999 und davor immer der Fall. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Genauso ist es beim Kollegen Verzetnitsch. Also was hindert Sie daran? Kommen Sie heraus und sagen Sie, was Sie daran hindert, dieses Unvereinbarkeitsgesetz mit uns zu beraten! – Ich weiß es: Ihre Reihen würden sich schrecklich lichten, weil Sie auf Grund einer Einfärbungspolitik von früher sehr viele Leute dorthin gebracht haben, wo sie wegen mangelnder Qualifikation nichts verloren hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Lex Gaugg!)

16.24


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106. Sitzung / Seite 138

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Wittmann zu Wort gemeldet, und dann zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung Herr Abgeordneter Karl Öllinger. In beiden Fällen 2 Minuten, in beiden Fällen zuerst die zu berichtigende Behauptung, dann den tatsächlichen Sachverhalt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.24

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Feurstein hat in seiner Rede behauptet, dass keine leitende Position im AMS nicht von SPÖ-Mitgliedern oder SPÖ-Sympathisanten besetzt sei. – Diese Behauptung ist unrichtig!

Ich erinnere an den ehemaligen Leiter der Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg, das ist Herr Abgeordneter Staffaneller, seines Zeichens sicherlich kein Roter. (Abg. Gaugg: Der war auch ein Roter!) Er ist derzeit ein Mitglied Ihrer Partei. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ein Blattschuss! Und Wittmann liegt schon wieder im Fettnäpfchen!)

Ich erinnere an den stellvertretenden Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich, Böhm, der ebenfalls nicht der SPÖ angehört, sondern der ÖVP. (Abg. Gaugg: Das ist eine Bezichtigung, eine Selbstbezichtigung! – Abg. Ing. Westenthaler: Eine Selbstgeißelung war das! – Ruf bei den Freiheitlichen: Der klassische Bauchfleck!)

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste tatsächliche Berichtigung: Herr Abgeordneter Öllinger. (Anhaltende ironische Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

16.26

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schweitzer hat in seiner Wortmeldung behauptet, ich hätte die Unwahrheit gesagt, weil ich wahrheitswidrig dem Abgeordneten Gaugg einen Anspruch auf eine Politikerpension nach dem Bundesbezügegesetz für seine Tätigkeit als Nationalrat nachgesagt hätte. – Das ist unrichtig!

Ich habe in meinen Ausführungen darauf hingewiesen, dass Herr Abgeordneter Gaugg sechs Jahre lang Vizebürgermeister der Stadt Klagenfurt, zwei Jahre lang Landtagsabgeordneter des Landes Kärnten und darüber hinaus vier Jahre lang Gemeinderat war, und nach den Bestimmungen des Kärntner Bezügegesetzes in der damals gültigen Fassung von 1992 ist er damit pensionsberechtigt. Sollte er das nicht wissen, das Kärntner Bezügegesetz ist bei mir einsichtig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Cap: Hat er euch gelegt, der Abgeordnete Gaugg? – Abg. Dr. Martin Graf: Kollege Öllinger könnte morgen in einer Pensionsversicherungsanstalt anfangen! – Abg. Dr. Wittmann: Hat er euch das nicht gesagt? – Abg. Neudeck: Er hat noch keinen Vertrag!)

16.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte. (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

16.27

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! (Abg. Böhacker: Hoffentlich redet sie nicht über die "Abfertigung neu", denn davon hat sie keine Ahnung!) Es werden sich vor allem die Bürgerinnen und Bürger ein Bild über das Sittenspiel machen, das sich hier vollzieht.

Ich habe sehr aufmerksam der Beantwortung der Fragen durch den Herrn Bundesminister zugehört und fand einiges doch sehr bemerkenswert, nämlich einerseits Ihre Auffassung über Dienstprüfungen, überhaupt über Bildung und Weiterbildung. Da muss ich schon sagen, wenn das der Sozialminister sagt, na ja, herzlichen Dank, es scheint nur dort keine Bedeutung zu haben, wo es eigene Leute betrifft, bei den anderen scheint es ein wenig anders zu sein.

Herr Bundesminister! Ein paar sehr merkwürdige Ausführungen haben Sie zum Fragenblock 1 bis 5 von sich gegeben. Sie haben einerseits Dinge gesagt, die Sie nicht gefragt wurden, jedenfalls nicht in dieser Anfrage. (Abg. Dr. Pumberger: Seien Sie froh!) Sie haben da sehr viele Details wiedergegeben, etwa dass Sie bis 17.41 Uhr im Sozialausschuss waren, dass Sie dazwischen ein paar kleinere Gespräche mit Einzelpersonen hatten und dann um 18 Uhr im FPÖ-Klub waren, und dort sei angeblich eine Sitzung gewesen.

Was diese angebliche Sitzung betrifft, da haben Sie dann nicht gesagt, wie lange die gedauert hat, was dort gesprochen worden ist, und was Ihre Rolle war. Dann folgt dieses blaue oder schwarze Loch, dieses zeitliche Loch, über das Sie sich mit sehr vielen anderen Details hinweggerettet haben, und die detaillierte Erinnerung setzt dann erst wieder am nächsten Tag um 7 Uhr früh ein.

Da stelle ich mir die Frage: Sollen wir daraus den Schluss ziehen, dass es zwischen 18 Uhr und 7 Uhr früh – das ist ein sehr früher Zeitpunkt für eine Sitzung – unmöglich gewesen wäre, irgendwelche Dinge zu akkordieren? Wie sollen wir uns das erklären, dass Sie zu dieser restlichen Zeit am Abend in den Klubräumlichkeiten eigentlich sehr wenig gesagt haben? Sie meinten, Sie hätten sich erkundigt. – Herr Bundesminister, mit Verlaub, das ist schon sehr, sehr merkwürdig: Sie kommen da aus einer kontroversiellen Sitzung des Ausschusses, dann finden Sie in den Klubräumlichkeiten eine angebliche Sitzung vor, bei der angeblich auch Leute, die Öllinger erwähnt hat, dabei waren, aber Sie haben nicht an irgendeiner Sitzung teilgenommen.


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Sie haben sich halt ein bisschen erkundigt und hatten keine Meinung dazu. Das war irgendwann nach 18 Uhr. Wie lang, warum und wieso, das weiß man nicht. Ob das zu einem Ergebnis führte, weiß man auch nicht. (Abg. Böhacker: Aber Sie wissen alles! Sie sind allwissend!) Es geht dann erst wieder um 7 Uhr in der Früh weiter.

Ich weiß natürlich nicht, was dort war. Ich kann aber die Ereignisse sehr genau nachvollziehen, nämlich dass es jedenfalls für den Posten des Generaldirektors einen Vorschlag von zwei geeigneten Personen gab – es wurde aber nur über einen abgestimmt. Die Frage von Karl Öllinger, was mit dem Zweiten geschehen sei, wurde nicht beantwortet. Auch das ist ein dunkles Loch. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Für den Stellvertreter gab es vier als geeignet eingestufte Personen – zwei davon werden einer weiteren Behandlung unterzogen. Und was ist mit dem Rest? – Dazu liest der Herr Bundesminister jetzt den "U-Express", von dem ich nicht annehme, dass das drinsteht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Also irgendetwas war da in den Abendstunden – keine Vorentscheidung, angeblich eine Sitzung, aber plötzlich sind Personen von der Liste verschwunden, und ein Personalberater, der eingeschaltet ist, berät dann nicht mehr hinsichtlich des Personals, sondern erhält einen Marketingvertrag.

Wissen Sie, wie das nur auf Grund der Dinge, die nach außen sichtbar wurden, aussieht? – Man setzte natürlich ein seriöses Personalberatungsunternehmen dafür ein, geeignete Bewerber und Bewerberinnen zu finden. (Abg. Dr. Pumberger: "Bewerberinnen" müssen Sie zuerst sagen!)  – Dann stellte sich heraus, dass die entscheidende Sitzung schon vorher stattgefunden hat. Die spätere Sitzung, in der mehr Personen genannt wurden, hatte keinen Einfluss. Der Gedanke, dass der Personalberater dann ärgerlich sein könnte, drängt sich auf.

Der Marketingvertrag, der ja nicht wirklich zu den Aufgabenbereichen des Personalberatungsunternehmens gehört, sieht also ein bisschen danach aus, als hätte man damit einen möglicherweise verärgerten Personalberater in anderer Weise friedlich, freundlich oder auch ruhig gestellt. Dieser Eindruck drängt sich jedenfalls nur anhand der Tatsachen, die bekannt geworden sind, auf.

Herr Bundesminister! Der rechtlich allerhärteste Punkt – und auch der wird sich nicht aus dem "U-Express" ableiten lassen  – ist die Frage der Geschäftsordnung des Überleitungsausschusses. Ich war diesbezüglich sehr gespannt, was Sie auf die Frage 11 antworten würden. Die Argumentation ist nämlich eine sehr schlüssige (die Abgeordneten Öllinger und Dr. Cap: Das steht im "U-Express"!): Es gibt einerseits § 538c ASVG, die Grundlage für den Überleitungsausschuss, und andererseits § 441 ASVG. Diese haben unterschiedliche Bestimmungen, was Mehrheitsfindungen betrifft. (Abg. Böhacker: Das ist alles so kompliziert!)

In der Regel ist es so, wenn der Gesetzgeber in einem Gesetz verschiedene Ausdrücke wählt, dann ist das auch verschieden auszulegen. Das heißt, es sind verschiedene Inhalte gemeint. Und wie immer Sie es auslegen: Der unter den verbliebenen Bewerbern, nach Abzug der verschwundenen Bewerber, übrig gebliebene Gaugg hat in keinem Fall die erforderliche Mehrheit.

Wäre es notwendig – was an sich gesetzeskonform ist, wenn man auf die Gesetzesbestimmungen betreffend den Überleitungsausschuss schaut –, die einfache Stimmenmehrheit der Anwesenden zu erreichen, dann wären das 14 Stimmen. – Diese Anzahl hatte er sicher nicht.

Gaugg hat aber auch nicht die einfache Mehrheit der gültigen Stimmen, denn sonst müsste das Gesetz ja nicht zwischen ungültigen Stimmen und Stimmenthaltungen unterscheiden. Es ist also völlig klar, dass die Enthaltungen zu den gültigen Stimmen zählen. Auf diese Weise wollte eben der Wähler oder die Wählerin zum Ausdruck bringen: Ich möchte nicht ungültig wählen. – Es gab ja eine ungültige Stimme.

Andernfalls könnte man ja gleich sagen: Das ist ein Topf, in den diese Stimmen kommen. Das ist nach dem Gesetz aber eindeutig nicht der Fall.


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Diese Wählerinnen und Wähler wollten eben zum Ausdruck bringen: Ich möchte eine gültige Stimme abgeben, aber nicht für die Kandidatinnen oder Kandidaten oder für den Kandidaten. – Das wären 13 Stimmen. Das heißt, Sie basteln entgegen dem Wortlaut des Gesetzes eine eigene Abstimmungsregel.

Aber dann kommt ja das Schönste, und da habe ich genau aufgepasst: Wie begründet der für die Gesetzeskonformität zuständige Minister die Art der Mehrheitsfindung? – Da schauen einige schon sehr betreten (in Richtung Freiheitliche), weil sie wissen, dass das stimmt, dass das natürlich nicht halten wird und dass letztlich, wenn Herr Gaugg dort Entscheidungen treffen wird, ein unzuständiges, weil nicht gültig bestelltes Organ, ein gesetzwidrig bestelltes Organ, diese Akte vornehmen wird.

Wie begründet der zur Gesetzeskonformitätskontrolle berufene Minister die Vorgangsweise? – Er sagt dazu, nach einiger Zeit hätte die sozialdemokratische Fraktion ihre Bedenken zurückgezogen. – Da schau her! Das ist ja eine völlig neue Art der Prüfung der Gesetzeskonformität. Er sagt nicht, § 538c ASVG sei so auszulegen, oder die Stimmen seien so zu werten, oder er habe dieses oder jenes juristische Gutachten eingeholt, er habe Herrn Professor Mayer oder sonst jemanden, auf den er sich zuvor berufen hat, gefragt. Nein! Er sagt, sie hätten sich zuerst gewehrt, dann aber eingelenkt. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Das ist ja sehr merkwürdig! Das bezieht sich auf die Fraktion, über die Sie zuvor gesagt haben: Bitte, die haben das auch gemacht, die haben auch Postenschacher betrieben! Da gibt es auch Leute, die keine Prüfungen haben. – Das heißt, zuerst sagen Sie, früher wurde alles schlecht gemacht, und jetzt ist das die einzige Begründung für die Gesetzeskonformität Ihrer Vorgangsweise: "Die sozialdemokratische Fraktion hat ihre Bedenken zurückgezogen"! (Abg. Böhacker: Weil sie draufgekommen ist, dass alles rechtens ist! Was hindert die SPÖ, dass sie gescheiter wird?)

Ich muss sagen: Das ist ja eine "wunderbare" Kontrollinstanz! Wenn Sie die Gesetzeskonformität bei allen Ihren Aktionen auf diese Weise überprüfen, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Böhacker: Gute Nacht! –


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106. Sitzung / Seite 141

Abg. Ing. Westenthaler: Das ist gescheit! Gute Nacht!)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Wittmann hat vorhin eine tatsächliche Berichtigung zu den Ausführungen des Kollegen Feurstein vorgebracht. Er hat die Ausführungen wiedergegeben und dann in der Darlegung des berichtigten Sachverhalts Herrn Abgeordneten Staffaneller apostrophiert. Dieser hat sich nunmehr dazu zu einer persönlichen Erwiderung zu Wort gemeldet, die zulässig ist, weil er persönlich apostrophiert wurde.

Die persönliche Erwiderung hat sich auf eine kurze Sachverhaltsdarstellung zu beschränken. – Herr Abgeordneter Staffaneller, bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt gut zuhören, Herr Wittmann, gut zuhören! Jetzt macht es wieder "Platsch!" bei Herrn Wittmann!)

16.37

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Herr Abgeordneter Wittmann hat behauptet, dass ich im Zusammenhang mit einem Postenschacher als Freiheitlicher AMS-Leiter geworden wäre (Rufe bei der SPÖ: Nein, hat er nicht behauptet!), dass ich als freiheitlicher Gemeinderat AMS-Leiter geworden wäre. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Tatsächlich war es so, dass ich zu diesem Zeitpunkt SPÖ-Mitglied und SPÖ-Gemeinderat war. (Lebhafte Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Nachdem ich die Praktiken einer absolut regierenden SPÖ-Stadtgemeinde kennen gelernt habe, habe ich die Funktion als SPÖ-Gemeinderat zurückgelegt und bin aus der SPÖ ausgetreten. (Anhaltender lebhafter Beifall, Heiterkeit und Au-weh-Rufe bei den Freiheitlichen sowie Beifall bei der ÖVP.)

16.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer: Ein Blattschuss war das! – Abg. Ing. Westenthaler: Was war das jetzt für ein Postenschacher, ein roter oder ein blauer? – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung SPÖ  –: Was sagst du dazu? – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

16.39

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe die Lächerlichkeit, die Aufregung nicht. Herr Abgeordneter Wittmann hat behauptet, Herr Staffaneller sei heute als FPÖ-Abgeordneter beim AMS beschäftigt. Und das stimmt, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist er ja! (Abg. Ing. Westenthaler: Aber als was ist er es geworden? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Schweitzer hat hier wirklich sehr offen sein inneres Wunschdenken dargelegt. Ich wundere mich nur, Herr Abgeordneter Schweitzer, warum du dir die Arbeit gemacht hast, hier alphabetisch zu reihen und rund ein Drittel der SPÖ-Abgeordneten herauszupicken. (Abg. Ing. Westenthaler: Ein Blattschuss war das!) Hättest du doch gleich klar und deutlich gesagt, was du dir wünschen würdest: dass es überhaupt keine Sozialdemokratie, keine Opposition mehr gäbe! (Abg. Ing. Westenthaler: Wegen der 188 000, die du abkassierst! – Abg. Mag. Schweitzer: Es geht eh in die richtige Richtung!)

Aber wer in diesem Parlament sitzt, das entscheiden in der Demokratie Österreichs immer noch die Wählerinnen und Wähler. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Schweitzer, ob Sie nach der nächsten Wahl noch ein Mandat haben werden, das versehe ich mit einem Fragezeichen. (Abg. Ing. Westenthaler: Deswegen seid ihr nur mehr so wenige! Ihr werdet immer weniger! Ihr kassiert immer mehr, werdet aber immer weniger! Abkassieren, aber immer weniger werden!)

Herr Abgeordneter Schweitzer hat sowohl in der tatsächlichen Berichtigung als auch während seiner Rede die Worte "unwissend" und "unwahr" geschrien. Jetzt werden wir nachweisen, in welchen Bereichen Herr Abgeordneter Schweitzer unwissend ist und die Unwahrheit gesagt hat. (Abg. Ing. Westenthaler: 2 Millionen Abfertigung! Ist das wahr?) – Ich arbeite ja noch immer. (Abg. Mag. Schweitzer: Das heißt überhaupt nichts!)

Noch einmal zum Gehalt des Herrn Freitag. Herr Westenthaler hat behauptet: 10 000 S! Darauf habe ich gesagt, das stimmt nicht (Abg. Mag. Schweitzer: 9 099!), und dann haben Sie das sehr lächerlich gemacht, Herr Schweitzer! Hören Sie zu! Zuhören! (Abg. Ing. Westenthaler: Ich habe gesagt Euro, nicht Schilling!) – Euro, ja. – 9 999 (Abg. Mag. Schweitzer: Nein!), 99 999 (Abg. Mag. Schweitzer: Nein!), 9 999 € waren es am Vormittag! (Rufe bei den Freiheitlichen: Nein!) – Was denn? Wie viel? (Abg. Ing. Westenthaler: 9 099 €!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich versuche, jedem Redner die Möglichkeit zu geben, dass er zu Wort kommen und sich auch verständlich machen kann!

Bitte, Kollege Nürnberger, setzen Sie fort!

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (fortsetzend): Hör zu! Das war eine Dienstalterszulage, die war schon da. Jetzt habe ich den Gehaltszettel des Herrn Freitag vom Mai da, und die Differenz, die Sie so locker wegstecken, beträgt mehr als ein Monatsgehalt (Abg. Mag. Schweitzer: Was steht dort?), mehr als ein Monatsgehalt (Abg. Mag. Schweitzer: Lies vor! – Abg. Ing. Westenthaler: Wie viel verdient er jetzt?), das etwa Beschäftigte im Tourismus oder im Handel verdienen. (Abg. Mag. Schweitzer: Was steht dort?) Er verdient 9 100 €, und die Differenz ... (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Weil es einer zu wenig war!) – Nein, das war nicht zu wenig, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: 9 100 €, Gaugg 2 000 €!)

Und nun zur B-Prüfung (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine Bestätigung! – Abg. Mag. Schweitzer: Das ist eine tatsächliche Bestätigung! – Abg. Ing. Westenthaler: 9 100 €!): Die Grundsätze sind am 24.9.1996 geändert worden. Dazu gibt es ein Schreiben des Hauptverbandes, in dem es heißt: Eine Befreiung von der Verpflichtung zur Ablegung der B-Prüfung ist


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generell ausgeschlossen. (Abg. Jung: Wer war Sozialminister?) – Warten Sie, ich komme schon dazu.

Es stimmt, Herr Generaldirektor Freitag hat die B-Prüfung nicht. Das ist auch nie behauptet und auch nicht bestritten worden. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Er hat nie etwas behauptet, was er vorher bestritten hat!) Ich bin auch dafür, dass Herr Gaugg gleich behandelt wird. Behandeln wir ihn gleich! Herr Minister! Behandeln wir ihn wie Generaldirektor Gritzner und Generaldirektor Wurm, die nämlich auch die B-Prüfung machen mussten, und stellen wir ihn vor die gleiche Sonderkommission.

Herr Abgeordneter Gaugg ist jetzt leider nicht da. – Herr Freitag hat Vorbilder. (Abg. Ing. Westenthaler: 1 € sind 13,76 S! Das ist die Umrechnungsformel für den Euro!) Herr Freitag hat Vorbilder, und deswegen ist dann die Änderung gekommen per Anweisung. Da gab es einen Generaldirektor-Stellvertreter (Abg. Ing. Westenthaler: Vielleicht sagt er noch, was Elsner verdient! Wie viel Euro bekommt Elsner?), der auch einen Sondervertrag hatte. In seinem Dienstvertrag ist ein eigener Punkt sechs enthalten, laut dem er die B-Prüfung nicht machen muss. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Sie brauchen nicht zu lachen, ich habe den Vertrag da. Sie können sich die Frage bezüglich Datenschutz und wieso ich weiß, was in seinem Dienstvertrag steht, ersparen, weil ich Ihnen das sagen werde. Ich habe den Vertrag da, und ich war am 8. Mai 1979, als er im zuständigen Vorstand beschlossen worden ist, anwesend, daher weiß ich das. (Abg. Ing. Westenthaler: Ach so ist das!)

Herrn Gaugg kann ich nur empfehlen (Abg. Mag. Schweitzer: Weil er ein Roter ist, braucht er keine Dienstprüfung!), diesen Vertrag zur Kenntnis zu nehmen, sich ihn zum Vorbild zu nehmen. Dieser Vertrag gehört nämlich auch einem aktiven Politiker – ich gebe ihn dir dann –, er ist heute noch immer aktiver Politiker, allerdings nicht hier (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viel Euro bekommt Elsner ungefähr?), sondern woanders. Es handelt sich um den Exabgeordneten Nationalrat Dr. Walter Schwimmer, Generaldirektor-Stellvertreter in der Wiener Gebietskrankenkasse. Seinetwegen ist das geändert worden. (Abg. Mag. Schweitzer: Wovon redet er?)

Nun zum Gehalt der 200 000 €: Das sind pro Monat 14 285 €, das wurde erstmals – es ist behauptet worden, das hätte Herr Haas genannt (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viel verdient Herr Elsner?) – im "NEWS" und in den Tiroler Tageszeitungen genannt, und es wurde im "Kurier" erwähnt – von Daniela Kittner. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viel verdient Elsner?)

Das Bewerbungsschreiben wurde an den Personalberater Jenewein gerichtet. Dann gab es ein Vorstellungsgespräch, bei dem Gaugg nach seinen Gehaltswünschen gefragt wurde. Dem Vernehmen nach nannte der FPÖ-Abgeordnete 200 000 € pro Jahr.

Jetzt ist es ganz einfach, das aufzuklären. (Abg. Gaugg: Für das gehst du nicht arbeiten, gelt?) Du sagst hier ja oder nein, und dann fragen wir Herrn Jenewein, was er dazu sagt. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viel bekommt Herr Elsner?) Diesbezüglich würde ich aber vorsichtig sein (Abg. Ing. Westenthaler: 50 Millionen Schilling! Wie viel Euro sind das?), denn da kann man leicht den Wahrheitsbeweis antreten, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: Eine einfache Rechnung! 13,76 S!)

Herr Westenthaler! Sie haben das Gespräch zwischen Graf und Haas angesprochen. Den Inhalt dieses Gespräches können Sie im Protokoll nachlesen (Abg. Ing. Westenthaler: Gewerkschaftsbanker Elsner!), da steht nämlich die ganze Packelei drinnen. Da heißt es: Zusage – Voraussetzung Konsens im Entscheidungsgremium und Zustimmung der Betroffenen, dass all das kommt.

Daraufhin war Herr Abgeordneter Graf am 17. Mai in der Plößlgasse bei Herrn Haas und hat ein Vier-Augen-Gespräch geführt, das aber anders verlaufen ist, als es Herr Westenthaler dargestellt hat. Sie wollten uns nämlich diesen Deal schmackhaft machen, aber wir haben das abgelehnt. (Abg. Neudeck: Sie waren nicht dabei, oder?!)


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Das gleiche Gespräch, Herr Graf, haben Sie wenige Tage später mit Herrn Katzian geführt, mit dem gleichen Ergebnis. (Abg. Ing. Westenthaler: Waren Sie dabei?) – Nein, aber es gibt Erklärungen von den beiden Betroffenen. Sie haben dort das gleiche Gespräch geführt, um uns für den Deal zu gewinnen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viel hat Elsner?)

Es ist auch auf Grund der Logik klar (Abg. Ing. Westenthaler: Waren Sie auch bei Elsner dabei?), und es ist auch im Plenarsaal während der letzten Sitzungen herumgegeistert, dass wir dort zustimmen werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Haben Sie auch den von Verzetnitsch ausverhandelt?) Ich habe hier erklärt, dass kein Sozialdemokrat zustimmen wird. Das hätten Sie gerne gehabt, dass die SPÖ bei diesem Postenschacher mitspielt! Gott sei Dank gibt sich aber die SPÖ für diese Postenschacherei nicht her, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Jetzt noch ganz kurz zu Ihnen, Herr Minister. Herr Minister! Sie können sicher sein (Abg. Ing. Westenthaler: Ich halte es nicht aus!), aus dem Vier-Augen-Gespräch, das wir beide geführt haben, zitiere ich nicht. (Abg. Mag. Schweitzer: Sie sind ein Oberpackler, der an einer Aktion beteiligt war, die zum Tod eines Menschen geführt hat! – Abg. Ing. Westenthaler: Edlinger hat sogar mit seinem Postenschacher einen Banker in den Tod getrieben!) Ich habe einen Ehrenkodex, wonach ein Vier-Augen-Gespräch ein Vier-Augen-Gespräch ist. (Abg. Edlinger  – in Richtung Freiheitliche –: Haben Sie einen Vogel?) Aber, Herr Minister, ich kann Ihre Probleme verstehen. (Abg. Neudeck: Was heißt hier Vogel? – Abg. Edlinger: Das ist doch ungeheuerlich!)

Sie haben eine einfache Frage gestellt bekommen: Waren Sie dabei, oder waren Sie nicht dabei? (Abg. Ing. Westenthaler: Zuerst schreit er "Sieg Heil!", und jetzt sagt er "Vogel"!) Eine einfache Frage kann man mit ja oder nein beantworten. (Zwischenruf des Abg. Neudeck. ) Aber Sie reden dauernd herum, sagen in der Sozialausschusssitzung dieses und jenes, aber ich kann das verstehen. (Abg. Neudeck: Geben Sie Edlinger ein Valium, wenn er es nicht aushält!)

Würden Sie nämlich mit nein antworten – Herr Präsident, ich bitte Sie, jetzt genau hinzuhören, damit ich keinen Ordnungsruf bekomme –, dann würde ich Sie der Lüge bezichtigen. Daraufhin müssten Sie mich klagen, und wir würden den Wahrheitsbeweis antreten, und dann würden Sie dastehen als ein Minister, der das Parlament belogen hat. Würden Sie die Frage mit ja beantworten, dann hätten Sie zugegeben, dass Sie als Minister als oberstes Aufsichtsorgan bei dieser Besprechung dabei waren.

Herr Bundesminister! Wenn Sie einen Funken Anstand und politischer Kultur haben, dann ziehen Sie die politische Konsequenz und treten Sie zurück! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Zur Geschäftsordnung!)

16.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.48

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Erst vor ein paar Wochen ist Herr Abgeordneter Edlinger mit einem nationalsozialistischen Zwischenruf hier entgleist. – Diesmal ist es wieder so weit gewesen, dieses Mal war der Zwischenruf zwar nicht nationalsozialistisch, aber es wurde ein Begriff aus dem Tierreich entliehen. Er hat über die Bank herübergerufen: Sie haben einen Vogel! – Ich würde Sie daher bitten, das Protokoll sicherzustellen. Ich verlange einen Ordnungsruf.

Herrn Edlinger würde ich bitten, wenn er sich in die erste Reihe neben Herrn Cap setzt, seine Nerven im Zaum zu halten oder das Haus zu verlassen, das wäre gescheiter. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Westenthaler! Ich werde mir das Protokoll beschaffen, und zwar weil ich mehrere Dinge überprüfen muss, zum Beispiel, ob es richtig ist,


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dass Herr Abgeordneter Schweitzer an die Adresse des Abgeordneten Edlinger gesagt hat: "Sie sind ein Oberpackler, der an einer Aktion beteiligt war, die zum Tod eines Menschen geführt hat!" – Ich möchte das überprüfen, und ich werde auch den Vorwurf: "Sie haben einen Vogel!" überprüfen. (Abg. Ing. Westenthaler: Lebt Praschak noch oder nicht mehr?)

Meine Herren! Eine Handlung zu unterstellen, die zum Tod eines Menschen geführt hat, heißt, an einem ... (Abg. Ing. Westenthaler: Lesen Sie den Brief von Praschak! Wir werden den Brief zitieren! Da steht das drinnen! Praschak hat das selbst geschrieben, dass Edlinger dafür verantwortlich ist!) – Nein, nein, nein, so geht das nicht!

Herr Abgeordneter Westenthaler! Das ist so, wie wenn ich den Innenminister einen tausendfachen Mörder nennen würde, weil ich zum Beispiel mit seinen Entscheidungen im Verkehrsbereich nicht einverstanden bin. (Heftige Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich werde das Protokoll überprüfen, ich werde wie immer anhand des Protokolls vorgehen, und ich werde die Schwere eines Vorwurfes zu gewichten wissen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Praschak hat sich umgebracht und Edlinger dafür ...!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte. (Abg. Böhacker: Kollege Cap hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet!)

16.50

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident, ich weiß, dass mir das nicht zusteht, aber ich möchte festhalten: Der letzte Vergleich war auch nicht glücklich. Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich – auch wenn er vom Präsidenten kommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen ein Geheimnis verraten – um wieder ein wenig die Gemüter zu erheitern –: Auch Herr Abgeordneter Cap trägt sich mit dem Gedanken, sich in einem zivilen Beruf zu bewerben und einen zivilen Beruf anzunehmen. Er hat nur, so glaube ich, die heutige Debatte mit einem Hearing für die Aufnahme in das Kabarett Tschauner in Ottakring verwechselt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber ich verstehe es: Er ist Klubobmann der sozialdemokratischen Fraktion, und nach den "Kühlschrank-Turbulenzen" der letzten Tage muss er seine Fraktion irgendwie bei Laune halten – und das ist ihm heute offensichtlich gut gelungen. Herr Kollege Cap, ich gratuliere zu Ihrem Kabarett-Auftritt!

Zur Sache, meine sehr geehrten Damen und Herren: Diese Bundesregierung ist eine Reformkoalition, und niemand geringerer als Bundeskanzler Schüssel hat heute hier in der Aktuellen Stunde deutlich machen können, welch erfolgreichen Bericht er bezüglich Reformen ablegen kann: Verstaatlichte reformiert, ORF reformiert, Hauptverband reformiert. Überall gibt es das gleiche Muster, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Sozialdemokraten: Politik raus, Sachverstand rein. – Das ist das Rezept dieser Bundesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ebenso war es auch bei der Zusammenführung der Pensionsversicherungsanstalten, so war es auch bei der Allgemeinen Pensionsversicherungsanstalt, die wir hier vor wenigen Wochen beschlossen haben. Das Einsparungspotential ist beachtlich, weil der Zusammenschluss sinnvoll ist. Kein vernünftiger Mensch würde heute mehr diesen Zusammenschluss in Frage stellen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das heutige Thema ist die Bestellung der Geschäftsführung dieser neuen Anstalt. Was ist passiert? – Die Verantwortlichen haben die freien Dienstposten ausgeschrieben. Ein Personalberatungsunternehmen wurde beauftragt, und die eingelangten Bewerbungen wurden von diesem Personalberatungsbüro geprüft. Das ist der Unterschied, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu den Vorgängern, zu den Jahren, die vor uns lagen: Zu Ihrer Zeit – das ist klar – wäre der


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nächstgereihte Gewerkschaftssekretär auf den Posten gehievt worden, aber genau das macht den Unterschied aus. Und dieser Unterschied macht uns sicher, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Nun zur Person Reinhart Gaugg: Kollege Gaugg war ein Bewerber von 30 oder 40, und niemand, bitte – das möchte ich festhalten –, kann einem Abgeordneten dieses Hauses verbieten, sich für irgendeine Position in der Wirtschaft zu bewerben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) – Das anerkennt sogar Kollege Öllinger, der immer wieder in vielem einen Skandal sieht.

Kollege Gaugg hat sich, wie alle anderen Bewerber, einem Hearing gestellt. Er wurde in diesem Hearing entsprechend beurteilt, vorgeschlagen und für geeignet befunden, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind die Fakten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Letztlich hat die Mehrheit des zuständigen Organs Reinhart Gaugg in diese Funktion gewählt. (Abg. Dr. Petrovic: Mit welcher Mehrheit?) Wir sollten diese demokratische Entscheidung zur Kenntnis nehmen, und es steht formal dem nichts im Wege (Abg. Dr. Petrovic: Nur das Gesetz!), Frau Kollegin Petrovic, dass Gaugg diese Funktion auch ausübt. Ich glaube, so weit können wir ... (Abg. Dr. Petrovic: Das Gesetz, aber das scheint nicht zu zählen!) – Dann haben Sie ein anderes Gesetz als das, das wir kennen. Aber Sie legen die Gesetze immer nach Ihrem Gutdünken aus, Frau Kollegin Petrovic, und Sie sind dabei schon oft auf den Mund gefallen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte aber eine zweite Frage in den Raum stellen: Ist diese Funktion unvereinbar mit einem politischen Mandat? – Diese Frage ist für mich eine sehr wichtige (Abg. Dr. Petrovic: Er hat keine Mehrheit!), eine grundsätzliche Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren! Und in dieser Frage – nur in dieser Frage! – stimme ich auch mit Herrn Kollegen Nürnberger überein, was den Inhalt anlangt. (Abg. Dr. Petrovic: Er hat keine gesetzliche Mehrheit!) Wir sollten diese Frage ehrlich diskutieren, und wir sollten nicht eine Person zum Anlass nehmen, um über diese Frage zu reden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Petrovic: Er hat keine gesetzliche Mehrheit!)

Wir haben gesetzliche Quellen für die Unvereinbarkeit. Das ist zunächst die Bundesverfassung (Abg. Dr. Petrovic: Mehrheit!), dort sind Unvereinbarkeiten für gewisse Funktionen dieses Staates vorgesehen. Wir haben weiters einfachgesetzliche Bestimmungen in einzelnen Materiengesetzen, in denen ebenfalls – ORF-Stiftungsrat et cetera – Unvereinbarkeiten festgestellt sind. (Abg. Dr. Petrovic: Aber er hat keine Mehrheit!)

Wir haben auch ein Unvereinbarkeitsgesetz für die Mitglieder dieses Nationalrates, und auch diese gesetzlichen Regelungen sind streng einzuhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Petrovic: Wir reden nicht über Unvereinbarkeit! Es geht um Mehrheiten, die er nicht hat!)

All diese gesetzlichen Bestimmungen haben den Zweck (Abg. Dr. Petrovic: Die sind verletzt worden!), den Mandatar von jedem Hauch einer Unobjektivität bei der Ausführung seines Zivilberufes zu befreien und frei zu halten. Das gilt für einen Richter, das gilt für einen Exekutivbeamten (Abg. Dr. Petrovic: Er hat keine Mehrheit!), und es gilt für alle, für die das Unvereinbarkeitsgesetz das eben feststellt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Daneben gibt es einen freiwilligen Verzicht von einzelnen Mandataren, die sagen: Ich will keinen Beruf ausüben!, und es gibt auch einen freiwilligen Verzicht von Parteien (Abg. Dr. Petrovic: Er hat keine gesetzliche Mehrheit!), die gewisse Mandatare bitten, in diesem Fall von einer Berufsausübung abzusehen. Und auch diese Entscheidungen sind zu akzeptieren, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Petrovic: Aber nur, wenn er eine gesetzliche Mehrheit hätte!)

Wir sind gewohnt, den anderen zuzuhören. Sie sind gewohnt, mit Mehrheiten drüberzufahren (Abg. Öllinger: Wir?!), aber Sie können es nicht, und das ist das Gute daran, weil Sie würden


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mit Ihrer Mehrheit machen, was Sie wollen – und das wollen wir nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wogegen ich mich aber, Frau Kollegin Petrovic, mit allem Nachdruck ausspreche, ist Folgendes: Die Bestimmungen dürfen nicht dazu führen, dass die Vereinbarkeit von Mandat und Beruf grundsätzlich in Frage gestellt wird!

Abgeordnete des Parlamentes sind Vertreter des Volkes. Sie kommen aus verschiedenen Berufsschichten, und es ist ihre Aufgabe, das Wissen, das Fachwissen aus ihrem Beruf hier einzubringen, damit gute Lösungen erreicht werden können. Für mich wäre es ein Horror – ich darf das sagen: ein Horror! –, eine Horrorvision, wenn ein Parlament nur aus abgehobenen Berufspolitikern und Pensionisten bestehen würde. Das möchte ich nicht haben, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Nur derjenige, der in seinem Beruf gezeigt hat, dass er etwas kann, wird auch hier ein guter Abgeordneter sein und wird zum Wohle der Republik etwas weiterbringen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich bitte wirklich, dass wir uns davor hüten, diese Diskussion hinsichtlich einiger Berufsgruppen oberflächlich zu führen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist es diese Berufsgruppe, morgen ist es eine andere; je nach Bedarf, je nach Mehrheitsverhältnissen im Haus (Abg. Öllinger: Beim Hauptverband!) und je nach Opportunität, Herr Kollege Öllinger!

Heute ist es Herr Kollege Gaugg, morgen sind Sie es, und übermorgen bin es vielleicht ich. – Davor sollten wir uns hüten, in Bezug auf Einzelne eine Diskussion zu führen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Darum bitte ich Sie! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das Grundprinzip des Rechtsstaates muss für alle gelten – für alle Staatsbürger, aber auch für alle Politiker. (Abg. Dr. Petrovic: Eine Mehrheit braucht man!) Darum würde ich wirklich herzhaft bitten. Und es sollte keine Schande sein, wenn man in einem Beruf erfolgreich ist. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler. )

Somit ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, dass ein politischer Mandatar sich um eine Funktion in der Wirtschaft bewirbt, und es ist auch nichts dagegen einzuwenden, dass er diese Funktion auch annimmt. (Abg. Dr. Petrovic: Wenn er die Mehrheit hätte!) Ich glaube, dass gerade das österreichische System immer davon ausgegangen ist, dass der Beruf Politiker kein Brotberuf sein sollte, weil er als Politiker nicht abgehoben im elfenbeinernen Turm tätig sein sollte. Man wird dieses Recht auch dem Kollegen Gaugg nicht absprechen können, weil es dafür keine rechtliche Grundlage gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Petrovic: Wenn er die Mehrheit hätte!)

Inwieweit aber jemand zu der persönlichen Ansicht gelangt, eine Funktion abzugeben und nur eine Funktion auszuüben (Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic ), das ist seine eigene Angelegenheit, und das muss er selbst abwägen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines ist klar: Letztendlich gibt es für uns alle nur ein verbindliches Urteil, nämlich das des Wählers. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Trinkl! Ich wollte Ihnen sagen, dass ich Ihnen Recht gebe: Ich hätte mir einen besseren Vergleich für das, was ich zum Ausdruck bringen wollte, aussuchen sollen.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Zierler. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Respekt, Herr Präsident!)

17.00

Abgeordnete Theresia Zierler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn Herr Klubobmann Cap heute in seiner kabarettistischen Polemik von einem "Bauchfleck" gesprochen hat, dann kann man sagen: Wir haben diese Bauchflecke jetzt der


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Reihe nach gesehen – allerdings war das in Ihren Reihen, Herr Cap! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben zum Beispiel Herrn Abgeordneten Nürnberger gesehen, der versucht hat, ein Gehalt zu korrigieren, weil Herr Freitag nicht 10 000 €, sondern "nur" 9 100 € bekommt. – Das sind die Zahlenspielereien der SPÖ, und das hat mich ein bisschen an die Geschichte mit Frau Csörgits erinnert: Als sie einmal nach ihrem Einkommen gefragt wurde, hat sie angegeben, sie habe auf 14 000 S netto vergessen, und sie hat gemeint, es war ja nur eine Zirka-Angabe. – Von einer solchen "Zirka-Angabe" leben sehr viele österreichischen Familien. (Abg. Silhavy: Fabel! – Abg. Mag. Wurm: Fabel!)

Das war der eine Bauchfleck. Der nächste Bauchfleck war auch sehr amüsant, nämlich als wir vom Kollegen Wittmann gehört haben, dass es nicht so ist, dass man beim AMS rot besetzt. – Das Problem war halt nur, Herr Staffaneller war roter Gemeinderat, als er beim AMS eingesetzt wurde. – So weit zum Thema Bauchflecke, Herr Klubobmann Cap! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich möchte auch etwas ansprechen und korrigieren, was unserem Karl Schweitzer vorgeworfen wurde, nämlich dass er unterstellt habe, dass Herr Ex-Finanzminister Edlinger den Tod eines Menschen verursacht hat. – Das hat er nicht getan! Worum es geht, was er ansprechen wollte und was auch anzusprechen ist, ist einfach definitiv menschenunwürdiges Verhalten. Und dieses menschenunwürdige Verhalten hat es in dieser Causa Gerhard Praschak gegeben. Wir haben hier die Aufzeichnungen, ein Gespräch mit dem damaligen Finanzminister Edlinger, geführt am 14. März 1997.

Ich zitiere: "Da es insbesondere auch der Wunsch des Herrn Bundeskanzlers Klima sei, Herrn GD Randa in seinem schwierigen Unterfangen bestens zu unterstützen, wolle er" – Edlinger – "als für die P.S.K. zuständiger Bundesminister sich diesem Beschluß nicht entgegenstellen. ... Er habe vom Bundeskanzler den Auftrag erhalten, die Personalbesetzungen zu koordinieren. ... Auf meinen Einwand, warum man diese Besetzung so kompliziert gestalte, ... entgegnete der Herr Bundesminister, der Herr Bundeskanzler wünsche, dass Dr. Scholten in den Vorstand der OeKB einziehe, da er ein Rückkehrrecht in die OeKB habe." – Und so weiter und so fort; Zitatende.

Und abschließend heißt es: Der Herr Bundesminister betont, es gehe ihm darum, für die Versorgung des Dr. Scholten einen möglichst niedrigen politischen Preis zu bezahlen. Es gebe auch andere Alternativen, sonst würde er auch mit mir anders reden. – Gespräch 14. März 1997. (Abg. Dr. Stummvoll: Versorgung! – Abg. Ing. Westenthaler: Versorgung!)

Das war es, worauf Karl Schweitzer hingewiesen hat. Es geht einfach darum, dass damals Herrn Praschak gegenüber ein menschenunwürdiges Verhalten an den Tag gelegt wurde. Damit bin ich auch gleich beim heutigen Thema. Auch hier, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es um ein menschenunwürdiges Verhalten!

Was wir in den letzten Wochen erlebt haben, war eine Menschenverfolgung, war eine Menschenhatz. Das war keine politische Auseinandersetzung, sondern das war eine versuchte Vernichtungsaktion eines politischen Gegners, den sie einfach definitiv zu ruinieren versucht haben. (Abg. Silhavy: Das sind Sie ja gewohnt! Sallmutter zum Beispiel! Denken Sie an den Fall Sallmutter! Denken Sie an den Fall Sallmutter!) – Es muss nicht so schrill sein, Frau Kollegin Silhavy! Ich verstehe Sie in der schrillen Tonlage nicht. – Ein bisschen ruhiger vielleicht.

Was ist hier passiert? – Sie haben zum einen versucht, Kollegen Gaugg zu denunzieren, und Sie haben damit auch sein ganzes Umfeld belastet – ob das die Familie ist, ob das Freunde sind. Es war eine Vernichtungsaktion, die Sie betrieben haben. Das ist keine politische Auseinandersetzung, sondern ich finde das erschütternd, und ich finde das abstoßend, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber dass die menschlichen Fähigkeiten in der SPÖ nicht vorhanden sind, das habe ja nicht erst ich jetzt hier festgestellt, sondern das wurde auch schon vorher festgestellt. Sie bestätigen


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das, Frau Silhavy! (Abg. Silhavy: Das hat uns gerade noch gefehlt!) Ich danke Ihnen. Damit bestätigen Sie auch Ihren Kollegen Keppelmüller, der von der menschlichen Kälte in der SPÖ gesprochen hat.

Ich will jetzt den vielzitierten "Kühlschrank" nicht noch einmal ansprechen (Abg. Ing. Westenthaler: Er ist gerade hereingekommen!), aber was mich auch interessiert, ist etwas, was noch nicht beantwortet wurde: Herr Keppelmüller hat nämlich noch eine ganz andere Frage gestellt, und zwar hat er gesagt, er möchte einmal hören, dass sich Doris Bures, ihres Zeichens Bundesgeschäftsführerin der SPÖ, zu Elsner äußert. (Abg. Silhavy: Das ist aber heute nicht Thema! Heute ist Gaugg Thema!)

Helmut Elsner, BAWAG-Generaldirektor, ist unter Beschuss geraten, weil er sich nebenbei noch eine Vorstandsgage bei den Österreichischen Lotterien auszahlen lässt. – Oder – Herr Keppelmüller hatte noch eine Idee – man könnte sich einmal anschauen, ob es für die 100 Millionen Schilling, die beim letzten Wahlkampf von Viktor Klima und Andreas Rudas zusätzlich ausgegeben worden sind, Beschlüsse in den Gremien gegeben hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Hört, hört!)

Das sind Fragen, die gestellt wurden. Ich habe die Antwort noch nicht gehört, aber ich glaube, Frau Bures spricht dann als Nächste, und da gehe ich davon aus, dass sie diese Fragen dann beantworten wird.

Ich kann mich auch erinnern, dass Herr Exminister Edlinger im November 1999 einmal gesagt hat: Politisches Engagement darf für keinen Posten im öffentlichen Dienst ein Vorteil sein, darf aber auch kein Nachteil sein.

Da gebe ich Ihnen Recht. Führen wir eine ernsthafte Diskussion auf einer politischen Ebene! Sorgen wir dafür, dass es eine Entflechtung gibt! Sorgen wir dafür, dass wir ein neues Unvereinbarkeitsgesetz schaffen! Wir haben es vorhin schon gehört: Es trifft 20 Kollegen der SPÖ, aber ich möchte natürlich auch die ÖVP hier nicht aus der Pflicht nehmen, auch da geht es um acht Funktionen.

Schaffen wir ein neues Unvereinbarkeitsgesetz! Das betrifft dann Kollegen Gaugg genauso wie 20 Abgeordnete der SPÖ und sieben oder acht Abgeordnete der ÖVP. Das wäre eine seriöse politische Auseinandersetzung. Das ist keine Scheinheiligkeit, die Sie an den Tag legen, sondern wir wollen es einfach verbessern. Machen wir das gemeinsam! Wenn Sie wirklich daran interessiert sind, dann bin ich überzeugt davon, dass Sie dem Vorschlag der Freiheitlichen folgen und dieses neue Unvereinbarkeitsgesetz mit uns gemeinsam beschließen werden.

Vielleicht können wir dann auch zu einem Ende finden, was menschenunwürdiges Verhalten, Menschenjagd und Menschenhatz am Beispiel Reinhart Gaugg betrifft. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Silhavy: Causa Sallmutter!)

17.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Parfuss zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete Parfuss, Sie kennen den § 58 (2) GOG. Beginnen Sie bitte mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen.

17.07

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Frau Abgeordnete Zierler hat vorhin behauptet (Abg. Böhacker: Was hat sie behauptet?), dass Herr Staffaneller roter Gemeinderat war und dann AMS-Leiter geworden ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Das hat sie überhaupt nicht gesagt!) – Das stimmt nicht.

Herr Staffaneller wurde zuerst als AMS-Leiter von Graz nach Deutschlandsberg zugewiesen, hat sich dann in den Gemeinderat beworben (Abg. Ing. Westenthaler: Aber er war schon zuerst SPÖ-Mitglied?!) und wurde Gemeinderat, weil er eine politische Karriere angestrebt hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Bei welcher Partei? – Abg. Gaugg: Bei welcher Partei?) Das ist bei


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der SPÖ nicht gelungen, weil ich in den Nationalrat hineingewählt wurde. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Bei welcher Partei?)

17.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bures. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Man muss dankbar sein, dass Sie das noch einmal betonen, damit alle wissen, dass Staffaneller aus der SPÖ kommt!)

17.08

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke mir, dass klar geworden ist, die FPÖ hat ein Problem. (Abg. Ing. Westenthaler: Wir haben kein Problem!) Die FPÖ hat in ihren Kreisen einen skandalösen Abkassierer, einen Privilegienritter – in den Reihen der FPÖ! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Jetzt spricht der Eiswürfel vom Kühlschrank! Jetzt spricht der Eiswürfel vom Kühl-schrank!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur weil sich Ihre Parteivorsitzende, weil sich Ihr Klubobmann Westenthaler, weil sich Ihr Generalsekretär nicht durchsetzen und dafür sorgen können, dass er aus diesen Reihen geht, nur weil Sie sich nicht durchsetzen können, kommen Sie mit einem Schein- und Ablenkungsmanöver von Unvereinbarkeit. Machen Sie in Ihren Reihen sauber! Sorgen Sie dafür, dass Abkassierer hier keinen Platz haben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Das Eiswürfele! – Abg. Ing. Westenthaler: Wieso zittern Sie schon wieder?)

Aber wissen Sie, es nimmt Ihnen sowieso niemand mehr etwas ab. (Abg. Böhacker: Ganz ruhig! Sie zittern!) Sie reden von mehr Menschlichkeit in der Politik. Jeder in diesem Land weiß, die FPÖ steht für eine menschenverachtende Politik, und Sie haben dafür auch die Rechnung präsentiert bekommen. Wenn jemand einen Bauchfleck gemacht hat, Frau Abgeordnete Zierler, dann nicht nur Sie als Kurzzeitgeneralsekretärin (Abg. Gaugg: Eiswürferl! Eiswürferl!), sondern zum Glück die FPÖ bei jeder Wahl, die in den letzten zwei Jahren stattgefunden hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Was heute auch klar geworden ist, ist, dass die selbst ernannten Saubermänner und -frauen in der FPÖ bis zum Hals im Sumpf der Privilegienritter, der Luxusgehälterbezieher, der Sonderverträge et cetera stecken. Und das Bedauerliche daran, Herr Bundesminister, ist, dass Sie als Aufsichtsorgan diese ungeheuerlichen Vorgänge eigentlich decken. In Ihrer Beantwortung der Anfrage ist das heute auch zum Ausdruck gekommen.

Sie decken sie damit, indem Sie dem Parlament die Unwahrheit gesagt haben. Sie haben an dieser Mauschelsitzung am 14. Mai in diesem Haus teilgenommen. Herr Bundesminister! Sie stellen sich hierher und sagen, Sie haben den FPÖ-Klub betreten, um sich zu erkundigen, und dazu sind Sie nach dem ASVG auch berechtigt. Das machen Sie im Klub der FPÖ mit Herrn Tancsits und Herrn Graf? – Erkundigen Sie sich! Postenschacher hat stattgefunden, Herr Bundesminister, den Sie decken, und das ist der Skandal! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Aber dieser Postenschacher war notwendig, weil Herr Abgeordneter Gaugg die notwendige Qualifikation für eine so verantwortungsvolle Tätigkeit nicht erbringt. Das haben Sie gewusst – und daher mussten Sie das mit der Brechstange, mit Mauschelsitzungen, mit Geheimprotokollen, in denen alles festgelegt wurde, im Vorfeld abklären! (Abg. Mag. Schweitzer: Wer hat denn das geschrieben?)

Wie sieht es denn mit der Qualifikation des Herrn Gaugg aus? – Schauen wir uns die doch ein-mal an! Es gibt eine öffentliche Ausschreibung, da ist ein Punkt enthalten, und der ist zwingend im Anforderungsprofil: besondere Erfahrungen und Bewährung in vergleichbaren Leitungs- und Managementfunktionen.

Also in einer vergleichbaren Funktion war Herr Gaugg nie, das haben auch Sie nicht behauptet, das wäre auch zu schwierig zu konstruieren gewesen. Aber wie sehen denn die besonderen Erfahrungen in einer vergleichbaren Funktion aus? War das seine Bankqualifikation in der Bank


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für Kärnten und Steiermark? (Abg. Böhacker: Wie war das bei Herrn Freitag?)  – Ich möchte in Erinnerung rufen, was der Chef dieser Bank über die Qualifikation des Herrn Gaugg gesagt hat, als er aus dieser Bank ausgeschieden ist. Der damalige Chef sagte – ich zitiere –:

Gaugg ist ein Mitarbeiter, der sein Butterbrot von beiden Seiten beschmieren will. Er ist für uns untragbar. Außerdem habe Gaugg den Ruf der Bank geschädigt. Wir haben mit ihm schlechte Erfahrungen gemacht. – Zitatende. (Abg. Neudeck: Das hat heute schon jemand zitiert! Das ist schon fad!)

Das ist eine Qualifikation – "hervorragend", meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Aber das ist nicht sein Dienstzeugnis!)

Aber es gibt mehrere Anforderungen. Es steht hier auch: umfassende Kenntnis der maßgebenden Rechtsnormen und Organisationsstrukturen der Sozialversicherung. – Also er kennt die Organisationsstruktur nicht, er kennt nicht einmal das Gebäude. Wir wissen, er hat den Arbeitsort nicht einmal gefunden. Das sind offensichtlich seine Kenntnisse. Und zur sozialen und wirtschaftlichen Kompetenz: Wirtschaftliche Kompetenz hat er keine, denn das Einzige, was er will, ist abkassieren. 200 000 € im Jahr abzukassieren, das ist keine Kompetenz. Das Einzige, was er hat, ist Durchsetzungsvermögen, um einen lukrativen Job zu bekommen, den die Versicherten zu bezahlen haben. Das ist der Skandal, über den wir heute reden! (Beifall bei der SPÖ.)

Zusammenfassen kann man es klar: Es gibt null Qualifikation für Herrn Abgeordneten Gaugg für diese Funktion. (Abg. Mag. Schweitzer: So? Was hat denn Freitag dann? Er hat dann ja eine Minus-Qualifikation!) Es werden die Versicherten zur Kassa gebeten für eine Personalberatungsfirma, die nur eine "Behübschung" ist, weil Sie dieses Paket im FPÖ-Klub ausgepackelt haben. Herr Gaugg weiß nicht, was er arbeiten soll, er weiß nicht, wo er arbeiten soll, er weiß nur, er will 200 000 € Jahresgehalt plus Dienstwagen, plus Chauffeur und sonstige Annehmlichkeiten.

Herr Bundesminister! Sie spielen hier mit! Sie decken das! Sie haben das zu verantworten, und daher, Herr Bundesminister, sind Sie rücktrittsreif! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Öllinger. Restliche Redezeit: 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt kommt der Unwahrheiten-Verbreiter!)

17.13

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich vorhin gefragt: Was ist es, was den Herrn Bundesminister so an dieser Zeitung "U-Express" fasziniert? – Vielleicht die Ähnlichkeit mit dem Überleitungsausschuss, aber vielleicht sind auch Artikel darin, die so interessant und zur Debatte passend sind.

Einen Artikel habe ich gefunden. Schwan gerettet: "Hansi" zieht mit Familie nach Rust. – Das würde irgendwie auf den Kollegen Gaugg passen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Vielleicht war es aber auch Lucky Luke, der unten im Comic spricht: Die Bleichgesichter, die bei dir wohnen, sprechen mit gespaltenen Zungen. – Auch darüber könnte man nachdenken. (Heiterkeit.)

Herr Bundesminister! Insgesamt gesehen finde ich es aber nicht gut, wenn Sie im Rahmen einer Dringlichen, die ja auch mit sehr ernsten Vorwürfen an Ihre Adresse zu tun hatte, dem Parlament signalisieren: Die Lektüre des "U-Express" ist mir noch allemal lieber und wichtiger als das, was die Abgeordneten hier im Hause zu sagen haben.

Das, Herr Bundesminister Haupt, was Sie heute als Rechtfertigung angeboten haben, reicht in keinem Fall aus, das ist inakzeptabel! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Ich erkläre es Ihnen auch noch einmal. Es ist eigentlich viel schlimmer, als ich mir vorher gedacht habe. Nur durch die kleine Konfrontation, die es um den Zuruf des Kollegen Kogler gegeben hat, ist mir klar geworden, wie hier agiert wurde. Es geht nicht nur darum, Herr Bundesminister, dass Sie an einem Treffen teilgenommen haben, das zu einem Zeitpunkt stattgefunden hat, zu dem noch gar keine Entscheidungen – auch nicht in der Personalauswahlkommission – getroffen worden sind. Es geht nicht nur darum, sondern es geht darum, dass der Bundesminister ... (Abg. Dr. Petrovic: Herr Präsident! – Abg. Ing. Westenthaler steht hinter Bundesminister Mag. Haupt in der Regierungsbank. – Abg. Dr. Petrovic: Das sprengt wirklich den Rahmen! – Abg. Dr. Ofner: Jetzt hat es ihm die Rede verschlagen!)

Es geht darum, dass Sie, Herr Bundesminister Haupt, als Einziger aller Beteiligten zu jeder Zeit im Bild waren und dieses Bild aber nicht allen anderen Beteiligten mitgeteilt haben. Sie haben an einem Treffen teilgenommen, bei dem ausgemacht worden ist, wer der Chef und wer der Vizechef wird. Am nächsten Tag, so erklären Sie uns, treffen Sie sich mit Herrn Haas. – Gut, Herr Haas ist nämlich der Einzige, der für den Überleitungsausschuss vertretungsbefugt ist. Haben Sie Herrn Haas, dem Obmann, gesagt, dass Sie an dem Treffen am Vortag teilgenommen haben? Haben Sie ihm gesagt, dass bei diesem Treffen ÖVP und FPÖ ausgemacht haben, ganz bestimmte Personen zu wählen? – Sicher nicht.

Sie waren der Einzige, der dann gewusst hat, was die Vorstellungen des Herrn Haas sind. Sie haben noch mit anderen Beteiligten Gespräche geführt. Sie haben von allen gewusst, was sie wollen. Sie haben aber nicht allen gesagt, was Sie wissen, nämlich dass ÖVP und FPÖ Absprachen getroffen haben. Sie waren der politische Patenonkel für das, was da zustande gekommen ist.

Das ist nicht Ihre Funktion, Herr Bundesminister! Sie sind Aufsichtsorgan, aber nicht Patenonkel einer sehr dubiosen Absprache zum Zwecke (Zwischenruf des Abg. Jung ), die Beschlüsse des Überleitungsausschusses vorwegzunehmen. Das ist das, was geschehen ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kommen wir noch einmal zu dem, was im Vorfeld geschehen ist. Ein Personalberatungsunternehmen wird beigezogen. – Gut, es ist nicht das Personalberatungsunternehmen X, sondern das Personalberatungsunternehmen Jenewein – regierungsfreundlich, ÖVP-freundlich, so habe ich mir sagen lassen. Es hat ja in diesem Land alles eine Punze. Sei es drum! Aber wer gibt den Auftrag? – Wir haben eine konkrete Frage gestellt. Es war nicht der Überleitungsausschuss. Das haben Sie schön weggewischt. Wer gibt den Auftrag, 50 000 € – das sind 700 000 S – für eine Personalberatung auszugeben, bei der von Anfang an festgestanden hat, dass sie umsonst ist, weil niemand an den Ergebnissen interessiert war? – Es sei denn an einem Ergebnis, das schon feststand.

Das habe ich mir nämlich auch sagen lassen, von denen, die tatsächlich mit Herrn Jenewein gesprochen haben: Das Ergebnis hat schon von Anfang an festgestanden. Es hat geheißen, es können drei oder vier sein, aber Gaugg muss dabei sein.

Unabhängig davon, ob es dieses Gespräch mit dieser Auflage, mit dieser Vorgabe gegeben hat oder nicht: Es war irrelevant, was Herr Jenewein tatsächlich gemacht hat, denn es ist über die Personen, die zur Auswahl gestanden sind, gar nicht abgestimmt worden. Sie sind gefoppt worden! Sie sind für eine eindeutige parteipolitische Bestellung missbraucht worden! Das ist inakzeptabel, und darum verdient der Minister das Misstrauen! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es gibt einen Beschlussmodus bei diesem Treffen. Da sind nicht vier gewählt worden, sondern da ist zwischen zweien ausgewählt worden. Und dann hat man gesagt, das mit der einfachen Mehrheit machen wir Daumen mal Pi, es wird schon stimmen. – Die gesetzliche Grundlage dafür, Herr Bundesminister, ist nicht eingehalten worden, nämlich § 538 ASVG. Er ist nicht eingehalten worden, und Sie berufen sich darauf, die SPÖ-Fraktion habe im Überleitungsausschuss ihre Bedenken zurückgezogen.


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Wir haben Sie nicht danach gefragt, Herr Bundesminister, ob jemand Bedenken zurückgezogen hat, sondern wir haben Sie gefragt, ob der Beschluss gesetzeskonform ist! – Das ist er nicht, und darum haben Sie unser Misstrauen verdient, wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich habe Sie gefragt, Herr Bundesminister, was es mit der Vertretungsbefugnis des Herrn Abgeordneten Graf auf sich hat. Herr Kollege Schweitzer sagt mir, Herr Abgeordneter Graf ist Geschäftsführer eines Kaffeehausunternehmens. – Ich nehme zur Kenntnis, Herr Abgeordneter Graf ist nicht Geschäftsführer eines Kaffeehausunternehmens, sondern stiller Kompagnon, stiller Beteiligter – so steht es im Firmenbuch.

Ich nehme zur Kenntnis: Herr Abgeordneter Graf ist stiller Beteiligter eines Kaffeesieders. Soll mir auch Recht sein! Aber ob das noch rechtfertigt, dass der Abgeordnete Graf als Versichertenvertreter drinnen sitzt, und ob der Herr Minister das geprüft hat, ist wieder eine andere Sache, und das möchte ich wissen. Die Frage an den Herrn Minister lautete, ob er die Legitimation überprüft hat.

Herr Bundesminister Haupt, das, was Sie als Antwort gegeben haben, ist inakzeptabel, und daher verdienen Sie das Misstrauen des Parlaments! (Beifall bei den Grünen.)

17.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Restliche Redezeit: 9 Minuten. – Bitte. (Abg. Parnigoni  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Graf –: Kaffeesieder! – Abg. Dr. Martin Graf: Nichts gegen den Beruf der Kaffeesieder! Das ist ein sehr gutes Lokal! Da das jetzt öffentlich bekannt ist, befürchte ich allerdings Anschläge von der linken Seite auf dieses Lokal! Ich hoffe, das bewahrheitet sich nicht!)

17.21

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Hohes Haus! Zunächst einige Richtigstellungen:

Herr Kollege Öllinger, wie kann ein Gesellschafter, der im Firmenbuch eingetragen ist – und Sie haben zum Firmenbuch jederzeit Zugriff, weil Sie zugriffsberechtigt sind –, ein stiller Gesellschafter sein? Erklären Sie mir das einmal! Ein stiller Gesellschafter scheint doch nicht im Firmenbuch auf! (Abg. Öllinger: "Silent partner" steht da!)

Herr Abgeordneter Öllinger! Ich bin dort Kommanditist und war bis zum Jahre 2001 geschäftsführender Gesellschafter. – Das nur zur Richtigstellung und zur Qualifikation, die Sie offensichtlich aufweisen, wenn Sie das Internet befragen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird sehr vieles – Halbwahres, Gerüchte und Ähnliches – hier vom Rednerpult aus in dieser Angelegenheit wiedergegeben. Ich habe es bis jetzt tunlichst unterlassen, in den Medien großartige Interviews zu geben, aber manchmal muss man auch Richtigstellungen vornehmen, wenn die Behauptungen wirklich eklatant falsch sind.

Zum Wahlvorgang selbst: Der Wahlvorgang ist in der Geschäftsordnung der neuen Versicherungsanstalt normiert, die von den sozialdemokratischen Vertretern mit den christlich-sozialen Vertretern beschlossen wurde. Zu Beginn des Wahlvorganges habe ich den Vorsitzenden des Überleitungsausschusses, Obmann Haas, in der Sitzung des Überleitungsausschusses befragt, wie der Wahlvorgang und wie die Nominierung zu erfolgen haben. Er hat daraufhin den Wahlvorgang und die Nominierung der Kandidaten enunziert, und wir sind in diesem enunzierten Sinne vorgegangen, und es gab keinen Einwand dagegen. (Abg. Öllinger: Der Minister muss prüfen!)

Sie sagten, dass es zwei Vertreter für den Generaldirektor-Posten gab. Das ist richtig! Es gab zwei Bewerber für den Generaldirektor-Posten. Ein Bewerber für diesen Posten, Herr Ferdinand Ehrenstein, hat mir und auch vielen anderen Personen einen Brief geschrieben. (Abg. Öllinger: Es gab 50 Bewerber!) Den Inhalt dieses Briefes will ich Ihnen nicht vorenthalten. Ich habe ihn auch dem Herrn Bundesminister nicht vorenthalten.


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Mit Datum vom 13. Mai 2002 schreibt Herr Ehrenstein zum Thema "Bewerbung um den Posten des Leitenden Angestellten der Pensionsversicherungsanstalt" Folgendes:

"Herzlichen Dank für den bestätigten Empfang meines Bewerbungsschreibens. Als ‚amtierender Langzeitgeneraldirektor‘ ... lehne ich jedoch eine Vorselektion ... durch die von Ihnen beauftragte Managementconsulting ab."

Herr Ehrenstein hat sich dem Verfahren, das im Konsens von allen Versicherungsvertretern so festgelegt worden ist, nicht gestellt. (Abg. Gradwohl: War das vor oder nach der Geheimabsprache? Der hat es schon gewusst!)  – Das schrieb er am 13. Mai 2002. Er hat lediglich einen Zweizeiler abgegeben, dass er sich um den Posten bewirbt. De facto ist er nicht zur Wahl zur Verfügung gestanden.

Zweiter Punkt: Nominiert wurden von den sozialdemokratischen Vertretern für vier leitende Positionen in Summe vier Persönlichkeiten: Wetscherek, Freitag, Müller, Steininger. Drei dieser Persönlichkeiten sind, wie Sie es gewünscht haben, wie es der Wunsch der Sozialdemokraten war, letztlich auch gewählt worden. Sie hätten gerne auch noch den Vierten gehabt, das verstehe ich schon. Es ist schon ganz richtig so, dass man sich auch viel wünschen kann.

Dort gab es zwei Persönlichkeiten, die zur Wahl gestanden sind. Die eine Persönlichkeit, die dort langjähriger Direktor war, hat sich nicht besonders qualifiziert. Dieser Mann erfüllt weder die Voraussetzungen, die Sie vom Kollegen Gaugg verlangen, noch kann er sonst irgendetwas aufweisen.

Er hat nur eine "eklatante Arbeitsleistung" in den letzten Jahren an den Tag gelegt: Unter anderem war er für das Forstgut Aflenz verantwortlich. Sie wissen: Entlassung des Forstdirektors wegen Malversationen über Jahre hindurch. Zuständiger Leitender Angestellter war der Herr Generaldirektor Freitag, und ein außenstehendes Gutachten von der Firma KPMG hat zutage gefördert, wie er seine Funktion wahrgenommen hat. Es steht in diesem Gutachten Folgendes – ich zitiere es wörtlich, damit Sie es auch wissen:

Durch das offensichtliche Fehlen von materiellen Prüfungshandlungen durch den Verantwortlichen ist in diesem Bereich für den Prüfungszeitraum eine wesentliche Kontrolllücke festzustellen. Bei der Wahrnehmung der Kontroll- und Aufsichtspflichten besteht eine Schwachstelle in der Dokumentation. Somit ist einerseits die Wahrnehmung der Kontroll- und Aufsichtspflichten aus heutiger Sicht nicht mehr lückenlos nachvollziehbar, andererseits sind qualitative Mängel in der Durchführung der Kontrollaufgaben durch das Rechnungswesen indiziert. Zuständigkeitsbereich: Freitag.

Und Sie verlangen von mir, dass ich einen derartigen Versager wähle?! Das verlangen Sie von mir allen Ernstes?! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Petrovic: Sie haben das Gesetz gebrochen! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es gibt einen Kollektivvertrag, an den sollten wir uns alle halten, meine ich doch. Ausverhandelt hat diesen Kollektivvertrag der Obmann Katzian, Zentralsekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten, gemeinsam mit Herrn Sallmutter. In § 1 Abs. 8 steht eindeutig:

"... mit dem leitenden Angestellten" und "dessen ständigen Stellvertretern ... können von den Vorschriften dieser Dienstordnung abweichende Vereinbarungen abgeschlossen werden, wenn sie für den Angestellten nicht ungünstiger sind als diese Dienstordnung."

Dieses Recht steht jedem Arbeitnehmer zu, auch dem zukünftigen Bewerber! (Abg. Dr. Petrovic: Glauben Sie, dass das einen Gesetzesbruch rechtfertigt?)

Zur Wahl sind zwei Personen gestanden; einer, der die Voraussetzungen nicht erfüllt, die Sie bei Herrn Gaugg reklamieren, einer, der schon einen Sondervertrag mit einer Bezahlung in astronomischer Höhe hat, und einer, der nachgewiesen hat, dass er über die erforderlichen Qualifikationen nicht verfügt, weil Schaden durch ihn entstanden ist. (Abg. Dr. Petrovic: Glauben Sie, dass das einen Gesetzesbruch rechtfertigt?) Da war es natürlich selbstverständlich,


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dass ich mich nicht für diesen Kandidaten entscheide, auch wenn Sie sich das gewünscht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Petrovic: Ihr habt alle miteinander das Gesetz gebrochen!)

Über die Gespräche, die ich mit Herrn Katzian und mit Herrn Haas geführt habe, werde ich hier vom Rednerpult aus nichts sagen. Aber das, was Sie, Herr Kollege Nürnberger, heute hier gesagt haben, das haben wir sicher nicht besprochen. (Abg. Nürnberger: Das steht im Protokoll drinnen!) Wir haben andere Sachen besprochen. Ganz andere Sachen haben wir besprochen.

Sie sind ja Lügen gestraft worden. Wenn Herr Haas den Inhalt dieses Protokolls so gut gekannt hat, vielleicht hat er oder hat Herr Katzian das Protokoll geschrieben? Ich weiß es nicht. (Abg. Öllinger: Sie haben es doch geschrieben!) Ich habe es nicht geschrieben!

Jetzt sage ich noch etwas dazu. (Abg. Öllinger: Sie haben es doch geschrieben!) Ich habe es nicht geschrieben! – Wenn am Ende nichts von dem eintritt, was in diesem angeblichen Protokoll steht, dann verstehe ich die Aufregung nicht. Drei von vier Ihrer Kandidaten haben wir mitgetragen. Ich sehe da überhaupt kein Problem! (Abg. Dr. Petrovic: Das ist keine Gesetzeskontrolle, das ist eine "Packel-Kontrolle"!) Warum wollen Sie vier? Noch dazu einen ausgewiesen nicht besonders guten Kandidaten! Nur deshalb, weil er Ihr persönlicher Freund ist? – Das ist mir ein bisschen zu wenig. (Abg. Silhavy: Das, was Sie machen, ist Postenschacher und Mauschelei! – Abg. Dr. Petrovic: Wo bleibt die Gesetzeskonformität? – Abg. Dr. Cap: Dafür verdienen Sie einen Oscar als Nebendarsteller!)

Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Ich glaube, die Wahl beziehungsweise die Entscheidung war eine richtige, weil es auch um unternehmerische Belange geht. Es geht mir zum Beispiel darum, dass nicht ein "hostile take-over" einer Anstalt über die andere Anstalt letztlich erfolgt. Das ist das Entscheidende! Daher wäre es auch ein Vorteil gewesen. Es wurde immer enunziert, dass in leitender Funktion jemand zu sein hat, der keine persönlichen Bindungen zu den beiden Stammhäusern hat. Diese Qualifikation hat Herr Kollege Gaugg auf jeden Fall. Freitag nicht, Ihr Kandidat nicht, und einen anderen haben Sie leider nicht nominiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. Restliche Redezeit Ihrer Fraktion: 2 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Fettnäpfchen-König Wittmann! Der macht schon beim Anlauf einen Bauchfleck!)

17.30

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verstehe die Aufregung nicht (Abg. Ing. Westenthaler: Sie müssen es nicht verstehen!), aber ich weiß, dass die FPÖ ein bisschen nervös ist. Wenn ich mir nämlich diese Vereinbarung anschaue, die am 14. Mai getroffen wurde, eine Vereinbarung, die seinesgleichen sucht (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Wittmann, "ihres gleichen", nicht "seines gleichen"!), die skandalös ist, die unter der Schirmherrschaft eines Ministers stattfindet, der sich nicht zu gut dafür ist, in eine Vergabe einzugreifen, und dazu noch protokollieren läßt, wie man die Posten verteilt, und zwar bis hinunter, dann weiß ich, warum die FPÖ nervös ist.

Denken wir einmal darüber nach, wie dieses Protokoll in die Öffentlichkeit gelangt ist! Von der Opposition kann es nicht die Öffentlichkeit gebracht worden sein, weil wir es nicht gehabt haben, aber es ist für uns als Information sehr interessant.

Bei der FPÖ gehe ich davon aus, dass es nicht einmal bei ihr solche Machenschaften gibt (Abg. Öllinger: Oh ja!), durch welche dieses Protokoll an die Öffentlichkeit gelangt sein könnte.

Wenn ich mir aber jetzt den Nutznießer anschaue, der sich hier genüsslich zurücklehnt und in der ersten Reihe fußfrei darüber nachdenkt, wie man den Abgeordneten Gaugg beim Fenster hinaushängen kann, dann muss ich sagen: Ja, es gibt nur einen Nutznießer bei dieser Vor


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gangsweise, und das ist der Koalitionspartner ÖVP. Das ist eindeutig! (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dass Sie jetzt natürlich in nervöses Gelächter ausbrechen, Herr Westenthaler, ist mir schon klar, denn Sie sind wieder einmal bei einer Postenvergabe auf gut Wienerisch "gelegt worden". Sie haben es wieder einmal "geschafft", und mich wundert es, dass die Abgeordneten der FPÖ (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen) so ruhig hier sitzen und dabei zuschauen, wie sie ein Mal nach dem anderen bei der Postenvergabe über den Tisch gezogen werden und wie man jetzt den Abgeordneten Gaugg ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (fortsetzend): ... und den Minister ans Messer liefert, der ja wirklich in einer skandalösen Vorgangsweise der Hauptagitator und letztendlich auch der Schirmherr dieser Vorgangsweise war.

Aber der ÖVP kann man nur dazu gratulieren, wie sie die FPÖ über den Tisch gezogen hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Verfassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest. (Abg. Dr. Petrovic: Wo ist der Herr Bundeskanzler?)

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist das die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt . (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Wieder zu wenig! – Die Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler begeben sich zu Bundesminister Mag. Haupt und gratulieren diesem. – Abg. Marizzi: Judas! – Weitere lebhafte Zwischenrufe.)

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 1 bis 3 der Tagesordnung wieder auf.

Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brugger. – Bitte.

17.34

Abgeordneter Bernd Brugger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser, ich möchte fast sagen, "Feuerwehrrede" des Herrn Wittmann, möchte ich zu der Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 übergehen, deren Beschluss mich sehr freut und mich mit großem Stolz erfüllt. Als Arbeitnehmer bin ich nämlich sehr glücklich, dass nach jahrzehntelanger Ungerechtigkeit und einer so genannten Zweiklassengesellschaft unter den Arbeitnehmern nun endlich einmal die "Abfertigung neu" sozusagen durchgeht, und darauf sind wir stolz.

Wir alle wissen, dass ein Großteil der österreichischen Arbeitnehmer die Abfertigung nur vom Hörensagen gekannt hat. Lediglich ein Drittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhielt eine Abfertigung, und nur 3 Prozent von ihnen erwarben den Abfertigungsanspruch von zwölf Monatsgehältern nach einer Dienstzeit von 25 Jahren.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist endlich soweit: Mit der "Abfertigung neu" erwirbt jeder Arbeitnehmer einen Anspruch, und zwar auch die Mitarbeiter in jenen Branchen, in welchen es bisher nie einen Anspruch gab, wie zum Beispiel im Tourismusbereich.

Positiv gegenüber der alten Regelung finde ich auch, dass die Missbrauchsmöglichkeit zum Nachteil der Arbeitnehmer, aber auch zum Nachteil der Arbeitgeber, wie zum Beispiel durch Ausnutzung von Anspruchssprüngen, in Hinkunft ausgeschlossen ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde, es ist ein bedeutender und großer Schritt, eine wichtige Errungenschaft, dass in einer Zeit, in welcher jeder Arbeitnehmer immer mehr Flexibilität aufbringen muss, die alte und mobilitätshemmende Abfertigungsregelung endgültig der Vergangenheit angehört. Die nunmehrige Regelung hat für die Arbeitnehmer und für die Unternehmer den Vorteil, dass die Abfertigung planbar wird. Das ist ein Ziel, das wir erreicht haben, und darauf sind wir sehr stolz. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Neuregelung bedeutet eine langfristige Sicherheit, wodurch den Klein- und Mittelbetrieben – und ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Bestandteil – auch keine Liquiditätsengpässe mehr entstehen. Sie hat einen großen Zuspruch unter den Arbeitnehmern und auch bei den Arbeitgebern. Dies belegt zum Beispiel eine Fessel-GfK-Studie vom März dieses Jahres.

Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Warum es diese bahnbrechende Errungenschaft in Form der "Abfertigung neu" nicht schon früher gegeben hat, das ist eine Frage, die sich vor allem die linke Reichshälfte stellen muss. Wenn ich mir die Reihen heute so anschaue, zum Beispiel Herrn Kogler, Herrn Öllinger, Frau Haidlmayr, dann muss ich schon die Frage stellen: Was haben Sie gegen diese "Abfertigung neu" einzuwenden?

Vor allem an die Adresse der Frau Csörgits muss ich sagen: Gerade Sie von der Sozialdemokratie waren in den letzten 30 Jahren nicht imstande, dieses wichtige Instrumentarium zu schaffen, diesen Schritt zu setzen. Darauf, dass wir das jetzt zustande gebracht haben, sind wir stolz. Das wäre auch für Sie ein Leichtes gewesen, das wissen Sie genauso wie wir. Sie haben in 30 Jahren diese Möglichkeiten nicht geschaffen. Wir haben das innerhalb von zweieinhalb Jahren realisiert. (Abg. Silhavy: Dass immer Ahnungslose das Wort ergreifen! – Abg. Böhacker  – in Richtung der Abg. Silhavy –: Nicht so überheblich! – Abg. Silhavy: Man muss einmal die Grundlagen kennen!)

Sehr verehrte Damen und Herren! Meine Kritik kam zu Recht, Frau Silhavy, denn Sie hätten die Gelegenheit dazu gehabt. Und jetzt muss ich ein Lob aussprechen: Herr Sigisbert Dolinschek ist der Mann der Stunde, der schon seit zwölf Jahren vehement für diese Abfertigungsregelung kämpft. Darauf sind wir stolz! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich muss sagen, ich bin auch als Arbeitnehmer sehr stolz auf diese Regelung. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Es scheint so, Frau Silhavy, als hätte es tatsächlich der Freiheitlichen bedurft, um diesen Schritt einzuleiten. In diesem Sinne sage ich: Danke schön! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sevignani. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

17.38

Abgeordneter Hans Sevignani (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Mit der "Abfertigung neu" hat diese Regierung eine historisch bedeutsame Leistung der letzten Jahre für die Arbeitnehmer in unserem Land geschaffen. Erstmals kommen alle Arbeitnehmer, und zwar auch Lehrlinge und Saisonarbeiter, in den Genuss einer Abfertigung. Bisher hatten rund 80 Prozent aller Arbeitnehmer und -nehmerinnen keinen Anspruch auf Abfertigung.


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Wie war das möglich? – Eine rote Gewerkschaft, SPÖ-Sozialminister und SPÖ-Kanzler – sie alle haben das alte, ungerechte System unterstützt und eine Zwei-Klassen-Arbeitnehmerschaft geschaffen.

Bereits im Jahre 1991 sprach mein Kollege Sigisbert Dolinschek von der Verbesserung der ungerechten Abfertigung, die nur 20 Prozent der Arbeitnehmer einen Vorteil verschaffte. Ja, schon damals hat Sigi Dolinschek die "Abfertigung neu" für alle Arbeitnehmer gefordert, schon damals war die Rede von einem System der Mitnahme der Abfertigung auch bei Selbstkündigung. Danke, Sigi Dolinschek, für deinen jahrelangen Einsatz für mehr Gerechtigkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Heute, nach zwei Jahren Regierung von FPÖ und ÖVP, beschließen wir dieses Werk "Abfertigung neu", eine Abfertigung für alle Arbeitnehmer.

Als Touristiker ist mir der Aspekt der Gerechtigkeit für unsere 167 000 Tourismusarbeitnehmer sehr wichtig. Diese kommen in Zukunft erstmals in den Genuss einer Abfertigung. Unsere Regierung hat hier weise und sehr vorausschauend gehandelt. Nun werden auch die Mitarbeiter in der Gastronomie und im Tourismus von diesem bahnbrechenden Modell der "Abfertigung neu" profitieren. Dieses Modell wird auch die hohe Ausstiegsrate aus den Tourismusberufen bremsen. Es werden wieder Tourismusfacharbeiter in ihren Beruf zurückkehren, weil sie nunmehr auch eine Abfertigung bekommen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es freut mich, dass nach 30 Jahren roter Verantwortung im Sozialbereich nun das Zweiklassensystem unter den Arbeitnehmern endlich der Vergangenheit angehört. – Glück auf! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

17.41

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dieser Abfertigungsregelung neu gehören immer zwei Partner: auf der einen Seite die Arbeitnehmer und auf der anderen Seite die Vertreter der Unternehmen. Daher hat es etwas länger gedauert, als auch wir es uns gewünscht haben, dass es zu Reformen, zur "Abfertigung neu" gekommen ist.

Heute werden wir diese "Abfertigung neu" beschließen. Alle Fraktionen sind darüber, so glaube ich, sehr froh. Insbesondere freut es mich, weil in diesem Zusammenhang in die politische Debatte der letzten Wochen und Monate eine Petition der Betriebsräte des BMW-Werks Steyr mit eingeflossen ist, die heute auch mit in Verhandlung steht. Sie wurde sogar vom Vorsitzenden der Metallergewerkschaft, Rudolf Nürnberger, persönlich angesprochen.

In diesem Sinne freuen wir uns, diese "Abfertigung neu" heute beschließen zu können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer weiteren Wortmeldung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger gemeldet. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

17.42

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt fällt Öllinger um!) Zwei Vorbemerkungen. Es ist zwar gut, dass Herr Bundesminister Strasser an dieser Debatte teilnimmt, aber eigentlich, da es ein so "revolutionäres Projekt", ein "Meilenstein" ist, hätte ich mir schon gedacht, dass es auch die zuständigen Minister begleiten. (Die Abgeordneten Ing.  Westenthaler und Mag. Schweitzer: Er war die ganze Zeit da! Zu 90 Prozent!)  – Die ganze Zeit ist das eben nicht!

Zweite Vorbemerkung beziehungsweise Nachbemerkung. (Abg. Ing. Westenthaler: Er fällt jetzt nämlich um! Öllinger fällt um!) Herr Abgeordneter Graf! Es ist Ihnen in der vorhergegangenen


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Debatte vorbehalten geblieben, dass Sie jemanden, der von diesem Personalvorschlagsgremium als qualifiziert bezeichnet wurde, als "Versager" bezeichnet haben. (Abg. Dr. Khol: Zur Sache!) Ich habe die ganze Debatte über keine einzige Bemerkung zur Qualifikation des Kollegen Gaugg gemacht, weil mir das genauso wenig zusteht wie irgendjemand anderem hier im Hause.

Wenn ich davon ausgehe, dass die Gremien über Qualifikationen zu urteilen haben, dann haben eben diese das zu tun, aber dann haben Sie nicht das Recht – in diesem Fall ist es der Missbrauch eines Rechtes –, jemanden, der sich gegen eine Bemerkung nicht wehren kann (Abg. Dr. Khol: Das Präsidium schläft!), die Sie hier herinnen machen, als "Versager" zu bezeichnen, wohl wissend, dass er Sie nicht klagen kann. (Beifall bei den Grünen.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter! Bitte kommen Sie zur Sache und zum Tagesordnungspunkt!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Das ist wichtig, weil man nicht etwas im Raum stehen lassen kann, wogegen sich Betroffene nicht wehren können.

Ich komme zur Debatte um die Abfertigung. (Abg. Ing. Westenthaler: Erklären Sie den Umfaller der Grünen!)  – Kollege Westenthaler! Sie wissen immer alles besser. (Abg. Ing.  Westenthaler: Zuerst dagegen, dann dafür!) Es ist Herrn Bundesminister Bartenstein in der Debatte vorbehalten geblieben, aus meiner Kritik an dem Gesetz darauf zu schließen, dass wir gegen dieses Gesetz sind. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Khol.  – Abg. Dr. Khol: Ihr seid Kontra-Redner gewesen!) Ich habe es aber anders begründet.

Ich habe gesagt – das gilt nach wie vor; ich habe das auch in der vorangegangenen Debatte gesagt –: Meine Fraktion macht bei diesem Gesetz geltend, dass es im Ausschuss zuwenig Zeit gegeben hat, um die ernsten Bedenken – Sie waren dabei, Herr Präsident Fasslabend –, die es nicht nur von meiner Seite gegeben hat, auszuräumen.

Auch von Seiten der Experten, auch von Seiten des von der ÖVP nominierten Experten – ich weiß ja nicht, ob er der ÖVP angehörig ist, aber er wurde von der ÖVP nominiert – hat es Bedenken gegeben. Das Gravierendste daran war, dass durch diese Gesetzesbestimmungen möglicherweise, sehr wahrscheinlich sogar, EU-Recht in Bezug auf das ungleiche Pensionsalter, das in diesem Gesetz festgeschrieben wird, verletzt wird.

Darum hätten wir uns gewünscht, dass der Verfassungsdienst nicht nur ein schriftliches Gutachten abgibt, sondern auch im Ausschuss bei der Debatte anwesend gewesen wäre. Wir haben es also mit einer Materie zu tun, bezüglich welcher der Europäische Gerichtshof möglicherweise innerhalb von zwei, drei Jahren sagen wird: Das geht nicht, ihr habt einen EU-Vertrag unterzeichnet, und das ist EU-rechtswidrig.

Aber die Übergangsbestimmungen – um auch das klarzustellen – im Pensionsrecht sind über den EU-Vertrag als Übergangsrecht akzeptiert worden. Diese Bestimmungen sind jedoch neue Bestimmungen, da wird ein neuer Rechtsbestand geschaffen, und darum ist das EU-rechtswidrig. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt. Die steuerliche Behandlung der Abfertigungspension ist ein Problem. Vielleicht macht es Ihnen nichts aus, wenn sich die Leute dann, falls der Verfassungsgerichtshof zu dem Erkenntnis kommt, die steuerliche Befreiung der Abfertigungspension sei gleichheitswidrig, aufregen werden. Die Pensionskassenpension ist nicht steuerbefreit, und andere Pensionen bei der nachgelagerten Besteuerung eben auch nicht. Und dann waschen Sie Ihre Hände in Unschuld? – Das möchte ich für uns Grüne nicht ungesagt gelassen haben. Das war und ist unser Einwand.

Der dritte Punkt betrifft das Steuerprivileg, das Sie in letzter Minute über den Abänderungsantrag im Ausschuss, zu dem sich Kollege Doralt geäußert hat, noch schnell untergeschoben haben. Dabei geht es gar nicht so sehr um die verfassungsrechtliche Beurteilung, sondern um das Privileg an sich.


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All das sind Gründe, die man sehr ernst nehmen sollte, wenn man wirklich ein gutes Gesetz machen will. All das sind Gründe, die uns dazu veranlassen, diesem Gesetz in diesen Passagen in zweiter Lesung mit Sicherheit nicht zuzustimmen.

Wir stimmen diesem Gesetz in dritter Lesung trotz dieser Einwände zu, weil wir – und ich erinnere Sie daran! – auch gesagt haben, wir halten eine Abfertigung für alle  – das ist der Kern, darum werden wir auch in zweiter Lesung diesem Kern des Gesetzes zustimmen – für einen Erfolg und für ein wichtiges Instrument. Dieses Gesetz jedoch durch derartige Bestimmungen gleich wieder einem Verdacht auszusetzen, das haben Sie sich selbst zuzuschreiben! (Beifall bei den Grünen.)

17.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1176 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen drei Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträge eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dolinschek, Mag. Tancsits, Verzetnitsch, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Schließlich liegt ein Verlangen der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile, und zwar der Systematik des Gesetzentwurfes entsprechend und unter Berücksichtigung des Verlangens auf getrennte Abstimmung, abstimmen lassen und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes.

Die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel 1 § 3 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung von Artikel 1 §§ 6 und 7 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel 1 § 14 eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist das die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Verzetnitsch: Wieder die Chance verpasst!)

Die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 § 26 eingebracht.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist das die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Verzetnitsch: Wieder nicht dabei!)


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Wir kommen nun zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Jene Abgeordneten, die hiefür sind, ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist das die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dolinschek, Mag. Tancsits, Verzetnitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 §§ 44 und 45 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 § 47 eingebracht.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 17 § 26 eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dolinschek, Mag. Tancsits, Verzetnitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 17 § 67 und Artikel 23 § 35 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, um ein Zeichen der Bejahung. – Es ist dies einstimmig in dritter Lesung angenommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Konsens! )

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1177 der Beilagen.


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Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. (Abg. Schieder: Das ist ein Bericht, Herr Präsident, kein Gesetzentwurf!)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1177 der Beilagen, Herr Abgeordneter, wenn Sie einverstanden sind. (Heiterkeit.)

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf, nämlich 1177 der Beilagen, auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies einstimmig auch in dritter Lesung angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1178 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das Gesetz ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1138 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Passgesetz 1992, das Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen und das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert werden (SPG-Novelle 2002) (1170 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

17.54

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir behandeln heute das Sicherheitspolizeigesetz. Ich halte dazu fest, dass es bei diesem Gesetz eine Reihe wesentlicher Maßnahmen gibt.

Zum Ersten eine, die wir als durchaus positiv empfinden, nämlich die Ausweitung des Zeugenschutzes auf Angehörige.

Zum Zweiten gibt es allerdings die Übertragung des Fund- und Passwesens von der Polizei in den Bereich der Gemeinden. Hier, Herr Bundesminister, ist abzuklären, warum Sie das entgegen den Zusagen, die Sie im Ministerialentwurf den Gemeinden gegenüber getätigt haben, dass nämlich auch in Zukunft Fundgegenstände in den Wachzimmern abgegeben werden können und dann weitergeleitet werden, nunmehr im Gesetzentwurf nicht mehr vorgesehen haben. Die Gemeinden fühlen sich durch diese Vorgangsweise massiv brüskiert und von Ihnen hinters Licht geführt.


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Zum Dritten wird mit dieser Novelle ermöglicht, dass die Polizei auch private Personen gegen Entgelt zur verdeckten Ermittlung einsetzt und sie mit einer falschen Identität ausstattet. Über diese Personen wird eine elektronische Datenbank eingerichtet, in der auch sensible und strafrechtsbezogene Daten gespeichert werden können. – Dagegen verwahren wir uns, das lehnen wir auf das Schärfste ab! Das erinnert an Methoden von autoritären Staaten, weil es keinerlei Kontrolle und Verantwortlichkeit der eingesetzten Personen gibt und dadurch eigentlich dem Minister ermöglicht wird, sich sozusagen eine private Geheimpolizei aufzubauen.

Eine solche hat er ja schon, das so genannte BIA im Innenministerium. Diese Geheimdaten werden bei Herrn Dr. Haidinger verwaltet. Da tickt in Wahrheit eine Zeitbombe, denn ohne dass die Richtigkeit und Herkunft der Daten überprüfbar wäre, können sie natürlich gegen jede Privatperson, aber auch gegen die Kolleginnen und Kollegen im Sicherheitsapparat eingesetzt werden. Wir halten das für außerordentlich bedenklich!

Zum Vierten wird eine DNA-Datenbank eingerichtet, das heißt, dass alle Bediensteten der Sicherheitsbehörden quasi in einer zentralen Evidenz gespeichert werden. Und das, so behaupte ich, ist ein drastischer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Bediensteten, weil dadurch natürlich auch die Möglichkeit besteht, die Daten in anderer Weise zu verwenden. Das ist in keiner Weise kontrollierbar!

Vor allem ist zu kritisieren, dass diese Daten nicht anonymisiert sind. Bei der Straftäterdatei ist es so, dass diese Daten anonymisiert sind. Das zuständige Institut in Innsbruck hat auf der einen Seite lediglich eine Nummer und die DNA-Probe, das Ministerium hat auf der anderen Seite den Namen und die Nummer, aber nicht die DNA-Probe. Daher ist sichergestellt, dass ein Schutz, eben die Anonymisierung dieser Daten gewährleistet ist. Für Straftäter gibt es das, für die Sicherheitsexekutive sehen Sie das aber nicht vor. Das halte ich für außerordentlich bedenklich!

Meine Damen und Herren! Heute bringen die Grünen einen Misstrauensantrag gegen Sie, Herr Bundesminister, ein. Die Frage ist: Soll man diesem Misstrauensantrag beitreten beziehungsweise warum sollte man diesem Misstrauensantrag beitreten?

Die Frage ist zum einen: Sind Sie ein Sicherheitsminister oder sind Sie ein Unsicherheitsminister? – Ich sage, Sie sind ein Unsicherheitsminister, denn, Herr Bundesminister, wenn man sich Ihre Kriminalstatistik anschaut, die Sie vorgelegt haben – allerdings noch nicht dem Parlament –, dann ist klar erkennbar, dass die Aufklärungsrate massiv zurückgegangen ist.

Die Aufklärungsrate aller strafbaren gerichtlichen Handlungen ist von 48,7 auf 41,7 Prozent zurückgegangen. Und im Besonderen ist die Aufklärungsrate bei Verbrechen von 35 Prozent auf 22,8 Prozent zurückgegangen. Da, Herr Bundesminister, ist Ihnen vorzuwerfen, dass Sie kein Sicherheitsminister sind, sondern einer, der durch seine Maßnahmen eher der Unsicherheit das Wort redet. (Beifall bei der SPÖ.)

Außerdem, Herr Bundesminister – und das muss man sich bei einem Misstrauensantrag ja fragen –, frage ich Sie: Sind Sie jemand, der die Wahrheit liebt oder der es mit der Wahrheit vielleicht nicht so genau nimmt? – Ich behaupte, Sie sind einer, der als Unwahrheitsminister zu bezeichnen ist. Und ich begründe das auch:

Herr Bundesminister! Allein mit der Kriminalstatistik schwindeln Sie; da wird in Wahrheit der Öffentlichkeit eine Mogelpackung verkauft. Ich habe in einer Zeitung gelesen, dass ein Kriminalist gemeint hat, eine mögliche Erklärung orte er in der geänderten Zählweise der Delikte. Sie präsentieren ja ein starkes Absinken der Zahl der Delikte, obwohl Sie immer noch mehr als eine halbe Million strafbarer Delikte pro Jahr haben.

Sie, Herr Minister Strasser, sind der erste Minister, der in den beiden Jahren seiner Ministerschaft je mehr als eine halbe Million – Sie sind ja geradezu ein "Delikte-Millionär", Herr Bundesminister – an Delikten zu verzeichnen hat. Durch die geänderte Zählweise der Delikte und die Umstellung der EDV-Auswertung zählen seither 20 Sachbeschädigungen eines Serientäters – kaum zu glauben, heißt es in der Zeitung – nur noch als ein einziger Fall. Früher ist das immer


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als jeweiliges Delikt gezählt worden. Sie schönen in Wirklichkeit die Statistik, Sie schwindeln also.

Herr Bundesminister, Sie sagen, kein Gendarmerieposten werde geschlossen. Der Abgeordnete Kiss hat sich noch voriges Jahr da herausgestellt und behauptet, er gebe eine Garantieerklärung dafür ab. – Das stimmt natürlich auch nicht! Sie schließen 129 Gendarmerieposten! Sie schließen Polizeiwachzimmer! Sie schließen Kommissariate! – Sie sagen also auch in dieser Hinsicht nicht die Wahrheit!

Herr Bundesminister Strasser, Sie behaupten, es seien mehr Polizisten und Gendarmen auf der Straße. Auch das stimmt nicht, denn in Wirklichkeit planen Sie, an die 3 000 Planstellen einzusparen. Sie werden einige in der Verwaltung schaffen, das stimmt, das werden Sie zustande bringen, gar keine Frage, aber es gibt jetzt schon 500 Sicherheitswachebeamte und etwa 490 Gendarmen weniger auf der Straße.

Herr Bundesminister Strasser, Sie behaupten, Sie seien ein "rot-weiß-roter Minister". Ich möchte Ihnen nur zwei Dinge vorlesen. Da gibt es einen Gewerkschafter namens Georg Tkaletz, der Folgendes zur Ablöse des Kollegen Strohmeyer sagt: "Ich finde" diese politische Enthebung, die Sie vorgenommen haben, "sachlich falsch. Diese Vorgangsweise ist einer christlich-sozialen Partei unwürdig."

Tkaletz sagt weiter: "Hatte Strohmeyer mit seiner Kritik Recht? – Ich vertrete in Sachfragen, die die Gendarmerie betreffen, dieselben Ziele wie der General. Es muss absolut Schluss sein mit der personellen Aushöhlung. Jede weitere Einsparung würde die Sicherheit gefährden." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Ich habe hier eine Presseaussendung, in der es heißt: Die Sicherheit ist am Limit. Es ist einiges im Argen, aber es wird die heile Welt vorgespielt. – Weiter heißt es: Es ist kein Zufall, dass die Namen, die genannt werden, alle das richtige Parteibuch hätten: nicht rot-weiß-rot bei der Gendarmerie, sondern schwarz-schwarz-schwarz. – Das ist aber keine Presseaussendung eines SPÖ-Abgeordneten, sondern der Herr heißt Hagen, Bundesrat der Freiheitlichen aus Vorarlberg!

Also nicht nur uns fällt auf, welche Vorgangsweise Sie hier wählen, Herr Bundesminister. Damit muss einfach Schluss sein!

Herr Bundesminister! Wenn wir von Ihrer Unehrlichkeit sprechen: Sie haben im "Falter" ein Interview gegeben, in dem Sie gefragt wurden: "Eine Gewerkschafterin hat Sie in einer Presseaussendung kritisiert. Plötzlich begann das Büro für innere Angelegenheiten (BIA) gegen sie zu ermitteln."

Ihre Antwort: "Den Vorfall kenne ich nicht."

Herr Bundesminister! Ich habe einige Wochen vorher eine Anfrage an Sie gestellt. In dieser Anfragebegründung habe ich genau auf diesen Tatbestand hingewiesen, und Sie haben in der Beantwortung darauf ganz klar Folgendes gesagt:

"Für den Fall, dass die betroffene Vorsitzende als Privatperson die Veröffentlichung vorgenommen hat, unterliegt sie der gesetzlichen Bestimmung über die Amtsverschwiegenheit (§ 310 StGB). Um von der Rechtmäßigkeit ihres Handelns ausgehen zu können,"... und so weiter.

Sie, Herr Bundesminister Strasser, nehmen in Ihrer Anfragebeantwortung ganz klar Stellung zu diesem Fall, sagen aber in der Zeitung, Sie würden diesen Vorfall nicht kennen. Also, Herr Bundesminister: Was ist die Wahrheit? Entweder Sie haben hier gelogen, Sie haben hier die Unwahrheit gesagt, oder Sie wissen nicht, was Sie unterschreiben, oder Sie haben einfach Gedächtnislücken. Alles miteinander qualifiziert Sie nicht für den Posten des Innenministers, und daher werden wir diesen Misstrauensantrag unterstützen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.04


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kößl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

18.04

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Bundesminister! Für uns sind Sie der Sicherheitsminister, und nach 32 Jahren Exekutivdienst kann ich sagen: Sie, Herr Minister Strasser, sind der erste Minister, der das Ministerium geführt hat – und nicht verwaltet oder hat verwalten lassen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Gaßner: Wieso "hat"? – Abg. Parnigoni: Wieso "hat"?)

Herr Kollege Parnigoni, eines muss man von dieser Stelle aus schon klar sagen: Wenn man im Glashaus sitzt, soll man nicht mit Steinen werfen! Ich habe 30 Jahre sozialistische Personalpolitik hinter mir. (Abg. Parnigoni: Sie haben es aber überlebt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen ein Lied davon singen: Ich bin zwei Mal zum Offizier angetreten. Einmal war ich zweitbester Niederösterreicher. Vier sind aufgenommen worden, aber ich wurde im Ministerium herausgestrichen. Das zweite Mal war ich Lehrer an der Gendarmeriezentralschule und habe das siebentbeste Ergebnis beim Auswahlverfahren gehabt. Herr General Bosina ist in der Klasse bei mir gewesen und hat mir zu dem guten Ergebnis gratuliert. – Drei Wochen später hat er mir nicht in die Augen schauen können, weil ich zurückgereiht worden bin. Das ist sozialistische Personalpolitik! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Kollege Parnigoni! Wie viele Landesgendarmeriekommandanten gehören nicht der Sozialistischen Partei an? (Abg. Parnigoni: Weiß ich nicht!) Wie viele Erste Stellvertreter der Landesgendarmeriekommandanten gehören nicht der Sozialistischen Partei an? (Abg. Parnigoni: Weiß ich nicht!) Wie viele Personalreferenten bei den Landesgendarmeriekommandanten gehören nicht der Sozialistischen Partei an? (Abg. Parnigoni: Weiß ich nicht! Woher wissen Sie das so genau? Wieso wissen Sie das? – Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung des Abg. Parnigoni –: Er ist besser informiert als Sie! Er hat sich’s vom Leikam sagen lassen! Der Leikam hat’s ihm gesagt!) 100 Prozent! – Ein "kommunistisches" Ergebnis gibt es im Landesgendarmeriekommando! (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Bevor ich ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Mir braucht keiner etwas von sozialistischer Personalpolitik zu erzählen!

Im Jänner 2002 waren 95 Prozent der Spitzenpositionen im Ministerium und bei den Landesgendarmeriekommanden sozialistisch besetzt. Das ist "ein rot-weiß-rotes" Ergebnis, nicht? (Abg. Parnigoni: 30 Jahre!) 30 Jahre sozialistische Personalpolitik! (Abg. Parnigoni: Aber Sie wollen das in zwei Jahren machen!)

Exminister Einem ist jetzt gegangen, weil er ganz genau weiß, wie es dort zugeht. (Abg. Mag. Stoisits: In Niederösterreich weiß man, wie das ist ...!) Ich bin dem Minister Strasser dankbar, dass er diesen Sumpf jetzt trockenlegt.

Bevor ich aber auf die heutige Diskussion eingehe, bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Kiss, Dr. Partik-Pablé und Kollegen zur Regierungsvorlage (1138 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Paßgesetz 1992, das Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrzeuge und das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert werden (SPG-Novelle 2002) in der Fassung des Ausschußberichtes (1170 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:


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Die Regierungsvorlage (1138 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Paßgesetz, das Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrtfahrzeuge und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch geändert werden (SPG-Novelle 2002) in der Fassung des Ausschussberichtes (1170 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

In Artikel IV Z 2 wird im letzten Satz des § 396 ABGB das Zitat "§ 394 Z 2" durch das Zitat "§ 394 Z 1" ersetzt.

*****

Geschätzte Damen und Herren! Die heute zur Beschlussfassung vorliegende Sicherheitspolizeigesetz-Novelle umfasst ein Bündel an wichtigen und notwendigen Änderungen. Ich möchte nur eine Aussage korrigieren, und zwar die des Kollegen Parnigoni zur Regelung über den Einsatz von DNA-Untersuchungen für vermisste Personen, Leichen sowie unverdächtige Personen. – Diese Novelle schafft die rechtliche Voraussetzung für die Sammlung von DNA-Material von Abgängigen, wenn befürchtet wird, dass jemand selbst aus dem Leben geschieden ist oder Opfer eines Verbrechens geworden ist. Diese Daten sollen in einer zentralen Evidenz gesammelt werden. Ich glaube, dass das sinnvoll und für die Arbeit der Exekutive von großem Vorteil ist.

Ferner soll die Sammlung von DNA-Daten für unverdächtige Personen zulässig sein, die sich im Tatortbereich – und das ist, bitte, genau zu beachten – aufgehalten haben, für Beamte der Spurensicherung oder andere Beamte, die am Tatort anwesend waren. Die Daten dieser Datenbank sind für andere Zwecke ausgeschlossen.

Ich möchte dem Minister für seine Führung des Ministeriums noch einmal ein herzliches Dankeschön sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Kiss, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Ich erteile ihm das Wort.

18.10

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Nachmittag hatten wir bei der Dringlichen Anfrage die Möglichkeit, die Personal-, Proporz- und Parteibuchpolitik der Amateure zu diskutieren. Jetzt diskutieren wir die Proporz- und Parteibuchpolitik der Profis.

Die Amateure erkennt man relativ einfach: Man stellt irgendwo in ihrer Nähe einen Trog auf, sieht, wie sie die Nerven verlieren, sich an den Trog stürzen, und dann hört man eine Zeit lang nur Schmatzgeräusche. – Das ist die Politik der Amateure. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Präsident! Wir haben gesagt, Vergleiche mit Tieren sind nicht erlaubt! Was ist das denn?) Auch Menschen können schmatzen, Frau Abgeordnete. Fragen Sie den zukünftigen Vizedirektor.

Die Profis verfolgen völlig andere Ziele. Die Profis verfolgen mit ihrer Parteipolitik und mit ihrer Parteibuchpolitik ein großes Ziel: das Erringen der Macht, das Absichern der Macht und das Einzementieren der Macht. Die Selbstbedienung, die kommt erst später, wenn alles in Sicherheit ist. Reinhart Gaugg ist ein Amateur, Ernst Strasser ist der herausragendste Profi in den österreichischen Regierungsparteien. (Beifall bei den Grünen und demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gehen wir die Fälle ganz konkret durch. – Zwei Fälle, nämlich der Fall von Max Edelbacher und der Fall von Oskar Strohmeyer scheinen vergleichbar. Das öffentliche Argument lautet, sie hätten den Minister und seine Pläne kritisiert und mussten darauf hin ihren Posten räumen.


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Das stimmt vielleicht bei Edelbacher, und allein das wäre schlimm genug. Bei Strohmeyer stimmt es mit Sicherheit nicht!

Wir haben uns den Fall Strohmeyer genauer angeschaut: Der Gendarmeriegeneral hat ganz kurz vor seiner "Säuberung" eine Liste auf den Schreibtisch bekommen, eine Wunschliste des Ministers, wie verschiedene zentrale Posten in der Führung der Gendarmerie zu besetzen seien. 35 Namen! Hätte Strohmeyer diese Liste umgesetzt, hätte sich der Minister Weisungen erspart. Das Ganze wäre elegant gewesen. Ein der Sozialdemokratie zugerechneter Gendarmeriegeneral hätte Posten schwarz besetzt. Der Minister selbst wäre in seinem Lieblingsaufenthaltsort geblieben: in der politischen Hecke. Aber so musste er heraus, nach der Weigerung des Gendarmeriegenerals, die Posten umzubesetzen.

Es stimmt schon: Da gibt es eine Geschichte jahrzehntelanger sozialdemokratischer Parteibuchwirtschaft. Das werden wir als Grüne sicherlich nicht in Frage stellen! Und dann kommt ein Gendarmeriegeneral und sagt: Nein, das mache ich nicht!, nicht nur, weil es hier um andere Parteibücher geht, sondern weil es so einfach überhaupt nicht geht.

Das war der Punkt, und da sollten Sie, Herr Innenminister, einmal öffentlich erklären, wie Sie mit Beamten umgehen, die Ihre Parteibuch- und Proporzlisten nicht sofort und in vollem Umfang umsetzen! (Beifall bei den Grünen.)

Bei Sektionsleiter Szymanski und beim ehemaligen STAPO-Chef Dr. Heindl war es völlig anders. Da gab es keinen Anlass, und in einem Ausschuss nach dem anderen haben Sie uns, haben Sie mir versichert: Hervorragende Beamte! Großartige Beamte! Sachkundig, verlässlich, anständig, loyal – Idealbesetzungen! Bis auf einen kleinen Fehler: das Parteibuch. Das hat sie ihren Job gekostet. Für den einen wird eine Sektion aufgelöst, aber das spielt ja in einem "rot-weiß-roten" Ministerium keine Rolle. Heute die eine Sektion, morgen eine andere Sektion, dann wird wieder eine Sektion gemischt, dann werden wieder zwei Sektionen daraus. Kein Beamter weiß, wie viele Sektionen es zu welchen Sachbereichen ein paar Monate später in diesem Ressort noch geben wird. Das Einzige, was man weiß, ist, mit welchem Parteibuch sie geleitet werden. So wurde Szymanski erledigt.

Bei Heindl ist ein völlig anderer Weg gewählt worden. Der Weg hieß: alte Strukturen und neue Titel. Weil Sie nicht das Amt für Verfassungsschutz bekommen haben, weil Sie keine Zweidrittelmehrheit dafür kriegen, weil nicht nur bei uns, sondern auch bei der SPÖ schwerste rechtsstaatliche Bedenken gegen dieses Amt in einer Art eines polizeilichen Nachrichtendienstes vorherrschen, haben Sie dem Chef der Staatspolizei rechtzeitig Folgendes mitteilen lassen – und auch davon habe ich mich überzeugt –:

Sehr geehrter Herr Dr. Heindl! Ihr Kopf steht bereits zur Disposition. Sie haben keine Zukunft, denn ich werde den Titel "Gruppenleiter C" durch den Titel "Direktor" ersetzen.

Dann wird neu bestellt, denn wenn alles gleich bleibt, reicht im "rot-weiß-roten" Strasser-Ministerium ein neuer Titel, damit wieder ein Kopf politisch rollen kann.

Heindl ist vor die Alternative gestellt worden: entweder ein so genannter Aufstieg in die EDV-Sektion, in der jetzt schon der zweite Staatspolizeichef verschwunden ist, oder überhaupt raus und an den Rand. Heindl hat das persönlich erträglichere Los gewählt.

Sie werden heute erklären, er sei freiwillig gegangen, er wollte nicht STAPO-Chef bleiben, denn wenn man einmal STAPO-Chef ist, dann will man in Österreich nur eines: möglichst in die EDV. Da entsteht eine seltsame EDV-Sehnsucht: Da zieht es die Staatspolizeichefs zum Computer, nur dort wollen sie ihren politischen Lebensabend beenden. (Bundesminister Dr. Strasser: Kessler!)

So war es, meine Damen und Herren! Das Ganze hat aber einen Hintergrund: Es geht nicht nur um Personalpolitik, sondern es geht um das große sachliche Vorhaben, das Innenministerium und seine sensibelsten Bereiche für die Österreichische Volkspartei einsetzbar und missbrauchbar zu machen.


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Jetzt könnte das an einem einzigen Umstand scheitern, nämlich am völligen sachlichen Desinteresse des Ministers. Ich würde Sie gerne alle, insbesondere die Medienvertreterinnen und -vertreter, einladen, einmal in den Innenausschuss zu kommen, wenn Terezija Stoisits und ich Sachfragen stellen und die seltsamsten Antworten des Ministers kriegen. Wir müssen immer wieder feststellen: Er hat das Gesetz schon wieder nicht gelesen! Dann geht immer die "Stille-Beamten-Post" los: Drei Beamte greifen sich an den Kopf, der Sachbearbeiter flüstert etwas dem Generaldirektor, der Generaldirektor flüstert etwas dem persönlichen Assistenten, der persönliche Assistent flüstert etwas dem Minister, und der Minister stellt richtig, falls die "Stille Post" funktioniert hat. – In zwei Fällen ist sie schiefgegangen. Da hat dieser Vorgang wiederholt werden müssen.

Dieser Ausschuss funktioniert auskunftsmäßig nur in Form der "Stillen Post". Trotzdem gibt es Reformen, die in eine bestimmte Richtung gehen, einfach deswegen, weil bei sachkundigen Beamten – zum Großteil nicht des Innenressorts, sondern bereits etwa der militärischen Geheimdienste – deponiert worden ist: Schafft uns eine Staatspolizei, die wir einsetzen können, nicht so wie diese, die der Justiz verpflichtet ist, sondern eine Staatspolizei, die der Partei und unseren Interessen verpflichtet ist! (Abg. Loos: Der war zu lange in Moskau oder was!)

Dazu bedarf es bestimmter Gesetze wie auch des heutigen Sicherheitspolizeigesetzes. Staatspolizeien in osteuropäischen Ländern anderer politischer Provenienz haben sich dadurch ausgezeichnet, dass sie auf privaten bezahlten Spitzelsystemen beruht haben. (Abg. Loos: Wir sollten in westlichen Demokratien bleiben!) Innenminister Strasser wollte im Sicherheitspolizeigesetz ein privates, verdecktes, bezahltes Spitzelsystem einführen. Der Verfassungsdienst hat das in seiner Stellungnahme kritisiert, schriftlich, unter Verwendung des Begriffes "Spitzel". Wir haben das im Ausschuss diskutiert, weil der Minister behauptet hat, er habe diese Passage entfernt und durch nichts anderes ersetzt. Wir sind aber draufgekommen: Unter anderem Titel und mit leichten Veränderungen ist unter dem Begriff des bezahlten Informanten genau derselbe Spitzel durch die Hintertür wieder eingeführt worden!

Das lässt sich sehr leicht überprüfen. Informanten, die gegen Belohnung bereit sind, vor Gericht zu einem Straffall etwas auszusagen, schützt man nur dadurch, dass man ihnen Anonymität gewährt. Die Informanten des Herrn Strasser kriegen jedoch falsche Urkunden.

Falsche Urkunden bekommt man aber nur dann, wenn man unter falscher Identität auftreten und arbeiten soll. Das sind genau die verdeckten Ermittler, die bezahlten Spitzel, die der Verfassungsdienst im Gesetz nicht haben wollte.

Wir bekommen Strassers Spitzelsystem, und wir bekommen Strassers – nicht "Stasi", sondern "Strasi". Wir bekommen diese neue Art der Staatssicherheit, die sich völlig von dem unterscheidet, was es bis jetzt an rechtlich kontrollierter Staatspolizei gegeben hat. (Abg. Miedl: Es ist so leicht zu polemisieren!) Bis jetzt hatten wir eine Staatspolizei, die die Strafprozessordnung vollzogen hat. Jetzt soll es einen Nachrichtendienst der Polizei geben, der das Vorfeld überwacht, der sagt, da entsteht etwas, der nicht den Auftrag hat, Straftaten, Straftäter und kriminelle, auch politisch motivierte Organisationen zu verfolgen, sondern der schauen soll, wo sich irgendetwas entwickeln könnte, wo die Verdächtigen sind.

Wir sind mit Juristen die gesetzlichen Bestimmungen durchgegangen und sind draufgekommen: Von Al-Qaida erwischt man damit keinen Einzigen, aber "Global 2000" fürchtet sich zu Recht. (Abg. Miedl: Geh, Herr Kollege!)

Wenn ich nur den Missbrauch von Datenbanken im polizeilichen Bereich der letzten fünf Jahre betrachte, das, was da alles passiert ist, von EKIS bis zum Kriminalpolizeilichen Aktenindex, und wenn ich weiß, in welcher Art und Weise Innenminister Strasser bereit ist, mit personenbezogenen Daten missbräuchlich politisch umzugehen – das wurde anhand der Vorfälle um die "VolxTheater Karawane" eindeutig und penibel dokumentiert –, dann weiß ich, was wir zu befürchten haben. Bei "Lucona" und "Noricum" sind wir draufgekommen, wie sehr ein staatspolizeiliches System von einem Innenminister, der damals der SPÖ angehört hat, missbraucht werden kann. Die damalige Staatspolizei hatte einen Bruchteil der Vollmachten und Ermächtigun


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gen, über die die jetzige Staatspolizei verfügen wird. Das heutige Gesetz wird ihr ganz andere Mittel in die Hand geben, und die neue Gesetzgebung über so genannten Terrorismus, die bevorsteht, wird dann Rechtsstaat, Demokratie und bürgerlichen Freiheiten bis zu einem gewissen Grad den Rest besorgen.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich ist einem Minister dieses Schlages, dessen "Rot-Weiß-Rot" nur Schwarz, Schwarz und noch einmal Schwarz ist, dessen einziges Buch, das er respektiert, das Parteibuch der ÖVP ist, das Misstrauen auszusprechen. (Abg. Loos: Das war jetzt "überraschend"!) Wenn Böhmdorfer untragbar ist, wenn Haupt untragbar ist, dann ist, muss ich sagen, Ernst Strasser in wesentlich höherem Maße untragbar.

Am Beginn dieser Koalition konnte niemand wissen, dass der erste Minister, der in seinem Ressort eine politische Totalsäuberung versucht und auch durchzuführen beginnt, ein Mitglied der Österreichischen Volkspartei sein wird. Hätte man mich vor eineinhalb Jahren gefragt, hätte ich gesagt: Ja, einigen Regierungsmitgliedern der Freiheitlichen Partei traue ich das zu! Ernst Strasser haben wir alle das damals nicht zugetraut. Wir haben damals geglaubt, dass er die liberale Ausnahme in einer antiliberalen Regierung ist. Herr Minister, der Lack ist ab, die liberale Tarnfarbe ist ab. Was dahinter sichtbar wird, ist ein uralter Parteibuchfunktionär, der im niederösterreichischen schwarzen Sumpf gelernt hat, was er heute in der Herrengasse mitten in Wien praktiziert.

Deshalb bringe ich unseren Entschließungsantrag ein, der ganz einfach und unmissverständlich ist und lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagung des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres, eingebracht im Zuge der Debatte über das Sicherheitspolizeigesetz

Der Nationalrat wolle beschließen:

Dem Bundesminister für Inneres wird im Sinne des Art. 74 B-VG das Vertrauen versagt.

*****

Ich habe noch nie einen sinnvolleren, notwendigeren und besser begründeten Antrag in diesem Nationalrat eingebracht. (Abg. Loos: Das spricht nicht dafür!) – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Pilz, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.24

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bedauere es wirklich, dass die Debatte um das Sicherheitspolizeigesetz umfunktioniert wird zu einem Rundumschlag, zu einer Generalbeschimpfung, zu einer Verunsicherung. Herr Abgeordneter Pilz scheut nicht davor zurück, total kommunistische Ausdrucksweisen zu verwenden, wie zum Beispiel, es finde eine "Totalsäuberung" statt. (Abg. Dietachmayr: So ist es!)


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Es wird wieder das aufgewärmt, was im Innenausschuss schon ausgeräumt wurde, nämlich dass eine Spitzelkartei eingerichtet wird. (Ruf bei der ÖVP: Jeder schöpft aus seinem Wortschatz!) Herr Abgeordneter Pilz möchte wieder weismachen, es gebe eine Spitzelkartei.

Herr Abgeordneter Pilz! Ich habe mir wirklich nach dem Ausschuss die Mühe gemacht, mir noch einmal das Ganze anzuhören, mich darüber zu informieren, welche Bewandtnis es wirklich damit hat. Ich würde niemals dem Aufbau einer Spitzelkartei zustimmen und würde das auch niemals meiner Fraktion raten. Ich habe mich davon überzeugen lassen, dass – das haben wir schon im Ausschuss besprochen – keine Spitzelkartei angelegt wird, sondern eine Kartei über Informanten, die selbst in ein Ministerium, zu einem Gendarmen oder Polizisten mit einer Information kommen, die eine Belohnung bekommen, so ähnlich wie bei den ... (Abg. Mag. Wurm: Super!) – Bei dem Bombenattentäter zum Beispiel hat es eine Auslobung gegeben, Frau Abgeordnete, erinnern Sie sich! Um solche Informationen zu sammeln, damit sich nicht einer mehrmals meldet und Informationen gibt und eine Belohnung erhält, wird die Kartei angelegt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe leider nur eine begrenzte Redezeit; deshalb kann ich jetzt nicht die gesamten Ausführungen, die im Innenausschuss gemacht wurden, wiederholen. Aber es war ganz klar, dass Herr Abgeordneter Pilz wieder einmal ein Missverständnis säen möchte, um das Innenressort und diese Bundesregierung in Misskredit zu bringen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Allerwichtigste, was sich im Sicherheitspolizeigesetz findet, ist ja überhaupt noch nicht erwähnt worden, nämlich dass wichtige Agenden, die bis jetzt in der Kompetenz des Innenministeriums waren, in den Verwaltungsbereich ausgelagert worden sind, wie das Passwesen und das Fundwesen. (Abg. Mag. Maier: Was passiert mit den Mitarbeitern?) Es ist ja wirklich nicht Aufgabe des Innenministeriums und der Polizei, Funde aufzubewahren, Finderlohn zu bezahlen, Ausschreibungen zu machen und so weiter. Wir können durch die Übertragung wirklich sehr viele Beamte einsparen. Nach Auskunft des Ministeriums werden durch die Abgabe des Fundwesens an die Gemeinden und die Länder 36 Beamte und bei der Vollziehung des Passwesens 120 Beamte eingespart. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm. )

Frau Abgeordnete! Durch die Verlagerung können wichtige Beamte, die für die Kernaufgaben der Exekutive, nämlich die Herstellung der Sicherheit, ausgebildet sind, tatsächlich in diesem Bereich arbeiten und müssen sich nicht mit Verwaltungsagenden beschäftigen. Ich habe schon gesagt, dass ich eine beschränkte Redezeit habe. Ich möchte aber doch noch auf Ihren Misstrauensantrag zu sprechen kommen und auf die Affäre Strohmeyer.

Ich habe wirklich keine Veranlassung ... (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Wurm und Mag. Maier. ) – Hören Sie mir doch einmal zu! Haben Sie doch, bitte, wenigstens die Geduld, mir zuzuhören! Ich habe nicht einmal noch den Namen Strohmeyer fertig ausgesprochen, stürzen Sie sich schon auf mich.

Ich habe keine Veranlassung, den Innenminister zu verteidigen. Ich gehöre nicht zu jenen Politikern, die auf Gedeih und Verderb eine Politik verteidigen, wenn ich sie nicht mittragen kann. Ich habe mir zuerst gedacht: Was ist da eigentlich in der Sache Strohmeyer wirklich passiert?, zumal ich ein wirklich gutes Verhältnis zum General Strohmeyer in der Zeit hatte, als wir noch in der Opposition waren. Er war immer jemand, bei dem man auch einmal eine Intervention anbringen konnte und so weiter.

Aber man muss schon die Kirche im Dorf lassen. Man muss sich vorstellen, der General der Gendarmerie schreibt einen Brief an 16 000 Gendarmerie-Beamte, spricht von einer Krise der Gendarmerie, spricht von Veränderungen, die er nicht mehr mittragen kann, weil die Existenz der Gendarmerie gefährdet sei. Er spricht davon, dass sich die Gendarmeriebeamten in einem solchen System nicht mehr wohlfühlen können.  – Das ist ganz einfach unmöglich! (Abg. Dietachmayr: Weil es so ist! Das ist die Wahrheit!)

Bitte, stellen Sie sich doch einmal vor, Sie wären Minister! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dietachmayr. ) Sie werden Gott sei Dank nie Minister, Herr Dietachmayr, davon bin ich über


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zeugt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Aber wenn Sie es wären, dann wollte ich sehen, wie Sie mit einem Beamten umgehen würden, der derart illoyal ist!

Herr Präsident Fischer hat gesagt, in einer Demokratie, in einer demokratischen Gesellschaft müsse Kritik möglich sein und ein engagierter Beamter habe auch Anspruch darauf, dass aus Sorge geäußerte Kritik ernst genommen wird. – Das ist alles richtig, aber man kann doch nicht in der Öffentlichkeit, in einem Brief an 16 000 Untergebene mitteilen, das könne man nicht mehr mittragen, es sei alles schlecht und alle seien ohnehin demotiviert!

Da muss man, glaube ich, schon dem Minister zubilligen, dass er handelt und Führungskompetenz zeigt.

Ich meine, Sie sollten die Sache wirklich einmal ganz ernsthaft überlegen. Was würde in der Privatwirtschaft passieren, wenn ein Vorstandsdirektor so etwas machte: gegen den Konzern auftreten und sagen würde: Was wir erzeugen, ist sowieso alles ein Dreck!? – Der wäre innerhalb von drei Stunden weg! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da muss man meiner Ansicht nach dem Minister schon zubilligen, dass er handelt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Strasser. – Bitte, Herr Bundesminister.

18.30

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Tagesordnung stehen die Diskussion und Beschlussfassung über die Sicherheitspolizeigesetz-Novelle. Diese Novelle ist aus mehreren Gründen notwendig: Sie bringt eine Verbesserung des Zeugenschutzes und die Neuorganisation des Fundwesens.

Der Erstredner hat gefragt, warum Fundgegenstände nicht auch in Zukunft in die Wachzimmer gebracht werden können. – Herr Abgeordneter Parnigoni, gehen Sie in ein Wachzimmer – egal welcher Bundespolizeidirektion! Sie werden von jedem Beamten hören, dass er sehr viel Arbeit hat, dass die Arbeitsbelastung sehr groß ist.

Ich sage Ihnen sehr offen und sehr klar: Das Einsammeln von Fundgegenständen gehört nicht zur Kernaufgabe der österreichischen Polizei und der österreichischen Polizeibeamten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Das habe ich nicht behauptet!)

Da wir für eine Entlastung unserer Beamten sorgen wollen, habe ich mich dagegen verwahrt, dass die österreichischen Polizisten sozusagen als Einsammler von Fundgegenständen fungieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir passen den Datenschutz an – im Übrigen in guter Zusammenarbeit mit dem Datenschutzrat und den entsprechenden Einrichtungen. Die Novellierung des Passgesetzes und die Novellierung des Bundesgesetzes über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen sind weitere wichtige Teile.

Wir haben das schon ausführlich im Ausschuss diskutiert. Es war ja vorauszusehen, dass der einzige Kritikpunkt an diesem Gesetz sowohl vom Sicherheitssprecher der SPÖ als auch von jenem der Grünen dagegen kommen wird, dass wir freiwillig Belohnungen zur Verfügung stellen.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, wieso hätten wir das im Kriminalfall Fuchs nicht tun sollen? Darf ich Sie das fragen? – Selbstverständlich ist es richtig, notwendig und auch sinnvoll, dass wir dort, wo es um Hinweise von der Bevölkerung geht, mit der Bevölkerung zusammenarbeiten. Das ist ja der Grund, warum wir keine Quasi-Einrichtungen anderer Natur brauchen, sondern mit der Bevölkerung zusammenarbeiten! Dass es dafür Belohnungen gibt,


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ist für uns etwas Selbstverständliches. Daher haben wir das Sicherheitspolizeigesetz in diesem Ausmaß novelliert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dass wir dazu eine so genannte Vertrauenspersonen-Evidenz anlegen, die ausschließlich – ausschließlich! – dazu dient, Sicherheitsbehörden Auskunft zu geben, hat ganz einfache Gründe: Wir wollen einen so genannten Tourismus verhindern! Wir wollen nicht, dass jemand eine durchaus interessante Information der Bundespolizeidirektion Graz gibt und dort vielleicht eine Belohnung bekommt und dann zum Landesgendarmeriekommando Oberösterreich geht und auch dort eine Belohnung kassiert. – Diesen "Tourismus" brauchen wir nicht! (Abg. Parnigoni: Das kann nicht Ihr Ernst sein, Herr Minister! Das ist lächerlich! – Abg. Miedl: Herr Abgeordneter Parnigoni, Sie kennen sich einen Dreck aus! Das ist leider Gottes wahr!)

Wir möchten eine leichtere Erkennbarkeit von Informationsschwindel, wir möchten die Verhinderung von Mehrfachzahlungen für gleiche Informationsinhalte, und wir möchten die Verhinderung von Parallelabläufen. Das ist der Grund, warum diese zentrale Evidenz eingeführt wird.

Nun zum zweiten Punkt, zur Frage der Legendierung. – Ja, das ist ein wichtiger Punkt, den wir brauchen, denn jetzt können nur Exekutivbeamte eine neue Identität und Ähnliches bekommen. Wir wollen das auf Zeugen und deren Angehörige ausweiten, wenn sie in Lebensgefahr, wenn sie schwer gefährdet sind. Ich verstehe nicht, dass man bei einigem Hausverstand einer derartigen Regelung nicht seine Zustimmung geben kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei Amtsantritt hat sich diese Bundesregierung ein sehr klares Konzept für die Führung des Innenressorts gegeben, und einer der Grundsätze für die Führung dieses Ressorts war: Wir sparen in der Verwaltung, damit wir in die Sicherheit vor Ort investieren können. Wir haben das sehr genau und penibel für einen Vier-Jahres-Zeitraum, der einer Legislaturperiode entspricht, aufgearbeitet. Wir haben zuerst eine genaue Analyse vorgenommen und die Konzepte gemeinsam mit den Beamten unseres Hauses ohne Hinzuziehung von auswärtigen Beratern entwickelt, und wir haben dann diese Konzepte Schritt für Schritt umgesetzt.

Ich freue mich, dass wir im Bereich der Landesgendarmeriekommanden sehr weit sind, in der Strukturreform und in der Weiterentwicklung der Kommandos selbst. Ich freue mich auch, dass wir in der Bundespolizeidirektion Wien schon einen weiten Weg zurückgelegt haben und endlich grundsätzliche Neuorganisationen durchgeführt haben. Ich freue mich sehr, dass die gesetzliche Bestimmung betreffend Bundeskriminalamt seit 1. Jänner 2002 in Kraft ist und jetzt umgesetzt wird, was gemeinsam mit dem Parlament gelungen ist, und dass wir bei der Reform der österreichischen Staatspolizei auf einem guten Weg sind, so wie es notwendig, vernünftig und auch im Regierungsprogramm vorgesehen ist. (Abg. Parnigoni: Das ist die Fehleinschätzung! Das behaupten Sie!)

Trotz – trotz! – der Notwendigkeit, dass auch das Innenressort, auch der Sicherheitsapparat seinen Beitrag zur Gesundung des Budgets und auch seinen Beitrag zur Verbesserung der Personalsituation im gesamten Bundesbereich leistet, ist es uns mit kluger Analyse, guten Konzepten und einer detaillierten Umsetzung gelungen, keinen einzigen Planposten auf einem der Gendarmerieposten Österreichs oder in einem der Wachzimmer Österreichs zu verlieren. Im Gegenteil: Wir haben alles in der Verwaltung gespart, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist uns im Jahre 2000 gelungen, das ist uns im Jahre 2001 gelungen, und mit den sich jetzt in Umsetzung befindlichen Maßnahmen wird uns das auch im Jahre 2002 gelingen. (Abg. Parnigoni: Sie haben 150 Putzfrauen weniger! Das ist das Einzige, was Ihnen "gelungen" ist!)

Im Übrigen haben wir uns bei der Reform der Zentralleitung auf einen Bericht des Rechnungshofes aus dem Jahre 1997 gestützt. Der Rechnungshof arbeitet ja bekanntlich für das Parlament und ist erst jetzt wieder, im Jahre 2000, zu Ehren gekommen. Ich darf aus diesem Rechnungshofbericht zitieren:


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"Bundesministerium für Inneres ...

Die Führungsspannen innerhalb der Sektionen und Gruppen weisen deutliche Unterschiede auf. Besonders signifikant ist das Ungleichgewicht der Mitarbeiterzahl in den Abteilungen. ...

Der RH empfiehlt, die Sektions- und Gruppenbildung in restriktiver Weise zu überdenken, kleine Abteilungen sachverwandter Aufgaben zusammenzulegen ...

Der Aufbau der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit ist durch eine Art Matrixorganisation aus Wachkörperverwaltungen und Sachaufgaben gekennzeichnet, ... Die Koordination von sechs Gruppen und drei unmittelbar unterstellten Abteilungen erfolgt im wesentlichen allein durch den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit.

Der RH empfiehlt, die Komplexität der Organisationsform der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit abzubauen, interne Kompetenzzuordnungen zu überdenken, Parallelstrukturen durch aufgabenorientierte Gliederung zu beseitigen und eine ,Ausgliederung‘ der operativen Bereiche aus der Zentralstelle zu prüfen." – Das war der Rechnungshofbericht aus dem Jahre 1997.

Genau das, Hohes Haus, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir jetzt mit der Reform der Zentralstelle umgesetzt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Es gibt nicht nur neue Strukturen, sondern es wurden zusätzlich 200 Beamte eingespart.

Das bedeutet, dass wir von fünf Sektionen eine Sektion einsparen werden, das bedeutet, dass wir eine Führungsebene, nämlich die der Gruppenleiter – 15 Gruppenleiter habe ich übernommen –, ohne Punkt und Beistrich einsparen werden. Das bedeutet, dass wir von insgesamt 49 Abteilungen auf 37 Abteilungen reduzieren werden können. Das heißt weiters: statt drei Personalabteilungen eben eine Personalabteilung im Innenministerium oder statt drei Budgetabteilungen in Zukunft eine Budgetabteilung. Das heißt sehr klar und deutlich: Abspecken in der Zentrale, damit wir die regionalen Sicherheitsstrukturen in Zukunft stärken können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen auch sehr offen und sehr klar: Ein paar Schreibtische weniger in der Herrengasse, das ist nicht das Problem, dadurch wird die Sicherheit in Österreich nicht gefährdet. Wichtig ist, dass wir so das Geld und das Personal vor Ort weiter erhalten können. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Das ist – jawohl, das gestehe ich ein, und ich glaube, dass es auch dringend notwendig war – eine grundlegende Änderung der Unternehmenskultur unseres Hauses. Wir wollen diese Unternehmenskultur auch, weil wir Wert darauf legen, dass wir funktionierende Strukturen in den Regionen haben und dass wir in der Verwaltung sparen, damit die Abläufe schneller und somit die Durchlaufzeiten kürzer werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da ist es – das möchte ich abschließend zu diesem Bereich sagen – wichtig und notwendig und auch ganz entscheidend, dass die führenden Mitarbeiter unseres Hauses diesen Kurs für die Sicherheit Österreichs mittragen. Das ist eine entscheidende Voraussetzung und ist in jedem Betrieb so. Ich habe das in allen Verantwortungsbereichen, in denen ich bisher in meinem Berufsleben tätig gewesen bin, so gehalten, und ich halte das – Sie können das sehr ernst nehmen – auch im Innenministerium so. Auch diesbezüglich unterscheide ich mich vielleicht von dem einen oder anderen meiner Vorgänger, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Darf ich Ihnen ganz offen und ehrlich sagen, weil ich hier die ganze Zeit und über die Medien in den letzten Tagen dauernd Punzierungen hinnehmen muss – eigentlich müssen das meine Beamten hinnehmen –: Ich finde es unerträglich, dass bei jeder Gelegenheit und bei jedem Anlass jedem meiner Beamten ein Parteikappel aufgesetzt wird! Ich verstehe das nicht! Das ist eine Ungeheuerlichkeit, die diese Beamten nicht verdient haben! Sie arbeiten für die Sicherheit Österreichs, sie sind vereidigt auf die Republik, und sie tun das Beste, damit Österreich sicher ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Aber eines sei auch in aller Klarheit und Deutlichkeit gesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren: Seit dem 4. Februar 2000 ist es nicht mehr Voraussetzung, ein SPÖ-Parteibuch zu haben, um im Innenministerium Karriere zu machen! Das möchte ich auch sehr klar sagen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bin den Tausenden Beamten in unserem Haus, die hervorragende Arbeit leisten, dankbar. Das gilt für den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Dr. Buxbaum, der nach den Vorfällen des 11. September 2001 in einer hervorragenden Art und Weise die Dinge koordiniert hat. (Abg. Parnigoni: Der kommt als Nächster dran!) Das gilt für den Herrn Polizeipräsidenten Stiedl, der mit großer Umsicht und Sorgfalt dafür gesorgt hat, dass diese sehr schwierige Situation am 8. Mai mit großer Umsicht geregelt werden konnte. Das gilt für Direktor Haidinger und seine Beamten, die dafür gesorgt haben, dass im Rahmen der Aufdeckung des Kinderpornoskandals in Österreich eine für Europa beispielgebende Aktion durchgeführt wurde. Das gilt aber auch für viele Tausende Beamte mehr. Ich möchte einigen auch hier vor dem Parlament herzlich danke sagen, ich konnte ihnen vor einigen Tagen persönlich danken. Sie konnten durch ihren persönlichen Einsatz, auch durch den Einsatz ihres Lebens Menschen retten.

Herr Revierinspektor Arnold Heim vom Gendarmerieposten Bludenz hat am 23. August 2001 in der Nähe der Talstation der Muttersberg-Seilbahn zwei Frauen aus einem bereits in Flammen befindlichen Haus gerettet. – Herr Revierinspektor, ich bedanke mich herzlich auch hier vor dem Parlament! (Allgemeiner Beifall.)

Oder: Ich darf Herrn Revierinspektor Stefan Haslwanter von der BPD Innsbruck nennen. Er hat am 1. Jänner 2002 einen im Inn treibenden Mann aus dem 4 Grad kalten Wasser geborgen. – Herr Revierinspektor, ich stehe mit Respekt vor Ihrer Leistung und danke Ihnen für Ihren persönlichen Einsatz! (Allgemeiner Beifall.)

Weiters möchte ich die beiden Revierinspektoren Kandolf und Hebenstreit nennen. Beide sind vom Gendarmerieposten Klein, St. Paul. Sie haben am 6. März 2002 in einer Pension in Eberstein zwei Menschen das Leben retten können. Die beiden Personen waren durch ausströmendes Gas in Lebensgefahr, die beiden Beamten auch. – Meine Herren Revierinspektoren, ich danke Ihnen herzlich für Ihren selbstlosen Einsatz! (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie doch – und das ist meine inständige Bitte und Aufforderung – unsere Beamten arbeiten! Geben Sie ihnen die entsprechenden Möglichkeiten, und stehen Sie hinter ihnen, denn sie haben einen schweren Dienst zu tun! Setzen Sie nicht jedem unserer Beamten ein Kapperl auf, das einer Partei gehört! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Danke, Herr Abgeordneter Pilz, für den Hinweis, dass hier ein Profi am Werk ist. Das ist eine Ermunterung für alle unsere Mitarbeiter und für mich selber. Ich darf Ihnen aber auch in aller Klarheit sagen: Ich scheue mich nicht – vielleicht auch zum Unterschied von dem einen oder anderen Vorgänger –, eine Weisung zu geben, wenn es um die Sicherheit Österreichs geht und wenn ich glaube, dass es sinnvoll und notwendig ist. (Abg. Parnigoni: Das stimmt ja nicht! ... Das ist ja ein Witz, was Sie da erzählen!) Das habe ich in den letzten zwei Jahren bewiesen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Parnigoni! Zur Sache mit der Wahrheit (Abg. Huber: Damit haben Sie ein Problem!) darf ich Ihnen ganz offen sagen: Die Kriminalstatistik habe nicht ich erfunden. Die ist unter meinem Vorgänger eingerichtet worden, und das ist auch ganz okay. Sie wurde das erste Mal im Jahre 2001 angewandt, weil sie erst im Jänner 2000 eingerichtet worden ist. Sie wird jetzt, im Jahre 2002, das erste Mal für elf Monate umgesetzt, und sie wird im Jahre 2003 das erste Mal für das gesamte Jahr umgesetzt. Hätte mein Vorgänger das im Dezember umgesetzt, dann wäre die neue Zählweise schon für das Jahr 2001 möglich gewesen – so geht es erst ab dem Jahre 2002. So viel macht ein Unterschied von zwei Monaten aus. Aber sie ist vernünftig und richtig, und ich bin froh, dass wenigstens im Jänner 2000 diese Umstellung passiert ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Zum Zweiten. Da muss eine Verwechslung vorliegen. Wir haben immer sehr klar gesagt, dass wir uns sehr darum kümmern, dass das notwendige, durchaus knappe Personal für den Außendienst vorhanden ist. Aber wir haben auch sehr klar gesagt, dass es dort, wo es vernünftige Strukturveränderungen geben kann, diese auch geben soll. – Was soll denn das? Wieso sollen wir eine Gendarmeriepostenstruktur aus den Jahren 1950, 1970, 1990 aufrechterhalten, wenn sich die Sicherheitssituation in einer Region ändert?! Wieso sollen wir dort, wo zum Beispiel eine Großdisco entsteht ...? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Schauen Sie sich doch die Situation in Niederösterreich an: Da machen irgendwelche große Vergnügungsveranstaltungen für einige Jahre auf und dann wieder zu. Wenn sich die Sicherheitssituation in einer Region ändert, dann muss der Sicherheitsapparat auch mit seiner regionalen Schwerpunktsetzung darauf reagieren. Das wird nicht nur in der Vergangenheit so wie im letzten Jahr so sein, das wird auch in Zukunft so sein. Das ist eine ganz normale Sache. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Was haben Sie gesagt – und was machen Sie heute?)

Ich muss Ihnen das sehr klar sagen, und ich darf einmal mehr vorlegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie sich ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Zwischenrufe sind, wie ich das oft bezeichne, das "Salz" einer Diskussion. Wenn sie allerdings so überhand nehmen, dass ein Redner nicht mehr zu Wort kommt, dann sind sie, glaube ich, nicht mehr ganz angemessen!

Ich bitte daher, Herrn Bundesminister Dr. Strasser die Möglichkeit zu geben, mit seinen Ausführungen fortzusetzen! – Bitte, Herr Bundesminister. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die da drüben sind ja nur nervös! Der Parnigoni ist ja nur nervös!)

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser (fortsetzend): Herr Abgeordneter Parnigoni, Sie haben mich der Unwahrheit bezichtigt und gemeint, dass nicht mehr Sicherheitswachebeamte im Außendienst wären.

Ich darf Ihnen die mir vorliegenden Zahlen nennen. Die tatsächliche Personalentwicklung, Polizeidirektionen Österreich: 1995 7 366 im Außendienst, 1999 7 617, im Jahre 2000 7 748, im Jahre 2001 7 822, im Jahre 2002 sind es 7 997. Wenn wir gut sind, werden wir im Jahre 2003 die 8 000er-Grenze überschreiten, Herr Parnigoni! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Es fehlen nur mehr drei Mann oder Frau. (Abg. Parnigoni: Diese Zahlen zu überprüfen, wäre interessant!)

Die gleiche Statistik darf ich Ihnen für den Innendienst bekannt geben, Herr Abgeordneter Parnigoni: Im Jahre 1999 waren 2 265 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Sicherheitswache im Innendienst. Im Jahre 2000 waren es 2 135, im Jahre 2001 waren es 1 809, und im Jahre 2002 sind es 1 587.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Statistik beweist eindrucksvoll und nachdrücklich: Wir sparen in der Verwaltung, damit wir in die Sicherheit vor Ort investieren können! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein vorletzter Punkt, zu dem erwähnten "Falter"-Interview. Es besteht ja die Gelegenheit, den Kronzeugen zu befragen. (Der Redner weist auf die Zuschauergalerie.) Ich habe mir diese Sache sehr genau angesehen, und ich darf Ihnen einmal mehr sagen, so, wie es immer ist: Wenn irgendeine Vorhaltung gegen einen Gendarmerie-, einen Polizei-, einen Kriminalbeamten, einen Mann unserer Staatspolizei kommt, dann wird sie automatisch dem Büro für interne Angelegenheiten zugemittelt. Das Büro hat – das ist seine Aufgabe – die entsprechenden Untersuchungen durchzuführen, um diese Vorhaltung zu falsifizieren oder zu verifizieren. Genauso war es auch in diesem Fall. Es hat sich – Gott sei Dank, und wir freuen uns sehr darüber! – nach kurzer Zeit herausgestellt, dass diese Vorhaltung, die von außen, von wo immer, gekommen ist, völlig gegenstandslos ist, und daher wurde die ganze Angelegenheit zu Recht zu den Akten gelegt. Das ist der Punkt, der hier angesprochen ist – nicht mehr und nicht weniger.


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Ich darf damit zu Ihrem Hinweis auf die Sicherheit und auf die subjektive Sicherheit in Österreich kommen. Ich habe am Samstag die letzte Untersuchung bekommen, die halbjährlich vom Bundeskanzleramt durchgeführt wird, nämlich zur Frage, wie die Österreicher die Sicherheit in Österreich sehen. Die Frage heißt: "Wenn Sie ganz allgemein an die Sicherheit in Österreich denken, wie sicher fühlen Sie sich?" Die Befragten haben hier die Möglichkeit, im Rahmen einer Notenskala von 1 bis 5 zu bewerten. So war im Jahre 2000 der Notendurchschnitt 1,99, im ersten Halbjahr 2001 1,92 und in der zweiten Hälfte des Jahres 2001 1,84. Wir haben also sukzessive, Schritt für Schritt durch die hervorragende Arbeit unserer Beamten und durch eine kluge und vernünftige Weiterentwicklung unseres Sicherheitsapparates die Sicherheit, auch die subjektive Sicherheit, in Österreich gesteigert. Ich würde mir sehr wünschen, dass das Parlament diese Arbeit der Beamten auch würdigen würde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Angesichts dieser Zahlen von Unsicherheit in Österreich zu sprechen, das ist doch etwas weit hergeholt.

Damit darf ich zu einem weiteren Punkt kommen. Sie haben sich nämlich selber die Frage gestellt: Warum dieser Misstrauensantrag? Herr Abgeordneter Pilz als Antragsteller begründet ihn damit, dass eine nicht objektive Postenvergabe in meinem Haus passieren würde. – Ich habe mir die Unterlagen aller Postenvergaben betreffend höhere Beamte geben lassen und mir diese durchgesehen. Ich darf hier schlicht die Fakten schildern.

In der Zentralleitung des Innenministeriums wurden in meiner Amtszeit bisher 16 hohe und höchste Positionen vergeben. Das geht vom Leiter der Sektion I, der Sektion V über den Stellvertretenden Leiter der Sektion III, den Leiter der Gruppe I/A, der Gruppe II/D bis zu Leitern anderer wichtiger Abteilungen. Bei all diesen Bestellungen wurden seitens des Dienststellenausschusses keine Einwendungen vorgebracht, die Besetzungen wurden einvernehmlich abgeschlossen. – So viel zur "nicht objektiven" Postenbesetzung in den Zentralleitungen.

Ich darf zur Gruppe II/A, zum Bereich der Polizei und Sicherheitsdirektionen, kommen. Im Bereich der Polizei und der Sicherheitsdirektionen wurden insgesamt 14 leitende Beamte bestellt, und zwar drei Sicherheitsdirektoren, drei Polizeidirektoren, ein stellvertretender Sicherheitsdirektor der Steiermark, ein Leiter des Büros der Sicherheitsdirektion Wien und Zentralinspektoren. Bei diesen 14 Beamten hat es bei zwölf volles Einvernehmen gegeben mit den ... (Abg. Dr. Khol bedeutet dem Redner die vorgeschrittene Zeit.)

Entschuldigung, Herr Klubobmann, ich weiß, aber wenn der Misstrauensantrag schon so detailliert mit nicht objektiver Postenvergabe begründet worden ist, bitte ich um Verständnis dafür, dass ich dem Hohen Haus die Fakten vorlege.

Also bei 14 leitenden Beamten in diesem Bereich gab es bei zwölf volles Einvernehmen mit den Dienstnehmervertretungen; nur bei zwei wurden Einwendungen gemacht.

Im Bereich der Gruppe II/B, der Gendarmerie, wurden drei Funktionen vergeben, und zwar leitende Funktionen der Landesgendarmeriekommanden der Bundesländer Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark. Auch da wurde Einvernehmen mit den Dienststellenausschüssen hergestellt.

Das heißt, bei den 35 führenden Bestellungen in der österreichischen Sicherheitsexekutive, im österreichischen Sicherheitsapparat hat es bei 33 volles Einvernehmen gegeben, bei zwei hat es eine andere Meinung gegeben. – Das nennen Sie eine nicht objektive Postenvergabe, meine sehr geehrten Damen und Herren?! Ich darf Sie fragen, wo die Nicht-Objektivität in diesem Bereich liegt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich sehe da – das sage ich abschließend – etwas ganz anderes: Ich glaube, dass wir sehr gute Konzepte erarbeitet haben, die wir Schritt für Schritt umsetzen, mit dem Ziel, einen modernen Sicherheitsapparat für den Schutz der österreichischen Bevölkerung zu schaffen, mit dem Ziel, die Sicherheitspolitik in Österreich insgesamt zu entkrampfen, mit dem Ziel, moderne Strukturen auch bei knappem Personal und knappen Geldmitteln zu sichern und Österreich bilateral und


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auch auf EU-Ebene von einem Nachläufer zu einem Mitspieler im Sicherheitsbereich zu machen.

Ich darf Ihnen sehr offen sagen, auch trotz dieses Antrages: Meine Einladung steht auch heute, nämlich: Lassen wir in wichtigen sicherheitspolitischen Fragen das tagespolitische Geplänkel beiseite und arbeiten wir zusammen – egal, ob Regierung oder Opposition! Es ist das Beste für die Sicherheit Österreichs! Es ist das Beste für die Sicherheit der Institutionen! Das, wie es Normalfall in Deutschland, in Holland, in Nordeuropa ist, wünsche ich mir als Sicherheitsminister auch für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte.

18.57

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich habe auch einen Entschließungsantrag einzubringen, daher bleibt mir nicht so viel Redezeit, aber ich möchte mir doch erlauben, ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Bundesministers zu machen. (Abg. Großruck: Ein guter Mann!) Das haben Sie gesagt! (Abg. Murauer: Das war aber richtig!)

Herr Bundesminister! Bei allem Verständnis für Ihre Position darf ich schon eines vermerken: Die SPÖ hat jahrzehntelang in dieser Republik Allein- und Hauptverantwortung getragen, und wir brauchen uns unserer Vergangenheit wirklich nicht zu schämen, denn wir waren in sämtlichen Politikfeldern erfolgreich. Das gilt sehr wohl auch für den Bereich der inneren Sicherheit! (Beifall bei der SPÖ.)

Dass da sehr erfolgreich gearbeitet wurde, Herr Bundesminister, das beweisen auch die Statistiken, die belegen, dass sich die Menschen wohl und sicher in diesem Land gefühlt haben. Noch sind wir ein sicheres Land! Ich weiß nicht, welche Zahlen Sie hier vorgelesen haben, aber die Wiener Situation zeigt sehr wohl eine rückläufige Personalentwicklung.

Wenn Sie sagen, weniger Schreibtische in der Herrengasse seien kein Problem, würden die Sicherheit nicht gefährden, dann gebe ich Ihnen Recht, aber Einsparungen in der Zentralstelle bringen sicher nicht mehr Polizisten oder Gendarmen auf die Straße, in den Außendienst. Ich hätte gerne, dass Sie mir diese Ihre Feststellungen einmal beweisen und dass wir das gemeinsam nachvollziehen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Wir lassen die Exekutivbeamten arbeiten, wir haben sie motiviert. Wir haben die politischen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten dafür geschaffen, damit sie erfolgreich ihren Verfassungsauftrag erfüllen können. Wir haben auch keinen Einwand gegen die Arbeit des Herrn Buxbaum und des Herrn Stiedl. (Abg. Jung: Aber gegen den Schnabl!) Sie werden von uns auch nicht in Frage gestellt. Ich hoffe nur, dass nach dieser Strukturreform, wenn die Kompetenzen für Beschaffungen, für Personal und Finanzmittel wegkommen, aus dieser Generaldirektion nicht eine Frühstücksdirektion wird. Wir werden genau beobachten, Herr Bundesminister, ob das so ist, wie Sie es heute hier gesagt haben – ich habe es mit Sympathie und Freude vernommen.

Noch eines, Herr Bundesminister: Wir haben nichts gegen Anpassungen, nichts gegen notwendige Reformen! Das sind Erfordernisse der Zeit, das wissen auch wir. Wir Sozialdemokraten sind auch keine Verhinderer zeitgemäßer Reformen und Veränderungen. Im Gegenteil: Was sinnvoll, was vernünftig und was sachlich begründet ist, das erhält unsere Zustimmung! Das war in der Vergangenheit so, und das wird auch in Zukunft so sein!

Die SPÖ ist eine staatstragende Partei, und daher geht es uns um konstruktive Kritik und um konstruktive Mitarbeit. Aber Sie geben uns keine Chance, Herr Bundesminister, uns aktiv einzubringen. Unsere Vorschläge, unsere Anregungen, unsere Konzepte fanden bisher keine Berücksichtigung – abgesehen von dem Bereich Zivilschutz, wo wir sehr erfolgreich und gut zusammenarbeiten, wobei ich auch nie anstehe und noch nie angestanden bin, Ihnen dafür zu


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danken. Ich wünsche mir und hoffe, dass das auf den gesamten Bereich, aber insbesondere auf den Bereich der Exekutive ausgeweitet wird, Herr Bundesminister!

Uns geht es, wie gesagt, auch darum, dass die Organisation auf den obersten Führungsebenen gestrafft wird, dass aufgeblähte Verwaltungsebenen abgebaut werden. Aber die Umstrukturierung im Innenministerium führt dazu – das mussten wir beobachten, im Widerspruch zu dem, was Sie eben gesagt haben –, dass auch viele fähige und kompetente Beamte, die erfolgreich für unsere Sicherheit in der Vergangenheit gearbeitet haben, auf der Strecke bleiben. Manche haben etwas Glück und werden weggelobt auf weniger wichtige Positionen, aber aus dem operativen Bereich trotz ihrer Kompetenz, trotz ihrer Fähigkeit abberufen. Andere wieder werden gegen ihren Willen gar in den Vorruhestand geschickt.

Herr Bundesminister! Wir werden das weitere Vorgehen genau beobachten und auch das Gespräch mit Ihnen suchen, weil wir immer der Meinung waren und auch heute sind, und das ist auch meine persönliche Meinung: Bei Postenbesetzungen vor allem auch im Zuge einer Strukturreform sollen allein die Fachkompetenz, die Persönlichkeit, die charakterliche Eigenschaft der betreffenden Person zählen und sonst nichts, Herr Bundesminister!

Uns Sozialdemokraten geht es nicht um parteipolitische Polemik, sondern um die Sicherheit Österreichs. Wir glauben, dass der nunmehr gefahrene Schrumpfkurs die Sicherheit doch in Frage stellt, und müssen daher unsere Bedenken anmelden.

Herr Bundesminister! Das gilt natürlich auch für den Bereich Fundwesen. Auch diesbezüglich, meine ich, gehen Sie den falschen Weg. Das ist ein sehr zentrales Element dieser Sicherheitspolizeigesetz-Novelle; Frau Dr. Partik-Pablé hat das Thema angesprochen, aber nicht die Probleme.

Herr Bundesminister Strasser, ich sehe, dass das auch nicht so ist, wie die Regierung immer wieder behauptet. Es ist schon ein wesentlicher Schritt der Verwaltungsreform, aber dass es in Zukunft mehr Bürgernähe gibt, dass die Zustimmung von den Städten und Gemeinden vorliegt, dass es sich um den großen Wurf handelt, dazu, Herr Bundesminister, muss man sagen, wie bei fast allen Themen der Verwaltungsreform: Das Gegenteil ist der Fall!

Erlauben Sie mir als Wiener Abgeordnetem, die Situation aus der Sicht der Gemeinde Wien ein wenig darzustellen. Wie Sie schon gesagt haben, konnten die Bürger bisher die Fundgegenstände rund um die Uhr in 97 Wachzimmern abgeben. Dort wurde auch die Fundanzeige aufgenommen, gleichzeitig konnte mit Abfrage in den entsprechenden Dateien festgestellt werden, ob es sich eventuell um einen gestohlenen Gegenstand handelt oder sonst Umstände vorliegen, die eventuell auf ein Verbrechen hinweisen oder sonst sicherheitsrelevant sind. – Keine Kernfrage der Exekutive, da gebe ich Ihnen Recht, aber doch auch sicherheitspolitisch von Bedeutung.

Nun wird das alles schlagartig geändert, den Magistraten übertragen, die darauf nicht vorbereitet sind. Das bedeutet in Zukunft, dass die Fundsachen nur während der Amtsstunden in den magistratischen Bezirksämtern abgegeben werden können. Die sicherheitspolitische Behandlung bleibt auf der Strecke. (Abg. Murauer: Das hat aber mit der Sicherheit nichts zu tun!) Im Erstentwurf der Novelle ist gestanden – und der Herr Bundesminister hat das auch immer wieder zugesagt –, dass nach wie vor rund um die Uhr in den Sicherheitsdienststellen Fundsachen abgegeben werden können. Das ist aber plötzlich nicht mehr der Fall.

Herr Bundesminister! Natürlich wird dieses Service auch die Stadt Wien anbieten, aber, wie die Berechnungen zeigen, nur in einer Minimalvariante. Abgeben rund um die Uhr, das war bisher möglich, und in einer Großstadt wie Wien hat das Bedeutung. Das ist vielleicht in den kleineren Gemeinden auf dem Lande nicht notwendig, aber in Wien ist die Situation eine ganz andere.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Ihre Redezeit zu Ende ist. Es leuchtet leider die Lampe, obwohl sie auf 7 Minuten eingestellt ist, nicht auf, aber Sie haben Ihre Redezeit bereits überschritten. Sie wollten aber auch


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noch einen Abänderungsantrag einbringen. Ich mache Sie nur darauf aufmerksam: Sie haben bereits 8 Minuten gesprochen.

Abgeordneter Anton Gaál (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. Ich komme gleich zu unserem Antrag.

Um Ihnen, Herr Bundesminister, die Gelegenheit zu geben, die ärgsten Mängel dieses Gesetzes auszuräumen, bringe ich hiemit einen Abänderungsantrag ein, dessen wesentlicher Inhalt es ist, dass zwar die Bürgermeister die Fundbehörde werden, dass aber weiterhin sämtliche Fundgegenstände bei den Polizeiwachzimmern abgegeben werden können und von diesen dann an das Magistrat weiterzuleiten sind.

Im Interesse aller Bürger und Bürgerinnen dieses Landes ersuche ich Sie von den Regierungsparteien, diesem Abänderungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben in seinen Kernpunkten angesprochene Abänderungsantrag ist in schriftlicher Form verteilt worden, ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang und steht somit auch zur Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Parnigoni, Gaál, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Passgesetz 1992, das Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch geändert werden (SPG-Novelle 2002) (1138 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Artikel I Z 8 lautet:

"8. Nach § 22 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

"(1a) Die Entgegennahme, Aufbewahrung und Ausfolgung verlorener oder vergessener Sachen obliegt dem Bürgermeister als Fundbehörde. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind neben dem Bürgermeister zur Entgegennahme, zur Aufnahme einer Fundanzeige und zur Weiterleitung von verlorenen oder vergessenen Sachen verpflichtet. Der österreichischen Vertretungsbehörde obliegt die Entgegennahme der im Ausland verlorenen oder vergessenen Sachen und deren Übergabe an die Fundbehörde, in deren Wirkungsbereich der Eigentümer oder rechtmäßige Besitzer seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, zum Zweck der Ausfolgung.""

2. Artikel I Z 25 lautet:

"§ 57 Abs. 3 lautet:

"(3) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, die von ihnen in der Zentralen Informationssammlung gespeicherten Daten zu benützen. Übermittlungen der gemäß Abs. 1 verarbeiteten Daten sind an Behörden für Zwecke der Sicherheitsverwaltung, Strafrechtspflege und an Landesregierungen sowie Ämter der Landesregierungen für Angelegenheiten in Vollziehung des Staatsbürgerschaftsrechtes zulässig. Im Übrigen sind Übermittlungen nur zulässig, wenn hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht.""

3. In Artikel IV Z 2 lautet der § 390 ABGB folgendermaßen:


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"§ 390. Der Finder hat den Fund unverzüglich der zuständigen Fundbehörde (§ 14 Abs. 5 SPG) oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (§ 5 Abs. 2 SPG) unter Abgabe der gefundenen Sache anzuzeigen und über alle für die Ausforschung eines Verlustträgers maßgeblichen Umstände Auskunft zu geben."

Begründung:

Die SPG-Novelle 2002 sieht vor, daß in Hinkunft die Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich das Fundrecht vollziehen sollen. Zuständige Behörde soll der Bürgermeister sein. Dies würde im Bereich des Fundwesens zu Vollzugsproblemen und zu einer Verschlechterung des Bürgerservice führen.

Einerseits sind Verschlechterung des Bürgerservices durch die Verringerung der Anzahl der Abgabestellen bei den Städten im Vergleich zu den vorhandenen Wachzimmern zu erwarten. So bestehen z.B. in Wien derzeit 97 Wachzimmer, die jederzeit Fundgegenstände übernehmen; aber auch in den anderen Städten mit Bundespolizeidirektionen sind eine größere Anzahl an Wachzimmern vorhanden als an Übernahmestellen bei den Städten aus wirtschaftlicher Sicht eingerichtet und zusätzlich noch 24 Stunden besetzt werden können. Vor allem in den Städten mit Bundespolizeidirektionen, in welchen durch die geplante Gesetzesänderung die Bürgermeister im übertragenen Wirkungsbereich das Fundwesen in Zukunft zu besorgen haben, würde die Kompetenzänderung zu einer massiven Verschlechterung des Bürgerservices führen, wenn nicht weiterhin - wie in der ursprünglichen, im Begutachtungsverfahren vorgelegten Fassung – gemäß § 390 ABGB die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (§ 5 Abs. 2 SPG) zur Übernahme der Fundgegenstände und Aufnahme einer Fundanzeige verpflichtet werden.

Andererseits wird auf jene Gegenstände hingewiesen, die unter Umständen erkennungsdienstlich zu behandeln sind, wie z.B. mögliche Tatwerkzeuge (Waffen, Messer, Schlagstöcke, etc.) oder auch Rauschgift. Sie sind zweifelsohne bei den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes besser aufgehoben.

Zusätzlich wir darauf hingewiesen, dass Diebstahlsanzeigen weiterhin bei den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einzubringen sind. In diesem Fall können sich bereits die "ersten Überschneidungen" ergeben und eventuell bereits in diesem Stadium einige "Fälle" gelöst werden.

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sollen deshalb zur Entgegennahme von gefundenen Gegenständen weiterhin zuständig sein.

Dazu sieht der vorliegende Abänderungsantrag eine Änderung des vorgeschlagenen § 390 ABGB dahingehend vor, daß Fundgegenstände auch bei den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgegeben werden können. Zu bestimmten Zeiten (Wochenende, Abend- und Nachtstunden) wird dies für Finder auch die einzige Möglichkeit sein.

Parallel zu dieser Bestimmung ist im SPG eine Bestimmung vorgesehen, die die Verpflichtung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Übernahme des Fundgegenstandes, der Aufnahme einer Fundanzeige und der Weiterleitung an die Fundbehörde (§ 22 Abs. 1a SPG) enthält.

Um den Vollzug des Staatsbürgerschaftsrechts den zuständigen Behörden nicht unnötig zu erschweren, soll außerdem in § 57 Abs. 3 bereits die Zulässigkeit der Datenübermittlung auch an Landesregierungen und Ämter der Landesregierung zulässig sein. Dadurch wird auch sichergestellt, daß es nicht trotz des Vorliegens von Einbürgerungshindernissen, wie etwa anhängige Strafverfahren – von denen die Staatsbürgerschaftsbehörde aber keine Kenntnis hat – zu Verleihungen von Staatsbürgerschaften kommt.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Loos. – Bitte.


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19.06

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wenn man die Debatte verfolgt hat, so konnte man klar und deutlich erkennen, dass es den Regierungsparteien darum geht, im Nationalrat – und das tun wir auch heute – eine entsprechende Gesetzgebung zu gewährleisten, sodass der Herr Minister und die Exekutive der Kriminalität, wie sie uns jetzt entgegentritt, auch entsprechend begegnen können.

Zu den Ausführungen der Oppositionsabgeordneten ist zu sagen – nur mein Freund Toni Gaál war sehr seriös, sehr ruhig bei seinem Vortrag –: Man ergeht sich eigentlich in einer gewissen Polemik, man verdächtigt, man verzichtet, auf Fakten einzugehen. Wenn der Herr Minister klar und deutlich nachweist, dass heute wesentlich mehr Beamte als noch im Jahr 1995 im Außendienst und wesentlich weniger im Innendienst tätig sind und daher mehr vor Ort für die Sicherheit getan wird, so soll man das zur Kenntnis nehmen. Diese Politik dient unserer Sicherheit, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Farbenlehre, die ich heute schon den ganzen Tag vernehmen kann. Ich weiß nicht genau, so viel verstehe ich von der Farbenlehre, von rot auch wieder nicht, aber Sie selbst sind es, die sagen, dass umgefärbelt wird, dass von rot auf schwarz und blau umgefärbelt wird. Also Sie bekennen selbst, dass höchste Beamte nur deswegen das geworden sind, was sie geworden sind, weil sie rot gewesen sind. (Zwischenruf bei der SPÖ.)  – Das sagen Sie, ich behaupte das nicht.

Ich möchte übrigens gleich dazusagen, damit ich nicht darauf vergesse: Es hat in der Vergangenheit und es gibt in der Gegenwart sehr viele ausgezeichnete Beamte, egal, welcher Partei sie angehören, und diese Beamten werden auch vom Herrn Minister entsprechend geschützt und unterstützt. Wenn es aber Beamte gibt, die nur um der Partei willen gewisse Dienste tun und der Partei gegenüber Dienste erfüllen wollen, dann hat der Minister einzuschreiten, auch in unserem Auftrag, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich habe von den neuen Formen der Kriminalität schon gesprochen. Diese bedingen natürlich, dass wir für deren Bekämpfung entsprechende Maßnahmen treffen. Wir haben das Bundeskriminalamt eingesetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren! Niemand bestreitet die Tatsache, dass uns die organisierte Kriminalität zu schaffen macht. So haben wir den Spezialisten, die auf krimineller Ebene tätig sind, auch Spezialisten von unserer Seite entgegenzusetzen, und das haben wir in Form des Bundeskriminalamtes gemacht.

Wenn es zu einem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorbekämpfung kommt – und es soll dazu kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren –, dann wird es auch in diesem Bereich Experten geben, die diesem neuen Terror, der weltweit auftritt, auch entsprechend begegnen können. Wenn dort – ich habe das heute Vormittag von Herrn Dr. Pilz gehört – ein Mann aus dem Heeres-Nachrichtenamt Dienst machen sollte: Was spricht dagegen, wenn Experten irgendwo eingesetzt werden? Ich habe damit überhaupt kein Problem, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es wird im Bereich der EDV beispielsweise neue Antworten auf diese Kriminalität geben müssen. Warum soll das nicht so sein? Es hat vor fünf und zehn Jahren diese Problematik noch nicht gegeben.

Wir werden auch bei DNA-Untersuchungen entsprechend vorgehen.

Zur verdeckten Fahndung möchte ich eines sagen – und das möchte ich auch Ihnen sagen, Herr Dr. Pilz –: Ich weiß nicht, wie Sie sich das vorstellen! Möglicherweise gehen Sie hin und sagen: Ich bin Herr Dr. Pilz, entschuldigen Sie, ich erkundige mich, ob Sie mit Drogen handeln! Damit Sie es wissen, meine Frau wohnt im III. Bezirk im zweiten Stock!, damit die Kriminellen auch sofort handeln können. – So kann es nicht sein! Dieses Gesetz bestimmt eine gewisse Vorgangsweise, die ich für richtig halte.


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Meine Redezeit geht leider Gottes zu Ende. Herr Bundesminister! Sie haben als verantwortungsbewusster Chef die Pflicht, die Besten für die jeweiligen Fachgebiete auszuwählen. Sie tun das, ohne auf Parteien Rücksicht zu nehmen, und das halten wir für richtig. Damit tragen Sie gemeinsam mit uns in hohem Maße zur Sicherheit der österreichischen Bevölkerung bei.

Machen Sie weiter so, Herr Bundesminister! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

19.11

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister Strasser, Sie haben vorhin in Ihren längsten Ausführungen, die ich bis jetzt in den letzten zwei Jahren je von Ihnen im Nationalrat gehört habe – was ich Ihnen keinesfalls übel nehme, denn das ist ja auch der erste Misstrauensantrag gegen Sie hier im Nationalrat –, gesagt:

"Ich finde es unerträglich" – also ich kann das jetzt gar nicht so sagen, wie Sie es gesagt haben, weil ich diese Empörung wirklich nicht nachvollziehen kann, rein habituell –, "dass ... jedem meiner Beamten ein Parteikappel aufgesetzt wird!" – Das haben Sie gesagt, Sie empfänden das als unerträglich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich empfinde es als unerträglich, dass ein Minister, der es unerträglich findet, dass man jedem seiner Beamten ein Parteikappel aufsetzt – um jetzt bei Ihrer Wortwahl, Herr Minister, zu bleiben –, Personalpolitik in der Art, wie Sie das machen, betreibt! Nehmen wir als Beispiel, das mir als das krasseste, weil auch ob der menschlichen Qualität der Vorgangsweise beleuchtenswert, erscheint, das des Herrn General Strohmeyer.

General Strohmeyer arbeitet fleißig – das ist meine Interpretation, das sind meine Worte – für Herrn Bundesminister Strasser, weil er sein oberster Chef ist – no na net, für welchen Minister soll er sonst arbeiten? –, weil Minister Strasser in der Hierarchie die Spitze darstellt. Er erstellt Konzepte über eine "Gendarmerie neu", er arbeitet mit an den Konzepten zur Schließung von Gendarmerieposten, zur Einsparung von Beamtinnen und Beamten und so weiter. Doch dann, wenn die ganze Arbeit gemacht ist, fällt dem Herrn Bundesminister ein: Jessas, das ist ja ein Roter!

Der Herr Bundesminister gibt die Anweisung – nicht ihm allein, sondern dem ganzen Ressort –, dass man diese Frage diskutiert, dass man gemeinsam arbeitet (Abg. Kiss: Als achte Rednerin haben Sie es noch immer nicht verstanden! Sie weiß noch immer nicht, was das Kernproblem ist!), dass man eine neue Unternehmenskultur im Ressort einführt, nämlich die Unternehmenskultur des gemeinsamen Erarbeitens, des Debattierens, des Zu-Schlüssen-Kommens, um damit – und da haben Sie wohl Recht – für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung die optimalsten Strukturen zu schaffen, die im Rahmen des Verfügbaren möglich sind.

Das hat General Strohmeyer gemacht. Er hat debattiert, er hat Ihnen gedient, Herr Minister, im wahrsten Sinne des Wortes – ich sage das so, um jetzt in der martialischen Polizeisprache zu bleiben –, und was war die Konsequenz? (Abg. Dr. Khol: Was ist bei Ihnen martialisch?) Statt diskutieren zu können, ist er geflogen. Das ist geschehen – ich habe es nur im Radio und im Fernsehen mitverfolgt – nicht zwischen Tür und Angel, denn er ist vermutlich ja gar nicht mehr im Büro gewesen, sondern nächtens, bei nachtschlafender Zeit! Dieser Eindruck ist zumindest bei der österreichischen Bevölkerung entstanden.

Jetzt frage ich mich: Was ist der Hintergrund dieser ganzen Geschichte, wenn dann – wo doch Sie es als unerträglich empfinden, dass alle Ihre Beamten ein Parteikappel aufgesetzt bekommen –, wenn es um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung geht, die Leute dieses Landes so kurz vor dem Schlafengehen am Abend via Fernsehen erfahren, dass es den obersten Gendarmen dieses Landes nicht mehr gibt? Er ist hinausexpediert worden aus seinem Res


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sort. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich rede jetzt von der Bevölkerung; ganz zu schweigen von den 16 000 Leuten, deren Chef General Strohmeyer war.

Also bitte, wie steht es mit der Motivation der Leute, mit der Motivation, die dieses Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ja erst entstehen lässt? Nur motivierte Gendarmen und nur motivierte Polizisten und nur motivierte Beamte – seien sie auch im Innendienst beschäftigt – sind die Garantie dafür, dass die objektive Sicherheit in Österreich, aber vor allem auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung so groß sind, dass die Menschen unserer Sicherheitsexekutive vertrauen.

Wir tun es, Herr Bundesminister, wir vertrauen der Sicherheitsexekutive. (Abg. Jung: Der Öllinger nicht! – Heiterkeit des Abg. Mag. Mainoni. ) Der einzige, dem wir nicht vertrauen, sind Sie, Herr Bundesminister, Sie auf Grund Ihrer Vorgangsweise! General Strohmeyer ist ja nur ein Beispiel. Bei den anderen ist man halt einen anderen Weg gegangen. Wie war das bei Herrn Dr. Heindl, Chef der Staatspolizei? – Man hat so lange das vermeintliche Einvernehmen mit dem Herrn Stapo-Chef gesucht, bis es ihn auf seinem Posten nicht mehr gegeben hat.

Daher sind diese 40 Minuten Ihrer Erläuterungen wirklich sehr interessant. (Abg. Dr. Khol: 30!) Vielleicht waren es objektiv 30. – Da sehen Sie, Herr Dr. Khol, wie wichtig das subjektive Empfinden ist, wenn es um das Sicherheitsgefühl geht. Ich hatte den Eindruck in meinem subjektiven Gefühl, es waren 40 Minuten. Das ist genau der Punkt, wenn es um die Bevölkerung und um die Sicherheit und um die Maßnahmen geht. (Abg. Dr. Khol: Damit disqualifizieren Sie aber Ihre Ausführungen! Das zeigt, dass Ihr Eindruck Sie trügt!)

Es ist – und jetzt komme ich wieder auf den Stapo-Chef Heindl zurück – das vermeintliche Einvernehmen mit ihm gesucht worden. Da hätten aus den 30 Minuten, Herr Klubobmann, auch 31 werden können, damit wir auch gehört hätten, wie das vor sich gegangen ist. Wie gelingt es Ihnen, die Motivation der Beamten, ob der Höchst- oder auch nicht Höchstbeamten, so weit zu treiben, dass sie ihre eigene Arbeit, die sie bis dahin gemacht haben, so "toll" finden, dass sie sich ins Kammerl verräumen lassen?

Da soll die österreichische Bevölkerung Vertrauen in die österreichische Sicherheitsexekutive, in die Ressortleitung haben? Sie sagen: Super, dieses rot-weiß-rote Ministerium stärkt uns in unserem Vertrauen in die Sicherheitsexekutive! – Da geht es "super" zu, Herr Bundesminister! Das ist ja alles Lug und Trug, das ist scheinheilig. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Für "scheinheilig" habe ich schon einmal einen Ordnungsruf bekommen!)

30 Minuten Berichterstattung Ihrerseits, und ich muss sagen – das kenne ich aus dem Innenausschuss –, mir schwant immer Böses, wenn Herr Minister Strasser einen Beamten lobt. Sektionschef Szymanski. hat Minister Strasser im Zusammenhang mit der Fremdengesetz-Novelle voriges Jahr irrsinnig gelobt. Er sei der Beste, und überhaupt, und er hat immer das Wort an ihn weitergegeben, um zu erläutern, worum es geht, um die Fragen zu beantworten. Mit Herrn General Strohmeyer habe ich Ähnliches nicht erlebt, aber es wurde mir berichtet, dass es sich da genauso verhielt; bei Herrn Dr. Heindl als Chef der Staatspolizei detto.

Jetzt loben Sie hier den Herrn Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Dr. Buxbaum lang und ausführlich. Es ist so, dass Herr Generaldirektor Buxbaum vermutlich – ich kann es jetzt nicht mit Sicherheit sagen – kein schwarzes Parteibuch hat, zumindest nehme ich es an. Jetzt loben Sie ihn in dieser Art und Weise, die Ihnen so eigen ist, und da frage ich mich: Was haben Sie denn demnächst vor mit Herrn Generaldirektor Buxbaum? Was haben Sie mit ihm vor?

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt zu den Schlüssen kommen, die der Herr Minister zieht, wenn er hier Zahlen vorliest.

Ja, no na net, Herr Minister, sind jetzt mehr Beamte im Außendienst tätig. Die Polizei hat ja das Meldewesen abgegeben, und da sind eine Menge Kapazitäten frei geworden. Ja wo denn, wenn nicht im Außendienst, werden diese Beamten jetzt eingesetzt? Ja, no na net! Dafür brauchen Sie sich nicht selbst zu belobigen, dass es jetzt mehr freie Kapazitäten für die Sicherheits


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exekutive im Außendienst gibt. Das ist ja der gesetzliche Auftrag, der damit geschaffen wurde. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ist die Redezeit noch nicht zu Ende?)

Ähnliches wird ja – und jetzt kann man dazu stehen, wie man will – selbstverständlich dann eintreten, wenn das Passwesen und das Fundwesen aus dem Kompetenzbereich der Polizei genommen werden. Da werden Kapazitäten frei werden, die natürlich nirgendwo anders als sozusagen vor Ort und bei der Bevölkerung präsent sein müssen. Selbstverständlich, und das ist es auch, was die österreichische Bevölkerung sich nicht nur wünscht, sondern was sie auch verdient, weil es ihr subjektives und auch objektives Sicherheitsgefühl stärkt.

Aber dafür brauchen Sie sich nicht zu belobigen und keinen Heiligenschein um sich selbst aufzubauen.

Zuletzt komme ich auf das Sicherheitspolizeigesetz zu sprechen. Frau Dr. Partik-Pablé und Sie haben ja die Frage mit der sogenannten Vertrauenspersonenevidenz gestellt. Da stellt sich die Frage: Wozu braucht man in Österreich eine Evidenz über Menschen? – Sie haben dazu das Stichwort geliefert: Fuchs. Herr Fuchs hat mich persönlich, nachdem er gefasst war, auch beschäftigt, aber vor allem und besonders vorher, selbstverständlich ohne ihn zu kennen.

Wozu werden Menschen, die einen sachdienlichen Hinweis zum Fassen von Straftätern wie zum Beispiel im Fall Fuchs gegeben haben und eine ausgelobte Belohnung bekommen – diese hat damals Minister Löschnak ausgesetzt –, wozu werden diese Menschen – in diesem Fall Frauen beispielsweise – in einer Vertrauenspersonenevidenz erfasst? Wozu? – Erklären Sie dem Nationalrat, welchen Zweck es hat, dass in diesem konkreten Fall Menschen, die Geld für einen Hinweis erhalten haben, erfasst werden!

Wozu, frage ich mich außerdem, gibt es, wenn das alles so ist, wie Sie es schildern, die Möglichkeit der falschen Identität? – Es waren Frauen, die die sachdienlichen Hinweise gegeben haben. Wozu brauchen wir eine falsche Identität, wenn Sie und Ihre Beamten mit diesem Gesetz nichts Böses vorhaben, sondern nur brave Hinweisgeber nach spektakulären Kriminalfällen erfassen wollen? – Um solche Fälle geht es ja in der Regel, denn dafür gibt es Auslobungen und öffentliche Belohnungen.

Ich habe einen Verdacht, Herr Minister – und auf diese inhaltlichen Dinge sollten Sie eingehen, wenn es um das Sicherheitspolizeigesetz geht –, weil es hier um ein Spitzelwesen geht, das die Polizei unter Ihrer Führung aufbauen wird und in dessen Rahmen bezahlte Informanten und bezahlte Spitzel, mit neuen Identitäten versorgt, über das Gesetz hinaus handeln könnten. – Das ist der wahre Hintergrund dieser Maßnahmen!

Die gesamte Frage der Legitimität von Grundrechtseingriffen steht zur Debatte. Stichwort DNA, Stichwort Massenscreening, das durch dieses Sicherheitspolizeigesetz möglich wird. Das sind die Punkte, die wir inhaltlich so heftig ablehnen!

Aber bitte, meine Damen und Herren: Was kann man von einem Minister wie Minister Strasser inhaltlich erwarten, der, wenn diskutiert und vorgeschlagen wird, die Leute fliegen lässt?

Inhaltlich leistet er – jetzt ist die Katze ja endlich aus dem Sack – den Beitrag zur autoritären Wende, den er zwei Jahre lang relativ erfolgreich und in manchen Bereichen der Öffentlichkeit immer noch camoufliert hat. Dabei ist es ihm gelungen, durch seine – ich gebe es zu – ausgesprochen wendefähige Darstellung und durch seine Rhetorik die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen. Aber das, was in den letzten Tagen und Wochen passiert ist, ist der Beweis:

Der Lack, Herr Minister, ist ab, und was dann übrigbleibt, ist tief schwarz! Bei Ihnen kann man das mit Sicherheit behaupten. Ihre bisherige Biographie zeigt es ja auch. Aber irgendwie bin ich vielleicht in wenig luziden Momenten der Vorstellung erlegen, dass Herr Minister Strasser tatsächlich rot-weiß-rot ist. – Nein, das ist er sicher nicht! (Beifall bei den Grünen.)


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19.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reindl. – Bitte.

19.24

Abgeordneter Hermann Reindl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Stoisits dürfte den Inhalt dieser Novelle nicht ganz verstanden oder sich mit dem Inhalt nicht befasst haben. (Abg. Großruck: Sie hat es überhaupt nicht verstanden!) Wir werden versuchen, diesen hier und heute noch zu erklären.

Aber zunächst einmal weg vom Personalthema und hin zum eigentlichen Thema, zur Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes, die ein notwendiger Schritt zur Anpassung an die heutigen Verhältnisse ist.

Meine Damen und Herren! Die Reform der Sicherheitsakademie ist zu begrüßen. In Zukunft können neben den Bediensteten des Bundesministeriums für Inneres gegen Kostenersatz auch Bedienstete anderer Körperschaften und Private ausgebildet werden.

Ebenso notwendig ist es, den Zeugenschutz auszuweiten und die verdeckte Ermittlung auszubauen, um im Kampf gegen die organisierte Kriminalität erfolgreich zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ah- und Oh-Rufe bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Sowohl der Grün-Abgeordnete Pilz, ehemaliges Mitglied der Revolutionären Marxisten, als auch meine Vorrednerin, Frau Abgeordnete Stoisits, sprechen im Zusammenhang mit der gegenständlichen Gesetzesnovelle nur davon, dass es zur Einführung eines Spitzelwesens bei der Exekutive käme, dass man ein organisiertes polizeiliches Spitzelwesen einführen, eine Spitzelevidenz aufbauen und ein verschleiertes Spitzelsystem schaffen wolle. – Überall sehen Sie nur Spitzel, Spitzel! (Abg. Dr. Pilz: Spitzel und Vollkoffer!) Ich glaube, rundherum sehen die Abgeordneten der Grünen, Herr Pilz und Frau Stoisits, nur Spitzel! (Abg. Dr. Pilz: Spitzel und Dodel!) Vielleicht war auch unter dem Rednerpult ein Spitzel, vielleicht ist in Ihrer Lade auch ein Spitzel, ich weiß es nicht. Sie sehen nur Spitzel, Spitzel, Spitzel! (Abg. Dr. Pilz: Spitzel und Dodel!)

Dabei ist es gerade der Herr Abgeordnete Pilz, der immer wieder im Besitz von Informationen ist, die nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind. Herr Abgeordneter Pilz! Sagen Sie endlich: Woher haben Sie Ihre Informationen? (Abg. Öllinger: Von Ihnen!) Lüften Sie Ihr Geheimnis! Legen Sie es auf den Tisch! (Abg. Dr. Pilz: Soll ich rauskommen? Wollen Sie es wissen?) Es ist doch nichts dabei! Sie haben hier, Herr Abgeordneter Pilz, in diesem Hohen Haus auf diese Frage einmal geantwortet – können Sie sich noch erinnern? –: Das habe ich in meinem Briefkasten gefunden! – Das waren wahrscheinlich die Heinzelmännchen, oder es war der "ganz große Unbekannte" im Spiel.

Meine Damen und Herren! Die Grünen sind in dieser Frage, wie in so vielen Fragen, inkompetent und total unglaubwürdig. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Hohes Haus! Ebenso unglaubwürdig ist die SPÖ, wenn sie in Presseaussendungen über die verdeckte Ermittlung sagt, sie wäre ein schauriges Paket zur Bürgerüberwachung. Der Sicherheitssprecher der Sozialdemokraten, Parnigoni, hat heute gemeint, das erinnere ihn an Methoden autoritärer Staaten. Er sagte, dies wäre eine Mogelpackung an die Bevölkerung, und bezeichnete den Herrn Bundesminister für Inneres als Unsicherheitsminister.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich frage Sie: Ist das Ihr Beitrag zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität? – Tatsache ist, dass diese Gesetzesnovelle vorsieht, dass Informanten von sich aus, also völlig freiwillig, Informationen an die Exekutive weitergeben.

Frau Abgeordnete Wurm! Für Informanten gibt es keine Legenden, und nur die verdeckten Ermittler erhalten eine andere Identität. Wer sich selbst strafbar macht, der wird natürlich nicht geheim gehalten.

Belohnungen, rechtlich bezeichnet als Auslobungen, hat es immer wieder gegeben. Das ist auch heute noch Standard. Es war der sozialdemokratische Innenminister Löschnak, der da


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mals auch eine Belohnung für die Ergreifung des Briefbombenattentäters ausgesetzt hat. Das war völlig legal! Warum soll es das heute nicht geben, meine Damen und Herren?!

Hohes Haus! Abschließend komme ich auf das Fundwesen zu sprechen. Auch das ist von Ihnen immer wieder kritisiert worden. Bitte, das ist keine Kernaufgabe der hochqualifizierten Polizisten. Mit dieser Neuregelung des Fundwesens fällt eine weitere Verwaltungsaufgabe weg, und somit kann sich die Exekutive wieder auf jene Aufgaben besinnen, für die sie eigentlich da ist, nämlich für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit in unserem Land. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.

19.29

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute auch über Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz. Diese wurden bereits mehrmals erwähnt. Meine Fraktion wird – auch das wissen Sie bereits – dieser Regierungsvorlage die Zustimmung verweigern. (Abg. Murauer: Na geh! – Abg. Schwarzenberger: Das "überrascht" uns aber!)

Die Gründe hierfür sind gravierend: Sie montieren Schritt für Schritt wesentliche Elemente von dem ab, was sich Österreicherinnen und Österreicher schwer erkämpft haben, nämlich Menschenrechte sowie eine Exekutive, die einer demokratischen Kontrolle unterliegt. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Sicherheitspolizeigesetz ermöglicht es, dass die Polizei in Zukunft auch private Personen gegen Entgelt zur verdeckten Ermittlung einsetzt und diese sogar mit einer falschen Identität ausstattet. Eine elektronische Datenbank soll eingerichtet werden, in der auch sensible und strafrechtsbezogene Daten gespeichert sein sollen. Derartige Methoden, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Bundesminister, sind aus demokratiepolitischen Gründen auf das Schärfste abzulehnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Fehlende Kontrolle und Verantwortlichkeit der eingesetzten Personen ermöglichen es dem Innenminister, neben dem regulären Apparat eine Geheimpolizei aufzubauen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wird ja immer ärger, die Spekulation! Das hat Ihnen der Parnigoni eingesagt!) Bei allen Demokraten müssten spätestens heute die Alarmglocken läuten.

Meine Damen und Herren! Diese Geheimdatei ist eine tickende Zeitbombe, die – ohne dass die Richtigkeit und Herkunft der Daten überprüfbar wären – gegen jede Privatperson eingesetzt werden könnte. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Frau Partik-Pablé, warten Sie, ich werde Ihnen gleich ein Beispiel schildern.

Dass wir Politiker als "gläserne Menschen" agieren, ist schon schlimm, aber dass die gesamte Bevölkerung bespitzelt und durchleuchtet wird, ist auf das Schärfste abzulehnen. Wir brauchen daher kein "Polizeispitzelgesetz"! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen jetzt eine Begebenheit schildern, die mir vor einigen Wochen passiert ist. Ich bekam einen Anruf, verstand aber nur das Wort "Alarmabteilung", weil der Anrufer seinen Namen so undeutlich aussprach, dass ich ihn nicht verstand. Sind Sie Frau Katharina Pfeffer, und ist das Ihre private Telefonnummer?, wurde ich gefragt. Auf meine Frage, was denn los sei, meinte der Anrufer, es sei ein Fax von seiner Abteilung an mich ergangen, und er wolle überprüfen, ob das stimme. Ich bestätigte den Erhalt des Fax. Der Inhalt – hören Sie zu! – betraf die Meldung der Teilnehmer für einen internationalen Jiu-Jitsu-Lehrgang, .der im Sommer stattfinden wird.

Auf mein Erstaunen hin, ob denn die Polizei nichts anderes zu tun hätte, als die Faxe zu zählen und zu kontrollieren, meinte der Anrufer ungehalten, man müsse ganz einfach Stichproben machen, und er wäre daran interessiert, welche Faxe aus seiner Abteilung hinausgehen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Dieser Vorfall hat mich damals sehr nachdenklich gestimmt, und ich konnte ihn nicht vergessen. Das heute zu behandelnde Gesetz bestätigt mir leider meine damaligen Bedenken.

Ich bin seit einer Woche Mitglied des Innenausschusses, und bei meiner ersten Sitzung habe ich versucht, den Herrn Bundesminister für mich persönlich einzuschätzen. Aufgefallen ist mir: Als man Herrn Bundesminister Strasser vorwarf, die Politik des Landeshauptmannes Pröll im Ministerium fortzuführen, da konnte er darüber herzlich lachen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ja ganz arg! Direkt suspekt!)  – Mir nicht, Frau Dr. Partik-Pablé!

Ich weiß heute, dass es ein Verlegenheitslachen war, denn genau das, was man dem Herr Bundesminister vorgeworfen hat, ist eingetroffen. Kritische Menschen werden mundtot gemacht, indem man sie in einer Nacht- und Nebelaktion versetzt und kaltstellt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Spitzelgeschichten!) Es wurde schon erwähnt: Der bewährte Gendarmeriegeneral Strohmeyer und der Stapo-Chef Heindl sind nur zwei bekannte Opfer Ihrer Politik.

Herr Bundesminister! Sie betreiben eine parteipolitische Machtpolitik, die zum Schaden der Republik führt. Aber auf diese Republik haben Sie einen Eid geschworen. Rufen Sie sich das endlich wieder in Erinnerung! (Beifall bei der SPÖ.)

19.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. – Bitte.

19.33

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Diese Regierung ist angetreten, um ein sicheres Österreich zu gestalten und das Sicherheitsgefühl der Bürger in unserem Land zu heben. Ich möchte Herrn Bundesminister Strasser und seinen Beamten für die Ausarbeitung des neuen Sicherheitspolizeigesetzes danken. Es ist ausgewogen und nimmt besonders auf die Beamten und Zeugen Rücksicht.

Die Kritik der Opposition ist völlig unbegründet. Es soll hier keine neue Geheimpolizei geschaffen werden, sondern es soll der Exekutive die Möglichkeit gegeben werden, mit der organisierten Kriminalität fertig zu werden. Auch bei der Ausbildung der Sicherheitsorgane werden durch das Sicherheitspolizeigesetz notwendige Reformen eingeleitet.

Bundesminister Strasser hat, seit er dieses hohe Amt übernommen hat, sein Ohr am Pulsschlag der Zeit. Ein guter Beweis dafür ist seine unermüdliche Arbeit und sein Bemühen, zu reformieren, zu modernisieren und das Leben der Bürger sicherer und einfacher zu gestalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Er ist ein Verfechter der Verwaltungsreform, und zwar an den richtigen Stellen, und diesen Reformen können sich natürlich auch die Spitzenbeamten nicht verschließen.

Der Erfolg gibt ihm Recht: Die Kriminalität geht stark zurück. Der jüngste Sicherheitsbericht zeigt dies: in Oberösterreich zum Beispiel um minus 12,1 Prozent, und in ganz Österreich um minus 7 Prozent.

Früher wurde bei den Beamten, die auf der Straße ihren Dienst versehen, gespart. Diesen Trend hat Bundesminister Strasser gestoppt. Er spart in der inneren Verwaltung. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) Die Übertragung des Fund- und Passwesens auf die Gemeinden ist ein weiterer wesentlicher Schritt. Ziel ist es, den Kontakt der Bürger zu den öffentlichen Einrichtungen zu vereinfachen und die Organe zu entlasten.

Es gab doch immer Kritik an den artfremden Tätigkeiten unserer Exekutive. Dieses Entfrachten der Exekutive von einer Last, die nicht die ihre ist, bedeutet eine große Entlastung zum Wohle der Bevölkerung.


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Jemand, der nichts zu verbergen hat, muss sich auch vor verdeckten Ermittlern nicht fürchten. Deren Ziel ist es nicht, Zaungespräche zwischen Nachbarn abzuhören, sondern die Strukturen des weit verzweigten Netzwerkes der organisierten Kriminalität aufzubrechen. Von diesen Beamten abwegig als "Spitzel" zu sprechen, finde ich zumindest traurig, wenn nicht beschämend! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich persönlich habe große Achtung vor diesen Menschen. Es ist auch falsch, zu behaupten, Informanten bekämen eine Tarn-Identität. Nur Ermittler werden mit einer solchen versehen.

Der Einwand, dass Informanten unter Umständen straffrei ausgehen könnten, ist ebenfalls falsch. Wenn ein Informant sich straffällig macht, dann wird er verfolgt wie jeder andere Straffällige.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Löschung der Daten unschuldiger Bürger aus den Polizeicomputern. Daten von Personen, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen, werden nach dem neuen Sicherheitspolizeigesetz aus den Computern gelöscht. Das ist ein klarer Schritt in Richtung mehr Demokratie und Gerechtigkeit!

Die Möglichkeit, sich in Zukunft freiwillig DNA-Tests zu unterziehen, wenn Spuren am Tatort hinterlassen wurden, erleichtert das Leben der Ermittler und beschleunigt die Aufklärung.

Ich bin überzeugt: Alles in allem ist dieses Sicherheitspolizeigesetz ausgewogen und gerecht. Es nimmt auf die Interessen der Menschen und auf ihr Recht auf Sicherheit Rücksicht. Mein Dank gilt da besonders Bundesminister Dr. Strasser, dem ich zu diesem ausgereiften Gesetzentwurf gratulieren möchte, dem ich meine Zustimmung versichere und dem ich auch weiter mein Vertrauen ausspreche. Ich bin davon überzeugt, dass das auch die Mehrheit in diesem Hohen Hause heute tun wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Freund begibt sich zur Regierungsbank und reicht Bundesminister Dr. Strasser die Hand.)

19.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiermaier. – Bitte.

19.37

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir über die Sicherheitspolizei reden, dann müssen wir auch über eine Entwicklung reden, die vor kurzem noch für Schlagzeilen gut war, nämlich über das Thema Bürgerwehr.

Diese bedenkliche Einrichtung deckt sich mit einer Gesamtphilosophie, die zurzeit in unserem Lande sehr aktuell ist. "Weniger Staat, mehr privat" lautet der einheitliche Tenor bei der Post, der Bahn, den Postbussen und natürlich – wie kann es denn anders sein! – jetzt auch bei der Exekutive.

Allerdings gibt es diesbezüglich keine große Zweisamkeit. Der Innenminister lehnt zum Glück diesen Unfug, nämlich diese Bürgerwehr ab, die ja für die Demokratie nicht gerade ungefährlich ist. Das erinnert ja an Zeiten, die längst vorbei sind, meine sehr geehrten Damen und Herren, und die sich absolut nicht wiederholen dürfen! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Ja, der Chef macht eine "besonders" gute Figur! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist die alte Rede! Die haben wir schon vor 14 Tagen gehört!)

Wenn es in diesem Lande Kräfte gibt, die sich diese damaligen unseligen Zustände wieder herbeiwünschen, dann werden wir uns – und damit meine ich alle aufrechten Demokraten dieses Landes – mit allen Mitteln dagegen zur Wehr setzen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die öffentliche Sicherheit ist auch eine öffentliche Aufgabe, und es kann nicht einfach irgendeine Truppe sich irgendwann eine Uniform anziehen und einfach hingehen und amtshandeln. So spielen wir das nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren!


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Ein Vergleich mit der Parkraumbewirtschaftung ist da absolut unangebracht. Es kann einfach nicht akzeptiert werden, dass da so herumgefuhrwerkt wird.

Wir akzeptieren eine demokratisch organisierte Polizei und Gendarmerie, die sich an Menschenrechtsstandards orientiert und für den Dienst am Bürger steht. Wo würde man den hinkommen, wenn jeder, dem es gerade passt, seine Mitbürger fotografieren und je nach Lust und Laune Protokolle anfertigen würde?!

Aber diese Fragen würden sich gar nicht stellen, wenn nicht anstatt früherer ÖVP-Forderungen nach zusätzlichen Dienstposten nun bei der Exekutive Kürzungen gegeben wären. Ich höre immer wieder, der Innendienst werde reduziert und die Leute müßten hinaus auf die Straße. – Da frage ich mich: Was haben die Beamten früher im Innendienst gemacht? Haben die Karten gespielt, oder was war da? – Die Beamten im Innendienst haben sehr wohl Arbeit zu leisten gehabt, aber diese Arbeit wird reduziert.

Die derzeitige Regierung spart an der Sicherheit, aber die Sicherheit ist eines der höchsten Güter unseres Landes, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist die negative Folge dieser Politik, die sich auch verstärkt im ländlichen Raum auswirken wird. Darauf können wir warten.

In diesem Zusammenhang noch ein paar Worte zum Waffengesetz, bei dem die ÖVP wiederum eine Vertagung zustande gebracht hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie viele Opfer müssen noch sterben – wohlgemerkt: durch legale Waffen –, bis hier endlich einmal nicht mehr blockiert wird?

Ein besonderes Anliegen ist uns auch die Ermöglichung einer engen Kooperation der österreichischen Exekutive mit der unserer Nachbarländer. Damit meinen wir natürlich ganz besonders die östlichen, die nördlichen und die südlichen Nachbarn. Wir sind nicht nur davon fest überzeugt, dass die Exekutivbeamten Freundschaftstreffen veranstalten und einen guten Draht zueinander haben, sondern wir sind auf Grund jahrelanger Erfahrung mit unseren westlichen Nachbarländern auch davon überzeugt, dass es da zu einem konstruktiven, gegenseitigen Erfahrungsaustausch und wertvoller gegenseitiger Unterstützung kommen kann. Gerade die EU-Beitrittskandidaten werden das sehr wohl auch zu schätzen wissen.

Die Vorgangsweise bezüglich General Strohmeyer wurde heute schon eingehend "gewürdigt". – Ich muss sagen: Er ist ein Gendarm vom Scheitel bis zur Sohle, ein aufrechter und tapferer Mann, der dann redet, wenn es sein muss, und ein Mann des aufrechten Ganges.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines ist dabei auf jeden Fall klar: dass diese Vorgangsweise auch bei jenen Menschen auf Ablehnung stößt, die mit der derzeitigen Regierung sympathisieren. In der Presse hat es diesbezüglich geheißen, Kälte und brutale Machtpolitik seien die Markenzeichen dieser Regierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierung hat dafür eine Schablone gefunden. Der Herr Bundeskanzler hat heute früh gesagt, blau-schwarz sei ein Lagerdenken, und das sei nicht erwünscht. – Wie Recht er doch hat! Nur leider ist es die Realität in diesem Lande.

Die Schablone, die sich die Regierung gibt, kann man in Niederösterreich finden, und zwar ganz deutlich: Kein einziger Bezirkshauptmann in Niederösterreich gehört nicht der ÖVP an! Die Landesverwaltung in Niederösterreich ist zu 100 Prozent ÖVP-organisiert. Die Straßenverwaltung: zu 100 Prozent ÖVP-organisiert. Die Landeskrankenanstalten: zu 100 Prozent ÖVP-organisiert.

Wissen Sie, was ich Ihnen sage? – Wenn man heute als Andersdenkender versucht, in den Landesdienst zu treten, dann genügt ein Parteibuch nicht. Da muss der Großvater schon beim christlich-deutschen Turnverein gewesen sein, sonst hat man überhaupt keine Chance, dort hineinzukommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Parnigoni: Das haben Sie als Parteisekretär in Niederösterreich immer inszeniert, Herr Minister Strasser! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

19.43


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106. Sitzung / Seite 189

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte.

19.43

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Rede meines Vorredners Kiermaier ist eine interessante Mischung: Er beschwert sich darin über Parteibuchpolitik. Gerade die SPÖ ist es, die sich jetzt über Parteibuchpolitik beschwert! Ja, sagen Sie: Haben Sie das in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nicht selbst alles betrieben – bis zum Exzess betrieben, peinlichst betrieben, meine Damen und Herren von der SPÖ?! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Bemerkenswert ist auch die Gesinnung des Herrn Abgeordneten Parnigoni, des Herrn Klubobmannes Cap, aber natürlich auch des Herrn Pilz und der Frau Stoisits, die da mit Aussagen kommen wie zum Beispiel: "Spitzelmethoden", "die Zeitbombe tickt" angesichts dieser Gesetzesvorlage, "außerordentlich bedenklich" sei das alles, ein "Unsicherheitsminister", ja sogar ein "Unwahrheitsminister" sei der Herr Innenminister. Der Abgeordnete Pilz kommt dann noch und sagt, das sei das private, verdeckte Spitzelsystem des Innenministers Strasser. – Meine Damen und Herren! Das zeigt eigentlich Ihre wahre Gesinnung!

Worum geht es? – Wir haben hier in Österreich ein Bedrohungsszenario, das es dringend erfordert, den Terrorismus zu bekämpfen, aber nicht nur den Terrorismus, sondern auch die organisierte Kriminalität. Wir müssen der Exekutive das Rüstzeug für die effiziente Bekämpfung des Terrorismus in die Hand geben, und das machen wir mit dieser Gesetzesvorlage! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Zeugenschutzprogramm auch für die nahen Angehörigen und zu der hier in Diskussion stehenden Vertrauenspersonenevidenz im § 54b Sicherheitspolizeigesetz: Wenn es nach mir ginge, dann wäre durchaus alles drinnen gestanden, dann wäre nämlich auch drinnen gestanden, die Sicherheitsbehörden dürfen auch unter Mitwirkung von Menschen, die nicht Bedienstete einer Sicherheitsbehörde sind, verdeckt ermitteln.

Meine Damen und Herren! Das ist die Wahrheit! Wenn uns jetzt der Verfassungsdienst sagt, dass es nicht sinnvoll sei – na gut. Faktum ist es auf jeden Fall, das wissen wir, und es ist auch notwendig, um nämlich die organisierte Kriminalität zu bekämpfen, um Suchtgiftbekämpfung zu betreiben, um das Schlepperunwesen zu bekämpfen, um den Menschenhandel in der organisierten Kriminalität zu bekämpfen, um die Geldfälschung zu bekämpfen. Es geht nämlich nicht immer so einfach, dass man Beamte einschleust. Mitunter ist man sehr wohl auf Personen angewiesen, die gegen Geld sehr wichtige Informationen geben.

Wir alle kennen den Begriff "Zund". Dieser allgemein bekannte Begriff wird insbesondere hier in Wien verwendet, und nach einem guten Zund ist schon so mancher hinter Gitter gegangen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und so soll es auch sein. Aber wenn Sie glauben, dass es hier in Österreich keine Beispiele gibt, dann kann ich Ihnen auch ein Beispiel aus den USA bringen: Der größte Mafia-Verbrecher seit Al Capone, der kürzlich verstorbene John Gotti, ist letztendlich nur durch derartige Informationen, die gegen Geld gegeben wurden, ins Gefängnis gewandert. Das sind die Erfolge!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Exekutive braucht wirksame Instrumente zur Verbrechensbekämpfung, und von uns bekommt sie diese Instrumente. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte. (Rufe bei den Freiheitlichen – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Wurm –: Gisi! Gisi! Gisi! – Abg. Mag. Stoisits: Das ist ja abenteuerlich! – Abg. Dr. Pilz: Herr Präsident! So geht das nicht!)


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106. Sitzung / Seite 190

19.47

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Mainoni hat in seiner Rede tatsächlich behauptet, dass die Polizei bei der Ermittlung Methoden anwendet, die gegen das Gesetz, die contra legem wären. Herr Minister! Ich glaube, das sollten Sie sich anschauen. Ich glaube nicht, dass die Polizei in Österreich gegen das Gesetz agiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird heute bei dieser Gesetzesvorlage ja auch die Ausgliederung des Passwesens beschlossen. Das möchte ich zum Anlass nehmen, um auch über die letzte Ausgliederung zu reden, und zwar die Ausgliederung des Meldewesens. Auch das Meldewesen hat man schon ausgegliedert. Sie sagen, das sei gut, das sei eine große Verwaltungsvereinfachung, und Sie loben diese Maßnahme in den höchsten Tönen.

Herr Bundesminister! Ich halte Ihnen entgegen: Es ist eine massive Verschlechterung für die Bevölkerung, für die Bürgerinnen und Bürger eingetreten. Vor dieser Umstellung konnte man sich praktisch rund um die Uhr anmelden. Das ist jetzt – zumindest in meiner Hauptstadt, also in Innsbruck – nicht mehr möglich. Jetzt muss es zu den Amtsstunden des Magistrats erfolgen, und das bedeutet oft, sich zumindest einen halben oder einen ganzen Tag Urlaub nehmen zu müssen. Das ist eine massive Verschlechterung. (Abg. Miedl: Das ist keine klassiche Polizeiaufgabe! Genau das ist der Punkt!)

Das sagen Sie als Exekutivbeamter, Herr Abgeordneter Miedl. Ich sage Ihnen – und ich habe diese Information von Ihren Kollegen –, dass es für die Polizei dadurch schwieriger geworden ist, die entsprechenden Daten entsprechend schnell zu bekommen. Daher ist es oft schwierig, einen Täter zu fassen, denn bis die Daten da sind, ist der schon längst über alle Berge – und auch in der Ebene ist er weg, nämlich über die Grenze. Das ist eine Verschlechterung! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister! Wenn wir nächstes Jahr wieder über den Sicherheitsbericht diskutieren, dann wird vielleicht die Aufklärungsquote weiter gesunken sein, weil auch das verschlechterte Meldewesen ein Mosaiksteinchen dazu ist, dass weniger Verbrechensaufklärung in diesem Land geschieht.

Was mir auch noch sehr wichtig und wesentlich ist, was diese Gesetzesmaterie und die Ausgliederungen betrifft: Wenn nun das Meldewesen, das Passwesen und das Fundgegenständewesen ausgegliedert werden, dann betrifft das zum Beispiel in Innsbruck 17 Beamtinnen – 17 Beamtinnen, die nicht wissen, was sie tun werden. Immerhin wird schon seit März ausgegliedert. Diese Beamtinnen wissen nicht, wo sie in Zukunft ihren Dienst tun werden, ob das irgendwo in einem anderen Bundesland sein wird, und welche Arbeit sie verrichten sollen.

Das ist keine Politik, wie ich sie mir von einem Arbeitgeber – in diesem Fall vom Innenminister – wünschen würde. Ich wünsche mir, dass diese Frauen, diese Beamtinnen auch erfahren, wie ihr zukünftiges berufliches Schicksal aussieht.

Wenn Sie jetzt sagen, dass diese Beamtinnen, deren Schreibtische geräumt werden, dann auf Streife, auf Verbrechersuche gehen und schauen sollen, dass das Land sicherer wird, dann sage ich Ihnen, Herr Mainoni – Sie nicken dazu –: Diese Beamtinnen haben die Ausbildung dafür nicht! Sie können nicht auf der Straße Dienst versehen! Sie bräuchten dafür eine Zusatzausbildung. Normalerweise braucht man für so etwas noch eine zusätzliche Ausbildung von zwei Jahren. Das ist eine Milchmädchenrechnung, Herr Bundesminister, das stimmt so nicht! Diese Beamtinnen können nicht einfach für den Außendienst eingesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Als nächsten Punkt möchte ich die Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes ansprechen, die mit dieser Regierungsvorlage auch beschlossen wird. – Es wurde heute schon des Öfteren darüber gesprochen: Nachdem Sie am 4. Februar 2000 in diese Bundesregierung eingetreten sind – Sie haben das heute auch bereits erwähnt –, war eine Ihrer ersten Maßnahmen, Herr Bundesminister, die Einführung der erweiterten Gefahrenerforschung im Juni des Jahres 2000. Das war ein massiver Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte in diesem Staat, und mit dieser Ge


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106. Sitzung / Seite 191

setzesvorlage, Herr Bundesminister – jedes Jahr eine Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes – setzen Sie diesen Weg fort.

Was bedeutet denn diese Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes? – Natürlich kann da eine private Geheimdatei angelegt werden! Natürlich sollen da wieder Dateien, wie zum Beispiel die Häftlingsdatei, angelegt werden! Darin sind dann zum Beispiel Daten eines Untersuchungshäftlings genauso erfasst, egal, ob sich der Verdacht erhärtet oder nicht, ob er also schon lange wieder in Freiheit ist. – Das ist mit meinem Menschenrechtsbegriff nicht vereinbar, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch etwas mit auf den Weg geben, Herr Bundesminister, Ihnen, der Sie in diesem Bundesministerium so viel umstrukturieren. – Umstrukturierung scheint überhaupt die neue Zauberformel zu sein: Umstrukturierung bedeutet, dass sich jene Beamten, die von der Umstrukturierung betroffen sind, auf einmal nicht mehr auf ihrem Posten befinden! Das ist die Umstrukturierung à la Strasser! Herrn Szymanski hat es getroffen, Herrn Dr. Heindl hat es getroffen, Herrn Dr. Strohmeyer hat es getroffen, und und und. Im schlimmsten Fall, wie bei Dr. Strohmeyer, wird man dann eben strafversetzt. (Abg. Mag. Schweitzer: Lauter Rote!)

Das ist etwas, was nicht sein sollte und was der Sicherheit in diesem Staat nicht dient! (Abg. Mag. Schweitzer: Wieso können sie denn keinen Freiheitlichen versetzen? – Weil es keinen gibt! – Gegenruf bei der SPÖ: Das ist ja euer Problem! – Abg. Dr. Niederwieser  – in Richtung Freiheitliche –: Das ist ja nicht unser Problem, dass ihr keine habt!) Das ist etwas, womit man der Sicherheit in diesem Staat nicht dient, Herr Bundesminister!

Daher möchte ich noch einmal einen Appell an Sie richten: Das Innenministerium ist ein sehr sensibles Ministerium. Sie sollten da vorsichtig handeln und die Demokratie- und Freiheitsrechte schützen und achten – und nicht über sie drüberfahren. (Beifall bei der SPÖ.)

19.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte.

19.54

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heute zu beschließende Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz ist ein Meilenstein in der österreichischen Sicherheitspolitik. Endlich werden der Exekutive die Werkzeuge in die Hand gegeben, die sie benötigt, um effizient gegen die organisierte Kriminalität vorgehen zu können. Es geht nicht, wie von der Opposition und zuvor auch von Ihnen, Frau Mag. Wurm, behauptet wurde, um die Schaffung einer privaten Geheimpolizei, sondern um eine schon lange überfällige Angleichung an internationale Standards.

Für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist die neue Regelung im Zeugenschutz ganz wesentlich. Bisher wurde nur der Zeuge selbst geschützt, indem man ihn mit einer neuen Identität versehen hat, seine Familie aber wurde nicht mit eingeschlossen. Diese Lücke wird mit dem neuen Gesetz geschlossen.

Das Wissen um den eigenen Schutz und den Schutz der nächsten Angehörigen wird es vielen erleichtern, ihr Wissen um kriminelle Machenschaften offen zu legen. Auch die Möglichkeiten der Exekutive werden wesentlich erweitert, damit sie der Bevölkerung maximalen Schutz gewährleisten kann. Eine Scheinidentität des Ermittlers, wie in vielen anderen Staaten schon lange üblich, wird nun auch bei uns Realität. Ich möchte an dieser Stelle auch den vielen Ermittlern danken, denen die Sicherheit ihrer Mitbürger über ihre eigene Sicherheit geht. In riskanten und oft langwierigen Einsätzen gehen sie bis an die eigenen Grenzen, um die Sicherheit unseres Landes zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diesen Frauen und Männern gebührt unser besonderer Dank. Das neue Sicherheitspolizeigesetz dient auch ihrem Schutz. Die Möglichkeit, Scheinfirmen zu gründen oder Wohnungen unter falschem Namen zu mieten, erweitert ihren Handlungsspielraum und dient der effizienten Aufklärung von Verbrechen. Unsere Exekutive wird perfekt auf die neuen Herausforderungen vorbereitet.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Opposition wirft Minister Strasser immer wieder vor, er würde das Innenministerium umfärben. (Abg. Dr. Niederwieser: Ja, genau!)  – Meine Damen und Herren, umfärben kann man nur etwas, was eingefärbt ist! (Beifall bei der ÖVP.) Das stimmt: Das Innenministerium war lange rot eingefärbt. (Abg. Dr. Keppelmüller: Er färbt von rot-weiß-rot auf schwarz um!)

Minister Strasser ist ein rational denkender Mensch. Er arbeitet für die Zukunft unseres Landes, und dabei ist ihm gleichgültig, mit wem er zusammenarbeitet, solange die Arbeit nur konstruktiv ist. Das Interesse der Bürger dieses Landes muss dabei im Mittelpunkt stehen. Der Vorwurf des Postenschachers ist lächerlich. Minister Strasser ist dafür bekannt, konstruktiv mit Beamten aller Couleurs zusammenzuarbeiten. Für gute Ratschläge ist er immer offen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte sagen, er ist der Inbegriff dieser Verwaltungsreform. Sie ist ihm ein persönliches Anliegen, dem er seine ganze Kraft widmet. Minister Strasser arbeitet unermüdlich (Abg. Dr. Niederwieser: ... bei der Freiwilligen-Arbeit auszeichnen!), um die Sicherheit auf der Straße zu erhöhen und den Bürgern optimalen Schutz zu bieten. Er ist der erste Minister seit langem im Innenministerium, der nicht bei den Polizisten beziehungsweise den Gendarmen auf der Straße spart, sondern der versucht, die Verwaltung zu reformieren und alte, verkrustete Strukturen aufzureißen. Sein Motto lautet: Kein Gendarm, kein Polizist weniger, sondern viele mehr auf der Straße!

Für seinen persönlichen Einsatz, für den er oft ungerechtfertigte und unsachliche Kritik ertragen muss, danke ich ihm recht herzlich! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Niederwieser: Jetzt brauchst du langsam ein Weihrauchfass!)

19.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte.

19.58

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, Sie haben einige tüchtige Beamte erwähnt. Ich glaube, dass es auch gut und sinnvoll ist, hier darauf hinzuweisen, dass unsere Exekutive tüchtig ist und dass sie einen vollen Einsatz leistet. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Sie aber fragen, was Sie in Ihrem Ressort mit einer ganzen Reihe von sehr wohl sehr tüchtigen, fleißigen und loyalen Menschen tun. Sie schieben diese Leute einfach auf die Seite, Sie verwenden verschiedenste Tricks und Maßnahmen, um Beamte loszuwerden, die kritisch sind oder die Ihnen parteipolitisch nicht ins Konzept passen.

Es geht nicht um Einsparungen. Es geht darum, unliebsame Menschen loszuwerden, es geht darum, Kritik einzubremsen, und es geht darum, Ihr Ressort anders zu besetzen.

Beispiel Szymanski: Sie haben aus einer Sektion zwei Sektionen gemacht und haben bei dieser Gelegenheit aus der Fremdenrechtssektion die meisten Aufgaben entfernt und einem Parteigänger von Ihnen zugewiesen. Jetzt sagen Sie, dass die Sektion Szymanski überflüssig ist (Abg. Parnigoni: Zu wenige Aufgaben! – Skandalös!), und schicken ihn in den Vorruhestand. – Das ist das, was Sie tun! Es geht hiebei um keine Einsparung, sondern in Wirklichkeit wollen Sie einen Beamten, der immer loyal war, eine hohe Expertise hat und immer tüchtig war, schlicht und einfach loswerden. Das ist das, Herr Bundesminister, was wir Ihnen vorwerfen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ähnliches lässt sich auch zu Dr. Heindl und zu General Strohmeyer sagen. Sie haben jetzt einfach eine Gelegenheit kalt benützt. Herr General Strohmeyer ist bekannt dafür, dass er sehr engagiert ist, dass er sich sehr um Reformen bemüht. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch einen Leserbrief eines Personalvertreters und Gendarmen vorlesen, der Folgendes schreibt:


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"Dem Menschen Oskar Strohmeyer, unserem General, der in der Sache Recht hat, mit offenem Visier um die Erhaltung der Gendarmerie kämpft, in seiner Führungsrolle die Menschlichkeit nicht vermissen lässt, der notwendige und sinnvolle Reformen in der Gendarmerie nicht nur unterstützt und umsetzt, sondern auch selbst angeregt hat, wird durch die unrühmliche und gefühlskalte Vorgangsweise der Mächtigen arges Unrecht zugefügt."

Herr Bundesminister Strasser, dem kann man nichts mehr hinzufügen. Das ist leider in diesem Fall wirklich geschehen.

Ich möchte aber noch einige Worte zum Sicherheitspolizeigesetz sagen, weil auch hier ver-schleiert wird, welche Gefahren hinter manchen Bestimmungen lauern.

Ein Thema ist die Vertrauenspersonenevidenz. Herr Bundesminister! Das, was Sie uns gesagt haben – dass Sie diese Vertrauenspersonenevidenz nur dazu brauchen, um zu verhindern, dass jemand sich mehrmals, an verschiedenen Stellen, eine Belohnung holt –, das kann ich nicht ernst nehmen. Das kann, bitte, nicht Ihr Ernst sein, Herr Minister! Das gibt es nicht, dass allein aus diesem Grund eine ganze Evidenz angelegt wird. Das ist einfach nicht wahr, Herr Minister! Ihre Aussagen machen uns misstrauisch, und daran sind Sie selbst schuld. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben zwar den Bedenken des Verfassungsdienstes Rechnung getragen und die Ermächtigung wieder aus dem Gesetz entfernt, aber es bleibt bei uns doch der Verdacht, dass es unter der Hand weiterhin möglich sein wird, private Personen einzusetzen. Auf diese Weise werden Sie ein Klima der Unsicherheit schaffen, und es gibt keine Kontrolle. Das ist eines der Hauptprobleme, die wir sehen: Es gibt keine Kontrolle. Deshalb können wir nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Egghart. – Bitte.

20.03

Abgeordneter Robert Egghart (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz gibt der Polizei das Werkzeug in die Hand, das sie in der modernen Verbrechensbekämpfung braucht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz mit ihren Auswirkungen, wie beispielsweise neue Datenschutzregelungen im DNA-Bereich und Ähnliches, enthält Schwerpunkte, die vor allem eine moderne Arbeitsweise der Polizei ermöglichen und unterstützen sollen. Dabei geht es vor allem um den Bereich des Zeugenschutzes, um die Möglichkeiten verdeckter Ermittlungen, aber auch um eine Entlastung der Polizei und eine Beschränkung auf ihre Kernaufgaben, etwa dadurch, dass das Passwesen und das Fundwesen von der Polizei in den Zuständigkeitsbereich des Bürgermeisters der jeweiligen Stadt übertragen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem der Herr Bundesminister gerade in letzter Zeit mit so vielen Angriffen konfrontiert war, in denen man ihm laufend vorgeworfen hat, dass er ungerechtfertigte Versetzungen durchführt, ist es nun wirklich an der Zeit, auch einmal hervorzuheben, was er in dieser schwarz-blauen Regierung zustande gebracht hat – ich verweise hiezu auf seinen Sicherheitsbericht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man braucht sich nur anzusehen, wo laut diesem Sicherheitsbericht das große Problem liegt: Es liegt im Bereich der Drogen. Auch hier hat die Polizei sofort richtig agiert – Sie brauchen nur die heutige "Kronen Zeitung" zur Hand zu nehmen: "Großrazzia in Wien: 26 Festnahmen". – Es wurde also wieder ein Kernbereich der Drogenszene aufgedeckt. Man kann der Wiener Polizei nur dazu gratulieren, dass sie hier so hart durchgreift. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Besonders wichtig finde ich es, dass wir aus dem Verwaltungsbereich herausgehen. Der Herr Bundesminister hat es bereits erwähnt: 200 Beamte weniger im Innenbereich, 400 Beamte


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mehr draußen auf der Straße. Das ist etwas, was für uns im Sicherheitsbereich wirklich sehr wesentlich ist. Weil Abgeordneter Kiermaier zuerst gemeint hat, wo denn die Gendarmen seien: Er möge vielleicht seinen Kollegen Leikam fragen, dann wird er es wissen! Sie sind im Straßeneinsatz! (Abg. Dr. Mertel: Das war aber eine "pointierte" Bemerkung!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weil immer wieder davon gesprochen wird, dass die Personalpolitik parteipolitisch gestaltet würde, möchte ich auf den Kommentar von Christoph Kotanko im heutigen "Kurier" verweisen – ich zitiere –:

"Strasser kam in ein Ministerium, in dem alle Sektionsleiter, alle Gruppenleiter, alle Leiter der 14 Polizeidirektionen, alle Landesgendarmeriekommandanten mit SPÖ-Vertrauten besetzt waren. Die ÖVP wurde nach detaillierten Absprachen mit zweitrangigen Posten zufrieden gestellt. Die Durchflutung aller Bereiche mit Parteipolitik hat Tradition im Innenministerium" seit Olah, also immerhin seit 1964.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen, vor allem von der linken Reichshälfte, nur nahelegen, sich selbst an die Brust zu klopfen, und Ihnen sagen: Diese Republik ist unter dieser schwarz-blauen Regierung kein Selbstbedienungsladen!

Ich möchte mich von dieser Stelle aus beim Bundesminister und bei seinen Beamten für die hervorragende Führung des Ministeriums bedanken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. – Bitte.

20.06

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich benütze die Debatte zum Sicherheitspolizeigesetz natürlich auch dazu, um auf ein bisschen etwas anderes, was aber damit zusammenhängt, mit hinzuweisen. Mir fällt nämlich auf, dass die Sachdiskussion gerade im Bereich Ihres Ministeriums, die Sachdiskussion mit Ihnen, durch ein wachsendes Misstrauen der Opposition – und vielleicht nicht nur der Opposition, sondern man merkt es auch in den Medien – leidet.

Herr Minister! Sie stellen sich immer wieder hin und erklären uns stereotyp: Strukturveränderung! Verbesserung! Die Posten weg von den Schreibtischen in der Verwaltung und hinaus vor Ort! – Die Bemerkung zu Toni Leikam, zu der Tatsache, dass sie gerade ihn erwischt haben, mag zwar sehr witzig gewesen sein, aber Sie wissen, Herr Minister: Es ist, obwohl wir offensichtlich zu wenige Gendarmen im Bezirk Vöcklabruck haben – ich werde dann gleich darauf eingehen –, auch bei uns einer erwischt worden, ein Politiker Ihrer Couleur, und man hat das dann natürlich am Bezirksgendarmeriekommando sehr amikal durch Handschlag wieder bereinigt. Die Einzigen, muss ich ehrlich sagen, von denen in letzter Zeit keiner erwischt wurde, sind die Grünen, aber die trinken wahrscheinlich wenig oder benehmen sich gegenüber den Gendarmen freundlicher. Damit klar ist: Derjenige, um den es sich in Vöcklabruck handelte, war nicht in alkoholisiertem Zustand, sondern er legte eher ein etwas ungestümes Verhalten gegenüber den Gendarmen an den Tag.

Ich komme damit auf den Bezirk Vöcklabruck zu sprechen und möchte an seinem Beispiel aufzeigen, dass an Ihrer Argumentation einiges nicht stimmen kann, dass da vielmehr Schmäh geführt wird. Wir haben im Bezirk Vöcklabruck 198 Beamte, aber davon sind nur 69 Prozent verfügbar – das sind 136 –, denn wie Sie genau wissen, Herr Minister, ist es in Wirklichkeit so, dass eine ganze Reihe von Sonderdiensten zu leisten ist, dass die Beamten abgezogen werden, dass sie zum Teil bei der Grenzgendarmerie Dienst tun, dass sogar die Offiziere oberösterreichweite Sonderaufgaben zu erfüllen haben.

Dazu kommt nun – und das betrifft sicherlich auch das Sicherheitsbedürfnis beziehungsweise die Sicherheitsverhältnisse –, dass in nächster Zeit weitere Einsparungen vorgenommen werden, obwohl sogar ÖVP-Personalvertreter dagegen opponieren. – Und wenn ich mir die


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Rufe aus dem Süden, aus Kärnten, von Strutz und Haider anhöre, dann wundere ich mich, dass die FPÖ-Abgeordneten heute so brav sitzen und Ihnen von der ÖVP die Mauer machen. (Abg. Dr. Niederwieser: Das ist alles nur Schauspiel!) Da wird es wahrscheinlich noch ein bisschen eine Kopfwäsche geben. 

Da werden nun die Sachbearbeiter von den Bezirksgendarmeriekommanden abgezogen, wobei man nicht daran denkt, dass, wenngleich diese Leute früher Verwaltungsaufgaben erfüllt haben, die Bezirksgendarmeriekommanden seit einiger Zeit Einsatzleitungen sind, dass diese Leute dort dringend gebraucht werden und dass diese Arbeit dann auch erledigt werden muss.

Da stimmt also einiges nicht zusammen. Sie haben uns heute wieder Zahlen genannt, die mit unseren nicht übereinstimmen, aber ich vermute, mein Nachredner, Abgeordneter Kiss, wird das dann bestätigen. Sie haben vielleicht die Forderung von 1999, seine 500 oder 1 000 zusätzlichen Posten außerhalb der Grenzgendarmerie, mit eingebaut. Kiss wird uns sicherlich sagen, ob es diese zusätzlichen Posten bereits gibt, ob diese nach dem Kiss-Plan bereits übernommen wurden.

Ich empfehle heute jedem – auch wenn es nicht unbedingt eine der höchst stehenden Zeitungen ist – die neue Ausgabe von "NEWS", dieses bringt es genau auf den Punkt. Herr Minister, die Öffentlichkeit nimmt Ihnen diese stereotypen Äußerungen zunehmend nicht mehr ab! Sie bekommen ein Problem: ein Image-Problem! (Beifall bei der SPÖ.)

20.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte. (Abg. Schwarzenberger: Keppelmüller hat Sorgen! – Abg. Mag. Schweitzer: Sag nichts über den Peter! Der ist in Ordnung!)

20.11

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Für die Österreichische Volkspartei möchte ich am Schluss einer interessanten Debatte resümieren ... (Abg. Böhacker: Das ist eine Peter-und-Paul-Geschichte!) Ist es nicht! (Abg. Böhacker: "Peter" Keppelmüller!) Ich habe es schon verstanden. Das ist es nicht. (Abg. Gradwohl: Es wird eine solche!)

Nun möchte ich am Schluss einer interessanten Debatte resümieren und zusammenfassend sagen: Ein oppositioneller Berg kreißte, und ein oppositionelles Mäuslein ward geboren. – Das würde ich in dieser Form gleichsam als Überschrift über meine Ausführungen setzen.

Es ist ja wahr: Was Pilz vollmundig für diesen heutigen Tag angekündigt hat, einen Misstrauensantrag und: Wir werden mit scharfem Geschütz gegen Strasser antreten!, und was dann Parnigoni in oppositioneller Brüderlichkeit so formuliert hat: Im Prinzip sei der Grüne Peter Pilz mit seiner Ankündigung, Strasser auf Grund der Causa Strohmeyer das Misstrauen auszusprechen, den Sozialdemokraten nur kurz zuvorgekommen! – das ist also auch das Ziel der SPÖ gewesen –, das ist nicht mehr und nicht weniger als ein billiger Sturm im Wasserglas. Das ist meine Meinung, das spüre ich, und das sind auch die Fakten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Kollege Pilz, bleiben Sie hier! (Abg. Dr. Pilz begibt sich, ein Handy ans Ohr haltend, Richtung Ausgang.) Kollege Pilz, bleiben Sie hier und telefonieren Sie nicht im Plenum! Hören Sie den Argumenten zu!

Übrigens, Herr Kollege Van der Bellen: Ich habe immer den Eindruck, dass Sie als Chef der Grünen in Angelegenheiten der inneren Sicherheit von Pilz nicht umfassend informiert werden. Ich habe immer wieder das Gefühl, er zieht Sie in eine bestimmte Richtung hin, von der der Grüne Klub überhaupt nicht weiß, wo es hingeht. Ich habe immer wieder das Wissen um Fakten im Innenausschuss und im STAPO-Ausschuss erlebt, die dann von grünen Abgeordneten in privaten Gesprächen mir gegenüber nicht so geäußert werden. Ich meine daher, Pilz steht für eine grüne Sicherheitspolitik, mit der sich die Grünen offensichtlich selbst nicht identifizieren können, schon gar nicht bei einem Misstrauensantrag gegen den Bundesminister für Inneres


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Ernst Strasser. Ich möchte das auch begründen, weil er es ja an der Causa Personalpolitik und im Besonderen an Strohmeyer begründet hat.

Es ist jener General Strohmeyer, von dem ich sage – und ich sage es bewusst jetzt am Beginn –, ich habe mit ihm persönlich und fachlich ein gutes, auch integres Verhältnis. (Abg. Mag. Schweitzer: Schau her!) Ich habe es gehabt, ich habe es jetzt, und ich werde mich bemühen, dies auch in Zukunft zu haben. Das ändert aber nichts an dem Umstand, dass es drei Dinge gibt, die ich als Abgeordneter so nicht akzeptieren will.

Erstens: Wenn ein General der Gendarmerie in solcher Art und Weise in der Öffentlichkeit Insubordination gegen den Minister und gegen seinen beamteten Auftrag übt, dann hat er seine Aufgabe auf jeden Fall missverstanden. Das verurteile ich als Erstes aufs Schärfste! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Niederwieser: ... den Maria-Theresien-Orden!)

Zum Zweiten: Wenn dieser General Strohmeyer in der Öffentlichkeit illoyal gegenüber seinem Minister und jenen Reformen agiert, die er loyal zu vertreten hätte, dann sage ich: Weg mit ihm! Ich bin nicht nur darin eins mit Ernst Strasser, dass er ihn zur Flugpolizei versetzt, sondern ich habe auch die Erwartungshaltung an Ernst Strasser, dass er solche Leute in seiner Umgebung, in Spitzenpositionen nicht duldet!

Es war – ich komme zum Dritten – Gendarmerie-Gedenktag in Eisenstadt im Burgenland. Wer auch immer dort gewesen ist, wer auch immer diese Brandrede des Generals Strohmeyer gehört hat, der hat im selben Moment gewusst: Das kann doch nicht der Fall sein, dass ein General politisiert, parteipolitisiert, polemisiert gegen den eigenen Minister! (Abg. Mag. Schweitzer: Unglaublich!) Weg mit solchen Leuten an der Spitze dieser Republik Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: "Weg mit ihnen"!) Weg mit ihnen, na selbstverständlich!

Nicht genug mit dieser Polemik am Gendarmerie-Gedenktag in Eisenstadt, nein, er schreibt noch 16 000 Beamten, den Gendarmen Österreichs, einen unsäglichen Brief. (Abg. Schwarzenberger: Auf Staatskosten!) Ich zitiere nur drei Sätze aus diesem Brief, einem Brief, wie ihn noch kein Beamter dieser Republik seit 1945 seinen Mitarbeitern gegenüber geschrieben hat. Er spricht von einer "Krise der Gendarmerie". (Ruf bei der SPÖ: Stimmt ja!) Er sagt: "Strukturveränderungen kann ich nicht akzeptieren." Und er sagt weiters: "Ich bin mit dieser ganzen Entwicklung unter keinen Umständen einverstanden." (Abg. Dr. Mertel: Was soll er sonst tun?)

Es sollen Reformen in seinem Ministerium, in seiner Verantwortung geschehen, und er übt in dieser Form Illoyalität gegen den Minister, in dieser Form Insubordination – ich sage: Weg mit ihm! Sie haben Recht daran getan, Herr Minister, diesen Mann aus dem Verkehr zu ziehen und auf eine andere Position wegzuversetzen. Er hat dort nichts zu suchen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Gradwohl: Das ist eine Geisteshaltung! – Abg. Dr. Mertel: "Weg mit ihm"!) Ja, selbstverständlich!

Wenn also am Beispiel Strohmeyers Pilz seinen Misstrauensantrag begründet, kraus, schal, schlicht, seiner nicht würdig und vor allem seines Intellekts nicht würdig, dann sage ich (neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ): Einen Misstrauensantrag, der auf so tönernen Füßen steht, einen Misstrauensantrag, der in der Sache nicht begründet ist, einen Misstrauensantrag, der natürlich auch von der Personalüberlegung und von der Führung eines Unternehmens her nicht nur nicht begründet ist, sondern de facto obsolet wird, wenn man die Fakten aus dem Hintergrund kennt (Abg. Dr. Mertel: "Weg mit ihm"!)  – diesen Misstrauensantrag werden wir leichten Herzens abschmettern!

Herr Bundesminister Strasser, zum Schluss kommend eine Bitte, ja eine dringliche Einladung, ein Ersuchen: Bitte, Herr Bundesminister, gehen Sie diesen Weg weiter, den Sie bisher für dieses Land und die Sicherheit Österreichs gegangen sind! Sie gehen den richtigen Weg, und Sie gehen ihn mit der Unterstützung der Regierungsparteien im Parlament! (Beifall bei der ÖVP und


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bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Unglaublich! – Abg. Zweytick: Super-Auftritt! Alles ist gesagt!)

20.16


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106. Sitzung / Seite 198

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Parfuss. – Bitte.

20.17

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Paul Kiss, heute hast du wieder den Beweis erbracht, welch guter Selbstdarsteller du bist! (Beifall bei der SPÖ.) Ein Selbstdarsteller in der Rolle des Sicherheitssprechers der ÖVP! Sind die Inhalte auch noch so gegensätzlich, Paul Kiss spielt die Rolle mit Pathos und legt sie auch noch hintergründig an – das bezieht sich auf die "Bergkreißung". Heute gab er, wie so oft in dieser Regierungsperiode, den Diener seines Herrn. – Gratulation! (Beifall bei der SPÖ.)

In diesen Tagen wird nicht nur das Sicherheitspolizeigesetz geändert, sondern auch die Besetzung von hohen Posten im Innenministerium. Wir haben es schon gehört, lang gediente und vor allem verdiente Mitarbeiter werden mit der Zustellung von inzwischen berühmten Zweizeilern einfach versetzt. Warum? Sind sie unfähig? Haben sie gegen die Dienstordnung verstoßen? – Mitnichten! (Abg. Böhacker: Mit Nichten und mit Enkerln!) Einige – und das habe ich persönlich gehört – hat der Herr Minister sogar gelobt und als reformfreudig hingestellt. Jedes Mal, wenn Sie jemanden loben, befürchte ich schon, dass er morgen nicht mehr an seinem Platz sein wird! (Abg. Dr. Mertel: "Weg mit ihm!", heißt das!) Genau: "Weg mit ihm!"

Herr Bundesminister! Der größte Fehler dieser Mitarbeiter ist also nicht Unfähigkeit, sondern ihr persönliches Weltbild und das Aussprechen von Sorge, nämlich berechtigter Sorge. Herr Bundesminister! Es muss noch einmal gesagt werden: Ihr Vorgehen in dieser Causa ist ungeheuerlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Überall wird von Objektivierung gesprochen. Hier fehlt wirklich jede Objektivität, jetzt ist strategische Einschwärzung angesagt. Der Herr Minister – angeführt heute im "profil": der professionelle "Malermeister" – führt die Kritik des Gendarmerie-Generals als Grund für die Versetzung an. Aber, Herr Minister, Sie sind Demokrat. Ist es nicht in einer Demokratie erlaubt, Kritik zu üben, umso mehr, wenn diese Kritik aus Sorge angebracht worden ist, aus Sorge um die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher? – Das müsste Ihnen doch gelegen kommen! Dieser Mann hat Format, er hat Zivilcourage! – Gratulation! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie nützen beinhart die Hilferufe eines Spitzenbeamten, um ihn loszuwerden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er ist nicht mehr da!) Herr Bundesminister, Ihr Ministersekretär Kloibmüller sagt es ja unverblümt: Wir sind jetzt am Ruder und besetzen alles mit Schwarzen. – Bitte, alles mit Schwarzen! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das haben wir ja erlebt mit Ihnen! Mit Roten vor allem!)

Wenn Sie, Frau Dr. Partik-Pablé, ... (Abg. Mag. Schweitzer: Bis jetzt waren es lauter Rote!) Bitte, die "Kleine Zeitung" – das ist, glaube ich, eine Zeitung, die nicht gerade auf der SPÖ-Seite ist – sagt:

"Postenschachern will gelernt sein. Doch nicht jeder war auf der Ernst-Strasser-Schule, wo man bereits in der ersten Stunde übt, wie man den Holzhammer richtig mit Schaumstoff umwickelt. Während der Innenminister einen roten Spitzenbeamten nach dem anderen mit unschuldig-smartem Lächeln abserviert, setzen die Freiheitlichen weiterhin auf aggressive Reserve-Rambo-Methoden." – Zitatende.

Herr Bundesminister, es ist entlarvend! Es gibt für Sie eigentlich nur noch diese Möglichkeiten: Entweder gehen Sie ab von Ihrer schädlichen Politik und korrigieren Sie die eklatanten Fehler, oder Sie bewerben sich wie in der Vergangenheit bei der Firma Umdasch.

Wir werden diesen Antrag der Grünen mit Freude unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zellot. – Bitte.

20.21

Abgeordneter Roland Zellot (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich wollte zur Personaldebatte eigentlich nichts beitragen, aber ich glaube, wenn ein so hoher und angesehener Beamter auf Grund seiner Mitteilungen an die Kameraden dem Berufsstand vielleicht das Image verschlechtert, dann müsste er auch wissen (Abg. Dr. Mertel: "Weg mit ihm"! – Abg. Parnigoni: Wieso verschlechtert er das Bild?), dass es so, wie es Kritikgespräche gibt, auch ein gewisses Führungsverhalten zwischen Untergebenen und Vorgesetzten gibt. Das kann man natürlich auch mit dem zuständigen Vorgesetzten und mit dem Minister klären, statt Briefe durch die Gegend zu schicken. Welcher Firmenchef würde es bei seiner Firma akzeptieren, wenn die Firma ungerechtfertigt geschädigt oder in Misskredit gebracht wird? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Der wesentliche Punkt ist für mich bei dem heute vorliegenden Entwurf der Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz, dass zwei Dinge hervortreten, nämlich erstens, dass die österreichische Bundesregierung auch im Justizbereich eine erfolgreiche Verwaltungsreform durchführt: weniger am Schreibtisch, mehr auf der Straße, mehr beim Geschehen. Das will nicht nur die Politik, sondern das wollen auch die kleinen Beamten, die vor Ort ihren Dienst versehen. Das sehe ich als positiv. Das Zweite ist, dass dieses Sicherheitspolizeigesetz sich auf Grund der veränderten Bedrohungsbilder in unserem Land entwickelt hat. Mit diesem Sicherheitspolizeigesetz wird auch eine Erschwernis für jene Personenkreise bewirkt, die glauben, sich in Österreich mit Kriminalität durchschlagen zu können.

Ich möchte hinzufügen, dass es vor allem zu einer Verbesserung des Schutzes von gefährdeten Zeugen und deren Angehörigen kommt; das ist heute schon erwähnt worden. Dieses Sicherheitspolizeigesetz zeigt auch den zuständigen Beamten, was durch die Organisationsreform der Sicherheitsakademie, insbesondere in der Forschung, auf sie in Zukunft zukommt, vor allem in der Bildung und in der Fortbildung. Mit der Reformierung der Ausbildungsziele wird für unsere Beamten ein zukunftsorientiertes Leitbild sichergestellt.

Somit setzen die Bundesregierung und der Herr Bundesminister diese Priorität: Schutz, Sicherheit und Verlässlichkeit für unsere österreichischen Staatsbürger! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

20.24

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Gleich zu Beginn möchte ich die Gelegenheit nützen, um allen Kolleginnen und Kollegen in der österreichischen Exekutive und Sicherheitsverwaltung für die Verrichtung ihres schweren Dienstes für die österreichische Bevölkerung sehr herzlich zu danken! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wenitsch. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allem haben sie es sich nicht verdient, dass man über so wichtige Bereiche der inneren Sicherheit – unserer Sicherheit, der Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher – solche Aussagen zu hören bekommt, wie sie heute auch hier gefallen sind. (Abg. Mag. Schweitzer: Von der SPÖ!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihr könnt es noch so oft sagen, die Österreicher glauben es euch nicht mehr. Mit Hunderten Planstellen weniger im Sicherheitswachebereich, mit ein paar hundert Leuten weniger bei der Gendarmerie, mit weniger Leuten bei den KRB, mit weniger Leuten in der Sicherheitsverwaltung können Sie noch so schön reden, Herr Bundesminister: Sie werden nie mehr Leute auf der Straße haben. In der Zwischenzeit weiß das flächendeckend ganz Österreich. – Dies zum Ersten.


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106. Sitzung / Seite 199

Zum Zweiten. Herr Bundesminister, Sie haben heute in Ihrem Debattenbeitrag hier ausgeführt, dass die Dienststellenausschüsse zugestimmt haben. Ich sage Ihnen, es hat weder ein zuständiges Organ der Sicherheitswache Wien der Polizeireform zugestimmt, noch hat ein zuständiges Organ der KRB der Polizeireform zugestimmt, und es hat auch kein zuständiges Organ der Sicherheitsverwaltung zugestimmt. In all diesen Bereichen wurde die Personalvertretungs-Aufsichtskommission angerufen. Daher glaube ich, man muss das richtig stellen, weil sonst hier der Eindruck erweckt wird, dass das alles einvernehmlich passiert wäre.

Damit wir das wirklich einmal genau herausarbeiten, lade ich alle Fraktionen ein, sich zu informieren. In diesen Organen sitzen ja nicht die Roten allein, es werden die Beschlüsse von allen Fraktionen gefasst. Ich wünsche euch, Kollegen vom ÖAAB, aber auch Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der "F", viel Glück dabei, diese für die Kollegen sehr wichtigen Fragen in aller Öffentlichkeit zu diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn schon ein so hoher Sicherheitsstandard in der Republik vorhanden ist – Papier ist geduldig, und wir werden hier im Hause noch die Gelegenheit haben, über den Sicherheitsbericht genau zu diskutieren –, dann frage ich mich, warum es in einer so großen Stadt wie Graz notwendig ist, eine Bürgerwehr zu installieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch da gibt es klare Aussagen, nicht nur von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, sondern auch von Seiten der Österreichischen Volkspartei. Herr Bundesminister! Auf allen öffentlichen Plätzen und in allen öffentlichen Anlagen dieser Republik ist der Staat zuständig – und nicht irgendein Privatverein! Ich glaube, das sollte man sich in dieser Diskussion ebenfalls ins Gedächtnis rufen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mir fehlt leider die Zeit, um mehr darüber zu sagen. (Abg. Böhacker: Gott sei Dank!) Aber Sie waren es, Herr Minister, der zugesagt hat, dass dann, wenn die Gemeinden das Fundwesen übertragen bekommen, die gefundenen Utensilien bei den Sicherheitsdienststellen abgegeben werden können. – Tatsache ist, dass sie dort nicht mehr abgegeben werden können. Weitere Tatsache ist, dass der Städtebund hier sogar den Konsultationsmechanismus angerufen hat. Ich frage mich, warum alle Gemeindevertreter, die hier sitzen, dabei so ruhig zuhören, denn es wird auf alle Fälle dadurch, dass die Zusage nicht eingehalten worden ist, für die Gemeinden sicherlich ein Mehr an Arbeit und dadurch ein Mehr an Kosten entstehen.

Es wären hier noch einige Punkte anzusprechen, aber das ist aus Zeitgründen leider nicht mehr möglich. Eines ist jedoch klar, Herr Minister: Die Österreicherinnen und Österreicher kriegen schon mit, was da passiert, und die Kolleginnen und Kollegen sowohl in der Sicherheitsverwaltung als auch in allen Exekutivkörpern des Innenministeriums kriegen es über alle Parteigrenzen hinweg ebenfalls mit. Wir werden uns dann gemeinsam anschauen, wie die Bevölkerung Ihr Vorgehen bewertet, nicht bei den Personalvertretungswahlen, sondern bei der nächsten Nationalratswahl, denn da wird diese Bundesregierung jene Rechnung bekommen, die sie ganz einfach verdient! (Beifall bei der SPÖ.)

20.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Burket. – Bitte.

20.29

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Heute war das Innenministerium ja schon hinlänglich Gesprächsthema. Unfair, unehrlich und demagogisch wurden die dringend notwendigen Reformen kommentiert und lächerlich gemacht.

Tatsache ist, dass viele dieser Reformen unmittelbar der Bevölkerung zugute kommen. Die Wartezeiten für Reisepässe werden der Vergangenheit angehören. Das Meldewesen, die Fundsachen, alles völlig artfremde Tätigkeiten, werden ausgegliedert. Dem Herrn Innenminister ist die Personalknappheit in den Wachzimmern nur allzu gut bekannt. Darum entlastet er seine Beamten von den Arbeiten, die auch von normalen Kanzleikräften durchgeführt werden können.


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Hoch qualifizierte Beamte sollen nicht mehr stundenlang bei Schreibarbeiten sitzen, anstatt ihren wichtigen Aufgaben draußen bei der Bevölkerung nachzukommen und dem verstärkten Sicherheitsbedürfnis Rechnung zu tragen.

Nun zu einigen wichtigen Änderungen: Trotz intensiven Bemühens können selbst die Sozialdemokraten – man hat es ja gehört – nicht nur Schlechtes an den Neuerungen finden. – So steht es zumindest in einer Presseaussendung, die Herr Kollege Parnigoni zum Thema geschrieben hat. Sie finden die Erweiterung des Zeugenschutzprogrammes zum Beispiel durchaus gut. – Wir im Übrigen auch.

Es ist mir allerdings unverständlich, warum Sie nicht einsehen wollen, dass die DNA-Datenbank nicht nur dem heutigen Standard der modernen Verbrechensbekämpfung und vor allem -aufklärung dient, sondern auch speziell den eigenen Bediensteten Sicherheit gibt, weil viele Spuren von Anfang an zugeordnet und damit ja ausgeschlossen werden können und dadurch wesentlich schneller und effizienter gearbeitet werden kann.

Meine Damen und Herren! Die heutigen und künftigen Herausforderungen in der Verbrechensbekämpfung, -aufklärung und -prävention verlangen adäquate Mittel und neue Wege. Es ist daher dringend geboten, diesen Herausforderungen gerecht zu werden. Wenn dazu gehört, dass man für wichtige vertrauliche Informationen entsprechende Dotationen vorsieht, dann zeigt das wie all die anderen Maßnahmen, dass auch hier ein hoch qualifizierter Beamtenapparat mit den Möglichkeiten ausgestattet wird, die dem weltweiten Standard entsprechen.

Wenn der Herr Minister jetzt auch noch das Füllhorn über seine Beamten ausschüttet und sie mit mehr Computern und mehr Autos ausstattet, dann werden sie mit noch mehr Begeisterung seinen Reformen folgen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Stoisits hat in ihrem Redebeitrag sehr eindrucksvoll gezeigt, dass die Grünen schlichtweg keine Ahnung haben (Beifall bei den Freiheitlichen sowie Rufe: Ja! Genau!) und dass sie auch ein sehr, sehr gestörtes Verhältnis zu den Begriffen Recht und Ordnung haben, weil sie sich immer verfolgt fühlen. Sie reden davon, wie die Bevölkerung beunruhigt und besorgt über irgendwelche Veränderungen im Innenministerium ist. (Abg. Dr. Lichtenberger: ... die ÖVP!)  – Das ist dem Bürger auf der Straße völlig egal. Den interessiert, wie viele Beamte auf der Straße sind, wie viele Beamte für seine Sicherheit sorgen, wie viele Beamte dafür sorgen, dass Drogendealer nicht vor Schulen stehen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )  – Das ist der Bevölkerung wichtig, und das übersehen Sie völlig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir unterstützen daher diesen Misstrauensantrag gegen den Minister nicht nur nicht, sondern freuen uns, dass hier so gut gearbeitet wird und dass die Reformideen, die die Vizekanzlerin vorantreibt und die letztlich im Regierungsübereinkommen stehen, von Bundesminister Strasser äußerst eindrucksvoll realisiert werden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer weiteren Wortmeldung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pilz gemeldet. – Bitte. (Oje-Rufe bei den Freiheitlichen.)

20.33

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Akustisch war das jetzt eindrucksvoll, wie lange der Herr Präsident läuten ließ, um doch noch sicherstellen zu können, dass die freiheitlichen Kolleginnen und Kollegen rechtzeitig da sind, um einer rein schwarzen Personalpolitik doch noch einmal in diesem Haus die Mauer zu machen.

Herr Kollege Schweitzer, Herr Kollege Westenthaler! Früher oder später wird es Ihnen gehen wie Ihrem Kollegen, dem freiheitlichen Bundesrat aus Vorarlberg, der als erster freiheitlicher Mandatar offen gesagt hat, was er von dieser Art von Personalpolitik und was er von dieser Art schwarzer Einfärbung des Ressorts hält.


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Herr Minister Strasser, ich möchte nicht wiederholen, was wir alles an Fragen an Sie gerichtet haben und was wir alles festgehalten haben, nur eine nicht beantwortete Frage stelle ich Ihnen, stellvertretend für viele, die im Raum stehen geblieben sind: Warum musste Stapo-Chef Dr. Peter Heindl gehen? Warum haben Sie vor kurzem noch erklärt, er sei ein ganz hervorragender Beamter, auf den Sie sich hundertprozentig verlassen können? Warum musste er gehen? Welchen Grund gibt es, wenn der Grund nicht sein rotes Parteibuch ist?

Diese Antwort sind Sie schuldig, auch den Beamtinnen und Beamten im Innenressort, die sich fragen, wer als Nächster drankommt. (Unruhe im Saal.) Wer ist der Nächste auf Ihrer Säuberungsliste? Ist es der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit? Ist es der Wiener Polizeigeneral? Ist es der Leiter der Wirtschaftspolizei? Sind es die Leiter der Landesgendarmeriekommanden? Sind es die letzten verbliebenen Polizeidirektoren? – Wer ist es? Welche kommen als Nächste dran? Was werden Sie noch alles unternehmen, um die letzten Sozialdemokraten aus führenden Positionen zu entfernen?

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Der Lärmpegel ist so hoch, dass man dem Redner nur sehr schwer folgen kann! Ich bitte, darauf Rücksicht zu nehmen!

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Christoph Kotanko vom "Kurier" hat Sie, Herr Bundesminister Strasser, zu Recht den "Minister mit der Brechstange" genannt.

Wir setzen dem Minister mit der Brechstange jetzt einen Misstrauensantrag entgegen. Dieser Misstrauensantrag ist die erste Chance, Sie wieder dorthin zu schicken, wo Sie hingehören: in die niederösterreichische ÖVP! (Abg. Dr. Petrovic schüttelt ablehnend die Hände.)  – O ja, die niederösterreichische ÖVP hat sich die Höchststrafe verdient! (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.  – Abg. Dr. Fischer: Petrovic ist dagegen!)  – Okay, ich werde den Fall Strasser/Niederösterreich mit Madeleine Petrovic noch gesondert besprechen. Ich nehme diesen Einwand, der sachlich gerechtfertigt ist, zur Kenntnis.

Wenn wir es mit diesem Misstrauensantrag nicht schaffen, dann werden die Wählerinnen und Wähler es schaffen, Bundesminister Strasser dorthin zu schicken, wo er hingehört. – Möglicherweise ist es nicht die niederösterreichische ÖVP, wir werden sehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1138 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Kiss, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über die vom Abänderungsantrag der Abgeordneten Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen betroffenen Teile und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Kiss, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Die Abgeordneten Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel I Ziffer 8, Ziffer 25 und Artikel IV eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.


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Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Kiss, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle eine Mehrheit und damit die Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Verfassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten von SPÖ, Freiheitlichen und ÖVP.)  – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.  – Abg. Dr. Khol begibt sich zur Regierungsbank und reicht Bundesminister Dr. Strasser die Hand.  – Abg. Ing. Westenthaler begibt sich ebenfalls zur Regierungsbank und gratuliert Bundesminister Dr. Strasser.)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (1133 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Forstliches Vermehrungsgutgesetz 2002 erlassen wird und das Düngemittelgesetz 1994, das Futtermittelgesetz 1999, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Pflanzgutgesetz 1997, das Rebenverkehrsgesetz 1996, das Saatgutgesetz 1997, das Sortenschutzgesetz 2001, das Weingesetz 1999 und das Qualitätsklassengesetz geändert werden (Agrarrechtsänderungsgesetz 2002) (1154 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 497/A der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 geändert wird (1155 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Entschließungsantrag 619/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pestizid-Aktionsprogramm zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in Österreich (1156 der Beilagen)


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. Ich erteile es ihm hiemit.

20.41

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist vielleicht schwierig, nach diesen "Kränzchen", die da in den hinteren Reihen noch immer stattfinden, wieder zur Sachpolitik zurückzukehren, aber auch im folgenden Tagesordnungspunkt wird es bestimmt um die innere Sicherheit Österreichs gehen.

Meine Damen und Herren! Wir beraten über ein Gesetz, das ein Anpassungsgesetz sein soll. Es enthält durchaus positive Aspekte (Abg. Böhacker: Aber!), es gibt aber auch Anlass zu massiver Kritik.

Ich beginne mit dem Positiven: Wir Sozialdemokraten unterstützen die Änderung des Weingesetzes. Wir halten es für sinnvoll, hier einen "Districtus Austria Controllatus" – dass ich meine Lateinkenntnisse auch noch einmal brauchen kann! – zu schaffen. (Abg. Mag. Schweitzer: Was ist das?) Es soll darum gehen, eine Verkehrsbezeichnung für Qualitätsweine zu schaffen. Ich meine, dass dies eine Stärkung in der regionalen Zuordnung bringen wird und dass eine Symbiose aus Herkunft, Charakteristika, Leitsorten und Qualität erreicht wird. Wir sind der Ansicht, dass das ein kleiner Stein, aber immerhin doch ein Stein auf dem Weg zu einer Stärkung des ländlichen Raumes sein kann. Wir werden dem daher auch zustimmen.

Interessant ist aber folgendes kleine Detail: Es werden zum Beispiel die Kompetenzen von den Bezirkshauptmannschaften zu den Bundeskellereiinspektionen verlegt – eine langjährige Forderung der Sozialdemokratie, die hier erfüllt wird. Aber ein kleines "Schmankerl" ist es natürlich schon: Wie oft haben wir denn in letzter Zeit von den Regierungsfraktionen gehört, wie hervorragend die Bezirkshauptmannschaften seien, und es gehe nichts über die Bezirkshauptmannschaften? (Abg. Hornek: Vom Wein verstehen Sie nichts!)  – Hier geben Sie Kompetenzen, die bei den Bezirkshauptmannschaften schlicht und einfach fehl am Platz waren, ab, und zwar dorthin, wo sie auch hingehören.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Bei diesem Konglomerat entsteht eben schon auch der Eindruck, dass man versucht, Sachen, die nicht so schön sind, zu verpacken, damit sie vielleicht nicht so auffallen. Ich meine im Speziellen die Änderung, die Sie mit dem Pflanzenschutzmittelgesetz beabsichtigen, in die Sie unter Hinweisen auf notwendige Anpassungen und Ähnliches einen Teil hineinpacken, der keinesfalls unsere Zustimmung finden kann.

Worum geht es? – Es geht darum, dass hervorragende österreichische Standards, auf die wir so stolz waren und um deren Erhalt wir uns beim EU-Beitritt so sorgten, jetzt freiwillig nach unten gesenkt, freiwillig hinunternivelliert und freiwillig aufgegeben werden. Das wäre nicht notwendig, und ich kann es auch sachlich nicht wirklich nachvollziehen.

Was steht darin? – Ein Satz, der besagt, dass in einem EU-Mitgliedsland, das zwei Jahre hindurch in einer Verordnungsliste des Bundesministers genannt ist, nationale Prüfungen bei durchaus sensiblen Stoffen – bei Pflanzenschutzmitteln und Pestiziden – nicht mehr notwendig sind.

Was könnte das bedeuten? – Dass ein in irgendeinem Land der Europäischen Union zugelassenes Pflanzenschutzmittel, das für die dortigen Bedingungen vielleicht durchaus geeignet ist, nach Österreich kommt. (Abg. Wittauer: Jetzt geht es um Deutschland!) Was machen die österreichischen Behörden? (Bundesminister Mag. Molterer: Es geht um Deutschland!)  – Sie über


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prüfen, ob es die Originalverpackungen sind, ob es die Originalkennzeichnungen sind und ob es eine deutsche Gebrauchsanweisung gibt – aus, das war es!

Herr Bundesminister! Der Zwischenruf bezüglich Deutschland ist korrekt. Noch betrifft es Deutschland. Es kann aber morgen ein weiteres Land in dieser Verordnung enthalten sein, und in zwei Jahren ist dem Import Tür und Tor geöffnet.

Das widerspricht unserer Vorstellung von Nachhaltigkeit. Es widerspricht dem, was wir uns unter einem "Feinkostladen Österreich" vorstellen, und es ist schlicht und einfach nicht notwendig. Herr Bundesminister! Im Grünen Bericht ist nachzulesen, dass es bereits gewaltige Mengen an Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln in Österreich gibt. Wir haben nach den Wirkstoffen gerechnet 3 700 Tonnen, nach den absoluten Mengen gerechnet 7,5 Millionen Kilogramm Pestizide – Gifte – bereits jetzt im Land. – Das war im Jahr 2000, der Wert wird bereits höher sein.

Das bedeutet pro Österreicherin und pro Österreicher, egal welchen Alters: ein Kilogramm pro Einwohner und Jahr an Pflanzenschutzmitteln, gut geprüft durch Einrichtungen, die wir hatten. Herr Minister! Ich hoffe nicht, dass Sie es notwendig haben, dieses Gesetz zu schaffen, damit diese Einrichtungen auf einmal nicht mehr wirken können, denn ich bin von ihrer Qualität überzeugt. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist für den "Feinkostladen Österreich" der falsche Weg! Wir glauben nicht, dass dieser Giftimport notwendig ist. Wir werden auch die Verantwortung jedes einzelnen Abgeordneten hier im Hohen Haus festhalten. Wir werden Ihnen die Gelegenheit geben, bei der namentlichen Abstimmung dazu Stellung zu nehmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

20.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzenber-ger. – Bitte.

20.47

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kummerer hat immerhin zugegeben, dass dieses Agrarrechtsänderungsgesetz, das elf Gesetzesmaterien zusammenfasst und eine Anpassung an die Agentur für Lebensmittelsicherheit mit sich bringt, positive Veränderungen beinhaltet.

Er hat zwar ein einziges von diesen elf Gesetzen – das Pflanzenschutzmittelgesetz – kritisiert, aber ich muss Herrn Abgeordneten Kummerer schon daran erinnern, dass es derzeit nur mit Deutschland eine solche gegenseitige Anerkennung gibt, dass in Deutschland immerhin seit mehr als drei Jahren eine rot-grüne Regierung besteht und dass es dort eine Ministerin gibt, die für Konsumentenschutz, Verbraucherschutz und Landwirtschaft zuständig ist. (Zwischenrufe der Abgeordneten Gradwohl und Schwemlein. )

Das heißt – und das freut mich ja an und für sich –, dass Sie dem ÖVP-Landwirtschaftsminister in Österreich mehr Kompetenz zutrauen als der grünen Ministerin in Deutschland, weil Sie fürchten, es könnten schlechtere deutsche Produkte auf den österreichischen Markt kommen. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Im November ... zugelassen!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Dieses umfassende Reformpaket bringt Anpassungen an das EU-Recht, die die Markttransparenz bei landwirtschaftlichen Betriebsmitteln erhöhen und zu einer weiteren Angleichung des Preisniveaus bei Produktionsmitteln im Binnenmarkt führen werden.

Diese Gesetzesmaterie beinhaltet eine verstärkte länderübergreifende Zusammenarbeit bei der Betriebsmittelzulassung zur weiteren Verbesserung der Betriebs- und Lebensmittelsicherheit, aber auch die Umsetzung der Ergebnisse dieser länderübergreifenden Zusammenarbeit durch Zulassung von Pflanzenschutzmitteln aus vergleichbaren Ländern mit höchsten Standards – wie zum Beispiel Deutschland – auch für den österreichischen Markt, weiters eine Modernisie


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rung und Erhöhung der Kontrolleffizienz bei der Betriebsmittelproduktion, das Bestreben, Bauern höchstmögliche Sicherheit bei den Betriebsmitteln zu gewähren, und auch eine Erhöhung der Betriebsmittelqualität sowie den Schutz der Umwelt durch das Verbot bestimmter Ausgangsstoffe bei der Produktion.

Wir legen auf umweltschonende und modernste Pflanzenschutzmittel für die österreichische Landwirtschaft Wert, die bis jetzt auf Grund der Kleinheit des österreichischen Marktes bei uns nicht zugelassen wurden. Es sind dies moderne Mittel, die etwa auch im biologischen Landbau angewendet werden können.

Weiters werden damit eine dauerhafte Sicherung der Versorgung mit standortangepasstem heimischem Pflanzgut, eine verbesserte Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte durch Einführung internationaler Qualitätskennzeichnungen und Wettbewerbsgleichheit für die heimische Landwirtschaft mit europäischen Mitbewerbern bewirkt. Dies stellt einen wichtigen Schritt der Entlastungsoffensive im Betriebsmittelbereich und bei der Verwirklichung des Binnenmarktes dar. – Es ist wirklich eine lange Reihe von positiven Maßnahmen, die wir mit diesem Agrarrechtsänderungsgesetz nun für die österreichische Landwirtschaft beschließen!

Es ist wirklich nicht erklärbar, dass wir zwar im Lebensmittelbereich einen Binnenmarkt haben und Lebensmittel, die in Deutschland, Holland, Dänemark, Frankreich, Italien, Spanien oder Portugal unter den dort herrschenden Voraussetzungen hergestellt werden, sehr wohl auf den österreichischen Markt gelangen dürfen, hier jedoch die österreichischen Bauern im Zusammenhang mit den Betriebsmitteln wesentlich höhere Preise bezahlen müssen. Nun wird versucht, auch in diesem Bereich den Binnenmarkt einzuführen, und es geht hier überhaupt nicht darum, mehr Pflanzenschutzmittel einzusetzen, sondern die bestmöglichen Pflanzenschutzmittel in vergleichbaren Preiskonstellationen zu den übrigen europäischen Staaten im Binnenmarkt einzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Vorerst erfüllt nur Deutschland diese strengen Bestimmungen, dass wir nämlich auch Pflanzenschutzmittel, die in Deutschland zugelassen sind, in Österreich anwenden dürfen. Es gibt jetzt Verhandlungen mit Holland. – Ich möchte hier auf die Annonce der chemischen Industrie in der gestrigen "Kronen Zeitung" antworten: Wenn die Industrie in der Lage ist, bei uns die Pflanzenschutzmittel mit ähnlichen Preisen auf den Markt zu bringen, dann wird kein Händler anderswo einkaufen, wenn es sich um dasselbe Produkt handelt. Und auch die deutsche Konsumentenschutz- und Landwirtschaftsministerin Künast hat erklärt, dass das eine sehr gute Entwicklung ist und sie dafür Sorge tragen wird, dass Pflanzenschutzmittel, die in Österreich unter diesen strengen Kriterien zugelassen werden, ohne eine eigene Zulassung auch nach Deutschland verbracht werden können. Das heißt: Wenn unsere chemische Industrie leistungsfähig ist, kann sie damit auch den deutschen Markt erobern.

Weiters geht es auch noch um das Düngemittelgesetz, welches eine Erhöhung der Produktionssicherheit bei Düngemitteln zum Inhalt hat. Außerdem ist auch das Futtermittelgesetz betroffen, wobei die entsprechende Neuregelung die Produktsicherheit für die Landwirte in diesem Bereich weiter erhöhen soll. Darüber hinaus werden die Kontrollen effizienter.

Auch das Weingesetz wird geändert. Mein Kollege Zweytick wird noch einen entsprechenden Abänderungsantrag einbringen, der von der Weinwirtschaft gewünscht ist, um virusresistente, alte österreichische Weinsorten auch für die Zukunft zu erhalten.

Außerdem wird auch das Forstliche Vermehrungsgutgesetz geändert.

Insgesamt wird mit dem heute beschlossenen Agrarrechtsänderungsgesetz ein wichtiger Schritt zur nachhaltigen Sicherung der heimischen Landwirtschaft gesetzt. Zukünftig stehen den österreichischen Landwirten Betriebsmittel zur Verfügung, mit welchen ihre Berufskollegen in der Europäischen Union bereits seit langem arbeiten können. Durch das neue Gesetz können ohne großen bürokratischen Aufwand nach genau festgesetzten Regelungen Betriebsmittel, die in einem Mitgliedstaat der EU zugelassen sind, auch in Österreich angewendet werden. Auf Grund


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der Kleinheit des österreichischen Marktes wurden in der Vergangenheit oftmals neue, effizientere und umweltschonendere Mittel gar nicht zur Zulassung angemeldet.

Das Agrarrechtsänderungsgesetz ist gerade im Hinblick auf die EU-Erweiterung ein zentraler Meilenstein zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft. Es garantiert höchste Standards bei landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und bringt eine umfassende Entbürokratisierung mit sich.

Ich danke unserem "Lebensminister" Willi Molterer, dass er dieses landwirtschaftliche Betriebsmittelgesetz in dieser Form dem Nationalrat zugeleitet hat! Wir werden diese Verbesserung für die österreichischen Bauern mit Freude beschließen.

20.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

20.56

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorneweg ein paar Anmerkungen zu Teilbereichen dieses Agrarrechtsänderungsgesetzes machen, das wir im Ausschuss intensiv diskutiert haben. Wir werden eine getrennte Abstimmung verlangen und können teilweise auch zustimmen.

Zustimmen können wir einerseits zum Bereich des forstlichen Vermehrungsgutes. Herr Bundesminister! Wir haben im Ausschuss ausführlich mit Ihnen diskutiert. – Ich glaube, es ist dies ein Schritt in Richtung mehr Biodiversität und Sicherung dieser Biodiversität. Das haben wir, wie ich meine, ausdiskutiert, und da werden wir mitgehen.

Bei der Änderung des Düngemittelgesetzes geht es um ein Verbot unbehandelter oder kommunaler Klärschlammkomposte und Klärschlämme in Düngemitteln. – Auch dies ist ein kleiner Schritt, den wir grundsätzlich für notwendig halten. Andererseits möchte ich in diesem Zusammenhang anmerken, dass wir den Einsatz von Klärschlämmen in der Landwirtschaft grundsätzlich neu überdenken müssen, aber das bedarf einer längeren Debatte, die wir heute hier nicht führen können. Ich glaube, dass es auch richtig ist, dass man den Einsatz von bestimmten tierischen Produkten wie Hornmehl und Hornspäne, die auch im klassischen Biolandbau eingesetzt werden, mit dieser Novelle möglich macht. Auch da können wir zustimmen, Herr Bundesminister.

Nun aber zu dem auch in der Öffentlichkeit und zu Recht sehr intensiv diskutierten Bereich der Liberalisierung im Pflanzenschutzmittelrecht. – Herr Bundesminister! Diesbezüglich gehen Sie konsistent den Weg in Richtung Deregulierung. Sie geben wichtige Umweltschutzrechte Ihres Ressorts auf, und das als Umweltverantwortlicher für die österreichische Landwirtschaft und für die österreichischen Naturgrundlagen. Das ist – wir haben bereits im vorigen Plenum darüber diskutiert – gerade unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit völlig unverständlich. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Herr Bundesminister! Es ist einfach nicht erklärbar, warum jetzt auf einmal Pflanzenschutzmittel, die der EU-Verordnung gar nicht entsprechen müssen, importiert werden können. Das ist doch der Tatbestand! Auch wenn Renate Künast Agrarministerin und Verbraucherschutzministerin in Deutschland ist, sind in der Liste der zugelassenen Mittel auch noch solche enthalten, die vorher zugelassen wurden und nicht der EU-Verordnung entsprechen. – Eine diesbezüglich Überprüfung, Herr Bundesminister, steht dringend an, und es wird diese auch geben, wenn Renate Künast weiterhin für dieses Ressort zuständig bleibt, was ich sehr wohl hoffe und auch erwarte. (Bundesminister Mag. Molterer: Da unterscheiden wir uns! Da haben wir unterschiedliche Meinungen! – Zwischenruf des Abg. Auer. )

Herr Bundesminister! Wir haben im Ausschuss auch über die Anwendung diskutiert. Sie wissen genau, dass wir im Weinbau in Österreich einen ganz anderen Reihenabstand haben. Daher würden Anwendungsempfehlungen deutscher Pflanzenschutzmittelhersteller im Weinbau in Österreich zu einer Überdosierung führen. Wenn Sie diese Mittel vereinfacht zulassen, dann ist


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auf jeden Fall die Situation zu erwarten, dass die Bauern mehr denn je Fehler bei der Anwendung machen werden. (Abg. Zweytick: Für so dumm brauchen Sie die Weinbauern nicht anzusehen!)

Kollege Zweytick! Zu den Kontrollen in der Steiermark: Wissen Sie, wie viele Kontrollen in der Steiermark in den letzten Jahren im Bereich der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln durchgeführt wurden? – Im Jahre 2000 waren es 120 Kontrollen! Bei zehn bis 20 Prozent der Anwender wurden grobe Mängel bei der Anwendung festgestellt. Ganz einfache Sicherheitsvorschriften werden nicht eingehalten. (Abg. Zweytick: Das ist fahrlässig!) Kollege Zweytick, das bedeutet einen Schaden für die Bauern und einen Schaden für die Gesundheit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Dagegen müssen Sie etwas tun! Sie müssen endlich sicherstellen, dass sowohl die Bauern als auch die Konsumenten und die Umwelt geschützt werden. Es geht doch bitte nicht darum ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Zweytick.  – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Herr Kollege Zweytick, vielleicht können wir doch zu einem konstruktiven Dialog kommen, wenn wir überlegen, was unser Ziel ist. Wenn wir die Ökologisierung der österreichischen Landwirtschaft weiterhin anstreben, dann macht es nicht unbedingt Sinn, den Anteil der zugelassenen Pflanzenschutzmittel zu erhöhen, sondern es geht darum, sehr genau zu prüfen, welche in Österreich zugelassen und welche sinnvoll sind und deren Anzahl nicht auszuweiten, Herr Bundesminister. Es ginge darum, Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Ich habe es immer wieder gesagt, und ich wiederhole das. Daher haben wir jetzt bereits zum zweiten Mal einen Pestizidaktionsplan von Ihnen gefordert. – Ich warte immer noch auf Ihre Vorschläge.

Meine Damen und Herren! Die Grünen machen Vorschläge. Wir haben zum Beispiel ganz klar gefordert, dass man auch eine steuerliche Maßnahme, nämlich eine zusätzliche Besteuerung von Pflanzenschutzmitteln, diskutieren sollte. Es gibt Staaten, die solche Maßnahmen durchführen und diese Mittel für umweltgerechte Verfahren in der Landwirtschaft zweckbinden.

Herr Bundesminister! Ich denke, dass wir im Bereich des Ackerbaus massiv Herbizide einsparen könnten. Wir haben das im Ausschuss diskutiert. Sie sind nicht bereit, diese Offensive für eine Ökologisierung der Landwirtschaft gerade im konventionellen Landbau zu gehen, sondern Sie sind bereit, hier weiter die Tür zu öffnen und wichtige Kompetenzen aus der österreichischen Verantwortung abzugeben.

Herr Bundesminister Molterer, in diesem Sinne erinnere ich Sie daran, dass derzeit im österreichischen Umweltprogramm, im ÖPUL 2000, zum Beispiel auf Grünbrachen Totalherbizide eingesetzt werden. Sie kennen doch dieses Problem: Bei einer Umweltmaßnahme werden Totalherbizide eingesetzt! Davor verschließen Sie die Augen! Da wären Sie als Umweltminister aber gefordert, etwas zu tun!

Auch die Wirkstoffgesamtmenge – Kollege Kummerer hat das angesprochen – wurde nicht reduziert. Wenn man das auf die Waagschale legt, entlarvt das Ihre Politik, Herr Bundesminister! Es gibt keine Fortschritte bei der Pestizidreduktion in Österreich in den vergangenen sieben bis acht Jahren. Im Gegenteil: Die Direktimporte unterliegen keiner Kontrolle und keiner Meldepflicht, und deren Zahl hat zugenommen. Das wissen wir! Da hätten Sie schon längst einschreiten und fordern müssen, dass diese Direktimporte auch gemeldet werden, zum Schutz der Bauern, zum Schutz der Umwelt und zum Schutz der Konsumenten.

Dieses Versäumnis werden Sie in den nächsten Jahren anhand entsprechender Zahlen präsentiert bekommen! Sie sprechen immer von der Kontrolle vom Stall beziehungsweise vom Feld bis ins Regal oder auf den Tisch: Herr Bundesminister! Bezüglich Reduktion von Pestiziden haben Sie jede Initiative vermissen lassen! Zum Beispiel hätten Sie die Direktimporte, wie gesagt, unter eine Meldepflicht stellen können!

Abschließend: Ihr Weg geht in Richtung Deregulierung bei den agrarischen Betriebsmitteln. Das ist kein richtiger Weg für die Zukunft, meine Damen und Herren! Vielmehr brauchen wir klare


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Regeln und Kompetenzen, die wir auch nicht abgeben dürfen, denn es macht keinen Sinn, dass andere Länder in Europa über die österreichische Umwelt entscheiden und wir kein Mitspracherecht haben! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Am Ende meines vorhergehenden Vorsitzes bin ich von Abgeordnetem Westenthaler gebeten worden, eine bestimmte Passage im Stenographischen Protokoll zu prüfen, und dann bin ich auch von Abgeordnetem Verzetnitsch ersucht worden, eine Passage zu prüfen.

Ich habe das getan und habe festgestellt, dass Abgeordneter Mag. Schweitzer während der Rede des Kollegen Verzetnitsch an dessen Adresse gesagt hat: "Ihr seid eine hinige Partie!"

Weiters hat Abgeordneter Schweitzer Abgeordnetem Edlinger vorgeworfen, er wäre an einer Aktion beteiligt gewesen, die zum Tode eines Menschen geführt hat. Einen ähnlichen Zwischenruf hat kurze Zeit später auch Abgeordneter Westenthaler gemacht, und Abgeordneter Edlinger hat nach dem Wortlaut des Stenographischen Protokolls geantwortet: "Haben Sie einen Vogel?"

Wahrscheinlich wird es unterschiedliche Meinungen darüber geben, wie der Ausdruck des Kollegen Schweitzer in Zusammenhang mit dem tragischen Tod, dem Selbstmord des Bankiers Praschak zu beurteilen ist. – Ich glaube aber, dass jedes Mitglied des Hohen Hauses, wenn man ihm den Vorwurf machen würde, eine Aktion gesetzt zu haben, die zum Tod eines Menschen geführt hat, sehr betroffen und sehr erregt wäre.

Ich werde jetzt aber nicht den einfachen Weg gehen und Ordnungsrufe nach links und nach rechts erteilen und es dann Ihnen überlassen, ob Sie das für ausgewogen und gerecht finden. Ich möchte es anders versuchen. Ich würde Kollegen Schweitzer bitten, der in diesem Zusammenhang zwei Mal auffällt, sich in seiner Ausdrucksweise so zu verhalten, dass wir keine Pro-bleme haben! – Kollegen Edlinger und jedes andere Mitglied des Hohen Hauses möchte ich bitten, selbst wenn Sie sich sehr tief verletzt oder ungerecht angegriffen fühlen, dennoch in der Wortwahl bestimmte Grenzen nicht zu überschreiten!

So sehe ich das, und ich bitte Sie, das als Bemühen zu verstehen, mit dieser Sache ordentlich umzugehen. Ich handle nach bestem Wissen, wie ich damit umgehen kann. (Abg. Auer: Ein souveräner Präsident! – Abg. Dr. Gusenbauer: Kann man das Schweitzer ausrichten? Er war nämlich nicht hier!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wenitsch. Die Redezeit beträgt 5 Minuten.

21.06

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Kummerer, ich freue mich, dass du weite Teile dieses Agrarrechtsänderungsgesetzes mittragen willst! Über die Art von Kollegen Pirklhuber wundere ich mich nicht, denn offenbar ist es die neue Mode der Grünen, dass die österreichischen Bauern hier vernadert und madig gemacht werden. Das ist anscheinend der neue Schmäh!

Kollege Kummerer! Die "Kronen Zeitung" vom Mittwoch sagt es ganz klar – das sage ja nicht ich, sondern das sagt ein sozialdemokratischer Kollege von dir; ich zitiere –: "Empörung über die ,grüne Panikmache‘" – im Wiener Rathaus. Verärgert reagiert man im Rathaus auf Behauptungen aus dem "grünen Eck‘" betreffend DDT-Rückstände in den Wiener Gärten. – Auf jeden Fall wird alles versucht, um die österreichische Landwirtschaft nachhaltig zu schädigen. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Das ist die einzige Methode, die die Grünen haben! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. ) Das betrifft aber nicht nur den landwirtschaftlichen Bereich, sondern das zieht sich wie ein roter Faden durch alle Bereiche, die hier in diesem Parlament verhandelt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)


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Kollege Kummerer, ich muss dir sagen: Dieses Agrarrechtsänderungsgesetz ist wichtig. Wir müssen endlich danach trachten, dass die österreichischen Bauern in Bezug auf die anderen europäischen Kollegen wettbewerbsfähig werden. Das ist das Um und Auf! (Abg. Öllinger: Anscheinend soll möglichst viel gespritzt werden!) Es geht nicht ums Spritzen, Kollege Öllinger! Zum Beispiel ist in Deutschland eine grüne Ministerin für den Umweltbereich verantwortlich. Warum regen Sie sich also auf, wenn in Zukunft in Deutschland faktisch mit Genehmigung Ihrer eigenen Gesinnungsgenossin Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft Verwendung finden dürfen? (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Veränderungen sind notwendig. Wenn man die "Kronen Zeitung" vom Donnerstag aufschlägt, kann man lesen, dass eine Flucht vom Land in Ballungszentren stattfindet, dass 30 Prozent der Bauern keinen Nachfolger mehr finden, die Höfe aufgelassen werden. Wann, bitte, sollen wir also handeln, wenn nicht jetzt? Es ist höchste Eisenbahn, dass die österreichische Landwirtschaft für die Zukunft wettbewerbsfähig gemacht wird! (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Kollege Kummerer, ich muss dir noch etwas sagen: Ich freue mich, dass du sehr weite Bereiche in diesem Agrarrechtsänderungsgesetz mitträgst! Ich kann aber nicht verstehen, dass du gerade den Pflanzenschutzmittelbereich ausnimmst! – Machen wir uns doch nichts vor, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wie sieht denn das wirklich aus? Sie werden doch nicht wirklich glauben, dass alles, was in der Annonce der chemi-schen Industrie in der heutigen "Kronen Zeitung" steht, stimmt! (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Kollege Öllinger! Du musst einmal in einem Beruf arbeiten, dann kannst du mir vielleicht etwas erzählen! (Abg. Öllinger: Ha! Ha!) Ich bin hauptberuflich Bauer. Ich weiß nicht, was du in deinem Leben schon gemacht hast außer Politik! Kollege Öllinger, in diesem Bereich lasse ich mir von euch nichts erzählen, das sage ich ganz offen und ehrlich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Das ist ein großer Fehler!)

Ein banaleres Beispiel als den Abstand der Auspflanzungen in den Weingärten gibt es nicht mehr! (Neuerliche Zwischenrufe bei den Grünen.) Machen wir uns doch nichts vor! Wissen Sie, dass es auch in Österreich verschiedene Abstände in der Auspflanzung gibt? Wissen Sie, dass im Rübenbau der Reihenabstand von 42 bis 50 Zentimeter und mehr variiert? Wissen Sie, dass innerhalb der Reihe die Pflanzung im Rübenbau zwischen 17 und 25 Zentimetern differiert? – Wir haben hier in Österreich ordentlich ausgebildete Betriebsführer (Beifall bei den Freiheitlichen), die mit den Dosierungsangaben auf den Pflanzenschutzmittelbehältern umgehen können und müssen! (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Kollege Kummerer, du weißt sehr genau, dass die Dosierung bei diesen Pflanzenschutzmitteln von einer minimalen Aufwandmenge bis zu einer Höchstmenge angegeben wird, die man unter Umständen verwenden kann, und das hängt nicht davon ab, ob dieses Mittel in Deutschland oder hier in Österreich verwendet wird! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer. )

Die alleinigen Kriterien sind ganz andere. Wenn wir heute eine einheitliche Dosierung vorschreiben und sagen, dass nur eine Zulassung hier in Österreich das Richtige ist, dann muss ich Folgendes sagen: Wir haben leichte, sandige Böden im Marchfeld, wir haben schwere, tiefgründige Humusböden im Bezirk Hollabrunn, wir haben steinige Böden im Waldviertel. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. ) Glaubt ihr, dass die Betriebsführer, wenn es nur eine Dosierung gäbe, diese österreichweit anwenden könnten?

Machen wir uns doch bitte nichts vor! Jeder Bauer weiß heute, dass er, wenn die Sonne scheint, die Dosierung logischerweise eher herabsetzen muss, weil unter Umständen die Pflanze angegriffen werden kann. An einem kühlen Tag muss er die Dosierung hingegen erhöhen. – Freunde! So wir ihr euch das vorstellt, spielt es sich in der Landwirtschaft leider nicht ab! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

Ich verstehe dich nicht, Kollege Pirklhuber! Gerade die Grünen und du als Bauer schädigen hier im Parlament die bäuerlichen Interessen auf das Gröbste! Es ist eine unsagbare Unterstellung,


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wenn man hier sagt, dass den österreichischen Konsumenten in Zukunft Produkte vorgesetzt werden, die den Konsumenten schädigen könnten. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler. )

Machen wir uns nichts vor! Die einzigen Schädigungen hat es in der Vergangenheit in der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Der Skandal spielt sich zurzeit in Deutschland unter einer grünen Umweltministerin ab, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn dort ist kein freiheitlicher Minister oder ein VP-Minister zuständig für die Landwirtschaft, sondern eben einer einer anderen Couleur. – Dazu möchte ich sagen: Solche Skandale möchten wir hier in Österreich vermeiden, und wir werden alles daran setzen – das garantiere ich euch! –, dass es nicht so weit kommt, dass ein grüner Umweltminister in Zukunft hier in Österreich das Sagen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Schweineskandal haben wir wohl keinen gehabt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Abschließend möchte ich sagen: Ich freue mich, dass ich heute hier gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP und mit meinen Kolleginnen und Kollegen dieses Gesetz beschließen kann! Es wird die Wettbewerbsfähigkeit der Bauern sicher erhöhen. Das ist notwendig. Ich gebe aber auch zu bedenken, dass es endlich europaweit einheitliche Gesetze geben muss, nicht nur betreffend die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, sondern zum Beispiel auch betreffend den Import. Es dürfen heute nämlich Lebensmittel nach Österreich kommen, die unter Umständen dem österreichischen Lebensmittelgesetz nicht entsprechen würden, weil sie anders behandelt wurden. Das ist der springende Punkt! (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Kollege Öllinger! Kollege Kummerer! Diesbezüglich könnt ihr euch bei euren Kolleginnen und Kollegen in Europa stark machen, damit es hier endlich zu einheitlichen Standards kommt! Österreichs Bauern brauchen diese! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte, Herr Minister.

21.13

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Öllinger: Es gehört viel mehr gespritzt!) Ich möchte zum Agrarrechtsänderungsgesetz und zur bisherigen Diskussion Stellung nehmen. (Abg. Mag. Kogler: Viel mehr Spritzmittel!)

Ich möchte mich erstens dafür bedanken, dass bisher eine sehr differenzierte Diskussion zum Gesamtkomplex Agrarrechtsänderungsgesetz geführt wurde! Wir haben mit diesem Agrarrechtsänderungsgesetz beispielsweise Zielsetzungen wie mehr Sicherheit im Bereich Lebensmittel und effizientere Kontrolle im Bereich der gesamten Gesetzesmaterien verwirklicht und damit letztlich auch einen Beitrag in Richtung Europäische Union und Binnenmarkt geleistet.

Wir haben mit dem Forstlichen Vermehrungsgutgesetz einen Beitrag zur Erhöhung der Biodiversität im Forst etwa auch im Zusammenhang mit der Naturverjüngung geleistet. – Wie Sie sehen, steht dahinter eine sehr konzise und konsistente Politik, denn das Forstgesetz selbst öffnet in Richtung Naturverjüngung neue Perspektiven.

Wir haben mit dem Düngemittelgesetz eine sehr wichtige Novelle vorgelegt, die uns einerseits die Möglichkeit gibt, beispielsweise bei der Frage Düngemittel auf Basis tierischer Proteine flexibler zu reagieren, indem wir hier nicht mit einem gesetzlichen Verbot agieren, sondern mit dem flexibleren Instrument der Verordnungsermächtigung. Wir haben notwendige Klarstellun-gen im Bereich Klärschlamm vorgenommen.

Wir haben mit dem Rebenverkehrsgesetz auch im Zusammenwirken mit der Strategie Weingesetz eine klare zusätzliche Qualitätsorientierung. Herr Abgeordneter Kummerer! Die Bezirkshauptmannschaften haben viel Arbeit im Sinne des Verwaltungsreformgesetzes umzusetzen, und sie werden das erfolgreich tun im Sinne des bürgernahen One-Stop-Shop-Prinzips. Die Ös


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terreicherinnen und Österreicher sind uns dankbar für diesen Schritt. Daher haben wir im Weingesetz den Schritt getan, dass die Arbeit für die Bundeskellereiinspektion in Zukunft entsprechend ermöglicht wird, damit die Bezirkshauptmannschaften das One-Stop-Shop-Prinzip für den Bürger tatsächlich effizient umsetzen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Mit der Novelle des Futtermittelgesetzes wird ein zusätzlicher Beitrag in Richtung besserer Nachvollziehbarkeit und Kontrolle – wie Kollege Pirklhuber schon angesprochen hat – vom Feld bis zur Ladentheke geleistet. Wir haben damit auch ein besseres Rechtsinstrumentarium in der Hand, wenn begründeter Verdacht beispielsweise im Futtermittelbereich gegeben wäre.

Nun zur heiß diskutierten Frage des Pflanzenschutzmittelgesetzes: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist das Ziel? – Das Ziel ist, in Österreich beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln weiterhin absolut restriktiv vorzugehen. Ein Ziel ist selbstverständlich auch, den Einsatz weiter zu senken. Herr Abgeordneter Pirklhuber! Wenn Sie es jetzt noch einmal verlangen, dann kann ich Ihnen sagen: Wir haben dafür bereits ein Instrument! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. ) Sie können es ein drittes Mal sagen, aber ich werde Ihnen immer wieder sagen: Wir haben mit dem ÖPUL das europaweit effizienteste Programm zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes aller europäischen Länder. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir verfolgen mit diesem Instrument nämlich flächendeckend das Ziel der Ökologisierung der Landwirtschaft. Das unterscheidet uns. Ich möchte nicht, dass wir in einzelnen Bereichen ökologisch vorgehen und etwa nur Biolandbau betreiben, der Rest hingegen aus industrieller Produktion besteht. Das wäre nicht unsere Strategie! Vielmehr wollen wir in der Ökologisierung flächendeckend erfolgreich sein. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. ) Wir wollen aber auch, Frau Abgeordnete, faire Wettbewerbsbedingungen.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich frage Sie jetzt: Wie können Sie langfristig eine Position vertreten, durch die bewirkt wird, dass wir in Europa die Rechtssituation haben, dass jedes Produkt, das in einem EU-Land erzeugt wird und den Bedingungen entspricht, die in dem jeweiligen EU-Land gelten, durch ganz Europa transportiert und überall verkauft werden darf und ganz selbstverständlich in den österreichischen Regalen steht, obwohl jedoch die Bedingungen, wie produziert wird, unterschiedlich sind? Ich verstehe nicht, dass Sie diese Position verteidigen! (Neuerliche Zwischenrufe bei den Grünen.)

Ich meine, die logische Konsequenz daraus muss wohl sein, dass wir uns bemühen, auch im Bereich der Betriebsmittel und im Bereich der Standards europäisches Niveau, und zwar höchstmögliches Schutzniveau, zu erreichen. – Das ist die Zielsetzung, und ich bin überzeugt davon, meine Damen und Herren, dass das langfristig der beste Weg für Konsumenten und Produzenten ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich meine, Sie liegen mit Ihrer Einschätzung absolut falsch! Sie schaden mit Ihrer Haltung langfristig dem Interesse des österreichischen Konsumenten. Warum? – Weil der effizienteste Schutz des Konsumenten einerseits darin liegt, dass wir in Österreich bestmögliche Niveaus haben. In gleicher Weise besteht der Schutz aber darin, dass wir europaweit einheitlich hohe Standards haben, weil der Konsument kauft, was ihm angeboten wird, auch dann, wenn der Paprika aus Spanien und die Erdbeeren aus ich weiß nicht wo kommen. Sie verlangen zu Recht, dass einheitliche Bedingungen erfüllt werden, das ist in Europa derzeit aber nicht der Fall. Meine Damen und Herren! Daher gehen wir mit dieser Gesetzesnovelle einen vorbildlichen Schritt!

Ich möchte noch mit einigen Missverständnissen aufräumen. Ihre Aussage ist interessanterweise identisch mit jener im Inserat der chemischen Industrie, und es hat mich wirklich besonders nachdenklich gestimmt, dass die Grünen und die chemische Industrie Österreichs plötzlich nahezu identische Argumente verwenden. Da bin ich – wie gesagt – nachdenklich geworden, und vielleicht sollten Sie auch darüber nachdenken! (Zwischenrufe bei den Grünen.)


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Sie sagen beispielsweise auch heute wieder, dass wir mit dem Gesetz alles zulassen würden, was es in Europa gibt. – Das ist falsch! Nicht einmal das Pflanzenschutzmittelgesetz alt würde es zulassen, Länder zu verordnen, deren Bedingungen mit unseren nicht vergleichbar sind. Wir haben sogar eine Veränderung vorgenommen, dass nämlich in Zukunft der Gesundheitsminister seine Zustimmung geben muss, wenn wir zusätzliche Länder verordnen siehe § 12 Absätze 1 und 2.

Ich frage mich daher: Was ist denn daran falsch, wenn ein in Deutschland zugelassenes Pflanzenschutzmittel, nachdem zwei Jahre lang das vereinfachte Zulassungsverfahren erfolgreich angewandt wurde, nun ex lege zugelassen wird? Ich verstehe das einfach nicht, denn mit demselben System des vereinfachten Zulassungsverfahrens kommen diese deutschen Pflanzenschutzmittel auf Basis des derzeitigen Gesetzes auf den österreichischen Markt, allerdings mit dem Unterschied, dass sie erstens mit hohem bürokratischen Aufwand Zulassungsverfahren durchlaufen müssen, obwohl die in Deutschland mit bestmöglicher Qualität durchgeführt werden, und damit zweitens höhere Preise haben. Und das sind keine fairen Wettbewerbsbedingungen für die Bauern! (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Und wo bleibt das Vorsorgeprinzip?)

Meine Damen und Herren! Sagen Sie auch dazu, dass wir mit den bestehenden gesetzlichen Regelungen auch die Möglichkeit haben – mit dieser Novelle nicht verwehrt –, in Österreich auch in Zukunft Wirkstoffe in der Anwendung zu verbieten, weil das Pflanzenschutzmittelgesetz nur ein Gesetz ist, das die Inverkehrbringung regelt. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Das gilt aber nur im Prinzip, Herr Bundesminister!)

Ich habe Ihnen im Ausschuss ja schon mitgeteilt, dass wir eine Verordnung in Begutachtung haben, mit der wir jene zwei Wirkstoffe, die in Österreich nicht zugelassen sind, auch in Zukunft verbieten wollen. Das heißt, wir haben ein Instrument, das fairere Wettbewerbsbedingungen schafft, das uns aber selbstverständlich die Handhabe lässt, weiterhin so wie bisher eine erfolgreiche Ökologisierung der gesamten Landwirtschaft voranzutreiben und damit auch langfristig den Konsumenten den bestmöglichen Dienst zu erweisen und für die Bauern fairere Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Das halte ich für vernünftig und richtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Faul. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

21.22

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich habe Ihnen in der letzten Ausschusssitzung als Gegenargument zur geplanten Gesetzesänderung die Beispiele des Schweinemastskandals und des Medikamentenskandals vor Augen geführt. Auf Grund der Aktualität des Nitrofenskandals möchte ich das noch einmal tun.

Herr Minister! Der Ansatz ist heute wieder der gleiche – Kollege Schwarzenberger hat es uns ja auch gesagt –: Das ständige Kritisieren der Bauern und der Produzenten in Österreich, dass die Tierarzneimittel in Deutschland viel billiger sind als in Österreich, hat zu diesem Schleichhandel geführt, und letztlich auch zu dessen Aufdeckung, Herr Schwarzenberger. Der Skandal in Österreich war damals perfekt. Neben den strafrechtlichen Auswirkungen, wobei – und das möchte ich auch einmal sagen – strafrechtliche Handlungen von Politikern beispielsweise in der Steiermark außer Strafe gestellt gewesen sind, blieb davon nur eines übrig (Abg. Zweytick: Holla!): ein handfester Skandal für die Schweinewirtschaft in Österreich, eine massive Verunsicherung der Konsumentinnen und Konsumenten und damit verbunden, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein plötzlicher Einbruch im Schweinefleischabsatz und langfristig gesehen, Herr Minister – und das können Sie nicht abstreiten –, immer weniger Leute, vor allem junge Leute, Herr Schwarzenberger, also unsere zukünftigen Konsumenten, die Schweinefleisch essen. (Abg. Auer: Ihre Skandalisierung hat dazu geführt!)

Herr Minister! Ich frage Sie: Hat sich das für die Bauern gelohnt? Hat sich das gelohnt, Herr Kollege Auer? Hat es sich wirklich ausgezahlt, billiger zu produzieren, aber nachhaltig das Ver


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trauen der Konsumentinnen und Konsumenten in ein gutes österreichisches Produkt zu verlieren? Da frage ich Sie wirklich, ob sich das gelohnt hat!

Herr Minister! Ihr Argument war für mich im Ausschuss schon noch nachvollziehbar und auch verständlich, nämlich zu hinterfragen, wie Sie es auch jetzt gemacht haben: Was macht es für einen Sinn, wenn man in Österreich und in Deutschland andere Zulassungsbestimmungen für Tierarzneimittel hat, letztlich aber am Export- und Importweg die lebenden und die geschlachteten Tiere oder das Fleisch hin- und herschickt? Ich habe Ihnen damals Recht gegeben, Herr Minister, aber heute unter dem Eindruck des Nitrofenskandals gibt es doch eine andere Perspektive, vielleicht auch eine europäische; über die werden wir jetzt noch reden.

Die Auswirkungen des Skandals werden wohl auch Ihnen, liebe Freunde der Bauern, unter die Haut gegangen sein, dieses riesige negative Medienecho in Deutschland, Österreich und Gesamteuropa, die massive Verunsicherung der Biokonsumenten, der Zusammenbruch des mühselig aufgebauten Biomarktes und letztlich des ... (Abg. Schwarzenberger: In Deutschland!) – Ja, diese Konnexionen mit Deutschland deuten ja genau darauf hin: Der andere Skandal, der Schweineskandal, ist ja auch aus Deutschland gekommen und nicht von Österreich nach Deutschland gegangen. Das muss ich schon sagen. (Abg. Achatz: Und warum ist es dann so, dass Sie in Österreich einen Skandal machen?)

Herr Minister! Herr Schwarzenberger! Ich frage Sie wirklich: Wollen wir das auch in Österreich haben, um den schnöden Preis etwas billigerer Pflanzenschutzmittel einen Skandal? (Abg. Schwarzenberger: Nein! – Abg. Achatz: Nein, in Österreich gibt es keinen Skandal!)

Herr Minister! Ich bin jetzt bei diesem europäischen Gedanken. Sind in Zeiten wie diesen nicht andere Ansätze gefragt, wie Sie das beispielsweise im EU-Ministerrat in Murcia eingeleitet haben, Schritte, die die europäische Agrarpolitik in Zukunft zu einer Politik reformieren sollen, die die Verbraucher- und die Umweltaspekte stärker in den Vordergrund stellt, Schritte, die unser bisheriges Fördersystem – das hören Sie nicht gerne, Herr Kollege Schwarzenberger – überdenken sollen in Richtung von Förderprogrammen, die verstärkt die Lebensmittelsicherheit garantieren können und auf den Umweltschutz und den Tierschutz abgestellt sind, also letztlich Programme, die die Konsumenten von uns wollen?

Herr Minister! Es war ja interessant, und das habe ich auch gelesen: Der Grundtenor des deutschen Bauernverbandes war: Wir verändern nichts! Herr Kollege Schwarzenberger, ich hoffe, dass die österreichischen Bauern, die leider in ihrer Grundtendenz den deutschen sehr ähnlich sind, umdenken lernen. Vielleicht hilft ihnen auch Ihr Kommissar Fischler dabei, der sagt: Die Landwirtschaft der Zukunft, die den Landwirten die Existenz nachhaltig und angemessen sichern will, braucht eine intakte Umwelt und vor allem zufriedene und verbrauchersichere Konsumenten. Das ist das Credo.

Herr Minister! Um auf die europäischen Ideen zurückzukommen: Sie haben selbst gesagt, dass es Ansätze gibt. Denken Sie nach über Reformschritte in diese Richtung, bevor Ihnen die EU das verpflichtend vorschreibt, und setzen Sie einiges von dem um, was Sie am Anfang angekündigt haben. Und das Wesentliche, Herr Minister: Verunsichern Sie nicht durch dieses unsinnige Gesetz die Konsumenten, die dem Slogan vom "Feinkostladen Österreich" bisher blind gefolgt sind! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wenitsch: Das machen Sie mit Ihrer Skandalisierung! – Abg. Achatz: Sie kriminalisieren die Bauern!)

21.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

21.27

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen meines Vorredners richten sich von selbst. Es ist besser, nicht darauf einzugehen. Es genügt, wenn man sich nachher das Protokoll zu Gemüte führt. Diese Ausführungen waren wirklich letztklassig!


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Meine Damen und Herren! Ich möchte mich aber ein wenig mit den Ausführungen des Kollegen Pirklhuber beschäftigen. Herr Kollege Pirklhuber, ich gestehe Ihnen zu, dass Sie beseelt sind vom Willen, die Agrarpolitik nach Ihren Vorstellungen zu gestalten, ich gestehe Ihnen auch zu, dass Sie vielleicht gute Absichten haben, aber schön langsam frage ich mich, was Sie wirklich wollen! In Ihrer abweichenden persönlichen Stellungnahme, die ich hier habe (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe), heißt es – ich zitiere Sie wörtlich –:

"Um eine Verminderung der Pflanzenschutzmittelintensität ... zu erreichen, müsste ..." – und so weiter und so fort – "durch marktorientierte Maßnahmen ergänzt werden. In anderen EU-Mitgliedstaaten" – und Sie zitieren unter anderem auch die Niederlande – würde die Sache ganz anders sein und greifen.

Meine Damen und Herren! Ich habe das neueste "top agrar" hier. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Es geht nicht um die Agrarpolitik insgesamt!) Sie erwähnen wörtlich auch die Niederlande, und darauf möchte ich eingehen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Er hat ja keine Ahnung!) 10 Prozent weniger Schweine, Schweinehaltungskonzentration, 40 Prozent weniger Betriebe, Durchschnittsgröße statt 680 Tiere pro Betrieb weit über 1 000 – wenn das Ihr Zukunftsmodell ist, das Sie loben, dann sage ich nur: Danke, das wollen wir nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Pirklhuber! Letztes Wochenende gab es im ORF einen Preisvergleich der Lebensmittel in Europa, und siehe da: Die Milch kostet in Italien für den Verbraucher in etwa das Doppelte im Vergleich zu dem Preis, zu dem sie in Österreichs Supermärkten zu haben ist. Kommentar des Redakteurs, des Sprechers: "Wer hätte das geglaubt?"

Meine Damen und Herren! Wenn wir so weitermachen, mit den erschwerten Bedingungen, mit noch mehr Kontrolle, noch mehr Auflagen, dann wird der Trend zum Großbetrieb weitergehen und nicht die Erhaltung der kleinbäuerlichen Struktur gefördert, weil sich ein kleiner Bauer diese Auflagen nicht mehr leisten kann, weil er gar nicht in der Lage ist, all das zu finanzieren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir beschließen heute mit diesem Agrarrechtsänderungsgesetz elf Novellen, und davon ist eine kleine dem Pflanzenschutz gewidmet – Gott sei Dank! Sie wird die Landwirtschaft nicht retten, aber sie bringt zumindest etwas Chancengleichheit. Es kann doch nicht sein, dass die Erzeugerpreise aus der Sicht der Konsumenten international Europaniveau haben müssen, die Betriebsmittelbedingungen für den Bauern aber die Arbeit erschweren und nach österreichischem Modell ablaufen. So etwas kann es auf Dauer nicht geben, meine Damen und Herren! Das kann doch auch nicht der Wunsch der Grünen sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Wer verhandelt denn das?)

Meine Damen und Herren! Ich habe ja Verständnis dafür, dass Ihre Wünsche auch von Experten, Wissenschaftern und so weiter unterstützt werden. No na!, er muss ja neue Gutachten haben, er will ja neue Bücher schreiben, er möchte das ja auch verkaufen. Die Stallindustrie, die Pflanzenschutzmittelindustrie möchte neue Produkte auf den Markt bringen, möchte seitens der Landwirtschaft Investitionen haben.

Meine Damen und Herren! Fragen Sie die Unternehmen, die haben keinen Einwand gegen erschwerte Produktionsbedingungen im Stallbau. Ganz offen sagte mir ein Repräsentant dieses Bereichs: Wir können davon nur profitieren. Nur: Zeigen Sie mir einen Bauern mit zehn, 20 oder 30 Hektar, der in Zukunft in der Lage sein wird, diese übertriebenen Forderungen zu erfüllen! (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Ist Tierschutz übertrieben?)

Meine Damen und Herren! Schön langsam schaut es so aus, als wäre der Bauer der Tierquäler, als wäre er jener, der sich bei den Produktionsbedingungen nicht auskennt, der keine Ahnung hätte vom Pflanzenschutzmitteleinsatz, aber ganz bestimmte Leute hier herinnen, die offensichtlich sehr wenig von der Landwirtschaft verstehen, wüssten genau, wie es zu geschehen hätte. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Düngemittelverbrauch!)


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Meine Damen und Herren! Schön langsam schaut es so aus: Der Bauer in den Stall mit der Mistgabeltechnik und die Tiere ins Wohnzimmer. Wohin führt denn diese Denkweise?

Als Österreichs Bauern bekennen wir uns zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung, zu einer überschaubaren Betriebsgröße, und wir sind auch – wir brauchen keinen Vergleich zu scheuen –, was den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und andere Bereiche betrifft, bisher sehr sorgsam mit der Umwelt umgegangen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Und wenn Sie schon uns nicht trauen, meine Damen und Herren, dann sollten Sie zumindest das wissen, was bereits ausgeführt wurde (Abg. Edler: Schrei nicht so!): In Deutschland ist für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln das Umweltbundesamt unter grüner Ministerführung zuständig. Wenn Sie solch einer Kollegin derart misstrauen, dann bestätigen Sie, was die Bauern und wir immer schon wussten: Auch in Österreich hätte eine derartige Politik keine Zukunft.

Wir wissen, dass wir bei einem Bundesminister Molterer in absolut guten Händen sind, und Österreichs Bauern wissen das auch! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaßner. – Bitte.

21.33

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Eine kurze Bemerkung zu Ihren Ausführungen zum One-Stop-Shop bei den Bezirkshauptmannschaften. – Herr Bundesminister, waren Sie in der letzten Zeit, seit dieser so hoch gelobten Verwaltungsgesetznovelle, schon einmal dabei und haben Sie mitverfolgt, wie zum Beispiel eine gewerbliche Verhandlung abläuft? Haben Sie da schon einmal gesehen, wie dieser One-Stop ausschaut? (Abg. Zweytick: Ja, ich war bei der BH!)  – Ja, er bleibt stehen, aber es geht nichts weiter, genauso wie vorher.

Meine Damen und Herren! Selbst auf die Gefahr hin, dass mich Herr Kollege Auer dann auch – wie hat er gemeint? – als letztklassig einstuft (Abg. Auer: Das würde ich beim Gaßner nie wagen!), muss ich mir bei diesem Gesetz oder bei dieser Novelle vor allem die Pflanzenschutzmittel betreffend schon die Frage stellen, auch wenn das nur eine Kleinigkeit ist: Wieso verzichten wir auf ein hervorragendes österreichisches Niveau und begeben uns auf ein niedrigeres Niveau (Bundesminister Mag. Molterer: Das ist falsch!) ohne daran zu denken, wer darunter zu leiden hat? Wieso verzichten wir darauf? (Abg. Auer: Wie viele Tonnen werden importiert?)

Wir lagern die Kontrolle aus, wir lagern die Zulassungsbestimmungen aus, wir sourcen out, lassen das von anderen Ländern erledigen, und wenn das dort zwei Jahre lang in Erprobung war, dann kann es auch bei uns so weit sein.

Jetzt ist es nur Deutschland. Herr Kollege Schwarzenberger hat aber gemeint, das Ganze hänge auch mit der EU-Erweiterung zusammen. Ja, wie denn? Vielleicht auch im Hinblick auf diese Pflanzenschutzmittel, die in Europa nicht erlaubt sind, aber in den östlichen Ländern noch erlaubt sind? (Abg. Schwarzenberger: Ich habe gesagt: billigere Betriebsmittel!) Brauchen wir dann das Atrazin vielleicht auch wieder für unser Grundwasser, Herr Kollege Schwarzenberger? (Abg. Schwarzenberger: Das ist in Österreich verboten!) Das ist in Österreich verboten. (Abg. Schwarzenberger: Und darf auch nicht importiert werden!) Aber wenn ich mir anhöre, wie gut unsere Bauern wirtschaften, wie gut sie vorgehen und wie gut die Betriebsleiter ausgebildet sind, dann frage ich mich schon, wieso es nach wie vor möglich ist, dass unser Grundwasser derart belastet ist, dass wir Filterungen durchführen müssen, dass wir so hohe Nitratwerte haben, dass wir andere Brunnen suchen müssen.

Und jetzt kommt wieder der Vorwurf, dass ich die Bauern kriminalisiere. Nein, ich kriminalisiere sie nicht, aber einige davon mit Sicherheit, sonst wäre unser Grundwasser heute schon sauber. Und es gibt in ganz Österreich solche Beispiele, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Sie jammern zu Recht über die zu hohen Preise der Betriebsmittel, Sie jammern über die zu hohen Kosten, wer aber verliert ein Wort über die gemeinschaftlichen Kosten, die uns durch einen unsachgemäßen Einsatz der Pflanzenschutzmittel und der Pestizide ins Haus stehen? Wer, bitte, bezahlt denn die Wassersäuberungen, wer bezahlt denn die Suche nach besserem Wasser, um mit den Nitratwerten herunterzukommen? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das bezahlt der Konsument heute schon, und in der Zukunft wird er noch mehr bezahlen. Der Konsument hat nämlich keine so starke Lobby. Und wenn das das "neue Regieren" ist, das "rot-weiß-rote Regieren", wie es immer heißt, dass man ganz einfach eine Gruppe damit belastet, um einer anderen Gruppe Wettbewerbsvorteile einräumen zu können, dann sage ich: Das ist nicht "rot-weiß-rotes Regieren", das ist nicht im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher, sondern das ist blau-schwarz. Dazu sage ich: Nein, danke, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Keine Qualität! Kein Plan!)

21.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zellot. Die Uhr ist auf 4 Minuten gestellt. – Bitte.

21.38

Abgeordneter Roland Zellot (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich werde vorerst eine Probe nehmen und schauen, ob die Wasserqualität in Österreich wirklich so schlecht ist. (Der Redner trinkt einen Schluck Wasser. – Abg. Faul: Das ist aber Wiener Wasser!) Schmeckt ausgezeichnet! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Das heute vorgelegte Agrarrechtsänderungsgesetz bringt natürlich sehr viele positive Punkte für Landwirtschaft, Konsumenten und Umwelt, vor allem durch die Novelle des Düngemittelgesetzes, aber auch durch die genauere Kontrolle nach dem Futtermittelgesetz.

Das neue Gesetz bietet bessere Möglichkeiten zur Vollziehung, vor allem aber auch bei verschiedenen Vorkommnissen die Möglichkeit der Beschlagnahme und einer Rückholaktion durch den Erzeuger. Bisher waren solche Eingriffe sehr schwierig. Dieses Gesetz zeigt auch, dass es Verbesserungen zum Wohle der Umwelt und auch zum Wohle der Konsumenten gibt.

Wenn wir aber in den Bereich der Änderungen des Pflanzenschutzmittelgesetzes kommen, dann wird die Diskussion sehr unfair und sehr giftig. Dieser Vorschlag ist ein wichtiger Schritt in Richtung Öffnung der Betriebsmittelmärkte im Binnenmarkt und bietet natürlich bei genauer Kontrolle dieser Pflanzenschutzmittel Chancengleichheit. Wettbewerbsverzerrungen werden dabei vermieden. Und diese Änderungen des Pflanzenschutzmittelgesetzes sind keine Forderung der Politik, sondern eine Forderung der Landwirtschaft, der österreichischen Familienbetriebe.

Diese Diskussion zeigt jedoch, dass das seit dem EU-Beitritt auch ein Problem ist. Nahrungsmittelmärkte werden weitgehend liberalisiert, zum Beispiel im Rahmen der WTO, ohne Berücksichtigung unterschiedlicher Produktionsstandards, was bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln natürlich auch wenig beachtet wird.

Meine geschätzten Damen und Herren! Sie müssen bei diesem Pflanzenschutzmittelgesetz bedenken und vor allem auch beachten, dass Pflanzenschutzmittel nur von ausgebildeten Kräften in der Landwirtschaft angewendet werden. Auf Grund klimatischer Gegebenheiten können Pflanzenschutzmittel nicht überall in gleicher Art und Weise eingesetzt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das, was ich an der heutigen Diskussion schlimm finde – der Ausdruck "schlimm" ist ja noch zu wenig –, giftig finde, ist, dass man auch nicht dazu steht. Man isst wohl als Konsument Nahrungsmittel, die irgendwo mit bei uns nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden, aber man ist nicht bereit, dieser Änderung des Pflanzenschutzmittelgesetzes zuzustimmen.


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Sie wollen nur zum Ausdruck bringen, dass auch Zellot diesem Pflanzenschutzmittelgesetz im Nationalrat zugestimmt hat, und ihn somit als "Gift-Nationalrat" bezeichnen. Ich mache das zum Wohle der Bauern, weil sie mit diesen Dingen sorgfältig umgehen. (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.4


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2


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Parfuss. – Bitte.

21.42

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich muss feststellen: So klar wie heute hat sich der Interessenkonflikt zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsminister noch nie gezeigt. (Bundesminister Mag. Molterer: Gut gelöst!) Herr Minister! Als Umweltminister müssen Sie dafür sorgen, dass die Ressourcen unseres Landes schonend behandelt werden und die Umwelt frei von Gift gehalten wird. (Bundesminister Mag. Molterer: Das tue ich!) Kurz gesagt, ein hoher Umweltstandard sollte Ihr politisches Ziel sein. Obwohl Sie als Umweltminister diesen Auftrag haben, lassen Sie als Landwirtschaftsminister mit dieser Gesetzesänderung mehr statt weniger Pestizide in unser Land. (Abg. Wenitsch: Das stimmt überhaupt nicht!)

Statt die Kontrollen zu verstärken, werden illegale Importe aus Deutschland, die es ja gegeben hat, einfach legalisiert, und zwar im Namen des Wettbewerbes, Herr Bundesminister.

Wir dürfen eines nicht vergessen – und das sollten wir auch ansprechen –: Die Problematik durch die Art der landwirtschaftlichen Betriebe entsteht ja erst. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen konventioneller Landwirtschaft und hohem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Dünger und Energieverbrauch. Dabei – und das wissen Sie noch viel besser als ich, Herr Bundesminister – gibt es einen bewiesenen und vorexerzierten Ausweg aus der Sackgasse, nämlich den biologischen Landbau, der das auch beweist.

Sie haben in Ihrer Rede gesagt, Ihr Ziel sei der restriktive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Ich möchte hier eine Studie anführen, die Sie vielleicht kennen, eine über 20 Jahre gehende Studie aus der Schweiz, die zu dem Resultat kam, dass der biologische Weizenanbau nur ein Drittel an Dünger und um 56 Prozent weniger Energie als der konventionelle Weizenanbau benötigt. Der Einsatz von Schädlingsvernichtungsmitteln war um sagenhafte 97 Prozent geringer, also quasi fast null. Zusätzlich war die Artenvielfalt auf den ökologisch bewirtschafteten Äckern bedeutend größer, und die Böden waren fruchtbarer und stabiler. Sie werden jetzt nach dem Ertrag fragen. – Der Ertrag war um nur 10 Prozent geringer als jener auf den konventionell bewirtschafteten Feldern.

Die Experten, die diese Studie veröffentlicht haben, folgern sozusagen als logische Konsequenz, der organische Landbau sei eine realistische Alternative zu konventionellen Anbausystemen. (Abg. Schwarzenberger: In der Schweiz!)

Herr Bundesminister! Angesichts dieser Fakten wäre es meiner Ansicht nach doch nur klug, endlich einen Schwenk in der Landwirtschaftspolitik hin zum Biolandbau zu machen, wie ihn Herr Abgeordneter Gradwohl und die SPÖ schon seit Jahren fordern. Dann müssten wir heute auch nicht über ein neues Pflanzenschutzmittelgesetz streiten, denn dann bräuchten wir ohnehin keine Pflanzenschutzmittel. (Bundesminister Mag. Molterer: Im Biolandbau ist Österreich in Europa Nummer eins!)

Herr Bundesminister! Sie sagen immer wieder – ich habe es gehört –, die Landwirtschaftspolitik der EU gehe in eine völlig andere Richtung, und entschuldigen damit Ihr Desinteresse an den Biobauern. Herr Bundesminister, das mag für den Moment stimmen, aber vor 15 Jahren haben wir auch noch geglaubt, dass die Berliner Mauer ewig stehen würde. Ich meine, Änderungen sind möglich, auch in der Landwirtschaft, Herr Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

21.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

21.46

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich liegt im Bereich Umweltstandards europaweit im Spitzenfeld, wenn es darum geht, Boden, Wasser und Luft zu schützen und zu erhalten. In Zukunft ist es aber auch unser Auftrag, dass wir Wege, Schritte und Beschlüsse einleiten, um diese Standards zu optimieren und auszubauen. Und mit diesem Agrarrechtsänderungsgesetz wird wieder ein Beitrag geleistet, die Standards in Österreich anzupassen, zu verbessern und zu optimieren.

Ein Danke daher an alle Beamten, Experten, welche diesen Gesetzentwurf vorbereitet und so präzise ausgearbeitet haben. – Danke! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Tatsache ist leider, dass unseren Bauern seit dem EU-Beitritt die Spielregeln des Marktes in der Produktion entgegentreten, dass es aber bei den Betriebsmitteln keine Vorteile für unsere Bauern gibt. Sie sind vielmehr einem immer härter werdenden und schneller wachsenden Wettbewerb unterworfen. Wir haben im Betriebsmittelbereich bis zu 30 Prozent Preisnachteile, aber auch Nachteile durch die Zulassungen. Ich darf das hier offen sagen: Gerade im Obstbau ist Deutschland führend bei pflanzen- und nützlingsschonenden Mitteln. Ein Kollege von mir muss fast gezwungenermaßen Mittel aus Deutschland beziehen, um seine nützlingsschonende Produktion zu sichern. Es ist also so, dass wir davon profitieren können. Österreich kann für die Forschung nicht so viel ausgeben. Es kann europaweit geforscht werden und europaweit gegenseitiger Nutzen gezogen werden.

Bei den Pflanzenschutzmitteln – ich darf das wieder auf Tiroler Verhältnisse umlegen –, wo wir einen geringen Verbrauch haben, ist es derzeit so, dass auf Grund von Preisnachteilen in Österreich 30 bis 40 Prozent der Mittel in Deutschland und in Südtirol bezogen werden. Mir ist es allemal lieber, wenn Pflanzenschutzmittel ordnungsgemäß durch den inländischen Handel bezogen werden.

Ich darf auch hier auf die Panikmache und Verunsicherung im Vorfeld, also vor Verabschiedung des Pflanzenschutzmittelgesetzes, bei dieser Debatte heute und auch im Ausschuss hinweisen. Es war in der Zeitung wörtlich von einem "Giftschlag" die Rede, davon, dass 300 Präparate ohne Prüfung zugelassen werden. Es wurde sehr großzügig argumentiert, von Präparaten, Wirkstoffen und Produkten war die Rede, ohne den Hintergrund zu kennen.

Die Zulassung der deutschen Standards für Österreich ist allemal besser und bringt uns weiter auf dem gemeinsamen europäischen Weg.

Ich darf aber heute hier zum Schutze der Bauern auch feststellen, dass Österreich gerade im Pflanzenschutzmittelbereich die Anwendungsmengen reduziert hat, und zwar durch den hohen Stand der Technik, durch Prüfung der Spritzgeräte, durch gezielte Beratung und fachliche Qualifikation. Ich darf auch an dieser Stelle einmal sagen: Es gibt in allen Bundesländern die Ausbildung zum Pflanzenschutztechniker. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Das stimmt nicht!) Als Verantwortlicher für einen Bereich in Tirol darf ich hier feststellen, dass wir 70 Prozent der Pflanzenschutzmittelanwendung über Maschinenring-Pflanzenschutztechniker, also Profis, organisieren und somit dem Pflanzenschutz insgesamt eine fachliche Kompetenz verleihen. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Tirol hat hier wenig Aufwand!)

Österreich droht mit dem neuen Pflanzenschutzmittelgesetz keine Gefahr. Die Anwendung bleibt Ländersache. Betriebskontrollen unterliegen der österreichischen Rechtslage, und Österreich kann selbstverständlich Wirkstoffe verbieten. Österreich leistet einen Beitrag dazu, die Festsetzung von EU-weiten Standards einzuleiten. Wir leisten auch einen Beitrag dazu, Bürokratie abzubauen, die Zulassung zu erleichtern und somit Boden, Wasser und Luft zu schützen.

Das neue Agrarrechtsänderungsgesetz ist trotz deiner Kritik, Kollege Wolfgang Pirklhuber, ein modernes, zeitgemäßes Gesetz, welches jederzeit nachgebessert werden kann und soll, aber derzeit höchste Ansprüche und Anforderungen erfüllt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Horn. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

21.50

Abgeordneter Josef Horn (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich verstehe die Aufregung bei den Regierungsparteien nicht, wenn sich Abgeordnete der Opposition besorgt über den Einsatz von Chemie in der Produktion zeigen. Ich verstehe das einfach nicht. Es sind viele Landwirte unter Ihnen, die mit chemischen Pflanzenschutzmitteln arbeiten, aber auch viele, die sich dieser Produktionsart nicht zuwenden.

Die Thematik der heute zur Beschlussfassung vorliegenden Regierungsvorlage zum Agrarrechtsänderungsgesetz muss in der ganzen Tragweite gesehen werden. Wir stimmen heute unter dem Überbegriff Agrarrechtsänderungsgesetz über elf Gesetzesänderungen ab. Sehr geehrte Damen und Herren! Würden diese Änderungen nicht an Experten zur Begutachtung ausgesendet und deren Stellungnahmen entsprechend in die Regierungsvorlage eingearbeitet werden, dürften solche Pakete nicht dem Ausschuss vorgelegt werden, weil dort einfach zu viele verschiedene Themen zu pauschal behandelt werden müssen. (Abg. Schwarzenberger: Sie waren in Begutachtung!) Ich habe ja nichts anderes behauptet, Herr Schwarzenberger.

Demgemäß wurde der Großteil der Diskussion im Ausschuss auch dem Thema Pflanzenschutzmittel gewidmet. Der Vorschlag, dass Pflanzenschutzmittel, die derzeit in Deutschland zur Vernichtung von unerwünschten Pflanzen und Tieren in der natürlichen Produktion von Pflanzen, Getreide, Gemüse und Obst zugelassen sind, ohne weitere Zulassung auch in Österreich zum Einsatz gelangen können sollen, macht uns Sorge. Deswegen stimmen wir diesen Änderungen auch nicht zu. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

Spricht man in Österreich von 302 zugelassenen chemisch zusammengesetzten Vernichtungsmitteln, so stehen diesen in Deutschland gezählte 299 Mittel gegenüber, die ähnliche Zusammensetzungen aufweisen wie die Mittel unseres Landes. Dass es den Agrarbetrieben, welche vorrangig Chemie in der Produktion einsetzen, darum geht, gleichwertige Stoffe durch den größeren Markt bedeutend billiger zu erhalten, ist zu verstehen. Ich denke aber, Sie alle haben die Aussagen der chemischen Industrie gehört und haben auch die Aussendung bekommen, worin diese behauptet, die chemischen Mittel würden in diesem Fall nicht billiger werden, weil sie darauf drängt, die Beratung, die sie bisher kostenlos durchgeführt hat, dann auf den billigeren Preis, zu dem sie gezwungen werde, aufzuschlagen.

Sowohl die Sorge der Letztverbraucher als auch die der biologisch produzierenden Betriebe in Österreich gilt der Auswirkung dieses Chemieeinsatzes in der Landwirtschaft. Aber ist nicht der Konsument auch Teil dieses Prozesses, wenn er Produkte fordert, die im Regal aussehen, als ob sie von Künstlerhand geschaffen wurden?

Ich als biologisch produzierender Landwirt im Milch- und Fleischsektor kenne all diese chemischen Keulen nicht, die Produktion ist daher auch entsprechend geringer im Ertrag, die Konsumenten sind jedoch vielfach nicht bereit, für das qualitativ hochwertige Endprodukt den erforderlichen Preis zu zahlen. Das war grundsätzlich zu erwarten, da viele gesetzliche Änderungen und Verordnungen dazu geführt haben, dass auf den Höfen der vielen kleinen Betriebe Österreichs keine Kuh, kein Kalb, kein Schwein mehr geschlachtet werden darf, ohne dass eine sündteure EU-gerechte Schlachtstelle mit Kühlraum und vielem mehr für die Direktvermarktung vorhanden ist. (Abg. Auer: Das ist absolut richtig!) So bleibt nur noch die Möglichkeit, sich dem Preisdiktat der Fleischhöfe zu unterwerfen, was kommerzielle Produktion mit höheren Erträgen und anonymer Verarbeitung in Fabriken bedeutet oder, wie vielfach zu sehen ist, das Aufgeben vieler Betriebe – speziell im arbeitsintensiven Milchproduktionsbereich.

Die Hoffnung der vielen Milchbauern in Österreich, die Finanzzuschüsse – wie seit Jahren von den SPÖ-Bauern gefordert – weg von den maschinenorientierten Getreidebetrieben hin zu den arbeitsaufwendigen Milchbetrieben zu bringen, wurde bis heute von diesem Bundesminister nicht erfüllt. Ein entsprechender Antrag der sozialdemokratischen Fraktion für eine grundlegende Neuausrichtung des Agrarsystems durch radikale Umstellung des Förderungssystems mit


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strikter Orientierung an sozialer Gerechtigkeit und nachhaltiger Forcierung des Biolandbaus in Österreich wurde in der letzten Ausschusssitzung auf Antrag des Abgeordneten Zweytick schon zum wiederholten Male von den Regierungsparteien vertagt und nicht behandelt.

Es ist nur zu hoffen, sehr geehrte Damen und Herren, dass alle Vertreter, die heute hier für die Landwirtschaft die Weichen stellen sollen, einsichtig werden, bevor weitere Landwirte dieser vielfältigen, kleinstrukturierten Landwirtschaft wegen Hoffnungslosigkeit der Ertragslage zum Aufgeben gezwungen werden.

Es ist allerhöchste Zeit, die Situation von kleinen, naturbelassenen Produktionen zu verbessern und deren Bestand sicherzustellen. Immer mehr, immer größer – dadurch sind zuerst die landwirtschaftlichen Produkte und in der Folge auch der Konsument immer mehr außernatürlichen Prozessen ausgesetzt. Ein Umdenken ist notwendig. Eine Rückkehr zu biologischen Produkten ohne Chemie und andere Belastungen ist jedoch nur möglich, wenn der Konsument auch den Sinn darin erkennt und sein Kaufverhalten ändert.

Herr Bundesminister! Diese heutigen Gesetzesänderungen erfüllen vielfach Richtlinien der EU, die Änderung des Pflanzenschutzgesetzes erfolgt aber auf Druck der österreichischen Bauern, die die Produktion mittels Anwendung dieser Pflanzenschutzmittel durchführen. Für die EU ist die Trennung der Bereiche Lebensmittel und Futtermittel vorrangig. Sie, Herr Minister, vereinnahmen beide Bereiche. Es muss bald zu einer Trennung von Produktion und Verbraucherschutz in Österreich kommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Freigaßner. – Bitte.

21.56

Abgeordnete Evelyn Freigaßner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Zum einen möchte ich einmal sagen, dass wir uns von der chemischen Industrie sicher nicht unter Druck setzen lassen. Das kommt für uns gar nicht in Frage. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Zweiten: Herr Pirklhuber, ich höre Ihnen immer sehr aufmerksam zu bei Ihren Monologen im Ausschuss, die ja oft sehr lange sind, und ich muss Ihnen sagen: Würden Sie einmal dem Herrn Minister zuhören, dann hätten wir uns die ganze Debatte mit Ihnen über das Pflanzenschutzmittelgesetz erspart, denn dann wüssten Sie, worum es dabei wirklich geht.

Sie kriminalisieren hier immer wieder die Bauern. Das ist überhaupt nicht notwendig, denn wenn Sie in die Praxis gehen würden, wenn Sie einmal auf einem Bauernhof mitarbeiten und die Verantwortung tragen würden, dann wüssten Sie ganz genau, dass Bauern kostengünstig arbeiten müssen und nicht einfach bedingungslos Pflanzenschutzmittel ausbringen. Das ist für sie ja kein Spaß, sondern sie müssen heutzutage wirklich kostengünstig arbeiten. Deshalb verstehe ich Ihre Argumentation überhaupt nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Nitrofen-Skandal in Deutschland hat uns vor Augen geführt, dass gar nicht die zugelassenen Pflanzenschutzmittel das Schlimme sind, sondern das Problem ist der Einsatz illegaler, verbotener Substanzen. Die Leidtragenden in solchen Fällen sind die Bauern selbst, die auf eine ordnungsgemäße Handhabung der Futtermittelhersteller vertrauen.

Daher werden die vorgesehene Ausweitung der Befugnisse der Aufsichtsorgane sowie die Informationspflicht der Futtermittelhersteller im Futtermittelgesetz den Ansprüchen der Konsumenten und Landwirte insofern entgegenkommen, als schon in Verdachtsfällen gezielt mit Kontrollen eingehakt werden kann, statt dass man wie nach den bisher geltenden Regelungen erst bei Feststellung eines tatsächlichen Verstoßes eingreifen kann.

Es liegt für mich also klar auf der Hand, meine Damen und Herren, dass mit dem vorgelegten Agrarrechtsänderungsgesetz unser Kontrollnetz zugunsten höchstmöglicher Lebensmittelsicherheit klar ausgeweitet wird.


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Während wir auf europäischer Ebene die Kontrollen forcieren und künftig noch vernetzter gestalten wollen, werden die in der EU verbotenen Pflanzenschutzmittel, wie beispielsweise Nitrofen, in den Beitrittsländern größtenteils aber noch legal verwendet. Man sollte also zur künftigen Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit bereits jetzt im Zuge der Beitrittsverhandlungen die Zulassung agrarischer Erzeugnisse aus den Kandidatenländern auf dem europäischen Binnenmarkt nicht nur von unseren Qualitäts- und Hygienestandards abhängig machen, sondern auch auf das Risiko der Lagerung, des Schwarzhandels und folglich der Verwendung dieser gesundheitsschädlichen Mittel abstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wenitsch: So ist es!)

Daher wäre die Entsorgung sämtlicher Bestände unter behördlicher Kontrolle schon jetzt einzufordern, statt diese Problematik im Osten gedeihen zu lassen und wissentlich zu ignorieren.

Die von Ihnen, meine Damen und Herren auf der Oppositionsbank, viel kritisierten Änderungen zum Pflanzenschutzmittelgesetz sind somit nicht das Problem, mit dem wir zu kämpfen haben, da sämtliche in Österreich in den Verkehr gebrachten Mittel auch weiterhin einem strengen Kontrollsystem unterliegen. Die mit der Änderung einhergehende Harmonisierung marktwirtschaftlich ungleicher Ausgangspositionen bei den Betriebsmitteln wird sich auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Bauern positiv auswirken, aber sicher nicht auf Kosten der Konsumenten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. – Bitte.

22.01

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bin kein praktizierender Landwirt, aber trotzdem interessiert. Ich stelle wieder fest, zum wiederholten Male: Wenn von der Opposition – früher auch von den Freiheitlichen – ein bisschen Kritik an der Landwirtschaftspolitik geübt wird, dann kommt so ein automatischer Beißreflex, und es wird gemauert. Bei dieser Gelegenheit muss ich immer wieder daran erinnern, dass es unter den vielen wirklich sauber und gut arbeitenden Landwirten, die mit Sicherheit die ganz große Mehrheit sind, natürlich immer wieder schwarze Schafe gibt. Ich denke an den Weinskandal, der jedoch letztlich etwas Positives für unseren Weinbau und unseren Weinabsatz bewirkt hat.

Man muss darüber reden, dass natürlich schon Ursachen da sind. Wir wissen, dass wir beim Trinkwasser Probleme haben, und die Pestizide stammen nun eben aus der Landwirtschaft. Das ist uns auch aus Ihrem Haus oder aus Arbeiten wieder bestätigt worden: Da haben wir Probleme. Auch wenn ich den Grünen Bericht lese, kann ich daraus glasklar erkennen, dass es eine Grauzone von Pestiziden gibt. Die werden außerhalb Österreichs gekauft und eingeführt. In Verkehr dürften sie nicht gesetzt werden, aber das gilt dann nicht als In-Verkehr-Setzen, wenn der Landwirt sie selbst mitbringt.

Zum Misstrauen – weil ich schon beim Wasser bin, und damit wir die Kirche im Dorf lassen –: Es gibt eine Anfrage meines Kollegen Maier an den Sozialminister, der an sich als Gesundheitsminister zuständig ist. Aus der Beantwortung geht hervor, dass beispielsweise 74,6 Prozent der Hausbrunnen bei ländlichen Betrieben, die Milch erzeugen, beanstandet worden sind. Bitte, Niederösterreicher und Oberösterreicher, merkt auf! In Oberösterreich waren es 83,1 Prozent, in Niederösterreich 82,8 Prozent, also noch deutlich mehr. Verursacher ist dort sicherlich der Bereich der Landwirtschaft.

Ich habe immer etwas Bauchweh, wenn Kontrollmechanismen so verändert werden, dass der Vertreter der zu Kontrollierenden dafür zuständig ist. Ich weiß schon, Herr Minister, dass Sie da in einem Mordsinteressenkonflikt sind, denn Sie werden wahrscheinlich Zund von beiden Seiten bekommen, sowohl von der Landwirtschaft als auch von den Umweltbewegten. Das ist genau so, als hätte der Wirtschaftsminister plötzlich die Arbeitsinspektorate unter seiner Kontrolle. Ich würde das nicht für gut finden, wenn es so etwas gäbe. Dasselbe ist es, wenn der Landwirtschaftsminister den Umweltschutz unter seinen Fittichen hat. Das ist auf Sicht nicht gut.


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Kollege Auer hat schon Recht – er betont das immer wieder –, dass in Deutschland das Umweltbundesamt für die Kontrolle zuständig ist. Das wäre ganz interessant, wenn auch bei uns das Umweltbundesamt zuständig wäre, allerdings unter einem reinen Umweltminister. Ansonsten passiert immer wieder etwas, das wir schon erlebt haben: Der bekannte niederösterreichische Kollege Anton Wattaul, ein Vertreter der Frächtergilde, hat uns hier auch einmal treuherzig versichert, dass man in Kreisen der Frächter eigentlich alles gewusst hat, was los ist. So gesehen sind die Frächter ein bisschen offener. Gerade gestern hat man im Fernsehen wieder gesehen, dass sich rund um die Frächter in Österreich nicht so viel tut, wie sich die deutschen Fahnder eigentlich erwartet hätten. Ich weiß nicht, wer den "Report" gesehen hat. Es war ganz spannend zu erfahren, dass wieder Information an die Frächter hinausgegangen ist, dass Rechtshilfeersuchen gestellt worden sind. Eine ähnliche Situation haben wir, glaube ich, auch einmal im Landwirtschaftsbereich in der Steiermark gehabt. Da haben Landwirte, die kontrolliert werden sollten, auch vorher schon Informationen bekommen.

Ich wundere mich insofern, als in der EU eigentlich ein gegenläufiger Weg eingeschlagen worden ist. Soweit ich informiert bin, hat man – ich sage das einmal sehr einfach – dem Fischler Agenden in diesem Bereich weggenommen und sie dem Konsumentenschutzminister gegeben.

Ich würde auch meinen, im Sinne einer besseren Interessenvertretung – das würde auch weniger Konflikte für Sie, Herr Minister, als sozusagen gespaltene Persönlichkeit bedeuten – sollte man wirklich die Kontrolle wieder vom Produzentenminister an einen echten Kontrollminister zurückgeben. (Beifall bei der SPÖ.)

22.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte.

22.05

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Keppelmüller, wenn Sie sagen, die österreichischen Bauern mauern, wenn es um Argumentation geht, dann muss ich Ihnen entgegnen: Das tun sie bei Gott nicht! Wir stehen einer Diskussion sehr offen gegenüber, aber eines können wir nicht akzeptieren: dass nur die Bauern als die Verursacher allen Übels deklariert werden, auf der anderen Seite aber Dinge passieren, die absolut nicht in Ordnung sind. Denken Sie an den hohen Chemieeinsatz auf Golfplätzen, denken Sie an den hohen Chemieeinsatz in Privatgärten, denken Sie daran, wie viele Tonnen an Chemie bei Eisenbahngleisen und so weiter zum Einsatz kamen.

Geschätzte Damen und Herren! Österreich ist ein Land mit höchsten internationalen Standards im Umwelt- und im Lebensmittelbereich. Wir leben in einem Land mit Seen, die Trinkwasserqualität haben – auch wenn Kollege Schwemlein noch so darüber lächeln mag, der Rest Österreichs und der Rest Europas wissen das Gott sei Dank –, und wir leben auch in einer der schönsten Kulturlandschaften dieser Erde. (Abg. Faul: Noch! Wie lang noch?!) Da ist auch ein Lächeln Ihrerseits erlaubt. Bei uns gibt es noch die multifunktionelle Landwirtschaft, die von Bauern betrieben wird, von Bauern, die fachlich bestens versiert sind und die die Landschaft und ihr Vieh nicht wegen Profitgier oder aus ähnlichen Gründen hegen und pflegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Multifunktionalität, geschätzte Damen und Herren, das bedeutet eine Landwirtschaft, die neben der reinen Herstellung landwirtschaftlicher Erzeugnisse eine Reihe von Aufgaben für die Gesellschaft erfüllt. Bei diesen Leistungen ist zum Beispiel zu denken an die Pflege und die Erhaltung der Kulturlandschaft und an Maßnahmen zur Erhaltung der Artenvielfalt. Eine naturverträgliche Landwirtschaft in intakten Landschaften eröffnet aber auch neue Chancen für touristische Angebote im ländlichen Raum. Eine multifunktionale Landwirtschaft in diesem Sinne versteht sich als Anbieter einer breiten Dienstleistungspalette im ländlichen Raum mit einer hohen umwelt- und gesellschaftspolitischen Verantwortung.

Um diese sozialen Werte auch aufrechterhalten zu können, braucht es eine ständige Anpassung der Gesetzesmaterie. Technischer Fortschritt, Internationalisierung der Märkte und damit


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einhergehender steigender Wettbewerbsdruck sind nur zwei von vielen Dingen, auf die reagiert werden muss.

Das Agrarrechtsänderungsgesetz bringt nun eine Reihe von Anpassungen, die die Sicherheit unserer Lebensmittel und des Trinkwassers unter den geänderten Rahmenbedingungen und im Lichte neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse weiterhin gewährleisten und andererseits auch den Bauern in wirtschaftlicher Hinsicht eine Überlebenschance geben. Das Gesetz wird erstens vereinfachen, zweitens entbürokratisieren, drittens wird die Gesetzesmaterie an das EU-Recht angepasst, aber kaum präsentierte Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer das Agrarrechtsänderungsgesetz und damit unter vielen weiteren Dingen eine Vereinfachung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Österreich und damit einen erleichterten Import aus Deutschland – wohlgemerkt, nur aus dem rot-grün regierten Deutschland –, kamen sofort unversierte Argumente. Die Kritik hört man wohl, aber es fehlt der Glaube.

Dass die chemische Industrie in Österreich nun offensichtlich um ihr Geschäft fürchtet, mag aus ihrer Sicht wohl verständlich sein. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Das ist dir Wurscht!) Absolut nicht, aber nur aus Scheinheiligkeit Umweltargumente vorzubringen, ist nicht seriös, Herr Kollege. Gerade die aufwendigen nationalen Prüfverfahren haben nämlich in der Vergangenheit dazu geführt, dass international operierende Chemieunternehmen auf eigene Zulassungen in kleineren Ländern wie Österreich verzichtet haben. Rein ums Geschäft und ums Geld ist es ihnen gegangen. Die Folgen: Wettbewerbsnachteile für die Bauern und unerwünschte Effekte für die Konsumenten. Man hat nämlich die billigen, gefährlicheren Mittel bei uns eingesetzt und die besseren in Österreich nicht zur Anwendung gebracht, weil das den Chemiekonzernen Nachteile gebracht hätte.

Geschätzte Damen und Herren! Billigstpreise sind nicht die Methode, mit der man die Landwirtschaft in Zukunft sichern kann, auch nicht die vorhin genannten Werte von gesundem Wasser, gesunder Umwelt und gesunden Lebensmitteln. Dazu bedarf es einer umfassenden ökosozialen Marktwirtschaft.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ökosoziale Marktwirtschaft ist keine Erfindung der heutigen Zeit, sondern greift im ÖVP-Bereich Jahre zurück. Das war ein Weg, der die österreichische Landwirtschaft zum Vorbild in Europa gemacht hat. Das ist ein Weg, den die österreichische Landwirtschaft mit unserem Umwelt- und Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer auch in Zukunft gehen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

22.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gradwohl. – Bitte.

22.11

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Debatte zur gegenständlichen Regierungsvorlage betreffend das Agrarrechtsänderungsgesetz hat vor allem bei meinem Vorredner tatsächlich auch eine Erinnerung ausgelöst: die Erinnerung an die ökosoziale Marktwirtschaft, die Erinnerung an die ökosoziale Landwirtschaft. Ich finde das immer ganz toll und bin ganz hin und her gerissen, wenn ich diese Begriffe höre, dann aber sehe, welche Politik betrieben wird. (Abg. Hornek: Die vom deutschen Bundeskanzler gelobt wurde in der Vergangenheit!) Das ist nämlich dann ernüchternd, Herr Kollege. Reden Sie nicht immer von Deutschland (Abg. Hornek: Das ist Ihr Kollege!), wir sitzen hier im österreichischen Parlament (Abg. Hornek: Gott sei Dank sitzen wir im österreichischen Parlament und nicht im deutschen!), und unsere Aufgabe ist es, die österreichischen Regelmechanismen festzulegen und nicht die deutschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber, Herr Kollege Hornegger (Rufe: Hornek! Hornek! – Abg. Hornegger: Ich sitze hier!), es gibt noch eine Aufgabe, und diese Aufgabe haben die Regierungsparteien und die Regierungsmitglieder zu erfüllen. (Abg. Dr. Stummvoll: Wir wollen schon wissen, wie es in der Zukunft gemacht wird!) Die Regierungsmitglieder, Herr Kollege Stummvoll, haben nämlich die Aufgabe, in den Räten dafür zu sorgen, dass das, was wir hier an guten Dingen, an zukunftsweisenden Dingen besprechen, dort auch umgesetzt wird. Aber dazu komme ich später.


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106. Sitzung / Seite 224

Lassen Sie mich noch ein wenig bei der ökosozialen Marktwirtschaft, bei der ökosozialen Landwirtschaft verweilen. Neben dem heutigen Beschluss, meine sehr geehrten Damen und Herren, der nach den Aussagen einiger Vorredner von den Regierungsparteien sehr zukunftsweisend ist, gibt es noch ein zukunftsweisendes Papier. Das ist zwar noch nicht hier im Parlament zur Behandlung angestanden, aber es ist ein Ministerratsbeschluss. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Molterer. )

Dieses Papier nennt sich "Österreichs Zukunft nachhaltig gestalten". Es ist im April 2002 in der Regierung beschlossen worden – Herr Bundesminister, ich komme auch auf Ihren Zwischenruf zurück –, und nachdem es vorab um "ökologische Rucksäcke", Konsumgüter und so weiter geht, ist darin unter anderem auf Seite 18 zu lesen – ich zitiere wörtlich –:

"Damit soll entsprechenden Produkten der Weg von der Öko-Nische zum Massenmarkt eröffnet werden, wobei auch die besondere Rolle des Handels zu berücksichtigen ist. Auf eine möglichst hohe Teilnahme der Betriebe sowie die aktive Einbindung der Wirtschaft und hier insbesondere der Werbung als zentraler Multiplikator für Lebensstile und Konsummuster ist besonders zu achten. Es ist auch Aufgabe der öffentlichen Hand, die Transparenz und Glaubwürdigkeit der Auszeichnungen sicherzustellen sowie für die Verbreitung dieser Informationen zu sorgen, um das Konsumentenbewusstsein zu fördern." – Zitatende. (Abg. Schwarzenberger: Ich hoffe, Sie können das unterschreiben!)

Jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss ich sagen: Applaus! Hervorragend! Super! Wirklich toll! Herr Bundesminister, Sie hätten unsere volle Unterstützung – wenn nur die Realität ein bisschen, aber wirklich nur ein bisschen an das herankäme, was hier in diesem Zukunftsprogramm steht. Auf der einen Seite wird im April des heurigen Jahres dieses Papier beschlossen, auf der anderen Seite wird eine Regierungsvorlage vorgelegt, wonach ein Pflanzenschutzmittelgesetz zulässt, dass mehr als 300 neue Substanzen in Österreich ohne Zulassungsverfahren Verwendung finden können. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Jetzt zu dir, Herr Kollege aus Tirol. Mein Vorredner von der ÖVP aus Tirol war wenigstens ehrlich genug und hat beim Zurückgehen auf seinen Platz gesagt: Bei mir in Tirol ist das ja kein Problem. – Er hat völlig Recht. Warum? Wie ist die Struktur in Tirol? Wie viele große Betriebe im flachen Land gibt es in Tirol, Herr Kollege? – Weniger als in Niederösterreich – einverstanden? (Abg. Hornek: Das Wasser der Donau fließt bergab!) Legen wir uns nicht fest auf ein paar auf oder ab, aber weniger als in Niederösterreich. Und jetzt, Herr Kollege, frage ich dich, und ich frage auch den Herrn Bundesminister: Wo ist denn da die faire Behandlung der österreichischen Bauern? Wenn die Tiroler das nicht einmal anwenden, weil es ihnen sowieso zu teuer ist, wo wird dann das billige Material angewendet, Herr Bundesminister? (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. ) Dort, wo wir gleichzeitig – das beweisen die Grünen Berichte, das beweisen die Wasserschutzberichte – die größten Grundwasserprobleme haben.

Herr Bundesminister! Im Rahmen einer volkswirtschaftlichen Rechnung ist das dann aber wirklich nicht mehr in Ordnung. Kollege Keppelmüller hat als Beispiel die Brunnen genannt. Es gibt andere Untersuchungen, die durch Anfragebeantwortungen aus Ihrem Ressort bestätigt werden. Volkswirtschaftlich ist es dann wirklich nicht gescheit, nicht gut und vor allem nicht sinnvoll, wenn wir auf der einen Seite billige Pestizide verwenden, aber auf der anderen Seite Millionen ausgeben müssen, um zu sanieren.

Herr Bundesminister! Wo ist da der Weg zur Nachhaltigkeit? Herr Kollege Hornek, wo ist da die Multifunktionalität im Denken und im Handeln, wenn auf der einen Seite Zukunftspapiere mit schönen Worten beschlossen werden, auf der anderen Seite in der Realität Gesetzesvorlagen ins Haus kommen, die genau das Gegenteil bewirken?

Herr Bundesminister! Ich habe Ihnen von dieser Stelle aus im Namen meiner Fraktion schon mehrmals die Hand zur Rückkehr zu einer sozialen, gerechten, ökologischen Landwirtschaftspolitik gereicht. Sie haben sie bisher nicht angenommen. Ich mache es heute wieder, Herr Bundesminister, denn etwas können wir nicht brauchen: auf Plakaten und in Werbespots die Biobauern und die Bergbauern, damit im Hintergrund auf Teufel komm raus produziert werden


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kann! (Abg. Hornek: Das macht man in sozialistisch regierten Großagrarstaaten!) Das wollen die Konsumentinnen und Konsumenten nicht, das wollen die Österreicherinnen und Österreicher nicht, und ich bin überzeugt davon, Herr Kollege Hornek, Sie wollen es auch nicht. – Daher mein nochmaliges Angebot zur Zusammenarbeit, aber nicht mit solchen Vorlagen und schon gar nicht mit diesem Pflanzenschutzmittelgesetz. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

22.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wittauer. Die Uhr ist auf 3 Minuten gestellt. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Jetzt werden wir hören, was der Großbauer dazu sagt! – Abg. Wittauer  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich gebe Ihnen schon die Antwort!)

22.17

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Mit der sinnvollen Anpassung des Düngemittelgesetzes wird klargestellt, dass tierische Proteine und unbehandelter Klärschlamm nicht auf unsere Felder kommen, deren Ausbringung endlich verboten ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Damit wird sichergestellt, dass der Konsument und die Landwirtschaft in Zukunft den Gefahren, die vom Klärschlamm und von tierischen Proteinen ausgehen, nicht mehr ausgesetzt sind.

Meine Damen und Herren! Mit der Novellierung des Pflanzenschutzmittelgesetzes wurde ein erster Schritt zu EU-weit einheitlicher Produktion und fairen Wettbewerbsbedingungen umgesetzt. In Deutschland gibt es ähnliche Produktionsbedingungen wie hier in Österreich. Weshalb sollte es in diesem Fall nicht zu einem Austausch von Pflanzenschutzmitteln kommen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gleich strenge Prüfungskriterien waren und sind die Voraussetzung für diese Novellierung des Pflanzenschutzmittelgesetzes. In Österreich gibt es 332 Wirkstoffe, in Deutschland sind es 291. Und jetzt als Antwort: Es sind nur zwei Wirkstoffe, die nicht identisch sind mit unseren in Österreich, und diese bleiben auch weiterhin verboten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Agrarpolitik dieser Regierung wird auch in Zukunft für einen sparsamen, verantwortungsvollen und damit auch vertretbaren Einsatz von Pestiziden stehen. Weshalb sind Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, gegen die Vereinfachung der Zulassungsverfahren? Weshalb, meine Damen und Herren von der Opposition, sind Sie gegen faire Wettbewerbsbedingungen? Die Pflanzenschutzmittel müssen weiterhin in Originalverpackungen mit Originalkennzeichnung und einer Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache in Verkehr gebracht werden. Damit ist auch weiterhin eine höchstmögliche Sicherheit gegeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich warne Grün und Rot: Lassen Sie sich nicht von der chemischen Industrie missbrauchen! In den letzten Tagen und Wochen versuchte diese mit massivem Lobbying, diese Novellierung zu verhindern, um weiterhin in ihrem geschützten Bereich Geschäfte machen zu können. Durch bezahlte gezielte Falschinformation – siehe "Kronen Zeitung" – wird der Bevölkerung ein falscher Eindruck vermittelt. Ich wehre mich gegen diese Verunsicherung. Das Einzige, das an diesen Artikeln wahr ist, sind die Überschriften.

Ich lese sie Ihnen vor: Der europäische Binnenmarkt wird verwirklicht. Endlich moderne Pflanzenschutzmittel auch in Österreich. Pflanzenschutzmittel werden billiger. Die Anwendungsvorschriften sind in Österreich und Deutschland gleich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. )

Die Senkung des Einsatzes von Pestiziden wird durch diese Regierung im Rahmen der ÖPUL-Programme vorgenommen. Meine Damen und Herren von der Opposition! Wir wollen eine Verbesserung im Agrarbereich und werden sie mit Ihrer oder ohne Ihre Zustimmung umsetzen,


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weil sie für unsere Konsumenten, Landwirte und schlussendlich für unsere Bürger Vorteile bringt.

Diese Regierung hat mit der Schuldenpolitik der SPÖ gebrochen. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Vereinfachung von Genehmigungen und Zulassungsverfahren, die weiterhin gleiche Qualität garantieren, nicht nur Kosten spart, sondern in der Praxis effizienter ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist schade, dass bei der Opposition Schrebergartenbesitzer Agrarpolitik machen. (Abg. Schwemlein: Wie heißt Ihr Ghostwriter? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) So ist es! Ich weiß nicht, wie viele Zimmerpflanzen Sie daheim haben, das wird aber das Einzige sein, was Sie haben! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich etwas sagen, was mir wichtig ist: Als Tiroler Nationalrat finde ich es befremdend, dass die grüne Fraktion unter Federführung der Abgeordneten Lunacek die würdige Feier des zehnjährigen Jubiläums der Streitbeilegung mit Italien missbraucht und entwertet hat, um parteipolitisch zu punkten. Es war für mich keine Ehre, Ihnen zuzuhören! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es steht mir nicht zu, die Schrebergartenbesitzer in Schutz zu nehmen, aber Lust hätte ich schon dazu! (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pirklhuber. Es ist seine zweite Wortmeldung. Die restliche gesetzliche Redezeit beträgt 13 Minuten, die freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

22.22

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist, wie ich meine, nach den vielen emotionalen Unterstellungen und Behauptungen wirklich notwendig, noch ein paar Überlegungen hier anzustellen.

Eine Bemerkung muss ich an die Adresse der Agrarsprecher und der Bäuerinnen und Bauern auf der rechten Seite richten: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte, nehmen Sie das Problem ernst! Es ist dies wirklich ein ernstes Problem, gerade für jene, die damit massiv hantieren, nämlich für die Bäuerinnen und Bauern selbst. Das kann und darf man auf keinen Fall verharmlosen! Es gibt sehr viele Unfälle. Ich selbst kenne Bäuerinnen und Bauern, die massive Probleme mit Pflanzenschutzmitteln gehabt haben, dann umgedacht haben und beispielsweise auf diesem Weg zum Biolandbau gekommen sind. – Das möchte ich voranstellen und Sie ersuchen, ernst und bei der Sache zu bleiben!

Kollege Auer! Wer zerstört die kleinbäuerliche Landwirtschaft? – Das geschieht durch ein verfehltes Agrarsystem, meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Molterer! Sie sollten Prioritäten setzen! Sie sollten eine grundsätzliche Reform der europäischen Agrarpolitik in Richtung Nachhaltigkeit und in Richtung Gentechnik-Freiheit anstreben, wie sie die Konsumenten in Europa und unsere Bäuerinnen und Bauern wollen! Diesbezüglich können Sie Vorreiter sein, und Sie sollten es auch sein! Hingegen sollten Sie in einem so sensiblen Bereich nicht deregulieren.

Herr Bundesminister! Ich glaube, es ist ganz klar, dass die Forderung nach hohen Standards in Europa ein wichtiger Punkt ist. Wer aber verhindert das derzeit? – Es wird dies zum Beispiel durch die derzeitigen Strukturen der Europäischen Union verhindert. Das Europäische Parlament hat in vielen wichtigen Agrarfragen keine Mitbestimmung. Im Konvent geht es derzeit um diese Debatte. Wir fordern diese Mitbestimmung des Europaparlaments, damit es endlich zu einer wirklich breiten politischen Debatte auf europäischer Ebene kommt. (Zwischenruf des Abg. Hornek. )

Kollege Auer! In diesem Zusammenhang möchte ich Sie noch auf etwas hinweisen, was ich für zentral und wesentlich für die Diskussion halte: Wenn Sie sich die Römer Verträge aus dem


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Jahr 1957 ansehen, dann werden Sie feststellen, dass die Texte in Artikel 32 und 33 betreffend Landwirtschaft längst überholt sind. (Bundesminister Mag. Molterer: Das stimmt!) Herr Bundesminister! Ich glaube, es ist höchste Zeit, sich zu überlegen, ob der Produktivismus noch immer das Ziel der Agrarpolitik ist! Werte Kollegen! Da sind Sie gefordert, und Sie sollten sich etwas überlegen, denn es bedarf der Reformen und neuer Texte, welche die Nachhaltigkeit zur obersten Prämisse der Agrarpolitik machen. (Abg. Hornek: Diesbezüglich ist aber Österreich Vorbild für die Bundesrepublik, wo es eine grüne Ministerin gibt!)

Kollege Hornek! Zu Ihrer Bemerkung über die Bahndämme und Hausgärten: Sie monieren zu Recht, dass im Hausgartenbereich oder in anderen Bereichen Pflanzenschutzmittel unter Umständen unsachgemäß und in hoher Dosierung angewendet werden. Was tun wir jedoch, um das abzustellen? Diese Frage haben Sie nicht einmal aufgeworfen! Sie können doch damit nicht rechtfertigen, dass wir den Import von Pflanzenschutzmitteln erleichtern! Das ist eine vollkommen verfehlte Argumentation! (Abg. Hornek: Das ist scheinheilig und einäugig!)

Herr Bundesminister! Abschließend möchte ich bezüglich des Pestizid-Aktionsprogramms nur darauf hinweisen, dass in Österreich derzeit eine durchschnittliche Aufwandsmenge von 2,6 Liter Pestizide pro Hektar, ohne Grünland, ausgebracht wird. Im Vergleich dazu hat Schweden mit einem funktionierenden Pestizidaktionsprogramm 0,8 Liter pro Hektar. – Ich will jetzt nicht sagen, dass diese Zahlen der Stein der Weisen sind, man muss sich das fraglos im Detail ansehen, aber es muss messbar sein.

Diesbezüglich, Herr Bundesminister, müssen Sie sich bei der eigenen Nase nehmen! Sie haben im ÖPUL-Programm 1995 selbst formuliert, dass Sie bis zum Jahr 2000 eine Reduktion von 20 Prozent erreichen wollen. Das haben Sie nicht geschafft! Sie sollten sich das eingestehen, und wir sollten daher die erforderlichen Maßnahmen neu überdenken. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kampichler. Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

22.26

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorredner, insbesondere von der ÖVP und in ganz besonderer Weise natürlich unser kompetenter Herr Bundesminister, haben schon sehr viele Bereiche im Zusammenhang mit dem vorliegenden Agrarrechtsänderungsgesetz angesprochen und sehr detailliert ausgeführt. (Abg. Zweytick: Abkürzen! Zusammenfassen!)

Ich möchte mich in der Diskussion auf ein kleines Detail beim Düngemittelgesetz konzentrieren. Es geht um ein Thema, mit dem ich immer wieder konfrontiert werde, wenn ich in meinem Wahlkreis unterwegs bin, und zwar geht es um die Verwendung des Klärschlammes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Düngemittelgesetz verbietet generell die Verwendung von unbehandelten kommunalen Klärschlämmen bei der Düngemittelproduktion. Die Ausbringung von Klärschlämmen auf landwirtschaftliche Flächen ist allerdings auch im Rahmen der Bodenschutzgesetze der Länder geregelt, und diese gesetzlichen Regelungen sind äußerst restriktiv. Das heißt, es ist kaum möglich, Klärschlamm aufzubringen, und das, und ich meine, darin sind wir uns einig, ist auch gut und richtig so, denn der Klärschlamm aus Kläranlagen in Industrieregionen oder Ballungszentren ist natürlich mit sehr vielen Stoffen belastet, die wir unbedingt von unseren Böden fernhalten müssen.

Geschätzte Damen und Herren! Anders verhält es sich bei kleineren Landgemeinden. Dort gibt es nachgewiesenermaßen kaum Belastungen des Klärschlammes, und die Bewohner und die Verantwortlichen in diesen kleinen Gemeinden verstehen nicht, dass sie diesen wertvollen Dünger sehr teuer entsorgen müssen. Klärschlämme, die ohnehin sehr streng kontrolliert werden, müssten nämlich sehr wohl auch auf andere Weise verwendet werden können, wenn keine problematischen Stoffe darin enthalten sind. Sie müssten zumindest auf kommunalen Kulturflächen als Dünger aufgebracht und verwendet werden können.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei aller Priorität für den Umweltschutz, zu dem ich mich vollinhaltlich bekenne, habe ich den Eindruck, dass wir diesbezüglich die Maßstäbe etwas zu streng anlegen. Dieses Thema, meine geschätzten Damen und Herren, gewinnt insofern an Aktualität, als immer mehr kleine Gemeinden wirklich modernste und perfekt funktionierende Kläranlagen haben und auf diese Weise Klärschlamm produzieren, der verwendet werden könnte. Im südlichen Niederösterreich – es war dies auch ein großes Thema bei der Eröffnung der Kläranlage in unserer Gemeinde am letzten Wochenende – werden bereits 90 Prozent der Gebiete auf höchst professionelle Weise entsorgt. Das heißt, dort funktioniert die Entsorgung. Dieser positiven Tatsache, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollten wir künftig vermehrt Rechnung tragen! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Achatz. Die Uhr ist auf 3 Minuten gestellt. – Bitte.

22.29

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Pirklhuber! Wo ist er? – Ja, er ist da! Ich teile Ihre Meinung bezüglich der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln und deren Auswirkungen auf die Gesundheit und auf Grund und Boden vollinhaltlich! Auch mir wäre es lieber, wenn man keinen einzigen Liter oder kein einziges Kilo dieser Chemikalien in Österreich ausbringen würde.

Herr Kollege Pirklhuber! Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass die Bauern auf Biobetriebe umstellen. Diese Möglichkeit besteht, und diese Möglichkeit nehmen immer mehr Bauern in Anspruch. Das kann man feststellen. Dass aber nicht alle Bauern umstellen können, resultiert wahrscheinlich auch daraus, dass die biologisch produzierten Produkte für die Konsumenten wesentlich teurer sind und dass der entsprechende Markt ganz einfach nicht vorhanden ist. Vor dieser Schwierigkeit stehen wir! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die zweite Problematik ist der freie Warenverkehr: Es wundert mich sehr, wenn die Kollegen von der SPÖ sagen, dass es ganz furchtbar ist, dass jetzt aus Deutschland Pflanzenschutzmittel nach Österreich gelangen und bei den österreichischen Bauern zur Anwendung kommen. Ich kann nur wiederholen – und vielleicht hat Kollege Gradwohl im Ausschuss nicht aufgepasst –: Diese Pflanzenschutzmittel kommen auf Grund des freien Wahrenverkehrs in der Europäischen Union ohnehin nach Österreich. Sie werden mit diesem Gesetz jetzt nur billiger, weil es nicht zwei Zulassungsverfahren gibt. – Das ist der Punkt, sonst überhaupt nichts! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es werden kein einziges Produkt und kein einziger Stoff neu zugelassen. Was verboten ist, ist verboten und bleibt verboten! Reden Sie daher bitte nicht solche Grauslichkeiten und schon wieder Skandale herbei, denn damit diskriminieren Sie ständig die österreichische Landwirtschaft und verunsichern die Konsumenten! Das ist unfair, und das ist nicht redlich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn die Pflanzenschutzmittel aus Deutschland tatsächlich so giftig und so schlecht sind, dann frage ich Sie: Was machen Sie eigentlich, wenn Sie in den Norden oder nach Deutschland auf Urlaub fahren? Nehmen Sie sich da Lunch-Pakete von zu Hause mit, oder machen Sie eine Hungerkur? Was machen Sie, wenn Sie nach Holland oder nach Spanien auf Urlaub fahren? Essen Sie die Produkte dort oder nicht? (Abg. Dr. Khol: Kollegin Achatz! Gradwohl hat sicherlich keine Hungerkur gemacht!) Er gehört zur Toskana-Fraktion, und die machen keine Hungerkur. (Abg. Gradwohl: Ich bitte um Wiederholung, Herr Kollege!)

Herr Kollege Gradwohl! Werte Kollegen von der SPÖ! Sie sind für den freien Warenverkehr, jedenfalls habe ich von Ihnen noch nie eine gegenteilige Meinung gehört. Wenn Sie aber für den freien Warenverkehr sind, dann können Sie auch nicht dagegen auftreten, dass Produkte, die in einem Bundesland zugelassen werden und die den österreichischen Normen entsprechen, eingeführt werden. – Das ist eine Argumentation, die man ganz einfach nicht nachvollziehen kann!


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Die Verbilligung der Betriebsmittel ist eine lange und eine berechtigte Forderung der Bauern, und wir gehen spät genug auf diese Forderung ein. Wir reden von einer Bevölkerungsgruppe – und das schreibe ich der SPÖ noch einmal in das Stammbuch –, die heute, sieben Jahre nach dem EU-Beitritt, noch immer 4 Prozent weniger verdient als vor dem EU-Beitritt. In Anbetracht dessen ist diese Betriebsmittelverbilligung also mehr als gerechtfertigt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zweytick. – Bitte.

22.34

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Agrarwirtschaft ist heute viel komplexer, als Sie meinen. So einfach, wie es aussieht, ist es nämlich leider nicht, sonst würde es ja jeder machen!

Gott sei Dank leben wir in einem Land, in dem es jedem freigestellt ist, Agrarwirtschaft zu betreiben, im Kleinen, im Großen, extensiver, intensiver, umweltkonformer, konventioneller – das aber nach Richtlinien, und zwar nach fairen Richtlinien. Wir in diesem Haus haben einen entsprechenden Rahmen vorzugeben, und wir haben dafür zu sorgen, dass für die Konsumenten Sicherheit hinsichtlich dieser Lebensmittel herrscht, dass auch Sicherheit für die Umwelt gegeben ist, dass aber in diesem Zusammenhang im Wesentlichen auch die Möglichkeit besteht, sich damit eine Existenzgrundlage zu schaffen, um davon zu leben. Und ich muss hinzufügen: Österreich und sein Agrarland sind in Europa herzeigbar! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Davon leben nicht nur unsere Bauern, sondern auch sehr viele andere Österreicherinnen und Österreicher gut, noch gut, das möchte ich betonen. Dieses Agrarrechtsänderungsgesetz bedeutet nichts anderes als mehr Sicherheit im Lebensmittelbereich und effizientere Kontrolle. Die Schaffung von angleichbaren Standards auf diesem großen Markt der Agrarprodukte im Hinblick auf die Bauern und deren Konkurrenzmärkte ist nicht mehr als Fairness für unsere österreichischen Bäuerinnen und Bauern.

Ich muss der Opposition Folgendes sagen: Sie müssen die Landwirtschaft wirklich ernster nehmen, anstatt uns vorzuwerfen, dass wir sie nicht ernst genug nehmen! Würden wir Agrarpolitik so einseitig betreiben, wie Sie das mit Ihrer meiner Meinung nach eher unerfahrenen Sichtweise dargestellt haben, dann würde das unsere Landwirtschaft und unsere Bäuerinnen und Bauern nämlich in eine Sackgasse und ins Chaos führen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Als langjähriger Abgeordneter dieses Hauses habe ich es in den Agrardebatten immer wieder erlebt: Sie betreiben schon fast Masochismus! Ich habe von den Grünen und von den Roten noch nie Lob für die österreichischen Agrarprodukte oder die österreichischen Bäuerinnen und Bauern gehört. In mittlerweile schon über sechs Jahren habe ich das noch nie gehört. Das ist schon eigenartig. Ich meine, die Bauern sind doch nicht unser Feindbild, und sie sollten auch nicht Ihr Feindbild sein! Vielmehr sollten wir dankbar dafür sein, dass wir so viele Idealisten in diesem Land haben (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen), die sich bemühen, in einem harten Wettbewerb mit fairen Mitteln zu überleben, und zwar im eigenen Interesse, vor allem im Gesamtinteresse unserer Bevölkerung. Die Produkte sind hervorragend und halten locker einem europaweiten Vergleich stand!

Ein Teil dieses Agrarrechtsänderungsgesetzes beschäftigt sich auch mit dem Weingesetz. Es hat viele kleine Änderungen gegeben, und durch diese kleinen Veränderungen ist es zu einer großen Verbesserung und einem weiteren Fortschritt für den Weinbau und für die Weinwirtschaft gekommen, vor allem deshalb, weil neue wichtige Vermarktungsaktivitäten Chancen eröffnen.

Ich möchte abschließend einen Abänderungsantrag einbringen, der sich mit den österreichischen Rebsorten beschäftigt. Kurz die wichtigsten Kernpunkte:


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Wichtige österreichische Rebsorten können in so genannten In-vitro-Behältern in Korneuburg verwahrt und auch jährlich umgesetzt werden. Die diesbezüglichen Kosten belaufen sich auf 300 000 S bis 500 000 S, die von den Weinbauern mitfinanziert werden. Der Preis pro Setzling beträgt zwischen 20 S und 22 S. Davon werden 10 Groschen per Rebe zweckgebunden für die Lagerung verwendet.

Das ist sehr wichtig, weil wir damit gute österreichische Qualitätssorten virusfrei erhalten und den Fortbestand dieser österreichischen Rebsorten auch in Zukunft sichern können. Wir können diese Sorten auch vermehren und den Weinbauern zur weiteren Auspflanzung anbieten. – Das ist der wesentliche Eckpunkt dieses Abänderungsantrages.

Ich würde gerne noch auf eine sehr schöne, gelungene Veranstaltung, auf die VieVinum, hinweisen, aber meine Redezeit geht leider zu Ende.

Ich wurde kritisch angesprochen auf die Vertagung dieses Themas bei der Ausschusssitzung. – Es wird in den nächsten Wochen wichtige neue Erkenntnisse geben. Im so genannten Mid-Term-Review wird es eine Evaluierung der europäischen Agrarpolitik der letzten Jahre geben, und diese Analysen sollten wir kennen, um vernünftig über eine neue Agrarpolitik diskutieren zu können.

Abgesehen davon hat es zu diesem Antrag auf Vertagung nur vier Gegenstimmen gegeben.

Schließlich meine ich, dass mit einer Dialogverweigerung, indem man einfach das Ausschusslokal verlässt, weder der Agrarpolitik noch den Bauern, aber schon gar nicht den Konsumenten geholfen ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schweisgut. – Bitte.

22.39

Abgeordneter Johannes Schweisgut (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Zu dieser späten Stunde sind leider nur mehr ganz wenige Abgeordnete da, und ich glaube, die meisten möchten sich auch lieber in der Praxis mit dem Thema Weingesetz befassen als in der Theorie. Ich möchte aber trotzdem einige Worte zum Weingesetz sagen.

Es war immer ein Ziel unserer Agrarpolitik in Österreich, dass wir der Feinkostladen Europas werden, und ich glaube, gerade der Wein ist ein Beispiel dafür, wie wir in relativ kurzer Zeit nach dem Skandal 1985, nach welchem wir mit unseren Weinbauern und mit den Weinen fast am Ende waren, mit den entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Feinkostladen in Europa geworden sind.

Wir sind heute internationale Spitze und erringen weltweit Preise sowohl für unsere Weiß- als auch für unsere Rotweine. Natürlich ist der persönliche Einsatz der Winzer eine Grundvoraussetzung, aber die Rahmenbedingungen, die von der Politik geschaffen werden, sind dafür ganz besonders wichtig. Ich meine, dass es uns auch mit dem jetzigen Weingesetz, das in einigen Punkten ganz tolle Adaptierungen bringt, wieder gelingen wird, für die Winzer Rahmenbe-dingungen zu schaffen, dass diese weiterhin auf der internationalen Erfolgswelle schwimmen können.

Die DAC-Bezeichnung ist sicherlich ein kleiner Teil, aber in Europa ist diese Qualitätsbezeichnung in vielen Ländern bereits jetzt zum Begriff geworden, und DAC wird in kürzester Zeit auch den österreichischen Wein revolutionieren.

Wir müssen natürlich – und damit begrüße ich den Abänderungsantrag, den Kollege Zweytick gerade erläutert hat – auch dafür sorgen, dass wir österreichisches Rebenmaterial auch für die Zukunft gesund erhalten. Auch das ist, wie ich glaube, eine Aufgabe der Politik, denn wir wollen


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traditionelle österreichische Weine nicht nur nicht verlieren, sondern wir wollen diese Weine auch in Zukunft in höchster Qualität anbauen.

Wir haben – wie es die Politik dieser Regierung unter dem Motto "Österreich neu regieren" ist – in diesem Weingesetz auch eine Verwaltungsvereinfachung beschlossen. Die Bundeskellereiinspektion wird eine zentrale Aufgabe übernehmen und in diesem Fall auch die Bezirkshauptmannschaften entlasten. Ich glaube, dass eine Zentralisierung auch im Sinne der österreichischen Landwirte ist, und ich meine, dass es eine Notwendigkeit ist, dass wir auch im Detailbereich, etwa beim Stroh-, Eis- und Schilfwein, Erleichterungen für die Bauern schaffen und diesbezüglich nicht strenger sind als die ganze Welt. – Auch die Schaffung dieser Voraus-setzungen ist meines Erachtens sehr wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich bei allen österreichischen Winzern ganz herzlich dafür bedanken, dass sie den Ruf Österreichs in alle Welt verbreiten und dass sie Österreich als Weintourismusland stärken. Ich glaube, auch dieses Verdienst, dass wir einen Weintourismus in den letzten Jahren erleben, sucht seinesgleichen! Dafür möchte ich mich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Das österreichische Weingesetz soll die Winzer unterstützen. Wir stehen auf jeden Fall hinter unseren Weinbauern! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

22.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Zweytick hat den Antrag Schwarzenberger, Wenitsch eingebracht. Dieser muss aber noch in wenigen Sätzen erläutert werden, und ich bitte, das in zwei oder drei Sätzen nachzuholen. – Bitte, Herr Abgeordneter Zweytick.

22.43

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Schwarzenberger, Wenitsch, Zweytick und Kollegen befasst sich mit dem Rebenvermehrungsgesetz.

Mit diesem Gesetz wird sichergestellt, dass die österreichischen Qualitätssorten auch in Zukunft virusfrei gelagert werden, und zwar in Korneuburg, und dafür von jedem Rebsetzling, den der Bauer kauft, wie auch schon in der Vergangenheit, ein Beitrag von 10 Groschen für die Sicherstellung der Vermehrung geleistet wird, damit die Sicherstellung der virusfreien Weinsorten in Zukunft gewährleistet ist. Die Finanzierung beläuft sich auf 300 000 bis 500 000 S. Es werden etwa 5 Millionen Reben jährlich in Österreich verarbeitet, und davon finanziert sich die Erhaltung mit einem Beitrag von 10 Groschen per Setzling. Das haben die Weinbauern schon bisher bezahlt. – Diesen Antrag möchte ich hiemit einbringen. – Danke.

22.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag, den Herr Abgeordneter Schwarzenberger eingebracht und Herr Kollege Zweytick erläutert hat, ist ordnungsgemäß unterfertigt und steht mit in Verhandlung.

Dieser Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Schwarzenberger, Wenitsch, Zweytick, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage eines Agrarrechtsänderungsgesetzes 2002 (1133 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage (1133 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem ein Forstliches Vermehrungsgutgesetz erlassen wird und das Düngemittelgesetz 1994, das Futtermittelgesetz 1999, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Pflanzgutgesetz 1997, das Rebenverkehrsgesetz 1996, das Saatgutgesetz 1997. das Sortenschutzgesetz 2001, das Weingesetz 1999 und das Qualitätsklassengesetz geändert werden (Agrarrechtsänderungsgesetz 2002), wird wie folgt geändert:


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In Artikel 7 wird folgende Z 29 eingefügt; die bisherigen Z 29 und 30 erhalten die Bezeichnung "30" und "31":

"29. Nach § 18 wird folgender § 18a samt Überschrift eingefügt:

Beitrag zur Förderung der Pflanzengesundheit von Reben

§ 18 a (1) Zur Sicherung oder Verbesserung des pflanzengesundheitlichen Status von Vermehrungsgut wird ein Beitrag zur Förderung der Pflanzengesundheit von Reben (im folgenden Beitrag genannt) erhoben.

(2) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung die Höhe des Beitrages unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse der Pflanzengesundheit sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beitragsschuldner sowie sonstige Grundsätze betreffend die Beitragseinhebung und Beitragsverwaltung, insbesondere dem Grundsatz der Kostendeckung, festzulegen.

(3) Die Verwaltung des Beitrages hat durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (im Folgenden beitragsverwaltende Behörde genannt) zu erfolgen.

(4) Der Beitrag ist eine Einnahme des Bundes. Die beitragsverwaltende Behörde hat aus dem Beitragsaufkommen die Kosten, die den beitragseinhebenden Behörden durch die Beitragseinhebung sowie ihr selbst durch die Beitragsverwaltung erwachsen, zu bedecken.

(5) Das restliche Beitragsaufkommen und allfällige Zinsen sind durch die beitragsverwaltende Behörde für die in Abs. 1 genannten Zwecke zu verwenden. Beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ist ein Fachbeirat für die Förderung der Pflanzengesundheit von Reben einzurichten, die Empfehlungen betreffend die zweckmäßige Verwendung des Beitragsaufkommens abgeben kann.

(6) Beitragsschuldner ist der Versorger gemäß § 6 Abs. 5. Die Beitragsschuld entsteht im Zeitpunkt der Bewilligung des Antrages auf Anerkennung, wobei Beitragsgrundlage die Zahl der bewilligten Reben ist.

(7) Die Einhebung des Beitrages hat durch die für die Einhebung der Gebühren im Sinne des § 18 zuständige Behörde (beitragseinhebende Behörde) zu erfolgen. Die Einhebung hat erstmals für das Anerkennungsjahr (im Sinne der Verordnung (EG) 1493/1999, ABl. Nr. L 179 vom 14. Juli 1999 S 1) 2002 stattzufinden.

(8) Wenn Beiträge nicht ohne weiteres entrichtet werden, sind sie mit Bescheid vorzuschreiben.

(9) Gegen Bescheide der beitragseinhebenden Behörde ist eine Berufung an die beitragsverwaltende Behörde zulässig.

(10) Bei wesentlichen Abweichungen der Zahl der tatsächlich zum in Verkehr Bringen geeigneten Reben von der Zahl der mit Bescheid bewilligten Reben hat der Versorger dies der Behörde unverzüglich zu melden und entsprechend nachzuweisen. Die Behörde hat den festgestellten Unterschiedsbetrag auf den im Folgejahr zu leistenden Beitrag anzurechnen.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Auer; es ist dies seine zweite Wortmeldung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

22.45

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, dass Kollege Gradwohl in


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Richtung des Herrn Bundesministers gemeint hat, er reiche ihm noch einmal die Hand für eine ökologische Landwirtschaft. Aber auch Kollege Pirklhuber hat quasi beschwörend gemeint, wir sollten seine Einwände ernst nehmen.

Wir nehmen diese Einwände tatsächlich ernst! Aber ich bitte auch, einmal zur Kenntnis zu nehmen – gerade Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition! –, dass auch die Wirtschaftsweise der österreichischen Bauern ernst zu nehmen ist, die sich tatsächlich bemühen, nachhaltig zu wirtschaften, die nachweisbar in wesentlich kleineren Tierbeständen produzieren und nachweisbar das ÖPUL-Programm in einem Ausmaß umsetzen, wie dies nur bei wenigen anderen Beispielen in Europa der Fall ist.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Pirklhuber! Darf ich Sie einen Moment um Aufmerksamkeit bitten? Sie haben mir in einem Zwischenruf quasi vorgehalten, ich hätte nicht auch das Beispiel Dänemark zitiert, das Sie in Ihrer Abweichenden Stellungnahme zitieren. – Hier habe ich die Beispiele aus Dänemark: Die Ökobetriebe Dänemarks produzieren zwischen 500 und 5 000 Mastschweine jährlich. Ich habe hier einmal behauptet, dass Österreichs Bauern – auch die so genannten Großbetriebe – im internationalen Konzert ökologische Betriebe sind. Sie können diese Unterlage haben!

Wir möchten eine derartige Produktionsgröße, wie sie die Ökobetriebe in diesen Ländern haben, nicht, sondern wir möchten auch in Zukunft jene Landwirtschaft, die unser Bundesminister Molterer bisher vertreten hat und die Österreichs Bauern in vorbildlicher Weise umsetzen! (Beifall bei der ÖVP.)

22.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Redezeit: maximal 20 Minuten. – Bitte.

22.47

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Häufig haben die Konsumentinnen und Konsumenten das letzte Wort. Des Öfteren müssen aber auch sie das auslöffeln, was ihnen andere eingebrockt haben.

Ich möchte aber an den Beginn meiner Ausführungen das vom Herrn Kollegen Zweytick lang erbetene Lob für die österreichische Bauernschaft stellen, die meines Erachtens sicherlich zu einem überwiegenden Prozentsatz bemüht ist, konsumentInnengerecht im Hinblick auf gesunde Nahrungsmittel zu produzieren. Ich sage, sie ist bemüht, denn für uns ist ganz zentral, dass es dieses Grundrecht auf Gesundheit auch im konkreten Fall als Grundrecht auf gesunde Lebensmittel gibt. (Beifall bei den Grünen.)

Dieser Grundrechtsforderung stehen allerdings gewisse Tatsachen gegenüber, gewisse Phänomene, die, ganz allgemein umschrieben, leider gegenteilige Orientierungen zeigen.

Erstens: Sie haben schon Recht, Herr Minister! Pestizide sollen restriktiv und weniger eingesetzt werden. Das ist Ihr Ziel. Gut und schön! Nur: Dieses Ziel haben Sie vor mindestens acht Jahren auch schon deklariert, aber die Praxis, und das ist dem Grünen Bericht zu entnehmen, zeigt: Zunahme der Wirkstoffe, Anstieg der Menge an Wirkstoffen, Anstieg der Importe, mehr zugelassene Präparate, Wirkstoffmengen in größerem Ausmaß. Da unterscheidet sich die Zielsetzung immer wieder sehr stark von der Realität. Deshalb haben wir einen Antrag eingebracht, der auf ein konkretes Aktionsprogramm zur Minimierung des Pestizideinsatzes abzielt. (Beifall bei den Grünen.)

Dieser konkrete Verbesserungsvorschlag dient den Bauern genauso wie den KonsumentInnen, den Bauern nämlich dadurch – wie Sie selbst ausgeführt haben –, dass sie Betriebsmittel sparen könnten. Sicherlich lassen sich Erträge auch auf andere Art und Weise erzielen. Aber in erster Linie geht es meines Erachtens um die Wettbewerbssituation, aber auch um die gesundheitliche Situation bei den Lebensmitteln. Dabei könnte man doch Hand in Hand arbeiten,


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mit einem gezielten Pestizid-Aktionsprogramm zur Minimierung des Einsatzes! Und bitte: Das ist nichts, was wir uns selbst zurechtstoppeln oder neu erfinden müssen!

Herr Minister! Sie wissen genau, das gibt es. Das wird auf nationaler Ebene praktiziert. Sie waren wahrscheinlich in Dänemark, Sie waren vielleicht auch einmal in Schweden, und Sie waren wahrscheinlich auch in den Niederlanden. Dort gibt es konkrete Minimierungsprogramme mit einem Zeithorizont von fünf bis zehn Jahren. Dort schaut auch dann im europäischen Vergleich im Monitoring die Situation bei den Kontrollen ganz anders aus. Wir haben in Dänemark vergleichsweise weniger Überschreitungen von Höchstgrenzwerten als in Österreich. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Angesichts dieser Tatsache ist unser Antrag sehr ernst zu nehmen. Ich verstehe nicht, weshalb Sie nicht einmal darüber verhandeln. Er wurde vielmehr im Ausschuss mehr oder weniger nur marginal gestreift und wird im Plenum fast ohne irgendeine konkrete Wortmeldung einfach abgelehnt. Das werden Ihnen die KonsumentInnen dann wahrscheinlich mit Misstrauen danken. Das haben, wie ich meine, weder die Bauern notwendig ... (Beifall bei den Grünen. – Abg. Auer: Sie schüren ja das Misstrauen!) – Wenn Sie nichts dazu beitragen, dass Vertrauen gefördert wird, indem der Einsatz minimiert wird, indem Sie ausländischen Vorbildern nacheifern, tut es mir wirklich Leid. Das wäre zum Beispiel die Minimalvorleistung Ihrerseits.

Einer meiner Kollegen hat schon darauf hingewiesen, dass es nicht nur um Lebensmittel in fester Form, sondern auch um das Grundlebensmittel Wasser geht, das durch pestizidintensive Produktion zusehends belastet wird. Herr Minister! Gerade bei der Grundwassersanierung haben Sie sich durch Ihre "Schwellenwertverordnung neu" bei weitem kein Ruhmesblatt erworben, sondern eine Anti-Grundwassersanierungsprogrammatik auf Ihre Fahnen geheftet, wenn man nämlich Werte praktisch verdoppelt, bis etwas geschehen muss, wenn man wieder in eine Richtung liberalisiert, die wir so nicht haben wollen.

Herr Kollege Schwarzenberger! Es stimmt, wir haben den Binnenmarkt, und im Binnenmarkt werden natürlich Lebensmittel, die anderswo produziert werden, auch bei uns konsumiert. Gerade deshalb ist es für mich so notwendig, dass auch unsere Politiker auf EU-Ebene immer wieder dafür eintreten, dass relativ hohe EU-weite Standards und auch ein EU-weites Minimierungsprogramm geschaffen werden.

Ich habe im Ausschuss auch diese Frage gestellt. Herr Minister! Ich habe die Frage ganz konkret an Sie gerichtet, und in diesem Bereich sind Sie mir die Antwort schuldig geblieben. In anderen Bereichen haben Sie sehr wohl sehr konkret und sehr präzise geantwortet, aber was Ihre Initiativen auf europäischer Ebene im Hinblick auf Minimierung des Pestizideinsatzes anlangt, sind Sie mir bis heute die Antwort schuldig geblieben. Deshalb habe ich auch die gesamte Debatte abgewartet, ob Sie sich vielleicht nicht doch einmal in diese Richtung äußern.

Vielleicht noch ein wesentlicher Aspekt: Wir brauchen einheitliche europäische Standards bei der Zulassung, bei den Höchstwerten und auch bei den Kontrollen. Diesbezüglich haben wir in Österreich sicherlich noch einiges nachzuholen. Es gibt zwei Monitorings, das europäische und das nationale. Wie es beim nationalen ausschaut, habe ich Ihnen bei der Begründung meines Antrages, meines konkreten und konstruktiven Vorschlags auch dargelegt. Wir haben in Österreich beim nationalen Monitoring immerhin das Problem, dass 39,9 Prozent der Lebensmittelproben mit Rückständen belastet waren. Das waren auch österreichische Lebensmittel, nicht nur ausländische. Und deshalb besteht auch die Notwendigkeit, endlich etwas zu tun. Diese Notwendigkeit sehen Sie nicht, diese Notwendigkeit negieren Sie. Diesbezüglich unternehmen Sie nichts, obwohl es Vorbilder gibt.

Meines Erachtens lenken Sie mit Ihren Lobeshymnen für die Tätigkeit der Bauern, die ich in Ansätzen durchaus teilen kann, teilweise von den Möglichkeiten ab, die Sie haben, wirklich gesunde Lebensmittel auf den Tisch zu bringen.

Eine positive Bemerkung noch zum Schluss: Von meiner Seite umfasst dieses Grundrecht auf Gesundheit sehr wohl auch das Grundrecht auf ein gesundes Rebenleben. Deshalb werde ich


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sicherlich Ihrem Reben-Antrag zustimmen – wenn auch noch eine Staatsgrundzielbestimmung dabei gewesen wäre, wäre es vielleicht noch ein bisschen interessanter gewesen –: für ein gesundes Rebenleben im Sinne eines ordentlichen Weines in Österreich und einer Qualität, die wirklich das Etikett rot-weiß-rot verdient. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

22.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor; daher schließe ich die Debatte.

Wir kommen zu den Abstimmungen  – und zu diesem Zweck bitte ich Sie, die Plätze einzunehmen! –, die über die einzelnen Ausschussanträge getrennt vorgenommen werden.

Als Erstes stimmen wir ab über den Gesetzentwurf in 1133 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Schwarzenberger, Wenitsch, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht, und die Abgeordneten Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen sowie Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber haben je ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Es liegt auch ein Verlangen auf namentliche Abstimmung vor.

Ich werde daher zunächst über die von dem erwähnten Zusatzantrag und dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile des Gesetzentwurfes – unter Berücksichtigung des Verlangens auf namentliche Abstimmung – und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 und 2 des Gesetzentwurfes.

Im Falle der Zustimmung zu diesen beiden Artikeln ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 5 des Gesetzentwurfes.

Dazu ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Das Verlangen ist von 20 Abgeordneten unterfertigt. Es ist daher so vorzugehen.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, finden sich in den Laden. Sie kennen die Prozedur. Für "Ja" - Stimmen sind die grauen Stimmzettel zu verwenden, für "Nein" -Stimmen die rosafarbenen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Artikel 5 des Gesetzes stimmen, den "Ja" -Stimmzettel, jene, die gegen Artikel 5 stimmen, den "Nein" -Stimmzettel zu verwenden.

Ich bitte Frau Abgeordnete Haller in ihrer Eigenschaft als Schriftführerin, mit dem Namensaufruf zu beginnen, und ich bitte Herrn Abgeordneten Auer, Kollegin Haller zum gegebenen Zeitpunkt abzulösen. – Bitte, Frau Kollegin Haller.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Haller und den Schriftführer Auer werfen die Abgeordneten den Stimmzettel in die Urne.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke den beiden Schriftführern und erkläre die Stimmabgabe hiemit für beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen.

Die Sitzung wird zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrochen. – Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 23.02 Uhr unterbrochen und um 23.07 Uhr wieder aufgenommen. )


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn
(den Vorsitz übernehmend): Ich bitte, Platz zu nehmen.

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

abgegebene Stimmen: 166, davon "Ja" -Stimmen: 97 , "Nein" -Stimmen: 69.

Artikel 5 des Gesetzentwurfes ist somit angenommen.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Achatz, Amon, Auer;

Bauer Gerhard, Baumgartner-Gabitzer, Blasisker, Böhacker, Bösch, Brinek, Bruckmann, Brugger, Burket;

Dolinschek, Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert;

Egghart, Ellmauer;

Fallent, Fasslabend, Fekter, Feurstein, Fink, Firlinger, Freigaßner, Freund, Frieser;

Gahr Hermann, Gatterer, Graf Herbert L., Graf Martin, Großruck;

Hakl, Haller, Hartinger, Haubner, Hetzl Gerhard, Hofmann, Hornegger Franz, Hornek Erwin;

Jung;

Kampichler, Khol, Kiss, Knerzl, Kößl, Kopf, Krüger, Kurzbauer, Kurzmann;

Langreiter, Lexer, Loos;

Mainoni, Miedl, Mikl-Leitner, Mitterlehner, Mühlbachler, Müller, Murauer;

Neudeck;

Ortlieb;

Papházy, Partik-Pablé, Pecher, Povysil, Prinz, Prinzhorn, Pumberger;

Rasinger, Rauch-Kallat, Reindl;

Schender, Schoettel-Delacher, Schultes, Schwarzenberger, Schweisgut, Sevignani, Sodian, Spindelegger, Stadler, Staffaneller, Steibl, Stummvoll;

Tancsits, Trettenbrein, Trinkl;

Wattaul, Weinmeier, Wenitsch, Westenthaler, Wittauer, Wochesländer, Wolfmayr;

Zellot, Zernatto, Zierler, Zweytick.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Abraham;

Bauer Hannes, Bauer Sophie, Binder, Brosz, Bures;


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Cap, Csörgits;

Dietachmayr, Dobnigg;

Eder Kurt, Edler Josef, Edlinger, Einem;

Faul, Fischer;

Gaál Anton, Gartlehner, Gaßner, Glawischnig, Gradwohl, Gusenbauer;

Heindl Kurt, Heinisch-Hosek, Heinzl Anton, Hlavac, Horn, Huber;

Jäger, Jarolim;

Kaipel, Keppelmüller, Kiermaier, Kräuter, Kubitschek, Kummerer, Kuntzl;

Lapp, Lunacek;

Maier, Marizzi, Mertel, Moser, Muttonen;

Niederwieser, Nürnberger;

Oberhaidinger, Öllinger;

Parfuss, Parnigoni, Pendl, Petrovic, Pfeffer, Pirklhuber, Posch, Prähauser, Prammer;

Rada, Reheis, Riepl;

Schasching, Schieder, Schwemlein, Silhavy, Sima;

Verzetnitsch;

Wimmer, Wittmann, Wurm.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Abgeordneten Schwarzenberger, Wenitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Einfügung einer neuen Ziffer 29 in Artikel 7 und dadurch bedingte Änderungen von Ziffernbezeichnungen eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Artikel 10 des Gesetzentwurfes.

Bei Zustimmung ersuche ich wieder um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies ebenfalls mehrheitlich. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


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Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1155 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist das mehrheitlich angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1156 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

8. Punkt

Regierungsvorlage: Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 27. Februar 2002 über die finanziellen Folgen des Ablaufs der Geltungsdauer des EGKS-Vertrags und über den Forschungsfonds für Kohle und Stahl samt Anhängen und Anlagen sowie Erklärungen der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten (1099 der Beilagen) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

9. Punkt

Regierungsvorlage: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien andererseits samt Anhängen und Protokollen sowie Schlussakte und Erklärungen (1127 der Beilagen) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

10. Punkt

Regierungsvorlage: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China über kulturelle Zusammenarbeit (1070 der Beilagen) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nun gelangen wir zu den Punkten 8 bis 10 der Tagesordnung.

Von Vorberatungen in Ausschüssen wurde gemäß § 28a der Geschäftsordnung Abstand genommen.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

23.11

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte gerne zum Abkommen über kulturelle Zusammenarbeit zwischen Österreich und der Volksrepublik China Stellung nehmen, das heute beschlossen werden soll.

Kultur und vor allem der Austausch von Kultur sind ja nicht erst seit den letzten Jahren ein wichtiges Anliegen. Auch Begriffe wie "Multikulturalität" und "Globalisierung" sind nicht erst seit dem letzten Jahr und dem 11. September Worte, die in aller Munde sind. Multikulturalität und Globalisierung sind aber mehr als Schlagworte, sie sind Tatsachen, Fakten, die Chancen, aber auch Risken beinhalten.

Sehr oft sind diese Entwicklungen begleitet von Unsicherheit und Angst, vor allem von Angst vor dem Fremden, Angst vor dem Anderen. Dabei werden Vorurteile einzementiert, es entstehen auch Vorurteile und Feindbilder. Feindbilder in unterschiedlichen und neuen Variationen


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sind Gift für internationale Beziehungen. Das macht deutlich, wie dringend in die Intensivierung des interkulturellen Dialogs investiert werden muss.

Eines der wirksamsten Mittel im Umgang mit dem Fremden, dem Anderen ist eben das bessere Kennenlernen, ist das Wissen über eine andere Kultur. Dieses Wissen kann man nur in partnerschaftlichem und gemeinsamem Erarbeiten erwerben. Das heißt, es muss sich um einen dynamischen Prozess handeln, der sich immer wieder weiterentwickeln kann, der auch Veränderungen unterworfen ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Deshalb sind Kulturabkommen mit anderen Ländern äußerst begrüßenswert, wie auch jenes zwischen der Volksrepublik China und Österreich, damit, wie es in der Regierungsvorlage heißt, die bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern entwickelt werden können, die Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Bildung und Sport gefördert wird sowie das Verständnis und die Freundschaft zwischen beiden Völkern verstärkt werden können.

Es ist allerdings zu wenig, nur hier im Parlament Abkommen zu beschließen. Im letzten Jahr wurde das Auslandskulturbudget drastisch gekürzt, und Kulturinstitute wurden geschlossen beziehungsweise in ihren Aufwendungen beschnitten. Dieser Austausch muss also dem Staat auch etwas wert sein, und Geld muss dafür zur Verfügung gestellt werden.

Meine Damen und Herren! Sehr oft besteht die Gefahr, dass die Auslandskultur bloß als Rahmenprogramm dient und ihr somit die Möglichkeit genommen wird, eine echte Wirkung zu erzielen.

Deswegen ersuche ich Sie, diesem Abkommen zuzustimmen, aber Ihr Augenmerk in Zukunft auch weiterhin auf die Auslandskulturpolitik zu legen, denn ich meine, dass das ein ganz wichtiger Bereich ist, in dem noch sehr viel zu tun ist, vor allem wenn es um die Auslandskulturpolitik gegenüber den künftigen EU-Staaten, den Beitrittsländern geht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

23.15

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Wir werden allen drei Regierungsvorlagen unsere Zustimmung erteilen.

Der ersten Regierungsvorlage, weil sie lediglich als Übergangslösung dient, bis der Vertrag von Nizza ratifiziert ist.

Der zweiten Regierungsvorlage, dem Stabilisierungsabkommen mit der früheren jugoslawischen Republik Mazedonien, weil es ein wichtiger Schritt ist, mit den Staaten Ex-Jugoslawiens eine neue wirtschaftliche, aber auch politische Zusammenarbeit von Seiten der EU, in diesem Fall mit Mazedonien, zu beginnen und das auch auszubauen.

Und drittens auch dem Kulturabkommen mit China – dazu möchte ich noch einige Punkte kurz ausführen.

Ein Kulturabkommen bedeutet, dass in der kulturellen Zusammenarbeit mit dem Land – bei diesem Abkommen geht es ja auch um die Erziehung, Bildung, aber auch um Sport, um Jugendarbeit – wohl auch auf die unterschiedlichen kulturellen Umstände in dem Land, in dem Fall China, eingegangen werden muss. Das heißt, ich erwarte mir bei der Umsetzung dieses Kulturabkommens, dass Österreich auch auf Unterschiede in China selbst eingeht, dass zum Beispiel auch das Thema Tibet oder die autonome Region Xinjiang erwähnt wird. Es geht also darum, dass auch jene Bereiche, die der Volksrepublik China nicht unbedingt angenehm sind, die ein heikles Thema in der Kooperation sind, sehr wohl auch Eingang finden in die kulturelle Zusammenarbeit, denn auch das gehört zu Kultur.


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Ein weiterer Punkt: die Menschenrechtssituation in China. Der Amnesty-Bericht des letzten Jahres hält wieder Zigtausende willkürliche Festnahmen fest, ebenso Folter, Hinrichtungen, Gruppen, die auf Grund ihrer spirituellen Arbeit verfolgt werden, zum Beispiel Falun Gong, aber auch Fälle von Menschen, die einfach eine andere Meinung haben, für die aber die Meinungsfreiheit eingeschränkt ist. Auch das fällt meines Erachtens unter ein Kulturabkommen, dass nämlich auch all jene Personengruppen gestärkt werden, die vielleicht nicht dieselbe Meinung wie die Regierung eines Landes vertreten.

Ich hoffe sehr, dass bei der Umsetzung dieses Kulturabkommens auch diese Bereiche in der kulturellen Zusammenarbeit Platz finden. Eine Gelegenheit, diese Umstände zu thematisieren, wäre beispielsweise die Olympiade, die 2008 in China stattfindet. In den Vorbereitungen hiezu, also sehr wohl auch in der Zusammenarbeit im Bereich Sport, in der Jugendarbeit, wäre darauf einzugehen, um so jene in China zu stärken, die zu einer stärkeren Demokratisierung beitragen, die ja dann auch wieder die Kultur fördert. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Gemäß § 65 der Geschäftsordnung gelangen wir nunmehr zur Abstimmung. Gegenstand ist die Genehmigung des Staatsvertrages: Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 27. Februar 2002 über die finanziellen Folgen des Ablaufs der Geltungsdauer des EGKS-Vertrags und über den Forschungsfonds für Kohle und Stahl samt Anhängen und Anlagen sowie Erklärungen der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, 1099 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Vorschlag der Bundesregierung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz, dass der Beschluss sowie die Erklärungen der im Rat vereinigten Regierungen der Mitgliedstaaten in der dänischen, englischen, finnischen, französischen, griechischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen, schwedischen und spanischen Fassung durch Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten kundgemacht wird.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien andererseits samt Anhängen und Protokollen sowie Schlussakte und Erklärungen, 1127 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Genehmigung dieses Abkommens zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Vorschlag der Bundesregierung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz, dass die Kundmachung dieses Abkommens, der Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen, die in den elf Amtssprachen der Europäischen Union im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht werden, in allen authentischen Sprachfassungen durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu erfolgen hat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.


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Wir gelangen zur Abstimmung über das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China über kulturelle Zusammenarbeit, 1070 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 GOG auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis S: 5, F: 4, V: 4 und G: 1 einzusetzen.

Gegenstand der Untersuchung: Überprüfung

1. der Frühpensionierungen im Bereich der Bahn, Post und Telekom,

2. der Ablöse von Vorständen und Aufsichtsratmitgliedern in der öffentlichen Wirtschaft des Bundes,

3. des Vorruhestandes mit 55 im öffentlichen Dienst (so genannte "Chance 55"),

4. anderer Funktionsveränderungen im Bereich des Bundes (zum Beispiel im Bereich der Sozialversicherungen)

seit Februar 2000 auf Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit sowie Gesetzmäßigkeit.

Feststellung der politischen und rechtlichen Verantwortlichkeiten dafür.

Untersuchungsauftrag: Der Untersuchungsausschuss soll durch die Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die diesbezüglichen Akten in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand den Sachverhalt aufklären.

Unter einem wird verlangt, gemäß § 33 Abs. 2 GOG über diesen Antrag eine kurze Debatte abzuhalten.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gehen in die Debatte ein.

Im Sinne des § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit in dieser Debatte 5 Minuten, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stel


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lungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

23.21

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hätten diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gerne zurückgezogen, aber da hätten Sie den Misstrauensanträgen gegen Strasser und Haupt zustimmen müssen, meine Damen und Herren. (Abg. Ing. Westenthaler: Wir sind ja nicht am Basar! Das Parlament ist ja kein orientalischer Basar!) Aber da Sie das nicht getan haben, müssen wir untersuchen, nämlich Postenschacher und Geldverschwendung. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf Haupt und Strasser komme ich ein wenig später zu sprechen, denn es gibt auch bei Ihrer Vizekanzlerin, meine Damen und Herren von der FPÖ, durchaus untersuchungswürdige Vorgänge, beispielsweise auch was die Infrastrukturpolitik betrifft, Thema: Frühpensionierungen. Sie gehen ja nach der Methode "Haltet den Dieb!" vor, denn wer hat denn die Universaldienstverordnung bei der Post erlassen? War das nicht Frau Ministerin Forstinger? Dadurch werden 5 000 Arbeitnehmer einfach entfernt, rücksichtslos entfernt; rücksichtslos dem Arbeitnehmer gegenüber, aber auch der Bevölkerung gegenüber, weil Sie damit die Poststruktur zerstören. Sie haben von Ersatzlösungen gefaselt. Wo sind die, wenn es bei 650 Postämterschließungen nicht einmal 120 so genannte Ersatzlösungen gibt?

Wer macht denn Druck auf die Arbeitnehmer in den Betrieben, sind das nicht die FPÖ und die ÖVP? Tragen Sie nicht selbst die Verantwortung für die Frühpensionierungen? Sie spielen hier kuhäugig die Aufdecker, statt Arbeitsmarktpolitik zu machen, statt Politik für die älteren Arbeitnehmer zu machen und diesen Chancen zu bieten.

Meine Damen und Herren! Im morgigen "Standard" sind auf der Wirtschaftsseite neue Daten aus dem Büro der Vizekanzlerin nachzulesen, was Post, Telekom und ÖBB und die Pensionierungen betrifft. Da gibt es einen dramatischen Verfall, einen neuen Tiefstand, ist hier nachzulesen. Das Antrittsalter ist innerhalb kürzester Zeit, nämlich innerhalb eines Jahres, auf 48,21 Jahre gesunken. Im Vorjahr waren es 53 Jahre. Ich zitiere: "Seit Jahresanfang sinkt das Durchschnittsalter dramatisch." – Ja, meine Damen und Herren, das haben Sie zu verantworten.

Die Frau Vizekanzlerin spricht zynisch von einer "Chance 55", doch mit dieser so genannten Chance werden 55-jährige Arbeitnehmer aus dem öffentlichen Dienst entfernt. Gleichzeitig prangert sie die Frühpensionierungen an. Sie selbst ist mit ihrem Ressort dafür zuständig, im Bundespensionsamt, wo sie munter drauflos frühpensioniert. (Beifall bei der SPÖ.)

Vor dem Parteitag, meine Damen und Herren, haben dann aber Haider und Riess-Passer die Stirn und die Chuzpe, nach dem Staatsanwalt zu rufen und "Skandal!" zu schreien. Sie sollten Selbstanzeige machen, das wäre das Richtige, aber nicht "Haltet den Dieb!" schreien. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Der Herr Bundeskanzler hat heute wieder gesagt: Mit dem Sparen beginnen wir bei uns selbst, bei der Bundesregierung, nicht bei den "kleinen Leuten"! Und er hat wieder vergessen dazuzusagen, dass 300 Millionen Schilling von Ihnen beim Fenster hinausgeworfen wurden, um missliebige Manager loszuwerden, die Ihnen politisch nicht in den Kram gepasst haben und die sich nicht dafür hergegeben haben, österreichische Paradeunternehmen in das Ausland zu verschleudern.

Der Bundeskanzler hat von objektiven Bestellungen gesprochen, von Fachleuten, von Experten. Alles schön rot-weiß-rot, unabhängig. Ja wie unabhängig sind diese Leute, diese Aufsichtsräte in der ÖIAG? Ich meine etwa Alfred Heinzel, Cornelius Grupp, Veit Schalle, Veit


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106. Sitzung / Seite 243

Sorger. Sie alle sind auch Stiftungsräte in Thomas Prinzhorns Privatstiftung, meine Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: So ein Verbrechen!) Das ist eine "schöne" Unabhängigkeit!

Kollege Westenthaler! Auf den ersten Blick wird man sagen können: Und was hat die ÖVP davon? – Die hat dafür die Ernst-Strasser-Schule bei der Exekutive. Und Sie werden jetzt gleich Ihren säuerlichen Gesichtsausdruck bekommen (Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben einen Neidkomplex, das ist alles!), wenn wir über den ORF reden, Kollege Westenthaler, wo Sie immer vom schwarzen Einfärben sprechen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Nur ein Neidkomplex!)

Zur Gendarmerie gibt es in der "Kleinen Zeitung" heute den "Denkzettel". Die "Kleine Zeitung" ist durchaus kein SPÖ-Kampfblatt, darin sind wir uns schon einig. Da ist vom "Postenschacher" die Rede, von der "Ernst-Strasser-Schule", von der "Methode Holzhammer mit Schaumstoff". Ich will jetzt gar nicht auf die spektakulären Fälle betreffend General Strohmeyer oder Staatspolizeichef Peter Heindl eingehen. Das ist eine politische Säuberung in Richtung Schwarz, eine politische Säuberung unter dem Vorwand einer Strukturreform.

An sich müssten Sie jetzt applaudieren, meine Damen und Herren von der FPÖ, denn Sie haben das ja auch vor ein paar Tagen bei Ihrem Parteitag getan. Sie haben sich auf die Schenkel geklopft und gelacht und applaudiert, als gesagt wurde, dass das politische Säuberungen in Richtung Schwarz sind, als gesagt wurde, politische Säuberungen unter dem Vorwand einer Strukturreform. Warum applaudieren Sie heute nicht, Sie haben das ja auch am letzten Wochenende gemacht, meine Damen und Herren von der FPÖ? (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein kurzer Blick in die ländlichen Regionen. Von diesen Regionen hat sich die ÖVP ja längst verabschiedet. Es wird eine Unzahl von Gendarmerieposten parteipolitisch verändert. (Abg. Dr. Trinkl: Was ist der Unterschied zwischen schwarz und schwarz?) Das sollte man untersuchen: Ist das wirtschaftlich? Ist das zweckmäßig? Ist das sparsam? Kaltenbach etwa kommt zu Ried, eine funktionierende, billige Gendarmeriedienststelle wird verlegt in eine ÖVP-Gemeinde. Das Landesgendarmeriekommando hat penibel aufgelistet, dass das ein teurer Weg ist. Was hat der Minister im "kleinen Untersuchungsausschuss" gesagt? – Diese Stellungnahme ist veraltet. Mit einem unschuldig-smarten Lächeln, wie das die "Kleine Zeitung" analysiert.

Oder Übelbach in der Steiermark. Da ist nach den Anfragebeantwortungen eindeutig erwiesen, dass hier ein schwarzer Personalvertreter bevorzugt wurde. Das ist so entschieden, hat der Herr Minister gemeint.

Ein bisschen hilfreich ist da Kollege Trinkl, denn der ist im Bezirk Weiz auf der Suche nach der Ernst-Strasser-Schule. Er hat die Schultüte in der Hand und fragt: Wo geht es hier zur Ernst-Strasser-Schule? Er ist erst ein Taferlklassler, er war noch nicht in der ersten Klasse, er weiß noch nicht, was man in der ersten Klasse in dieser Ernst-Strasser-Schule lernt: Nichts zugeben! Und wie Kollege Trinkl, der Taferlklassler, auf der Suche nach dieser Schule ist, da plappert er so dahin und sagt: Der Gendarmerieposten in Sinabelkirchen ist weg, weil dort ein roter Bürgermeister ist, wenn dort ein schwarzer Bürgermeister wäre, na dann wäre das etwas ganz anderes! (Abg. Dr. Khol: Gegen dich ist der Cap nichts! Die Blödeleien vom Cap sind nicht so gut wie deine!)

Um hier zeitökonomisch irgendwelche Entgegnungsversuche im Keim zu ersticken, zitiere ich aus der "Kleinen Zeitung" vom 23. Februar:

"Sinabelkirchen müsse erst einen schwarzen Bürgermeister haben, dann sei das mit dem Gendarmerieposten kein Problem."

Trinkl bestätigte damals, dies gesagt zu haben. (Ruf bei der SPÖ: Das ist eine Sauerei!)


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Der Lehrer Ernst Strasser wird unschuldig-smart lächeln, aber dem Taferlklassler Trinkl ordentlich die Ohren lang ziehen. Das befürchte ich für den Taferlklassler Trinkl. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Abschließend: Sollen wir uns noch kurz mit Abgeordnetem Gaugg beschäftigen? (Abg. Dr. Cap: Nein!) – Nicht mehr. Ich habe auch keine besonders große Hoffnung, dass die Regierungsparteien dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zustimmen (Abg. Dr. Trinkl: Seien Sie froh!), denn die Kontrollmoral von Ihnen, meine Damen und Herren, ist auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt.

Wer hat denn im "kleinen Untersuchungsausschuss", der gerade Postenschacher bei Gendarmerie, Polizei und so weiter kontrolliert, den Vorsitz? Wer hat denn den Vorsitz in diesem "kleinen Untersuchungsausschuss", der gegen Postenschacher eingerichtet ist? (Abg. Mag. Hartinger: Sie nicht, Gott sei Dank!) Ja wer ist denn das, Frau Kollegin? – Es ist Kollege Reinhart Gaugg, meine Damen und Herren! (Ironische Heiterkeit und Oh-Rufe bei der SPÖ und den Grünen.) Und noch niemals ist trefflicher ein Bock zum Gärtner gemacht worden als Gaugg zum Postenschacher-Aufdecker. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Cap: Der Gaugg wurde zum Gärtner gemacht!)

23.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reheis. Ich mache darauf aufmerksam: Die Redezeit der folgenden Redner beträgt 5 Minuten. – Bitte.

23.30

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Heute ist ausführlich über Postenschacher und über die Methoden dieser Bundesregierung, unliebsame Manager und Personal loszubekommen, diskutiert worden, aber was darüber hinaus nicht angesprochen wurde (Abg. Ing. Westenthaler: Und was ist mit dem FC Tirol? Wie geht das weiter?), sind die finanziellen Auswirkungen dieses Postenschachers der Bundesregierung im Bereich der verstaatlichten Unternehmungen und in anderen Bereichen, im Bereich der "Chance 55" sowie im Bereich von Frühpensionierungen im öffentlichen Sektor, was im Rahmen eines Untersuchungsausschusses überprüft werden soll. (Abg. Ing. Westenthaler: Sind Sie auch Funktionär im FC Tirol?)

Meine Damen und Herren! Kollege Kräuter hat schon einige Themen angesprochen. Ich kann nur dazusagen: Kontrolle ist dringend notwendig im Bereich der Frühpensionierungen, im Bereich der Bahn, Post und Telekom, der Ablöse von Vorständen, von Aufsichtsratsmitgliedern in der öffentlichen Wirtschaft des Bundes, des Vorruhestandes mit 55 im öffentlichen Dienst, der so genannten Chance 55, anderer Funktionsveränderungen im Bereich des Bundes, ebenso die Untersuchungen auf Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit sowie Gesetzmäßigkeit.

Meine Damen und Herren! Wie schaut denn das aus mit den Pensionierungen? – Ich darf aus dem neuen "Format" zitieren: "Das Pensionsantrittsalter bei der Post sank von 57,61 Jahren im Jahre 1999 auf 48,21 Jahre im März 2002."

Meine Damen und Herren! Wer hat denn in dieser Zeit Regierungsverantwortung gehabt? Das waren ÖVP und FPÖ. Das ist unter Ihren Augen passiert, und heuer soll das so weitergehen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Meine Damen und Herren! In Anbetracht dieses von Ihnen tolerierten sinkenden Pensionsantrittsalters kann man nur daran erinnern, dass nach der Vorstellung des Pensionsexperten Bernd Rürup die Österreicher – und zwar Männer und Frauen – in Zukunft mit 67 Jahren in Pension gehen sollen. Der Herr Bundeskanzler fordert von den Arbeitnehmern und Angestellten, dass sie gefälligst bis 65 arbeiten sollen. Die Regierung hat das Pensionsalter angehoben, die Frühpension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gestrichen, den Zugang zu Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension enorm erschwert. Diese Dinge passieren, während auf


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der anderen Seite Beamte mit 55 zwangspensioniert werden, Tausende Beamte mit 55 Jahren mit "golden Handshake" und 80 Prozent ihrer Letztbezüge in Pension geschickt werden – und das, obwohl sie gesund sind und viele von ihnen noch gerne arbeiten wollen!

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, so schaut Ihre Politik aus! Das passiert unter Ihrer Regierungstätigkeit, unter Schwarz-Blau. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass auch die Privatwirtschaft Ihnen nachstrebt und dasselbe machen will. Aber diesem Beispiel mit Golden Handshakes und Frühpensionierungen ab 50 beziehungsweise sogar schon bis 48 Jahren hinunter kann die Privatwirtschaft natürlich nicht folgen. Die Mitarbeiter in der Privatwirtschaft würden sich bedanken, wenn sie solche Möglichkeiten eines Golden Handshake hätten, aber beim Staat wird das natürlich gemacht, auch wenn diese Mitarbeiter gar nicht in Pension gehen wollen. Im Rahmen dieser Pensionierungsmaßnahmen und der Riess-Passer’schen Verwaltungsreform, die zudem noch zynisch als "Chance 55" bezeichnet wird, werden diese leistungsfähigen Bediensteten aus parteipolitischen Gründen und ohne ärztliches Gutachten in den Frühruhestand geschickt.

Meine Damen und Herren! Beamte, die nach dieser blau-schwarzen Verwaltungsreform nicht mehr gebraucht werden, müssen jetzt mit Golden Handshake und mit 80 Prozent ihres Letztbezuges in den Vorruhestand gehen. Aber ich sehe auf der anderen Seite, dass Arbeiter und Arbeitnehmer bis 65 arbeiten müssen, wenn die Regierung das so will. Und Sie schauen zu und fördern das sogar. Wenn Rürup sich durchsetzt, dann werden die sogar bis 67 arbeiten.

Meine Damen und Herren! Stimmen Sie einer Untersuchung zu, die zum Gegenstand hat, die eingangs genannten Untersuchungsbereiche abzudecken, scheuen Sie nicht die Kontrolle durch einen entsprechenden Untersuchungsausschuss, denn Sie haben ja, wie es Frau Kollegin Riess-Passer, die für all dies verantwortlich ist, gesagt hat, nichts zu befürchten. Also: Stimmen Sie zu! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

23.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

23.35

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPÖ beantragt heute die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der sich schwerpunktmäßig mit den Frühpensionierungen bei Post, Bahn und Telekom beschäftigen soll. (Abg. Schwemlein: Richtig!) Zu den über den Pensionsbereich hinausgehenden Themen ist bereits heute am Vormittag und auch am Nachmittag entsprechend diskutiert worden. Die SPÖ hat ihre Antworten erhalten. So oft man es auch sagt, sie wird es doch nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

Für mich ist das auch nicht verwunderlich, ist doch der Begründer, Kollege Kräuter, nicht einmal in der Lage, in einer Ausschusssitzung dem Minister jene Fragen zu stellen, die er vorher vollmundig in einer Presseaussendung ankündigt und dann tatsächlich vergisst. Wenn Herr Minister Strasser ihm diese Fragen nicht von sich aus beantwortet hätte, würde er heute noch auf seine Antworten warten. Da kann auch ein Untersuchungsausschuss wahrscheinlich nicht allzu weit führen.

Damit ich aber nicht auf das Niveau des Herrn Kollegen Kräuter absinke (Abg. Marizzi: Wo haben Sie denn ein Niveau? – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), möchte ich mich ernsthaft mit einigen Themen und mit dem Pensionsbereich beschäftigen. Erlauben Sie mir daher einige allgemeine Gedanken zur Pensionsproblematik.

Statistiker sagen uns voraus, dass sich die Bevölkerungsentwicklung erheblich verändern wird. Nehme ich als Beispiel Oberösterreich, so haben wir derzeit ein Drittel junge Menschen und ein Sechstel ältere Menschen über 60 Jahre. Denken wir 30 Jahre nach vorne, dreht sich das um: ein Sechstel junge Menschen, ein Drittel ältere Menschen. (Abg. Marizzi: Wie kommst du


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drauf?) Die Lebenserwartung steigt – unter anderem durch die Kunst der Ärzte. (Abg. Dr. Mertel: Eine hohe intellektuelle Leistung!)

Ein Zahlenvergleich von 1970 zu 1995, der sich in der Tendenz bis jetzt noch verschärft hat. Frau Kollegin Mertel! Sie sollten nicht dazwischenrufen, sondern aufpassen; dieser Zahlenvergleich wäre auch für Sie sehr wertvoll. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Jahre 1970 lag das durchschnittliche Pensionseintrittsalter bei mehr als 61 Jahren, 25 Jahre später bei kaum über 57 Jahren. Die durchschnittliche Ausbildungsdauer – das heißt, ab wann zahlt jemand ins Pensionssystem ein – betrug 1970 17 Jahre, 25 Jahre später 20 Jahre; die durchschnittliche Lebensarbeitszeit: 1970 44,15 Jahre, 25 Jahre später keine 38 Jahre; die durchschnittliche Pensionsbezugsdauer: vor 30 Jahren rund acht Jahre, derzeit rund 18 Jahre.

Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter bei Post, Bahn und Telekom lag in der jüngsten Vergangenheit bei rund 50 Jahren. (Abg. Öllinger: Was wird denn das?) Als Otto Normalverbraucher, als ganz gewöhnlicher Staatsbürger, frage ich mich: Wie kann es hier eigentlich zugehen? Was führt dazu? Welche Umstände gibt es hier? (Abg. Öllinger: Was wird das? – Abg. Gradwohl: Wer hat Ihre Rede geschrieben, Kollege Prinz?)

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber hier keine Spekulationen anstellen. Ich bin sehr froh, dass die Frau Vizekanzler an die Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung zum Themenbereich der Frühpensionierungen bei Post, Bahn und Telekom übermittelt hat. Wir wollen, dass zuerst die Gerichte klären, ob hier wirklich alles mit rechten Dingen zugeht, ob hier Unabhängigkeit, Gleichbehandlung und Transparenz gegeben sind oder ob diese Werte vielleicht mit Füßen getreten werden. Der unabhängige Rechnungshof wird sich um diesen Themenbereich annehmen.

Meine Damen und Herren! Wir als ÖVP sind für volle Aufklärung zum Themenbereich Frühpensionierungen bei Post, Bahn und Telekom. (Abg. Gradwohl: Sehr gut!) Wir lehnen aber zum jetzigen Zeitpunkt einen Untersuchungsausschuss ab, weil jetzt der Rechnungshof, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte unabhängig und unbeeinflusst ihrer wichtigen Aufgabe nachkommen sollen. Wir schließen aber nach Klärung der Sachlage und einem allfälligen Spruch der Gerichte die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nicht aus, um beispielsweise die politische Verantwortung klären zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

23.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. – Bitte.

23.39

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Lieber Herr Kollege Kräuter! Im Unterausschuss des Rechnungshofausschusses haben Sie offensichtlich nicht aufgepasst, denn sonst wüssten Sie, dass sowohl Herr Minister Strasser als auch Herr Minister Reichhold und Herr Minister Böhmdorfer Maßnahmen und Reformen gesetzt haben, die dringend notwendig waren, weil Ihre Minister sie jahrelang nicht umgesetzt haben. Ich glaube, das haben Sie irgendwie verschlafen, ich weiß nicht, wie das ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In einem Punkt, Herr Kollege Kräuter, haben Sie aber ausnahmsweise einmal Recht: dass die Missstände bei der Frühpensionierung wirklich ein Skandal sind. Für manche Mitarbeiter mag es ja sehr reizvoll sein, manche aber sind leider Gottes gegen ihren Willen in Pension geschickt worden. Manche Ärzte haben hier leider mit zweierlei Maß gemessen. Es kann nicht sein, dass beispielsweise ein Bauarbeiter in der Privatwirtschaft, der auf Grund seiner körperlichen schweren Arbeit wirklich körperliche Abnützungserscheinungen hat, nicht in Frühpension gehen kann (Abg. Öllinger: Das haben ja Sie abgeschafft! – Abg. Dr. Mertel: Das ist Ihre Gleichbehandlung!), ein Verwaltungsmitarbeiter bei Post, Telekom oder ÖBB aber sehr wohl, nur weil er in einem staatsnahen Betrieb tätig ist.


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Diese Missstände, die systembelastend, neidschürend und ungerecht sind, müssen sofort aufgeklärt werden. Unsere Frau Vizekanzlerin hat das dankenswerterweise, wie mein Vorredner schon gesagt hat, an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Lieber Kollege Kräuter! Die Staatsanwaltschaft prüft die strafrechtlichen Tatbestände, die es vielleicht gibt, der Rechnungshof prüft nach wirtschaftlichen Kriterien, ob es zu Besonderheiten und Auffälligkeiten gekommen ist. (Abg. Dr. Kräuter: Wie beim Gaugg!) Meine Fraktion sieht daher derzeit keine Notwendigkeit für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Außerdem, lieber Herr Kollege Kräuter, verstehe ich nicht, warum gemäß Ihrem Antrag die Prüfung ab dem Februar 2000 beschlossen werden soll. Vorher war das nicht so? – Ich bin sicher, dass zu Ihrer Regierungszeit diese Tatbestände erst recht gegeben waren. Ich sage Ihnen nur eines: Gott sei Dank wurden unter dieser Regierung diese Missstände aufgedeckt. Dafür sind wir verantwortlich und dafür stehen wir. Merken Sie sich das! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

23.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Das wird wieder ein Selbstfaller!)

23.41

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Rede der Frau Abgeordneten Hartinger merke ich, wir sind der Mitternachts- und damit der Traumstunde schon sehr nahe gekommen. Wenn Sie, Frau Abgeordnete Hartinger, hier fast schon unter Tränen sagen, der arme Arbeiter könne nicht in die Frühpension gehen, und das als Vorwurf an die SPÖ richten, dann muss ich Sie schon daran erinnern: Soweit ich mich erinnern kann, war es diese Bundesregierung, waren es diese Mehrheitsparteien, die die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit abgeschafft haben und jetzt ein kleines Problem haben, das sich vermutlich zu einem verfassungsrechtlichen auswachsen wird. Das war nicht die SPÖ, das waren auch nicht die Grünen. Wir haben Sie darauf hingewiesen, was Sie mit den Arbeitern machen.

Was passiert sonst noch, Frau Abgeordnete Hartinger? – Sie erzählen uns da schöne Geschichten, man müsste auch in der Vergangenheit untersuchen. Sehen Sie sich doch die Zahlen an! Nicht den Zahlensalat des Kollegen Prinz, der uns eine Zahl nach der anderen – schöne, gute statistische Zahlen – vorgetragen hat, sondern nehmen Sie die Zahlen aus dem Bereich der Post und Telekom her, wo das Pensionsantrittsalter von fast 58 Jahren gesunken ist auf 59 vom Jahr 1999 bis zum Jahr 2002. Wer ist dafür verantwortlich? (Abg. Dr. Martin Graf: Wie kann etwas von 58 auf 59 gesunken sein?) Wer ist dafür verantwortlich? Wer ist dafür verantwortlich, Frau Kollegin Hartinger? – Es wäre wirklich spannend, das zu untersuchen.

Ich kann mich daran erinnern, dass wir vor einem Jahr hier herinnen schon einmal über Post und Telekom diskutiert haben, als es die Demonstration gegeben hat, als es die Todesfälle bei der Telekom und bei der Post gegeben hat. Ich kann mich daran erinnern, dass es Abgeordnete von der FPÖ waren, die damals gesagt haben: Ja, da passiert einiges, was eigentlich nicht passieren dürfte. Und jetzt, wo die Menschen bei Post und Telekom nicht mehr gewusst haben, was sie machen sollen in diesem einen Jahr, jetzt, wo wirklich die Flucht in die Frühpension angetreten wurde, weil die Menschen keine andere Chance hatten, jetzt kommen Sie daher und schreien nach dem Staatsanwalt? Ist das nicht eine kleine Chuzpe, jetzt die Menschen dafür verantwortlich zu machen, dass sie in die Frühpension geschickt worden sind, dass sie keine andere Wahl hatten, als – wenn sie nur irgendwie ein Einkommen erzielen wollten – in Frühpension zu gehen? Das ist zu billig! Deshalb würde ich doch sehr dafür plädieren, dass man sich diese Causa tatsächlich in einem Untersuchungsausschuss näher ansieht. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Es wäre auch eine ganz spannende Sache, dort die Frage zu stellen, wie es etwa möglich ist, dass ein Personalberatungsunternehmen – und das gehört auch zum Auftrag –, nämlich das Unternehmen Jenewein, aber nicht nur dieses eine Personalberatungsunternehmen, sondern viele andere Beratungsunternehmen von der Bundesregierung und einzelnen Ministerien geradezu dafür beschenkt werden, dass sie sich dafür hergeben, in ihre Dienste zu treten. Erklären Sie doch dem einfachen Telekom-Arbeiter, den Sie zitiert haben, warum er mit 40 Prozent weniger de facto in den Ruhestand, nämlich in die TAP, geschickt wurde, während der Herr Jenewein für drei Tage Personalbeobachtung in einer Firma 700 000 S erhält! Erklären Sie ihm die Relation! Haben Sie eine Erklärung dafür? – Ich habe sie nicht.

Ist das eine gute Arbeit, weil damit der Herr Gaugg zu seinem Job gekommen ist, und das andere schlechte Arbeit, weil dieser Arbeiter nicht mehr arbeiten darf, weil die Firma auf seine Tätigkeiten verzichten will, auch wenn er arbeiten will?

Erklären Sie auf der anderen Seite, warum die schöne Vorruhestand-Karenzierungsregelung im öffentlichen Dienst so toll ist, wenn der Dienstgeber, nämlich das Ministerium, einem 55-Jährigen sagt: Du wirst geschickt, und wenn du nicht gehst, dann heißt das Verzicht bei der späteren Pension! Du wirst geschickt, sonst geht es dir schlecht! Erklären Sie, warum das so eine tolle Aktion ist! Das wäre eine Sache, die man in einem Untersuchungsausschuss sehr wohl erklären könnte.

Ich schließe ab mit einem humoristischen Beitrag. (Abg. Ing. Westenthaler: Der ganze Redebeitrag war so! – Abg. Dr. Khol: Redezeit! 5 Minuten!) Das Bundesministerium für Landesverteidigung, Stabstelle, hat ein Frage-Antwort-Spiel zur Vorruhestand-Karenzierungsregelung gemacht. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Jung: Geh in den Ruhestand!)

Walter F. aus Kärnten. Wurde das Sozialpaket nur gemacht, weil die Zentralstelle unseres Ressorts reformiert wird? – Antwort: nein.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (das Glockenzeichen gebend): Den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Immerhin handelt es sich beim Sozialplan um ein Bundesgesetz, das den gesamten öffentlichen Dienst der Republik Österreich betrifft. – Danke. Das ist "Humor" vom Feinsten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

23.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, dies durch ein Zeichen zu bekunden. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt .

Abstimmung über Fristerstreckungsantrag

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, die dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 98/A der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler betreffend ein Bundesgesetz zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes, der Nationalrats-Wahlordnung und anderer Gesetze gesetzte Frist bis 30. Juni 2003 zu erstrecken.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.


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106. Sitzung / Seite 249

Einlauf

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 698/A (E) bis 706/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfrage 3985/J bis 4025/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 13. Juni, 9 Uhr, ein. – Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen. Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 23.49 Uhr