Stenographisches Protokoll

109. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 11. Mai 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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109. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                       Mittwoch, 11. Mai 2005

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 11. Mai 2005: 9.05 – 21.29 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Vertrag über eine Verfassung für Europa samt Protokolle, Anhänge und Schlussakte

2. Punkt: Bericht über den Antrag 588/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Barbara Prammer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Josef Cap, Herbert Scheibner, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (881 d.B.) (Zweite Lesung)

3. Punkt: Protokoll aufgrund von Artikel 43 Absatz 1 des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) zur Änderung dieses Übereinkommens

4. Punkt: Bericht betreffend den Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über Teilgebiete der Gebarung des Bundes

5. Punkt: Bericht betreffend den Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Budgetkonsolidierung

6. Punkt: Bericht betreffend den Bericht des Rechnungshofes gemäß Art. 1 § 8 Be­zügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2002 und 2003

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz, das Pfandbriefgesetz, die Einführungsverordnung zum Hypothekenbank- und zum Pfandbriefgesetz, das Ge­setz betreffend fundierte Bankschuldverschreibungen, das Bankwesengesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Finanzmarkt­auf­sichtsbehördengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden

9. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Investmentfondsgesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Börsegesetz, das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz und das Pensionskassengesetz geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Scheidemünzengesetz 1988 geändert wird


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11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das EG-Amts­hilfegesetz, das EU-Quellensteuergesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Finanzausgleichsgesetz 2005 und das Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981 geändert werden

12. Punkt: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande – für Aruba

13. Punkt: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande – für die Niederländischen Antillen

14. Punkt: Abkommen – Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zins­erträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und Guernsey

15. Punkt: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und Jersey

16. Punkt: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Isle of Man

17. Punkt: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Anguilla über die Besteuerung von Zinserträgen (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

18. Punkt: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der British Virgin Islands (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

19. Punkt: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der Republik Österreich und den Cayman Islands (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

20. Punkt: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der Republik Österreich und dem Überseeischen Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreiches Montserrat (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvor­beratung)

21. Punkt: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der Republik Österreich und den Turks and Caicos Islands (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

22. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Kam­bodscha über die Förderung und den Schutz von Investitionen

23. Punkt: Bundesgesetz über die Leistung eines Beitrages zum Asiatischen Entwick­lungsfonds (ADF-IX) und zum Technische Hilfe Sonderfonds der Asiatischen Ent­wicklungsbank

24. Punkt: Bericht über den Antrag 522/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stumm­voll, Detlev Neudeck, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 geändert wird

25. Punkt: Bericht über den Antrag 527/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stumm­voll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Christoph Matznetter, Mag. Werner Kogler,


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Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkom­men­steuergesetz 1988 geändert wird

26. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus über Informationsaustausch auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlage

27. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen

28. Punkt: WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) Genf (1996)

29. Punkt: WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) Genf (1996)

30. Punkt: Weltgesundheitsorganisation (WHO); Änderung von Art. 7 der Satzung; Annahme

31. Punkt: Weltgesundheitsorganisation (WHO); Annahme eines arabischen Textes und Änderung von Art. 74 der Satzung

32. Punkt: Weltgesundheitsorganisation (WHO); Änderung der Art. 24 und 25 der Sat­zung; Annahme

33. Punkt: Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitglied­staaten der Europäischen Union über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Verteidigungsagentur und ihrer Bediensteten

34. Punkt: Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Euro­päischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Costa Rica, der Republik El Salvador, der Republik Guatemala, der Republik Hon­duras, der Republik Nicaragua und der Republik Panama andererseits samt Anhang

35. Punkt: Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Anden­gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Vene­zuela) andererseits samt Anhang

36. Punkt: Bericht über den Antrag 560/A (E) der Abgeordneten Petra Bayr, Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Karin Hakl, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verankerung eines Internationalen Gedenktages gegen weibliche Genitalverstümmelung

37. Punkt: Bericht über den Antrag 406/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasches Handeln gegen massive Menschen­rechtsverletzungen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Darfur-Pro­vinzen (Sudan)

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Inhalt

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 21

Ordnungsruf ................................................................................................................. 169


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Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses hinsichtlich der Beschaffung von Kampfflugzeugen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................................ 244

Bekanntgabe ................................................................................................................... 40

Ablehnung des Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ............ 247

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 41

Aktuelle Stunde (25.)

Thema: „Zukunftssicherung des Sozialstaates Österreich“ ................................. 21

Redner/Rednerinnen:

Mag. Herbert Haupt ...................................................................................................... 21

Bundesministerin Ursula Haubner ............................................................................ 24

Mag. Walter Tancsits ................................................................................................... 27

Friedrich Verzetnitsch ................................................................................................. 28

Mag. Dr. Magda Bleckmann ........................................................................................ 30

Karl Öllinger .................................................................................................................. 31

Ridi Steibl ...................................................................................................................... 33

Heidrun Silhavy ............................................................................................................ 34

Maximilian Walch ......................................................................................................... 36

Sabine Mandak ............................................................................................................. 37

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 21

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 39

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Fritz Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Be­schäftigungsoffensive der Bundesregierung (600/A) (E) ....................................................................................... 123

Begründung: Fritz Neugebauer .................................................................................. 126

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ................................................................... 129

Debatte:

Fritz Grillitsch ............................................................................................................. 133

Friedrich Verzetnitsch ............................................................................................... 135

Maximilian Walch ....................................................................................................... 137

Karl Öllinger ................................................................................................................ 139

Herta Mikesch ............................................................................................................. 142

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 144

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................. 145

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................. 147

Werner Amon, MBA ................................................................................................... 149

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 150

Mares Rossmann ....................................................................................................... 152

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 154


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Renate Csörgits .......................................................................................................... 155

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 165

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 166

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Offensive für mehr Arbeit und Wachstum – Ablehnung .....................................  157, 167

Annahme des Selbständigen Entschließungsantrages 600/A (E) (E 102) .................. 167

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (851 d.B.): Vertrag über eine Verfassung für Europa samt Protokolle, Anhänge und Schlussakte (919 d.B.) ............ 41

Redner/Rednerinnen:

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 41

Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................................................ 44

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 47

Dr. Alexander Van der Bellen ..............................................................................  51, 94

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..............................................................  54, 88

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer ............................................................................... 58

Dr. Josef Cap .........................................................................................................  60, 95

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 62

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 64

Vizekanzler Hubert Gorbach ....................................................................................... 66

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 68

Dr. Caspar Einem ......................................................................................................... 69

Dr. Dieter Böhmdorfer ................................................................................................. 71

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 73

Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik ...................................................................... 74

Fritz Neugebauer .......................................................................................................... 76

Peter Schieder .............................................................................................................. 77

Klaus Wittauer .............................................................................................................. 78

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 80

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler ................................................................................. 81

Mag. Elisabeth Grossmann ........................................................................................ 81

Mag. Dr. Magda Bleckmann ........................................................................................ 82

Michaela Sburny ........................................................................................................... 86

Helga Machne ............................................................................................................... 87

Dr. Peter Wittmann ...................................................................................................... 89

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 90

Karl Donabauer ............................................................................................................ 92

Dr. Elisabeth Hlavac ..................................................................................................... 93

Mag. Hans Langreiter .................................................................................................. 94

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend europaweite Volksabstim­mung – Annahme (E 99) ................  84, 96

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend eine österreichische Initiative für die Einführung einer europaweiten Volksabstimmung über europäische Fragen – Annahme (E 100) ................................................................  87, 96

Antrag der Abgeordneten Barbara Rosenkranz betreffend Durchführung einer Volksabstimmung über die EU-Verfassung – nicht zulässig ..............................................................................  91, 91


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Genehmigung des Staatsvertrages ............................................................................... 96

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG ............................................. 96

2. Punkt: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 588/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Barbara Prammer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Josef Cap, Herbert Scheibner, Dr. Alexan­der Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Ge­schäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (881 d.B.) (Zweite Lesung) ............................................................................................. 97

Redner/Rednerinnen:

Dr. Michael Spindelegger ............................................................................................ 97

Peter Schieder .............................................................................................................. 98

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 99

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................. 100

Johann Rädler ............................................................................................................ 104

Otto Pendl ................................................................................................................... 105

Dieter Brosz ................................................................................................................ 106

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 107

Annahme des Gesetzentwurfes in zweiter Lesung ..................................................... 108

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (691 d.B.): Protokoll aufgrund von Artikel 43 Absatz 1 des Über­einkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) zur Änderung dieses Übereinkommens (880 d.B.)                     109

Redner/Rednerinnen:

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 109

Günter Kößl ................................................................................................................ 111

Rudolf Parnigoni ........................................................................................................ 112

Markus Fauland .......................................................................................................... 113

Werner Miedl ............................................................................................................... 114

Anton Gaál .................................................................................................................. 115

Matthias Ellmauer ...................................................................................................... 116

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 116

Karl Freund ................................................................................................................. 118

Karl Dobnigg ............................................................................................................... 118

Katharina Pfeffer ........................................................................................................ 119

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 120

Entschließungsantrag der Abgeordneten Günter Kößl, Mag. Johann Maier, Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung des Datenschutzes auf europäischer Ebene insbesondere auch bei Europol – Annahme (E 101) .................................................................  117, 121

Genehmigung des Staatsvertrages ............................................................................. 120

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG ........................................... 120

4. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Wahrneh­mungsbericht (III-86 d.B.) des Rechnungshofes über Teilgebiete der Gebarung des Bundes (872 d.B.) ................... 121

Redner/Rednerinnen:

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 121

Hermann Gahr ............................................................................................................ 122

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 167


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Mag. Herbert Haupt .................................................................................................... 169

Ing. Erwin Kaipel ........................................................................................................ 170

Edeltraud Lentsch ...................................................................................................... 171

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 171

Mag. Dr. Magda Bleckmann ...................................................................................... 173

Präsident des Rechnungshofes Dr. Josef Moser .................................................. 174

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 176

Alfred Schöls .............................................................................................................. 177

Hermann Krist ............................................................................................................ 177

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat .................................................................... 178

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 179

Kenntnisnahme des Berichtes III-86 d.B. ..................................................................... 180

5. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Wahrneh­mungsbericht (III-82 d.B.) des Rechnungshofes über die Budgetkonsolidierung (873 d.B.) ....................................... 180

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Reheis .......................................................................................................... 180

Gabriele Tamandl ....................................................................................................... 181

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 182

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 184

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 185

Franz Xaver Böhm ..................................................................................................... 185

Kenntnisnahme des Berichtes III-82 d.B. ..................................................................... 186

6. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht (III-115 d.B.) des Rechnungshofes gemäß Art. 1 § 8 Bezügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2002 und 2003 (871 d.B.)                    186

Redner/Rednerinnen:

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 187

Erwin Hornek .............................................................................................................. 187

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 188

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 190

Präsident des Rechnungshofes Dr. Josef Moser .................................................. 191

Christian Faul ............................................................................................................. 193

Konrad Steindl ............................................................................................................ 194

Rosemarie Schönpass .............................................................................................. 194

Kenntnisnahme des Berichtes III-115 d.B. ................................................................... 195

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (795 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz, das Pfandbriefgesetz, die Einführungsverordnung zum Hypothekenbank- und zum Pfandbriefgesetz, das Gesetz betreffend fundierte Bankschuldverschreibungen, das Bankwesengesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden (893 d.B.) ............. 195

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (819 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichts­behör­dengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (894 d.B.) .......................................................................................... 196

9. Punkt: Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Investmentfondsgesetz, das Immobilien-Invest-


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mentfondsgesetz, das Börsegesetz, das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz und das Pensionskassengesetz geändert werden (895 d.B.)               196

10. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (854 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Scheidemünzengesetz 1988 geändert wird (896 d.B.) ........................................ 196

Redner/Rednerinnen:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 196

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 197

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 198

Josef Bucher ............................................................................................................... 199

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ........................................................................................... 200

Jakob Auer .................................................................................................................. 200

Heinz Gradwohl .......................................................................................................... 201

Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................................................... 202

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................................... 203

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 203

Mag. Peter Michael Ikrath .......................................................................................... 203

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 204

Franz Glaser ................................................................................................................ 205

Annahme der vier Gesetzentwürfe in 893, 894, 895 und 896 d.B. .............................. 205

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (848 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das EG-Amtshilfegesetz, das EU-Quellensteuergesetz, das Zollrechts-Durchführungs­gesetz, das Finanzausgleichsgesetz 2005 und das Kunstförderungsbeitrags­ge­setz 1981 geändert werden (897 d.B.) .......................................................................................... 206

12. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (808 d.B.): Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande – für Aruba (898 d.B.)    ............................................................................................................................. 207

13. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (809 d.B.): Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande – für die Nieder­ländischen Antillen (899 d.B.) ....................................................................................... 207

14. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (811 d.B.): Abkommen – Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und Guernsey (900 d.B.) ...................................... 207

15. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (812 d.B.): Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und Jersey (901 d.B.) ...................... 207

16. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (813 d.B.): Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Isle of Man (902 d.B.) ......... 207


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109. Sitzung / Seite 9

17. Punkt: Regierungsvorlage: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Anguilla über die Besteuerung von Zinserträgen (885 d.B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) .................................................... 207

18. Punkt: Regierungsvorlage: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der Regierung der Republik Öster­reich und der Regierung der British Virgin Islands (888 d.B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) ................................... 207

19. Punkt: Regierungsvorlage: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der Republik Österreich und den Cayman Islands (886 d.B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) ............................................................................................... 208

20. Punkt: Regierungsvorlage: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der Republik Österreich und dem Überseeischen Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreiches Montserrat (887 d.B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)                208

21. Punkt: Regierungsvorlage: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der Republik Österreich und den Turks and Caicos Islands (889 d.B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschuss­vorberatung) ............................................................................ 208

Redner/Rednerinnen:

Mag. Johann Moser ................................................................................................... 208

Dr. Ferdinand Maier ................................................................................................... 209

Josef Bucher ............................................................................................................... 209

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 210

Jakob Auer .................................................................................................................. 211

Johann Ledolter ......................................................................................................... 212

Annahme des Gesetzentwurfes in 897 d.B. ................................................................ 212

Genehmigung der zehn Staatsverträge in 898, 899, 900, 901, 902, 885, 888, 886, 887 und 889  d.B.     ............................................................................................................................. 213

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (810 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Kambodscha über die Förderung und den Schutz von Investitionen (903 d.B.) ...................................................................................................................... 214

23. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (855 d.B.): Bundesgesetz über die Leistung eines Beitrages zum Asiatischen Entwicklungsfonds (ADF-IX) und zum Technische Hilfe Sonderfonds der Asiatischen Entwicklungsbank (904 d.B.) ........................................ 214

24. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 522/A der Abge­ordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Detlev Neudeck, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 geändert wird (905 d.B.) .................................................. 214

25. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 527/A der Abge­ordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Chris­toph Matznetter, Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (906 d.B.) ............................................................................................................................. 215


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109. Sitzung / Seite 10

Redner/Rednerinnen:

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 215

Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................................... 216

Josef Bucher ............................................................................................................... 217

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 217

Dr. Werner Fasslabend .............................................................................................. 218

Marianne Hagenhofer ................................................................................................ 219

Gabriele Tamandl ....................................................................................................... 220

Mag. Hans Langreiter ................................................................................................ 220

Dr. Vincenz Liechtenstein ......................................................................................... 221

Genehmigung des Staatsvertrages in 903 d.B. ........................................................... 221

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 904, 905 und 906 d.B. ...................................... 221

Gemeinsame Beratung über

26. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (796 d.B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus über Informationsaustausch auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlage (929 d.B.) ...................................................................................................................... 222

27. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (807 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (930 d.B.) ............................................. 222

28. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (806 d.B.): WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) Genf (1996) (931 d.B.) ............................ 222

29. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (843 d.B.): WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) Genf (1996) (932 d.B.) .................................................. 222

30. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (844 d.B.): Weltgesundheitsorganisation (WHO); Änderung von Art. 7 der Satzung; Annahme (933 d.B.)                   223

31. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (845 d.B.): Weltgesundheitsorganisation (WHO); Annahme eines ara­bischen Textes und Änderung von Art. 74 der Satzung (934 d.B.) ....................................................................................................... 223

32. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regie­rungs­vorlage (846 d.B.): Weltgesundheitsorganisation (WHO); Änderung der Art. 24 und 25 der Satzung; Annahme (935 d.B.) ............................................................................................................................. 223

33. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (863 d.B.): Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Verteidigungsagentur und ihrer Bediensteten (936 d.B.)                     223

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Großruck ................................................................................................... 223

Anton Heinzl ............................................................................................................... 224

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 225

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 226


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109. Sitzung / Seite 11

Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik .................................................................... 227

Carina Felzmann ........................................................................................................ 227

Dipl.-Ing. Werner Kummerer ..................................................................................... 228

Walter Murauer ........................................................................................................... 228

Marianne Hagenhofer ................................................................................................ 229

Johann Ledolter ......................................................................................................... 229

Genehmigung der acht Staatsverträge in 929, 930, 931, 932, 933, 934, 935 und 936 d.B.                            230

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 931, 932 und 936 d.B.                     231

Gemeinsame Beratung über

34. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (866 d.B.): Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Costa Rica, der Republik El Salvador, der Republik Guatemala, der Republik Honduras, der Republik Nicaragua und der Republik Panama andererseits samt Anhang (937 d.B.) ...................................................................................................................... 232

35. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungs­vorlage (867 d.B.): Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Andengemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (Bolivien, Ecuador, Kolum­bien, Peru und Venezuela) andererseits samt Anhang (938 d.B.) .............................. 232

Redner/Rednerinnen:

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 232

Mag. Dr. Alfred Brader............................................................................................... 233

Mag. Christine Muttonen ........................................................................................... 234

Dr. Reinhard Eugen Bösch ....................................................................................... 235

Franz Glaser ................................................................................................................ 235

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................................... 236

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 937 und 938 d.B. .................................... 237

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 937 und 938 d.B.                237

36. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den An­trag 560/A (E) der Abgeordneten Petra Bayr, Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Karin Hakl, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ver­ankerung eines Internationalen Gedenktages gegen weibliche Genitalverstüm­melung (939 d.B.)      ............................................................................................................................. 237

Redner/Rednerinnen:

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 238

Petra Bayr ................................................................................................................... 238

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 239

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 240

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 241

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 939 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Verankerung eines Internationalen Gedenktages gegen weibliche Genitalverstümmelung (E 103)           ............................................................................................................................. 241


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109. Sitzung / Seite 12

37. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den An­trag 406/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasches Handeln gegen massive Menschenrechtsverletzungen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Darfur-Provinzen (Sudan) (940 d.B.) ...................................................................................................................... 241

Redner/Rednerinnen:

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler ............................................................................... 241

Peter Schieder ............................................................................................................ 242

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 243

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 243

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes ................................................................... 244

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 940 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Lage in Sudan/Darfur (E 104) ................................................................................................... 244

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 39

891: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Ein­kommen und vom Vermögen

892: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Georgien zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

926: Kartellgesetz 2005 – KartG 2005

927: Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2005 – GesRÄG 2005

928: Exekutionsordnungs-Novelle 2005 – EO-Nov. 2005

941: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das MTF-SHG-G geändert werden (GuKG-Novelle 2005)

942: Wettbewerbsgesetznovelle 2005

943: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung der Volksrepublik China betreffend die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Tiergesundheit und Tierquarantäne

944: Sozialrechts-Änderungsgesetz 2005 – SRÄG 2005

946: Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden

947: Veterinärrechtsänderungsgesetz 2005

948: Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird

950: Bundesgesetz über die Änderung des MTD-Gesetzes und des Hebam­mengesetzes

951: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über soziale Sicherheit


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109. Sitzung / Seite 13

Berichte ......................................................................................................................... 39

Vorlage 36 BA: Bericht über die Genehmigung von überplanmäßigen Ausgaben im 1. Quartal 2005; BM f. Finanzen

III-146: Wahrnehmungsbericht, Reihe Bund 2005/4; Rechnungshof

III-150: Tätigkeitsberichte des Digitalisierungsfonds und des Fernsehfilmför­derungsfonds für den Berichtszeitraum 2004; Bundeskanzler

Anträge der Abgeordneten

Fritz Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschäftigungsoffensive der Bundesregierung (600/A) (E)

Dr. Dieter Böhmdorfer, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem vorübergehende Maßnahmen im Bereich des Strafaufschubs getroffen werden, geändert wird (601/A)

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Dieter Böhmdorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz geändert wird (602/A)

Dr. Erwin Rasinger, Mag. Herbert Haupt, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz geändert wird (603/A)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung der heimischen Industrie im Informations- und Kommunikationstechnologiebereich (IKT) und darüber hinaus durch eine Initiative zum IKT-Ausbau und zur weiteren Professionalisierung der IKT-Politik in Österreich (604/A) (E)

Mag. Walter Tancsits, Maximilian Walch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz und das Arbeitsvertragsrechts-An­passungsgesetz geändert werden (605/A)

Mag. Herbert Haupt, Mag. Walter Tancsits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage des ersten österreichischen Männerberichts, im Sinne des Gender Main­streamings, an den Nationalrat (606/A) (E)

Mag. Walter Tancsits, Maximilian Walch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 und das Arbeitsverfas­sungsgesetz geändert werden (607/A)

Peter Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Rückgabe der Federkrone Montezumas an Mexiko (608/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Verkehrssicherheit in Österreich – Zahlen und Fakten – sicherheits- und verkehrspolitische Maßnahmen“ (2972/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend politischen Imageschaden für Österreich durch „Kameradenmörder“-Aussagen des BR Siegfried Kampl und Schweigen des Bundeskanzlers (2973/J)


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109. Sitzung / Seite 14

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend über das BMVIT beworbene BZÖ/FPÖ-Partei­aktivitäten im Bereich von Staatssekretär Mag. Mainoni (2974/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend nicht nachvollziehbare, mit offenen Fragen im Bereich von Staatssekretär Mag. Mainoni verbundene Vorgänge im Zusammenhang mit LKW-Kontrollstellen (2975/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit und Frauen betreffend Finanzierung der Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie (2976/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Finanzierung der Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie (2977/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend BZÖ/FPÖ-Parteien­förderung durch das Sozialministerium (2978/J)

Dr. Elisabeth Hlavac, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Schutzzonen vor Kliniken, in denen Schwangerschaftsabbrüche durch­geführt werden (2979/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Europäische Aktionsplattform für Ernährung und Körperliche Bewegung“ (2980/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend „Europäische Aktions­plattform für Ernährung und Körperliche Bewegung“ (2981/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend „Europäische Aktionsplattform für Ernährung und Körperliche Bewegung“ (2982/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Europäische Aktionsplattform für Ernährung und Körperliche Bewegung“ (2983/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Europäische Aktionsplattform für Ernährung und Körperliche Bewegung“ (2984/J)

Dr. Christian Puswald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die umgehende Einführung eines LKW-Über­holverbotes auf der B 317 zwischen Friesach und Klagenfurt (2985/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ferienreiseverordnung (2986/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Blindenführhundeausbildung in Gefängnissen (2987/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Blindenführ­hundeaus­bildung in Gefängnissen (2988/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend massive Personalkürzungen im Bereich der Integrativen Pädagogik am Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Innsbruck (2989/J)


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109. Sitzung / Seite 15

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Kooperationskonzept von Universität Klagenfurt und Pädagogischer Akademie Klagenfurt (2990/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Langzeitarchivierung im digitalen Zeitalter (2991/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Langzeitarchivierung im digitalen Zeitalter (2992/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Schädigung der Umwelt und des Ansehens Österreichs in der EU knapp vor der neuerlichen Übernahme des EU-Ratsvorsitzes durch das bisherige Versagen des BMVIT bei der SUP-Umsetzung in den Bereichen Schiene und Straße (2993/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Schädigung der Umwelt und des Ansehens Österreichs in der EU knapp vor der neuerlichen Übernahme des EU-Ratsvorsitzes durch das bisherige Versagen des BMVIT bei der SUP-Umsetzung in den Bereichen Schiene und Straße (2994/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Schädigung der Umwelt und des Ansehens Österreichs in der EU knapp vor der neuerlichen Übernahme des EU-Ratsvorsitzes durch das bisherige Versagen des BMVIT bei der SUP-Umsetzung in den Bereichen Schiene und Straße (2995/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Radarstation im Böhmerwald (2996/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Europäische Aktionsplattform für Ernährung und Körperliche Bewegung“ (2997/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend „Europäische Aktionsplattform für Ernährung und Körper­liche Bewegung“ (2998/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Europäische Aktionsplattform für Ernährung und Körperliche Bewegung“ (2999/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Europäische Aktionsplattform für Ernährung und Körperliche Bewegung“ (3000/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Rech­nungshofes betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2004 (3001/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2004 (3002/J)


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109. Sitzung / Seite 16

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2004 (3003/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2004 (3004/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2004 (3005/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2004 (3006/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2004 (3007/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2004 (3008/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Erfüllung der Behinderten­einstellungspflicht 2004 (3009/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behinder­teneinstellungspflicht 2004 (3010/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungs­pflicht 2004 (3011/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2004 (3012/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2003 (3013/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2004 (3014/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behin­derteneinstellungspflicht 2004 (3015/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behinder­teneinstellungspflicht 2004 (3016/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behinder­teneinstellungspflicht 2004 (3017/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behinder­teneinstellungspflicht 2004 (3018/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behin­der­teneinstellungspflicht 2004 (3019/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Zivildienerzuweisung Februar 2005 (3020/J)


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109. Sitzung / Seite 17

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Entwicklung der Studierendenzahlen an den Universitäten (3021/J)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend PharmMed-Austria (3022/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Erfüllung der Behin­derteneinstellungspflicht 2004 (3023/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die behördliche Verfolgung nichtkonzessionierter Glücksspielangebote in Österreich (3024/J)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Dr. Korpan (2951/J) (Zu 2951/J)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Dr. Korpan (2952/J) (Zu 2952/J)

*****

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht 2004 (33/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (2666/AB zu 2698/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (2667/AB zu 2703/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (2668/AB zu 2704/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (2669/AB zu 2712/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen (2670/AB zu 2732/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen (2671/AB zu 2738/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abge­ordneten Dr. Caspar Einem, Kolleginnen und Kollegen (2672/AB zu 2751/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Ab­ge­ordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (2673/AB zu 2700/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (2674/AB zu 2852/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen (2675/AB zu 2691/J)


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der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Uwe Scheuch, Kolleginnen und Kollegen (2676/AB zu 2709/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Norbert Darabos, Kolleginnen und Kollegen (2677/AB zu 2692/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (2678/AB zu 2699/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (2679/AB zu 2715/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Ulrike Königs­berger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen (2680/AB zu 2716/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen (2681/AB zu 2719/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen (2682/AB zu 2737/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (2683/AB zu 2739/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (2684/AB zu 2740/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen (2685/AB zu 2754/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (2686/AB zu 2758/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2687/AB zu 2767/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2688/AB zu 2701/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen (2689/AB zu 2705/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen (2690/AB zu 2694/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen (2691/AB zu 2696/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen (2692/AB zu 2697/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen (2693/AB zu 2736/J)


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109. Sitzung / Seite 19

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Caspar Einem, Kolleginnen und Kollegen (2694/AB zu 2752/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Dobnigg, Kolleginnen und Kollegen (2695/AB zu 2771/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (2696/AB zu 2714/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (2697/AB zu 2713/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2698/AB zu 2707/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen (2699/AB zu 2710/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolle­ginnen und Kollegen (2700/AB zu 2711/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Kurt Gartlehner, Kolle­ginnen und Kollegen (2701/AB zu 2717/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2702/AB zu 2702/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen (2703/AB zu 2733/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen (2704/AB zu 2741/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (2705/AB zu 2757/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen (2706/AB zu 2706/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen (2707/AB zu 2745/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen (2708/AB zu 2708/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen (2709/AB zu 2742/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen (2710/AB zu 2734/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2711/AB zu 2721/J bis 2730/J und 2735/J)


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des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolle­ginnen und Kollegen (2712/AB zu 2741/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Caspar Einem, Kolle­ginnen und Kollegen (2713/AB zu 2750/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (2714/AB zu 2753/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen (2715/AB zu 2749/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen (2716/AB zu 2755/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen (2717/AB zu 2761/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (2718/AB zu 2768/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen (2719/AB zu 2756/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadl­bauer, Kolleginnen und Kollegen (2720/AB zu 2759/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolle­ginnen und Kollegen (2721/AB zu 2762/J)


 


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09.04.47Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die 109. Sitzung ist eröffnet.

Ich begrüße die Damen und Herren im Hohen Haus.

Die Amtlichen Protokolle der 107. und 108. Sitzung vom 27. April 2005 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet ist Herr Abgeordneter Wimmer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein wird durch Bundes­minister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser vertreten.

09.05.44 Aktuelle Stunde

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Zukunftssicherung des Sozialstaates Österreich“

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Haupt. Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

 


9.06.07

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Das Sozialsystem in Österreich ist einer der wichtigsten Grundpfeiler der Zweiten Republik für den sozialen Frieden und den Fortschritt in unserem Lande. Wir haben vor kurzer Zeit den Armutsbericht der Republik Österreich zur Kenntnis genommen, wo wir ge­sehen haben, dass wir auf Grund der Erfolge dieser Bundesregierung im Spitzenfeld der europäischen 15 und darüber hinaus liegen.

Wir haben gesehen, sehr geehrte Damen und Herren, dass trotz zu hoher Arbeits­losigkeit die Arbeitslosigkeit von behinderten Menschen von über 40 000 im Jahre 1999 unter der sozialistischen Regierung auf knapp unter 30 000 deutlich zurück­gegangen ist. Es zeigt sich also, dass die Bemühungen, die die Bundesregierung in den letzten Jahren unternommen hat, gerade die sozial Bedürftigsten in diesem Lande in besonderer Form positiv betroffen haben.

Daran, dass sich auch die Beschäftigungsquote von Frauen mit Behinderungen deut­lich verbessert hat – 1999, unter Frau Kollegin Prammer, 38 Prozent Beschäftigung, heute um 10 Prozent mehr –, sieht man ganz klar, dass die Behindertenmilliarde und


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all diese Maßnahmen in diesem Bereich in den letzten Jahren erfolgreich waren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt ja auch in Österreich immer wieder eine heftige Diskussion, in der der Sozialbereich und die Sozialquoten in Frage gestellt werden. Ich darf Ihnen hier eine kurze Statistik über die Entwicklung der Sozialquote in Österreich zeigen (der Redner hält eine Graphik in die Höhe): Die Sozialquote in Österreich ist von 28,4 Prozent im Jahr 2000 auf 28,7 Prozent im Jahr 2001 und auf 29,1 Prozent im Jahr 2002 deutlich gesteigert worden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man sich den Anteil der Investitionen für die Familien am Gesamtbudget ansieht (der Redner zeigt eine weitere Graphik), so sieht man an dieser Kurve deutlich, dass unter der sozialdemokratischen Regierung der Anteil der Investitionen für die Familien 6,5 Prozent betragen hat, 1999 ebenfalls 6,5 Prozent, und mit der Regierung Schüssel I und II unter Beteiligung der Freiheit­lichen auf 8,3 Prozent im Jahr 2004 und auf 8,5 Prozent im Jahr 2005 gestiegen ist.

Ich glaube, dass man mit diesen Kurven deutlich machen kann, dass hier nicht immer nur von einer familienfreundlichen Sozialpolitik in Österreich unter dieser Bundes­regierung gesprochen worden ist, sondern dass es hier tatsächlich einen deutlichen Aufschwung von 6,5 Prozent, die Sie, meine Damen und Herren von der Sozial­demokratie, zu verantworten gehabt haben, auf heute 8,5 Prozent gegeben hat. – Das ist ein schöner Erfolg dieser Bundesregierung im Sozialbereich für die Familien. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man sich die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen ansieht – das Einkommen der Männer wird hier mit 100 dargestellt (der Redner zeigt neuerlich eine Graphik) –, so kann man auch hier erkennen, dass diese Bundesregierung erfolgreich war: 1990, unter sozialistischer Kanzlerschaft, haben wir 71,2 Prozent gehabt, 2000, am Ende der sozialdemokratisch geführten Regierungen, 81,2 Prozent, und 2002 haben wir 82,2 Prozent und 2004 knapp über 83 Prozent gehabt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie sehen also, auch hier war die Bundesregierung im Interesse der Frauen in diesem Lande in den letzten Jahren am sozialen Auf­schwung erfolgreich beteiligt.

Wir haben in den letzten Jahren eine ganze Reihe von sozialen Maßnahmen beschlos­sen, und es ist daher von Interesse, Frau Bundesminister, wie und in welcher Form in Zukunft das Sozialsystem in Österreich abgesichert wird.

Wir haben mit der Pensionssicherungsreform und mit der Pensionsharmonisierung das Pensionssystem für die älteren Generationen, aber auch für die jungen Menschen in diesem Lande neu gestaltet. Ich darf da hinzufügen, wenn es jetzt wieder Debatten um die Einführung einer Arbeitslosenunterstützung für Unternehmer, für Betriebsinhaber gibt, dass die derzeitigen 17,5 Prozent Beitragsleistungen im Pensionsharmonisie­rungs­system auch darauf zurückzuführen sind, dass es keine Versicherung für arbeits­lose Unternehmer gibt. Wenn man also in diesem Bereich eine Änderung durchführt, werden auch die Beitragssätze neu zu diskutieren sein, denn es wird nicht angehen, dass man auf der einen Seite bei den Arbeitnehmern und bei den Bauern den Status quo nimmt und auf der anderen Seite bei Veränderungen im Bereiche der selbstän­digen Beschäftigung außer Acht lässt, wie seinerzeit diese Sätze erarbeitet worden sind.

Daher, glaube ich, ist es interessant, wie diese Vorstellungen in der Zukunft umgesetzt werden sollen und ob dann auch die entsprechenden Beitragssätze adäquat auf 22,8 Prozent erhöht werden, wenn die öffentliche Hand in entscheidendem Ausmaß


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bei einer Arbeitslosenversicherung für Selbständige mitzahlen wird. Denn beides, sehr geehrte Damen und Herren, sollte nach meinem Selbstverständnis nicht gehen: geringere Beitragsleistungen weiter zu lukrieren und von der öffentlichen Hand zusätz­liche Leistungen, die andere Berufsgruppen erhalten, zu bekommen.

Ich glaube daher, dass es hier eine Reihe von Fragen gibt, die zur Diskussion stehen, Fragen, die zur langfristigen Absicherung in Österreich wichtig sind und die wir auch rechtzeitig und umfassend zu diskutieren haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben erstmalig wieder das Pflegegeld anheben können, und es erscheint mir auch wichtig, hier darauf hinzuweisen, dass das Pflege­geld einen entscheidenden Anteil für die soziale Sicherheit in Österreich darstellt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dem Pflegegeld sollte man aber auch nicht vergessen, dass die Idee eines additiven, also eines hinzukommenden Pflegeschecks eine schon langfristig verfolgte Idee nicht nur von der freiheitlichen Sozialministerin, sondern auch von Teilen von Behindertenorganisationen ist. Und die seinerzeitige Einführung eines allgemeinen Pflegebeitrages in der Krankenver­sicherung im Jahre 2002 ist auch ein beredtes Zeichen, dass das österreichische Parlament solch einer additiven Gestaltung einer Pflegeversicherung in der damaligen Legislaturperiode überwiegend positiv gegenübergestanden ist.

Ich glaube daher, dass man die Aufregung der letzten 24 Stunden vor dem Hintergrund der Tatsachen sehen sollte. Eine Verbesserung in diesem Bereiche ist anzustreben, eine Verbesserung in diesem Bereiche ist wünschenswert. Man sollte nicht eine Dis­kussion mit Wenn und Aber führen, sondern das in Diskussion halten, was immer Bestand der Überlegungen des Sozialministeriums und der Frau Sozialminister war, nämlich eine additive Lösung mit dem Pflegescheck anzustreben, anstatt die derzeitigen Leistungen immer wieder als gefährdet in der öffentlichen Diskussion darzustellen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin überzeugt davon, dass wir auf Grund der demographischen Entwicklung in Österreich solch eine Weiterentwicklung brauchen werden. Wir haben es in diesem Bereich mit den Artikel-15a-Vereinbarungen, die wir mit den Bundesländern getroffen haben, erstmalig erreicht, dass die Pflege- und die Begleitberufe über die Bundesländergrenzen hinaus anerkannt werden und damit junge Menschen auch neue Berufschancen und -aussichten bekommen.

Ich glaube nicht, dass es langfristig der richtige Weg ist, illegal Beschäftigte in Österreich zu tolerieren, sondern dass es langfristig der einzig richtige Weg ist, in Österreich Beschäftigung durch Legalität und durch Ausbildung von Österreicherinnen und Österreichern in Pflege- und in Begleitberufen zu schaffen.

So, wie wir es gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit geschafft haben, mehr als 2 500 Menschen, die arbeitslos waren, in Pflegeberufe umzuschulen, muss es gelingen, bis zum Jahre 2010 den Bedarf in Österreich, nämlich an 10 000 pflegenden Personen, aus dem eigenen Bereich zu decken. Ich halte nichts davon, Illegalität zu tolerieren. Ich halte aber alles davon, arbeitslose Menschen in neue, besser dotierte Berufe umzuschulen und ihnen Arbeit und Beschäftigung zu geben und den älteren Menschen Pflege angedeihen zu lassen von Menschen, die sie verstehen, die den gleichen kulturellen Background haben. Es geht darum, dass die älteren Menschen von Personen betreut werden, die ihnen auch auf Grund ihrer kulturellen Eigenart nahe stehen, und nicht von Personen, die auch Sprachbarrieren zu überwinden haben und daher die ihnen zur Pflege Überantworteten nur teilweise oder gar nicht verstehen.


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Wir haben in diesem Bereich sehr viel zu tun, und es ist daher für mich wichtig, diesen Bereich umfassend und zukunftsorientiert zu diskutieren. – Ich wünsche dem Sozial­staat Österreich eine gute Entwicklung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.15


Präsident Dr. Andreas Khol: Für eine einleitende Stellungnahme zum Gegenstand zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Haubner. 10 Minuten Redezeit. – Frau Bundesministerin, Sie sind am Wort.

 


9.15.51

Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir haben heute für die Aktuelle Stunde das Thema „Zukunftssicherung des Sozialstaates Österreich“ gewählt, und ich möchte einleitend sagen, dass eine wirksame und gerechte Sozialpolitik auf vielen Ebenen zu berücksichtigen und umzusetzen ist. Aber eines ist immer wichtig: Der Mensch, der einzelne Mensch muss im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, wir haben in dieser Regierung in der Vergangenheit viel und das Richtige getan. Während in anderen Ländern in wirtschaftlich schwierigen Zeiten begonnen wurde, bei Sozialleistungen zu sparen, haben wir gegengesteuert und haben wir ausgebaut. Wir haben eine ausgewogene Bilanz der sozialen Sicherheit für alle. Trotz einer schwierigen Budgetkonsolidierung ist im Sozialbericht 2003 festzu­stellen, dass Sozialleistungen beziehungsweise die Sozialquote in Österreich 29,1 Pro­zent des BIP ausmacht. Das bringt uns, meine Damen und Herren, an die fünfte Stelle unter den europäischen Staaten.

Der zweite Gemeinsame Bericht des Rates und der Europäischen Kommission zur sozialen Eingliederung stellt auch für Österreich einige Dinge positiv fest: dass wir auf Grund unserer Sozialleistungen einen Rückgang der Armutsgefährdungsquote haben, dass die Rate der Langzeitarbeitslosen zu den niedrigsten in Europa zählt, dass die Frauenerwerbsquote angestiegen ist, dass wir vor allem ganz gezielte Maßnahmen im Pensions- und im Rentenbereich gesetzt haben und dass wir mehr denn je verstärkte Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir kennen in Österreich natürlich jene Gruppen, die besonders armutsgefährdet sind, und ich möchte nur zwei herausgreifen: Es sind jene Familien, wo es einen Allein­verdiener gibt, die mehrere Kinder haben, und es sind jene Familien, wo ein Elternteil allein erzieht. Und gerade hier haben wir in den letzten Monaten gehandelt, und zwar mit der Steuerreform, die genau diese Personengruppe mit 250 Millionen € entlastet. Ich denke, das wird gerade im nächsten Sozialbericht einen ganz positiven Nieder­schlag finden.

Dass wir da richtig gehandelt haben, freut mich, und es kommt in diesem Zusam­menhang auch Lob von der Opposition. In der Zeitung des Pensionistenverbandes können Sie nachlesen, dass Herr Kollege Matznetter und der Chef der Pensionisten, Herr Blecha, ganz klar sagen, dass die Pensionisten zu den Gewinnern dieser Steuer­reform gehören, weil ihnen jährlich beziehungsweise monatlich einiges mehr bleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Sozialland Österreich hat dafür gesorgt, dass in Zukunft die Pensionen für alle, auch für die junge Generation, gesichert sind. Wir haben durch die Vereinheitlichung und Zusammenlegung der Pensionssysteme ein gleiches System ab 1. Jänner 2005 für alle unter 50-Jährigen geschaffen, mit gleichen Leistungen und mit gleichen Beiträgen.


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Wir haben die Alterssicherung für Frauen wesentlich verbessert. Dort, wo früher 15 Erwerbsjahre notwendig waren, sind jetzt nur mehr sieben Jahre notwendig.

Wir haben aber auch auf einzelne Lebenssituationen Rücksicht genommen und treff­sicher Härten ausgeglichen, vor allem für diejenigen, die lange arbeiten, vor allem für diejenigen, die schwerst arbeiten, für Menschen mit Behinderungen, für Menschen, die im Alter einer besonderen Pflege bedürfen.

Ich erinnere nur daran, dass mit 1. Juli dieses Jahres das Heimaufenthaltsgesetz in Kraft tritt, das auch eine großartige Errungenschaft zur besseren Betreuung bezie­hungsweise zur besseren Begleitung von älteren Menschen in Seniorenheimen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir haben auch – es ist gerade ein Paket in Arbeit – gezielt Verdienste jener berücksichtigt, die in der Vergangenheit unter einem verbrecherischen System des Nationalsozialismus gelitten haben und die wir auch anlässlich der Feiern, die wir im heurigen Jahr begehen, würdigen. Wir haben richtig gehandelt, indem wir Leiden berücksichtigen, die Kriegsgefangene durchgemacht haben, und wir werden auch die Leistungen von jenen Frauen berücksichtigen, die in den ersten Nach­kriegsjahren unter besonders schweren Bedingungen Kinder erzogen und die Republik wieder aufgebaut haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das sind Verdienste, die auch im Sozialbereich gewürdigt werden müssen, und wir werden ganz klare Signale für diejenigen setzen müssen, die in der Vergangenheit unter Systemen beziehungsweise einem fürchterlichen Krieg gelitten haben.

Die wichtigste Frage, meine Damen und Herren, eines zukunftssicheren Sozialstaates ist aber auch die Generationenfrage. Die Schaffung eines sozialen Gleichgewichtes zwischen den Generationen ist eine große Herausforderung. Die Investition in die Familien ist eine Investition in die Zukunft unseres Landes. Familien stehen für soziale Sicherheit, für werteorientierte Erziehung junger Menschen und vor allem auch für die Betreuung und Pflege älterer Mitbürger und Familienangehöriger.

Daher müssen die finanziellen Leistungen, die in der Familie erbracht werden, auch dementsprechend finanziell abgegolten werden, und das haben wir mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes gemacht. Das Kinderbetreuungsgeld beinhaltet beide Ele­mente: einen effizienten Beitrag zur Sicherung des Familieneinkommens, aber auch die Zuverdienstmöglichkeit durch Erwerbstätigkeit und die Möglichkeit, sich die ersten Jahre vermehrt seinem Kind zu widmen.

Wir haben im Jahre 2005 für das Kinderbetreuungsgeld rund 905 Millionen € aus­bezahlt. Per Ende März 2005 bezogen insgesamt 168 272 Personen Kinderbetreu­ungsgeld. Meine Damen und Herren! Das ist drei Mal so viel wie beim Karenzgeld. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zusätzlich bekommen 2 600 Personen das erhöhte Kinderbetreuungsgeld auf Grund von Mehrlingsgeburten; noch nicht dazugerechnet sind die Familienbeihilfen und die Sachleistungen für die Familien.

Auch der partnerschaftliche Anreiz für Väter konnte verstärkt werden. Im Jahre 2000 haben 1 400 Väter von der Kinderbetreuung Gebrauch gemacht. Nunmehr, im März 2005, sind es bereits 5 316 Väter. (Abg. Öllinger: Sie wissen genau, was der Grund ist!)

Sie sehen, meine Damen und Herren, geeignete Elternteilzeitregelungen, familien­gerechte Arbeitsbedingungen und das Kinderbetreuungsgeld tragen dazu bei, dass die


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Dinge in den Familien gut funktionieren, aber dass auch der Kontakt zum Arbeitsmarkt aufrecht bleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! In Zukunft wird es verstärkt darum gehen, soziale Rahmen­bedingungen im Sinne einer aktiven Sozialpolitik den Menschen zur Verfügung zu stellen. Das heißt, dass wir eine Sozialpolitik brauchen, die Härten abfedert, die Trans­ferzahlungen leistet, die aber vor allem auch Rahmenbedingungen schafft, damit sich die Menschen selbst besser helfen können. Das heißt: Wir müssen verstärkt in die Arbeit investieren, dort investieren, wo Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden können.

Ich möchte gerade aus unserem Bereich drei Themen besonders herausstreichen: Das ist die Phase der Familienarbeit, in der die Arbeitschancen für Eltern und Mütter gegeben sein sollen. Zurzeit ist es so, dass auf Grund der erhöhten Zuverdienst­möglichkeit mit dem Kinderbetreuungsgeld 80 000 Frauen mehr über der Geringfügig­keitsgrenze liegen.

Wir haben, wie Sie wissen, in den letzten Wochen mittels einer Novelle eine Ver­besserung für den Bezug des Wochengeldes beschlossen, wenn zugleich gearbeitet und das Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, dass beides angerechnet wird, damit gerade Mütter, die berufstätig sind, keinen Nachteil haben.

Wir werden verstärkt in diese Richtung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie weitergehen. Das heißt: Wir werden in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft verstärkt eine Allianz für die Familien suchen. Wir werden neue Partnerschaften eingehen. Wir werden das Audit Familie und Beruf als ein effizientes Instrument auf der Arbeitgeber­seite weiter ausbauen, und ich erwarte mir auch durch die zusätzlichen Mittel im Bereich der Breitbandinitiative die Schaffung von so genannten Telearbeitsplätzen, gerade in den ländlichen Regionen, um den Frauen auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren! Der zweite Bereich für die Zukunft ist, dass wir die gezielte Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behinderungen weiterführen. Da haben wir gut begonnen, und wir werden noch viele Arbeitsplätze für Menschen mit Beeinträch­tigungen brauchen, denn gerade für diese Menschen ist sinnvolle Arbeit mit einem umfassenden Einkommen absolut notwendig.

Der dritte Bereich – unser Sozialsprecher hat es schon angeschnitten – ist der Pflege­bereich. Der Pflegebereich ist eine der größten Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Zu Hause alt zu werden ist der Wunsch der meisten Menschen in Österreich. Wenn Sie heute die Zeitungen aufschlagen, dann werden Sie lesen, dass eine Umfrage ergeben hat: Die Österreicher wollen zu Hause alt werden. Auf diesen Wunsch müssen wir auch die richtigen Antworten geben.

Daher ist einerseits das Pflegegeld eine der wichtigsten Grundlagen, die wir in den letzten Jahren geschaffen haben, das heuer erstmals um 2 Prozent angehoben wurde, aber wir müssen auch weiter denken. Daher sage ich auch, dass uns ein Projekt, das wir unter dem Titel „Alt werden zu Hause“ in Kärnten durchgeführt haben, einiges an Ergebnissen bringen wird. Wir haben einen so genannten Pflegescheck zusätzlich zu dem Pflegegeld eingeführt, der Leistungen für Angehörige, für Pflegende, Betreuende anbietet. Die Ergebnisse dieser Evaluierung werden für uns auch klarmachen, was wir auf Bundespolitikebene noch zu tun haben.

Meine Damen und Herren! Der Weg, den wir in der Sozialpolitik gehen, ist nach vorne gerichtet. Wir haben in den letzten Jahren einen guten Grundstein, eine gute Basis für die Antwort auf die demographische Entwicklung gelegt, die wir in den nächsten Jahren geben müssen, denn wir orientieren uns in unserer Sozialpolitik am Lebens-


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zyklus der Menschen. Das heißt: die besten Chancen für die Jugend, die Familie nicht als Hindernis sehen, wenn es darum geht, Beruf und Familie zu vereinbaren, und vor allem die Sicherheit, die Pflege und die Betreuung in der dritten Lebensphase. (Rufe bei der SPÖ: Redezeit!)

Dazu, meine Damen und Herren, hat sich diese Regierung verpflichtet. Die Menschen können sich auf uns verlassen und uns vertrauen. Die Menschen wissen, wohin die Reise geht: in eine gute Zukunft mit starken Familien in Österreich und mit einem starken, sicheren sozialen Netz. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.28


Präsident Dr. Andreas Khol: In der nun folgenden Debatte hat jeder Redner eine Redezeit von 5 Minuten.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

 


9.28.38

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Frage Sozialstaat Österreich ist Thema der heutigen Aktuellen Stunde. Der Sozialstaat Österreich ist erfolgreich und kann sich sehen lassen. Er zählt sicher zu den erfolgreichsten Sozialstaaten der Welt. (Abg. Parnigoni: Dank 30 Jahre Sozialdemokratie!) 99 Prozent der Wohnbevölkerung sind in der sozialen Krankenversicherung. Wir haben eine Familienförderung, die im alternden Europa in der Zwischenzeit Modellcharakter bekommen hat.

Trotzdem möchte ich nicht mit der Weichenstellung durch die Politik beginnen, sondern jenen 3,9 Millionen Erwerbspersonen in Österreich, die uns die Sozialstatistik für das Jahr 2004 meldet, ein Danke im Bewusstsein dessen sagen, dass der Sozial­staat jeden Tag aufs Neue erarbeitet werden muss (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen), und zwar nicht, um sinnlos möglichst viel umverteilen zu können, sondern um gezielt zu fördern und zu fordern.

Meine Damen und Herren! Ich sehe es als einen Glücksfall für den Sozialstaat Öster­reich an, dass es vor fünf Jahren eine Wende gerade in der sozialen Politik und in der Regierungspolitik gegeben hat. Wo wären wir sonst mit den österreichischen Sozial­systemen, wenn sie weiterhin unter sozialistischer Führung gestanden wären? Wären wir schon dort, wo die alte Verstaatlichte oder der „Konsum“ gelandet sind? Oder wären sie vernichtet wie die Creditanstalt? (Abg. Riepl: Geh bitte, hör auf!) War es nicht an der Zeit, rechtzeitig auf Reform und Veränderung zu setzen? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Derjenige, der nicht zu Veränderung und Reform bereit ist, ist der richtige Sozial­abbauer. Davon haben wir uns immer distanziert. Wir erhalten unsere Sozialsysteme und erarbeiteten sie jeden Tag neu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie wissen genauso gut wie ich, dass es in der Pensionsversicherung und in der Krankenversicherung da und dort schon im Gebälk gekracht hatte. Sie wissen, dass die Balance zwischen den Generationen durch ein immer früheres Frühpensionie­rungssystem total aus dem Gleichgewicht gekommen ist. Daher war es völlig richtig, meine Damen und Herren, dass wir mit der Pensionssicherungsreform 2003 und mit der Pensionsharmonisierung bei gleichzeitiger Einführung von Familienleistungen in einem sehr hohen Ausmaß und bei gleichzeitiger massiver Berücksichtigung von Kindererziehung im Pensionssystem eine Trendumkehr gesetzt haben, die jetzt nach und nach umgesetzt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)


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Parallel zu dieser Pensionsreform wurde die Einführung der Mitarbeitervorsorge beschlossen, die nicht für die Reichen, wie Sie da und dort erzählen, sondern für über 1,2 Millionen österreichische Arbeitsnehmerinnen und Arbeitsnehmer gilt. Die Zukunfts­vorsorge wurde in der Zwischenzeit auch von einer halben Million Menschen in Anspruch genommen. Wir haben uns aber auch mit der Armutsbekämpfung in der Altersvorsorge beschäftigt. Mit einer Erhöhung der Ausgleichszulage um ein Vielfaches der sonstigen Pensionserhöhungen haben wir Armut im Alter wirksam bekämpft und gleichzeitig den Bezieherkreis niedriger gehalten. Einen besseren Indikator für erfolgreiche Armutsbekämpfung, meine Damen und Herren, gibt es eigentlich nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte aber zum Abschluss auch darauf aufmerksam machen, dass dieser Sozial­staat nicht nur aus den zu fördernden Menschen besteht, sondern auch aus jenen, die im Laufe ihres Lebens etwa einen Erwerb haben, einzahlen müssen und gefordert werden. Und auch da ist die Balance und das Gleichgewicht wichtig. Es soll niemand, der ordentlich zahlt, das Gefühl haben, über den Tisch gezogen zu werden. Ich denke daher auch, dass die Steuerreform einen wesentlichen sozialstaatlichen Aspekt hat, und zwar nicht nur, weil sie Arbeitsplätze sichern wird und eine arbeitsplatzfreundliche Unternehmensbesteuerung vorsieht – wie es etwa Bert Rürup immer wieder bezeich­net hat –, womit Österreich den Kampf und die Konkurrenz aufgenommen hat, sondern weil gleichzeitig mit 2,5 Millionen Nicht-Zahlern eine gewaltige soziale Leistung erbracht wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir lassen den Menschen das Geld, damit sie selbst ihr soziales Leben gestalten können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

9.34


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


9.34.12

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Folgendes schon an anderer Stelle gesagt, und es gilt auch hier: Wenn man internationale Ver­gleiche heranzieht, dann muss man sagen, man kann sich sehr wohl darüber freuen, dass man in Österreich lebt. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Aber den Betroffenen, meine sehr geehrten Damen und Herren, hilft das überhaupt nichts. Wir müssen Maßnahmen setzen!

Bleiben wir bei den internationalen Vergleichen: Wir haben in Österreich zurzeit die höchste Arbeitslosigkeit, die es zu bekämpfen gilt. Der Verweis auf internationale Zahlen ist nicht die Lösung, sondern das konkrete Arbeiten, wie wir das schon mehr­fach vorgeschlagen haben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie haben die Frauenbeschäftigung angesprochen. Seien wir doch ehrlich: Welche Beschäftigung ist es? – Es ist Teilzeitarbeit, es ist geringfügige Beschäftigung, es ist nicht ausreichend Vollzeitbeschäftigung, denn dazu fehlen die Kinderbetreu­ungs­ein­richtungen, die Sie nach wie vor nicht in ausreichendem Ausmaß schaffen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Nicht nur! Viele wollen nur Teilzeit arbeiten!)

Reden wir über die Steuerreform! Was ist mit jenen, die keine Steuern mehr bezahlen, die aber das Geld am dringendsten brauchen? Warum erhöhen wir nicht die Negativ­steuer in der Höhe von 110 € auf 220 €? – Das würde die Kaufkraft steigern, und das würde vor allem auch den Inlandskonsum fördern. Das sind Maßnahmen, die helfen und die auch helfen, die Armut zu bekämpfen, denn es ist leider nicht so, wie wir uns


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hier einzureden versuchen, dass sie tatsächlich gestoppt wird beziehungsweise ab­nimmt. Sie nimmt leider wieder zu, und das muss die Herausforderung für uns sein.

Kollege Tancsits, ich kann mich noch an deine Briefe an die Fluglotsen erinnern, denen du empfohlen hast, sie sollten Segellehrer werden. Das ist keine Arbeitsmarktpolitik, die wir brauchen. Wir brauchen Ausbildung für die Jungen, und wir sollten wesentlich mehr tun als das, was zurzeit von der Bundesregierung angedacht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man die letzten fünf Jahre Revue passieren lässt, dann muss man sich fragen: Ist es denn tatsächlich ein solcher Glücksfall, dass die Mitversicherung abgeschafft worden ist? Ist das ein Glücksfall für die soziale Sicherheit in unserem Lande? Ist es ein Glücksfall, dass die Rezeptgebühr erhöht worden ist? – Es ist ein Glücksfall, dass die obersten Gerichte Maßnahmen Ihrer Regierungskoalition widerrufen haben, wenn ich an die Unfallrentenbesteuerung denke oder aber auch an Ihr Vorgehen im Haupt­verband, meine sehr geehrten Damen und Herren! – Das hat mit sozialer Sicherheit, wie Sie es meinen, überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Reden wir über die Pensionsreform! Ist es tatsächlich eine gelungene Reform, wenn Ältere nach wie vor vom Arbeitsmarkt vertrieben werden und – weil nicht Verweilen in der Arbeitslosigkeit und damit Vermittelbarkeit im Gesetz geregelt ist – in die Pension mit Kürzungen gedrängt werden? Ist das die Pensionsreform, die wir wollen? – Dazu haben die Sozialdemokraten andere Pläne vorgeschlagen, die es umzusetzen gilt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Oder: Ich denke gerade im Pensionsbereich daran, dass man den Frauen nicht tat­sächlich den Ersatz der Kinderbetreuungszeiten für die Pension so anrechnet, dass es auch eine faire Pension gibt. Sie können sich nun locker zurücklehnen und sagen: Das wird eh erst in 20 oder 30 Jahren wirksam. – Die Betroffenen erwarten von uns nach­haltige Politik und daher auch eine dementsprechende Anrechnung der Kinder­erzie­hungszeiten, und zwar nicht in dem Ausmaß wie jetzt, sondern im Ausmaß des Medianeinkommens von Männern und Frauen. Das wäre eine gerechte Pensions­anrechnung – und nicht das, was wir heute haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wo ist denn die Lösung für die Schwer­arbeit? – Wir haben im Gesetz eine Formulierung, die es der Frau Ministerin erlaubt, bis 2007 eine solche Regelung zu finden. Aber in der Zwischenzeit haben wir immer mehr Personen, die auf Grund des Fehlens einer solchen Regelung in echte Schwie­rigkeiten kommen. Ich glaube, dass es wesentlich sinnvoller wäre, jetzt zu handeln und nicht im Rahmen einer Aktuellen Stunde so zu tun, als ob wir die heile Welt hätten.

Wir brauchen Maßnahmen in der Ausbildung, wir brauchen Maßnahmen in der Weiter­bildung, denn die soziale Sicherheit ist überhaupt nur realisierbar, wenn wir Arbeits­losigkeit bekämpfen, Wirtschaftswachstum fördern und Infrastrukturmaßnahmen entsprechend unterstützen. Tun wir also nicht so, als ob wir die heile Welt hätten.

Tun Sie das nicht ab als Oppositionsgerede. Das sind ganz konkrete Beispiele, die wir belegen können. Denken Sie an die Infrastrukturmaßnahmen, an verschiedene Verkehrssituationen. Denken Sie zum Bespiel an die Förderung der Wärmedämmung in den Haushalten! Das würde Beschäftigung schaffen und damit auch die Finan­zierung der sozialen Sicherheit garantieren. Ganz zu schweigen davon, dass wir endlich einmal den Mut haben sollten, uns über die Finanzierbarkeit des Sozialsystems mehr Gedanken zu machen als jetzt – nicht ausschließlich auf der Lohnbasis, sondern auf einer verbreiterten Basis.


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Schlusssatz: Das Schwarzunternehmertum – nehmen wir das zur Kenntnis! – muss bekämpft werden. Es reicht nicht die KIAB, sondern wir würden einen echten Straftat­bestand brauchen, damit Schwarzunternehmertum nicht nach wie vor ein Kavaliers­delikt bleibt. Das ist meiner Meinung nach eine Herausforderung an uns alle. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.39


Präsident Dr. Andreas Khol: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Dr. Bleckmann. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


9.39.40

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Wir wollen eine gute Zukunft für ein soziales Österreich. Das heißt, wir wollen Chancengleichheit schaffen für Jung und für Alt. (Abg. Eder: Wer ist „wir“?) Wir wollen Chancengleichheit für Mann und Frau, und wir wollen Chancengleichheit für Gesunde und Kranke – und das in einem System, sozial und gerecht für alle Generationen.

Die Regierung, werte Kolleginnen und Kollegen, hat diesbezüglich schon sehr viel getan. Ich streite nicht ab: Es ist noch viel zu tun. – Aber warum haben wir denn noch so viel zu tun? (Rufe bei der SPÖ: Wer ist „wir“?) Wenn Herr Kollege Verzetnitsch, der vor mir gesprochen hat, nachhaltige Politik haben will, dann sage ich Ihnen, Kollegen von der Sozialdemokratie: Sie hatten die Chance und die Möglichkeit, bis vor fünf Jahren nachhaltige Politik zu machen.

Wenn Sie nachhaltige Politik im Sozialbereich, für die Pensionisten und für die Frauen gemacht hätten, dann hätten wir heute nicht jene Probleme, vor denen wir stehen, nämlich vor der hohen Arbeitslosigkeit, Kollege Verzetnitsch! Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis! Sie haben versagt, deshalb haben wir heute Probleme. Das ist der Punkt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Das ist ja absurd, was Sie von sich geben! Ein Trauerspiel der Sonderklasse!)

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Sie nicht sozial gehandelt haben, denn sonst wären die Zahlen nicht so, wie sie heute sind. Sie wissen selbst, dass man im Sozialbereich längerfristig arbeiten muss, um auch wirklich nachhaltig etwas zu verändern. Wir tun es! Es hat schon viele konkrete Maßnahmen gegeben.

Sie fordern neue Kinderbetreuungseinrichtungen? – Jawohl! Die Bundesministerin hat bereits ein neues Projekt ins Leben gerufen. Es stehen inzwischen 700 000 € jährlich für Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung, Kinderbetreuungseinrichtungen nach Maß, genau das, was die Eltern wollen und was die Kinder brauchen: flexible Öffnungszeiten und altersgemischte Gruppen. Das ist ein Projekt, im Rahmen dessen jährlich 700 000 € für Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung gestellt worden sind. (Abg. Öllinger: Das ist doch eine ...!)

Nehmen Sie das zur Kenntnis! Beteiligen Sie sich daran, dass es zusätzliche Kinder­betreuungseinrichtungen gibt!

Wir haben noch viel mehr getan. Wir haben konkret in Österreich den Familien einen neuen Stellenwert gegeben. Die Kindererziehung als Wert wird inzwischen mit dem Kinderbetreuungsgeld auch als Leistung anerkannt. Mussten Frauen unter sozialis­tischer Regierung 15 Erwerbsjahre vorweisen, um im Alter abgesichert zu sein, so hat es unsere Bundesregierung jetzt geschafft, dass sieben Erwerbsjahre als Beitrag genügen. Das hat die jetzige Bundesregierung durchgesetzt durch pensionsbegrün­dende Kindererziehungszeiten, die wir ausverhandelt haben, nicht Sie. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Sie von der SPÖ haben jahrzehntelang pensionsbegründende Kindererziehungszeiten versprochen, aber nicht durchgesetzt. – Wir haben das durchgesetzt! (Abg. Dr. Witt­mann: Für wen sprechen Sie?)

Waren Karenzgeldbezieherinnen in Ihrer Regierungszeit mit einem Arbeitsverbot behaftet, so haben wir mit dem Kinderbetreuungsgeld erreicht, dass die Frauen auch die Möglichkeit haben dazuzuverdienen, dass sie während der Kinderbetreuungszeit auch arbeiten können, damit Beruf und Familie nicht mehr ein Gegeneinander sind, sondern ein Miteinander. In der Zeit der sozialistischen Regierung waren Frauen mit einem Arbeitsverbot belegt. Beruf und Familie sind jetzt ein Miteinander, das heißt nicht ein sozialistisches Entweder/Oder, sondern ein freiheitliches Sowohl/Als-auch. (Abg. Silhavy: Sie haben keine Ahnung, wovon Sie reden!) Das ist es, was die Frauen in der Zukunft brauchen und wollen. Das ist das, was wir ihnen auch ermöglichen. (Rufe bei der SPÖ: Wer ist „wir“?)

Das Kinderbetreuungsgeld ist für alle Frauen – unabhängig von ihrer Berufstätigkeit – ein Meilenstein der sozialrechtlichen Absicherung. Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis! Die Zahlen, die steigenden Raten jener, die es in Anspruch nehmen, zeigen es.

Wir haben viel erreicht. Gerade auch bei der Steuerreform haben wir sehr viel erreicht. Für die Familien wurde mit 250 Millionen € sehr viel getan. Und da finde ich es schon sehr interessant, dass Sie, genauso wie beim Kinderbetreuungsgeld, zuerst alles ver­teufeln, aber nachher schon merken und feststellen, dass es gut ist. Auch bei der Steuerreform haben Sie hier erst alles verteufelt, aber jetzt schreibt Ihr sozialistischer Kollege Blecha einen Brief dazu. Herr Kollege Verzetnitsch hat diesen Brief des Pensionistenvertreters Blecha von Ihrer Fraktion wahrscheinlich noch nicht gelesen. In diesem Brief schreibt Blecha: Das ist ein Erfolg, der bei der Pensionsharmonisierung für die Pensionisten stattgefunden hat. Präsident Karl Blecha freut sich, Pensionisten mit kleinen und mittleren Pensionen zahlen weniger Steuern.

Jawohl! Wir freuen uns auch mit dem Kollegen Blecha, denn wir haben das in der Regierung umgesetzt. Lesen Sie diesen Brief, lesen Sie das, was Ihr eigener Pen­sionistenverband schreibt: Das ist ein Erfolg der Bundesregierung, der hier statt­gefunden hat! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir freuen uns, wenn die Opposition beziehungsweise Vertreter von Ihnen endlich auch anerkennen, dass gute Arbeit geleistet wird. Denn wir sichern mit dieser, mit unserer Bundesregierung ein soziales Österreich für eine gute Zukunft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.44


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


9.45.05

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man fragt sich, worüber wir sprechen. (Abg. Steibl: Über den Sozialstaat Österreich!) Da erklärt der Sozialsprecher der FPÖ, Herr Abgeordneter Haupt: Erfolg der FPÖ, die Sozialquote steigt! – Der Sozialsprecher der ÖVP erklärt: Gott sei Dank ist die ÖVP im Jahr 2000 gemeinsam mit der FPÖ – von der man ja nicht mehr genau weiß, wer sie wirklich ist – an die Regierung gekommen und hat die Sozialquote – die Sozialleis­tungen, haben Sie richtigerweise gesagt – gesenkt. – Das haben Sie gesagt.

Also was gilt? Ist es aufwärts gegangen oder abwärts? (Abg. Dr. Fekter: Aufwärts natürlich!) – Aufwärts! Aufwärts, Frau Kollegin Fekter, ist es nur mit der Sozialquote gegangen; nicht viel, nur ein bisschen.


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Soll ich Ihnen erklären, warum? (Abg. Scheibner: Bitte nicht!) Soll ich Ihnen das wirklich erklären? Muss ich Ihnen das sagen? Die Kollegen vom Wirtschaftsbund wis­sen das, weil Sie uns das natürlich immer bei jeder Gelegenheit auch mitteilen wollen. Die Sozialquote in Österreich ist gestiegen, weil die Arbeitslosigkeit so rapide ge­stiegen ist. Das ist die Realität, Frau Kollegin Fekter! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: In Wien!)

Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik. Wir haben um 50 000 bis 100 000 Arbeitslose mehr, wenn man die Schulungsteilnehmer, die Pensions­vorschussbezieher mitrechnet, als wir noch vor wenigen Jahren hatten. Das ist die Realität! Das kostet natürlich etwas. Und dann stellen sich die Sozialministerin und der Sozialsprecher der FPÖ her und behaupten noch: Seien wir froh, dass die Sozialquote steigt! – Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen! Das ist überhaupt kein Erfolgsnachweis dieser Bundesregierung, sondern es ist genau das Gegenteil davon! Das ist schlicht und ergreifend falsch. Es ist eine Katastrophe, wenn Sie mich fragen, dass Sie die Arbeitslosigkeit einfach so zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Selbst wenn Sie heute am Nachmittag wieder mit einem Dringlichen Antrag mit den Ergebnissen Ihres Gipfels vom 1. Mai herumwacheln, selbst wenn die ÖVP glaubt, uns beweisen zu müssen, dass sie etwas tut – reden wir doch über die Beschäftigung! Wie schaut es denn aus damit? Tragisch genug! (Staatssekretär Dolinschek: Besser als in der Bundesrepublik!)

Herr Kollege Dolinschek, bitte nicht immer die Bundesrepublik. (Abg. Steibl: Weil Sie es nicht hören wollen!) Ich sage Ihnen auch etwas zur Bundesrepublik Deutschland. Die Beschäftigung in Österreich stagniert seit dem Jahr 2000. Wir haben keinen Beschäftigten, keine Beschäftigte mehr in diesem Land! Da kann der Bundeskanzler noch so oft hergehen und sagen, 100 000 mehr sind es, 200 000 mehr sind es. Es stimmt schlicht und ergreifend nicht! (Zwischenruf des Abg. Mag. Tancsits.) Auch das belegen die Statistiken, wenn Sie sie nur einigermaßen aufmerksam lesen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, die Beschäftigung in Österreich stagniert, und die Bundesregierung zuckt mit den Schultern und sagt: Wir haben die Sozialquote erhöht. – Wir wissen doch alle – da geht es nicht um die Abgeordneten –, die Leute wissen ganz genau, was Sie in den letzten fünf Jahren gemacht haben. Man muss sich nur daran erinnern, womit diese Bundesregierung im Jahr 2000 begonnen hat: mit Paketen zur „sozialen Treffsicherheit“, in denen sie die Unfallrenten besteuert hat (Abg. Rossmann: Wir haben die Fehler korrigiert!), mit einer Pensionsreform 2000, mit einer Pensionsreform 2003, mit einer Pensionsreform 2004, mit dem Ergebnis, Herr Kollege Tancsits: nicht, dass die Pensionen stabilisiert werden, sondern dass bis zum Jahr 2010 allein im ASVG die Pensionen heruntergefahren werden! (Abg. Mag. Tancsits: Steigen werden!) Das wissen Sie, das können Sie auch nachlesen.

Und wissen Sie, was bedrückend ist? – Dass wir eine Sozialministerin haben, die zu all dem, was sich da tut, kein Wort verliert! Der Erfolg besteht offensichtlich darin, dass das BZÖ oder die FPÖ noch immer in der Regierung ist. Für Sie ist das mög­licherweise ein Erfolg, dass Sie noch um ein paar Monate, vielleicht noch um ein Jahr länger auf diesem Sessel sitzen (auf die Regierungsbank weisend), Frau Ministerin, aber von einer Sozialministerin erwarte ich mir schon andere Ansagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich erwarte mir, dass sie etwas dazu sagt, was im Sozialbericht steht, nämlich dass die Armutsgefährdung gestiegen ist, nicht gleich geblieben ist oder gesenkt wurde, sondern gestiegen ist! Das ist Ihre Verantwortung als Sozialministerin. Und kommen


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Sie bitte nicht und sagen, das liegt nicht in meinem Ressort. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Sie haben eine Verantwortung als Sozialministerin! Sie müssten sagen: So kann es nicht weitergehen, es muss etwas passieren! – Das ist Ihre Verantwortung, das erwarten wir von einer Sozialministerin – auch in einer Aktuellen Stunde, in der es offensichtlich darum geht, den Weihrauchkessel zu schwenken. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Das war aus dem Herzen gesprochen!)

9.50


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. 5 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


9.50.34

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Öllinger und der SPÖ möchte ich eingangs hinweisen auf das Buch: „Sozialstaat Österreich“, herausgegeben von der Kammer für Arbeiter und Angestellte, ÖGB-Verlag – ich glaube, nicht ÖVP-nahe –, „Überblick über die Familienleistungen in Österreich“:

Ich zitiere: Österreich weist im internationalen Vergleich ein monetär sehr gut aus­gebautes System der Familienförderung auf. Österreich liegt hinsichtlich seiner Fami­lienförderung an vorderster Stelle unter allen westlichen Industrienationen. – ÖGB-Verlag, meine Herrschaften! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen. – Zwischenruf des Abg. Gaál.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! 2,5 Millionen Menschen sind in Österreich steuer­befreit. Seit 2000 steigen die Familienleistungen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich habe Sie anscheinend getroffen. Oder haben Sie das Buch noch nicht gelesen? (Abg. Silhavy: Sie verstehen es nur leider nicht!)

Seit 2000 steigen die Familienleistungen um 5 Prozent jährlich. Das heißt, 2005 (Abg. Gaál: Nach 30 Jahren SPÖ-Regierung!) – bitte zuhören! – wurden für Familienleis­tungen 5,4 Milliarden ausgegeben, 1999 nur 4,1 Milliarden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Und es gibt derzeit um fünfmal mehr Ganztagsbetreuungsplätze als noch zu Zeiten von SPÖ-Regierungsverantwortung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Kinderbetreuung ist übrigens Ländersache. Die Länder haben – hören Sie auch hier zu! – bei den Verhandlungen zum Finanzaus­gleich keine zusätzlichen Mittel gefordert. Wenn Sie also sagen, dass es viel zu wenige Kinderbetreuungsplätze gibt, dann muss ich Sie fragen: Ja, warum hat das rote Burgenland, hat Frau Burgstaller in Salzburg, hat in Wien Bürgermeister Häupl nicht noch mehr Geld in diese Richtung gefordert? – Anscheinend muss es gehen.

Natürlich ist einiges zu verbessern, zum Beispiel die Öffnungszeiten der Kindergärten in den Ferien. Ich verstehe nicht ganz, warum in einigen Bundesländern die Arbeitszeit der Kindergärtnerinnen und Kindergärtner dem Lehrersystem angepasst ist. Wir müs­sen die Kindergartenöffnungszeiten den Bedürfnissen der Eltern anpassen (de­monstrativer Beifall bei den Grünen und Beifall bei der ÖVP), zumal wir es in dieser Regierung geschafft haben, das möchte ich wiederholen (Abg. Öllinger: Nichts geschafft!) – warten Sie einmal! –, die Frauenerwerbsquote zu heben, und zwar auf 63 Prozent. Im EU-Durchschnitt liegt sie bei 46 Prozent.

Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auf die großartige Arbeit der Tages­mütter, die jetzt gerade vielleicht zwei, drei oder vier Kinder zu Hause im Familien­verband betreuen. Wichtig wäre – und da sind auch die Länder eingeladen, mit dem Bund zusammenzuarbeiten –, dass wir eine Bundesrahmenregelung schaffen, damit


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es österreichweit sowohl eine gleiche Bezahlung als auch eine sozialrechtliche Absicherung für Tagesmütter gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Thema Kinderbetreuungsgeld: Im Jahre 1999 gab es 80 000 Karenzgeldbezieherinnen mit einem Ausgabenvolumen von 580 Mil­lionen €, im Jahre 2005 gibt es 170 000 Bezieherinnen – die Frau Ministerin hat es gesagt – mit 1,4 Milliarden €. Ich frage Sie von der SPÖ nach wie vor, insbesondere die Zweite Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, die das Thema jetzt anscheinend nicht interessiert, ob ihrer Meinung nach das Kinderbetreuungsgeld noch immer unge­recht ist. Ich frage Sie: Ist das noch immer ungerecht? Gönnen Sie den Vollhausfrauen letztendlich noch immer nicht das Kinderbetreuungsgeld?

Wahrscheinlich fordert die SPÖ auch deswegen ein Sofortprogramm zur Reform des Kindergeldes, was ich aber nicht verstehe, weil das ein Zickzackkurs ist. Man kann nicht auf der einen Seite sagen, wir drängen die Frauen zurück an den Herd, und auf der anderen Seite aber die Verlängerung des Kündigungsschutzes auf 30 plus 6 Mo­nate verlangen. Also irgendetwas passt da nicht zusammen.

Ich möchte ganz zum Schluss noch sagen: Denken Sie einmal nach, was Sie fordern, ob das dann auch umsetzbar ist und ob Ihre eigenen Worte glaubhaft sind! Wir von der ÖVP möchten jedenfalls mehr für die Familien tun. Wir wollen Mütter entlasten. Wir wollen die Anerkennung von Väterlichkeit, und wir wollen einen Sozialmix mit einer Eigeninitiative. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.55


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. 5 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


9.55.47

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wenn Sie von den Regierungsparteien über die Zukunfts­sicherung des Sozialstaates Österreich sprechen, dann klingt dies für viele Menschen nach einer gefährlichen Drohung! (Beifall bei der SPÖ.)

Seit Sie an der Regierung sind, gibt es steigende Arbeitslosigkeit. Sie haben eine Rekordarbeitslosigkeit in Österreich zu verantworten. Seit dem Jahr 2000 sind über 50 000 Menschen mehr von Arbeitslosigkeit betroffen. Der zuständige Minister Bar­tenstein rechnet im Jahr 2005 mit über 800 000 von Arbeitslosigkeit betroffenen Men­schen.

Sie wissen, dass Arbeitslosigkeit ein hoch verteilungswirksames Instrument ist. Arbeitslosigkeit wird herangezogen, um Druck auf Löhne zu machen. Arbeitslosigkeit wird herangezogen, um Menschen in atypische – wie geringfügige – Beschäftigungen und Teilzeitbeschäftigungen zu drängen. Aber Arbeitslosigkeit wird auch dazu heran­gezogen, wie man ja auch seitens der ÖVP hört, um wieder Gedanken dahin gehend zu fassen, wie man denn die Arbeitszeit und die Ladenöffnungszeiten verlängern könnte. Und dann traut sich Frau Steibl, sich hier herzustellen und zu sagen: Wir müssen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben, die Kindergärten müssen länger geöffnet sein.

Denken Sie einmal nach! Vielleicht sollten auch Unternehmen eine Verpflichtung den Familien gegenüber haben. Erteilen Sie solchen Arbeitszeitbegierden, die die Wirt­schaft hat, nämlich nach einer Verlängerung der Arbeitszeit zu Lasten der Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer und nach Lohndumping, eine Absage! Dazu fordere ich Sie einmal auf! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)


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Faktum dieser Politik ist – ich glaube Ihnen schon, Frau Fekter, dass Sie das als Unternehmerin nicht stört (Abg. Steibl: Das ist eine Unterstellung!) –, dass die Menschen, die arbeiten und die mit ihrer Arbeit etwas für die Gesamtwirtschaft erarbeiten, immer weniger Anteil an diesem Erarbeiteten haben. Sie verteilen um, aber in die falsche Richtung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Und wenn Sie immer davon reden, dass es mehr Arbeitsplätze gibt: Es gibt insgesamt seit dem Jahr 2000 um 30 000 Vollzeitarbeitsplätze weniger. Seien Sie auch nicht so stolz auf die Erhöhung der Frauenerwerbsquote! Sie wissen genau, dass dies mit dem Kinderbetreuungsgeld in Zusammenhang steht.

Das sind ja Zahlen, mit denen Sie den Menschen ein X für ein U vormachen (Abg. Steibl: Sie ein U für ein X!), nur: Das glauben Ihnen die Betroffenen nicht, weil sie die Arbeitslosigkeit am eigenen Leib spüren. Sie sehen auch die wenigen Chancen beziehungsweise die Chancenlosigkeit, die sie durch Ihre Politik haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Stichwort Pensionsreform. Das ist ja eine Verhöhnung, was Sie mit den Pensionistinnen und Pensionisten machen! Über 200 000 Pensionistinnen und Pensionisten, Herr Kollege Tancsits, haben eine Ausgleichszulage, die unter der Armutsgrenze liegt. (Abg. Mag. Tancsits: Nein! Falsch!) Und da stellen Sie sich hier her und sagen: Wir betreiben eine Verteilungspolitik zugunsten der armen Menschen. – Überhaupt nicht! 662,99 €, Herr Kollege Tancsits! (Abg. Mag. Tancsits: Falsch!)

Sie haben Pensionskürzungen gemacht, indem Sie die Pensionen nicht entsprechend erhöht haben und die Inflationsrate immer wieder das Geld quasi weggefressen hat. Das haben Sie zu verantworten! In Wirklichkeit haben die Pensionisten heute Einkom­mensverluste, aber eine Inflation, die sie – durch preistreibende Mieten und Energie­kosten, die aber strukturell jeder Mensch zahlen muss – besonders belastet. Das ist die Politik, die Sie zu verantworten haben! Und hier in diesem Haus haben Sie einen Heizkostenzuschuss abgelehnt. Das ist skandalös, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Durchrechnungszeitraum ist auch so etwas, wo Sie sich immer hier herstellen und den Leuten nicht die Wahrheit sagen. Sie sagen großartig, die Anrechung der Kinderbetreuungszeiten für die Pensionen von Frauen sei jetzt erreicht worden. Sie wissen ganz genau, dass bereits im dritten Jahr der Teilzeit diese Anrechnung aufge­fressen ist und die Frauen immer mehr Teilzeitbeschäftigungen bekommen. Also machen Sie den Leuten nichts vor! Mit dieser Pensionsreform haben Sie die nächste Armutsfalle für Frauen bereits beschlossen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mandak.)

Da Sie das auch wissen, machen Sie gnadenhalber immer solche Härteausgleichs­fonds, einen Härteausgleichsfonds für die Pensionen! 5,6 Prozent sind daraus aus­bezahlt worden, denn die Menschen haben ja keinen Anspruch darauf, sondern das ist ein Gnadenakt von Ihnen, wenn sie das bekommen. Es gibt einen Familien-Härte­ausgleichsfonds, einen Familienhospizkarenz-Härteausgleichsfonds. Es ist ja schon zum Teil ein bisschen grotesk, welche Wortwunder und -kreationen Sie da vollbringen.

Aber im Wesentlichen läuft alles auf Folgendes hinaus: Die Leute haben keine Rechte, sondern sind auf eine Almosenpolitik angewiesen!

Genau dasselbe machen Sie jetzt mit diesem Pflegescheck. Der Kärntner Landes­hauptmann und manchmal auch Frau Scheucher ziehen durch die Lande und verteilen Almosen, anstatt Rechtsansprüche zu schaffen und bestehende Rechte auszubauen.

Meine Damen und Herren! Das Kinderbetreuungsgeld, das Sie so hoch loben – Sie selbst haben gesagt, in fünf Jahren werden wir 2 Milliarden € Defizit im Familien-


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lastenausgleichsfonds haben –, ist eine Leistung auf Pump, wenngleich Sie angeblich keine Geschäfte auf Pump machen wollen. Das ist auch wieder eine Augen­auswischerei. Irgendwann wird das Geld zurückbezahlt werden müssen, die Frage ist nur, wer das dann zahlen wird.

Abschließend: Die Begeisterung, was Ihre Leistungen anlangt, hält sich in Grenzen. Laut Ihrem eigenen Sozialbericht sind in diesem reichen Österreich über eine Million Menschen armutsgefährdet. Das ist eine Schande für dieses Land! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.01


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Walch. 5 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Walch –: Schwerarbeiter!)

 


10.01.13

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Präsident! Werter Herr Vizekanzler! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Kollege Öllinger, Kollege Verzet­nitsch und Kollegin Silhavy, es ist schwierig für euch, ich verstehe das schon, denn Oppositionsarbeit ist schwere Arbeit, aber dass ihr immer wieder den Versuch startet, hier alles schlecht zu machen (Abg. Silhavy: Verdoppelung der Arbeits­losenzahlen!), obwohl ihr hauptverantwortlich seid für eine derart negative Entwicklung in Österreich, ist bemerkenswert.

Ihr habt den österreichischen Staat an die Armutsgrenze herangeführt. Ihr habt 174 Milliarden € Schulden hinterlassen. Das soll die Bevölkerung einmal wissen. Wo habt ihr dieses Geld hingebracht? 7 Milliarden € zahlt der Steuerzahler in Österreich jährlich an Zinsen. Hauptverantwortlich: sozialistischer Bundeskanzler, sozialistischer Sozialminister beziehungsweise sozialistischer Finanzminister! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kollege Verzetnitsch, der du von der Armutsgrenze sprichst beziehungsweise die Pensionen kritisierst! Wo warst du in den letzten 30 Jahren? Wieso hat der Sozialpartner ÖGB die Löhne nicht entsprechend erhöht? Ihr seid für diese Generation, die jetzt in Pension ist, hauptverantwortlich. Niedrige Löhne – niedrige Pensionen! Ihr sitzt im Glashaus und werft mit Steinen. Nicht mit uns! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Verzetnitsch, du kritisierst unsere Sozialministerin wegen der Schwer­arbeiter­regelung. Wo sind die Vorschläge seitens des ÖGB? – Schweigen im Walde! An und für sich wärt ihr zum Arbeiten da. (Abg. Schopf: Wer ist an der Regierung?) – Kollege Schopf, reg dich nicht auf, sonst bekommst du einen Herzinfarkt! – 174 Milliarden € Schulden hinterlassen!

Frau Kollegin Steibl hat euch das Buch des ÖGB gezeigt – es gibt auch im Verlag des ÖGB Personen, die die Wahrheit schreiben –: Bitte, besorgt euch das Buch, ihr werdet auch einen Sonderpreis bekommen, wenn ihr ÖGB-Mitglieder seid! Lesen – denken – sprechen! In dem Buch steht, wie der Sozialstaat Österreich ausschaut, und das hat nicht der Max Walch geschrieben, sondern das hat der ÖGB-Verlag herausgegeben.

Stichwort Arbeitslosigkeit, und da wäre die SPÖ gefordert. Wir haben am 1. Mai einen Beschäftigungsgipfel gehabt. Ich habe mir das SPÖ-Programm angesehen – ich werde heute Nachmittag noch die Möglichkeit haben, zu diesem Thema zu sprechen – und muss euch sagen: Eure Vorschläge sind zu 70 Prozent erledigt! Ihr habt keine neuen, es ist nichts da. Ihr habt in den letzten 30 Jahren gezeigt, wie man unfähige Wirt­schaftspolitik macht, und habt uns einen enormen Schuldenstand hinterlassen.


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109. Sitzung / Seite 37

Oder: die Situation Schwarzarbeiter, Betrugsbekämpfungsgesetz. Wieso habt ihr nicht zugestimmt, als wir hier in diesem Haus ein Betrugsbekämpfungsgesetz beschlossen haben? Wo wart ihr alle? Ihr schreit immer, aber ihr tut nichts! Ihr wollt vielleicht gar nicht, dass man die Unternehmen, die es verdienen, auch bestraft, dass die Anmel­defrist bei der Gebietskrankenkasse verkürzt wird, dass außertourlich auch Haftstrafen für betrügerische Unternehmen möglich sind.

Nächstes Thema: die Lehrlingssituation. Auch die SPÖ, der ÖGB, die AK wären an und für sich gefordert, etwas für die Jugend zu tun. In jenen Berufsgruppen, wo Facharbeitermangel herrscht, im Speziellen im handwerklichen Bereich, könnte ja auch einmal der ÖGB eine Werbeaktion starten und sagen: Es darf keine Schande sein, ob ich jetzt Elektriker oder Mechaniker oder im Baugewerbe tätig bin! Macht eine Wer­beaktion, ihr seid ja angeblich der überparteiliche ÖGB! Ich merke nichts davon; außer SPÖ-Werbung und Negativ-Werbung ist nichts zu sehen.

Bei der Pensionsharmonisierung seid ihr weit weg gewesen. Wenn die SPÖ dazu das letzte Wort gehabt hätte, würde es schlecht ausschauen für die Österreicher. Wir haben das System gesichert: Es hat sich nichts geändert beim Nacht- und Schwer­arbeitergesetz, es hat sich nichts geändert beim erleichterten Zugang zur Invaliditäts­pension. Wir haben die „Hackler-Regelung“, Langarbeitszeitregelung, bis zum Jahr 2010 verlängert; bis 2007 null Abschläge; jene, die schon 2004 in Pension gegangen sind und mehr als 5 Prozent Steuern bezahlt haben, haben das sogar zurück­bekommen. Kindergeld, Abfertigung neu und vieles mehr.

Es ist noch viel zu tun. Daher an die Adresse der Opposition: Zustimmen zu positiven Dingen und nicht immer nur polemisieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Also diese Unwissenheit ist beklemmend! – Abg. Scheibner: Und diese Selbsterkenntnis ist erfrischend!)

10.06


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Rednerin ist Frau Abgeordnete Mandak. 5 Minu­ten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


10.06.30

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Zukunftssicherung im Sozialstaat Österreich in fünf Minuten, das ist nicht ohne als Herausforderung für ein Thema. Ich habe mir gestern überlegt, wie diese Debatte heute wohl laufen wird und wohl laufen könnte, und leider habe ich mich in der Einschätzung nicht getäuscht. Sie ist so gelaufen, wie Debatten hier herinnen leider sehr oft laufen, dass nämlich die Vertreterinnen und Vertreter der Regierungsparteien mit mehr oder weniger starken Ausschlägen des Weihrauch­kessels erklären, warum alles gut ist, was in Österreich passiert. (Abg. Dr. Mitter­lehner: Sagt der ÖGB!)

Ich gehöre nicht zu jenen, die sagen, es passiert nichts in Österreich. Das Buch über die „Sozialleistungen im Überblick“, das Kollegin Steibl schon gezeigt hat, habe ich heute auch mitgenommen. Es gibt in Österreich eine ganze Reihe von Sozialleis­tungen – Gott sei Dank gibt es sie –, aber wenn Sie Ihre politische Aufgabe darauf beschränken, zu sagen: Das haben wir alles, das ist alles ganz toll, wir sind die Besten!, dann werden wir in Österreich nicht weiterkommen. Wenn alle vor Ihnen ebenso gedacht hätten, dann hätten wir diese Sozialleistungen, die wir heute haben, nicht, dann wäre die Lage so wie vor 200 Jahren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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109. Sitzung / Seite 38

Was mich immer wieder betroffen macht – heute sind relativ wenig Durchschnitts­zahlen gekommen, üblicherweise wird hier im Haus sehr oft mit Durchschnittszahlen argumentiert –: Sie sind in irgendwelchen Zahlen zu Hause, aber Sie sehen schon lange nicht mehr die Probleme und die Schwierigkeiten der Menschen in Österreich. Frau Ministerin Haubner hat gesagt, die Armutsgefährdung sei gesunken. Ich weiß nicht, Frau Ministerin, woran Sie das im Sozialbericht erkannt haben. Tatsächlich ist es so, dass heute zum Beispiel ein Drittel der AlleinerzieherInnen armutsgefährdet ist; es sind 31 Prozent ganz genau. Im Sozialbericht 2001/2002 waren es noch 16,7 Prozent.

Frau Ministerin, die Armutsgefährdung in Österreich ist drastisch gestiegen – bitte, nehmen Sie das zur Kenntnis! Ich weiß nicht, wie Sie politisch arbeiten können, wenn Sie die Augen verschließen vor diesen Problemen, die wir haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie sind immer ganz stolz darauf und haben heute auch erwähnt, dass das Pflegegeld angehoben wurde. – Um 2 Prozent, Frau Ministerin, um läppische 2 Prozent nach acht Jahren! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Acht Jahre lang überhaupt nichts! Reden Sie doch darüber!) Wissen Sie, was das bedeutet, wenn man Pflegeleistung einkaufen möchte? Die Kosten für die Pflege sind in einem ganz anderen Ausmaß gestiegen. Jene, die Pflege brauchen, bekommen für ihr Pflegegeld nicht mehr das Gleiche wie vor acht Jahren. Das heißt, es handelt sich hier um keine Verbesserung, sondern um einen Rückschritt – leider! –, den Sie durch ein Nicht-Anpassen des Pflegegeldes erreichen. (Beifall bei den Grünen.)

Bereich Forschung und Bildung, eine wesentliche Voraussetzung für diesen Sozial­staat Österreich. – Was passiert da? Bildungsausgaben sinken. Im Forschungsbereich hat sich einiges getan, aber wir sind säumig. Am Montag Abend hat Ihr ehemaliger Kommissar Fischler in Vorarlberg gesprochen und dabei eindeutig klargemacht: Die Forschungsausgaben in Österreich müssten doppelt so hoch sein, damit wir an­nähernd wettbewerbsfähig werden. – Das sagt Ihr eigener Ex-Kommissar Fischler. Bitte, hören Sie auch auf solche Stimmen!

Die Arbeitslosenzahlen nehmen zu. Zum Teil gibt es Entwicklungen, die nicht in unserer Hand liegen, aber sie lägen auch in unserer Hand, wenn nämlich im Fort­bildungsbereich mehr investiert werden würde, wenn Arbeit steuerlich entlastet werden würde, wie etwa durch unser Modell einer ökologisch-sozialen Steuerreform, oder auch wenn Arbeit umverteilt werden würde. Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, dass 6,3 Prozent der männlichen unselbständig Erwerbstätigen in Österreich eine regel­mäßige Arbeitszeit von über 60 Wochenstunden haben. Das sind 117 000 Personen, und das sind, wenn man die Zahl durch zwei dividiert, beinahe 60 000 Voller­werbsarbeitsplätze. Es wäre möglich, Arbeit anders zu verteilen, aber Sie tun es nicht. Es werden keine Maßnahmen in diese Richtung gesetzt. (Beifall bei den Grünen.)

Letzter Punkt, der für mich ganz wesentlich zu sein scheint; es war auch schon die Rede davon: Steuerreform als Schlüssel. – Ich gebe Ihnen vollkommen Recht. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen immense Anteile durch Lohnsteuer, wir alle zahlen durch Mehrwertsteuer. Aber was die Vermögenssteuer betrifft, ist Öster­reich bei den Schlusslichtern – nur 2,7 Prozent Einnahmen –, und die Gewinnsteuern sind in den letzten 30 Jahren von 17,4 Prozent auf 13,4 Prozent der Staatseinnahmen gesunken. Die Lohnsteuern haben sich im gleichen Zeitraum von 18 auf 30 Prozent nahezu verdoppelt. Das Geld ist da, holen Sie es ab! Unser Sozialstaat ist finan­zierbar. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.12


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


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10.12.13Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2972/J bis 2985/J,

Beilagen zu den Anfragen: Zu 2951/J und Zu 2952/J;

2. Anfragebeantwortungen: 2666/AB bis 2721/AB;

3. Regierungsvorlagen:

Kartellgesetz 2005 – KartG 2005 (926 d.B.),

Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2005 – GesRÄG 2005 (927 d.B.),

Exekutionsordnungs-Novelle 2005 – EO-Nov. 2005 (928 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das MTF-SHG-G geändert werden (GuKG-Novelle 2005) (941 d.B.),

Wettbewerbsgesetznovelle 2005 (942 d.B.),

Sozialrechts-Änderungsgesetz 2005 – SRÄG 2005 (944 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Arbeitslosen­versicherungsgesetz 1977 geändert werden (946 d.B.),

Veterinärrechtsänderungsgesetz 2005 (947 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (948 d.B.),

Bundesgesetz über die Änderung des MTD-Gesetzes und des Hebammengesetzes (950 d.B.).

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von überplan­mäßigen Ausgaben im 1. Quartal 2005 (Vorlage 36 BA);

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über soziale Sicherheit (951 d.B.);

Finanzausschuss:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (891 d.B.),


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Abkommen zwischen der Republik Österreich und Georgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (892 d.B.);

Gesundheitsausschuss:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China betreffend die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Tiergesund­heit und Tierquarantäne (943 d.B.);

Rechnungshofausschuss:

Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 2005/4 (III-146 d.B.);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Verfassungsausschuss:

Tätigkeitsberichte des Digitalisierungsfonds und des Fernsehfilmförderungsfonds für den Berichtszeitraum 2004, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-150 d.B.).

*****

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 7 bis 10, 11 bis 21, 22 bis 25, 26 bis 33 sowie 34 und 35 der Tagesordnung jeweils zu­sammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Parlamentsklub der ÖVP hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Entschließungsantrag 600/A (E) der Abgeordneten Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschäftigungs­offensive der Bundesregierung dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird dieser Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt werden.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters haben die Abgeordneten Dr. Kräuter, Kolle­ginnen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Unter­suchungsausschuss betreffend die Beschaffung von Kampfflugzeugen einzusetzen.

Die Durchführung einer Debatte hierüber wurde nicht verlangt.

Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung findet die Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.


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Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestal­tung und Dauer der Debatte erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wie­ner Stunden“ vereinbart, woraus sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 140 Minuten, Freiheitlicher Parlamentsklub 96 Minuten, sowie Grüne 104 Minuten.

Weiters wurde folgende Redezeitvereinbarung für die Debatte in der Zeit von 10.05 Uhr bis 13 Uhr, die vom ORF übertragen wird, getroffen: Zunächst je eine Wort­meldung pro Fraktion mit 12 Minuten, anschließend eine Wortmeldung des Bundes­kanzlers mit 15 Minuten, sodann je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 7 Minuten, in weiterer Folge ein Regierungsmitglied mit 7 Minuten, danach je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 5 Minuten, ferner ein Regierungsmitglied mit 7 Minuten, weiters je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 5 Minuten und schließlich je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 5 Minuten.

Vor Beginn der letzten Runde wird die allenfalls verbliebene Redezeit vom vorsitz­führenden Präsidenten gleichmäßig auf die Fraktionen in der Weise verteilt, dass noch alle Fraktionen zu Wort kommen.

Weiters besteht darüber Einvernehmen, dass tatsächliche Berichtigungen erst nach der Fernsehübertragung aufgerufen werden.

Über diese Redezeitordnung entscheidet das Hohe Haus. Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die mit diesem Vorschlag einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Die Zustimmung wird einstimmig erteilt. Wir gehen daher so vor.

10.15.251. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (851 d. B.): Vertrag über eine Verfassung für Europa samt Protokolle, Anhänge und Schluss­akte (919 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Seine Redezeit beträgt 12 Minuten. – Herr Magister, Sie sind am Wort.

 


10.16.00

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Frau Außenministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir beraten und beschließen heute hier im Hohen Haus mit breiter Zustimmung die neue Europäische Verfassung. Das ist ein wichtiger, ein, wie manche meinen, historischer Schritt für Europa, für die politische Zukunft unseres Kontinents, für die gesellschaftliche Zukunft unseres Kontinents, für die wirtschaftliche Zukunft unseres Kontinents und für die soziale Perspektive der Bürgerinnen und Bürger – aber nicht nur des Kontinents Europa, sondern auch unseres Landes, unseres Heimatlandes Österreich.

Meine Damen und Herren! In diesen Tagen gedenkt Österreich auch der Geschichte Europas. Vor 60 Jahren sind das Gräuelregime der Nazidiktatur und der Zweite Weltkrieg beendet worden. Aber damals haben sich viele Menschen in Europa, auch in unserem Heimatland, die Frage gestellt: Wie wird es denn weitergehen? Wie ist denn


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die Perspektive für uns und für unsere Kinder nach diesen Gräueln des Zweiten Weltkrieges?

Auf diese Frage, meine Damen und Herren, hat es eine klare Antwort der verant­wortlichen Politiker des Kontinentes, der Länder Europas gegeben. Sie haben gesagt: Die Antwort auf den Krieg im Sinne von „Nie wieder Krieg!“ liegt in der Strategie des geeinten Europa, des vereinigten Europa! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Antwort heißt daher: Europa, wenn wir über Frieden reden und eine friedliche Entwicklung unseres Kontinentes wollen.

Am 9. Mai, erst vor wenigen Tagen, wurde der Europatag begangen. Robert Schuman hat an einem 9. Mai die Perspektive des geeinten Europa in einer großen Rede skizziert, und wir können stolz darauf sein, dass auch ein Österreicher an der Wiege dieses Gedankens gestanden ist. Der Österreicher Coudenhove-Calergi nämlich hat zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts die Perspektive des geeinten Europa als Vision entwickelt.

Aber mit dem geeinten Europa, meine Damen und Herren, der Europäischen Union, damals EG, waren nicht alle Fragen beantwortet. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine Trennung, eine Grenze, ein Graben durch Europa durchgegangen. Nicht alle Men­schen hatten das Glück, in dem freien vereinten Europa groß werden zu können, leben zu können. Nein, ein Teil unseres Kontinentes ist unter der Diktatur des Kommunismus gestanden, Menschen haben darunter gelitten.

Auch auf diese Frage, meine Damen und Herren: Wie kommen wir zum geeinten Europa, wie überwinden wir die Trennung?, gibt es und gab es eine klare Antwort, und auch die hat geheißen: Europa. Es ist beglückend – und das finde ich manchmal der Dimension des Themas überhaupt nicht angemessen, mit welcher Kleingeistigkeit Europa diskutiert wird –, dass wir in unserer Verantwortung den vergangenen 1. Mai des Jahres 2004 feiern konnten, an dem es durch Europa zur Überwindung der Gren­zen gekommen ist, sodass heute ein wirklich geeintes Europa die Perspektive ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Europa war also die Antwort auf die Frage der Menschen nach Überwindung der Grenzen. Aber wie lautet jetzt die Frage der Bürgerinnen und Bürger, die oft an uns gestellt wird, gerade in einem kleinen Land? – Wie ist denn die Herausforderung der Wettbewerbssituation, die es durch die Globalisierung weltweit gibt, zu bestehen? Ja, man darf die Augen nicht davor verschließen, dass die Globalisierung zu neuen Wett­bewerbssituationen führt. Aber auch die Antwort auf diese Frage, auf diese berechtigte Frage der Bürgerinnen und Bürger, ist eindeutig und klar. Auch die Antwort auf die Glo­balisierungsängste lautet: Europa. Warum? – Weil wir doch nur durch das Zusam­menwachsen des Kontinents gerade als kleines Land in der Lage sind, den Wett­bewerb mit den Giganten der Welt zu bestehen. Denken Sie beispielsweise an die Entwicklung in China oder in Indien oder in den Vereinigten Staaten.

Die Antwort auf die Ängste der Menschen im Zusammenhang mit der Globalisierung heißt: Europa. Europa ist daher auch die Perspektive, die wir selbst offensiv anstreben müssen und selbst offensiv leben müssen. Das heißt aber nicht, dass wir uns auf Europa ausreden können, wenn es um die eigene Position des Landes geht. Die Wett­bewerbsposition Österreichs hängt auch von unserer eigenen Fähigkeit und von unserem Willen ab, positive Veränderungen zu gestalten, Reformen umzusetzen, dass wir im Konzert des starken Europa eine starke österreichische Position haben – und das ist unsere Zielsetzung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.)


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Aber die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger haben auch Sorgen, und diese soll man auch ansprechen, etwa wenn es um die Sicherheit geht. Gerade in den letzten Jahren hat es in Europa Entwicklungen gegeben, die die Menschen mit Sorge be­trachten, etwa die Frage der organisierten Kriminalität und der Drogenkriminalität, des Schieberwesens. Sprechen wir das offen an! Auch hier lautet die Frage der Bür­gerinnen und Bürger zu Recht: Wie können wir mehr Sicherheit schaffen? – Die Ant­wort auch darauf, meine Damen und Herren, lautet ganz klar: Europa. Wir sind nicht mehr in der Lage, alles selbst zu bewältigen, wenn es um organisierte Kriminalität geht, wir brauchen in den Sicherheitsfragen die europäische Kooperation.

Aber selbstverständlich braucht es etwa auch bezüglich der Perspektiven einer mittelfristig orientierten Asylpolitik Europa. Europa braucht es auch im Alltag – denken Sie an den Konsumentenschutz, die Lebensmittelsicherheit, den Tierschutz – ich könn­te jetzt vieles aufzählen, bis hin zur Umweltpolitik.

Österreich und Europa brauchen diese Perspektive der Einigung. Wir brauchen ein starkes Europa!

Meine Damen und Herren, es ist aber auch eines ganz klar: Ein starkes Europa braucht eine Verfassung! Wir können langfristig und auf Dauer die Herausforderungen, die es in der Welt gibt – ich habe es schon gesagt, denken Sie an die USA, an China, an Indien –, nur bewältigen, wenn wir die Einigung Europas stärken. Und die neue Europäische Verfassung ist einer der entscheidenden Beiträge, dass Europa die Aufgabe, die die Bürgerinnen und Bürger von Europa erwarten, auch tatsächlich erfül­len kann.

Daher sagen wir von der Österreichischen Volkspartei aus fester Überzeugung, aus Verantwortung für Österreich und als glühende Europäer ja zur europäischen Verfas­sung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber wir dürfen uns damit nicht begnügen, sondern wir müssen auch hier Kritik der Bürgerinnen und Bürger durchaus ernst nehmen und uns die Frage stellen: Ist diese neue Europäische Verfassung auch die Antwort auf die vorhandene Kritik der Men­schen? Es wird kritisiert – meiner Meinung nach durchaus zu Recht –, dass Europa da oder dort zu bürgerfern sei. Gerade die neue Europäische Verfassung gibt darauf Ant­worten. Es werden in Zukunft 95 Prozent der Rechtsakte mit dem Europäischen Par­lament und durch das Europäische Parlament entschieden werden. Es gibt die europäische Bürgerinitiative, und es gibt in der neuen Verfassung selbstverständlich auch – hochinteressant! – die Einklagbarkeit des individuellen Rechtes aus den Grundrechten beim Europäischen Gerichtshof.

Die Europäische Verfassung ist bürgernäher und bringt Europa den Bürgern auch deutlich näher. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Eine zweite Kritik lautet, Europa sei undurchschaubar – und auch darauf ist die Euro­päische Verfassung die richtige Antwort: Die Institutionen sind klarer geregelt, wir haben einen europäischen Außenminister, sodass Europa mit einer Stimme spricht, und wir haben auch die Institutionen hinsichtlich der Entscheidungsfindung sehr klar und transparent geregelt, Europäischen Rat und Kommission.

Es wird kritisiert, Europa sei zu zentralistisch. Dazu sagt die neue Verfassung: Das Prinzip der Subsidiarität ist das erste Mal überhaupt in dieser Verfassung verankert. Was heißt das? – Europa soll nur das machen, was Europa kann, und den Regionen und den Mitgliedstaaten soll das in die Verantwortung gegeben werden, was dort bes­ser gemacht werden kann. Und das halte ich für richtig, meine Damen und Herren: ein föderalistisches Europa. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Es wird kritisiert, dass etwa die Mitwirkung der nationalen Parlamente bisher zu wenig ausgeprägt war. Jawohl, die neue Verfassung gibt uns mehr Möglichkeiten zur Mitwirkung, hier im Nationalrat etwa durch die Subsidiaritätsklage. Ich halte es für richtig, dass diese Perspektive gegeben ist, eine Perspektive, die die großen und die kleinen Staaten gleich behandelt. Es gibt keinen Unterschied zwischen Groß und Klein in der europäischen Verfassung, sondern einen Maßstab: gleiches Recht für alle!

Es ist die soziale Dimension gestärkt. Und wichtig ist auch, dass die neuen Grund­rechte direkt wirksam werden, meine Damen und Herren. Die Sozialklausel, von Österreich gefordert, wirkt in allen politischen Dimensionen, auch die Rolle der Sozial­partnerschaft. Und wir haben durchgesetzt – dafür danke ich sowohl den Mitgliedern im Konvent als auch der Bundesregierung –, dass österreichische Anliegen, wie etwa die Sicherung des Wassers, die Daseinsvorsorge in den Gemeinden, für Österreichs Bürger gut geregelt sind, meine Damen und Herren.

Zur Kritik, die angebracht wird, beispielsweise, dass die Neutralität abgeschafft werden würde. Dazu kann ich nur sagen, das ist schlicht und einfach falsch. Dass der Staats­vertrag abgeschafft wird, das ist schlicht und einfach falsch. Ich habe bei Kritikern der europäischen Verfassung oft den Eindruck, dass sie nicht die Verfassung kritisieren, sondern eigentlich etwas ganz anderes meinen, aber dann sollen sie sagen, was sie meinen.

Wir wollen Europa, wir wollen ein starkes Europa, meine Damen und Herren, mit dieser neuen Verfassung!

Ich möchte Ihnen zum Schluss ein Zitat von Alois Mock bringen, der geschrieben hat:

Mit der Verwirklichung der Verfassung für Europa beginnt eine neue Ära. Sie stärkt unsere Handlungsfähigkeit nach innen und nach außen. Das Regelwerk definiert viel deutlicher als bisher die Kompetenzen der Regionen, der Staaten und der Union. Durch sie wird Europa für seine Bürger fassbarer, als politische Union entscheidungs­fähiger und als Stimme im Konzert der Völker unüberhörbarer. – Zitatende.

Dem ist nichts hinzuzufügen, meine Damen und Herren, das ist unser Europa, das wir wollen!

Wir stimmen daher in unserer Verantwortung dieser Verfassung zu und haben natürlich auch die Perspektive, dass in Zukunft europäische Spielregeln für europäische Refe­renden über europäische Themen geschaffen werden müssen. Das eint uns, und das ist unser Ziel! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.28


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusen­bauer. Auch seine Redezeit beträgt 12 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Abgeord­neter.

 


10.28.53

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man gerade angesichts der Gedenkfeierlichkeiten, die in den letzten Tagen stattgefunden haben und noch stattfinden werden, die Bilder des Zweiten Weltkrieges und des Endes des Zweiten Weltkrieges sieht, dann stellt man sich natürlich schon die Frage: Was ist in diesen 60 Jahren geschehen? Und: Was ist anders geworden?

Ich stimme Herrn Kollegen Molterer zu: Die Europäische Union war die Antwort auf den Zweiten Weltkrieg, und sie ist zum Glück eine sehr erfolgreiche Antwort. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen und der Freiheitlichen.)


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Sie ist eine erfolgreiche Antwort, weil sie in jenem Teil Europas, der zur Europäischen Union gehört oder früher zur EG gehört hat, dazu geführt hat, dass es Frieden und Sicherheit gegeben hat. Wir haben in den letzten 15 Jahren erlebt, dass es in Teilen Europas, die nicht Teil des europäischen Einigungswerkes waren, nicht Frieden und nicht Sicherheit gegeben hat, sondern ganz im Gegenteil Krieg, Verfolgung, Genozide und unglaubliche Menschenrechtsverletzungen.

Wenn man einen Vergleich zieht zwischen dem Europa der Sicherheit und der Sta­bilität und jenem Europa, das auch in den vergangenen Jahrzehnten geschüttelt wurde, wie zum Beispiel die Länder auf dem Balkan, dann muss man meiner Meinung nach zur Auffassung kommen, dass das erfolgreichste Friedensprojekt, das es bisher in der Geschichte unseres Kontinents gegeben hat, die europäische Einigung und die Europäische Union sind. Darauf können wir stolz sein, und wir können froh sein darüber, dass wir diese europäische Einigung haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen und der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Viele werden sich fragen, warum es trotz dieser unbe­strittenen Erfolge der Europäischen Union, wie im Übrigen auch die vollzogene Erweiterung und die Einführung des Euros, doch solch nachhaltige Skepsis in Bezug auf Europa gibt. Wenn die Europäische Union so erfolgreich war, warum sind dann eigentlich immer mehr Menschen immer skeptischer, gerade in Österreich? – Ich finde, wir als Verantwortliche haben uns mit den Ursachen dieser Skepsis auseinander zu setzen.

Ich glaube, einer der Hauptgründe liegt darin, dass die Menschen in Österreich, Kolle­ge Molterer, nicht den Eindruck haben, dass Europa die Antwort auf die Globalisierung ist, sondern dass sehr viele Menschen den Eindruck haben, dass die Auswirkungen der Globalisierung in Europa verschärft werden. Dieser Eindruck verunsichert viele Menschen, weil viele die Hoffnung gehabt haben, dass Europa ein Instrument ist, um die Globalisierung humaner und sozialer zu gestalten. Aber ihr Erleben ist ein anderes.

Man muss sich schon einmal die Frage stellen, ob alles, was immer auf der Ebene absoluter Wahrheiten auch von der EU-Kommission formuliert wird, gerade Deregulie­rungen und Liberalisierungen in großem Ausmaß betreffend, nicht manchmal dazu führt, dass die Menschen in Europa unsicherer werden in Bezug auf die Gesamtheit des Projektes, vor allem dann, wenn sich die in Aussicht gestellten Erfolge nicht ein­stellen.

Ich glaube, wir dürfen uns nicht wundern, dass die Menschen, auch wenn wir sagen: Der Euro ist ein ganz wesentliches Instrument für europäische Wirtschaftspolitik!, mit Recht den Eindruck haben, dass es in der Beschäftigungsfrage nicht wirklich weiter­geht, dass die Einkommen nicht wirklich steigen, sondern da und dort eher sinken, und dass dann Zusammenhänge hergestellt werden, angesichts derer viele den Eindruck haben, dass sich Europa von den selbst gesetzten Zielen und auch von den Ver­heißungen da und dort entfernt.

Ich meine, dass diese steigende Skepsis nichts zu tun hat mit zu viel Europa, sondern eigentlich mit zu wenig Europa, weil Europa bisher nicht imstande war, jene Ver­heißungen zu erfüllen, die viele Menschen mit diesem Projekt verbunden haben. (Bei­fall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Lunacek.)

Im Übrigen glaube ich, dass das auch in Bezug auf die europäische Demokratie gilt. Denn was ist das Hauptproblem? – Wenn man in Österreich mit einer Regierung zufrieden ist, dann kann man sie bei der nächsten Wahl bestätigen. Wenn man mit einer Regierung unzufrieden ist, dann kann man eine Regierung bei der nächsten Wahl abwählen und durch eine andere ersetzen. Das europäische Problem besteht nun aber darin, dass die Menschen nicht wissen, wie sie, wenn sie mit europäischer Politik


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unzufrieden sind, eine europäische Regierung, die es nicht gibt, loswerden und durch eine andere ersetzen. Sie können an den Wahlen zum Europäischen Parlament teil­nehmen – das ist bedeutend, aber jeder weiß, es ist nicht bestimmend über eine europäische Regierung.

Das europäische Institutionensystem – es gibt gute Gründe dafür, dass es so ist – teilt eben Verantwortung so breit auf, dass das normale Wechselspiel der Demokratie auf europäischer Ebene nicht möglich ist. Ich glaube, wenn man möchte, dass es auf europäischer Ebene eine stärkere Identifikation des Einzelnen und der Einzelnen mit dem europäischen Projekt gibt, dann müssen wir auch irgendwann zu einer euro­päischen Demokratie kommen, die so funktioniert wie auf nationaler Ebene, dass nämlich der einzelne Bürger die Möglichkeit hat, eine Regierung abzuwählen oder zu bestätigen. (Abg. Scheibner: Kann aber auch immer nur das Parlament! – Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.)

Ich weiß, dass das keine einfache Angelegenheit ist, aber wenn man diese Unzufrie­denheit aufgreifen will, dann muss man dorthin kommen. Wir müssen uns doch folgende Frage stellen: Wenn jemand in Österreich mit der Politik nicht einverstanden oder unzufrieden ist oder die Regierung kritisiert, dann wird er trotzdem nicht auf die Idee kommen, Österreich in Frage zu stellen. Gibt es hingegen an Europa Kritik, gibt es an der europäischen Politik Kritik und sind die Menschen unzufrieden mit der euro­päischen Politik, dann werden komischerweise immer gleich Europa und die Euro­päische Union in Frage gestellt. Und wenn man das nicht haben möchte, weil man die Europäische Union für wichtig und für unverzichtbar hält, dann muss man auch auf europäischer Ebene einen Mechanismus schaffen, durch den die Menschen ihre Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit der jeweiligen Politik ausdrücken können. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Sburny.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher bin ich der Meinung, dass diese EU-Verfassung einen wichtigen Schritt vorwärts darstellt, aber viele dieser Grundprobleme Europas auch mit der europäischen Verfassung nicht beantwortet werden. Natürlich gibt es viele, die sagen, die Europäische Verfassung hätte besser sein können. Dieser Meinung bin ich auch. Ich bin auch der Meinung, dass der Vorschlag, den der Konvent auf europäischer Ebene erarbeitet hat, besser war als der Entwurf, der uns heute vor­liegt. Nur: Die Alternative, über die wir heute zu entscheiden haben, ist nicht diese Ver­fassung oder eine bessere Verfassung, sondern die Alternative, die vor uns liegt, lautet: entweder diese Verfassung oder das Weiterwirken des so genannten Vertrags­europas mit einer noch größeren Unübersichtlichkeit.

Daher stellt sich, glaube ich, nicht die Frage zwischen dem Guten und dem Besseren, sondern es stellt sich die Frage zwischen dem, was man jetzt bekommen kann, und dem, was man sonst hätte. Und wenn ich vor diese Alternative gestellt werde, dann muss ich sagen, diese Europäische Verfassung ist allemal besser als das bisherige „Vertragseuropa“, und daher sollten wir gemeinsam dieser europäischen Verfassung heute auch zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen und der Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt auch die Diskussion darüber, warum diese Verfassung nicht eine christdemokratische, nicht eine sozialdemokratische, nicht eine liberale, nicht eine grüne Verfassung ist. Das ist die Diskussion, die in Frankreich sehr stark geführt wird. Ich meine, dass die österreichische Bundesverfassung auch weltanschaulich nicht zuordenbar ist. Und eine Europäische Verfassung kann nicht einer politischen Strömung in Europa ganz besonders entgegenkommen, sondern muss einen Rahmen für politisches Gestalten bieten. Daher darf man auch nicht die Illusion erwecken, dass es mit dem Beschluss dieser Verfassung schon bessere Politik in Europa geben wird. Aber die EU-Verfassung schafft die Chance und die Voraus-


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setzung dafür, dass es in Zukunft bessere Politik in Europa gibt. Daher ist diese Ver­fassung keine Garantie, sondern eine Chance.

Die letzte Frage, die man sich stellen muss, ist wohl die: Wie schaut Europa aus, sollte die Verfassung nicht beschlossen werden? Stellen wir uns vor, in welche Situation Euro­pa kommen würde: Europa würde in eine seiner schwierigsten Phasen und wahr­scheinlich Krisen eintreten. Ich glaube, dass wir es uns angesichts der Herausforde­rungen, die heute vor uns und vor Europa stehen, schlicht und einfach nicht leisten sollten, dass Europa in eine Krise kommt, sondern wir sollten danach trachten, dass Europa tatsächlich handlungsfähiger wird.

Es wäre natürlich bedeutend besser, hätten alle Menschen Europas an einer Abstim­mung in ganz Europa teilnehmen können, um diese Europäische Verfassung auch gemeinsam zu tragen.

Ich glaube, es war ein schwerer Fehler, dass man sich in der Europäischen Union nicht auf eine solche Vorgangsweise hat einigen können, denn das wäre das stärkste Signal gewesen – folgend dem Modell, dass eine österreichische Verfassung die Unter­stüt­zung des österreichischen Volkes haben muss, aber dass eine Europäische Verfas­sung die Unterstützung aller europäischen Völker haben sollte.

Daher ist damit, so finde ich, eine große Chance verloren gegangen, denn viele dieser Vorgänge, die es heute in einzelnen Staaten Europas gibt, haben wenig mit der euro­päischen Verfassung und mehr mit der jeweiligen Befindlichkeit der Bevölkerung in Bezug auf die gerade Regierenden zu tun. Ehrlich gesagt, es kann durchaus sein, dass in dem einen oder anderen Land eine Volksabstimmung gegen die Verfassung aus­geht, obwohl die Leute eigentlich nicht so sehr ein Problem mit der Verfassung, sondern vielleicht mit ihrer Regierung haben. Das Problem ist am Ende nur: Die Ver­fassung ist damit weg, aber die Regierung, die die Leute nicht wollen, bleibt weiterhin.

Daher würde ich sagen: Stimmen wir in Österreich ab über das, was wir abzustimmen haben: über Regierungen und Parlamente bei Wahlen und über die Europäische Verfassung heute im Parlament! Die Sozialdemokratie wird dazu ja sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP, der Grünen und der Freiheitlichen.)

10.41


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Auch er hat eine Redezeit von 12 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


10.41.47

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Wenn wir hier, aber auch außerhalb des Parlaments über EU-Politik diskutieren, wird immer die Frage gestellt: Warum ist denn die Skepsis bei der Bevölkerung so hoch, obwohl dieses Projekt der europäischen Einigung doch ein so gutes und wichtiges ist?

Vielleicht gibt es eben zu wenig Kommunikation zwischen dieser Europäischen Union, den Institutionen der Europäischen Union und der Bevölkerung Europas, und vielleicht sieht man es in der Europäischen Union auch als zu wenig notwendig an, diese Kom­munikation zu betreiben, mehr Kontakt zu halten, mehr zu erklären, warum denn ver­schiedene Projekte in Europa und in der Europäischen Union so notwendig sind.

Und warum sieht man es als so wenig notwendig an, diese Kommunikation zu betrei­ben? – Aus meiner Sicht ganz einfach deshalb, weil es von der Struktur her in Europa, in der Europäischen Union, mit Ausnahme der Wahlen zum Europaparlament mit einer doch sehr beschränkten Auswirkung auf die Union selbst, kaum notwendig ist, für europäische Projekte auch eine Mehrheit in der Bevölkerung, im Bewusstsein der Bevölkerung Europas zu bekommen. Wenn es diese Notwendigkeit gäbe – und dafür


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treten wir ein, dass es eben direktdemokratische Elemente auch in dieser Euro­pä­ischen Union gibt –, dann würde sich, glaube ich, auch das Bewusstsein der Politiker in Europa, aber auch der Bürokraten in Europa gegenüber der Meinung der Bevölkerung durchaus ändern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Deshalb treten wir auch weiterhin – und werden das auch in einem Antrag zum Aus­druck bringen – dafür ein, dass es für wichtige Projekte in der Europäischen Union und vor allem natürlich für Verfassungsfragen das Instrument einer europaweiten Volks­abstimmung in allen Mitgliedsländern geben soll. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Leider – leider! – ist es bis jetzt nicht gelungen, das umzusetzen, aber man muss das mit allem Nachdruck verwirklichen.

Herr Kollege Gusenbauer, ich glaube nicht, dass Ihr Modell hier Abhilfe schaffen würde, wenn Sie sagen, man sollte jetzt auch eine europäische Regierung haben, die direkt gewählt oder mit allen Rechten und Pflichten legitimiert ist. Das wäre die Ver­gemeinschaftung der Europäischen Union, der europäische Bundesstaat. Das ist nicht mein Modell und auch nicht, wie ich meine, das Modell meiner Fraktion und auch nicht das Modell, das sich die Bevölkerung in Europa wünscht.

Ich glaube, dass gerade ein Vorteil dieser europäischen Verfassung, über die wir heute diskutieren, auch hier richtungsweisend ist: dass man nicht den europäischen Bundes­staat haben möchte, wo alles in Brüssel entschieden wird, sondern dass man selbst­verständlich das Bekenntnis zum Staatenbund Europäische Union mit souveränen Ländern, die ihre Rechte auch verwirklichen können, abgegeben hat. – Das ist für uns das Modell eines künftigen Europas: souveräne Staaten, die definieren, welche Auf­gaben sinnvollerweise gemeinsam, aber auch unter Einbeziehung der Bevölkerung über­nommen werden, und kein europäischer Bundesstaat nach dem Vorbild der Ver­einigten Staaten von Amerika. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube eher, dass es notwendig wäre, diesen von allen auch angesprochenen sicherheitspolitischen Aspekt dieser europäischen Integration viel, viel stärker in den Vordergrund zu stellen. Leider wird Sicherheit sehr bald selbst­verständlich, sie ist aber nicht selbstverständlich! Die Sicherheit, der Friede, auch die Freiheit müssen immer wieder erkämpft werden, müssen immer wieder garantiert werden. Das ist, wie ich meine, doch eines dieser wichtigen und notwendigen Projekte der europäischen Integration gewesen.

Wir haben vor wenigen Tagen des Kriegsendes vor 60 Jahren gedacht. Ein Krieg – noch dazu ein Weltkrieg – ist wohl eine der schrecklichsten Formen menschlichen Handelns. Und damals, wie auch nach jedem anderen Krieg, war das Bekenntnis, man muss weitere Kriege verhindern.

Damals hat es einige wichtige Entscheidungen gegeben: die Gründung der Vereinten Nationen im Juni 1945, aber auch den Beginn des europäischen Einigungsprozesses, die Einsicht, dass diese jahrhundertealten Spannungen, Feindschaften zwischen euro­päischen Nationen und Nationalitäten der Vergangenheit angehören müssen. Und man hat gewusst, dass das ein langwieriger, ein jahrzehntelanger Prozess sein wird.

Von kleinen Anfängen, von reinen Wirtschaftsgemeinschaften, Wirtschafts­verbindun­gen ist man bis heute zu dieser Europäischen Union gekommen, wo wir heute erst­mals – erstmals! – in der Geschichte Europas sagen können, dass militärische Konflik­te zumindest zwischen 25 Ländern Europas unmöglich geworden sind, und zwar nicht nur heute, sondern auch in Zukunft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)


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Das ist doch der große Fortschritt, das ist doch das Großartige an dieser europäischen Einigung, dass wir den Menschen sagen können: Kriege sind für Mitglieder der Euro­päischen Union unmöglich geworden!

Die Vereinten Nationen haben auch dieses Postulat gehabt: Krieg als Mittel der Politik völkerrechtswidrig. Aber wie weit ist man im Kreis der UNO, der Vereinten Nationen, noch von diesem Erfolgsrezept der Europäischen Union in der Sicherheitspolitik ent­fernt, dass Konflikte zwischen Mitgliedsländern der Vereinten Nationen unmöglich geworden sind!

Ich glaube, das sollten wir viel stärker in den Vordergrund stellen, denn die Sicherheit, die Freiheit und der Friede sind wohl das höchste Gut eines Menschen, ein Gut, das es zu bewahren gilt. Und das wird auch eine Herausforderung für die Zukunft sein, und auch das ist ein Aspekt, der einen wichtigen Bereich in dieser europäischen Verfas­sung mit beeinflusst.

Und es ist doch positiv, dass sich diese Europäische Union jetzt auch dazu bekennt, dass wir im Bereich der Katastrophenhilfe zusammenarbeiten, dass wir in der Abwehr des Terrors zusammenarbeiten müssen und dass es selbstverständlich auch die Not­wendigkeit einer Verantwortung von friedenssichernden und friedenserhaltenden Maß­nahmen der Europäischen Union auch außerhalb des Gebietes der Union selbst gibt.

Wir können nicht die Augen verschließen vor der Problematik auf dem Balkan oder in anderen Gebieten! – Auch da hat es ja einen langwierigen Bewusstwerdungsprozess gegeben, und zwar auch noch in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, bis man endlich auch in der Europäischen Union dazu gekommen ist zu sagen: Ja, wir müssen gemeinsam auch dafür sorgen, dass in diesen Krisenregionen für die Menschen dort Sicherheit, Frieden und Freiheit gewährleistet werden können.

Das ist ein Anliegen aus humanitären Gründen, aber liegt auch im Eigeninteresse, denn Unsicherheit, Instabilität in anderen Regionen kommen in abgewandelter Form – und sei es in Form von Kriminalität, sei es in Form von Terrorismus oder in Form von Wanderungsbewegungen – auch auf Europa und damit auch auf Österreich zu. Und das ist auch ein klares Bekenntnis zu dieser gemeinsamen Verantwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik, die wir noch weiter unterstützen sollten.

Selbstverständlich gibt es auch in dieser Verfassung Defizite, neben den Erfolgen, die wir nicht euphorisch, aber doch durchaus herausstreichen – daran hat ja auch Öster­reich mitgewirkt, auch Parlamentarier –: dass das Einstimmigkeitsprinzip in wichtigen Fragen erhalten bleiben konnte, dass man einen Grundrechtekatalog auch für die Freiheits- und Menschenrechte in Europa verankert, damit in einem Nationalstaat eine parlamentarische Gruppe oder eine Partei nicht Sanktionen gegen ein Land bestellen kann, wenn ihr eine demokratisch gewählte Regierung nicht passt, so wie wir das in Österreich im Jahr 2000 gehabt haben. Auch das ist unmöglich geworden durch diese Verfassung. Und auch die Institutionen sind zumindest in Ansätzen neu geregelt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber man muss auch die Defizite ansprechen. Die Kommissarslösung ist nicht zu 100 Prozent in unserem Sinne gelaufen. Man kann sehr viel an Kritik daran anbringen, wie die Europäische Staatsanwaltschaft geregelt ist. Letztlich – ich habe es schon gesagt – die Demokratiedefizite, dass es nicht gelungen ist, in diese Europäische Ver­fassung Instrumente der direkten Demokratie, wie zum Beispiel auch europaweite Volksabstimmungen, einzufügen. Aber – in diesem Punkt gebe ich dem Kollegen Gusenbauer Recht – keine Verfassung wäre das Schlechteste als Reaktion auf die Erweiterung der Europäischen Union und auch als Antwort auf die Fragen der Zukunft.


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Auch diese Verfassung wird ein dynamischer Prozess sein, und wir werden gleich ab dem Tag des Inkrafttretens auch daran arbeiten müssen, dass die Defizite in dieser Europäischen Verfassung beseitigt werden können.

Es gibt jetzt seit einigen Tagen – überraschend spät – eine Diskussion auch hier in Österreich über eine Volksabstimmung zu dieser Europäischen Verfassung. Ich sage deswegen „überraschend spät“, weil Verfassungsexperten natürlich darüber disku­tie­ren, ob es eine Gesamtänderung ist oder nicht und ob man eine Volksabstimmung verpflichtend abhalten müsste.

Ich sage: Mir wäre es recht gewesen – und auch in Zukunft wäre es mir recht –, wenn die europäische Bevölkerung EU-weit über solche Projekte abstimmen könnte. Und es ist nicht gut, dass es manche Länder gibt, die abstimmen lassen, und andere nicht. Im Zweifel hätte ich mir vorstellen können, dass auch wir hier in Österreich eine nationale Volksabstimmung durchführen.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es in Österreich für dieses Projekt einer nationalen Volksabstimmung keine Mehrheit gibt. Aber wenn man heute darüber dis­kutiert, dann kommt das zu spät. Denn eines sagt uns die Bundesverfassung klar: dass über einen völkerrechtlichen Vertrag selbst keine Volksabstimmung durchgeführt wer­den kann. Deshalb haben wir damals, 1994, ja auch nicht über den Beitrittsvertrag selbst in einer Volksabstimmung abgestimmt, sondern über ein Ermächtigungsgesetz.

Und das Ermächtigungsgesetz für diese Europaverfassung hat das Parlament mit wenig – leider mit wenig – medialer Aufmerksamkeit im März dieses Jahres beschlos­sen, meine Damen und Herren. Da ist halt die Realität eine andere. (Zwischenruf des Abg. Eder.)

Herr Kollege Wittmann, wenn man heute hier sagt, ja, aber EU-Recht bricht jetzt nationales Recht, dann muss man darauf verweisen, dass das seit dem Tag, als wir Mitglied der Europäischen Union geworden sind, so der Fall ist. (Abg. Öllinger: Leider!) Ja, meine Damen und Herren!

Da ist schon die Frage zu stellen: Warum hat man damals die Bevölkerung nicht über alle Vor- und Nachteile, über alle Konsequenzen dieses Beitritts zur Europäischen Union informiert? Warum hat man damals, als es wirklich darum gegangen ist, eine klare Entscheidung – ja oder nein zu diesem Weg – in Europa zu treffen, auf ver­schiedene Dinge, auch auf die Auswirkungen auf die Neutralität – und das hat Mitte der neunziger Jahre massive Auswirkungen auf die Neutralität gehabt, bis hin zur Verfas­sungsnovelle 1998 – nicht hingewiesen, warum hat man damals nicht umfassend infor­miert? Diese Frage müssen auch Sie sich gefallen lassen und auch beantworten, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Wittmann und Öllinger.)

Wir sind dafür, dass wir alle Kritikpunkte auch öffentlich diskutieren und versuchen, entsprechende Lösungen zu finden, dass wir uns aber dann unter Abwägung aller Vor- und Nachteile klar zu Europa, zu diesem Friedensprojekt eines gemeinsamen, fried­lichen Europas bekennen. Und wenn wir alle Kraft daransetzen, dass wir diese Instru­mente der direkten Demokratie auch einsetzen können, dann wird aus dieser Friedens­union auch noch ein demokratisches Europa – und das sollte im Interesse von uns allen sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.54


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Auch seine Redezeit beträgt 12 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 



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10.54.16

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grünen befassen sich seit langem mit den Vorzügen und den Mängeln dieses Entwurfs zu einer Europäischen Verfassung. Und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass bei einer gründlichen Abwägung der Vorzüge, die es zweifellos gibt, und einiger Mängel, die es auch im Text gibt beziehungsweise bei dem, was nicht im Text steht, ein klares Ja zu diesem Verfassungsvertrag geboten erscheint, und zwar aus folgenden Gründen, die ich kurz skizzieren möchte.

Übrigens: Dieser Vertrag über eine Verfassung für Europa ist schon eine ziemliche Schwarte. Er umfasst gedruckt, glaube ich, fast 500 Seiten, der eigentliche Textteil vielleicht 300. Die österreichische Verfassung kommt mir im Vergleich dazu schlank, ja geradezu elegant vor. Aber wir haben ja auch schon 85 Jahre Tradition, die EU noch nicht.

Was sind also aus meiner Sicht, aus unserer Sicht die wesentlichen Vorteile dieser Verfassung?

Erstens: Die europäische Demokratie wird tatsächlich deutlich in ihren Grundlagen gefestigt. Das zeigt sich daran, dass die einzige europäische Institution, die direkt ge­wählt wird, das Europäische Parlament, deutlich in seinen Rechten als Gesetzgeber gestärkt wird und in die Gesetzgebung viel stärker als bisher eingebunden wird. Das war ja1995 ein wesentlicher Kritikpunkt der Grünen – aber nicht nur der Grünen –, dass die demokratische Verfasstheit der Union mehr als zu wünschen übrig lässt und in Wahrheit damals rudimentär ausgebildet war. Gleichzeitig damit wird natürlich die Gewaltentrennung in der Europäischen Union als Basis einer funktionierenden Demo­kratie deutlich verbessert. (Beifall bei den Grünen.)

Zweitens – und auch das ist wichtig in einem Europa, das derzeit 25 Mitgliedstaaten hat und demnächst 27 oder 30 –: Die Handlungsfähigkeit der Union wird deutlich ver­bessert. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass das Prinzip der Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten, um zu einem Beschluss zu kommen, deutlich zurückgenommen wird zugunsten eines Beschlusses mit so genannter qualifizierter Mehrheit. Das ist eine doppelte Mehrheit von den Mitgliedstaaten einerseits und eine Mehrheit der euro­päischen Bevölkerung andererseits, die durch diese Staaten repräsentiert wird.

Das allein ist schon ein Fortschritt gegenüber dem Vertrag von Nizza. Dort waren meines Erachtens intransparente Stimmgewichtungsregeln im Europäischen Rat maß­geblich, die niemanden überzeugt haben. Über Details kann man immer reden, aber das Prinzip der doppelten Mehrheit ist transparent, verständlich und nachvollziehbar.

Drittens – und das ist ein wesentlicher Punkt –: Der Teil II dieser neuen Europäischen Verfassung, die Charta der Grundrechte, ist ein wirklich sensationeller Erfolg, wenn man sich einmal vorstellt, wie wenige andere Staaten auf der Welt, Nationalstaaten, einfache Staaten oder irgendein Staatenbündnis, eine derartige Grundrechtscharta in ihrer Verfassung verankert haben. Und diese Grundrechtscharta betrifft nicht nur die klassischen liberalen Freiheits- und Grundrechte, wie zum Beispiel Meinungsfreiheit, Medienfreiheit, Freiheit der Kunst, Freiheit der Wissenschaft und so weiter, Freiheits­rechte, die gewissermaßen den Bürger vor dem Staat schützen sollen, sondern zeigt auch im Bereich der sozialen Grundrechte wesentliche Fortschritte. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der ÖVP.)

Das ist auch insofern von Bedeutung, als ja von verschiedener Seite kritisiert wird, dass diese Verfassung eine neoliberale Schlagseite und Ähnliches habe.


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Ich kann das nicht nachvollziehen. In der österreichischen Verfassung zum Beispiel sind die sozialen Grundrechte nicht so verankert wie in der Europäischen Verfassung. Das allein spricht schon gegen das Argument der neoliberalen Schlagseite.

Natürlich gibt es Punkte, die nicht zu unserer Zufriedenheit ausgefallen sind, und dies gilt für jede politische Partei und jede Bürgerin und jeden Bürger dieses Landes, die beziehungsweise der sich ernsthaft damit auseinander setzt.

Aus unserer Sicht besonders heikel sind einige Formulierungen im Bereich der Militär- und Sicherheitspolitik im Teil III des Verfassungsvertrages beziehungsweise auch im ökologischen Bereich, ungeachtet einiger sehr gut formulierter Zielbestimmungen die leidige Frage des Euratom-Vertrages. Jetzt kann man sagen, es war schon ein Riesen­erfolg, dass der Euratom-Vertrag nicht, so wie ursprünglich geplant, Teil der Ver­fassung wird – das hätte es uns, den Grünen, sehr schwer gemacht, der Europäischen Verfassung zuzustimmen, falls dies überhaupt möglicht gewesen wäre –, sondern immerhin außerhalb des Vertrages angesiedelt wird, sodass es zumindest theoretisch möglich ist, Mitglied der Europäischen Union zu sein, ohne dem Euratom-Vertrag beizutreten.

Also insgesamt meine ich, dass die Fundamente für eine europäische Demokratie hier tatsächlich in einer nachvollziehbaren, konkreten Weise gelegt werden. Und das wird Europa, die Europäische Union gegenüber vielen, vielen anderen Staaten auf der Welt zu etwas deutlich anderem machen.

Ich will nicht sagen: Vorbild, weil ich ungern Vorbild für jemanden bin, aber es ist schon etwas sehr Schönes, was da entsteht, ohne – wie schon Herr Scheibner gesagt hat – allzu euphorisch zu werden. Ich möchte aber trotzdem auch in Erinnerung rufen, dass die Alternative nicht irgendeine Idealverfassung ist, die wir uns alle anders geschrieben hätten, also schlicht der Vertrag von Nizza, also gerade jener Vertrag, dessen Mängel ja die Diskussion über diese Verfassung überhaupt erst entfacht haben. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Da muss man sich schon in Erinnerung rufen: Als vor vier Jahren der Vertrag von Nizza beschlossen wurde, war die Frustration über dieses Vertragswerk so groß, und zwar quer durch Europa, dass erst daraufhin der Europäische Konvent eingesetzt wurde und im letzten Jahr schlussendlich doch eine Einigung über diesen Verfas­sungsvertrag erzielt werden konnte. Genau auf dieses miserable Vertragswerk würde Europa zurückfallen, wenn der Verfassungsvertrag, wie er jetzt vorliegt, nicht ange­nommen würde.

Wenn man sich kurz zurückerinnert, wie oft das auf der Kippe stand und wie eine Zeit lang zum Beispiel Polen und Spanien den Verfassungsvertrag blockiert haben, und zwar zum Teil mit – wie soll ich sagen? – einer emotionalen Überschwänglichkeit, die einem in der Politik sehr selten gut bekommt, nämlich beispielsweise mit dem Slogan „Nizza oder der Tod!“ als Schlachtruf für den Vertrag von Nizza und gegen den Entwurf des Konvents für eine Europäische Verfassung, und wie es erst möglich ge­worden ist, über die Verfassung zu reden, nachdem in Spanien Neuwahlen stattge­funden haben und dieser Teil der Blockade weggefallen ist, sodass auch unsere Freunde in Polen sich sozusagen eines Besseren besinnen konnten, muss man sagen: Angesichts all dieser Schwierigkeiten wäre es sehr leichtfertig, nein zu dieser Verfas­sung zu sagen und zu meinen, wir würden dann eine bessere kriegen.

Nein! Wenn wir das nicht annehmen, werden wir in Depression versinken und auf absehbare Zeit gar keine neue, geschweige denn bessere Verfassung bekommen, sondern mit dem miserablen Vertrag von Nizza irgendwie dahinwursteln müssen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol.)


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Bei vielen Gesprächen mit Kritikern dieser Verfassung ist mir etwas eigenartig vor­gekommen, nämlich, wie viel an Bedeutung in solch eine Verfassung hineininterpretiert wird. Sicher, sie ist wichtig, sie enthält Spielregeln, und namentlich die Europäische Verfassung enthält auch wichtige Zielbestimmungen, aber manchmal hat man den Eindruck, dass mit dem Beschluss über ein Verfassungswerk die Politik sozusagen an ihrem Ende angekommen wäre und dass alles, was da nicht drinnen steht, sozusagen dann kein Thema der täglichen und jährlichen Politik sein kann. Diese Vorstellung finde ich absurd!

Die österreichische Verfassung ist ungefähr 85 Jahre alt in ihrem Kern, und haben wir seither etwa keine Politik betrieben: im Ökologiebereich, im Militärbereich, in allen heiklen Fragen, im Sozialbereich et cetera? Das gilt natürlich für die nationale Ebene genauso wie für die europäische Ebene. Eine Europäische Verfassung kann genauso wenig wie eine nationale Verfassung die Antwort auf alles und jedes sein.

Ich finde, erstaunlich ist nicht, dass bei den Verhandlungen von 25 Mitgliedstaaten dieser Kompromiss herausgekommen ist, sondern erstaunlich ist, dass überhaupt etwas herausgekommen ist.

Darf ich eine Sekunde lang an das Schicksal des Österreich-Konvents erinnern. (Abg. Dr. Glawischnig: Nein!) Vergleichsweise einfach, möchte man meinen, innerhalb einer nationalen Einheit sozusagen – nicht? Wir sind aber zu keinem Konsens gekommen (Abg. Mag. Molterer: Noch nicht!) – „noch nicht!“, sagt Herr Molterer –, die 25 Mit­gliedsländer mit 21 Sprachen und völlig unterschiedlichen Verfassungstraditionen jedoch sehr wohl. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Optimismus ist ange­sagt!)

Darf ich – ich blicke auf meine Uhr – nur eines zur Informationspolitik der Bundes­regierung sagen: Ja, die war miserabel! Ja, die Grünen haben die Öffentlichkeit des Verfassungsausschusses verlangt, zum Beispiel beim Gespräch mit Verfassungs­juristen. Sie wurden von ÖVP und FPÖ niedergestimmt. Sehr bedauerlich!

Gestern habe ich immerhin per Postwurf diese interessante Broschüre bekommen. (Der Redner hält eine Broschüre mit dem Titel „Die Verfassung für Europa“ in die Höhe.) Sie ist gar nicht schlecht gemacht, finde ich, relativ neutral, obwohl Bundes­kanzler Schüssel und Frau Dr. Plassnik uns vorne anlächeln, und sehr informativ. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Fast hätte ich sie weggeworfen, weil es mit allerhand anderem Reklame-„Glump“ verwickelt war. Das ist immerhin etwas, aber dies am Tag vor der Abstimmung im Parlament! – klar fühlen sich da die Bürger gepflanzt.

Aber apropos Informationspolitik: Ich begrüße die Direktübertragung des ORF zu solchen und zu anderen Themen. Das erlaubt den Seherinnen und Sehern, sich direkt ein Bild von der Arbeit in diesem Haus zu machen. Leider haben sie oft ein schlechtes Bild von dieser Arbeit. Wir hören immer wieder Klagen, wie etwa: Die Leute sind nicht aufmerksam! Sie halten Besprechungen ab! Sie sind überhaupt nicht da!, und so weiter.

Jetzt bitte ich alle Seherinnen und Seher, auch zu berücksichtigen: Sie erleben immer einen Ausschnitt, vielleicht eine halbe Stunde, vielleicht zwei; ich weiß nicht, wie lange Sie sich das anschauen. Wir sitzen hier in der Regel 12 Stunden, 16 Stunden. Es ist physisch unmöglich, die ganze Zeit hier aufmerksam und anwesend zu sein. (De­monstrativer Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) – Soviel dazu. Alle 183 Abgeordneten bemühen sich redlich, glaube ich – aber einen Kaffee brauchst zwischendurch. (Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Allerletzter Punkt: In letzter Zeit mehren sich leider die Anzeichen, dass einzelne füh­rende Manager des ORF, namentlich im Bereich der Nachrichten- und Infor­mations-


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sendungen, nicht an journalistischen Qualitätskriterien orientiert sind, sondern an be­stimmten, einseitigen parteipolitischen Gesichtspunkten. (Präsidentin Mag. Pram­mer gibt das Glockenzeichen.)

Mein Schlusssatz, Frau Präsidentin: Die Grünen – und ich hoffe, auch andere – wer­den nicht hinnehmen, dass die Objektivität und damit die Glaubwürdigkeit des ORF hintertrieben wird. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.06

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt der Herr Bundes­kanzler. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


11.06.58

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Frau Präsidentin! Ich darf dem Präsidium und der Präsidialkonferenz danken, dass die Abstimmung über dieses so wichtige Europäische Verfassungswerk in einen sehr wichtigen Zeitpunkt hineingelegt wurde, nämlich: Am 27. April 2005 war es 60 Jahre her, dass die Zweite Republik gegründet wurde, und kommenden Sonntag wird gefeiert, dass vor 50 Jahren der österreichische Staatsvertrag unterschrieben wurde – und jetzt legen wir genau in diese Zeit hinein die Entscheidung über diese Europäische Verfassung.

Das hat einen tiefen Sinn: Der Staatsvertrag hat uns frei von der Besatzung gemacht, und diese Europäische Verfassung macht uns frei zu etwas, nämlich zur Mitwirkung an einem sozialen, friedlichen und wirtschaftlich starken Europa. Und das ist eine be­deutende Botschaft des heutigen Tages! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Europa ist nicht an einem Tag erbaut worden, Rom auch nicht. Die Europäische Union wurde ja in Rom gegründet, und dieser Vertrag ist auch in Rom unterzeichnet worden. Es sind also römische Verträge, und zwar Verträge, die einen Prozess über viele Jahr­zehnte beschreiben.

Wir sind nicht am Ende dieses Prozesses, sondern wir sind auf einem vorläufigen Höhepunkt, und ich glaube schon – wie auch die Vorredner betont haben –, sagen zu können: Die europäische Geschichte, seit wir diese Integrationsbewegungen haben, angedacht von Victor Hugo bis zu Coudenhove-Kalergi, bis herauf zur berühmten Churchill-Rede und dann zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ist seit 60 Jahren eine Geschichte des Erfolges, des Friedens und der Stabilität. Und es ist sehr positiv, dass wir an dieser Geschichte auch mitwirken können.

Dieser Verfassungsvertrag ist ja nicht jetzt erfunden worden, sondern er geht zurück auf den Dezember 2001, als wir in Laeken Giscard D’Estaing als Konvents-Vor­sitzenden beschlossen und einen Konvent von 105 Persönlichkeiten, die dann fast zwei Jahre lang dieses Verfassungswerk vorbereitet haben, eingesetzt haben.

Es war am 28. Februar 2002, als der Konvent seine Arbeit aufgenommen hatte. Im Juli des darauf folgenden Jahres 2003 wurde der Verfassungsvertrag fertig gestellt. Schon im Oktober 2003 haben wir in Rom die Regierungskonferenz gegründet. Damals war Benita Ferrero-Waldner mit mir unterwegs, der ich auch hier für ihre Arbeit danken möchte. Schließlich haben wir am 29. Oktober 2004 diesen Verfassungsvertrag unterzeichnen dürfen: die Außenministerin Ursula Plassnik und ich selber.

Wir haben in zwei Stufen mit einem Bundesverfassungsgesetz die Ermächtigung bekommen, einstimmig – an dieser Stelle ein Dank an den Nationalrat, an alle vier Fraktionen hier im Hohen Hause –, und beschließen heute diesen Verfassungsvertrag.


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All diejenigen, die meinen, man hätte noch mehr informieren müssen, haben offen­sichtlich übersehen, dass wir vor Beginn des Konvents öffentliche Veranstaltungen gemacht haben, und zwar vor allem mit der Jugend. Wir haben vor Beginn der Regie­rungskonferenz stundenlang öffentlich debattiert. Wir haben hier im Hohen Hause mehrere Diskussionen ganztägig abgehalten, vor und nach jedem Euro­päischen Rat, hatten öffentliche Sitzungen des Europa-Hauptausschusses und haben dann auch mehrfach diesen Vertrag diskutiert.

Und ich sage: Ich bin auch stolz auf diese Arbeit! Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen! Ursula Plassnik und ich haben Sie sehr neutral angelächelt – wie auch die 1,2 Millionen Haushalte. Es soll keine Propagandabroschüre, sondern eine reine Information sein darüber, was in den rund 200 Seiten des echten Vertrages drinnen steht; die anhängenden Protokolle können wir dabei ruhig ignorieren.

Meiner Überzeugung nach ist es wichtig, was in diesem Vertrag für die Bürger Europas wirklich grundgelegt wird, nämlich: Jeder europäische Bürger hat einen Pass, nicht nur einen österreichischen, sondern zugleich einen europäischen Pass. Mit dieser neuen Verfassung bekommt jeder Bürger europäische Bürgerrechte. Er kann beispielsweise seine Rechte in jedem europäischen Land einmahnen. Er kann mitwählen. Er hat die Möglichkeit, konsularische Hilfe in Drittländern in Anspruch zu nehmen, was gerade bei einer Flutwelle in Südostasien ein sehr wichtiger Punkt sein kann. Er ist Teil der Grund­rechtscharta, er kann sie einklagen. Er kann die Union und ihre Organe bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof verfolgen und kann mahnen, dass sein Recht auch wirklich umgesetzt wird.

Ich halte das wirklich für einen ganz wesentlichen Schritt, der uns tatsächlich in eine offenes, bürgernahes und demokratisches Europa hineinführt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben zum ersten Mal die Möglichkeit, europäische Bürgerinitiativen zu starten. Denken Sie an Themen, die bedeutsam sein können, wie etwa der Tierschutz, den wir auch als Zielkatalog in die Verfassung hineingebracht haben – ein Thema, das uns in Österreich sehr bewegt hat. Nun gibt es die Möglichkeit, mittels einer europäischen Bürgerinitiative die Organe der Union zu zwingen, sich mit solchen Themen auseinan­der zu setzen.

Denken Sie etwa an Verkehrspolitik, an Umweltfragen, an Nahrungsmittelsicherheit und viele andere Themen, die sich da geradezu aufdrängen!

Oder denken Sie daran, dass im Falle von Verfahrensmängeln, bei Diskriminierung oder bei Missbrauch der Organe der europäische Ombudsmann angerufen werden kann!

Wer sagt, dass diese Verfassung zu wenig Demokratie enthält, zu wenig Demo­kratie­elemente enthält, der sollte auch daran denken, dass wir da zum ersten Mal dem Europäischen Parlament mächtige Mitbestimmungsregeln einräumen – etwas, was selbstverständlich für uns in Österreich ist, aber bisher nicht in allen europäischen Ländern war. Fast 100 Prozent – ich glaube, 95 oder 96 Prozent – aller europäischen Gesetze kommen in Hinkunft nur dann zustande, wenn auch das Europäische Parla­ment an der Gesetzgebung mitwirkt.

Die Minister müssen, wenn sie in den Räten zusammentreffen und Gesetze be­schließen, in diesem Fall öffentlich tagen.

Es gibt die Möglichkeit, auch den Europäischen Rat der Kontrolle des Europäischen Gerichtshofs zu unterwerfen.


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Nationale Parlamente werden gestärkt. Sie bekommen die Möglichkeit, mitzubestim­men, Klagsrechte zu haben oder die Bremse zu ziehen, wenn etwa in Fragen der Subsidiarität die kleinen Einheiten in irgendeiner Weise bedroht werden.

Also ich denke, gerade diese Elemente sind aufzuzeigen für jene Kritiker der euro­päischen Wirklichkeit, die sagen: Das ist noch immer nicht perfekt genug! – Ja, glaube ich zwar auch, sage aber gleichzeitig: Damit sind Elemente in dieser Verfassung drinnen, die bisher jedenfalls nie gegolten haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Wir Österreicher haben natürlich auch, wie jedes andere Mitgliedsland, einige nationale Themen angesprochen, die die Öffentlichkeit durchaus wissen soll: die Verankerung des Minderheitenschutzes, die explizite Aussprechung des Grundsatzes der Gleichheit von Männern und Frauen, die Verankerung des Prinzips, dass alle Mitgliedstaaten gleich sind, dass vor allem auch bei den Personalbesetzungen, etwa beim euro­päischen Ratsvorsitz, beim Kommissionsvorsitz, beim Außenminister, keine Besonder­heiten für große oder bestimmte Regionen als Grundlage genommen werden dürfen, sondern dass wirklich alle im Sinne der Ausgewogenheit berücksichtigt werden müs­sen.

Tierschutz, den ich schon erwähnt habe, Daseinsvorsorge, Preisstabilität, Grenz­regi­onen: Alles aus unserer Sicht bedeutsame Themen, die in diesem Vertrag auch enthal­ten sind.

Es gibt manche Kritiker – und ich bin dankbar, dass Professor Van der Bellen darauf hingewiesen hat –, die sagen, der Vertrag sein neoliberal. Wenn dem so wäre, ja warum unterstützt dann die europäische Gewerkschaftsbewegung einstimmig und vollinhaltlich diesen Vertrag? Darin sind wirklich für die Sozialunion wichtigste Prinzi­pien festgeschrieben, wie etwa jenes der Vollbeschäftigung im Artikel I-3 anstelle des früheren Prinzips „hoher Beschäftigungsstandard“. Es ist jetzt nicht mehr nur ein hohes Maß an sozialer Sicherheit gefordert, sondern die volle Solidarität, der Kampf gegen Missbrauch, der Kampf gegen Diskriminierung, die soziale Gerechtigkeit als grund­legendes Prinzip.

Ein weiterer Punkt, der in diesen Tagen auch immer wieder besprochen wird, ist die Frage des Vorrangs des europäischen Rechts vor dem nationalen Recht. Diese Frage wird in Artikel I-6 der Europäischen Verfassung geregelt.

Hand aufs Herz: Wie sollte denn sonst eine europäische Gemeinschaft funktionieren, wie sollte denn sonst ein europäischer Wirtschaftsraum funktionieren, wenn beispiels­weise nationale Regeln über den europäischen Gemeinschaftsregeln stehen würden? Das Prinzip ist auch wirklich nicht neu, darauf wurde bereits hingewiesen: Seit 40 Jahren gilt das in der Judikatur. Damals hat ein Italiener, Flaminio Costa, seine Stromrechnung eingeklagt, weil er damit gegen die Verstaatlichung des italienischen Stromkonzerns ENEL protestieren wollte. Die Luxemburger Richter haben ihm Recht gegeben – übrigens im Interesse des Konsumentenschutzes.

Ehrlich gesagt, als wir beigetreten sind – 30 Jahre nach diesem Erkenntnis –, hat jeder Mensch gewusst, dass wir uns einer Europäischen Union anschließen, bei der der Vorrang des europäischen Rechts – aber nur in jenen Bereichen, in welchen es Gemeinschaftskompetenzen gibt – gegenüber den nationalen oder Landes- oder Gemeindekompetenzen gilt. Das ist auch gut so, und daran hat sich nichts geändert. Das österreichische Volk hat dies bei der Volksabstimmung vor elf Jahren auch zur Kenntnis genommen, und zwar mit einer beeindruckenden Zweidrittelmehrheit. Ich halte es eigentlich auch für selbstverständlich, dass man diese Dinge ausspricht und zu ihnen steht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Erlauben Sie mir, auch etwas zur Frage Volksabstimmung zu sagen. – Ich habe mich schon sehr gewundert, dass ausgerechnet Abgeordneter Voggenhuber bemängelt hat, dass sich die Bundesregierung, ich persönlich oder mein Vertreter und die Regie­rungsfraktionen nicht nachdrücklich genug für eine europaweite Referendums-Idee ausgesprochen hätten. Darf ich ganz lieb nur daran erinnern, Herr Professor Van der Bellen und verehrte Abgeordnete von der Fraktion der Grünen: Es gibt ein gemein­sames Dokument (dasselbe in die Höhe haltend), und zwar ein gemeinsames Dokument meines Regierungsvertreters, meines persönlichen Vertreters Hannes Farn­leitner vom 31. März 2003, das übrigens Johannes Voggenhuber mit unterzeichnet hat, wie auch 15 andere Konventsmitglieder – das waren immerhin 15 Prozent des gesam­ten Konvents –, in welchem genau diese Idee, die ich auch im September 2003, noch vor Beginn der Regierungskonferenz, öffentlich unterstützt habe, drinnen ist, nämlich eine europäische Abstimmung am gleichen Tag in ganz Europa, in allen 25 Mitglieds­ländern, zu machen, damit erstmals eine solche Verfassung, eine Europäische Verfas­sung auch vom europäischen Volk gebilligt wird.

Die Regierungsparteien haben es unterstützt, auch die grüne Fraktion hat es unter­stützt – andere wären eingeladen gewesen, haben aber nicht mitgetan, aber ich begrüße es ausdrücklich, dass heute auch die Sozialdemokraten zu dieser gemein­samen Idee stehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich habe dann später noch dreimal in den Europäischen Räten, und zwar am 18. Juni, am 29. Juni und am 5. November 2004, diese Idee propagiert, bin aber ganz allein geblieben. Ich sage es hier auch. Auch das kommt vor, und ich schäme mich dafür überhaupt nicht. Ich glaube, dass wir hier weiter sind als andere Nationen.

Ich habe immer vor einem „Fleckerlteppich“ gewarnt. Jetzt machen neun Länder eigene Referenden, und dies verteilt auf fast zwei Jahre. Damit ist praktisch die europäische Arbeit in wichtigen Bereichen zum Erliegen gekommen, weil sich jetzt kein Mensch traut, in der Kommission oder im Parlament oder in den Räten verschiedene Dinge, die möglicherweise kontrovers sein könnten, vorzuschlagen, weil irgendein nationales Referendum, wo es meistens um ganz andere Themen geht, zur Diskussion steht.

In Österreich haben wir eine breite Unterstützung für diese Idee einer europaweiten Volksabstimmung. 52 Prozent der österreichischen Bürger sind für eine solche euro­paweite Abstimmung, was ja implizit auch heißt, dass damit eine nationale Abstim­mung abgelehnt wird.

Meine Damen und Herren, zum Schluss kommend: Vor 40 Jahren, am Montag dieser Woche, ist ein großer Österreicher gestorben, feiert ein großer Österreicher seinen 40. Todestag: Leopold Figl. Ich habe mir seine Abschiedsrede als Bundeskanzler und Parteivorsitzender aus dem Jahre 1951 herausgesucht, die eine berührende Vision enthält. Leopold Figl sagte damals:

Die Vereinigten Staaten von Europa sind das Ziel, das nach Überwindung aller histo­rischen Gebundenheiten erreicht werden soll. Der Weg ist noch von zahlreichen Hürden verstellt. Und doch will es scheinen, dass diese Idee einer europäischen Eini­gung durch den harten Zwang der Geschichte immer mehr ihres utopischen Charakters entkleidet wird und in das Stadium der Realisierung tritt. Damit würde in Europa eine Ordnung geschaffen, mit einem wirtschaftlichen Potential, das die Lösung der ökonomischen und sozialen Probleme ermöglicht, die von den einzelnen natio­nalen Wirtschaften bisher nicht gelöst werden könnten. – Zitatende.

Und heute, 2005, sind wir diesem Traum, wenn auch noch immer nicht ganz, aber doch, ein gewaltiges Stück näher gerückt. Ich bitte daher: Stimmen wir gemeinsam für diesen wichtigen Schritt, ein friedliches, ein soziales, ein wirtschaftlich starkes und


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demokratisches Europa für seine Bürger zu schaffen – mit einem gemeinsamen Beschluss über die neue Verfassung! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen, der SPÖ und der Grünen.)

11.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die nächsten vier Rednerinnen und Redner verfügen jeweils über 7 Minuten Redezeit.

Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer zu Wort. – Bitte.

 


11.22.27

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bun­deskanzler! Herr Vizekanzler! Frau Außenministerin! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Heute wurde schon sehr viel über Europa gesprochen. Eigentlich trägt jeder heute das Wort „Europa“ im Munde – ganz selbstverständlich –, weil wir über eine neue Verfassung für Europa abstimmen. Aber: Was ist Europa? – Europa ist eigentlich mehr als die Europäische Union, Europa ist ein Kontinent mit 45 unab­hän­gigen Staaten und mit mehr als 700 Millionen Menschen. Vergangenen Montag, am Europatag, war ich auf einer Veranstaltung, bei der die Frage aufgeworfen wurde: Wo liegt das geographische Zentrum Europas? Das hat niemand gewusst; verständlich. Das geographische Zentrum Europas ist Riga. Man sieht also, dass Europa wesent­licher größer ist und nicht nur die Europäische Union umfasst.

25 Staaten haben sich zusammengeschlossen in dieser Europäischen Union. 400 Mil­lionen Menschen versuchen einen gemeinsamen Weg zu gehen, und das ist eine politische Vision, die von einer ungeheuren Kraft ist. Nur die traumatisierenden Erleb­nisse des Zweiten Weltkrieges waren es, die diese starke politische Kraft und diesen langen Atem erzeugt haben, damit ein so schwieriger Prozess wie die Einigung Euro­pas und die Weiterentwicklung Europas auch möglich wurde.

Was ist das Besondere an der Europäischen Union? – Das ganz Besondere ist der Versuch, Vielfalt zu bewahren und gleichzeitig gemeinsame Wege zu gehen und gemeinsame Lösungen zu finden. Und genau daran entzünden sich auch sehr viele Kritiken. Eine Verfassung für Europa zu finden ist nicht einfach. Sehr viele verschie­dene Länder sind daran beteiligt, und jedes einzelne Land geht unterschiedliche Wege und hat unterschiedliche Vorstellungen. Daher glaube ich, dass die Verfassung, wie sie heute vor uns liegt, eine wirklich gelungene Verfassung ist, dass sie ein Schritt in die richtige Richtung ist und das Bestmögliche, was wir bisher erreicht haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Was ist weiters das Besondere an Europa? – Das Besondere ist, dass es auf gemeinsamen Werten gegründet ist, auf Werten wie Freiheit, Toleranz, Pluralismus. Am vergangenen Montag, am Europatag, hat mich Folgendes sehr berührt: Es wurde eine Schülerin gefragt, was für sie Europa ist und was für sie wichtig ist. Und diese Schülerin, lange nach den Weltkriegen geboren, antwortete, das Wichtigste für sie sei noch immer der Frieden. Diese Sehnsucht nach einer Friedensordnung, nach einer Gemeinschaft ist für uns alle ein Auftrag, diesen Weg weiterzugehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte auch ein paar Worte zur Diskussion über die Volksabstimmung verlieren. Das Ganze hat sich am Artikel 16 entzündet, in dem der Vorrang des Europarechts gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten formuliert ist. Das war allseits seit langem bekannt. Auch der Herr Bundeskanzler hat schon darauf hingewiesen, dass es vor mehr als 40 Jahren ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes gegeben hat, in dem sich dieser eindeutig dahin gehend ausgesprochen hat, dass Europarecht vor nationalem Recht geht, auch im Hinblick darauf, dass sich die Länder aus dem


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gemeinsamen Rechtsraum nicht einfach klammheimlich verabschieden können. Die Europäische Union würde ja gar nicht funktionieren, wenn wir nicht diese Bindung an das gemeinsame europäische Recht hätten und uns auf Grund von nationalen Indi­vidualitäten und nationalen Vorstellungen aus dem Ganzen verabschieden könnten.

Daher muss es so sein, dass Europarecht Vorrang hat, ja es ist anders überhaupt nicht denkbar. Das muss allen bewusst sein, und das war auch allen, die hier mitgemacht haben und letztlich mitgestimmt haben, von Anfang an bewusst.

Bezüglich der Volksabstimmung möchte ich noch sagen, dass ich mit großem Erstaunen die jüngste Diskussion gehört habe. Mein Erstaunen bezog sich aber weniger auf den politischen Raum – man kann politisch durchaus der Meinung sein, eine Volksabstimmung gehört zu so einem wichtigen europäischen Dokument dazu –, sondern vielmehr auf die Diskussion in der Lehre.

Erinnern Sie sich an die Diskutanten, an diejenigen, die die Stimme erhoben haben: Das waren einige Professoren, und zwar gerade diejenigen, die in ihren eigenen Kom­mentaren, etwa „Grundriss des österreichischen Verfassungsrechtes“, sagen, dass es nicht möglich ist, über einen Staatsvertrag eine Volksabstimmung abzuhalten, und die jetzt nachträglich zur Auffassung gelangt sind, dass eine Volksabstimmung vielleicht doch nicht schlecht wäre. Ich sehe die Meinungsäußerungen dieser Professoren schon allein deswegen als relativ kritisch an, weil sie eine ganz andere Glaubwürdigkeit haben.

Dass eine politische Diskussion stattfindet ist etwas anderes, als wenn Professoren über ihr ureigenstes Thema, nämlich über eine Verfassungsfrage unterschiedlicher Meinung sind, und das einen Tag vor der entsprechenden Abstimmung. Wobei auch klar war: Wir alle haben einstimmig das Ermächtigungsgesetz beschlossen, das am 30. März in Kraft getreten ist. Dies ist ja nicht das erste Mal, dass dieser Weg gewählt wurde. Daher empfinde ich eine Diskussion in der Lehre, die Mitte Mai stattfindet, als einigermaßen bedenklich und auch als verunsichernd. Das ist eigentlich keine sehr sinnvolle Art, sich mit diesem Thema zu befassen (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen), weil diese Materie ohnehin schwierig genug ist.

Die Vorteile für die Europäische Union sind von meinen Vorrednern bereits aufgezählt worden. Ich möchte nur noch darauf hinweisen, dass es auch den nationalen Parla­menten sehr viele Veränderungen bringen wird. Die nationalen Parlamente werden gestärkt. Sie erhalten alle Gesetzesvorschläge und werden in die Entscheidungs­pro­zesse eingebunden werden. Wir als nationales Parlament werden sehr oft darüber zu entscheiden haben, ob wir uns mit anderen Parlamenten zusammenschließen, um eine Stopp-Taste zu drücken. Das bringt uns eine sehr große Verantwortung, und ich appelliere an alle, sich dieser Verantwortung auch entsprechend bewusst zu werden.

Wenn man gegen die Europäische Union auftritt, stehen meist Ängste dahinter, weil vieles nicht verstanden wird. Das ist nur natürlich, weil es eine sehr komplexe Materie ist. Aber wenn die Angst geschürt wird, dass die Europäische Union über uns „drüber­fährt“, so ist dies oft unbegründet. Das Drüberfahren kann nämlich dann nicht statt­finden, wenn wir die uns zustehenden Rechte ausüben und von dem Gebrauch machen, was uns zusteht. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Mein Schlusssatz, Frau Vorsitzende: Europa ist natürlich nicht perfekt, aber es ist das Beste, was wir haben. Stimmen wir alle dieser Verfassung zu! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap zu Wort. – Bitte.

 



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11.29.55

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Es wurde von mehreren Vorrednerinnen und Vorrednern bereits darauf hingewiesen, dass es ja auch eine sehr kritische Stimmung in der Bevölkerung gegenüber der Europäischen Union gibt. Man muss natürlich wissen, dass ein Großteil der Politik der Europäischen Union von der Summe der Regierungen gestaltet wird und dass natürlich Kritik an der Politik der Europäischen Union auch eine Kritik an der Politik der jeweiligen nationalen Regierung – in diesem Fall der österreichischen Bundesregierung – dahin gehend ist, was diese in der Euro­päischen Union verwirklichen kann.

Wenn etwa kritisiert wird, dass man mehr im Bereich der Beschäftigung machen könnte, dann ist das auch eine Kritik an der nationalen Regierung, in diesem Fall an der österreichischen Bundesregierung, ebenso wie an der Europäischen Union.

Oder: Wenn kritisiert wird, dass man mehr für Wachstum hätte machen können, dann ist das natürlich auch eine Kritik an der Bundesregierung.

Auch der übertriebene, schnelle Erweiterungsprozess, hinter dem ein neoliberales Kon­zept steht, ist natürlich ein Kritikpunkt.

Warum nicht Ausstieg aus der Atomenergie? – Auch diese Frage ist ein Kritikpunkt.

Ich glaube, dass viele dieser Kritikpunkte berechtigt sind und dass man diese Kritik nur unterstreichen kann, auch heute, auch hier. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist eigentlich diese EU-Verfassung oder dieser Verfassungsvertrag, wie es ge­nauer heißt? Aufgabe dieses Vertrages ist es, hier mehr Regeln zu schaffen, mehr Bürgernähe, mehr Demokratie, es soll ein europaweites Volksbegehren möglich sein, und mit der Zielbestimmung der sozialen Rechte soll letztendlich der Weg zu einer Sozialunion beschritten werden. Diese Europäische Union soll vertieft werden, um verstärkt zu einer Bürgerunion zu werden, und es sollen nicht – oft auch von Regierungsvertretern – Entscheidungen über die Köpfe der Bürger in der Europäischen Union hinweg gefasst werden können.

Ich komme nun zur Frage der Volksabstimmung oder der europaweiten Abstimmung.

Ich glaube, Caspar Einem als Vertreter der Sozialdemokraten im Konvent hat schon im Herbst 2002 gefordert, es muss diese Einrichtung der europaweiten Volksabstimmung geben. Wir haben das schon früher gefordert, als es darum ging, einen Ausstieg aus der Atomenergie europaweit zur Abstimmung zu bringen, anhand der Diskussion über die grenznahen Atomkraftwerke.

Wir haben aber auch im Hauptausschuss einen Antrag gestellt, dass sich die Bun­desregierung im Rahmen einer Regierungskonferenz 2003 für die Verankerung des Instruments einer EU-weiten Volksabstimmung einsetzen möge. Das hat damals nicht die Zustimmung der FPÖ und der ÖVP gefunden, was mir heute noch schleierhaft ist. Man beschwört in Sonntagsreden die Wichtigkeit einer europäischen Volksabstim­mung, aber als wir vor zwei Jahren einen entsprechenden Antrag stellten, stimmten die Regierungsparteien nicht zu. Also, ich verstehe diese Vorgangsweise nicht! (Abg. Scheibner: Wir haben einen eigenen Antrag eingebracht!)

Zum nächsten Punkt, einem Punkt, der ganz, ganz entscheidend ist. Der 2. März 2005 war der Moment, wo in diesem Parlament die Voraussetzungen dafür geschaffen wur­den, dass wir heute den Beschluss über diesen EU-Verfassungsvertrag auch wirklich fassen können. Das war der Moment, in dem die Anträge für die nationale Volks­abstimmung hätten kommen müssen! Das war der Moment, in dem Jörg Haider und all diejenigen, die das jetzt einmahnen, eine nationale Volksabstimmung zur Diskussion hätten stellen sollen! – Aber das geschah nicht.


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Auf die Frage an Jörg Haider, warum er das nicht getan hat, antwortete er, das sei damals die alte FPÖ gewesen, er sei jetzt beim BZÖ. Das ist doch lächerlich! Das ist ja Nestroy: Wer ist stärker – ich oder ich, der BZÖ-Haider oder der FPÖ-Haider, der Regierungs-Haider oder der Oppositions-Haider? Bin schon wieder da – bin wieder weg! Das ist ja nicht mehr auszuhalten, diese Position! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich frage mich nur eines, wenn dieses Nestroy-Theater immer wieder eine Neuauflage findet: Herr Bundeskanzler, wie wird sich Ihre Ratspräsidentschaft abspielen, wenn Haider wieder da ist und wieder weg ist und für den Verfassungsvertrag ist und gegen den Verfassungsvertrag? (Abg. Dr. Puswald: Possenhaft! – Abg. Dr. Fekter: Keine Sorge! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wie wird es sein, wenn der „Westentaschen-Napoleon“ – laut Haider – dann als Gast nach Wien kommt, wenn die Gäste kommen, die Haider nicht mag oder wieder mag oder schon mag, oder die BZÖ mag, oder die FPÖ damals nicht gemocht hat und jetzt die BZÖ doch mag, nachdem sie umfrisiert und umgeföhnt wurde, und jetzt plötzlich ein neues Bild abgeben soll? Wie soll diese Ratspräsidentschaft aussehen, wo Öster­reich Gastgeberland ist, wo zig Fernsehstationen ihr Auge auf Sie richten – zum Beispiel auf Sie vom BZÖ, wie Sie sich immer die Treue halten? Wie soll das vor sich gehen, Herr Bundeskanzler? (Abg. Scheibner: Wir wollen jetzt über die Verfassung reden mit Ihnen!) Das kann man nicht immer nur mit Aussitzen und gelassen hin und gelassen her bewältigen, wenn dann Jörg Haider mit einem Transparent vor der Versammlung steht und dagegen protestiert. Das ist eine Frage, die sich sehr wohl stellt. (Abg. Scheibner: Wir wollen über die Verfassung reden! – Abg. Neudeck: Das ist Ihr Problem, dass Sie die Verfassung nicht kennen!)

Am 2. März wurde das verabsäumt, heute ist der 11. Mai. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich verstehe schon, dass Sie aufgeregt sind, aber machen Sie sich das mit Haider aus, wenn er gerade wieder da ist. Stehlen Sie mir aber bitte nicht mit Zwischenrufen meine kurze Redezeit! (Abg. Neudeck: Viel zu lang! – Abg. Scheibner: Ein Zwischenruf wird nicht angerechnet!)

Heute ist der 11. Mai, und heute findet nun diese Debatte über den Verfassungsvertrag statt. Ich glaube, dass dieser den Bedürfnissen der Bevölkerung, die sehr kritisch gegenüber der EU und der Politik der Bundesregierung eingestellt ist (Abg. Neudeck: Sie widersprechen Gusenbauer!), insofern entgegenkommt, als er mehr Möglichkeiten bietet, von der Grundriss-Charta angefangen, die einklagbar ist, bis zu den Zielen der sozialen Rechte, bis hin dazu, dass es mehr direktdemokratische Einrichtungen gibt. Kurz: Die EU wird bürgernäher, und dieser Vertrag bietet mehr Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen auf das, was in Brüssel geschieht. Und das halte ich für ganz ent­scheidend.

Dann wird es nicht mehr auf fruchtbaren Boden fallen, wenn Jörg Haider sagt, da gibt es Politiker in Brüssel, die keinen blassen Schimmer haben, irgendwelche dunklen Bürokraten und Verschwörungstheoretiker, die dann der Herr Bundeskanzler, wenn er Ratspräsident ist, in Wien begrüßen wird. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Sie alle werden dort stehen und die Hand hinhalten und alle begrüßen, aber ich weiß nicht, wie das funktionieren wird.

Dieser Verfassungsvertrag ist jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Wir unter­stützen ihn daher und werden ihm im Interesse Österreichs, das ein Teil Europas ist, und im Interesse der österreichischen Bevölkerung selbstverständlich zustimmen. (Bei­fall bei der SPÖ.)

11.36



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Bösch. – Bitte.

 


11.36.48

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Geschätzter Herr Bundeskanzler! – Herr Bundeskanzler, ich bin geradezu dankbar, dass in Ihrer Krawatte ein bisschen Blau drinnen ist. Das freut mich ganz besonders, möchte ich am Beginn meines Debattenbeitrages sagen. (Ruf: Orange aber auch! – Abg. Mag. Molterer: Der Gusenbauer hat eine ganz blaue! – Abg. Dr. Fekter: Sehr blau!)

Wir debattieren heute über den neuen EU-Verfassungsvertrag. In vielen Fragen, meine Damen und Herren, konnte sich die Republik Österreich in den Debatten im Konvent und danach auf europäischer Ebene durchsetzen und in vielen Fragen nicht. So ist das auf internationaler Ebene, und so ist es auch mit diesem neuen Verfassungsvertrag, den wir heute ratifizieren werden.

Wir konnten uns nicht durchsetzen bei der Gestaltung der Präsidentschaft und der Kommissare, bei der Forderung: jedes Land ein Kommissar! Da musste eine Über­gangsregelung gefunden werden. Wir konnten aber sicherstellen, dass es eine Subsidiaritätskontrolle gibt, dass es keine willkürlichen Sanktionen für Mitgliedsländer mehr geben wird, dass es eine Austrittsmöglichkeit gibt, dass es Klagsmöglichkeiten gibt und dass die Bürgerrechte in dieser neuen Verfassung verankert sind.

Diese neue EU-Verfassung ist eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Status quo, und eine Verbesserung ist auch notwendig, wenn diese Europäische Union von mittlerweile 25 Mitgliedern funktionieren soll. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Deshalb stimme ich, stimmen die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen aus dem Freiheitlichen Klub der Ratifizierung dieser EU-Verfassung heute zu.

Es werden auch – und das ist für mich als Freiheitlicher ganz besonders bedeutend – einige Grundprinzipien festgehalten, die wichtig sind. Es bleibt die Einstimmigkeit in essentiellen Bereichen erhalten, zum Beispiel in Verfassungsänderungen, zum Beispiel in den Beschlüssen zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wo es auch um militärische Einsätze geht.

Es bleiben auch die Mitgliedsländer die Grundbausteine dieser Europäischen Union, und der Europäische Rat, die Zusammenkunft der Regierungschefs der Mitgliedsländer werden weiterhin – und das ist ganz besonders bedeutend – die Konstituante dieser Europäischen Union sein. Das ist für mich von ganz besonderer Bedeutung, dass wir nämlich nach dem Wirksamwerden dieser neuen Verfassung nicht die Vereinigten Staaten von Europa haben werden, sondern die Europäische Union, eine ganz spe­zifische politische Einrichtung, einen Völkerverbund, einen Staatenbund, wie auch immer man das nennen wird, der seine spezifischen Eigenheiten haben wird, seine Vielfalt, aber auch seinen Reichtum in seiner Geschichte, seiner Politik und in seiner Weiterentwicklung.

Meine Damen und Herren! Diese Verfassung wird es aber auch möglich machen, dass die einzelnen Staaten ihre Interessen weiterhin konsequent vertreten können. Es gibt die verschiedensten Mechanismen, auf europäischer Ebene wirksam zu werden, und dass dies notwendig ist, sehen wir ja jeden Tag in der alltäglichen Politik. Ob es nun um den Transitverkehr, Tiertransporte, Umweltbelastungen, was auch immer, geht: Es besteht sichtbar die Notwendigkeit, dass sich die nationalen Länder um ihre Interessen auf europäischer Ebene kümmern. Und das ist auch mit dieser neuen Verfassung möglich.


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Wir sehen aber auch – und das muss ganz klar gesagt werden –, dass bei allen diesen kontinentalen Problemen ein Land allein zu schwach ist, um diese Herausforderungen wirklich bewältigen zu können, dass wir die europäische Zusammenarbeit benötigen, um alle diese Ziele erreichen zu können, um eine wirtschaftlich, eine sozial und auch umweltpolitisch gute Weiterentwicklung für Europa zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren! Die Europäische Union und ihre Mechanismen sind auch unsere Antwort auf die negativen Auswirkungen der Globalisierung. Auch das muss erkannt werden: dass wir uns nur auf europäischer Ebene auch weltweit durchsetzen können und dort auch Interessen aufs Tapet bringen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Diese Verfassung gibt der Union auch die Möglichkeit, sich vernünftig weiterzuentwickeln, zu sagen, sie will jetzt Vertiefung und nicht überhastete Erweiterung. Und ich glaube, dass auch wir aus Österreich diese Position immer wieder beziehen müssen und darauf bestehen sollten.

Umso wichtiger ist es aber, meine Damen und Herren, dass wir auch die kritische Haltung zur Europäischen Union ernst nehmen, umso wichtiger ist es auch, dass wir erkennen, dass die Erstellung dieser neuen Verfassung eigentlich unter der Überschrift „mehr Bürgernähe“ gestanden ist. Und: Wie hätten wir in der Debatte und in der Beschlussfassung über diese Verfassung mehr Bürgernähe erreichen können als mit einem Plebiszit? Ob das jetzt eine europäische Volksabstimmung ist oder eine natio­nale, das ließen wir Freiheitliche zu Beginn der Debatte darüber offen. Aber es ist ja nicht so, dass diese Debatte erst gestern ausgebrochen ist. Wir haben als Freiheitliche klar und deutlich gesagt, schon bei Beginn des Konvents, dass am Ende ein Plebiszit stehen muss, dass eine Volksabstimmung wichtig ist, um dieses Verfassungswerk zu sanktionieren.

Meine Damen und Herren! Es ist ja auch nicht so, dass in Bezug auf eine nationale Volksabstimmung jetzt schon der Zug abgefahren ist. Wenn wir es wollten, könnten wir eine nationale Volksabstimmung zu dieser EU-Verfassung initiieren. Das ist auch keine wissenschaftliche Frage, meine Damen und Herren, das ist eine politische Frage. Wenn wir es wollten, dann könnten wir es. Und wir Freiheitlichen bedauern es, dass wir es hier im Hohen Haus nicht durchsetzen konnten, dass man auch eine nationale Volksabstimmung stattfinden lassen kann, dass wir hier nicht die Mehrheit dafür finden, dieses Instrument der direkten Demokratie auf den Weg zu bringen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Öllinger und Dr. Glawischnig.)

Meine Damen und Herren! Eine Volksabstimmung wäre auch nicht die Möglichkeit für EU-kritische Gruppen, sich in Szene zu setzen. Das Gegenteil wäre der Fall! Es gäbe die Möglichkeit, diese EU-Verfassung in die Bevölkerung hineinzutragen, nach dem Prinzip von mehr Bürgernähe. Es wäre die Möglichkeit gegeben, dass die Regierenden die Bevölkerung auf diesem neuen Weg ins Europa mitnehmen. Ich bedauere es deshalb sehr, dass wir diesen Schritt hier bei uns im Hohen Hause nicht gehen.

Meine Damen und Herren! Ich bedauere das auch deshalb, weil man diese Verfassung nicht verstecken muss. Für diese Verfassung kann man sich einsetzen, diese Ver­fassung kann man nämlich auch öffentlich vertreten. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.43


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gla­wischnig zu Wort. – Bitte.

 



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11.43.59

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eine allgemeine Bemerkung vorausschicken, nämlich die Frage: Wozu braucht man eigentlich eine Verfassung? Was für einen Sinn hat eigentlich eine Verfassung? – Das ist etwas, wo man sich nicht immer ganz bewusst ist, was das eigentlich bedeutet, weil es so selbstverständlich ist. Eine Verfassung begrenzt die Willkür von staatlichem Handeln und hat auch die Aufgabe, durch das Festlegen von Grundrechten Freiheiten und Rechte von Bürgerinnen und Bürgern gegenüber dem staatlichen Gebilde zu definieren. Und das ist etwas ganz Wichtiges. Das Gegenteil von einem Verfassungsstaat ist eine Diktatur. – Eine Verfassung auf europäischer Ebene zu schaffen ist daher ein ganz wichtiges Anliegen.

Historisch ist die Europäische Union ja ganz eigenartig zustande gekommen: mit drei Verträgen, die auf ganz andere Überlegungen zurückgehen, nämlich EURATOM – die Begünstigung einer einzigen Energiequelle –, der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Und aus dieser Wirtschaftslastigkeit haben sich immer weiter sehr wirtschaftslastige Frei­heiten entwickelt, die so genannten vier Freiheiten im Binnenmarkt.

Das ganze andere Gebilde, nämlich die Grundrechte, hat gefehlt, und die Situation der europäischen Verfassung war bis jetzt die, dass sie ein Torso war, dass nur eine einzige Seite existiert hat und die andere nicht. Deswegen ist es so wichtig, dass in diesem europäischen Verfassungsvertrag jetzt erstmals ein Grundrechtekatalog fest­geschrieben wird, erstmals das fehlende zweite Glied zu diesen Grundfreiheiten fest­gelegt wird. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ und der ÖVP sowie des Abg. Scheibner.)

Die österreichischen Grünen haben damals, als es um die Frage gegangen ist, ob Österreich der Europäischen Union beitreten soll, mit Kritik und mit Skepsis reagiert. Und wir haben damals eine Vision gehabt, gemeinsam mit den EFTA-Staaten all das, was damals an der Europäischen Union – damals noch: an der EG – kritikwürdig war, in einem Alternativ-Europa zu schaffen. Diese Vision ist nicht zustande gekommen. Die österreichische Bevölkerung hat sich mit sehr, sehr großer Mehrheit für die Euro­päische Union, damals noch Europäische Gemeinschaft, entschieden. Wir sehen un­sere Aufgabe jetzt darin, auf allen Ebenen für eine Verbesserung der Europäischen Union zu arbeiten: dass sie ökologischer wird, dass sie nachhaltiger wird, dass sie sozialer wird, dass sie eine Friedensmacht auf der Welt wird – wer soll das sonst weltweit machen? –, und dafür arbeiten wir. Dafür arbeitet Johannes Voggenhuber im Europaparlament und wir hier auch in diesem Parlament.

Deswegen ist unsere Antwort auf diese Diskussion: EU-Verfassung: ja oder nein? eine ganz eindeutige, nämlich: Ja, wir wollen sie, aber wir wollen sie auch verändern! Wir wollen sie weiterentwickeln, und wir wollen, dass das, was jetzt da ist, verbessert wird.

Wenn ich diese kritischen Stimmen höre, die so tun, als gäbe es jetzt hiezu eine Alter­native, als könnte man sich die ideale Verfassung einfach wünschen, dann finde ich das etwas kurzsichtig. Man muss immer für das Bessere kämpfen, und man kann nicht sagen: Ich will das nicht!, aber keine Alternative sehen. Es gibt im Moment nur diese eine Alternative, diesen Verfassungsvertrag. Und die Aufgabe all der Kritiker und Kriti­kerinnen ist, daran zu arbeiten, dass sich das verbessert – aber nicht, das zu verhin­dern. (Beifall bei den Grünen.)

Ich war in den letzten zwei Tagen krankheitsmäßig etwas angeschlagen, was man auch an der Stimme hört – es ist viel zu kalt für Mai, für diese Jahreszeit –, und ich grüße an dieser Stelle alle, die zu Hause krank im Bett liegen. Ich hatte aber bei dieser


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Gelegenheit die Möglichkeit, mir zwei, drei Tage lang die vielen Beiträge, die jetzt auf allen Fernsehkanälen anlässlich des 60. Jahrestages des Kriegsendes laufen, in voller Länge anzuschauen. Und selbst ich als jemand, der schon von Jugend an politisch sehr interessiert war, war erschüttert. Diese Berichte über die letzten Kriegstage, über die Zwangslager, all die Bilddokumente, auch über den Nürnberger Prozess, all das, was jetzt anlässlich dieses Gedankenjahres noch einmal in Bildern vor uns ersteht, darf eines nicht in Vergessenheit geraten lassen: Die Europäische Union hat eines ge­schafft, was, glaube ich, in der europäischen Geschichte einzigartig ist, nämlich dass ein Krieg zwischen Staaten in Europa undenkbar geworden ist. Es lagen zwischen dem Ersten Weltkrieg und dem Zweiten Weltkrieg nur zwei Jahrzehnte, und es gab im Ersten Weltkrieg zehn Millionen Tote und im Zweiten Weltkrieg schon 60 Millionen Tote. Man stelle sich vor, es hätte noch einen dritten Weltkrieg gegeben! – Und das ist die große, große Leistung dieser Europäischen Union, und auf die kann man an dieser Stelle auch stolz sein! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ, der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Zu den Kritikpunkten an diesem Verfassungsvertrag: Es gibt die Kritik – und diese ist nicht unberechtigt –, dass darin noch sehr viele neoliberale Elemente der Gründungs­dokumente und auch des Vertrages von Nizza verankert sind. Das stimmt, aber auch nur teilweise. Wenn man sich die Europäische Grundrechtecharta anschaut, dann kann man feststellen, dass darin Dinge verankert sind, die in Österreich und in der öster­reichischen Diskussion, im Österreich-Konvent undenkbar gewesen wären, nämlich vor allem die sozialen Grundrechte. Es ist darin ein Recht auf Bildung verankert – jeder Mensch hat das Recht auf Bildung sowie auf Zugang zu beruflicher Ausbildung und Weiterbildung –; es ist sogar eine positive Diskriminierung der Frau darin verankert – das wäre in Österreich auch undenkbar gewesen, da hat es auch viele Stimmen dage­gen gegeben von Ihrer Seite –; es gibt ein Recht auf soziale Teilhabe, unabhängiges Leben, kulturelle Teilhabe für ältere Menschen, für behinderte Menschen, dass Men­schen mit Behinderungen integriert werden; und es gibt auch so etwas wie kollektive Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte, das Streikrecht zum Beispiel – auch das ist in unserer österreichischen Bundesverfassung noch lange nicht verankert und noch lange nicht in Sicht.

Das sind Errungenschaften auf der europäischen Ebene, angesichts derer sich jeder und jede, die gegen diese Verfassung auftreten, darüber im Klaren sein müssen, dass sie damit auch gegen einen europäischen Grundrechtekatalog argumentieren, der in der gesamten Grundrechtediskussion ein echter Meilenstein ist und von dem positive Impulse nicht nur für die Europäische Verfassungs-Weiterentwicklung, sondern auch für die Weiterentwicklung der gesamten Welt in Richtung Friedensunion, Nach­haltigkeit, ökologische und soziale Sicherheit ausgehen.

Nichtsdestotrotz, die Grünen werden weiterhin diese kritischen Stimmen hören, wir werden sie ernst nehmen, und wir werden diese Kritik in die Europäische Union hinein­tragen und diese verändern und verbessern.

Ein abschließender Gedanke noch zu den Freiheitlichen – zu BZÖ, FPÖ, mir Wurscht, wie sie sich nennen –: Ich bin sehr, sehr verärgert darüber, wie Sie die Bevölkerung verhöhnen – und ich sage das ganz bewusst in diesem Ton: verhöhnen! Wir haben seit Wochen und Monaten im österreichischen Verfassungsausschuss versucht, über die Frage Volksabstimmung zu diskutieren. Es hat Anträge von Bürgerinitiativen gegeben, es hat eine Petition gegeben, dass man sich das ernsthaft anschaut, dass man Ver­fassungsrechtler dazu hört und sich mit dieser Frage auseinander setzt. Es war nicht einmal möglich, von Ihnen eine Zustimmung zur Diskussion zu erhalten; sogar die Dis­kussion wurde niedergestimmt! Und dann, drei Tage vor Beschlussfassung im Nationalrat, geht Ihr angeblicher Chef, Parteichef – was auch immer das ist in dieser


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Partei oder Nichtpartei – Jörg Haider mit einer Forderung nach Volksabstimmung an die Öffentlichkeit. Das ist eine Verhöhnung der Bevölkerung! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Bitte bringen Sie das an der Stelle ein, wo es hingehört. Das ist eine so unseriöse Politik! Im Haus, dort, wo es hingehört, wo man wirklich etwas verändern kann, wo man mit Handheben, Sitzenbleiben und damit, sich einer Stimme zu enthalten oder nicht zu enthalten, Politik macht, hier wird die Politik gemacht – und nicht über Zeitungen und über Zurufe und durch, ich sage es noch einmal, Verhöhnung der Bevölkerung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Vizekanzler Gorbach zu Wort. Herr Vizekanzler, 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.51.36

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Frau Außenministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Man kann viele Entwicklungen im Bereich der Europäischen Union, in denen man eben nicht nur Chancen, sondern auch Risken sieht, auch kritisch hinterfragen. Und ich glaube, bei der heutigen Diskussion um die Europäische Verfassung geht es auch um so eine Entwicklung. Ich halte es schon für sehr positiv, dass sie in vielen Ländern dazu Anlass gibt, wieder mehr über die Europäische Union, über Positives, aber auch über Risken, die damit verbunden sind, zu diskutieren. Ich denke, es ist einfach gut, wenn man auch im Zusammenhang mit dieser Verfassung Fragen über die Zukunft der Europäischen Union stellt und sich damit auseinander setzt.

Etwa die Frage: Wohin soll sich die Europäische Union entwickeln? In welchem Rah­men, sprich: mit welcher Verfassung? Wie soll sich unser Zusammenleben innerhalb dieser Europäischen Union in Zukunft gestalten? Vor allem aber: Welches Europa werden unsere Kinder und unsere Kindeskinder vorfinden?

Meine Damen und Herren! Mit dem Vertrag über eine Verfassung für Europa haben wir alle die große Herausforderung angenommen, der Europäischen Union eine neue Qualität zu geben: hin zu mehr Transparenz, hin zu mehr an Demokratie – vielleicht noch nicht genug, da gebe ich einigen Vorrednern Recht; aber hin zu mehr Demo­kratie, das ist leicht ablesbar – und auch zu einem Europa als Wertegemeinschaft.

Dass das auch ein Kompromiss ist, das ist klar: Wenn man für 450 oder 460 Millionen Menschen, für 25 Mitgliedstaaten eine Verfassung machen will, dann wird das keine sein, die allen in jedem Bereich passt. Da gebe ich auch vielen Vorrednern Recht. Herr Van der Bellen hat darauf hingewiesen, dass es schon schwer genug war und immer noch ist, für Österreich eine Verfassung herzubringen, die den meisten, die einer großen Mehrheit passt. Aber ich glaube, es ist sehr viel gelungen in diesem Konvent, und es wäre auch einmal richtig, hier all jenen – auch aus diesem Hause – zu danken, die sich, wie ich meine, im Konvent um diese EU-Verfassung sehr vehement einge­bracht haben und die österreichische Interessen – wie man auch gut nachlesen kann – sehr vehement, sehr positiv, sehr gut, sehr erfolgreich vertreten haben. Herzlichen Dank all jenen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

Meine Damen und Herren! Ich erkenne im Gesamten gesehen, dass die Europäische Verfassung diese Europäische Union transparenter und bürgernäher macht. Sie verschafft ihr mehr Handlungs- und Gestaltungsspielraum, vereinfacht die Gründungs­verträge, sie sichert den Mitgliedstaaten ihre Souveränität und stärkt gleichzeitig die


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Stellung der Bürgerinnen und Bürger. All das sind wichtige Dinge, aber auch, dass man die Werte, von denen ich gesprochen habe, erstmals klar erkennen kann, etwa darin, dass die Achtung der Menschenwürde niedergeschrieben ist, die Freiheit, die Demo­kratie, die Gleichheit, die Rechtsstaatlichkeit, die Wahrung der Menschenrechte und, ganz wichtig: einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. All das sind wichtige Punkte, wie ich meine.

Ebenfalls wichtig ist aus meiner Sicht, dass auch klar geregelt ist, wie umzugehen ist, wenn schwerwiegende Verletzungen der Werte der Union durch einen Mitgliedstaat drohen, weil diese Neuregelung in Zukunft etwas verhindern würde, das uns Öster­reichern im Jahre 2000 mit den willkürlich und vertragswidrig, wie ich meine, verhäng­ten Sanktionen zu Unrecht geschehen ist.

Mit der Verankerung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Verfas­sungsvertrag werden auch klassische bürgerliche und politische Rechte, aber auch soziale Rechte und Grundsätze verbindlich gemacht. Das sind alles wichtige Dinge, die ein Demokrat nur positiv beurteilen kann. Auch die Verbesserung des Rechtsschutzes der Einzelnen innerhalb der EU gegenüber Rechtsakten der Union und die Über­prüfbarkeit der Handlungen des Europäischen Rates halte ich für erwähnenswert und sehr positiv, auch weil das österreichische Initiativen sind, wie ich weiß, und weil sie zur Stärkung des Rechtssystems der Union wesentlich beitragen.

Meine Damen und Herren! Sie wissen – ich habe es öfters erwähnt –, dass ich nicht nur Föderalist, sondern auch ein glühender Freund der Subsidiarität bin und die An­sicht vertrete, dass man sie so oft wie möglich anwenden möge. Deshalb glaube ich, dass es auch erwähnenswert und sehr, sehr positiv ist, dass genau die Einhaltung der Subsidiarität, dieses Prinzips, und auch eine beschriebene Überprüfung in dieser Verfassung mit beinhaltet ist und dass es Möglichkeiten für nationale Parlamente, wie Sie eines sind, wie wir hier eines sind, gibt, Vorschläge der Europäischen Kommission zu beeinspruchen, wenn ein Verstoß gegen dieses Subsidiaritätsprinzip darin erkenn­bar ist.

Ich könnte die Bürgerinitiativen, die möglich gemacht werden – also ein Mittel der direkten Demokratie – erwähnen, ich könnte auch die Sozialklausel erwähnen, in der niedergeschrieben ist, dass man ein hohes Beschäftigungsniveau bei Einhaltung eines adäquaten sozialen Schutzes niederschreibt und dafür eintritt, ich könnte die Soli­da­ritätsklausel erwähnen und noch vieles andere mehr. Etwas möchte ich aber als ganz besonders positiv erwähnen, nämlich dass es auch darum geht, mit dieser Verfassung wieder einen Schritt in Richtung mehr Sicherheit, mehr Frieden für Europa und in Europa zu gehen. Und das, meine Damen und Herren, ist gar nicht messbar, weder mit Zahlen noch mit Geld. Das ist materiell nicht messbar, sondern das ist ein Wert, der gar nicht bezahlbar ist und den wir auch immer wieder positiv erwähnen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Abschließend in der gegebenen kurzen Zeit zum Thema EURATOM. Es ist schon kritisch erwähnt worden, dass da einiges nicht gelungen ist, weder im Konvent noch in der Regierungskonferenz. Ich meine, das langfristige Ziel muss weiterhin das schritt­weise Auslaufen des EURATOM-Vertrages sein. EURATOM-Gelder dürfen ausschließ­lich für die Stilllegung von Anlagen verwendet werden, und zukünftig muss eine ausdrücklich Rechtsgrundlage für europaweite Sicherheitsstandards auch Ziel und Ge­genstand von Initiativen österreichischer EU-Politik sein. Das scheint mir ein Punkt, den wir weiterverfolgen müssen. Der ist nicht so gelungen, wie wir uns das alle, glaube ich, vorstellen. Aber in Summe gewinnen die Mitgliedstaaten bei Erhaltung der Souve­ränität und Eigenstaatlichkeit mehr Möglichkeiten, mehr Sicherheit – Kompetenzen werden festgeschrieben, Verfahren werden normiert, Grundrechte deklariert –, also mehr Rechtssicherheit, mehr Demokratie.


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Meine Damen und Herren! Ich glaube, man kann dieser Verfassung mit gutem Gewis­sen zustimmen. Es ist eine Verfassung im Europa der Regionen. Leben müssen wir dieses Europa der Regionen natürlich selbst. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Rednerinnen und Redner der nächsten Runde haben jeweils 5 Minuten Redezeit.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Lopatka zu Wort. – Bitte.

 


11.59.20

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir seitens der Volkspartei freuen uns wirk­lich, dass wir in wenigen Stunden diese Verfassung ratifizieren werden, denn bei dieser Verfassung wird es fünf Gewinner geben:

Der erste Gewinner – und das ist das Wichtigste – sind die Bürger: die 450 Millionen Bürger und Bürgerinnen der jetzigen Europäischen Union der 25. Sie sind die Haupt­gewinner dieser neuen Verfassung, denn – es ist schon angesprochen worden –: Was in der Charta der Grundrechte gelungen ist und jetzt mit der Beschlussfassung auch rechtlich abgesichert wird, ist natürlich ein großer Fortschritt bei sozialen Grundrech­ten, bei Bürgerrechten und Freiheitsrechten.

„Wie es mit Europa weitergehen wird, wissen wir nicht. Die Charta der Grundrechte kann ein erster Schritt sein, dass Europa wieder bewusst seine Seele sucht.“ – Das schrieb der jetzige Papst Benedikt XVI. im Jänner dieses Jahres, noch als Kardinal Josef Ratzinger, in seinem Buch „Werte in Zeiten des Umbruchs“.

Es ist für uns als Christdemokraten eine ganze entscheidende Frage, dass neben der Wirtschaft die Frage der Werte in den Mittelpunkt gerückt wird. Mit der vorliegenden Fassung ist es gelungen, diesen europäischen Grundwerten auch eine entsprechende Geltung zu geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Lunacek: Was hat Ratzinger damit zu tun?)

Der zweite Gewinner sind die Parlamente. Insbesondere unserer Vertreter im Euro­päischen Parlament, aber auch wir als Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat haben durch diese Verfassung in Hinkunft natürlich mehr Möglichkeiten und sind stär­ker in den Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union miteinbezogen.

Der dritte Gewinner – auch das kommt Österreich entgegen, und zwar auf Grund unse­res föderalistischen Prinzips – sind unsere Gebietskörperschaften und die Regionen, weil sie durch das Subsidiaritätsprinzip stärker eingebunden werden und die Euro­päische Union somit wieder ein Stück näher zum Bürger rückt. Es ist ja heute von vielen Rednern richtigerweise angesprochen worden, dass es Aufgabe von uns allen ist, unseren Beitrag dazu zu leisten, dass die Europäische Union beim Bürger unmittel­barer spürbar wird.

Und das werden unsere Europaparlamentarier allein ganz sicher nicht bewältigen können, denn bedenken wir nur Folgendes: Es gibt österreichweit 18 EU-Abgeordnete, aber selbst im kleinsten Bundesland in Österreich – ob Burgenland oder Vorarlberg – gibt es 36 Landtagsabgeordnete; wir hier im Nationalrat sind 183. Wir müssen also die europäische Aufgabe auch als Aufgabe von uns Abgeordneten annehmen und auch etwas dafür tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Vierter Gewinner sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, weil in dieser Verfassung klare Spielregeln aufgestellt werden und die Kompetenzverteilung zwi­schen der EU und den Mitgliedstaaten klar geregelt ist.


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Fünftens wird durch diese Verfassung natürlich auch die Europäische Union selbst gestärkt – und die Europäische Union braucht diese Stärkung! Gerade in Zeiten, in denen kleinstaatliche, nationale Politik auf der Weltbühne ganz sicher nicht Erfolg versprechend ist, muss sich diese Europäische Union bewähren. In einer globalisierten Welt geht es ja letztendlich darum, dass sich diese 450 Millionen Menschen – und wenn die Europäische Union neuerlich erweitert wird, vielleicht sogar mehr als 500 Mil­lionen – in einem Konkurrenzkampf mit China – mit 1,3 Milliarden Einwohnern – und Indien – bereits jetzt mehr als 1 Milliarde Einwohnern – behaupten können. Dazu ist diese Europa-Verfassung ganz sicherlich ein wichtiger Schritt.

Ich darf auch erwähnen, dass Europa immer ein Anliegen der Österreichischen Volks­partei war. Der Herr Bundeskanzler hat hier schon Bundeskanzler Figl erwähnt, der diesbezüglich federführend tätig war. Es war Nationalratspräsident Andreas Khol, der 1986 gemeinsam mit Kollegen im Hohen Haus den Antrag eingebracht hat, die österreichische Außenpolitik auf die EG hin – wie es damals geheißen hat – mit dem möglichen Ziel des Beitritts auszurichten.

Neun Jahre später war es dann so weit: Österreich ist mit einem überwältigendem Zustimmungsvotum der Bevölkerung dieser Europäischen Union beigetreten.

Mit dem heutigen Beschluss setzen wir nach dem Beitritt 1995 einen weiteren wich­tigen und bedeutenden Schritt für ein starkes Europa (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), ein Europa, das seinen Bürgern Wohlstand, persönliche Freiheit (Abg. Gaál: Redezeit ist abgelaufen!) und Frieden sichert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.04


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort. – Bitte.

 


12.04.42

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es haben jetzt vor mir elf Rednerinnen und Redner sehr viel Richtiges über das, was in dieser neuen Europäischen Verfassung steht, gesagt. Ich will das nicht wiederholen, ich will das nicht aufdoppeln, sondern mich ein bisschen mit der Frage auseinander setzen, warum wir jetzt mit einer zwar nicht massiven, aber doch nicht zu übersehenden kritischen Stimmung auch gegenüber unserer heutigen Ent­scheidung hier im Hohen Haus konfrontiert sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir können dabei sowohl selbstkritisch sein also auch – erlauben Sie mir das! – ein bisschen Kritik an der Regierung üben. (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Überraschung! – Abg. Dr. Brinek: Das ist aber neu!) Der Punkt ist, dass wir feststellen müssen: Es ist von Seiten der Regierung über die Verfassung nicht hinreichend informiert worden! Das ist vorhin schon gesagt worden, ich möchte es nun mit Beispielen unterlegen.

Es ist seinerzeit, vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, ganz massiv – und zwar nicht nur von der Regierung, sondern gemeinsam mit den Sozialpartnern, zum Teil gemeinsam mit Vertretern der Kirchen – über das, was bevorsteht, informiert worden – und das war nicht unmaßgeblich dafür, dass es dann 65 Prozent Zustim­mung in der Bevölkerung gegeben hat.

Auch vor der Einführung des Euro wurde von Fachleuten der Oesterreichischen Nationalbank und auch von Politikern und Sozialpartnern argumentiert, warum es ein vernünftiger Schritt ist, den Euro in Österreich einzuführen und das zu akzeptieren. Und das hat dazu geführt, dass die Zustimmung zu dieser Maßnahme relativ hoch war.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! All das vermissen wir jetzt. – Ja, Herr Bun­deskanzler, es hat Veranstaltungen gegeben, aber ein, zwei Großveranstaltungen vor Beginn des Konvents, eine Veranstaltung im Redoutensaal während des Konvents, ein paar weitere Veranstaltungen danach, das macht das Kraut nicht fett, Herr Molterer! Der Punkt ist der: Der Aufwand, den Sie treiben, um für sich selber zu werben – bei­spielsweise wenn Sie eine Steuerreform machen, über die man durchaus diskutieren kann –, haben Sie für die Verfassung nicht getrieben. Und dafür bekommen wir jetzt die Rechnung: kritische Stimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist aber nicht nur meine Auffassung, dass dem so ist. Lassen Sie mich Ihnen zumin­dest zwei Zitate vortragen. Sie finden heute in der „Presse“ – nicht gerade das sozial­demokratische Zentralorgan – einen Kommentar von Wolfgang Böhm, in dem es heißt:

„Schon im Entstehungsprozess ist vieles schief gelaufen. Es durfte zwar ein breit angelegter öffentlicher Konvent aus Vertretern der EU-Regierungen, der Parlamente und EU-Institutionen die Verfassung ausarbeiten. Doch das letzte Wort behielten sich die EU-Regierungschefs vor, die hinter verschlossenen Türen – und ohne jede Öffent­lichkeit – wieder einmal ihre Machtinteressen abtauschten.“ (Abg. Mag. Molterer: Wir haben das letzte Wort!)

Herr Bundeskanzler, das ist das Problem! (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Hier ist das letzte Wort!) Hier ist das letzte Wort zum ja oder nein sagen, Herr Bundeskanzler und Herr Klubobmann! Aber das ist ja nicht das, worum es geht, sondern die Frage ist, ob eine substantielle, inhaltsvolle Debatte stattfinden kann, und die kann nur dort statt­finden – und dort hat sie hinter verschlossenen Türen stattgefunden. Die Regierungen hätten breit informieren müssen, sagt auch Wolfgang Böhm in der „Presse“. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dieser ist Ihnen vielleicht nicht so sympathisch, aber auch Ihr Abgeordneter Rack, der sehr intensiv, sehr konstruktiv und sehr gut am Konvent mitgearbeitet hat, sagt in derselben Zeitung heute sehr deutlich, dass es in Österreich keine inhaltliche Dis­kussion über die Europäische Verfassung gegeben habe, und ortet diesbezügliche Versäumnisse im Bundeskanzleramt und im Außenministerium. (Abg. Dr. Brinek: Immer vor der eigenen Tür kehren!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir alle – und auch Sie sollten die Fähigkeit zu einer angemessenen Selbstkritik aufrecht erhalten: Wir sind hier nicht gut genug gewesen! Und diejenigen, die die Hauptverantwortung tragen, sind jeweils die, die regieren, also momentan Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Regierung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Donabauer.)

Lassen Sie mich dann noch ein Weiteres sagen! Es hat um 10.53 Uhr der Klubobmann der Freiheitlichen hier erklärt: Wir sind dafür, dass alle Vor- und Nachteile dieser Verfassung öffentlich diskutiert werden! – Glückwunsch, Herr Scheibner! Das finde ich wunderbar, dass Sie heute, zwei, drei Stunden, bevor das beschlossen wird, so eine Erklärung abgeben. (Abg. Scheibner: Wo waren denn Sie die drei Jahre?) Die Frage ist die: Wo hat es sie denn gegeben, diese öffentliche Debatte? Gestern ist als Post­wurfsendung eine Broschüre der Bundesregierung gekommen. Welche Chance für die Bevölkerung hat es denn da gegeben, wenn Sie schon so stolz darauf sind?

Ja, es muss öffentlich diskutiert werden, aber es wäre reichlich an der Zeit gewesen, das früher zu tun – und mit jenem Aufwand zu tun, den die Regierung für sich selbst zu treiben in der Lage ist!

Ein Letztes, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir müssen dabei auch an die Qualität der zu liefernden Information denken. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner


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Rede (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen) – ich bin beim Schluss­satz –, gesagt, dass jeder Mensch in Österreich zum Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur EU gewusst habe, dass das EU-Recht dem nationalen österreichischen Recht vorgehe.

Herr Bundeskanzler, das ist ein Unsinn! Das hat natürlich nicht jeder Mensch gewusst! (Rufe bei der ÖVP: Nein, das stimmt nicht!) Und genau solche Behauptungen ärgern die Bevölkerung, daher sollte man sie unterlassen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der Grünen.)

12.10


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Brinek – in Richtung SPÖ –: Wir haben das schon gemacht! Ich weiß nicht, wie das die SPÖ gemacht hat! – Ruf bei der SPÖ: In der ÖVP-Klubsitzung?)

 


12.10.24

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! (Vizekanzler Gorbach: Alles Gute zum Geburtstag!) – Danke!

Wenn man diese Debattenbeiträge heute gehört hat, so könnte man glauben, dass, Österreich, wenn wir heute über diese Verfassung abstimmen – und ich schicke vor­aus, ich werde zustimmen –, dann aus einem finsteren, unentwickelten Tunnel heraus­tritt und endlich in das Licht der EU kommt, wo es Gott sei Dank endlich Rechte gibt, wo man sich Gott sei Dank endlich verwirklichen kann!

Also bei aller Euphorie für die EU und die damit zusammenhängenden Institutionen muss ich schon sagen: Ganz so ist es nicht! – Wir reden immer von der Geburtsstunde Österreichs und von unseren Jubiläen, die wir in diesem Jahr begehen, daher möchte ich einmal hier ganz deutlich Folgendes gesagt haben:

Österreich ist einer der am besten entwickelten Rechts- und Sozialstaaten. Wir haben all diese Rechte, die heute mehr oder weniger als neu dargestellt wurden, schon jetzt beziehungsweise wir könnten sie haben – wir bräuchten sie nur zu beschließen, dann, wenn wir sie uns leisten können. (Abg. Öllinger: Wir könnten sie haben!) So ist es wirklich nicht, dass wir die EU brauchen, damit wir uns rechts- oder sozialpolitisch fortentwickeln.

Der Herr Bundeskanzler hat allerdings richtigerweise gesagt: Wir können mit Hilfe dieser Verfassung in Europa mehr mitwirken – darauf kommt es an, und das muss man, glaube ich, in Zukunft trennen. Österreich sollen wir weiterentwickeln können, noch besser entwickeln können, und in der EU wollen wir besser mitarbeiten. Das war uns bisher verwehrt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Hinsichtlich der Debatte über einen Angriff auf den Kern der österreichischen Verfas­sung muss man wirklich der Realität ins Auge schauen: Wir sind vor zehn Jahren der EU beigetreten und haben uns, wenn wir uns dafür interessiert haben, darüber infor­miert und haben gewusst, was auf uns zukommt. (Abg. Scheibner: Und auch immer gesagt!) Das muss man wirklich betonen! Wer es wissen wollte, hat es erfahren. Die Propaganda war relativ primitiv, das stimmt, man konnte sich jedoch auch zu anderen Informationen Zutritt verschaffen.

Jeder wusste jedenfalls, dass EU-Recht dem innerstaatlichen österreichischen Recht vorgehen wird. Mit der neuen Verfassung wird zwar wieder ein formaler Akt geschaf­fen, aber dieser formale Akt ist nicht grundsätzlich neu. Und deshalb gibt es keinen rechtlich wirklich zuverlässigen Grund, nicht zuzustimmen – das muss man auch


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einmal, glaube ich, hier festhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was die Volksabstimmung anbelangt, wäre sie – und das sagen wir Freiheitlichen alle – vorbehaltlos zu wünschen. Man muss aber zugestehen, der größere, der stär­kere Regierungspartner hat hier kein Einsehen gehabt. Wir haben es versucht, aber wir haben es nicht brachial versucht; wir hätten es gerne gehabt, es wurde uns nicht zugestanden. Das muss man einfach akzeptieren!

Ich möchte aber Folgendes hinzufügen: Die Österreicher haben insbesondere in den letzten 60 Jahren in schwierigen Fragen immer richtig entschieden. Und es wäre durchaus zumutbar gewesen, in der Frage der Volksabstimmung in Bezug auf die EU-Verfassung dem österreichischen Volk, der österreichischen Bevölkerung die Ent­scheidung zu überlassen. Das wäre durchaus zumutbar gewesen, und ich bedauere es, Herr Bundeskanzler, dass das nicht geschehen konnte.

Als Justizpolitiker muss ich bezüglich des Verhandlungsergebnisses, das von unseren Vertretern nach Hause gebracht wurde, kritisch anmerken: Im Regierungsprogramm steht, dass wir die europäische Staatsanwaltschaft nicht wollen, im Regierungs­pro­gramm steht auch, dass wir die Einstimmigkeit im Strafrecht nicht wollen – dies aus gutem Grunde. Trotzdem haben Sie, Herr Bundeskanzler, uns das im Rucksack Ihres Ergebnisses aus Brüssel nach Hause gebracht, obwohl wir zudem vereinbart hatten, dass darüber zugunsten Österreichs wirklich ein Kampf ausgetragen werden solle.

Ich kann Ihnen nur in aller Deutlichkeit sagen: Die europäische Staatsanwaltschaft hat keine Strukturen in diesem Land. Man weiß nicht, welche Behörden sie repräsentiert. Man weiß nicht, von wem sie kontrolliert wird. Man weiß nicht, in welcher Sprache ver­handelt wird. Man weiß nicht, welche Kompetenzen sie haben wird. Man weiß nur, der Hintergrund ist, dass die EU leider neue Mitgliedstaaten zugelassen hat, die keinen rechtsstaatlichen Hintergrund haben, die keine rechtsstaatlichen Strukturen haben, wie wir sie gewohnt sind. Deswegen müssen wir im Rahmen der europäischen Staats­anwaltschaft einen Souveränitätsverlust hinnehmen, den sich Österreich nicht verdient hat! Und dieses Ergebnis muss man kritisieren dürfen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Gleiche gilt für die Frage der Mehrstimmigkeit im Strafrecht. Wir haben in der EU immer das Prinzip gehabt, dass das Strafrecht nur einstimmig geändert werden kann. Wir haben (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen) – es kommt schon der Schlusssatz –, wir haben in diesem Bereich Differenzen in Europa, die man offen­kundig übersehen hat: In Irland ist der Besitz von Teilen von Waffen mit bis zu 14 Jahren Freiheitsstrafe bedroht, in Österreich ist es nicht einmal ein Verwaltungs­delikt. Wie wollen wir dieses Problem mit Mehrstimmigkeit bewältigen? (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Es ist ein innerer Bezug zum Strafrecht erforderlich, wenn man das wirklich sinnvoll umsetzen will. (Präsidentin Mag. Pram­mer gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Ich glaube, dass hier noch sehr viel Information notwendig ist und bitte Sie, Herr Bundeskanzler, das zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

12.16


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, bitte um Einhaltung der Redezeit! (Abg. Mag. Molterer – in Richtung des das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. hmdorfer –: Alles Gute zum Geburtstag!)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

 



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12.16.20

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Frau Außenministerin! Meine Damen und Herren auf der Galerie und auch vor den Fernsehbildschirmen! Lassen Sie mich zu Beginn einige der positiven Dinge, die die Grünen und mich dazu bewogen haben – dazu bewegen werden –, ja zu dieser Verfassung zu sagen, erwähnen!

Meine Kollegin Glawischnig hat es schon angeführt: Die Europäischen Union war von Beginn an eine Wirtschaftsunion. Was jetzt passiert, ist, dass sie auch zu einer politi­schen Union gemacht wird. Es fehlt zwar schon noch einiges dazu, aber zumindest wird nun mit der Verankerung von Grundrechten für alle Bürgerinnen und Bürger, mit der Verankerung sogar von sozialen Menschenrechten als Grundrechten, ein ganz wichtiger Schritt in diese Richtung gegangen. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt, der auch mir sehr wichtig erscheint, ist das Friedensprojekt Europa. Nicht von ungefähr feiern wir, gedenken wir in diesen Tagen auch des Endes des nationalsozialistischen Terrors und des Zweiten Weltkrieges. Eines der Ergebnisse sozusagen, die aus diesem Terror, aus diesem Krieg zu lernen waren, ist, dass dieses Europa zusammenwachsen soll und dass es nie wieder so einen Krieg in diesem Europa geben soll! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP, der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Dies soll aber nicht nur in den jetzigen Staaten der EU so sein, sondern dieses Friedensprojekt soll auch zum Beispiel eines für Südosteuropa sein, denn es liegt in der Verantwortung der EU, darauf zu wirken, dass es auch in jenen Staaten dieser Re­gion, in denen noch vor etwa 15 Jahren blutige Kriege getobt haben, keinen Krieg mehr gibt.

Ein weiterer Auftrag dieser Verfassung ist für uns Grüne, dass Europa seine inter­nationale Verantwortung wahrnimmt. Es soll nicht nur wirtschaftlich in allen Teilen der Welt vertreten sein, Investitionen fördern et cetera, sondern all das muss im Rahmen der Achtung der Menschenrechte und der Demokratie stattfinden, sodass nicht die Wirtschaft Oberhand bekommt und Dinge wie soziale Rechte, Menschenrechte, Demokratie in den Hintergrund geraten. Auch das gehört für mich zu dieser Not­wen­digkeit, das „Nie wieder Krieg!“ im Rahmen der EU-Verfassung zu verankern. Die Prob­leme, die es dabei gibt, und die Gründe dafür, dass diese Verfassung in Österreich und in vielen Teilen Europas mit sehr viel Kritik konfrontiert ist, haben viele der Vor­red­nerinnen und Vorredner schon erwähnt.

Auf einen dieser Kritikpunkte, der auch Österreich betrifft, möchte ich hier noch einmal eingehen. Herr Bundeskanzler! Sie haben erwähnt, dass Sie sich schon im September 2003 für eine europaweite Volksabstimmung eingesetzt haben. Sie haben sogar gesagt, es habe einen Entwurf, einen Text Ihres Beauftragten, Herrn Farnleitner, ge­geben, den auch der Kollege von den Grünen, Voggenhuber, unterschrieben habe. – Herr Bundeskanzler! Ich habe eben mit Johannes Voggenhuber telefoniert und bestätigt bekommen, dass das ein Vorschlag von Johannes Voggenhuber war, den dann zum Glück auch Kollege Farnleitner mit unterstützt hat.

Es war also eine Initiative der Grünen, die da im März 2003 stattgefunden hat. Gut, dass auch die ÖVP mitgemacht hat, aber über Ihren von Ihnen, Herr Bundeskanzler, heute angeführten Vorschlag, wonach Sie sich schon im September 2003 für eine Volksabstimmung über die Verfassung eingesetzt hätten, steht in der APA vom 23. September 2003 nur:

„Gegen eine ,Volksabstimmung auf europäischer Ebene über die EU-Verfassung hat Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) nichts einzuwenden.“


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Wenn nur das Ihr Einsatz im Jahr 2003 für eine gemeinsame Volksabstimmung auf EU-Ebene war, dann war das sehr wenig, zu wenig, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundes­kanzler Dr. Schüssel.)

Lassen Sie mich auch noch festhalten, dass es laut Informationen – ebenfalls von Johannes Voggenhuber; es gab ja schließlich auch einen Konventsvertreter im Euro­päischen Rat – eineinhalb Jahre lang nach diesem Schreiben vom März 2003, nämlich bis Herbst 2004, im Rat keine Debatte darüber und auch von Ihnen, Herr Bundes­kanzler, keinen Beitrag dazu gegeben hat, eine europäische Volksabstimmung zu machen. (Abg. Parnigoni: Er ist ein Schweiger!)

Herr Bundeskanzler, was Sie hier gesagt haben, ist Demagogie – und entspricht nicht den Tatsachen! Ihr Einsatz für eine europäische Volksabstimmung war nicht ge­nügend. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das bedeutet aber auch, dass es zu wenig an Information in Österreich gegeben hat.

Zur Broschüre, die Sie haben ausschicken lassen, darf ich sagen: Ja, viel Informatives ist drinnen, viel Interessantes, aber glauben Sie nicht, dass es notwendig gewesen wäre, auf jene Dinge einzugehen, die die österreichische Bevölkerung interessieren, nämlich, was jetzt wirklich mit der Neutralität passiert, ob sie abgeschafft wird, wie manche sagen? – Ich kann nur sagen: Nein, das ist nicht so, die bleibt weiterhin aufrecht! Aber dazu steht in dieser Broschüre nichts drinnen!

Zu dem Punkt – auch ein Vorwurf immer wieder an Sie –, ein militärisches Kerneuropa werde gemacht. – Im Ausschuss letzte Woche haben Sie gesagt: Na ja, Kerneuropa: Vielleicht müsste man sich das jetzt doch überlegen! – Auch diese Punkte hätten in dieser Broschüre behandelt werden sollen, und es hätte gesagt werden sollen: Nein, nach dieser Verfassung wird es – das ist auch die Interpretation der Bundesregierung, das sollte sie nämlich sein; die Interpretation der Grünen ist es jedenfalls – keine Teilnahme Österreichs an einem militärischen Kerneuropa geben! (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Das hätten Sie da drinnen schreiben sollen – und nicht nur das, was positiv und gut an dieser Verfassung ist. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­ministerin Dr. Plassnik. Redebeitragszeit: 7 Minuten. – Bitte, Frau Ministerin.

 


12.22.00

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ergänzend einige Bemerkungen aus außenpolitischer Sicht zu diesem neuen europäischen Verfassungswerk machen.

Wir haben hier nicht weniger als den ersten gemeinsamen Verhandlungserfolg der erweiterten Europäischen Union vor uns, der Union der 25, und das ist ein Novum in der Geschichte Europas. 25 gleichberechtigte, souveräne Staaten haben gemeinsam die Regeln für ihr Zusammenwirken geschaffen. Sie haben sich über die Werte ver­ständigt, die ihr Handeln bestimmen werden, sie haben sich über die Ziele verständigt, die sie gemeinsam verfolgen wollen, und sie haben auch die Rechtsregeln festgelegt, die den tagtäglichen Interessenausgleich bestimmen werden.

Mit dieser Verfassung wird also ein Stück moderner europäischer Identität geschaf­fen – und das in vollem Respekt vor den kulturellen, wirtschaftlichen und sicherheits­politischen Eigenheiten der Mitgliedstaaten. Diese Verfassung wird – das wurde ja


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schon gesagt – für 450 Millionen Menschen gelten, sie wird aber auch ein ganz konkretes Band der Gemeinsamkeit schaffen: Sie verbindet in Zukunft jeden einzelnen Europäer mit jedem anderen – egal, ob Ungar oder Lette, ob Portugiese oder Österreicher.

Diese Verfassung ist also nicht nur blau mit goldenen Sternen, sondern sie ist auch rot-weiß-rot; sie enthält auch die Farben unserer Partner in der Europäischen Union. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich finde es auch bemerkenswert, dass dieser erste gemeinsame Erfolg der 25 gerade das Fundament legt für unser zukünftiges Handeln.

Der Verhandlungsprozess an sich war eine positive Erfahrung für Europa, denn es hat einen derart demokratischen und transparenten Prozess vorher nie gegeben. Erstmals waren es eben nicht nur die Regierungsvertreter, sondern auch die Volksvertreter, und zwar die Volksvertreter aller politischen Gruppierungen jedes Mitgliedstaates, die dieses Werk gemeinsam in öffentlichen Debatten entwickelt haben. Ich danke aus­drücklich den österreichischen Mitgliedern des Konvents Hannes Farnleitner, Caspar Einem, Reinhard Bösch, Johannes Voggenhuber und ihren jeweiligen Stellvertretern. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Diese Verhandlungen waren aber auch eine sehr positive Erfahrung für Österreich, für die kleineren und mittleren Mitgliedstaaten insgesamt. Wir haben Allianzen geschmiedet mit anderen Partnern, mit Partnern, die naturgemäß ähnliche Interessen hatten. Wir haben uns aber nicht nur gemeinsam für Verhand­lungsziele eingesetzt, sondern damit auch ein bleibendes Netzwerk geschaffen, das auch heute noch positiv wirkt.

Die Debatte, die wir heute führen, ist wichtig für Österreich, sie ist aber auch wichtig in anderen Staaten. Fünf der europäischen Mitgliedstaaten haben die Verfassung bisher bereits ratifiziert: Litauen, Ungarn, Italien, Griechenland und Slowenien. In Spanien ist sie nach einem Referendum so gut wie ratifiziert.

Heute, an diesem Tag, werden die Volksvertreter der Slowakei über diese Verfassung beraten und ihre Entscheidung treffen; morgen wird das in Berlin der Bundestag tun.

Sie sehen also, meine Damen und Herren, wir ordnen uns ein, wir reihen uns auch in diesem Punkt in die europäische Gemeinschaft ein. – Und Sie, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, setzen mit der heutigen Entscheidung ein klares Zeichen für ein wiedervereinigtes, für ein handlungsfähiges und zukunftsgerichtetes Europa. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In außenpolitischer Hinsicht legt die neue Verfassung nicht nur die Instrumente und Funktionen fest, die die Außenpolitik in Zukunft verstärken werden, sondern auch die Zielsetzungen des Handelns der Europäischen Union im außenpolitischen Bereich. Und ich möchte hier kurz zitieren aus dem Artikel III-292 (1):

„Die Union lässt sich bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Grund­sätzen leiten, welche für ihre eigene Entstehung, Entwicklung und Erweiterung maß­gebend waren und denen sie auch weltweit zu stärkerer Geltung verhelfen will: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Men­schenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der Menschenwürde, der Grundsatz der Gleichheit, der Grundsatz der Solidarität sowie die Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts.“ – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Diese Verfassung schafft also auch die inhaltlichen Grund­lagen dafür, dass Europa auch morgen seiner Verantwortung in der Welt gerecht werden kann.


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Mit der Verfassung wird sich aber auch das Bewusstsein verfestigen, dass Europa gemeinsam ungleich mehr Gewicht und Durchsetzungsvermögen als einzelne Mitglied­staaten hat. Dieser Kontinent ist heute sicherer, freier und wohlhabender als je zuvor in unserer Geschichte.

Was die Menschen heute bewegt, ist die Absicherung des spezifisch europäischen Lebensmodells, eine wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, eine von Pluralismus und Toleranz geprägte Gesellschaft, ein hohes Maß an Umweltschutz, soziale Ge­rechtigkeit und sozialer Schutz, Gleichheit von Frauen und Männern, Solidarität und Vielfalt.

Ich begrüße besonders die Vertreter der jungen Generation, die heute hierher (in Richtung Galerie) ins österreichische Parlament gekommen sind; es ist ein wichtiger Tag für sie: Es wird auch mitentschieden über ihre Zukunft; Sie werden das euro­päische Einigungswerk weiter zu tragen, weiter zu entwickeln haben. (Allgemeiner Beifall.)

Schließen möchte ich nun mit einer Bemerkung über das Motto der Europäischen Union: In Vielfalt geeint. – Das ist das Ziel, das ist auch ein Grundprinzip, das uns trägt. Europa entsteht nicht an einem Tag und nicht durch einen Vertrag, sondern durch ganz konkrete Taten, durch eine „Solidarität der Tatsachen“, wie dies Robert Schuman beschrieben hat.

Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, setzen heute einen solchen Schritt. Es ist ein Schritt der Zuversicht, ein Schritt des Selbstvertrauens für unsere gemeinsame europäische Zukunft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die nächsten vier Abgeordneten, die nun zu Wort kommen, verfügen über jeweils 4 Minuten Redezeit.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Neugebauer. – Bitte.

 


12.29.23

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Herr Professor Van der Bellen, das Vorwort dieser Broschüre hat auch für mich eine Neuigkeit geliefert, und zwar den Rückblick, dass Karl Renner im Reichsratssitzungssaal vor 96 Jahren doch sehr bemerkenswert zitiert wird:

„Die Nationen werden immer streiten, aber das Entscheidende ist, ob sie streiten mit Heugabeln, durch gegenseitiges Einschlagen der Fenster ... oder aufgrund gewis­ser­maßen eines Grundbuchs.“ – Zitatende.

Und dieses Grundbuch liegt eigentlich heute für 450 Millionen Bürger der Europäischen Union vor.

Ich stehe nicht an, allen sehr herzlich zu danken, die sich im Konvent eingebracht haben; die Namen wurden ja genannt: Farnleitner, Dr. Einem, Dr. Bösch, Voggen­huber.

Ich hätte mir nur gewünscht, Herr Kollege Einem – der Sie einen qualifizierten Beitrag zum Werden dieses Verfassungstextes geleistet haben –, wenn es in Ihrer Wort­meldung hier zumindest ein wenig Stolz auf diese Leistung gegeben hätte. Sicherlich wird die Frage nach mehr Information auch weiterhin auf der Tagesordnung stehen.

Meiner Überzeugung nach ist das jedenfalls ein wahrer Fortschritt gegenüber den bisherigen Vertragstexten, wenn ich etwa nur daran denke, dass die soziale Dimension in den Grundrechten verankert ist; wenn ich an die Debatte übers Wasser oder an die


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Schildläuse-im-Joghurt-Diskussion denke. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, die Daseinsvorsorge ist Teil der nationalen Identität – und mit derartigen Dingen brauchen wir uns jetzt wirklich nicht mehr aufzuhalten.

Wir haben eine Kultur, die wir in Österreich entwickelt haben, ebenso gute Traditionen, so etwa den sozialpartnerschaftlichen Dialog in diese Debatte und in diese Bestim­mungen eingebracht, nämlich in der Zielformulierung betreffend soziale Marktwirt­schaft. Wir entscheiden selbst, wie wir uns wechselseitig beistehen, eben im Zusam­menhang mit der Solidarklausel, welche Art und Umfang dieser Beistand ausmacht.

Für ein föderalistisch strukturiertes Land wie Österreich ist es wichtig, dass auch die regionale und kommunale Selbstverwaltung subsidiär und entsprechend festgeschrie­ben ist. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Bei allen Diskussionen ist in der Vergangenheit immer wieder die Befürchtung artiku­liert worden: Werden nicht die Großen die Kleinen schlucken? Durch das besondere Quorum, das erreicht worden ist – Hand aufs Herz: noch vor einem Jahr hätte ich nicht erwartet, dass das ausverhandelt werden kann –, werden die Großen die Kleinen nicht überrollen können. In Wirklichkeit ist es bei dem, was eingebracht worden ist, so, dass die Kleinen die Großen im Sinne einer friedlichen Entwicklung der Europäischen Union sind.

Ich zitiere nun Robert Schuman – vom 9. Mai 1950 – mit einem Satz, der auch heute noch aktueller denn je ist:

„Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen ... Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.“

Und diese Verfassung ist ein solcher Beweis dafür.

Wir feiern jetzt in Österreich 10 Jahre EU-Mitgliedschaft, 50 Jahre Staatsvertrag und 60 Jahre Zweite Republik, und ich denke, eine große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher weiss etwas damit zu verbinden.

Ich möchte jetzt noch einen Jubiläumstag hinzufügen, da ja in der Geschichte immer nur Männer genannt werden: 100 Jahre ist es her, dass eine große Frau, nämlich Bertha von Suttner, den Friedensnobelpreis bekommen hat, und darauf möchte ich besonders hinweisen, weil das der Punkt und das wirkliche Ziel dieser europäischen Einigung ist: Welches Europa werden wir unseren Kindern weitergeben? – Ein Europa, das Kriege nicht nur praktisch unmöglich, sondern sogar denkunmöglich macht. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Schieder. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.33.19

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Auch ich möchte mich mit einigen Sorgen der Menschen befassen. Es ist die Sorge: Was bringt diese Verfassung? Sichert sie den Frieden? Wie ist es mit der Neutralität?

Die Europäische Union hat seinerzeit – fünf Jahre nach Ende des Zweiten Welt­krieges – als Friedensprojekt begonnen, und sie bleibt ein Friedensprojekt.

Die Europäische Verfassung bringt auch keine gravierenden Änderungen bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Es ist darin, so wie bisher, festgelegt, dass die Mitgliedstaaten schrittweise eine engere Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich festlegen können. Dabei ist ausdrücklich der besondere Charakter der Verteidi-


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gungspolitik einzelner Mitgliedstaaten zu wahren. Damit sind die neutralen Staaten gemeint, die selbstverständlich ihre Neutralität beibehalten können.

Gerade meiner Partei, der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, ist die Neutralität ein besonderes Anliegen; wir bekennen uns zu ihrer positiven Weiterentwicklung. Wir bekennen uns zum Gewaltmonopol der Vereinten Nationen, zur Notwendigkeit von Sicherheitsratsbeschlüssen und zu den Möglichkeiten des geschaffenen Opting-outs im EU-Vertrag. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn da Sorgen von Menschen – Herr Abgeordneter Molterer hat darauf hinge­wiesen – bestehen, dann gehören sie ausgeräumt. Und da gibt es tatsächlich einen Mangel in der Informationspolitik.

Da der Herr Bundeskanzler so stolz ist auf diese Broschüre: Wohlan, nehmen wir sie, schauen wir sie uns im Detail an! Im Inhalt, in den fachlichen Dingen, ist sie sicherlich in Ordnung, aber in einer Broschüre hätte man auf Fragen, die in der Debatte über diese Inhalte entstanden sind – natürlich in einem Vorwort – Stellung beziehen, hätte man diese auszuräumen versuchen sollen. Das ist jedoch nicht geschehen!

Zwei Tage vor dem Beschluss hier wurde diese Broschüre den Haushalten zugestellt, aber im Vorwort ist man nicht eingegangen auf diese Debatte, Herr Bundeskanzler. Wortwörtlich wurde lediglich das alte Vorwort von einer ein Jahr älteren Broschüre abgeschrieben. – Aber bitte: Es ist Ihr Recht, von sich selbst abzuschreiben – und auch, ein Bild der Frau Außenministerin dazuzugeben.

Eingegangen sollte aber schon werden auf offene Fragen, Fehler aus einem alten Vor­wort sollten wohl schon herausgenommen werden (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter), wenn da beispielsweise von der „gemeinsamen Verfassung für alle europäischen Staaten“ gesprochen wird, obwohl es nur ein bisschen mehr als die Hälfte der europäischen Staaten sind, die in der EU sind und für die diese Verfassung gilt.

Weiters wird in dieser Broschüre nichts zur Neutralität gesagt, es wird nicht einge­gangen darauf, dass die Legitimierung durch den Konvent entstanden ist.

Zu den Dankesworten, die Sie heute hier gefunden haben: Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass hier herein in das Vorwort gehört hätte, dass alle Parlamente, also ebenso Euro­päisches Parlament, an dieser Verfassung mitgewirkt haben. (Abg. Dr. Fekter: Die Sozialdemokraten haben ja auch eine Broschüre herausgegeben ...!)

Information ist notwendig für die Menschen, und das ist eine Bringschuld der Regie­rung, denn wir werden auf europäischer Ebene nur dann bestehen können, wenn wir informiert sind über diese Ebene, wenn wir sie als neue Ebene des Handelns der Politik begreifen – und wenn die Menschen unseres Landes auch wissen, was auf dieser Ebene vorgeht. (Beifall bei der SPÖ.)

12.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordne­ter Wittauer. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


12.37.28

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Werte Regierungsmit­glieder! Hohes Haus! Das Herzstück einer Demokratie ist die Verfassung. Unbestritten für jeden hier im Hohen Hause ist wohl, dass die Europäische Verfassung einen Fortschritt in Europa bedeutet.

Eine Einigung über diese Verfassung war natürlich schwierig, weil dadurch auch die Interessen der einzelnen Nationalstaaten betroffen waren. Zu 100 Prozent die Inter­essen der Nationalstaaten in eine Europäische Verfassung einzubringen, das ist un­möglich.


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Dort, wo ein nationaler Verzicht notwendig war, könnte man eine Diskussion über Europa, über die Verfassung sehr wohl starten, aber: Eine solche Diskussion artet dann meistens für oder gegen Europa aus – und das hat mit der Verfassung nichts zu tun. Ich werde mich daher an einer solchen Diskussion nicht beteiligen.

Auch mir wäre es lieber gewesen, wenn diese Frage den Österreichern vorgelegt wor­den wäre. Als Demokrat habe ich Verständnis dafür, dass bei wesentlichen Änderun­gen für Österreich, dass bei wesentlichen Änderungen in Bezug auf österreichische Interessen unsere Bürgerinnen und Bürger befragt werden.

Es ist schon sehr scheinheilig – das muss ich dazu sagen, und das ist eine Kritik an den Sozialdemokraten (Abg. Mag. Wurm: „Scheinheilig“?) –, wenn Herr Abgeordneter Einem hier herauskommt und nicht den Unterschied im Vergleich zum EU-Beitritt Österreichs herausarbeitet. Dazu ist ja die österreichische Bevölkerung befragt worden. Wenn man die österreichische Bevölkerung befragt, dann muss man noch viel mehr informieren; es muss also einen Entscheidungsprozess mit vielen Diskussionen vorher geben.

Was die Einführung des Euro anlangt, war es das Gleiche: Es hat dazu ein Volks­begehren gegeben. – Jetzt stimmen Sie hier im Parlament dem zu, dass das Parlament über eine Verfassung entscheidet, und Sie von der Opposition stellen das auf die gleiche Ebene, wie es ja Herr Abgeordneter Schieder hier gesagt hat: großer Mangel an Informationspolitik. – Bitte, das ganze Parlament war doch informiert.

Wenn man diese Information gewollt hätte, dann hätte man die Österreicherinnen und Österreicher befragen müssen: Wollt ihr eine Europäische Verfassung oder wollt ihr keine? Bitte hier nicht, sozusagen als einziges „Argument“, herauszugehen und die Regierung zu kritisieren, dass das eine falsche Informationspolitik gewesen sei, denn das ist nicht richtig! (Abg. Dr. Jarolim: Das ist alles so peinlich, was Sie hier sagen!) – Peinlich ist Ihr Auftritt, gerade immer der Auftritt der Sozialdemokraten!

Was die Ratifizierung betrifft, werde ich persönlich zustimmen. (Abg. Dr. Jarolim: Un­staatsmännisch!) Ich werde dieser Ratifizierung zustimmen, weil die Verfassung für Europa wichtig ist, und wichtig auch für die europäische Bevölkerung. Der Weiter­bestand von Europa kann nur garantiert werden, wenn auch eine Europäische Verfas­sung beschlossen wird. Es ist für das Friedensprojekt wichtig.

Wir haben heute viel über Grundrechte gehört, über Tierschutz, Umweltschutz, über wesentliche Bestandteile für die Menschen, über soziale Sicherheit, Wettbewerbs­gleichheit und vieles mehr. Ich glaube, dass es für Österreich wichtig ist, dass wir da zusammenhalten und den Weg gemeinsam gehen. Die Bevölkerung gehört informiert. Ich persönlich wäre auch dafür, dass Österreich für eine europäische Abstimmung weiterkämpft. Sollte diese nicht stattfinden, dann wäre es natürlich auch wichtig, dass der Verfassungsgerichtshof diese Abstimmung hier überprüft, um eine Garantie zu haben: ob sie verfassungskonform ist oder ob es nicht doch notwendig ist, die Öster­reicher und Österreicherinnen zu befragen.

Meine Unterstützung hat dieses Europa. Ich glaube, dass es für die nächsten Gene­rationen wichtig ist. Meine Abstimmung für diese Verfassung ist eine persönliche, ich sehe sie sehr persönlich. Mir wäre es aber lieber gewesen, alle Österreicher hätten ihre Stimme dazu abgeben können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Da kann man einiges richtig stellen!)

 



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12.41.24

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen von den blauen und orangen Freiheitlichen! Ich ersuche Sie dringend, dieses Haus in einer sehr wichtigen Debatte nicht mehr mit dem Umstand zu behelligen, dass Sie außerhalb des Hauses gegen die Verfassung und für eine Volks­abstimmung sind und in diesem Haus für die Verfassung und gegen eine Volksabstim­mung sind. Das Ganze ist verwirrend genug. Reden wir über die Verfassung und nicht über Ihre Probleme! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wir stimmen heute mit ja, und zwar aus großer Überzeugung mit ja, weil die öster­reichische Bevölkerung uns allen in einer Volksabstimmung den Auftrag gegeben hat, nicht nur Österreich politisch ins neue Europa hineinzuführen, sondern auch darum zu kämpfen, dass dieses neue Europa ein demokratisches Europa wird. Auch wenn vieles fehlt und der Verfassungsprozess erst begonnen hat: Wir haben zum ersten Mal ein Fundament aus Demokratie und Menschenrechten in einem geeinten Europa! Das ist etwas Erstaunliches, und das ist etwas, was vor zehn, fünfzehn Jahren niemand auch nur einem der beteiligten Mitgliedstaaten zugetraut hätte. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist eines der größten und bedeutendsten politischen Reformwerke, an denen auch Abgeordnete des österreichischen Nationalrates beteiligt waren. Wir hatten damals einen Auftrag, zu verhandeln; nicht einen Auftrag, alle zehn Jahre die Volksabstim­mung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zu wiederholen, sondern einen großen Auftrag der österreichischen Bevölkerung durch Verhandlungen zu einem positiven Abschluss zu führen. Wenn wir zu diesem positiven Abschluss gelangt sind, dann hat der österreichische Nationalrat die Verantwortung, darüber abzustim­men. Dass es eine große Mehrheit dafür geben wird, heißt einfach, dass zumindest heute die gemeinsame Chance erkannt wird.

Aber wir werden bereits morgen wieder über die Zukunft Europas streiten müssen. Das wird ein wichtiger Streit werden. Wir werden mit dem Bundeskanzler darüber streiten, ob es ein Europa einer gemeinsamen Friedensordnung oder ein Europa der Aufrüs­tung und der militärischen Interventionen sein soll. Wir werden darüber streiten müs­sen, ob es Einsätze zur Friedenserhaltung nur mit einem Mandat der Vereinten Na­tionen gibt oder ob sich Europa auf gefährliche militärische Missionen ohne völker­rechtliche Mandate einlässt. Und wir werden darüber streiten, ob es ein Europa der Kanzler und der Regierungen wird, wie es der Bundeskanzler in den Verhandlungen vehement betrieben hat, oder ob es ein Europa der Bürgerinnen und Bürger und der Parlamente wird! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Und da, Herr Bundeskanzler, werden Sie, wie in der Vergangenheit, einer unserer Hauptgegner sein.

Aber das Letzte und das Wichtigste wird die Auseinandersetzung über die soziale Zu­kunft Europas sein. Denn die Menschen, die heute „Wir wollen abstimmen!“ sagen, fragen uns doch etwas ganz anderes: Soll das – wie Sie es vertreten, Herr Bun­des­kanzler – wirklich ein Europa sein, in dem große Konzerne den einzelnen Staaten drohen:

Wenn ihr nicht noch weiter in der Gewinnbesteuerung und in der Vermögens­besteu­erung heruntergeht, und wenn ihr nicht kapituliert und dafür sorgt, dass nur noch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Steuer zahlen, dann werden wir ins nächste Land wandern? (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Hier, Herr Bundeskanzler, geht es darum, ein europäisches Gegengewicht zu schaffen, ein europäisches Gegengewicht einer fairen Besteuerung, der Gerechtigkeit, des sozialen Ausgleichs und der Sicherheit (Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen), weil – Frau Präsidentin, das ist mein Schlusssatz (Zwischenrufe bei


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den Freiheitlichen) – das Fundament dieser Friedensordnung der europäische Wohl­fahrts- und Bildungsstaat ist. (Beifall bei den Grünen.)

12.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Regler zu Wort. Jeweils 3 Minuten Redezeit für die nächsten vier Redner. – Bitte.

 


12.46.10

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! In der Bibel lesen wir beim Evangelisten Matthäus und beim Evangelisten Lukas das Gleichnis vom klugen und vom unvernünftigen Mann. (Abg. Dr. Glawischnig: Wer liest denn hier die Bibel?) Jesus erzählt von zwei Männern, die je ein Haus gebaut haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Der kluge Mann hebt die Baugrube tief aus bis auf den Felsen, errichtet ein festes Fundament und darauf sein Haus. Der unvernünftige Mann baut sein Haus ohne Fundament direkt auf den Sand. Als dann das Hochwasser und die Flutwelle kommen, bleibt das Haus des vernünftigen Mannes stehen (Abg. Dr. Glawischnig: Klimaschutzproblem!), während das Haus des unvernünftigen Mannes einstürzt. (Abg. Dr. Cap: Wie geht es weiter?)

Hohes Haus! Wir haben unser Haus Europa, an dem seit 55 Jahren gebaut wird, seitdem Robert Schuman, der große Europäer, diese Idee geäußert hat. Dieses Bauen erfolgte durch viele Verträge; ich erwähne Rom, Maastricht, Amsterdam, Nizza. Es wurde immer größer durch eine größere Anzahl von Staaten. Als Österreich beitrat, waren wir 15, jetzt sind es 25, und bald werden es 27 sein. Es ist dringend notwendig, dass dieses Haus endlich das feste Fundament bekommt.

Dieses Fundament, diese Verfassung, enthält nichts Negatives. Ich möchte nur vier Punkte erwähnen. Erstens: Die EU bleibt ein Staatenbund, ein Bund souveräner Staaten, ja es wird sogar der Austritt der Staaten geregelt. Zweitens: Die Verfassung stärkt die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger; zur Würde des Menschen, zum Recht auf Leben, zur Nicht-Diskriminierung treten auch die sozialen Rechte gleich­berechtigt neben die wirtschaftlichen Grundsätze. Drittens: Europa wird kein kultureller Eintopf; „In Vielfalt geeint“ heißt es; es bleibt das Europa der Regionen. Viertens: Auch die Neutralität erfährt keinerlei Änderung gegenüber der bisherigen Verfassungslage. – Das wären die Schwerpunkte.

In diesem Sinne darf ich alle auffordern, die hier darüber abstimmen: Legen wir heute, wie der kluge Mann in der Bibel, das feste Fundament für unser gemeinsames Haus Europa, für ein Europa des Friedens, der Gerechtigkeit und der Solidarität! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Grossmann zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.48.54

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Regierungsmitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Hoch­amt, das mein Vorredner hier zelebriert hat, werde ich wieder zum Thema zurückkommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Murauer: Wir schämen uns dessen nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir feiern heuer 60 Jahre Kriegsende. (Abg. Ellmauer: ... mit den Werten ein Problem!) Dass wir schon so lange in Frieden leben dürfen, ist nicht zuletzt der Erfolg der europäischen Zusammenarbeit. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die EU-Verfassung, wie sie uns heute vorliegt, ist sicherlich die in­tensivste Form der Zusammenarbeit, und sie ist das Ergebnis eines wechselvollen, oft


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schwierigen Annäherungsprozesses der europäischen Nationalstaaten, ein Annähe­rungs­prozess, der Jahrzehnte gedauert hat und bei weitem noch nicht abgeschlossen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man bedenkt, wie verhärtet die Fron­ten nach den beiden Weltkriegen waren, war es eine unglaubliche menschliche Größe, die Rolle von Siegern und Besiegten zu überwinden und gemeinsam ein friedliches Europa aufzubauen. Das ursprüngliche Konzept war ein einfaches, aber wirksames: Wirtschaftliche Verflechtungen sollten die Staaten aneinander binden, und der Wett­bewerb sollte auf wirtschaftlicher, aber nicht auf militärischer Ebene ausgetragen wer­den. Dafür sollte die Europäische Union einen Rahmen bieten.

Das macht aber auch ganz deutlich, dass die Priorität auf die wirtschaftlichen Rah­menbedingungen gelegt wurde. Die Lebensbedingungen und Interessen der Menschen waren allenfalls Nebeneffekte dieser Entwicklungen. Das sollte sich nach und nach zwar ändern, aber eben nur sehr zögerlich, und für meinen Geschmack zu zögerlich. Zu sehr haben sich die Verantwortlichen in den europäischen Gremien als Erfüllungs­gehilfen global agierender Konzerne einspannen lassen, und die Dynamik der nega­tiven Auswüchse der Globalisierung wurde durch diese Politik eher beschleunigt statt in die Schranken gewiesen, wie jetzt auch die Diskussion um die Dienstleistungs­richtlinie ganz deutlich zeigt.

Die österreichische Bundesregierung hat sich hier leider in die unrühmliche erste Reihe gestellt. Deshalb ist es meiner Ansicht nach gar kein Wunder, dass in Österreich die EU-Skepsis besonders groß und weit größer als vor zehn Jahren ist, als man sich noch darauf verlassen konnte, dass sich zumindest unsere Vertreterinnen und Vertreter im Rat für eine Politik zum Wohle der Menschen eingesetzt haben. (Abg. Ellmauer: Wie der Transitvertrag zeigt!)

Das ist heute leider anders, und deshalb wäre eine auf Österreich beschränkte Volks­abstimmung zweifellos eine Abrechnung mit der derzeitigen Bundesregierung gewor­den. Das aber hätte sich die vorliegende EU-Verfassung wirklich nicht verdient! So schlecht, wie diese Regierung ist, konnte der Entwurf auch im schlimmsten Fall nicht sein. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen. – Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Die vorliegende EU-Verfassung ist zwar in vielen Bereichen nicht der Weisheit letzter Schluss, und gerade aus sozialdemokratischer Sicht wäre eine sozialere und weniger wirtschaftsliberale Prägung der Verfassung sicherlich wünschenswert gewesen. (Präsi­dentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Aber man muss sagen, dass auch konservative und neoliberale Mitglieder über ihren Schatten gesprungen sind und ... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

12.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete, Sie haben die Redezeit ausgeschöpft! Ich muss Sie leider unterbrechen (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim), sonst kommen die restlichen zwei Redner nicht mehr zu Wort. (Beifall bei der SPÖ für die das Rednerpult verlassende Abg. Mag. Grossmann.)

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.52.28

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsi­dent! Werte Minister! Hohes Haus! Kollege Pilz versteht Pluralität nicht. (Abg. Dr. Jaro­lim: Ich weiß nicht, wer da nicht versteht!) Und die Grünen haben es ja schon geschafft, alle ihre EU-kritischen Mitglieder aus ihrem Klub zu vergraulen, wie zum


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Beispiel Kollegin Langthaler, die ja immer EU-kritisch war. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Bei uns gibt es das sehr wohl noch, dass es zu diesen Themen unter­schiedliche Meinungen gibt.

Ich sage es Ihnen noch einmal, damit es auch für Sie klar wird. Wir Freiheitliche sagen ja zu einer Europäischen Verfassung, wir sagen aber auch ja zu einer europäischen Volksabstimmung, und wir sagen ja zur Klärung der rechtlichen Frage „Ist eine Volks­abstimmung zwingend notwendig?“ durch den Verfassungsgerichtshof. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es muss ja wohl auch möglich sein, dass diese Frage vom Ver­fas­sungsgerichtshof zwingend geklärt wird. (Abg. Dr. Van der Bellen: ... haben Sie verschlafen! Vor drei Monaten ...!) Wenn Sie wollen, dass das geklärt wird, dann können ja die Kollegen von der SPÖ ihrem Kollegen Ambrozy sagen, dass er da mitgeht (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Jawohl!), damit diese Frage dann auch in Österreich endlich eindeutig geklärt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie ein Ja zu einer europäischen Volksabstimmung sagen wollen, stimmen Sie unserem Antrag zu, dem freiheitlichen Entschließungsantrag gemeinsam mit der ÖVP, den ich hiemit einbringe:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

‚Die Bundesregierung wird ersucht, weiterhin und verstärkt für die Abhaltung EU-weiter Volksabstimmungen über künftige Änderungen des Vertragswerks der Europäischen Union (Europäische Verfassung), die die Grundprinzipien der nationalen Verfassungen betreffen, sowie für die generelle europarechtliche Verankerung der Möglichkeit euro­paweiter Volksabstimmungen über Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für Europa einzutreten, sowie sich für die Einberufung einer EURATOM-Revisionskonferenz ein­zusetzen.‘“

Das wäre eine europaweite Volksabstimmung, die wir für wichtig und notwendig halten, wenn wir über Bürgerrechte in der EU sprechen. Da können Sie zustimmen, wenn Sie das wollen, und nicht nur hier schön reden, aber dann, wenn es darum geht, zuzu­stimmen, sich verweigern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Werte Kollegen, wir sagen auch ein Ja zur Europäischen Verfassung, und da sind noch zwei Punkte, die mir persönlich wichtig sind. Es ist nämlich die Möglichkeit eines Austritts jetzt erstmals festgeschrieben, es gibt endlich eine Wiedergutmachung gegen­über Österreich – es werden vertragswidrige Sanktionen, wie sie im Jahr 2000 gegen Österreich erlassen wurden, in dieser Form nicht mehr möglich sein –, und auch das Einstimmigkeitsprinzip für wichtige Fragen wie die der Sicherheit bleibt erhalten. All das sind wichtige Punkte, dass wir hier der Europäischen Verfassung in dieser Form zustimmen.

Es gibt natürlich einige Wermutstropfen, und da wird uns auch ein Abgeordneter der Grünen, der Herr Kollege Pilz, nicht das Wort verbieten können, wenn wir hier öffent­lich auch kritische Punkte anmerken. Wir haben es in der Vergangenheit getan, und wir werden es auch in Zukunft tun. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glocken­zeichen.) Zum Glück leben wir in einer Demokratie. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Pilz hat 1 Minute darüber gesprochen! Ungeheuerlich!)

12.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der von Frau Abgeordneter Dr. Bleckmann soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Dr. Werner Fasslabend, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend europaweite Volks­abstimmung, eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 1 in der 109. Sitzung des Nationalrates am 11. Mai 2005

Der Vertrag über eine Verfassung für Europa, die so genannte neue „EU-Verfassung“, bringt in vielen Bereichen objektive Verbesserungen gegenüber der bisherigen Rechts­lage, die die Demokratie und Bürgernähe in Europa, ein Europa der Bürger eindeutig stärken.

Österreich begrüßt in diesem Zusammenhang insbesondere folgende Bestimmungen:

Die Werte der Union werden erweitert um die Rechte von Angehörigen von Minder­heiten, Nichtdiskriminierung, den Grundsatz der Gleichheit von Frauen und Männern;

Aufnahme einer Sozialklausel, die dem Politikteil vorangestellt ist;

Verfassungsartikel für den Tierschutz: Tiere werden erstmals als fühlende Wesen aner­kannt;

erweiterte Kontrollbefugnis  des Europäischen Gerichtshofes, insbesondere hinsichtlich Individualklagen und der Beschlüsse des Europäischen Rates; 

Daseinsvorsorge: Neben der Möglichkeit für ein europäisches Gesetz über Grundsätze und Bedingungen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bleibt die Kom­petenz der Mitgliedstaaten verankert, solche Dienste zur Verfügung zu stellen, in Auf­trag zu geben oder zu finanzieren.

Stärkung der Euro-Zone: Mitgliedsländer, die in der Euro-Zone sind, können sich in verschiedenen Fragen, die eine verbesserte Abstimmung der Wirtschaftspolitiken in der Eurozone betreffen, besser äußern und entscheiden.

Aufnahme der Grenzregionen und der Bergregionen im Artikel III-116, der die rechtliche Basis für die Strukturfonds und die Kohäsionspolitik ist;

Die Kompromisslösung für die äußerst sensiblen Politikbereiche Justiz und Inneres mit der Möglichkeit, ein Vorhaben dem Europäischen Rat, der im Konsens entscheidet vor­zulegen; Einstimmigkeit ist auch für die Einführung des Europäischen Staatsanwaltes vorgesehen;

Euratom-Vertrag: Österreich und Deutschland haben eine gemeinsame Initiative zur Einberufung einer eigenen Regierungskonferenz zur Revision dieses Vertrages unter­nommen, die schon bei einigen Mitgliedstaaten Unterstützung fand (Ungarn, Irland, Griechenland ...)

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Die Bestimmungen über die per­manente strukturierte Zusammenarbeit im Bereich der ESVP konnten so gestaltet werden, dass sie nach allgemeiner Auffassung den Erfordernissen von Offenheit, Trans­parenz und Inklusivität Rechnung tragen. Die neue Beistandsgarantie lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der neutralen oder bündnisfreien Mitgliedstaaten unberührt. Insbesondere bleibt es Österreich auch in Zukunft und im Einzelfall vorbehalten, über allfällige Beistandsleistungen selbst zu en­tscheiden, hinsichtlich eines Auslandseinsatzes von Soldaten wie bisher nur mit Zu­stimmung im Parlament und entsprechend den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen.


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Solidaritätsklausel: Die Bestimmung über die Solidaritätsklausel, wonach die Mitglied­staaten gemeinsam im Geiste der Solidarität handeln, wenn ein Mitgliedstaat von einem Terroranschlag oder einer Katastrophe natürlichen oder menschlichen Ur­sprungs betroffen wird ist ein wichtiger Schritt, um die Handlungsfähigkeit der Union bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu stärken.

Volle Mitentscheidung des Europäischen Parlaments bei Europäischen Gesetzen;

europäische Bürgerinitiative;

rechtsverbindlicher Grundrechtskatalog und Beitritt der EU zur Europäischen Men­schen­rechtskonvention;

verstärkte Mitwirkung und Klagerecht der nationalen Parlamente insbesondere im Zu­sam­menhang mit dem Subsidiaritätsprinzip;

die Rolle der Sozialpartner sowie der regionalen sowie kommunalen Selbstverwaltung (Gemeinden) wird verankert;

die österreichischen Wasserressourcen bleiben Rot-Weiß-Rot.

Der Vertrag über eine Verfassung für Europa bringt somit zweifelsohne wesentliche Fortschritte im Hinblick auf eine Demokratisierung sowie eine Stärkung der Bürger­nähe.

Manche Verfassungsexperten sind allerdings der Ansicht, dass mit diesem Verfas­sungsvertrag eine Änderung der Grundprinzipien der österreichischen Bundesver­fassung im Vergleich mit der geltenden österreichischen und europäischen Rechtslage verbunden wäre. Sie begründen diese Auffassung insbesondere damit, dass der schon bisher geltende Anwendungsvorrang des Europarechts nunmehr – im Rahmen der Zuständigkeiten der Union – erstmals auch ausdrücklich in den Vertragstext aufge­nommen wird. Daher sei eine Volksabstimmung in Österreich erforderlich.

Demgegenüber wird aber von anderen Verfassungsexperten insbesondere darauf hingewiesen, dass die Rechtslage in diesem Punkt materiell nicht verändert wird und dass Art. I-5 erstmals klar bestimmt, dass die Europäische Union die Identität der Mitgliedsstaaten und deren politische und verfassungsrechtliche Grundstruktur unein­geschränkt zu respektieren hat. Eine Gesamtänderung der österreichischen Bundes­verfassung liege daher nicht vor, eine Volksabstimmung sei weder erforderlich noch vorgesehen.

Rechtswissenschaftlich diskutiert wird in diesem Zusammenhang – in Österreich und beispielsweise auch in Deutschland und Frankreich – die Frage eines „integrations­festen Kerns“ der nationalen Rechts- beziehungsweise Verfassungsordnungen. Dies würde die Grundprinzipien der österreichischen Bundesverfassung jedenfalls unange­tastet lassen.

Letztlich kann diese Frage rechtsverbindlich und endgültig wohl nur durch den Verfas­sungsgerichtshof entschieden werden.

Hingewiesen wird auf die ausführliche Darstellung der Frage einer Gesamtänderung in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend das sog. Ermäch­tigungs – BVG, 789 d.B., mit dem die verfassungsrechtliche Grundlage für die Ratifizie­rung des Vertrages über eine Verfassung für Europa geschaffen wurde.

Österreich hat sich bereits im Vorfeld bilateral und mehrfach im Europäischen Rat dafür eingesetzt, dass über die neue EU-Verfassung eine europaweite Volksabstim­mung durchgeführt wird, darüber konnte aber kein Konsens erzielt werden.


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Dennoch ist die Möglichkeit direktdemokratischer Mitwirkung der ganzen europäischen Bevölkerung eine wichtige Frage für die Zukunft Europas.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht,

weiterhin und verstärkt für die Abhaltung EU-weiter Volksabstimmungen über künftige Änderungen des Vertragswerks der Europäischen Union (Europäische Verfassung), die die Grundprinzipen der nationalen Verfassungen betreffen, sowie für die generelle europarechtliche Verankerung der Möglichkeit europaweiter Volksabstimmungen über Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für Europa einzutreten,

sowie sich für die Einberufung einer EURATOM-Revisionskonferenz einzusetzen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Sburny zu Wort. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: 1 Minute vorher! – Gegenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

 


12.55.57

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kollegen und Kolle­ginnen! Frau Kollegin Bleckmann, ich finde das einigermaßen mutig, was Sie hier tun, nämlich diesen Antrag auf eine europäische Volksabstimmung einzubringen. (Zwi­schenrufe bei den Freiheitlichen.) Die Grünen – sollten Sie sich daran noch erinnern können – haben im November 2004 einen Antrag eingebracht, hier im Plenum, auf eine EU-weite Volksabstimmung, auf eine entsprechende Initiative der Regierung. Und was haben Sie gemacht? – Sie haben ihn abgelehnt! (Beifall und Oh-Rufe bei den Grünen und der SPÖ.) Aber jetzt, heute am Tag des Beschlusses, bringen Sie das ein und tun so, also ob das Ihre Initiative wäre? – Da kann ich nur lachen, Ihrer Unglaubwürdigkeit ist wirklich nichts mehr hinzuzufügen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ähnlich: Herr Bundeskanzler Schüssel, Sie haben gesagt, Sie haben auf EU-Ebene eine Initiative zur EU-weiten Volksabstimmung ergriffen. Das ist auch nicht ganz ehr­lich – um es dezent auszudrücken. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Die Initiative für diese EU-weite Volksabstimmung ist im Konvent von Johannes Voggenhuber ein­gebracht worden, sie wurde vom Regierungsmitglied Farnleitner unterstützt, allerdings damals nicht von der Bundesregierung. Sie haben es in der Regierungskonferenz unter­lassen, eine entsprechende Initiative einzubringen. Sie wollten das genau damals nicht, Herr Bundeskanzler!

Deswegen bringen die Grünen – die Abgeordneten Van der Bellen, Lunacek, Sburny, Freundinnen und Freunde – diesen Entschließungsantrag heute noch einmal ein, und wir werden ja sehen, wie die Abstimmung ausgeht:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, auf europäischer Ebene eine politische Initiative zur Einführung einer europaweiten Volksabstimmung über europäische Fragen von zen­tralem gemeinsamen Interesse zu setzen.“


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Ich halte das auch deswegen für so notwendig, um zu zeigen, wie Sie agieren, sowohl Sie vom BZÖ – ehemalige „F“ – als auch in gewisser Weise der Herr Bundeskanzler. Ich glaube, dass das einer der Gründe dafür ist, warum die Bevölkerung – auch zu Recht – gegenüber Fragen, die die EU betreffen, skeptisch ist, weil hier eben nicht mit offenen Karten gespielt wird. Oft äußern sich die Regierungsmitglieder negativ und schimpfen über etwas, was in Brüssel entschieden wurde, ohne zu sagen, dass sie an diesen Entscheidungen beteiligt waren! Es gibt überhaupt keine Transparenz darüber, wo es die Möglichkeit gäbe einzugreifen.

Wir kämpfen immer wieder darum, rechtzeitig nicht nur Informationen zu bekommen – was schwierig genug ist –, sondern auch im Parlament die Regierungsmitglieder darauf aufmerksam zu machen, was sie im Interesse der Bevölkerung sinnvollerweise viel­leicht in Brüssel vertreten könnten. In der Regel werden diese Anträge abgelehnt. Aber tun Sie dann nicht so, als ob Sie nicht dabei gewesen wären! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der von Frau Abgeordneter Sburny soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Van der Bellen, Lunacek, Sburny, Kolleginnen und Kollegen betref­fend eine österreichische Initiative für die Einführung einer europaweiten Volksabstim­mung über europäische Fragen, eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (851 d.B.): Vertrag über eine Verfassung für Europa  samt Protokolle, Anhänge und Schlussakte (919 d.B.)

Im Europäischen Recht besteht bisher keine Möglichkeit auf Durchführung eines euro­paweiten Referendums. Auch der vorliegende Entwurf zu einem Europäischen  Verfas­sungsvertrag sieht eine solche nicht vor. Zentrale Fragen gemeinsamer europäischer Politik wie der Beschluss über den jetzt vorliegenden Verfassungsvertrag oder künftige Verfassungsänderungen sollten jedoch dem europäischen Souverän vorgelegt werden können. Da eine Volksabstimmung bisher rechtlich nicht vorgesehen ist, setzt dies eine politische Initiative für eine derartige Übereinkunft voraus.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, auf europäischer Ebene eine politische Initiative zur Einführung einer europaweiten Volksabstimmung über europäische Fragen von zen­tralem gemeinsamen Interesse zu setzen.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Machne zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


12.59.33

Abgeordnete Helga Machne (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Frau Bundesminister! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Als wirklich überzeugte Europäerin freue ich mich natürlich, dass wir heute diesen europäischen Verfas-


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sungsvertrag beschließen. Im Ausschuss der Regionen des Europäischen Parlaments, dem ich zwei Jahre lang als Vertreterin des Österreichischen Städtebundes angehören durfte, haben wir uns in vielen Abänderungsanträgen für den Föderalismus – über den ich heute auch sprechen möchte –, für die Autonomie der Länder und der Gemeinden eingesetzt, besonders ab dem Jahr 2001, als der Konvent seine Arbeit aufgenommen hat.

Bemerkenswert ist, dass, obwohl am europäischen Verfassungsvertrag auch stark zentralistisch organisierte Länder mitgearbeitet haben, die zukünftige EU-Verfassung der kommunalen Selbstverwaltung einen höheren Stellenwert zuerkennt als die öster­reichische Bundesverfassung. Im Verfassungsvertrag wird erstmals in der Geschichte der EU die regionale und lokale Selbstverwaltung ausdrücklich respektiert. Das zu er­reichen war nicht immer leicht, da der kooperative Föderalismus unter Einbeziehung der Gemeinden in Österreich weiter entwickelt ist als in den meisten anderen euro­päischen Ländern.

Ich erinnere mich noch sehr gut an die Einbringung eines Abänderungsantrages der Lan­deshauptleute von Tirol und Südtirol, der sich auf die für uns so wichtige Kom­petenz für das Wasser bezog. Nach einigen Diskussionen im Ausschuss der Regionen haben wir unseren Abänderungsantrag durchgebracht: Wasser bleibt in österreichi­scher Hand. Das ist gerade für die Länder, in denen sehr viel Wasser fließt, sehr wichtig. Das Einstimmigkeitsprinzip gibt es ja nur noch in wenigen Bereichen, aber eben auch in Bezug auf das Wasser. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Im Verfassungsvertrag wird auch klargestellt, dass europäische Gesetze die Daseins­vorsorge wie zum Beispiel die Gesundheit, den Nahverkehr und die Abfallbeseitigung unberührt lassen und die Entscheidungen weiterhin den einzelnen Mitgliedstaaten obliegen. Die Grenz- und Bergregionen werden in der neuen Verfassung besonders berücksichtigt, was für Tirol, aber besonders für Osttirol von großer Bedeutung ist. In Zukunft wird es ein Strukturprogramm für die Grenz- und Bergregionen geben.

Österreich hat sich in vielen Bereichen durchgesetzt, und daher möchte ich mich ganz besonders bei den Verhandlern bedanken, insbesondere bei unserem Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.02


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. – Bitte.

 


13.02.25

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Herr Präsident! Ich möchte noch einmal auf die Frage der Urheberschaft bezüglich der europäischen Volksabstim­mung eingehen. Ich habe mich nach der Fernsehübertragung gemeldet, weil man jetzt die Dinge auch in diesem Forum offener austragen kann und ich auch die Fernsehzeit der anderen Fraktionen nicht in irgendeiner Weise beschneiden wollte.

Die Wahrheit ist – und das möchte ich hier schon einmal ausbreiten –: Im Jahre 1996 – da war ich Außenminister – bei der vorletzten Regierungskonferenz, als es um den Vertrag von Amsterdam gegangen ist, gab es eine gemeinsam Initiative Österreichs und Italiens. Ich glaube, der italienische Außenminister war damals Lamberto Dini.

Wir haben damals drei Punkte, drei Elemente vorgeschlagen:

Erstens die verbindliche Verankerung der Grundrechte in der Europäischen Verfas­sung. Das ist mittlerweile durch die Herzog-Kommission und so weiter, jetzt auch durch diesen Verfassungsvertrag Wirklichkeit geworden.


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Zweitens die Möglichkeit eines europäischen Verfassungsreferendums, die Möglichkeit einer europäischen Volksabstimmung erstmals zu verankern.

Drittens ein europäisches Volksbegehren zu starten, was jetzt mit dem Verfas­sungs­vertrag Wirklichkeit geworden ist.

Meine Damen und Herren! Es hat also überhaupt keinen Sinn, wenn man da jetzt herumbitzelt und streitet, wer es zuerst gefordert hat. Es war eine österreichische Initiative, die übrigens damals ja auch von allen Fraktionen im Hohen Haus getragen worden ist. Was soll denn das, wenn jetzt gesagt wird, bitte, ich war früher und der hat nicht. Das war eine gemeinsame Initiative vor fast zehn Jahren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben das immer vertreten, meine Damen und Herren, und bitte nehmen Sie das auch zur Kenntnis! Es sind nicht nur die Informationen des Abgeordneten Voggen­huber richtig, es stimmt auch das, was von der Regierungsbank aus gesagt wird. Und da Sie behaupten, ich hätte es nicht nachdrücklich genug vertreten – schauen Sie, Abgeordneter Voggenhuber, der Ihnen das offenbar gesagt hat, sitzt ja nicht im Europäischen Rat. Haben Sie doch die Güte und lesen Sie nicht nur APA-Meldungen, sondern lesen Sie einfach das, was nach den Europäischen Räten in den Zeitungen berichtet wird, was gesagt wird. Sie können dort nachlesen, was etwa der öster­reichische Regierungschef gesagt hat. Und glauben Sie mir, es ist dies dort genauso transparent wie hier bei einer Ausschusssitzung. Das, was drinnen diskutiert wird, wird draußen von allen Seiten berichtet, kritisiert, bestätigt, gelobt. So ist es im Euro­päischen Rat, so ist es im Rat schlechthin.

Die Idee eines europäischen Referendums kommt von uns, und darauf sollten wir gemeinsam stolz sein. Die Idee eines europäischen Volksbegehrens kam von uns und ist jetzt verwirklicht. Die Idee, die Grundrechte verbindlich zu verankern, das haben wir vor fast zehn Jahren vorgeschlagen, das ist jetzt erreicht worden. Machen wir uns also nicht kleiner als wir sind! Ich bin stolz auf die Beiträge der Opposition genauso wie auf die Beiträge der Regierungsfraktionen, die immer sehr konstruktiv gewesen sind. Reden Sie die österreichische Regierung nicht immer kleiner, als wir sind: Wir sind so schlecht nicht unterwegs! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.05


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. (Abg. Dr. Fekter – in Richtung des sich zum Redner­pult begebenden Abg. Dr. Wittmann –: Nehmen Sie sich das zu Herzen, Herr Kollege!)

 


13.05.51

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Frau Außenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist ein etwas kleinlicher Zugang, die Debatte über die EU-Verfassung auf die Urheberschaft des Antrags auf ein europäisches Referen­dum zu reduzieren. (Abg. Mag. Molterer: Das finde ich richtig! Genau!)

Ich meine, es wäre günstig gewesen, ein europäisches Referendum zu dieser Frage zu haben. Darüber sind wir uns wohl alle einig, weil es notwendig wäre, dass eine möglichst breite Verankerung dieser Verfassung in der Bevölkerung stattfindet, und es sinnvoll gewesen wäre, die europäische Bevölkerung zu einer europäischen Verfas­sung zu befragen.

Zur Debatte über eine Volksabstimmung in Österreich: Ich weiß ja nicht, wie man den Klub der Freiheitlichen jetzt anspricht, als FPÖ oder BZÖ, aber sehr geehrte Abgeord­nete Bleckmann und sehr geehrter Abgeordneter Wittauer: Seit 1995 gibt es dieses zweistufige Verfahren in europäischen Angelegenheiten, nämlich ein Ermächtigungs­gesetz, um hernach einen Vertrag abschließen zu können. Diesem Ermächtigungs-


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gesetz, bei dem Sie demonstrieren hätten können, ob Sie einer derartigen Vorgangs­weise zustimmen oder nicht, haben Sie zugestimmt. Sie können doch nicht einen Weg, dem sie selbst zugestimmt haben, nachher in der Diskussion verweigern zu gehen. Sie müssen doch irgendwann an die Glaubwürdigkeit Ihrer eigenen Aussagen glauben. Das ist ja eine unfassbare Vorgangsweise, dass man dem Ermächtigungsgesetz zu­stimmt und dann die Vorgangsweise, die sich daraus ergibt, kritisiert. Das ist also wirklich unter jeder Kritik.

Herr Abgeordneter Scheibner, dass Sie uns dann erklären, warum man nicht für eine Volksabstimmung sein soll, ist schon kurios. Sie sollten einmal mit Ihren Kollegen reden statt dieses Gespräch als Selbstgespräch zu führen. Üben Sie das vor dem Spiegel, oder sprechen Sie mit Ihren Abgeordnetenkollegen auch manchmal? Sie sollten Ihnen klar machen – und das, was Sie gesagt haben, stimmt –, dass es ein Ermächtigungsgesetz gegeben hat. Da haben alle Ihre Abgeordneten zugestimmt, und nachher gehen Sie hier heraus und sagen: Ich bin aber dagegen, dass man keine Volks­abstimmung macht. Hätten Sie das doch bei der Debatte über das Ermäch­tigungsgesetz gesagt oder hätten Sie diesem Gesetz nicht zugestimmt!

Der Verfassungsgerichtshof, darin werden wir uns ja einig sein, kann diesen Vorgang heute sicherlich nicht sofort einer Überprüfung unterziehen, außer wenn alle anderen zustimmen. Das Ermächtigungsgesetz hätten Sie jedoch schon lange bekämpfen kön­nen. Auch das sind Sie schuldig geblieben! Auch hier hätten Sie schon tätig werden können! Sie haben in Wirklichkeit keine rechtliche Voraussetzung ernst genommen, sondern polemisieren nur, und Sie nehmen auch die rechtlichen Konsequenzen Ihrer eigenen Handlungen nicht ernst.

Und das Allererschreckendste ist, dass Sie zuerst einem Gesetz zustimmen, das diese Vorgangsweise bestimmt, und sich selbst dann aus dem Spiel nehmen und sagen: Das, was ich damals gemacht habe, ist ein Blödsinn, denn eigentlich habe ich eine Volksabstimmung gewollt. Das hätten Sie auch sagen können, das hätten Sie mit Ihrem Stimmverhalten ausdrücken können, aber nicht einmal dazu sind Sie in der Lage!

Es ist schade, dass diese europäische Diskussion auf dieses Niveau heruntergefallen ist. Aber letztendlich, so meine ich, ist diese Verfassung ein Schritt in die richtige Rich­tung, eine Weiterentwicklung der bisherigen Vertragswerke. (Abg. Scheibner: Ihre Rede ist ein Schritt in die falsche Richtung!) Es wäre schade, wenn ein Referendum in einem der Länder schief ginge, denn dann würde man auf einen unbefriedigenden Ver­tragszustand zurückfallen, mit dem man eine Union der 25 wahrscheinlich nicht mehr effizient führen könnte.

Nur weil eine Zeitung dahinter steht, hier diese kleinliche Diskussion zu führen, halte ich nicht für den richtigen Weg. Glauben Sie an Ihre eigenen Entscheidungen! Stehen Sie gerade dafür, und verlangen Sie bei der nächsten Entscheidung nicht das Gegen­teil davon!

13.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.

 


13.10.02

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Hohes Haus! Ich werde heute dieser Ratifizierung nicht zustimmen, denn ich meine, dass das geeignete Gremium, um über die EU-Verfassung zu entscheiden, nicht allein der österreichische Nationalrat, sondern das gesamte österreichische Bundesvolk ist.


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Von neun europäischen Ländern wissen wir, dass sie in nationalen Volksabstim­mungen über diese EU-Verfassung befinden werden, und was für Franzosen, Eng­länder, Dänen billig ist, muss auch für Österreicher recht sein. Es hat in der Diskussion, die in den letzten Tagen aufgebrochen ist – sie wäre ja, so schaut es zumindest aus, gerne vermieden worden –, auch sehr beachtenswerte juristische Meinungen dahin gehend gegeben, dass es sich um eine Gesamtänderung der Bundesverfassung han­delt und dass deswegen eine Volksabstimmung nach Bundes-Verfassungsgesetz zwingend notwendig ist. Jedenfalls aber ist es eine Teiländerung der Bundes­verfas­sung, die mit einem Drittel der Stimmen der Abgeordneten des Nationalrates einer Volksabstimmung unterzogen werden kann. Dass das jetzt auch möglich ist, Herr Abgeordneter Gusenbauer – er ist noch nicht da –, ist ganz klar.

Hätte ich bereits beim Ermächtigungsgesetz den Antrag auf eine Volksabstimmung eingebracht, dann weiß ich ganz genau, was man gesagt hätte: Noch liegt kein Abstim­mungsgegenstand vor. Sie wollen eine Abstimmung über ein Nullum. Sie sind zum falschen Zeitpunkt mit Ihrer Abstimmung gekommen. Jetzt ist der Zeitpunkt, zu dem das sinnvoll und im Parlament auch mit einem Drittel der Abgeordneten zu beschließen wäre.

Ich stelle daher den Antrag:

Antrag

der Abgeordneten Rosenkranz betreffend Durchführung einer Volksabstimmung über die EU-Verfassung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Beschluss des Nationalrates über die Genehmigung des Abschlusses des Staats­vertrages über eine Verfassung für Europa samt Protokolle, Anhänge und Schlussakte (851 d.B. XXII GP) ist gemäß § 85 NRGO iVm Artikel 44 Abs. 3 Bundes-Verfassungs­gesetz nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art. 42 B-VG, jedoch vor der Beur­kundung durch den Bundespräsidenten einer Abstimmung des gesamten Bundes­volkes zu unterziehen.

*****

Ich bitte den Herrn Präsidenten, die Unterstützungsfrage für diesen Antrag zu stellen.

Hohes Haus! Ich weiß nicht, warum Sie die Debatte über diese EU-Verfassung scheuen, warum Sie sich nicht der Mühe unterziehen wollen, zu argumentieren und zu überzeugen. Und ich stelle grundsätzlich fest, dass es einen bedauerlichen Wandel in der politischen Kultur gibt. Gerade anhand dieser Debatte sieht man es: Wenn sich die politische Klasse einmal über ein gemeinsames Ziel – und das geht dann von Rot, über Grün, über Orange nach Schwarz – abgesprochen hat, dann – und das finde ich sehr bedauerlich und halte es für eine Einengung der Freiheit der politischen Debatte – kann es jedenfalls keinen legitimen, so wird es zumindest dargestellt, Gegenvorschlag mehr geben. Das halte ich für eine schlechte Entwicklung. Deswegen meine ich, dass nicht nur aus juristischen Gründen, sondern vor allem aus demokratiepolitischen Grün­den eine Volksabstimmung notwendig und sinnvoll ist.

13.13


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete Rosenkranz, Sie haben mich ersucht, die Unterstützungsfrage zu stellen. Diese stellt sich für mich nicht, da ich den Antrag für nicht zulässig erkläre: Das deshalb, weil es sich um eine Volks-


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abstimmung zum Staatsvertrag handelt. Zur näheren Information gebe ich Ihnen eine Kopie des Präsidialbeschlusses aller Parteien.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

 


13.13.40

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregie­rung! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Europa hat eine wechselhafte Geschichte. Viele Kriege und Verwüstungen sind über unseren Kontinent gefegt, es wurde aufgebaut und der nächste Krieg ist gefolgt.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam das Bewusstsein hoch, dass Europa so sicher­lich keine Zukunft hat. Große Persönlichkeiten – und das sollen wir auch heute und hier sagen – auch aus der Politik unseres Staates haben dazu aufgerufen, dass sich Europa einigen soll. Nur so ist es möglich, hier in Frieden leben zu können. Der Prozess von der Montanunion bis zur heutigen EU der 25 war mühsam, aber ich bin über­zeugt davon, dass unser Kontinent so einer neuen, einer positiven Zukunft entgegengeht und große Bedeutung in der Weltpolitik erlangen könnte.

Wie alles im Leben braucht auch diese Europäische Union ein Regulativ, im Klartext eine Verfassung. Das Zusammenleben und die Zusammenarbeit basiert auf dieser Grundlage. Der Inhalt des Verfassungsvertrages, den wir heute vor uns liegen haben und den wir demnächst beschließen werden, lässt neue und positive Entwicklungen erwarten.

Auch ich bedauere, dass der Vorschlag des Vertreters unseres Landes, unseres Herrn Bundeskanzlers keine Zustimmung gefunden hat, nämlich an einem Tag in ganz Europa gemeinsam ein Referendum durchzuführen. So ist es aber nun einmal und wir haben uns mit dieser Tatsache abzufinden. Ausgehend von der Erwartung, dass Euro­pa stärker werden könnte, Europa ein stärkerer, politischer Faktor sein könnte und Europa auch eine größere wirtschaftliche Bedeutung in der Weltwirtschaft bekommen müsste, glaube ich, dass die Zustimmung zu ihr in den anderen Ländern auf welche Art auch immer gefunden werden wird. Das ist wichtig, weil es davon abhängen wird, wie auch wir uns in Zukunft positionieren können.

Ich halte es für wichtig, dass in diesem Vertrag zum Beispiel die qualifizierte Mehrheit festgeschrieben ist, sodass es unmöglich sein wird, dass kleine Staaten von den größeren überrollt werden. Durch die doppelte Mehrheitsfindung ist gewährleistet, dass auch wir, ein kleines Land im großen Europa, unsere Bedeutung manifestieren können.

Herr Bundeskanzler, das war sicherlich eine großartige Leistung. Da heute schon so viel unsachlich kritisiert worden ist, müssen auch diese positiven Dinge einmal sehr klar ausgesprochen werden. Ich denke, es ist wichtig, dass wir darüber reden.

Weiters bin ich froh darüber, dass mit diesem Vertrag die sozialen Rechte ent­sprechend einklagbar werden und dass wir gemäß der horizontalen Sozialklausel viel­leicht auch eine neue Entwicklung erwarten können. Wichtige Elemente sind für mich die Friedenssicherung, die Erhaltung dieses wertvollen Gutes und das gemeinsame Vorgehen gegen jegliche Art von neuer Bedrohung wie Kriminalität und Terror. Meine Erwartung ist, dass vor dem nächsten Wachstumsschritt Europa diese Verfassung, die wir heute in Österreich beschließen werden, lebt und praktiziert. (Beifall bei der ÖVP.)

13.17


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte.

 



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109. Sitzung / Seite 93

13.17.17

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die Europäische Union wurde vor ziemlich genau einem Jahr von 15 auf 25 Mitglieder erweitert. Das war ein großes, wichtiges Projekt, aber die Institutionen müssen daran erst angepasst werden. Aus diesem Grund, aber auch aus vielen anderen Gründen war es notwendig, eine neue Verfassung zu entwickeln. Ein Zurückfallen auf den Vertrag von Nizza kann sicherlich nicht die Lösung sein. Daher wird es heute eine fast einstimmige Zustimmung geben, auch wenn Kritik geäußert worden ist, und ich denke, dass Kritik an der Europäischen Union auch berechtigt ist, denn zweifellos sind auch Erwartungen nicht erfüllt worden.

Bemerkenswert ist das Minireferendum der Österreichischen Gesellschaft für Euro­papolitik, bei dem immerhin 5 000 Menschen befragt worden sind. 37 Prozent davon waren der Auffassung, dass der Nationalrat heute der EU-Verfassung die Zustimmung erteilen soll, 21 Prozent waren dagegen und 42 Prozent haben keine Meinung ge­äußert. Es ist sehr interessant, dass fast die Hälfte der Befragten keine Meinung geäußert hat. Das deutet schon auf ein Informationsdefizit hin. Dieses Informations­defizit gibt es einfach.

Natürlich ist die Verfassung ein sehr kompliziertes Werk; die Menschen schauen sich weniger Vertragstexte an als die Auswirkungen auf ihr tägliches Leben. Da bemerken wir Misstrauen, aber auch Enttäuschung gegenüber der Europäischen Union. Ich denke nicht so sehr Ablehnung als vielmehr Misstrauen, weil die Europäische Union nicht als das Europa der Menschen erlebt wird. Die Menschen assoziieren Bürokratie, Unübersichtlichkeit, Abgehobenheit. Es muss sich allerdings auch jeder bewusst sein, dass die Politik der Europäischen Union nach wie vor die Summe der Politik der Regierungen ist und daher auch die Regierungen die Verantwortung tragen, wesentlich mittragen für Kritik an der EU und Enttäuschung über die Europäische Union.

Daher ist es wichtig, dass der Politik durch die Verfassung ein Rahmen gegeben wird und dass Zielbestimmungen artikuliert werden, die zum Teil durchaus positiv zu sehen sind. So wird – und das ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehr wichtig – den sozialen Fragen höherer Stellenwert eingeräumt. Zu den Zielen zählen Vollbeschäftigung, Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung, För­derung der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Schutzes, Gleichstellung von Frauen und Männern, Solidarität zwischen den Generationen, Schutz der Rechte des Kindes und auch eine Verankerung der Sozialpartnerschaft. Wichtig ist auch die Aufnahme der Charta der Grundrechte in die Verfassung.

Es gibt allerdings auch Negatives zu vermelden. Es gibt keine makroökonomischen Weichenstellungen für Wachstum und Beschäftigung. Es gibt keine Möglichkeiten, keine Instrumente, dem Steuerwettbewerb nach unten Einhalt zu gebieten, und auch keine eindeutige Absicherung der öffentlichen Dienstleistungen beziehungsweise der Daseinsvorsorge bei Eingriffen des EU-Wettbewerbsrechts. Das heißt, es gibt nach wie vor ein Übergewicht des Wirtschaftlichen über das Soziale.

Trotzdem ist es, wie gesagt, wichtig, dass die Europäische Union weiterentwickelt wird. Es ist wichtig, dass sie sich zu einer Sozialunion entwickelt, und dafür braucht es eine gute Verfassung. Diese Verfassung ist sicherlich nur ein erster Schritt, aber immerhin, es wird ein erster Schritt getan. (Beifall bei der SPÖ.)

13.21


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Langreiter. – Bitte.

 



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109. Sitzung / Seite 94

13.22.00

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine Vorrednerin hat es ja ein bisschen skizziert und wir wissen natürlich auch, dass die Komplexität der Materie ins­gesamt eine sicher problematische ist und vielleicht gerade deshalb kein so breites öffentliches Verständnis gefunden werden kann, weil die Materie eben sehr schwierig ist. Aber auf der anderen Seite, glaube ich, sind wir als Politiker, als Mandatare durch­aus in der Lage, bei vielen Möglichkeiten der direkten Demokratie, die wir natürlich alle offen lassen – das ist keine Frage –, auch eine gewisse Verantwortung zu tragen und gewisse richtungweisende Entscheidungen zu treffen.

Lassen Sie mich vielleicht zwei oder drei Aspekte in aller Kürze aufzählen, die mich als einfachen Abgeordneten auch in einer ländlichen Region betreffen, wobei vielleicht auch ein bisschen das Herz übergeht. Zum einen: Der friedenspolitische Aspekt dieses Vertrages, den viele vielleicht unterschätzen, ist ganz wichtig. Wir sind in einem Gedankenjahr, Europa steht für Frieden und natürlich auch für Gemeinschaft, für Freiheit und Demokratie, und gerade das bringt diese Verfassung auch entsprechend zum Ausdruck.

Kollege Schieder hat es schon angesprochen, und ich bin dankbar für diese Wort­meldung: In letzter Konsequenz ist es notwendig, dass wir, gerade was die Neutralität betrifft, auch in der Diskussion eine entsprechende Weiterentwicklung suchen und vielleicht auch finden. Frieden in Europa, denke ich, haben wir wirtschaftlich großteils schon gefunden, bezüglich Frieden für Europa haben wir, glaube ich, noch einen ent­sprechenden Nachhol- und Aufholbedarf, damit natürlich auch die kleinen oder größe­ren Pulverfässer rund um das wunderschöne Europa entsprechend entschärft werden.

Ein zweiter Aspekt, der heute nur ganz kurz angeklungen ist, ist jener, von dem ich als überzeugter Föderalist glaube, dass er sehr wichtig ist und dass wir immer auf der Hut sein müssen. Als Mitgliedstaat müssen wir wissen, dass wir in den – unter Anführungs­zeichen – „Sachdebatten“, in die wir uns in der EU einbringen, keine einfachen Mitglieder sind, weil wir letztendlich viele Problembereiche wie Transit, Steuerwett­bewerb oder Absicherung der öffentliche Dienstleistungen auch entsprechend zu arti­kulieren haben. Hier kommt insbesondere den regionalen, aber auch den Länder­kom­petenzen eine ganz bedeutende und große Rolle zu. Ich bin überzeugt davon, dass die Länderparlamente und natürlich auch dieses Hohe Haus künftig ein stärkeres Netzwerk mit den Länderparlamenten und den nationalen Parlamenten der Mitglied­staaten aufbauen sollten. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig, damit wir vielleicht auch, wie das heute manchmal angeklungen ist, so manches Demokratiedefizit ab­bauen können.

Und als letzter Aspekt – ich glaube, das hat heute noch keiner gesagt, aber ich sage es vielleicht stellvertretend für 181 Mitglieder –: Ich bin stolz und wirklich auch freudig gestimmt, zu jener Politikergeneration zu gehören, die dieses erste große Vertrags­werk, dieses visionäre Vertragswerk für Europa mitbestimmen darf. Alles Gute diesem Europa! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.25


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

 


13.25.19

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Bundeskanzler! Die Grü­nen sind keineswegs kleinlich oder pingelig oder wie Sie das ausgedrückt haben, die Grünen werden dem Antrag Molterer, Scheibner und KollegInnen betreffend europa­weite Volksabstimmung zustimmen (demonstrativer Beifall des Abg. Mag. Molterer) –


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danke für den schüchternen Applaus! –, obwohl wir mit einigen Passagen im Vortext wenig bis gar nicht einverstanden sind, obwohl man darüber rechten könnte, ob die Bundesregierung jetzt wirklich korrekt ersucht wird, weiterhin – verstärkt jedenfalls, da haben Sie Recht –, weiterhin und verstärkt und so weiter für die Abhaltung EU-weiter Volksabstimmungen einzutreten. Wir sind ja nicht kleinlich. In der Sache ist der Antrag okay. Wir unterstützen das und insbesondere natürlich die Einberufung einer EURATOM-Revisionskonferenz.

Umgekehrt frage ich mich natürlich dann schon: Wir bringen auch einen Antrag ein beziehungsweise haben wir ihn vor Ihnen eingebracht, einen Entschließungsantrag Van der Bellen, Lunacek, Sburny und KollegInnen, in dem es heißt, die Bundes­regie­rung wird ersucht, auf europäischer Ebene und so weiter eben diese europäischen Volksabstimmungen zu unterstützen, zu fördern et cetera. Nicht einmal im Vortext findet sich hier irgendeine Bemerkung oder auch nur die leiseste Andeutung einer Kritik an der Bundesregierung oder an ÖVP/FPÖ. Sie können sich hier durch nichts pro­voziert fühlen. Werden Sie diesem Antrag auch zustimmen (Abg. Mag. Molterer: Warten Sie’s ab!), oder werden Sie es so wie im – wann war das? – November 2004 machen? – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Warten Sie’s ab, Herr Kollege!)

13.26


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

 


13.27.07

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Wir sind weder pingelig noch kindisch; wir wer­den beiden Anträgen zustimmen. Wir glauben, dass es vor allem wichtig ist, dass diesem Antrag, wenn er hier von allen im Plenum unterstützt wird, auch größt­mögliches Gewicht verliehen wird, wenn es darum geht, in Zukunft dafür einzutreten, dass es erstens diese Einrichtung einer europaweiten Volksabstimmung überhaupt gibt und dass zweitens gerade bei diesem Verfassungsvertrag die Möglichkeit besteht, dann darüber abzustimmen, wenn ihn alle Staaten ratifiziert haben. Dann wäre es gut, wenn es wirklich eine europaweite Volksabstimmung dazu gäbe. Diese Einrichtung muss erst geschaffen werden. Ich glaube daher, dass ein geschlossenes Abstimmen heute richtig wäre. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich möchte aber schon noch eine kleine Anmerkung machen. Ich gebe zu, der Antrag der Grünen ist ein sachlicher, kurzer Antrag ohne Kritik an der Regierung, was den Grünen wahrscheinlich schwer gefallen ist, wie es auch uns immer schwer fällt, Anträge zu stellen, in denen sich nicht auch Kritik an der Regierung findet. Aber es zeigt, dass man doch über den eigenen Schatten springen kann. Da haben die beiden Regierungsparteien ein Problem. Die wünschen zwar oft, dass man ihren Anträgen zustimmt, zugleich ist aber doch immer wieder Selbstlob dabei, und davon können sie nicht Abstand nehmen. Etwa diese Formulierung im Antrag, in der steht, dass die Bundesregierung weiterhin für die Abhaltung EU-weiter Volksabstimmungen eintreten möge (Abg. Dr. Stummvoll: Das stimmt ja!), ist und bleibt (Abg. Dr. Stummvoll: Die Wahrheit!) eine Geschichtsklitterung (Abg. Dr. Stummvoll: Die Wahrheit!), denn die Kritik ist berechtigt, dass man sich viel vehementer, viel stärker, viel früher – ich verweise nur auf die Frage, als es um den europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie gegangen ist – dafür einsetzen hätte können, aber wir begrüßen, dass im gleichen Satz dann steht, sie werde sich verstärkt in Zukunft dafür einsetzen.

Das heißt, das Wörtchen „verstärkt“ bestätigt ja eigentlich unsere Kritik, nämlich die Kritik daran, dass es bisher eigentlich in dem Ausmaß nicht stattgefunden hat. Also da schwingt ja ein bisschen – wie soll ich sagen? – ein schlechtes Gewissen bei dieser


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Formulierung mit und fast eine Selbstkritik, im Gegensatz zu dem üblichen Selbstlob der Anträge der beiden Regierungsparteien.

Wenn ich das daher in der Kombination bewerte, kommen wir selbstverständlich zu dem Schluss, dass wir dem zustimmen, also wirklich alle gemeinsam, und dann schau­en, dass das in Europa auch wirklich stattfindet. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

13.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungs­ausschus­ses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 851 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Gemäß dem Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa kann der Beschluss auf Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Vertrages nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gefasst werden.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungs­mäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, dem Abschluss des Staatsvertrages über eine Verfassung für Europa die Genehmigung zu erteilen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass alle Sprach­fas­sungen mit Ausnahme der deutschen dadurch kundzumachen sind, dass sie zur Ein­sichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Molterer und Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend europa­weite Volksabstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies ebenfalls mehrheitlich angenommen. (E 99.)

Wir gelangen ferner zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine österreichische Initiative für die Einführung einer europaweiten Volksabstimmung über europäische Fragen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies mehrheitlich angenommen. (E 100.)


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13.31.352. Punkt

Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 588/A der Abge­ordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Barbara Prammer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Josef Cap, Herbert Scheibner, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäfts­ord­nungsgesetz 1975) geändert wird (881 d.B.) (Zweite Lesung)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Damit gelangen wir zum 2. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

 


13.32.38

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Mit­glieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Nachdem wir uns jetzt mit den Fragen Europas beschäftigt haben, gehört auch der konsequente nächste Schritt gesetzt. Dieser konsequente nächste Schritt muss sein, wie wir unsere Arbeit im österreichischen Parlament, insbesondere auch im Nationalrat, auch im Hinblick auf die kritischen Stimmen, die es rund um die Europa-Verfassung gibt, so verändern, dass zukünftig mehr europäische Themen in diesem Haus öffentlich diskutiert werden.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns die derzeitige Situation vergegenwärtigen, dann ist eines ganz klar: Wir haben, glaube ich, eine sehr gute Ausgangssituation, was die Rechte des Parlaments an der Mitwirkung an europäischen Entscheidungen betrifft. Wir diskutieren etwa im Hauptausschuss öffentlich vor jedem Europäischen Rat, wie die Bundesregierung auch österreichische Interessen zu vertreten hat.

Wir haben einen Unterausschuss des Hauptausschusses, der sich mit Detailfragen auseinander setzt und dort mit dem zuständigen Mitglied der Bundesregierung be­spricht, wie wir Österreicher uns auf europäischer Ebene verhalten sollen, wir haben aber im Plenum nur immer dann die Gelegenheit, über europäische Frage zu reden, wenn es um so eine Thematik geht wie jetzt die Europäische Verfassung, das heißt, wenn ein Vertragswerk mit ja oder nein abzustimmen ist.

Da, glaube ich, ist zu Recht anzusetzen, dass wir uns im Nationalrat künftig stärker mit Zukunftsfragen der Europäischen Union zu beschäftigen haben. Und das ist der Inhalt dieses Änderungsantrages betreffend die Geschäftsordnung. Ich glaube, dass es sehr positiv zu sehen ist, dass wir uns künftig im Nationalrat in eigenen Sitzungen damit auseinander setzen werden, wie ein Arbeitsprogramm einer Präsidentschaft aussieht. Wir können dabei all diese Zukunftsfragen besprechen, die in diesem Zusammenhang releviert werden. Und das wird auch entsprechende Aufmerksamkeit erregen, mehr als bisher.

Wir werden zum Zweiten in einer Sitzung des Nationalrates Fragen diskutieren können, die die einzelnen Klubs vorschlagen, wobei nach der Geschäftsordnung eine ähnliche Redeordnung wie bei einer Dringlichen Anfrage vorgesehen ist. Wir werden uns hier mit solchen Zukunftsfragen aus den Arbeitsprogrammen der Institutionen beschäftigen können, und ein Klub kann das vorschlagen.

Wir haben auch die Möglichkeit, Dinge, die im Hauptausschuss besprochen werden, im Plenum sozusagen noch einmal öffentlich zu diskutieren.

Ich halte diese Möglichkeiten für eine gute Fortentwicklung, weil ich erwarte, dass, wenn sich das nationale Parlament damit beschäftigt, ein Thema viel stärker ins Zen-


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trum rückt, nämlich das Thema der europäischen Zukunft. Das ist eine Fortentwicklung nach zehn Jahren Mitgliedschaft in der Europäischen Union, die wir alle, glaube ich, begrüßen. Alle Fraktionen haben dem im Ausschuss zugestimmt.

Ich halte das auch politisch für eine große Fortentwicklung, denn wir werden euro­päische Fragen nur dann stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken können, wenn wir auch im Nationalrat bereit sind, uns diesen Zukunftsfragen Europas in einer öffentlichen Debatte stärker zu widmen.

Daher sehe ich das als einen sehr guten Schritt. Ich freue mich über die Zustimmung aller Fraktionen und glaube, dass dieser erste Schritt auch dann, wenn noch nicht alles perfekt ist und wir wahrscheinlich aus der Praxis heraus noch einige Dinge in der Geschäftsordnung verändern werden müssen, ein sehr gelungener ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.36


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte.

 


13.36.26

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Debatte, die wir im Ausschuss gehabt haben, hat ein Abgeordneter diesen Antrag, diese Novelle als einen wichtigen Schritt und als einen Meilenstein bezeichnet. Auch unter Verzicht auf den wortklauberischen Hinweis, dass ein Meilenstein nach einer Meile steht, was zirka 2 500 Schritte sind, muss man sagen: ein Schritt – ja, Meilen­stein – nein.

Zustimmung wird es natürlich geben zu diesem Gesetz, denn der Vorschlag, denn die Neuerungen sind weit besser als der derzeitige Zustand. Zustimmung – ja, Zufrie­denheit – nein, denn demokratiepolitisch geschieht zu wenig.

Wie ist es zu dieser Novelle gekommen? – Nach der geringen Beteiligung bei den Wahlen zum Europäischen Parlament waren sich alle Fraktionen darüber einig, dass etwas geschehen müsse. Die Überlegung war, durch eigene Sitzungen des National­rates zur ausschließlichen Erörterung von EU-Themen der Öffentlichkeit einen größe­ren Einblick zu ermöglichen und sie so stärker für die Arbeit an der Europäischen Union zu gewinnen. Inhaltlich sollte auch die Mitwirkung des Nationalrates an EU-An­ge­legenheiten verstärkt werden.

Von diesen zwei Aufgabenstellungen ist die Marketing-Überlegung in EU-Angelegen­heiten, quasi der PR-Teil, aber auch der berechtigte Erziehungs- und Öffentlichkeits­arbeitsteil recht gut gelungen. Der demokratiepolitische Teil, die echte Stärkung des Nationalrates in EU-Angelegenheiten geschieht nicht wirklich.

Lassen Sie mich, wenn es die Zeit zulässt, das an drei Dingen festmachen.

Erstens: Fristenlauf. Ein Fristenlauf, dass jeder Klub acht Wochen vor der Sitzung die Themen bekannt geben muss, dass er dann eine Woche vorher noch eine Änderung vorschlagen kann, aber da muss die Präsidiale zustimmen, das ist nicht wirklich aktuelle Debatte. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Was – zweitens – die Instrumente betrifft: Es gibt weder eine Aktuelle Stunde noch eine Fragestunde in EU-Angelegenheiten, es gibt keine Dringlichen Anfragen und es gibt keine Dringlichen Anträge in EU-Angelegenheiten in diesen Sitzungen. In nor­malen Sitzungen können sie sein, in diesen Sitzungen sind sie ausgenommen.

Drittes Beispiel der Kritik: Die Novelle festigt die privilegierte Stellung der Mitglieder der Regierung. Von der Regelung in unserer Geschäftsordnung, dass Mitglieder der Regierung jederzeit hier sprechen können, das Wort ergreifen können – es wird sogar


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verlangt, dass für die Fernsehzeit überlegt wird, ob die Beschränkung für sie Gültigkeit haben darf –, von dieser Bestimmung glaubt man, sie sei eine Analogie zum Prinzip der Ministerverantwortlichkeit. Mitnichten! Sie stammt aus einer Zeit, in der es die Ministerverantwortlichkeit gar nicht gab, denn diese privilegierte Stellung entsprang dem obrigkeitsstaatlichen Denken der Krone. Es findet sich erstmals in der so genann­ten oktroyierten Geschäftsordnung von Kaiser Franz Joseph vom 23. April 1861.

Diese privilegierte Stellung der österreichischen Regierungsmitglieder wird zwar beibe­halten, aber der Analogie-Forderung für EU-Debatten, dass vielleicht ein Kommissar kommt und hier Rede und Antwort steht, wird nicht gefolgt. Das wird nicht ermöglicht, der soll nicht in das Parlament kommen! – Fremde, Ausländer sind es meist, die unter uns gesät den Geist.

Es ist kein wirklicher Fortschritt, wenn man zwar Mitbestimmung will in EU-Angele­genheiten, aber sie nicht ermöglicht in wesentlichen neuen Punkten.

Deshalb: Sehen wir das als ersten Schritt, und arbeiten wir an den weiteren Schritten! Erweitern wir das Instrumentarium! Schaffen wir neue Möglichkeiten! Sehen wir all jene Möglichkeiten, die für den normalen parlamentarischen Betrieb bestehen, auch für die EU-Sitzungen vor, und denken wir weitere Möglichkeiten an: Vernetzung mit anderen Parlamenten für diese Sitzungen, Möglichkeiten für EU-Gremien, hier zu sprechen, sich zu verantworten, sie zu befragen! Seien wir ein bisschen mutiger in dieser Frage! Dann werden die Sitzungen spannender, die Übertragungen spannender – es ist für uns besser, für die Öffentlichkeit besser, und es ist auch für die europäische Idee besser. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.41


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


13.41.37

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schieder! Es ist richtig, das ist ein Kompromiss. Wir haben ja in der Präsidiale und auch in den Fraktionen nicht Wochen, sondern eher Monate darüber diskutiert ... (Abg. Schieder: Ich glaube, alle sehen sich schon als Regierung! Die einen sind, die anderen sehen sich, und keiner denkt an das Parlament! – Gegenruf der Abg. Dr. Glawischnig.) – Zu welcher Gruppe würden Sie sich zählen, Herr Kollege Schieder? (Abg. Schieder – in Richtung der Abg. Dr. Glawischnig –: Sie auch! Sie auch! – Abg. Dr. Glawischnig: Nein! ...!) Herr Kollege Schieder, zu welcher Gruppe zählen Sie sich? – Er hört nicht zu, macht nichts.

Wir haben jedenfalls lange über diese Fragen diskutiert, und die Notwendigkeit liegt auf der Hand. Es hat verschiedene Varianten und Modelle gegeben, wie man das öster­reichische Parlament, den Nationalrat stärker mit EU-Fragen befassen kann. Da gab es die Überlegung, ob man in die Normaldebatten EU-spezifische Teile mit einbaut oder ob man – und darauf haben wir uns jetzt geeinigt – eigene Nationalratssitzungen zu EU-Themen abhalten kann.

Natürlich kam dann die berechtigte Frage, wie aktuell denn das ist, aber auf der anderen Seite, Herr Kollege Schieder, stellt sich die Frage, wie weit vorhersehbar die Debatten und die Inhalte sind, vor allem auch dann, wenn es darum geht, auch kom­petente Ansprechpartner auf der Regierungsbank zu finden. Deshalb gab es das Ersuchen von der Regierung, dass man eine gewisse Vorlaufzeit für diese Debatten hat. (Abg. Schieder: Beim normalen Nationalrat geht es, und in EU-Angelegen­heiten ...? Man will kein Risiko eingehen!) – Welches Risiko? Entschuldigen Sie, aber


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das ist wirklich kein Risiko! (Abg. Schieder: Dass ein Minister etwas nicht weiß vielleicht!)

Sie haben mir noch nicht geantwortet auf die Frage, zu welcher Gruppe Sie jetzt gehören: zu denen, die noch immer der Regierung nachweinen, oder zu denen, die schon wieder hoffen, dass sie bald in die Regierung kommen. (Abg. Schieder: Ich glaube, das Parlament sollte mehr Rechte haben in diesen Fragen!)

Ja, ist ja wunderbar, aber sehen Sie das jetzt einmal als einen guten ersten Schritt! Es wird an uns und auch an Ihnen liegen, dass wir die Möglichkeit dieser Debatten, die wir jetzt beschließen, in dem Sinn nützen, wie die heutige Debatte in der Früh geführt worden ist, nämlich auf einem hohen Niveau, durchaus kontroversiell und in Richtung Weiterentwicklung und Mitwirkung Österreichs in der Europäischen Union und an den Institutionen der Europäischen Union.

Aber, Herr Kollege Schieder, es gibt natürlich verschiedene Modelle. Auch ich könnte mir vorstellen, am Beginn dieser Debatten eine Aktuelle Stunde zu EU-Themen zu machen. Das war ein Diskussionspunkt, da haben wir keine Einigung gefunden, das könnte ein nächster Schritt sein. Aber ich glaube, es ist jetzt auch nicht richtig, dass man sagt, das ist ein Kompromiss, und man alles, was schlecht ist, aufzählt und das so darstellt, als wäre das überhaupt nichts.

Schaffen wir einmal mit diesem ersten Schritt die Möglichkeit, weitere Schritte folgen zu lassen, indem wir diese Debatten wirklich mit Leben erfüllen! Es ist auch inter­essant, dass es das erste Mal ist, dass wir hier im österreichischen Nationalrat struk­turierte Debatten, vorhersehbare Debatten haben, so wie es etwa im Europarat der Fall ist, wo man Zeitbegrenzungen hat, wo man weiß, welche Möglichkeiten es gibt und welche nicht. Ich glaube also, das kann durchaus spannend werden, und es wird an uns liegen, wie wir diese Möglichkeit nützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Grünen haben, wie ich jetzt gerade gesehen habe, einen Zusatzantrag zur Ein­richtung von Untersuchungsausschüssen eingebracht. Meine Damen und Herren! Soweit ich mich erinnern kann, haben wir vereinbart, dass wir uns bei dieser Vorlage ausschließlich auf die Mitwirkung des Nationalrates in EU-Fragen konzentrieren und keine weiteren Geschäftsordnungsinitiativen setzen. Deshalb wundere ich mich etwas, dass jetzt überfallsartig dieser Antrag eingebracht wird. (Abg. Dr. Glawischnig: Das wurde schon im Ausschuss diskutiert!) Ja, aber wir haben in der Präsidiale eine Vereinbarung getroffen.

Sie wissen, dass wir nichts dagegen haben, ganz im Gegenteil, dass man den Unter­suchungsausschuss als Minderheitsrecht einrichtet, aber – wir haben das ja sehr intensiv im Konvent diskutiert – es müssen auch Rahmenbedingungen geschaffen werden, die sicherstellen, dass dieses Instrument entsprechend effizient und nicht missbräuchlich eingesetzt werden kann. Zu dieser Diskussion sind wir immer gerne bereit, und ich hoffe, dass es im Sonderausschuss die Gelegenheit dazu geben wird. Aber jetzt überfallsartig Zusatzanträge einzubringen, das ist nicht die seriöse Behand­lung, die wir uns für diese wichtige Frage vorstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.45


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

 


13.46.00

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine geschätzten Kolle­ginnen und Kollegen! Geschäftsordnungsbeschlüsse sind in der Regel sehr gut, wenn sie gut vorbereitet sind und im Konsens verabschiedet werden können. Ich gebe dem


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Kollegen Schieder Recht, wir haben in dieser Angelegenheit sehr lange diskutiert, und es ist immer weiter abwärts gegangen. Der ursprüngliche Entwurf des Präsidenten Khol war sehr, sehr viel besser als das, was wir jetzt beschließen. Das ist überhaupt keine Frage.

Tatsache ist, dass die Regierungsfraktionen nicht sehr großes Interesse daran hatten, diesen Europatag sehr spannend zu gestalten. Ich habe auch ein bisschen Sorge, dass diese Debatten eher eine Abfolge von sehr langwierigen Themen werden, die man schon sehr lange vorher ankündigt, und dass damit das Interesse der Bevölke­rung an sehr pointierten und scharfen Auseinandersetzungen darüber, was tatsächlich in der Europäischen Union passiert, nicht abgedeckt werden kann.

Die Frist war uns auch ein Dorn im Auge: acht Wochen, das ist sehr lang. Ich sehe auch wirklich nicht ein, warum man Minister und Ministerinnen für eine Aktuelle Stunde, Fragestunde, aber auch für Dringliche Anfragen durchaus kurzfristig ins Haus holen kann, hingegen für solch einen Europatag nicht. Allerdings ist uns das Zustande­kommen dieses Europatages wichtiger, als die Erfüllung unserer Verbesserungs­vor­schläge mit einer Zustimmung zu junktimieren.

Wir hätten auch überhaupt nichts dagegen gehabt, dass Europaabgeordnete hier an diesem Pult reden können. Ich verstehe nicht, warum das tatsächlich ein Problem für die Fraktionen sein soll. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Novelle des Geschäftsordnungsgesetzes kommt zustande, und ich hoffe, dass sie tatsächlich in diesem Haus zu einer Verbesserung der europapolitischen Diskussion beitragen wird.

Über den EU-Unterausschuss besteht die Möglichkeit, dass der Nationalrat durch verbindliche Stellungnahmen tatsächlich an EU-Beschlüssen mitwirkt. Es ist bedauer­lich, dass dies seit dem Jahr 2000 kein einziges Mal zustande gekommen ist. Öster­reich hat diese europaweit fast einzigartige Mitwirkungsbefugnis des österreichischen Nationalrates, und es ist sehr schade, dass eine Mehrheit im Haus diese Mitwir­kungsbefugnis so wenig ernst nimmt und das auch so wenig zulässt.

Weiters wollte ich auch auf andere Geschäftsordnungsvorgaben, die eigentlich not­wendig sind, noch kurz zu sprechen kommen. Wir werden, wie gesagt, dieser Novelle natürlich zustimmen und auch weiterhin dafür eintreten, dass es hier zu einer Erweite­rung und Verbesserung der Möglichkeiten kommt, aber alle anderen Erfordernisse, die eine moderne Geschäftsordnung braucht, sind nach wie vor nicht vom Tisch. Wir haben deswegen einen Zusatzantrag eingebracht, der schon sehr lange in diesem Haus liegt, der zu Beginn dieses Jahres erneut eingebracht worden ist, vor allem jetzt vor dem Hintergrund, dass alle Parteien, die hier im Hause sitzen, nicht wissen, wer die nächste Regierung stellen wird, aber auch alle hier in diesem Haus Interesse an effizienter Kontrolle haben müssen.

Effiziente Kontrolle erhöht die Qualität von Entscheidungen und ist im Grunde bares Steuergeld für die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie durchgeführt wird. Ich möchte kurz zitieren aus einer Verfassungsbroschüre der FPÖ, die mir im Rahmen des Kon­vents zugegangen ist, wo gerade die Frage Untersuchungsausschuss als Minderheits­recht aus meiner Sicht sehr richtig und treffend dargelegt wird. Ich zitiere:

Die Einrichtung des Untersuchungsausschusses stellt ein effizientes Mittel der parla­mentarischen Kontrolle dar. Naturgemäß bezieht sich die Kontrolltätigkeit insbesondere auf die Tätigkeit der Verwaltung. Da die obersten Organe der Vollziehung in einer parlamentarischen Demokratie immer vom Vertrauen der Mehrheit der Legislative


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getragen werden müssen, ist es geradezu kontraproduktiv, die Zustimmung zur Ein­setzung eines wichtigen parlamentarischen Kontrollinstruments von der Zustimmung ebendieser Mehrheit abhängig zu machen. (Abg. Scheibner: Wer hat denn das ge­schrieben, Frau Kollegin?)

Diese Schrift nennt sich „Freiheitliche Verfassungspolitik“, Klubobmann Scheibner hat das verfasst.

Da stehen noch einige andere interessante Dinge drinnen, etwa wie die parlamen­tarische Mehrheit mittels Vertagung von Ausschüssen, mittels Sammelgesetzen und so weiter den Parlamentarismus mit Füßen tritt. Darüber werden wir noch an anderer geeigneter Stelle diskutieren.

Für uns ist das wirklich eine sehr, sehr wichtige Frage. Die Einsetzung eines Unter­suchungsausschusses als Minderheitsrecht ist etwas, was für die Bevölkerung sehr wichtig ist. Sie will, dass effiziente Kontrolle erfolgt. Und dass das auch in einer sehr verantwortungsbewussten Form ausgeübt werden kann, das zeigen uns die Möglich­keiten im Wiener Landtag, das zeigen uns auch andere Länder, das zeigt uns auch Deutschland. Ich denke, man braucht sich davor nicht zu fürchten.

Also vor dem Hintergrund, dass niemand weiß, wer die nächste Opposition, wer die nächste Regierung stellen wird, aber effiziente Kontrolle das Um und Auf in einer funktionierenden Demokratie ist, bringe ich folgenden Zusatzantrag ein:

Zusatzantrag

der Abgeordneten Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag der Abgeord­ne­ten Dr. Andreas Khol, Mag. Barbara Prammer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Mag. Wil­helm Molterer, Dr. Josef Cap, Herbert Scheibner, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geän­dert wird (588/A) in der Fassung des Ausschussberichtes 881 d.B.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt ergänzt:

Nach der Ziffer 3. werden folgende Ziffern 4. und 5. angefügt:

„4. Der bisherige § 33 Abs. 3 erhält die Bezeichnung ,(5)‘.

§ 33 Abs. 3 (neu) und 4 lauten:

,(3) Der Nationalrat hat auf Grund eines Verlangens von einem Drittel der Abgeord­neten einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Dieses Verlangen hat den Bedin­gungen des Abs. 1 zu entsprechen. Ist bereits ein Untersuchungsausschuss auf Grund eines solchen Verlangens eingesetzt, so ist die Einsetzung auf Grund eines weiteren derartigen Verlangens unzulässig.

(4) Der Nationalrat hat auf Grund eines Verlangens aller Mitglieder eines Klubs einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Dieses Verlangen hat den Bedingungen des Abs. 1 zu entsprechen. Ist bereits ein Untersuchungsausschuss auf Grund eines Ver­langens eines Klubs eingesetzt, so ist die Einsetzung auf Grund eines weiteren Verlangens desselben Klubs unzulässig.‘


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5. In § 57a Abs. 1 lit. c wird nach dem Wort ,Antrag‘ die Wortfolge ,oder über das Verlangen‘ eingefügt.“

*****

Begründet habe ich diesen Antrag. Ich denke, die Freiheitliche Partei wird sich viel­leicht an ihre Wurzeln zurückerinnern, daran, wo sie einmal war, nämlich in Opposition, was vielleicht auch in der nächsten Legislaturperiode wieder der Fall sein wird, und hoffe daher auf eine Zustimmung zu diesem Antrag. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.51


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Zusatzantrag der Abgeordneten Glawischnig, Freundinnen und Freunde ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Zusatzantrag

der Abgeordneten Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag der Abgeord­neten Dr. Andreas Khol, Mag. Barbara Prammer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Josef Cap, Herbert Scheibner, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geän­dert wird (588/A) in der Fassung des Ausschussberichtes 881 d.B.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt ergänzt:

Nach der Ziffer 3. werden folgende Ziffern 4. und 5. angefügt:

„4. Der bisherige § 33 Abs. 3 erhält die Bezeichnung "(5)".

§ 33 Abs. 3 (neu) und 4 lauten:

"(3) Der Nationalrat hat auf Grund eines Verlangens von einem Drittel der Abge­ordneten einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Dieses Verlangen hat den Bedingungen des Abs. 1 zu entsprechen. Ist bereits ein Untersuchungsausschuss aufgrund eines solchen Verlangens eingesetzt, so ist die Einsetzung aufgrund eines weiteren derartigen Verlangens unzulässig.

(4) Der Nationalrat hat auf Grund eines Verlangens aller Mitglieder eines Klubs einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Dieses Verlangen hat den Bedingungen des Abs. 1 zu entsprechen. Ist bereits ein Untersuchungsausschuss aufgrund eines Verlan­gens eines Klubs eingesetzt, so ist die Einsetzung aufgrund eines weiteren Verlangens des selben Klubs unzulässig.”

5. In § 57a Abs. 1 lit. c wird nach dem Wort "Antrag" die Wortfolge "oder über das Verlangen" eingefügt. „

Begründung

In anderen Parlamenten, wie etwa dem deutschen Bundestag, ist es eine längst eine Selbstverständlichkeit, dass die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ein Minder­heitenrecht ist. Aber auch in einigen österreichischen Landtagen (Wien,


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Steiermark) kann eine Minderheit über dieses wichtige Kontroll-Instrument verfügen und damit ihrer Aufgabe nachkommen, die Tätigkeit der Regierungsmehrheit zu kontrollieren.

Mit gegenständlichem Zusatzantrag soll die Einsetzung von Unter­suchungs­ausschüs­sen auch im österreichischen Nationalrat als Minderheitenrecht (Einsetzung auf Ver­langen eines Drittels der Abgeordneten oder aller Abgeordneter eines Klubs) ausgestaltet werden.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rädler. – Bitte.

13.51.43

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Schieder! Ich nehme die von Ihnen angebrachte Kritik sehr ernst, gerade am heutigen Tag, an dem ein historisches Ereignis stattfand. Dieses Europa war natürlich auch geprägt von Gegensätzlichkeiten und vom Zusammenfinden, und es ist, glaube ich, auch notwendig, das in die Debatte einzubringen, was einer Weiter­entwicklung zugute kommt, und daher sollten wir auch darüber diskutieren.

Das, was ich aber nicht sehr ernst nehmen kann, ist, dass die Ausschussdebatte eigentlich sehr kurz war und das mit dem Initiativantrag im Ausschuss meiner Meinung nach überhaupt nicht angesprochen wurde, diese Debatte von Ihnen dort nicht geführt wurde. (Abg. Schieder: Ich habe das Gleiche dort gesagt!) Ja, es ist etwas eingebracht worden, aber in der kurzen Debatte, die dort geführt wurde, ist es sicher nicht um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gegangen.

Ich glaube, dass wir mit der Einführung dieser Europatage im Parlament viermal im Jahr einen wichtigen Schritt in Richtung Informationspflicht dieses Hohen Hauses setzen, und das ist ganz einfach notwendig. Wenn wir wissen, dass 65 Prozent aller Beschlüsse in Brüssel gefasst werden, aber nur rund 42 Prozent der Bevölkerung an der letzten EU-Wahl teilgenommen haben, dann müssen wir dem nachkommen, was unsere Pflicht ist, auf allen Ebenen, ob auf Regionsebene, auf Gemeindeebene oder hier im Haus, nämlich dass wir die Bürger darüber informieren, was eigentlich in Europa passiert, was in Europa für dieses Land geschieht.

Ich glaube, wir können stolz auf die Entwicklung in dieser Europäischen Gemeinschaft sein; nehmen wir zum Beispiel Irland her: damals eines der ärmsten Länder in der Europäischen Gemeinschaft, heute eines der reichsten. Österreich ist das zweit­reichste Land in dieser Europäischen Gemeinschaft. Die Exportquote Österreichs ist um 10 Prozent gestiegen: Exporte im Ausmaß von rund 10 Milliarden werden von Österreich heute in die Europäische Gemeinschaft getätigt. Darauf können wir stolz sein, und das sollten die Menschen draußen auch wissen.

Wir sollten die Errungenschaften, die in den letzten fünfzig Jahren erreicht werden konnten, den Menschen näher bringen. Es wurde heute schon einiges angesprochen: von Robert Schuman bis zum Kohle-Gas-Abkommen. Es handelte sich ursprünglich um ein wirtschaftliches Konzept, das eigentlich dann zu einem Friedenskonzept wurde und das dazu beigetragen hat, dass die europäischen Nationen vor 60 Jahren – gera­de im heurigen Gedenkjahr ist das ein sehr wichtiger Aspekt – zusammengefunden haben, um ein Friedensprojekt zu verwirklichen, das es unserer Generation ermöglicht, in Frieden zu leben. Wir gehören zu jener Generation, die am längsten in diesem Österreich in Freiheit und Frieden leben kann. Das ist die wahre Idee Europas, und jene Kritik, die hier eingebracht wird, sollte dazu führen, dass wir auch in der Weiter-


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entwicklung zusammenfinden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.54


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

 


13.54.38

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn wir seit Stunden über Europa und über Themen der Euro­päerinnen und Europäer diskutieren, dann sollten wir uns auch bei unserem klaren Bekenntnis und dem Ja zu diesem Vier-Parteien-Antrag ins Gedächtnis rufen: Hätten wir nicht eine Wahlbeteiligung von 42,7 Prozent bei der letzten EU-Wahl gehabt, dann hätten wir, lieber neuer Vorsitzender des Geschäftsordnungsausschusses, wahrschein­lich keine Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses gehabt und würden auch heute hier über dieses Thema nicht diskutieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass wir alle hier ge­meinsam dieses Thema wirklich so ernst nehmen, wie wir es jetzt seit Stunden diskutieren. Aber, Herr Präsident – ich habe das auch im Ausschuss gesagt –, das kann nur ein erster Schritt sein, dem viele Schritte, wie Kollege Schieder bereits ausgeführt hat, folgen müssen. Denn logisch ist es nicht, dass wir eine Art zweiten Parlamentarismus – das sind jetzt meine Wort – hier installieren.

Wenn wir gemeinsam die Themen Europas, die Themen für die Menschen in den Mitgliedsländern inhaltlich hier aufarbeiten wollen für unsere Bürgerinnen und Bürger, dann sei mir auch die Frage gestattet, warum wir das nicht ganz normal im Rahmen unserer Plenarsitzungen mit allen geschäftsordnungsmäßigen Vorgaben diskutieren können. Ich glaube, das muss auch das Endziel unserer gemeinsamen Arbeit sein, und ich hoffe, dass das nicht nur für den Bereich der EU-Themen, sondern auch darüber hinaus ein Anstoß ist. Es gibt zahlreiche Vorschläge und Anträge dazu. Unsere Fraktion hat wirklich viele Vorschläge zur Novellierung unserer Geschäftsordnung eingebracht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden über unsere Geschäftsordnung, und wir alle sollten eigentlich daran interessiert sein, dass wir eine zeitgemäße, gut funktionierende Geschäftsordnung vielleicht noch in der verbleibenden Zeit dieser Legislaturperiode zustande bringen. Das ist meine Hoffnung. Daher auch der Appell an dich, lieber Vorsitzender des Ausschusses: Versuchen wir gemeinsam, ausgehend von diesem ersten Schritt betreffend die EU-Themen, diese unsere Geschäftsordnung der heutigen Zeit anzupassen!

Ich habe es so verstanden, zumindest was den Themenbereich betrifft, wo es um Europa geht, dass wir verstärkt probieren, zu einer schrittweisen Heranführung an einen ganz, ich sage es nochmals, normalen Parlamentarismus zu kommen. Wenn wir all das, was wir jetzt seit Stunden gemeinsam hier vor aller Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht haben, in die Realität umsetzen wollen, dann werden wir auch eine Ge­schäftsordnung brauchen, die das ermöglicht.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, Herr Präsident, dass man sich das mit dieser langen Frist wirklich noch einmal überlegen sollte. Es ist bei einem Fristenlauf von acht Wochen wirklich schwierig, aktuelle Themen hier zu behandeln. Wir leben im Internetzeitalter! Ich glaube, viele oder alle, die hier sitzen, verwenden das Internet. Das heißt, unter Umständen reden wir dann hier ununterbrochen von einem alten Hut, der schon längst überholt ist. Alle Profis in diesem Saale wissen das.


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Daher sollten wir da ansetzen: Die Themen, die die Fraktionen einbringen, müssen brandaktuell sein – sonst nehmen wir nicht einmal das ernst, was wir in einigen Augenblicken hier beschließen werden.

Ich glaube auch, dass die Medienberichterstattung von enormer Bedeutung sein wird, damit unsere Bürgerinnen und Bürger erkennen können, dass sich das nationale Parlament mit den so wichtigen Fragen für die Menschen in unserer Heimat, aber auch mit den so wichtigen Fragen für die gesamte Europäische Union auseinander setzt.

Wir stimmen diesem ersten Schritt sehr gerne zu, erwarten aber und erhoffen uns, dass wir die Arbeit im Geschäftsordnungsausschuss auch die anderen Themen betreffend aufnehmen und diese Punkte zu aller Zufriedenheit umsetzen können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.59


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 


14.00.00

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Ich verstehe nicht ganz, warum die Frage bezüglich Zusatzantrag jetzt dermaßen große Aufregung verursacht.

Rekapitulieren wir das noch einmal: Es gab zu Beginn dieser Legislaturperiode Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Minderheitsrecht – ich glaube, diese Anträge kamen auch von der SPÖ, aber auf jeden Fall von den Grünen. Die Frage, die sich gestellt hat, war, ob es ein Junktim gibt, dass man über die EU-Ände­rungen nur dann reden will, wenn noch andere Geschäftsordnungs-Änderungen damit verknüpft werden. – Unsere Zusage war: Das werden wir nicht machen. Wir können uns vorstellen, diesen EU-Regelungen zuzustimmen, und zwar nicht nur dann, wenn auch bezüglich der Frage Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Minder­heitsrecht Konsens herrscht, gibt es die Änderung. Daran haben wir uns in aller Konsequenz gehalten. Es war im Übrigen auch so, dass der Antrag nicht auf der Tagesordnung des Ausschusses war.

Dass man jetzt bei der Abstimmung keinen Zusatzantrag mehr einbringen darf bezie­hungsweise dass das gegen die Vereinbarung wäre, das ist einfach unrichtig. Ich weiß auch nicht, wovor Sie sich fürchten. Bekannt ist, dass wir das seit Jahren verlangen, bekannt ist auch, dass Sie als Regierungsparteien das nicht wollen. Die ÖVP will das auf jeden Fall seit längerem nicht, bei der FPÖ/BZÖ hat das immer gewechselt.

Jetzt haben wir es eben dokumentiert, dass Sie das ablehnen werden. Ich finde es positiv, dass im Sinne des Parlamentarismus Anträge, bei denen es keine Mehrheit gibt, zumindest zur Abstimmung gebracht werden, denn es ist ein Teil der Kultur, dass das, was die Regierungsparteien nicht haben wollen, gar nicht mehr in diesem Haus landet. – Ich finde es durchaus positiv, dass das heute einmal gelingt.

Zum Inhalt selbst: Es ist mehrfach angesprochen worden, dass die Fristsetzung mit acht Wochen einer lebendigen Debatte ziemlich im Weg steht. Aber jetzt kommt etwas, auf das wir, wenn wir über Vereinbarungskultur reden, zurückkommen können: Faktum ist, das Thema kann eine Woche vor der Sitzung geändert werden, allerdings nur mit Konsens in der Präsidiale. – Wir werden uns sehr genau anschauen, wie die Regie­rungsparteien darauf reagieren werden, wenn Ansuchen kommen, das Thema noch kurzfristig zu ändern.

Es wird auch an Ihnen liegen, ob dieses Instrument lebendig wird, denn es wird niemand in der Bevölkerung verstehen, wenn möglicherweise wenige Tage vor einem Plenum EU-Themen plötzlich aktuell werden, im Nationalrat aber darüber schlicht und


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einfach nicht diskutiert wird, weil es in der Präsidiale keinen Konsens darüber gibt, das Thema zu ändern. – Das werden wir alle nicht lange aushalten, so sage ich einmal, weil Kritik kommen wird. Die Verantwortung liegt in diesem Fall bei jenen, die gesagt haben, wir brauchen die lange Frist. Man wird dann auch sehen, ob Sie der Intention, dass EU-Themen in der Öffentlichkeit mehr Bedeutung finden sollen, gerecht werden.

Die Frage ist natürlich auch, wie die Medien mit diesen EU-Tagen umgehen werden. Das, was wir hier im Haus diskutieren, hat eine bekannterweise beschränkte Öffent­lichkeit. Ich finde grundsätzlich, dass der Ablauf, nämlich vier Themenblöcke, die de facto ähnlich wie eine Dringliche Anfrage konstruiert sind, in einem überschaubaren Zeitrahmen vorzusehen, eine Chance bietet. Diese Sitzungen werden auch nicht bis in die Nacht dauern. Ob die Medien das in dem Sinne aufnehmen, wird eine zentrale Frage werden, da hätte mehr Mut gut getan. Auch die Umsetzung der Anregung, so etwas wie eine Aktuelle Stunde zu machen, bei der wir gewusst hätten, dass es eine Öffentlichkeit dafür gibt, weil sie in der Regel vom ORF übertragen wird, so etwas wie ein dringliches Instrument vorzusehen, hätte Sinn gemacht.

Wir hätten auch über die Dinge, die jetzt vom ORF übertragen werden, reden können. Man sollte vielleicht darüber reflektieren, ob die Fragestunde, so wie sie gehandhabt wird, ein Super-Instrument ist, um dieses Haus der Öffentlichkeit zu präsentieren. Es gibt de facto keine Möglichkeit des Austausches, es gibt keine Möglichkeit, eine sinnvolle Diskussion zu führen, weil jedes Mal, wenn man als Fragesteller mit zwei Sätzen einleitet, die Regierungsparteien zu schreien beginnen, weil es ganz furchtbar ist, dass die Oppositionsabgeordneten ein paar Sekunden Redezeit mehr haben, ob­wohl die Minister dann über 5 Minuten lang ihre Antworten darlegen können. – Ob das ein zeitgemäßes Instrument einer sinnvollen parlamentarischen Geschäftsordnung ist, darüber sollten Sie nachdenken.

Man könnte sich auch einmal Instrumente des Deutschen Bundestages anschauen, wo beispielsweise die Zwischenrede, also die Möglichkeit, kurzfristig in die Debatte einzusteigen, in beschränktem Ausmaß gegeben ist. Vielleicht könnte man sich auch in Österreich trauen, dieses einzuführen, ohne dass die Säulen dieses Hauses auf einmal einstürzen. – Ein bisschen mehr Mut würde den Regierungsparteien gut tun. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.04


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

 


14.04.17

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! Auch von meiner Seite gibt es grundsätzlich Zustimmung zu dieser Geschäfts­ordnungsreform mit all den kritischen Punkten, die schon Vorrednerinnen und Vor­redner der Grünen und der SPÖ angemerkt haben.

Ein Punkt, der mich vor allem wundert und stört, ist, dass keine Europa-Abgeordneten und auch keine Kommissare oder Kommissarinnen die Möglichkeit haben werden, das Wort zu ergreifen. Relativ viele davon sind zwar nicht österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, aber gerade das hätte ich für solche Debatten sehr belebend gefunden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber wenn auch Sie sagen, das sei nur ein erster Schritt, dann hoffe ich, dass es den nächsten bald geben wird.

Mein Anliegen im Rahmen dieser Wortmeldung hat auch mit der Geschäftsordnung zu tun, es betrifft nämlich den EU-Unterausschuss. Kollege Spindelegger hat erwähnt, dass es diesen gibt – wir haben ihn. Meine Damen und Herren! Wir haben ihn, aber


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nur virtuell, real haben wir diesen Ausschuss nicht, es findet nämlich fast nie eine Sitzung statt, obwohl wir alle wissen, wie wichtig es wäre, EU-Themen auch in diesem Haus eingehender zu beraten.

Ich möchte Ihnen eine kurze Aufstellung darüber geben, was da in letzter Zeit vorge­fallen ist. In der Präsidiale vom 1. Juli 2004 sind alle Parteien übereingekommen, dass eine langfristige Planung des Sitzungskalenders des Unterausschusses sinnvoll ist und eine Sitzung im Monat – eine Sitzung im Monat! – sinnvoll wäre. – Wissen Sie, wie viele im zweiten Halbjahr des letzten Jahres stattgefunden haben? – Eine! Und heuer hat es ebenfalls erst eine im ersten Quartal gegeben, Anfang Jänner. – Das war es! Mehr hat es nicht gegeben!

Wenn Sie mich jetzt fragen, warum das so ist, muss ich die Frage einerseits an die leere Regierungsbank weiterleiten, andererseits aber auch sehr wohl an die Abgeord­neten von ÖVP und FPÖ. Die Regierungsmitglieder haben leider kaum Zeit dafür und finden keinen Termin. (Abg. Silhavy: Da schau her!) Termine für diese Ausschüsse sind fast nicht zu finden beziehungsweise haben die zuständigen Minister und Minis­terinnen dann doch leider keine Zeit. – Meine Damen und Herren! Das ist kein ernsthafter Umgang mit der Frage von EU-Themen in diesem Haus! Da stimmt etwas nicht, da ist keine Ernsthaftigkeit vorhanden. – Ich kann die Regierungsmitglieder von ÖVP/FPÖ/BZÖ, wem immer sie jetzt angehören, nur auffordern, zu kommen.

Ein ganz reales Beispiel: Für übermorgen ist ein Termin angesetzt. Wir wissen bis heute nicht, ob ein Minister oder eine Ministerin Zeit haben wird und zu welchem Thema, obwohl jetzt sogar die Regierungsfraktionen das Vorschlagsrecht für den Inhalt hätten! Bis heute wissen wir nicht, ob diese Ausschusssitzung überhaupt stattfindet.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Wie gesagt: Es ist wichtig, EU-Themen in diesem Haus breiter zu diskutieren, auch im Plenum zu diskutieren, aber es darf nicht sein, dass dafür vorgesehene Ausschusssitzungen nicht stattfinden, obwohl es eine Einigung in der Präsidiale gibt, dass inhaltlich wichtige EU-Themen mit den zuständigen Ministerinnen und Ministern intensiv behandelt werden können.

Paradebeispiel ist Finanzminister Grasser. Es gibt, glaube ich, seit einem Jahr noch immer keinen Termin, um endlich einmal den Stabilitätspakt mit ihm in diesem Unterausschuss zu diskutieren. (Abg. Mandak: Weil er in Capri ist!) – Wahrscheinlich ist er immer auf Capri oder sonst wo. Aber es kann doch nicht sein, dass Regie­rungsarbeit so funktioniert, dass Sie dem Parlament nicht mehr Rede und Antwort stehen!

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Ich ersuche Sie und fordere Sie auf, aus Anlass dieser Geschäftsordnungsänderungen, die tatsächlich mehr euro­päische Themen auf die Tagesordnung des Plenums bringen werden, auch dafür zu sorgen, dass Ihre Minister und Ministerinnen die Termine der EU-Unterausschüsse wahrnehmen. (Beifall bei den Grünen.)

14.08


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 881 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen einen Zu­satzantrag eingebracht.

Der vorliegende Entwurf sowie der eben erwähnte Zusatzantrag betreffend das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates können nach Artikel 30


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Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes nur bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stim­men beschlossen werden.

Somit stelle ich zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfas­sungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich werde daher zunächst über den Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen und danach über den Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz­antrag betreffend §§ 33 und 57a eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Zusatzantrag aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist somit in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Gemäß § 108 des Geschäftsordnungsgesetzes kann die dritte Lesung des vorliegen­den Gesetzentwurfs frühestens 24 Stunden nach Abschluss der zweiten Lesung stattfinden. Sie wird auf der Tagesordnung der morgigen Sitzung stehen.

14.10.16 3. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vorlage (691 d.B.): Protokoll aufgrund von Artikel 43 Absatz 1 des Überein­kommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Über­einkommen) zur Änderung dieses Übereinkommens (880 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Ich erteile ihm das Wort.

 


14.10.49

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben das Übereinkommen im Ausschuss ausführlich diskutiert, daher kann ich meine Ausführungen hier im Plenum kurz halten. Ich möchte nur auf einige Probleme in der Sache und auf ein Problem in der Zusammenarbeit zwischen den Klubs hinweisen.

In der Sache ist es klar: Selbstverständlich ist es in Zeiten, in denen die organisierte Kriminalität die Grenzen längst überwunden hat, notwendig, für eine grenzüber­schreitende Bekämpfung eben dieser Kriminalität zu sorgen. Ein Europa, das sich eine gemeinsame Verfassung gibt, muss auch eine funktionierende Kooperation im polizeili­chen und im allgemeinen Sicherheitsbereich schaffen, und es ist drauf und dran, das zu tun.

Jetzt gibt es so genannte Arbeitserleichterungen, die sich in Form von Daten­übertragung und Schnittstellen ausdrücken. In Zukunft werden Polizeibehörden nicht mehr von einem Staat zum anderen über eine einzige zentrale Schnittstelle Daten austauschen können, sondern sie werden das in direktem Kontakt tun können. Und


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dabei ergibt sich gemeinsam mit der Möglichkeit, eine viel effizientere Sicherheitspolitik zu betreiben, ein viel größeres Problem des österreichischen und des europäischen Datenschutzes.

Ich habe den Eindruck gehabt, dass das im Innenausschuss durchaus ernst genom­men wird. Wir haben da Regelungsbedarf. Regelungsbedarf besteht nicht nur beim europäischen Datenschutz, sondern vor allem bei der Kontrolle, bei der umfassenden und nachvollziehbaren – auch parlamentarisch nachvollziehbaren – Kontrolle. Und genau an diesem Punkt sehen wir, dass es in der Europäischen Union zu einem seltsamen Problem kommt, auf das ich im Ausschuss hingewiesen habe, und das ich hier wiederholen möchte.

Wir konnten damals nur – die Gerichte haben da nicht mitgespielt – Polizeibeamten, die der damaligen FPÖ nahe gestanden sind, eigentlich lückenlos den Missbrauch von personenbezogenen Daten im Polizeibereich nachweisen, weil es eine völlige Proto­kollierung der Abfragen in Österreich gibt. Plötzlich stellen wir fest, in der Europäischen Union ist das nicht geplant. Das ist kein technisches Problem. Sie können die Proto­kollierung automatisch mitlaufen lassen, und wenn einmal etwas passiert, können Sie sehr einfach feststellen, wer abgefragt hat und wo es zum Missbrauch gekommen ist. Das ist ein ganz entscheidendes Instrument. Die Menschen sehen heute schon, da ist eine Überwachungskamera, dort nimmt man mir den Fingerabdruck ab, dort will man meine biometrischen Daten, dort will man gentechnische Spuren verfolgen können, auch mit der strukturierten Kenntnis meines Genoms. Daher verlangen immer mehr Bürgerinnen und Bürger einen sorgfältigen Umgang und eine funktionierende Kontrolle.

Die Europäische Union hat es entweder nicht verstanden, oder es gibt dort Verant­wortliche, die sagen: Wir wollen nur eine auszugsweise und stichprobenartige Proto­kollierung. Und das ist zu wenig. Das ist kein technisches Problem, und das haben uns die Experten und Expertinnen des Innenministeriums auch bestätigt.

Ich stelle hier gleich fest, damit die Diskussion in keine falsche Richtung geht: Die Frau Innenministerin hat das Problem nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch gesagt, sie möchte sich einsetzen dafür, dass es zu dieser Vollprotokollierung kommt. Dazu sage ich, gut, das war ein Erfolg im Ausschuss, das war eines dieser viel zu seltenen Beispiele einer durchaus konstruktiven Ausschussarbeit gemeinsam mit der Frau Innenministerin. Und ich gehe davon aus, dass es diese Initiative geben wird.

Jetzt wäre es das Einfachste der Welt gewesen, einen gemeinsamen Antrag zu stellen, der auch in unserem Interesse liegt. Ich beziehungsweise mein Mitarbeiter wurde vom entsprechenden Klubmitarbeiter der ÖVP kontaktiert. Ich habe gesagt: All das, was in dem Antrag steht, ist wunderbar, aber bitte nehmen wir auch diesen Satz über die Voll­protokollierung hinein – eine Selbstverständlichkeit. Die Antwort war: Wir haben das schon in unseren ÖVP-Gremien diskutiert, und deshalb können wir das jetzt nicht mehr ändern, weil das bei uns so beschlossen worden ist.

Frau Ministerin, das richte ich nicht an Sie, weil Sie nicht für den ÖVP-Klub verant­wortlich sind, sondern an die Abgeordneten, an die Klubführung der Österreichischen Volkspartei: Wenn Sie wollen, dass wir hier etwas gemeinsam machen, dann reden wir auch gemeinsam darüber, und dann stellen Sie nicht Ihre klubinternen Beschlüsse über die gemeinsame Arbeit aller Fraktionen im Innenausschuss! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es geht darum, dieses Mindestmaß an parlamentarischer Kultur einzuhalten, und ich weiß auf Grund der Zusammenarbeit etwa mit Kollegen Miedl, aber auch mit etlichen anderen, dass das in vielen Bereichen nicht nur auf persönlicher Ebene ausgezeichnet funktioniert. Bitte versuchen wir gemeinsam, auch der Klubführung der ÖVP klarzu­machen, dass das anders gehen muss, und zwar nicht aus sachlichen Gründen,


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sondern weil diese Art des Umgangs der Klubs miteinander – so nach dem Motto, die Opposition irgendwo mitlaufen zu lassen – nicht die Art des Parlaments sein kann. Deswegen werden wir mit großem Bedauern diesem Entschließungsantrag – und nur aus diesen Gründen – heute nicht zustimmen.

Trotzdem: Werten Sie meinen Debattenbeitrag und auch unsere gemeinsame Arbeit im Innenausschuss als einen Hinweis darauf, dass wir in der Sache selbst durchaus weiter konstruktiv zusammenarbeiten können, und ich gehe davon aus, dass wir das auch tun werden. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.17


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

 


14.17.21

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätz­te Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich bedauere es sehr, dass die Grünen diesem Übereinkommen nicht zustimmen. Ich glaube, dass wir sehr eingehend diese Änderung des Europol-Übereinkommens diskutiert haben. Für uns hat der Datenschutz ebenfalls einen sehr hohen Stellenwert, und es ist natürlich auch im Ausschuss diskutiert worden darüber, dass dieser Datenschutz in vollem Ausmaß eingehalten werden soll. Es ist auch der Datenschutzrat zu Rate gezogen worden, damit wir auf jeden Fall auf hohem Niveau diese Gesetzesänderung beschließen.

Geschätzte Damen und Herren! Im Vordergrund dieser heutigen Beschlussfassung steht natürlich der Schutz der Bürger vor der internationalen Kriminalität. Alles, was der Kriminalitätsbekämpfung dienlich ist, müssen wir umzusetzen versuchen und ist positiv. Internationale Kriminalität kann nur international bekämpft werden, und darum ist es ganz wichtig, dass es seit dem Jahre 1999 Europol gibt und dass es natürlich auch eine sehr enge Zusammenarbeit mit Interpol gibt.

Die heutige Beschlussfassung über die Änderung des Europol-Übereinkommens ist ein wichtiger Schritt zur besseren Bekämpfung der internationalen Kriminalität. Wir beken­nen uns zur Zusammenarbeit der Polizeibehörden auf europäischer, aber auch auf internationaler Ebene, weil wir nur dadurch den modernen Erscheinungsformen der Kriminalität wirksam entgegentreten können. Wir bekennen uns zu dieser inter­nationalen Zusammenarbeit, weil es dabei um die Sicherheit der österreichischen Bürgerinnen und Bürger geht.

Europol soll in Zukunft seine zentrale Rolle bei der Verbrechensbekämpfung besser wahrnehmen können. Das ist an und für sich die Änderung dieses Übereinkommens. Konkret ist Europol derzeit für den illegalen Drogenhandel, den Menschenhandel, die Kfz-Kriminalität, den Terrorismus und den illegalen Handel mit nuklearen und radio­aktiven Substanzen zuständig, und heute soll es um die Verhütung und Bekämpfung der Geldwäsche erweitert werden.

Ein weiterer und wesentlicher Punkt – das hat auch mein Vorredner angesprochen – ist die Neuregelung der Datenabfrage. Die Datenabfrage war bisher nur einem einge­schränkten Kreis von Europol-Beamten erlaubt. Nun wird auch den nationalen Behör­den eine allgemeine Abfrage ermöglicht. Inhaltliche Abfragen dürfen wie bisher nur von der Europol getätigt werden. Die Europol muss gleichzeitig ein Instrument dafür schaffen, dass die Rechtmäßigkeit der Datenabfragen gewährleistet ist. Das ist, so glaube ich, ein Grundsatz in dieser Änderung des Europol-Übereinkommens: Die Recht­mäßigkeit der Datenabfragen muss gewährleistet bleiben!

Freilich werden bei Kompetenzerweiterungen im polizeibehördlichen Bereich immer wieder datenschutzrechtliche Fragen aufgeworfen. Wie gesagt: Der österreichische


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Datenschutzrat hat die Änderung des Europol-Übereinkommens überprüft und für in Ordnung befunden.

Lassen Sie mich dazu noch eine Anmerkung machen: Es ist nicht einfach, auf der einen Seite größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig die absolute Freiheit zu garantieren. Wenn Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger gewährleistet werden soll, dann müssen auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen.

Wir beschließen heute einen wichtigen zukunftsorientierten Schritt zur Bekämpfung der internationalen Kriminalität. Damit bekennt sich Österreich zu einem Europa mit mehr Sicherheit. Wir stehen für ein modernes Europa – das haben wir heute schon ein­gehend diskutiert –, das auch in der Lage ist, seine Bürgerinnen und Bürger bestmöglich zu schützen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.22


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

 


14.21.49

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Das Europol-Übereinkommen, das wir heute diskutieren, stellt einen wichtigen Schritt für die Verbrechensbekämpfung dar. Das ist keine Frage. Es geht ganz einfach um die Sicherheit der Menschen in diesem Land. Die Sozialdemokraten haben sich immer für internationale Zusammenarbeit in vielen Bereichen, so auch in diesem, eingesetzt.

Diese verbesserte Zusammenarbeit der Behörden bei der Bekämpfung schwerer inter­nationaler Verbrechen, wie etwa bei Drogendelikten, Menschenhandel und anderem, ist, wie gesagt, der Inhalt dieses Übereinkommens. Bis jetzt – dies ist schon ausgeführt worden – war Europol eine Art Analysestation, deren Ergebnisse die anderen Mitglied­staaten genutzt haben. Nun gibt es einen Schritt in Richtung operative Tätigkeit, was gut ist. Das bedeutet unter anderem, dass die Mitgliedstaaten und auch Europol die Möglichkeit haben, auf die jeweils für die Verbrechensbekämpfung notwendigen Daten zuzugreifen.

Herr Kollege Pilz hat richtigerweise angemerkt, dass es sich um sehr sensible Daten handelt. Das ist keine Frage. Daher haben sich im Ausschuss alle Parteien darauf geeinigt, dass wir eine Ausschussfeststellung treffen wollen, die in etwa so lautet: Die Frau Ministerin wird aufgefordert, im Rahmen von Europol für eine Vollprotokollierung der Abfragen einzutreten.

Ich habe Kollegen Pilz gerade diesbezüglich gefragt. Er sicherte zu, diese Ausschuss­feststellung nun auch hier im Plenum mitzutragen. Die Entschließung, das Gesetz beziehungsweise das Abkommen trägt er nicht mit. Aber dieses Übereinkommen wird von allen vier Parteien getragen, und das halte ich für wichtig. Es ist eine Maßnahme, die hoffentlich dazu dient, allfälligen Missbrauch abzustellen.

Frau Bundesministerin, wir gehen davon aus, dass Sie sich in Europa durchsetzen werden! Wir sind in froher Erwartung, dass Sie dem Parlament in kürzester Zeit berichten werden, dass unsere Wünsche, die wir an Sie gerichtet haben, auch erfüllt werden.

Die Situation stellt sich folgendermaßen dar: Wenn man davon ausgeht, dass wir alle dafür eintreten, dass die Sicherheit der Bevölkerung als etwas ganz Wichtiges angesehen wird, dann geht es nicht nur um internationale Übereinkommen, sondern auch darum, dass die Hausaufgaben perfekt erledigt werden. Bezüglich Ihrer Stellung­nahme zur hohen Kriminalitätsrate, die in Österreich herrscht, und der äußerst gerin­gen Aufklärungsquote bin ich etwas erschüttert, Frau Bundesministerin! Ich muss das noch einmal im Hohen Haus erwähnen.


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In einer Pressemeldung haben Sie Folgendes gesagt, ich zitiere Sie: (...) diesen hohen Sicherheitsstandard, den es zu erhalten gilt. – Wenn Sie von einem hohen Sicherheits­standard sprechen, den Sie erhalten wollen, würde das unter anderem bedeuten, dass Sie weiterhin 600 000 Straftaten und eine Aufklärungsrate von etwa 38 Prozent für eine tolle Geschichte halten.

Herr Kollege Kößl hat wieder auf die europäische Situation verwiesen und gemeint, es sei ein europäisches Phänomen, dass die Kriminalität überall steigt. Ich schlage Ihnen vor, die österreichischen Zahlen mit denen aus Baden-Württemberg zu vergleichen. Baden-Württemberg weist bei 10,5 Millionen Einwohnern 580 000 Straftaten auf, die bei einer 55-prozentigen Aufklärungsquote über einen zehnjährigen Durchschnitt ungefähr gleich geblieben sind. Allerdings wurden dort in zwei Jahren über 1 000 Exe­kutiv­kräfte mehr eingestellt.

Der Vergleich mit Bayern, das zwölf Millionen Einwohner hat, zeigt Folgendes: Im Jahr 1999 wurden in Bayern 680 000 Straftaten gemeldet, in Österreich waren es 490 000 Straftaten. Die Aufklärungsrate in Bayern betrug 65 Prozent, in Österreich 55 Prozent. Im Jahr 2004 zeigt sich in Bayern eine Steigerung der Straftaten um 34 000 auf 714 000 und eine Steigerung der Aufklärungsrate von 65,3 Prozent auf 65,6 Prozent. In Österreich gab es eine massive Steigerung der Straftaten um über 150 000 auf 640 000, wobei die Aufklärungsrate von 55 Prozent auf 38 Prozent abge­sunken ist.

Allerdings wurden in Bayern in dem Zeitraum um 2 700 Beamte mehr beschäftigt – hingegen in Österreich um tausende weniger. Das, Frau Ministerin, ist der falsche Weg, den Sie da gehen! Ich fordere Sie auf, dass Sie Ihre Hausaufgaben auch dies­bezüglich erledigen und nicht nur internationale Abkommen abschließen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.26


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Fauland. – Bitte.

 


14.26.37

Abgeordneter Markus Fauland (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Von der Schulbank geht es wieder zurück auf die europäische Ebene. (Abg. Parni­goni: Ah so? Das war die Schulbank?) – Doch, das war Schulbank, Ihr Niveau! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Vierte Klasse Volksschule!)

Eines muss uns allen klar sein: Kriminalität hat keine Grenzen! Sie hatte sie noch nie und wird sie auch nie haben. Daraus resultiert die Notwendigkeit einer internationalen Zusammenarbeit. Diese Problematik der grenzübergreifenden organisierten Krimi­nalität wurde in Europa lange Zeit unterschätzt und hat auch zu den derzeitigen euro­paweit hohen Kriminalitätsraten geführt. Mit der Einführung der Europol wurde die erste Maßnahme gesetzt. Diese jetzige Weiterentwicklung in Richtung einer Neuregelung der Zielsetzungen und der Erweiterung der Kompetenzen von Europol ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, ein Schritt, der mehr Sicherheit für die europäische Gesamtbevölkerung erwirken wird.

Was in dieser Zusammenarbeit aber notwendig ist – da bin ich mit Herrn Kollegen Pilz ganz einer Meinung –, ist die Intensivierung des Datenaustausches, weil – man soll sich nichts vormachen – heutzutage alles elektronisch läuft. Es läuft alles über Schnitt­stellen, über Onlineabfragen. Und das stellt sehr wohl einen gewissen Problembereich dar, den man sich genauer anschauen muss.


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Was ist diesbezüglich exakt geregelt? – Es gibt einerseits die erweiterten Ermächtigun­gen bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Personenbezogene Daten sind an sich sehr sensibel zu behandeln.

Weiters gibt es eine Erweiterung des Kreises der Zugriffsberechtigten und eine Berech­tigung für Europol zur Nutzung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten von externen Datenstellen. Das stellt ein weiteres Problem dar. Hinzu kommt die Erweite­rung der Kompetenz des Direktors der Europol, die auch als etwas problematisch zu beurteilen ist.

Das war auch der Grund, wieso wir im Ausschuss einer Vier-Parteien-Einigung ent­sprochen haben, die Sie, Frau Bundesministerin, auffordert, auf eine Vollproto­kollie­rung dieser Daten zu bestehen. Nur das ermöglicht es, dass die Datenkontrolle nachvollziehbar ist. Es muss nachvollziehbar sein, wer welche Daten abfragt. So kann es dem Bürger und der Bürgerin ermöglicht werden, sicher zu sein, dass die Daten nicht missbräuchlich verwendet werden.

Zusammengefasst muss man sagen, dass der Datenaustausch zwar ein Problemfeld darstellt, aber ein Problemfeld, das erkannt und deponiert worden ist und von dem ich überzeugt bin, dass es die Frau Bundesministerin im Sinne des Parlaments umsetzen wird. Trotz all dieser Problemfälle glaube ich, dass die Intensivierung des Datenaus­tausches eine absolute Notwendigkeit ist, um die internationale organisierte Kriminalität in Zukunft erfolgreicher bekämpfen zu können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.30


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte.

 


14.30.47

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Meine liebe Frau Bundes­minis­terin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einer Studie von Universitätsprofessor Dr. Schneider der Universität Linz zufolge sind im Jahre 2004 1,4 Billionen US-Dollar der Geldwäsche zugeflossen. Man muss sich vorstellen, welche Unsummen von Geld das sind! Es ist da nur geradezu verständlich, wenn die Menschen in Österreich und in ganz Europa sagen: Wir brauchen neue Strategien. Wir müssen uns neu orientieren. Wir müssen genau dieser Form der Kriminalität sehr vehement etwas entgegensetzen! Vor allem ist dies verständlich, wenn man weiß, dass mit diesen Unsummen in Wirk­lichkeit unser demokratisches System über eine Destabilisierung der Wirtschaft ohne weiteres erreicht werden könnte.

Was umfasst das? – Es ist schon sehr viel gesagt worden. Als nächster Redner tut man sich dann sehr schwer, die Dinge auf den Punkt zu bringen. – Es besagt im We­sentlichen, dass man Geldfälschung und Geldwäsche einer genauen polizeilichen Kon­trolle zu unterziehen hat. Es besagt weiters, dass wir den Datenschutz in dem Zusam­menhang natürlich sehr ernst nehmen. Wir haben die Vollprotokollierung in der Aus­schussfeststellung verlangt, und sie findet statt. Ich denke, dass wir da dem Ansinnen der Parlamentarierinnen und Parlamentarier durchaus Genüge tun.

Das große Problem ist die Basiskriminalität in diesem Bereich, meine Damen und Her­ren! Wir wissen, dass die Gelder aus dem Drogenhandel, aus dem Menschenhandel, aus den vielen Betrügereien und auch der organisierten Kriminalität stammen. Auch dieser Basiskriminalität ist mit allen Mitteln entgegenzuwirken! Sehr vieles ist dazu schon gesagt worden.

Eines möchte ich zum Schluss noch anmerken – ich will mich da gar nicht weiter ver­breitern –: Österreich ist ein wirklich sicheres Land! Der Vergleich macht uns sicher!


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(Abg. Mag. Wurm: Baden-Württemberg!) Frau Bundesminister, wofür ich persönlich sehr dankbar bin, ist Folgendes: Erstmals im Sicherheitswesen Österreichs haben wir ein Monitoring geschaffen, durch das die Sicherheit von Monat zu Monat und von Jahr zu Jahr genau kontrollierbar wird und geworden ist. Das hat es bislang nicht gegeben.

Das heißt: Man kann von Monat zu Monat sagen, wie sich die Sicherheit in welchen Bereichen wie entwickelt. (Abg. Mag. Wurm: Ja! Negativ! Das ist ja das Problem!) Man kann sagen, welche Kriminalitätstypen sich in welchen Bezirken entwickeln. Das heißt, man kann das erstmals genau kontrollieren. (Abg. Mag. Wurm: Früher haben wir es nicht so genau sagen können, aber weniger Kriminalität haben wir gehabt!) Es herrscht Transparenz. Es herrscht Transparenz für uns Politiker. Wir wissen, wo der Hebel anzusetzen ist. Und, Frau Kollegin, es herrscht natürlich auch Transparenz für die Sicherheitsfachleute selbst. Das ist neu! Das hat es bisher nicht gegeben. Dafür bin ich persönlich sehr dankbar, weil wir, Frau Bundesminister, im Sicherheitsbereich nichts zu verbergen haben. Die Zahlen, die da sind, gehören auf den Tisch, und es muss auf allen Ebenen gegen die Kriminalität gearbeitet werden! Wir laden Sie herzlich ein, dabei mitzutun! – In diesem Sinne: herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

14.33


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte.

 


14.33.02

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Kollege Miedl, das richtige Signal wäre natürlich, die Personalreduktionen im Bereich der Sicherheit und der Exekutive einzustellen und von diesem Sparkurs abzukommen. Dann hätten wir mehr Polizei auf der Straße, und die Sicherheit wäre besser gewährleistet. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Frau Bundesministerin! Wir stehen der Erweiterung des Zuständigkeitsbereiches von Europol positiv gegenüber. Europol – das wissen wir – ist eine sehr wichtige Säule in der Verbrechensbekämpfung im europäischen Raum und gewinnt immer mehr an Bedeutung und Wichtigkeit. Darum ist es notwendig, Europol auch mehr Rechte einzuräumen. Aber mehr Rechte verlangen natürlich auch nach mehr Kontrolle, vor allem parlamentarischer Kontrolle! Wichtig erscheint uns, dass die Kontrolle auf nationalstaatlicher Ebene gegeben ist. Diese rechtsstaatlichen Garantien müssen ge­sichert sein.

Wir wissen, in der Vergangenheit hat Europol vor allem europaweit Daten gesammelt, entwickelt und analysiert. Das wurde schon gesagt. Nunmehr ist Europol verstärkt im operativen Bereich tätig. Daher ist es künftig notwendig, dass es in diesem Bereich eine verstärkte Kontrolle gibt, wobei datenschutzrechtliche Bestimmungen verstärkt zum Tragen kommen müssen, da sie im gewünschten Ausmaß bis dato noch nicht vor­handen sind.

In diesem Bereich besteht noch Handlungsbedarf, Frau Bundesministerin. Wir haben schon davon gesprochen: Die Vollprotokollierung bei Abfragen ist gewünscht. Es gab von uns diesbezüglich eine Initiative, und ich wünsche Ihnen wirklich sehr viel Erfolg, dass Sie sich beim Verwaltungsrat der Europol durchsetzen.

Weg und Ziel stimmen, meine Damen und Herren! Daher werden wir zustimmen. Ich möchte aber noch einmal betonen: Es muss die Garantie gegeben sein, dass bei europäischen Vorhaben, die von datenschutzrechtlicher Relevanz sind, der Daten­schutzrat sehr frühzeitig eingebunden wird, damit die eventuell notwendigen Ände­rungen vorgenommen werden können. Es muss vor allem eine parlamentarische


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Kontrolle gesichert sein, und dafür wollen wir gemeinsam eintreten. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen sowie des Abg. Gahr. – Abg. Dr. Pilz: Bravo!)

14.36


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ell­mauer. – Bitte.

 


14.36.41

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Europol hat das Ziel, die Leistungs­fähigkeit der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und ihre Zusammenarbeit zu verbessern, um der international organisierten Kriminalität verstärkt den Kampf anzu­sagen und zur Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus beizutragen.

Damit Europol ihre zentrale Rolle im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit effizient wahrnehmen kann, bedarf es ständiger Anpassungen, um die Anforderungen wirksam bewältigen zu können.

Mit der gegenständlichen Änderung des Europol-Übereinkommens wird neben der Ver­besserung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten insbesondere die Neu­regelung von Aufgaben in den Beziehungen zu Drittstaaten und Drittstellen betreffend Euro-Fälschung verabschiedet.

Durch die Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs auf die Verhütung und Bekämpfung der Geldwäsche hat Europol ein wirksames Instrumentarium zur Prävention und Bekämpfung schwerwiegender internationaler Kriminalität. Um hier bestmöglich handeln zu können, sind ein direkter Informationsaustausch zwischen Europol und den nationalen Behörden unter Einhaltung der Richtlinien des Datenschutzes sowie eine Vereinfachung der Verarbeitungsregelungen von Asylanalysedaten notwendig.

Eine Protokollierung der Abfragen personenbezogener Daten aus Informations­samm­lungen ist ein notwendiges Mittel, um Datenmissbrauch im Keim ersticken zu können. Deshalb streben wir dies an.

Die aktuelle Kriminalitätsstatistik, meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen, zeigt, dass die Kriminalitätsrate in Österreich im Monat April um 4 Prozent gesunken und die Aufklärungsquote um 1,7 Prozent gestiegen ist. Dies bestätigt Österreichs modernen und effizienten Weg in der Bekämpfung der Kriminalität und bezeugt wie­derum, dass Österreich eines der sichersten Länder der Welt ist.

Frau Bundesministerin, schreiten Sie auf diesem Weg weiter! (Beifall bei der ÖVP.) Mit dieser Erweiterung des Europol-Übereinkommens ist uns somit ein weiterer Schritt zu einem sicheren Europa gelungen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

14.38


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

 


14.38.08

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es geschafft, dass die Frage des Datenaustausches nach dem Europol-Übereinkommen im öster­reichischen Datenschutzrat diskutiert werden konnte. Der Datenschutzrat hat eine sehr ausführliche Stellungnahme zu Fragen der Datenübermittlung, der Protokollierung und dergleichen erstellt. Wir als Mitglieder im Datenschutzrat glauben, dass der Daten­schutzrat viel früher in die Diskussionen um Gesetze, insbesondere wenn es inter­nationale Gesetze betrifft, mit eingebunden werden soll.


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Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kößl, Mag. Maier, Dr. Helene Partik-Pablé, Parnigoni und Kollegin­nen und Kollegen betreffend Stärkung des Datenschutzes auf europäischer Ebene ins­besondere auch bei Europol, eingebracht im Zuge der Debatte zum Protokoll auf Grund von Artikel 43 Absatz 1 des Übereinkommens über die Errichtung eines Euro­päischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) zur Änderung dieses Übereinkom­mens (691 d.B.)

Der Datenschutzrat hat in seiner Sitzung am 27. Jänner 2005 zu diesem Protokoll eine ausführliche und intensive Debatte geführt. Neben Stellungnahmen zu Detailproblemen hat der Datenschutzrat einstimmig auch allgemeine Grundsätze festgehalten. Diese sollen nunmehr auch von politischer Seite her in Form einer Entschließung bekräftigt werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Nationalrat hat beschlossen:

In ausdrücklicher Anerkennung des Bekenntnisses Österreichs zur polizeilichen Zu­sammenarbeit im Rahmen von Europol wird die Bundesministerin für Inneres ersucht, alle Bestrebungen, den Datenschutz im Bereich der polizeilichen Zusam­menarbeit in der Europäischen Union und insbesondere der Europol weiter zu stärken, zu unter­stützen.

Gleichzeitig werden die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung ersucht, bei Ver­handlungen von Übereinkommen mit datenschutzrechtlicher Relevanz auf euro­pä­ischer Ebene den Datenschutzrat zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einzubeziehen, damit die datenschutzrechtlichen Aspekte schon möglichst zeitig in die Verhandlungen von Österreich eingebracht werden können.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie einladen, diesem Antrag zuzu­stimmen.

Ich möchte nur in Erinnerung rufen: Datenschutzrechtliche Problemstellungen stehen an bei den Hochsicherheitspässen, wo es um die Frage biometrischer Merkmale geht, einerseits und andererseits in der Frage der Vorratshaltung von Daten.

Datenschutz ist ein Verfassungsrecht. Unterstützen Sie diesen Antrag! (Beifall bei der SPÖ.)

14.41


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Herrn Abgeordnetem Mag. Maier soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Kößl, Mag. Maier,


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Dr. Partik-Pablé, Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Freund. – Bitte.

 


14.41.16

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die organisierte internationale Kriminalität macht leider auch vor Österreich nicht Halt. Maßnahmen dagegen sind daher dringend notwendig. Deshalb hat sich Österreich bereits frühzeitig am Europäischen Polizeiamt, Europol, beteiligt. Die ÖVP-Innenminister haben richtig reagiert. Geschätzte Frau Bundesministerin, ich danke Ihnen für Ihre hervorragende Arbeit! Die Kriminalitätsrate sinkt, die Aufklärungsquote steigt, ist den heutigen Medien zu entnehmen. – So viel zu den Vorwürfen von Kollegem Parnigoni. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Zusammenarbeit mit den Europol-Mitgliedstaaten soll mit der vorliegenden Regie­rungsvorlage noch weiter verbessert werden. Bei der Bekämpfung von organisierter internationaler Kriminalität sind eine gute Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den verschiedenen Ländern das Um und Auf.

Des Weiteren erfordert eine veränderte Arbeitsweise krimineller Verbindungen eine Neuregelung der Aufgaben von Europol in seinen Beziehungen zu Drittstaaten.

Mit der Änderung dieses Übereinkommens wird ein direkter Informationsaustausch zwischen Europol und den nationalen Strafverfolgungsbehörden möglich. Das, meine sehr geschätzten Damen und Herren, verbessert die Qualität der Ermittlungen und beschleunigt die Verfahren.

Hervorheben möchte ich auch die Möglichkeit für Europol, auch aus anderen Infor­mationssystemen personenbezogene Daten abzufragen, die in anderen Überein­kommen die Grundlagen haben. Selbstverständlich darf dabei nicht gegen Daten­schutzbestimmungen verstoßen werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich hervorheben, dass auch der Datenschutzrat in einer Stellungnahme die Änderung des Übereinkommens und damit die Stärkung der Verbrechensbekämpfung durch Europol begrüßt. Die Privatsphäre unserer Bürgerin­nen und Bürger wird damit gesichert.

Als wichtigen Punkt sehe ich auch, dass es künftig zu einer verstärkten Einbindung und Kontrolle Europols durch das Europäische Parlament kommen soll.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Dieses Protokoll führt zu einer Anpassung an die aktuellen Probleme und trägt dazu bei, dass die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten des Europol-Übereinkommens verbessert wird. – Dazu gebe ich gerne meine Zustimmung, damit Österreich auch in Zukunft ein sicheres Land bleibt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.44


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dobnigg. – Bitte.

 


14.44.45

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist uns allen sehr bewusst und bekannt, dass die Kriminalität im Inland als auch international besorgniserregend ansteigt, und daher ist es unumgänglich, dass die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit ausge-


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weitet wird, da auch die Kriminellen leider immer mehr und mehr international unter­wegs sind.

Die erste Adresse für die europäische Verbrechensbekämpfung ist das Europäische Polizeiamt, also Europol. Damit diese die zentrale Rolle im Rahmen der europäischen polizeilichen Zusammenarbeit noch effizienter wahrnehmen kann, muss die Europol-Unterstützung für die nationalen Polizeibehörden verstärkt und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten weiter verbessert werden.

Wie wichtig die Verbesserung der Schlagkraft der Europol ist, zeigen die jüngsten Daten in vielen Bereichen. Dazu folgendes Beispiel:

In der Eurozone wird immer mehr Falschgeld sichergestellt. Laut Europol beschlag­nahmten Polizei und Banken im vergangenen Jahr 900 000 gefälschte Banknoten im Wert von rund 45 Millionen €. Im Jahre 2003 waren „nur“ – und das unter Anführungs­zeichen gesetzt – 570 000 falsche Scheine entdeckt worden. In der gesamten Euro­zone stieg allein die Zahl der von europäischen Polizeibehörden beschlagnahmten Euro-Fälschungen im Vergleich zum Jahr 2003 um 300 Prozent auf 309 000 Scheine. Problematisch dabei ist vor allem, dass die Fälschungen immer professioneller werden. Sind vor drei Jahren noch ausschließlich billige Farbkopien im Umlauf gewesen, so sind heute schon zwei von drei gefälschten Banknoten gedruckt und damit noch schwerer von echten Noten zu unterscheiden.

Die Aufwertung von Europol ist daher ein Gebot der Stunde, und deshalb stimmen wir dem zur Debatte stehenden Übereinkommen auch zu.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass durch die Schließungen von Gendarmerieposten und das Geizen mit heimischen Polizeiplanposten sowie das Niedersparen der heimischen Exekutive im Inland genau der entgegengesetzte und somit falsche Weg von dieser Bundesregierung einge­schlagen wurde.

Frau Bundesministerin, ich fordere Sie daher auf: Stärken Sie auch im Inland die Schlagkraft der Polizei und beenden Sie die falsche Politik, die Ihnen von Ihrem Vorgänger übergeben wurde! (Beifall bei der SPÖ.)

14.46


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.

 


14.46.16

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Europa beginnt zusammenzuwachsen und eine Einheit zu bilden. Die künstlich gezogenen und versperrten Grenzen sind gefallen. Gerade für mich, die ich lange Zeit mit und neben dem Eisernen Vorhang leben musste, ist jede Zusam­menarbeit mit den Ländern um Österreich sehr wichtig und ein Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hornek.)

Aber diese Zusammenarbeit ist nicht nur in positiver Weise begrüßenswert, auch die negativen Aspekte müssen beobachtet werden, und man muss versuchen, diesen entgegenzuwirken.

Mit der gegenständlichen Regierungsvorlage über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes, dem so genannten Europol-Übereinkommen, wird diese Zusammen­arbeit länderübergreifend gefestigt und geregelt. Auch die Kompetenzen von Europol sollen dadurch erweitert werden. Auch das ist ein wichtiger Punkt, im Sinne der Sicherheit für unsere Bevölkerung aktiv zu werden und auch um die Kriminalität zu senken.


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Wir werden diesem Antrag unsere Zustimmung erteilen, obwohl wir doch mit einiger Sorge die Protokollierungsregelung und das Datenschutzniveau beobachten. Wir müs­sen uns der Notwendigkeit des Datenschutzes bewusst sein. Daher unsere Bitte an Sie, Frau Bundesministerin, zu beobachten und kritische Einwände des Datenschutz­rates zu berücksichtigen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.48


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


14.48.58

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon im Jänner 2004 haben wir hier in diesem Haus über die Erweiterung, über erweiterte Rechte von Euro­pol gesprochen und sie auch beschlossen, und zirka ein Jahr später diskutieren wir neuerlich darüber. Daran sieht man, dass es sich bei diesem Übereinkommen, bei dieser Europäischen Polizei um ein sehr dynamisches Projekt handelt, das immer wieder Adaptierungen erfordert und nach sich zieht, worauf offensichtlich auch immer reagiert wird. Das, glaube ich, ist gut so.

Sie, Frau Ministerin, haben im Zuge der Ausschuss-Diskussion zugesagt, dass Sie im Verwaltungsrat noch die entsprechenden Einwände bezüglich Datenschutz vorbringen werden. Ich glaube, das ist eine sehr notwendige Maßnahme, das ist nämlich noch ein Schwachpunkt dieses Übereinkommens. Der Datenschutzrat hat in seiner Begut­achtung in einer acht Seiten langen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass es noch einiges zu tun gilt, um den hohen datenschutzrechtlichen Standard, den wir in Öster­reich haben, auch auf europäischer Ebene verankern zu können.

Das, glaube ich, ist etwas sehr Zentrales. Wir wollen, dass der Europäischen Polizei von Seiten der Bevölkerung genauso viel Vertrauen entgegengebracht wird wie der österreichischen Polizei. Das sollten wir für das Europäische Polizeiamt erreichen, und das ist mit den entsprechenden Standards auch möglich.

Ich wünsche Ihnen, Frau Ministerin, bei Durchsetzung dieses unseres Anliegens viel Erfolg und hoffe, dass wir diesbezüglich bald von Ihnen hören werden. Einerseits erhoffe ich einen Bericht darüber, was von den europäischen Polizisten bisher schon geleistet und in Erfahrung gebracht worden ist, und andererseits darüber – auch weil heute die Europäische Verfassung von uns ratifiziert wurde –, wie es mit den Kontroll­rechten der europäischen Parlamentarier in Zukunft aussehen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.50


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. – Bitte, Platz zu nehmen!

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 691 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG, dass die Kundmachung der dänischen, englischen, finnischen, französischen, griechischen, irischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen, schwedischen sowie spanischen Sprachfassungen


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in seiner durch das Fehlerberichtigungsprotokoll vom 23. August 2004 korrigierten Fassung dieses Staatsvertrages dadurch zu erfolgen hat, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Kößl, Mag. Maier, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stär­kung des Datenschutzes auf europäischer Ebene insbesondere auch bei Europol.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen. (E 101.)

14.51.544. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Wahrnehmungsbericht (III-86 d.B.) des Rechnungshofes über Teilgebiete der Gebarung des Bundes (872 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

 


14.52.14

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Hohes Haus! Es ist schon einigermaßen grotesk: Da übt der Rechnungshof vernichtende Kritik am Projekt Chipkarte – und dann sitzt der Chef des Hauptverbandes, Herr Kandlhofer, im Ausschuss und sagt, er bleibe dabei: kein Euro, kein Cent unnötig verbraten! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kandlhofer sagt, er kenne kein Projekt in Europa, bei dem Zeit und Kosten so wie in Österreich gestimmt hätten. Weiters: Es gebe keinen Rechtsbruch und alle Verfahren würden bestens laufen. (Unruhe im Saal. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) – Fünf Minuten später sagt der Rechnungshofpräsident: Mitnichten, allein die Verzögerungen haben 7 Millionen € an Mehrkosten verursacht!

Es ist doch geradezu verwegen, zu sagen, dass man sich an Zeitlimits gehalten hätte! Es gibt keine Beschlüsse in den Gremien; der Hauptverband hat ursprünglich sieben Experten beiziehen wollen, dann sind es 17 geworden – plus externe Gutachter!

Und was machen da die Damen und Herren von den Regierungsfraktionen? – Sie sind völlig ungerührt! Völlig ungerührt! Es gibt lediglich ein Achselzucken Ihrerseits. – Daher die grundsätzliche Frage: Brauchen wir noch einen Rechnungshof, oder ist er schon ein „Salzamt“? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn Sie von den Regierungsparteien Berichte und Erkenntnisse des Rechnungshofes nicht ernst nehmen, dann können wir uns das Geld für diesen doch gleich sparen!

Einige Beispiele für diese Ihre Tendenz. Der Finanzminister hat sich mehrfach ver­stiegen: Zuerst hat Grasser mit einem Gutachten gegen den Rechnungshof ge­wachelt. – Fiedler hat damals gemeint, da könne man den Rechnungshof gleich zusperren.

Oder: Zur vernichtenden Kritik am Eurofighter-Deal sendet das Finanzministerium aus, dass der Rechnungshof angeblich das Finanzministerium lobe.


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Weiteres Beispiel: Frau Klasnic, zukünftige Ex-Landeshauptfrau der Steiermark. In Sachen EStAG ist Klasnic gezwungen worden, den Rechnungshof anzurufen. Dann gibt es ein Ergebnis, das ihr nicht passt – und was sagt sie dann, meine Damen und Herren? – Klasnic sagt, die „Gruppe A“ behaupte das und die „Gruppe B“ dieses, und mit der „Gruppe A“ meint Waltraud Klasnic den Rechnungshof! So kann es wirklich nicht sein! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was Beraterverträge betrifft (neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP) – ich weiß schon, dass Ihnen das nicht passt, meine Damen und Herren –, wo es massive Geldver­schwendung gibt und der Präsident des Rechnungshofes seit langem Richtlinien einfordert, man solle doch die Ministerien beschäftigen, eigene Ressourcen nutzen – diesen Antrag haben Sie von den Regierungsparteien abgeschmettert!

Was die Regierungswerbung betrifft, gibt es natürlich auch Empfehlungen vom Rech­nungshof, wie diese ausschauen müssen, nämlich: Sachinformation – und keine Parteiwerbung! Was jedoch muss man da lesen mit geradezu weit aufgerissenen Augen? – Orange Politik zum Angreifen, Tingeltour durch Österreich! – Auf Steuer­zahlerkosten gibt es jetzt Informationsfolder, ganz in Orange gehalten! Das ist doch ungeheuerlich! Regierungsbüros werden für Parteiarbeit missbraucht, es gibt unzu­lässige Inseratenkampagnen, es gibt irreguläre Broschüren!

Das, meine Damen und Herren, ist Missbrauch von Steuergeld und in Wirklichkeit ein Verstoß gegen die Richtlinien des Rechnungshofes! Aber später, in der Debatte über den Dringlichen Antrag – den Sie ja nur deshalb eingebracht haben, um einen solchen seitens der Fraktion der Grünen zu verhindern – werden Sie sich sicherlich wieder artig beim Rechnungshof für dessen Leistungen bedanken.

Denken Sie bitte daran: Sie sollten lieber seine Ergebnisse ernst nehmen, denn in Wirklichkeit machen Sie die Funktion des Rechnungshofes als Organ des National­rates längst schon unmöglich! (Beifall bei der SPÖ.)

14.55


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeord­neter Gahr zu Wort. – Bitte.

 


14.55.30

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Kollege Kräuter, die e-Card ist da. Was viele SPÖ-Minister seit dem Jahre 1996 nicht geschafft haben, schaffte Frau Bundesministerin Rauch-Kallat in relativ kurzer Zeit. Und, Kollege Kräuter, Ihre Kritik zum Thema e-Card kann ich wirklich nicht nachvollziehen! (Beifall bei der ÖVP.)

Der Rechnungshof hat wohl aufgezeigt, dass das Thema e-Card eine unendliche Geschichte ist, aber, ich glaube, selbst unendliche Geschichten gehen zu Ende. 1996 hat der damalige Sozialminister Hums den Auftrag hiezu gegeben. Im Jahre 2003 ist eine Neuausschreibung erfolgt; im Dezember 2004 ist die e-Card im Burgenland ge­startet. Der derzeitige Probebetrieb, Kollege Kräuter, gibt Hoffnung, dass eine flächen­deckende Umsetzung der e-Card bis 1. Jänner 2006 möglich ist.

Konkret hat der Rechnungshof bemängelt: hohe Kosten in Bezug auf die Experten; die Amortisationszeit von 16 Jahren anstatt von zwei Jahren. Es gab fehlende Beschlüsse, es gab aber auch zu hohe Qualitätsansprüche des Hauptverbandes.

Insgesamt gab es Verzögerungen bei den Entscheidungen; explizit hat da der Rech­nungshof die Ärztekammer genannt. Es gab Koordinationsmängel, aber auch Ver­weigerungen, die e-Card einzuführen.


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Die e-Card ist ein Zukunftsprojekt, das höchste Anforderungen an Organisation, Logistik und Technik stellt. Mit der e-Card wird es zukünftig 42 Millionen Kranken­scheine weniger geben; es wird keine Auslandskrankenscheine mehr geben; die Ser­vicequalität wird gesteigert; Betriebe werden von Bürokratie entlastet; Abläufe werden vereinfacht und die Kontrolle wird verbessert.

Es gibt auch schon einen verbindlichen Plan, sodass, vom Burgenland ausgehend, die Einführung der e-Card in ganz Österreich möglich wird. Derzeit ist es so, dass gerade viele Chipkarten an die Bürgerinnen und Bürger sowie Terminals an die nieder­gelas­senen Ärzte ausgeliefert werden.

Ein Blick über die Grenzen zeigt: Deutschland plant die Einführung der Chipkarte nach österreichischem Modell. Die Kundenzufriedenheit der bisher mit Chipkarten aus­gestatteten Bürgerinnen und Bürger beläuft sich auf 95,2 Prozent. Die Ärzte, welche am Anfang sehr kritisch waren, akzeptieren diese Karte jetzt zu 82,1 Prozent.

Mein Dank gilt Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat, welche gemeinsam mit dem Hauptverband – hier möchte ich explizit Herrn Generaldirektor Kandlhofer erwähnen – dieses Projekt vorangetrieben hat und diesem zur Umsetzung verhilft.

Ja, es gab Pannen bei dieser e-Card; sie ist jedoch eine Perspektive für die Zukunft. Wir stehen jedenfalls dazu und hoffen, sie bald alle nützen zu können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.59


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlung zu Punkt 4 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung eines Dringlichen An­trages gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

14.59.01Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Fritz Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Be­schäftigungsoffensive der Bundesregierung (600/A) (E)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zur dringlichen Behand­lung des Selbständigen Antrages 600/A (E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit war immer eine Priorität der österreichischen Bun­desregierung. Die Schaffung von Rahmenbedingungen für mehr Wachstum ist dabei die zentrale Herausforderung, denn nur durch ein ausreichendes Wachstum entstehen neue Arbeitsplätze, womit die Arbeitslosigkeit nachhaltig gesenkt werden kann.

Die österreichische Arbeitslosenquote war Ende April 2005 nach Irland (4,3%) und Luxemburg (4,5%) die drittniedrigste in der Europäischen Union. Die Arbeitslosenquote der EU-25 beträgt 8,9% (Februar 2005) und liegt damit deutlich über dem öster­reichischen Wert. Insgesamt waren Ende April ca. 246.000 Österreicher und Öster­reicherinnen ohne Arbeit, EU-weit sind 19 Millionen Menschen auf Arbeitsuche. Jeder Arbeitsloser ist aber ein Arbeitsloser zuviel und deshalb müssen gezielte Anstren­gungen unternommen werden, um die Arbeitslosigkeit zu senken.

Bei der Jugendarbeitslosenquote (15 bis 24 Jahre) liegt Österreich mit 10,1% (März 2005) nach wie vor deutlich unter dem europäischen Durchschnitt (EU-25) von 18,8% im Februar 2005.


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Ende April 2005 betrug die Zahl der unselbständig Beschäftigten - ohne geringfügige Beschäftigungsverhältnisse - 3.202.603 . Österreich kann mit 1,0% (2004 laut Eurostat) einen höheren Beschäftigungszuwachs als der EU-Durchschnitt (0,6% laut Eurostat) aufweisen. Heute gibt es in Österreich 33.563 Beschäftigte mehr als im April 2004. Trotzdem ist es nicht möglich, die Arbeitslosenquote signifikant zu senken, weil das Beschäftigungspotential überdurchschnittlich anstieg.

Von den 35.000 Personen, die jährlich neu auf den Arbeitsmarkt kommen (ein Drittel davon Frauen, ein Drittel über 54-Jährige auf Grund geringerer Anzahl von Früh­pensionen und ein Drittel Nicht-Österreicher – davon auch immer mehr Deutsche) finden daher rund 5.000 keine Arbeit.

Derzeit haben wir eine ähnliche Arbeitslosenrate wie in den Jahren 1996 bis 1998, in denen die internationale Konjunktur besser und dadurch bedingt auch das Wirt­schafts­wachstum in Österreich höher war als heute.

Bis sich die Arbeitslosigkeit durch die demographische Entwicklung in einigen Jahren (spätestens 2010) drastisch verringern wird und es sogar zu einem Arbeitskräfte­mangel kommen wird, müssen daher Maßnahmen gesetzt werden, um die Zahl von Arbeitslosen zu verringern.

Auf der Suche nach Strategien für mehr Jobs hat Bundeskanzler Wolfgang Schüssel Regierungs- und Oppositionsparteien, Wirtschaftsforscher, Unternehmer und Sozial­part­ner­spitzen am 1. Mai zu einem "Reformdialog für Wachstum und Beschäftigung" in die Wiener Hofburg geladen.

Bei diesem Reformdialog wurden folgende Maßnahmen ins Auge gefasst:

1. Infrastrukturausbau: Die Bundesregierung hat seit dem Jahr 2000 die Mittel für Infrastruktur auf ein historisches Höchstmaß verstärkt. So werden im Jahre 2005 rund 3 Mrd. € in die hochrangigen Verkehrswege investiert. Als Schwerpunkt dabei gilt die Verbesserung der Verkehrswege nach Mittel- und Osteuropa. Darüber hinaus setzt nun die Bundesregierung eine weitere Offensive mit zusätzlichen 300 Mio. €. Mit diesen Mitteln sollen baureife Projekte im hochrangigen Strassen- und Bahnnetz vor­an­getrieben werden, wobei bei der Struktur der Bauvorhaben besonderes Augenmerk darauf gelegt werden soll, dass vor allem die Wettbewerbschancen von Klein- und Mittelunternehmen berücksichtigt werden.

Die Realisierung dieses zusätzlichen Bauvolumens erfolgt über Aufnahme in das Bau­programm bzw. in den Rahmenplan von ASFINAG und ÖBB.

2. Forschungsoffensive: Die Bundesregierung hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, Österreichs F & E-Quote bis zum Jahr 2010 auf 3% des BIPs anzuheben. Durch eine Forschungsanleihe werden künftig für diesen Zeitraum

1 Mrd. € zusätzlich für Forschung in Österreich zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wird im Bereich F&E eine Mittelstandsoffensive gestartet: Es soll künftig auch die Auftragsforschung steuerlich begünstigt werden. Diese Maßnahme wird erheblich dazu beitragen, die Forschung in den breiten Mittelstand zu bringen. Klein- und Mittel­unternehmen können somit in Zukunft einen Forschungsfreibetrag oder eine For­schungsprämie für Auftragsforschung geltend machen (geschätztes Volumen 300 Mio. €).

3. Verfahrensbeschleunigung: Ein neu geschaffenes Verfahrenbeschleunigungsgesetz  wird zur raschen Umsetzung der Investitionen (z.B. Kraftwerksprojekte, Ökostrom­projekte etc. mit einem Volumen von 6,2 Milliarden Euro) beitragen.


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Im Bereich der Gewerbeordnung werden der Anwendungsbereich für das vereinfachte Genehmigungsverfahren von 300m2 auf 800 m2 Betriebsfläche ausgedehnt und Kriterien entwickelt, nach denen eine anlagenrechtliche Bewilligung entfallen könnte.

4. Breitbandoffensive: Durch eine intensivierte Fortsetzung der bisherigen Offensive werden vor allem ländliche Regionen Zugang zu Breitbandinternet erhalten. Der Bund verdoppelt die bisherige Förderung und stellt dafür zusätzliche 10 Mio. € bereit; die Länder sollen sich in gleicher Höhe beteiligen.

5. Ausbau Ökostrom: Verlängerung der Frist für die verpflichtende erstmalige Ein­speisung von Ökostrom aus bereits genehmigten Anlagen um eineinhalb Jahre bis zum 31. Dezember 2007.

6. Beschäftigungschance flexiblere Arbeitszeit: Die Sozialpartner werden ihre Bemü­hungen um eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit auf Kollektivvertragsebene ver­stärken und damit Österreichs Standortqualität weiter verbessern.

7. Qualifikationsförderung: Qualifikation und ständige Weiterbildung der öster­reichi­schen Arbeitkräfte ist das beste Mittel zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit. Das Arbeitsmarktservice, Schulen und außerschulische Bildungseinrichtungen werden bedarfsgerechte Ausbildungsmodule anbieten. Vor allem dem Nachholen von Haupt­schulabschlüssen soll besonderes Augenmerk geschenkt werden. Ausweitung der frühen Sprachförderung durch 150 zusätzliche Pädagogen. Durch die Ausweitung der Tagesbetreuung um weitere 10.000 Plätze werden rund 170 Jobs geschaffen.

8. Lehrlingsoffensive: Durch eine Richtlinienänderung soll das AMS künftig jene Betriebe mit einem Bonus (mit 400€/Monat und Lehrling im 1. Lehrjahr) fördern, die zusätzliche Lehrstellen vor allem in innovativen Lehrberufen (z.B. Mechatronik, Lagerlogistik, ) anbieten. Darüber hinaus bekräftigt die Bundesregierung ihre Zusage jedem Jugendlichen, der keine Lehrstelle findet, auch im Herbst einen Lehrgangsplatz zur Verfügung zu stellen.

9. Kampf gegen illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit: Der Kampf gegen Schein­selbstständigkeit und Schwarzarbeit wird verstärkt. Zu diesem Zweck plant die Bun­desregierung eine Verstärkung der Betrugsbekämpfungseinheiten um ca. 200 Bediens­tete. Weiters sollen die Befugnisse der Kontrolleinheiten erweitert und die Strafen wesentlich erhöht werden.

10. Fortsetzung der Internationalisierungsstrategie

Die Internationalisierungsoffensive „go international“ stellt einen nachhaltigen Impuls zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Unter­nehmen dar. Die Weiterführung der Offensive wird weitere Betriebe zum Export motivieren und damit zur Stärkung des österreichischen Außenhandels beitragen. 

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten gemäß § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG NR folgenden

Dringlichen Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat begrüßt und unterstützt diese Vorschläge der Bundesregierung und ersucht diese zwecks Umsetzung ihrer Beschäftigungsoffensive umgehend alle Maß­nahmen zu ergreifen, welche

die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs stärken,

das Wirtschaftswachstum fördern,


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und damit die bestehenden Arbeitsplätze absichern und neue Arbeitsplätze schaffen,

den Arbeits- u. Wirtschaftsstandort sichern und ausbauen,

die Infrastruktur verbessern, was insbesondere durch den Lückenschluss und den Ausbau des hochrangigen Straßen- und Bahnnetzes geschehen soll,

die Forschungsquote von derzeit 2,3 % des BIP auf mittelfristig 3 % BIP erhöhen,

die laufenden bzw. zukünftigen Bewilligungsverfahren beschleunigen,

eine Forcierung der Breitbandanbindungen sicherstellen,

die Errichtung von bereits genehmigten Ökostromanlagen ermöglichen,

flexiblere Arbeitszeiten – auf Sozialpartnerebene verhandelt – gestatten,

Qualifikationsoffensiven zur ständigen Weiterbildung fördern,

die zusätzliche Einstellung von Lehrlingen fördern,

die illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit bekämpfen,

und die Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft unterstützen.“

Der Nationalrat begrüßt weiters, dass dieser Reformdialog den Startschuss zur Erar­beitung des nationalen Reformplans darstellt und geht davon aus, dass nach Erarbeitung auf breiter Basis dieser von Österreich im Rahmen der „Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung“ im Herbst 2005 der EU vorgelegt wird.

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühest möglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erst­antragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Neugebauer als Antragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort.

Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.59.31


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Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von dem sehr historischen Thema einer Verfassung für Europa, ein Thema, das uns ja heute Vormittag lange Zeit be­gleitet hat, jetzt zu – nicht den „Niederungen“, aber doch zum Handfesten unserer nationalen Politik. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Julius Raab war ein sehr realistischer Bundeskanzler, der anlässlich des Beitrittes Österreichs zum Europarat 1956 einem sehr überschwänglichen Abgeordneten, der diesen Beitritt mit der Anregung, man sollte doch eigentlich anlässlich dieses Beitrittes die spirituellen Werte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wieder­beleben, quittiert hat, gesagt hat: Es ist schon recht, aber zuerst werden wir einmal das Unfallversicherungsgesetz novellieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Handfeste Politik heißt auch ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Kollege Neugebauer, entweder einen Schluss­satz – oder nach dem Dringlichen Antrag weiterreden. (Heiterkeit. – Zwischenrufe.) – Ah, er ist der erste Redner dazu.

 


Abgeordneter Fritz Neugebauer (fortsetzend): Ich zitiere Rürup – der Herr Präsident wird sofort merken, dass ich nach einer kurzen Einleitung beim Thema bin. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Öllinger.) Sie haben es nicht ahnen können? (Heiterkeit.) – Aber, Herr Kollege, Sie sind nicht erst seit einer Woche hier im Haus.

Ich zitiere Rürup, der anlässlich des Reformdialoges am 1. Mai gemeint hat: Der österreichischen Politik wird die Arbeit für mehr Beschäftigung und Wachstum nicht ausgehen. Aber diese Arbeit findet auf einem Niveau statt, auf dem jeder deutsche Bundeskanzler außerordentlich gerne arbeiten würde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Vizekanzler sehr dankbar für die Einladung zu diesem Reformdialog. Es war dies bereits die zwölfte Einladung zu aktuellen Themen. Und wenn ich die besetzten Plätze richtig in Erinnerung habe, hat niemand diese Einladung ausgeschlagen, was ich sehr begrüße, weil es in der Frage Beschäftigungsoffensive, in der Frage Arbeit und Beschäftigung zu einem gemein­samen Aktionsradius kommen muss. Und wenn der Befund, den wir dort gehört haben und den ich kurz wiederholen darf, richtig ist, dann lassen sich auch gleich die therapeutischen Maßnahmen anschließen.

Der Befund: Österreich liegt mit seinen Arbeitsmarktdaten im absoluten Spitzenfeld. Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit. – Einige Redner haben beim Reform­dialog PISA für die Jugendarbeitslosigkeit verantwortlich gemacht. Ich möchte darauf hinweisen, dass das ein Trugschluss ist, denn was immer man unserem Schulsystem andichten möchte, eines kann es, nämlich Jugendliche für die Wirtschaft und für das Leben qualifizieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und denjenigen, die meinen, man müsste uns Finnland vor Augen führen, muss ich sagen, Finnland hat leider eine doppelt so hohe Jugendarbeitslosigkeit. Ich denke, dass wir auch bewusst machen – und das ist bei diesem Dialog sehr gut heraus­gekommen –, dass die Vielzahl der bisher schon eingesetzten Lehrlingsförderungen noch stärker in das Bewusstsein mancher Unternehmer eindringen muss.

Wir liegen bei der Arbeitslosigkeit europaweit an dritter Stelle, hinter Irland und Luxemburg, und dennoch gilt es, dem Stock der Arbeitslosen, all dem, was wir aus dem Sog der internationalen Arbeitslosigkeit herausbringen können, zu begegnen.

Wir haben 3,2 Millionen unselbständig Erwerbstätige in Österreich und hatten noch nie so viele Menschen in Beschäftigung wie jetzt. (Abg. Öllinger: Die Zahl stimmt nicht!) Wir sind eines der wenigen EU-Länder, welche die Zielvorgabe 2010, nämlich zu­mindest 70 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung in die Arbeitswelt zu integrieren, bereits erfüllt haben.

Das ist natürlich die Folge von Maßnahmen, die schon gesetzt wurden. Wir haben trotz der großen Kraftanstrengung, den Schuldenberg abzubauen, mit der größten Steuer­reform der Zweiten Republik die Binnennachfrage massiv gestärkt. Wir haben mit der Abfertigung-neu ein ganz neues, modernes Modell für die Arbeitnehmer geschaffen, viel mehr in den Genuss einer Abfertigung gebracht. Wir haben mit dem „Kindergeld für alle“ eine Entlastung für die Familien gebracht. Wir haben die Infrastruktur stark ausgebaut.

Ich darf auch sagen, dass die Verwaltung sowohl beim Bund als auch bei den Ländern ihren Beitrag im Hinblick auf Serviceorientierung und Effizienz geleistet hat – ich nenne nur e-Government, da sind wir absolute Europaspitze.

Nicht vergessen darf man die Konjunktur- und Wachstumspakete, die uns eigentlich zu diesem sehr positiven Befund führen, von dem der prominente Gast, der ehemalige SPD-Generalsekretär und nunmehrige Kommissar Günter Verheugen, gemeint hat, die


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meisten europäischen Regierungschefs würden sich die Probleme wünschen, die der österreichische Bundeskanzler hat – „offen gesagt“. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Ich bedanke mich bei Herrn Bundesminister Bartenstein dafür (Abg. Öllinger: Machen Sie jetzt eine Feierstunde, oder ist das eine Dringliche? Das ist eine Feierstunde! – Abg. Neudeck: Wenn Sie es so empfinden!), dass er mit den Sozialpartnern zwei wesentliche Themen außer Streit gestellt hat – ein Befund muss den Befund auch tatsächlich wiedergeben, außer Sie widerlegen ihn, Herr Kollege –, dass nämlich im Arbeitsmarktservice künftig 350 Personen zusätzlich für Beratung und Vermittlung tätig sein werden – das ist mit dem Präsidenten auch so vereinbart – und dass im Bereich des Jugendarbeitsmarktes die Fortsetzung des Lehrgangsystems nach dem Jugend­ausbildungsgesetz beschlossen wird.

Von den zehn Punkten, die insgesamt resümiert werden können, möchte ich einige wenige herausgreifen: die Zusage der Bundesregierung, insbesondere des Bundes­kanzlers an die anwesenden Parteienvertreter, Sozialpartner, Ländervertreter, Univer­sitätsprofessoren, Verantwortlichen in der Wirtschaft und Wirtschaftsforscher, eine stärkere Förderung der Forschung vorzuschlagen, nämlich eine Anleihe von 1 Mil­liarde € bis 2010; und darüber hinaus wird es, wenn wir damit eine Forschungsquote von 3 Prozent erreichen werden, auch möglich sein, die Auftragsforschung steuerlich geltend zu machen, wodurch insgesamt 1,3 Milliarden € mehr zur Verfügung stehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Perspektive, die Frist für Energieprojekte, die bald auslaufen sollte, bis Ende 2002 auszudehnen, kann nach realistischer, konservativer Schätzung Arbeitsplätze in der Größenordnung von etwa 3 000 bringen.

Es ist in Aussicht gestellt, 300 Millionen € für die Infrastrukturoffensive zur Verfügung zu stellen, mit Beschleunigung von Betriebsgenehmigungen, weil ich denke, dass es wichtig ist, die Brücken Richtung Mittel- und Osteuropa zu verstärken, da gerade in diesen Regionen ein besonderes Wirtschaftspotential möglich ist.

Ein besonderes Anliegen, das ich auch hier im Hohen Hause schon mehrmals artiku­lieren durfte, ist die Ansage eines rigorosen Kampfes gegen den Sozial- und Wirt­schaftsbetrug, weil er ganz einfach die seriös arbeitenden Firmen massiv behindert und letztendlich auch nicht jene Mittel zuführt, die etwa für die Finanzierung der sozialen Netze notwendig sind.

Wir haben die Tätigkeit von KIAB, Kontrolle illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung, gut verfolgt. Dieser Bereich ist immer wieder aufgestockt worden, aber auf Grund von Berichten, wonach der organisierte Wirtschaftsbetrug noch stärker um sich greift, ist zugesagt worden, den Personalstand dort jedenfalls verdoppeln zu können. Ich denke, dass die beim Finanzministerium eingesetzte Kommission ihre Wirksamkeit nicht verfehlen wird.

Schließlich ist auch zugesagt, die Breitbandoffensive durch eine Aufstockung der Fördermittel um 10 Millionen € weiter zu intensivieren.

Wir liegen im Export an der absoluten Spitze. Und ich denke, dass wir mit diesen und anderen Impulsen durchaus zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, die bestehenden absichern und auch ein entsprechendes Wirtschaftswachstum erreichen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ausgehend von diesem Reformdialog, der ja der Beginn eines gemeinsamen nationalen Planes ist, der im Herbst in die EU mit eingebracht werden soll, denke ich: Der Start ist geglückt!


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Und mit einem guten Start werden wir letztendlich auch die gewünschten Ziele erreichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.09


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet.

Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Herr Bundeskanzler, Sie sind am Wort. (Abg. Öllinger – in Richtung des Bundeskanzlers Dr. Schüssel –: Hoffentlich strengen Sie sich mehr an als der Erstredner!)

 


15.09.40

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Nachdem wir im Gedanken­jahr sind und heute schon mehrfach rückgeblendet haben auf das Jahr 1945 und die Jahre danach, auf die unmittelbare Nachkriegszeit, als die UNO Österreich als jenes Land bezeichnete, das am stärksten von Hungersnot und von Armut bedroht ist, und auch den heutigen Stand Österreichs beurteilen, durch andere, durch internationale Institute, und sehen, dass wir zu den zehn entwickeltsten, reichsten Ländern, was die Kaufkraft und das Volkseinkommen betrifft, gehören, können wir sagen, es ist das eigentlich ein unerhört ermutigendes Signal.

Es ist das zugleich auch ein sehr positives Signal für diese Gründergenerationen, die nicht mutlos und verzagt in die Zukunft geblickt haben, sondern entschlossen ihr Schicksal, unser Schicksal in die Hand genommen und etwas ganz Großartiges daraus gemacht haben, wofür wir ihnen herzlich danken müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Viele der damals geschaffenen Instrumente wirken ja bis heute nach. Wenn Sie sich daran erinnern, dass im Jahre 1948 der Marshall-Plan, die Hilfe der Amerikaner für Europa, in Kraft gesetzt wurde, dass Österreich etwa 1,5 Milliarden Dollar – das war damals sehr viel Geld – bekommen hat – übrigens wurden zwei Drittel davon zinsenfrei zur Verfügung gestellt –, dass dieser Marshall-Plan später umgewidmet wurde in den ERP-Fonds, den European Recovery Program-Fonds, und all das heute noch nachwirkt, nämlich in der neu gegründeten Forschungsstiftung mit einem Gesamtstock von etwa 3,5 Milliarden €, dann sehen Sie, dass die Geschichte durchaus bis in die heutige Zeit sehr positive und fruchtbare Auswirkungen hat. Wir sollten daher jetzt überlegen, welche Maßnahmen notwendig sind, damit wir uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ebenso gut behaupten können.

Wir sind heute in der Europäischen Union, wir nehmen diese Chancen wahr. Und gerade weil wir die Union zu einer demokratischen Union, zu einer Sozial- und Wirt­schaftsunion machen wollen, wissen wir, dass Wirtschaft und Arbeit die zentrale Basis sind, auf der letztlich alles beruht. Die Vollbeschäftigung bleibt nach wie vor unser großes Ziel für die österreichische Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun weiß ich genau, dass man angesichts von 260 000 Arbeitslosen nicht zufrieden sein kann – mit dieser Zahl und mit den Ergebnissen, auch wenn wir in den Beschäf­tigtenzahlen Rekordwerte verzeichnen, auch wenn wir unter den Top 3 – Fritz Neu­gebauer hat darauf hingewiesen – in Europa sind. Was können wir also tun, um auf die neuen Herausforderungen richtig zu reagieren? Es müssen neue Antworten sein, alte Wirtschaftspolitik mit Schuldenmachen hat ausgedient. Bei einem Land, das 50 Pro­zent importiert, würde jeder kurzfristige Impuls sofort zur Hälfte anderswo Arbeitsplätze schaffen und nicht bei uns.

Daher brauchen wir eine sehr intelligente Wirtschaftspolitik, die eine Mischung darstellt: Steuersenkungen, um den Konsum anzukurbeln; Standortsicherung über moderne


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Rahmenbedingungen, Lohnnebenkostensenkungen, wie wir sie in den letzten Jahren gemacht haben, um den Faktor Arbeit zu entlasten; Liberalisierungen etwa auf dem Telefon-, dem Strom-, dem Gasmarkt, Reform der Infrastruktur, Investitionen in Bahn und Infrastruktur, damit wir schnell an die Export- und Zukunftsmärkte herankommen; schlanker Staat, Verwaltungsreform, Abbau von Bürokratie; massive Erhöhung der Forschungsausgaben und Befreiung der Universitäten, Autonomie für die Bildungs­einrichtungen, Abschaffung der Zweidrittelmehrheit und Wahrnehmen der Chancen, die wir durch andere Bereiche haben – ich darf nur an die Luftraumüberwachung den­ken, daran, dass wir bisher Gegengeschäfte mit der europäischen Luftfahrtindustrie von 1 Milliarde € an Land gezogen haben. Dies alles gehört zu einer intelligenten Wirtschaftsstrategie. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben nun am 1. Mai zu einem solchen Reformdialog für Wachstum und Beschäf­tigung eingeladen. Ich danke wirklich allen, die gekommen sind, den Vertretern der Regierungsparteien, der Oppositionsparteien, aller Sozialpartner, auch der Länder. Der Einzige, der nur am Anfang da war und begrüßt hat, war der Bürgermeister von Wien, Michael Häupl, ihn habe ich dann während der Sitzung nicht mehr gesehen, er hat nur vor Beginn der Sitzung draußen ätzende Kommentare abgegeben, was ich persönlich schade gefunden habe, denn eigentlich wäre das, glaube ich, da es ein gemeinsames Anliegen ist, wie in der Diskussion zum Ausdruck gekommen ist, auch Wien ganz gut angestanden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was ist das Ergebnis dieses Reformdialoges? (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Sie brauchen Michael Häupl nicht zu verteidigen, er kann das schon selbst. Er teilt aus, und er kann gelegentlich auch ein kritisches Wort von der Regierungsbank aus einstecken. Er verdient es auch manchmal. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Was kam also bei diesem Reformdialog heraus? – Ich möchte ausdrücklich vor allem dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Günter Verheugen, allseits ge­schätzt, sehr dafür danken, dass er fünf Stunden an dieser wichtigen Sitzung teil­genommen hat, sich auch eingebracht hat und einige sehr interessante und wichtige Beiträge geliefert hat.

Wir haben vereinbart, durchaus auch im Vorfeld mit den Wirtschaftsforschern und mit den Sozialpartnern, dass wir einen großen Impuls im Bereich der Infrastruktur setzen wollen. Wir werden in den kommenden zwei Jahren über 5 Milliarden € ausgeben, und wir werden zusätzlich noch einmal 300 Millionen für Beschleunigungsmaßnahmen ein­setzen. Damit können insgesamt 6 000 Vollbeschäftigungsjahre finanziert werden. Mittelfristig wird das einen Dauereffekt von etwa 500 Dauerarbeitsplätzen zusätzlich zum heutigen Szenario geben. Das ist ein wichtiger Impuls, der vor allem auch zur Erschließung der neuen Märkte in Mittel- und Osteuropa dient.

Der zweite Punkt ist noch spektakulärer. Wir wollen eine Forschungsoffensive starten, die in Österreich in diesem Ausmaß noch nie stattgefunden hat. Die Bundesfinanz­agentur wird nämlich ermächtigt werden – wir werden dazu ein eigenes Bundesgesetz vorschlagen –, eine Forschungsanleihe von 1 Milliarde € zu begeben. Diese Anleihe, diese 1 Milliarde zusätzliches Forschungsgeld soll direkt in die Forschungsprojekte fließen. Natürlich wollen wir dabei auch den Rat von Forschung und Wissenschaft ein­holen. Die verschiedenen Fonds, Universitäten und Betriebe werden davon profitieren.

Wir wollen dabei natürlich auch jene Projekte finanzieren, die Österreich jetzt schon weit nach vorne katapultiert haben, in der Biochemie etwa das IMBA. Oder denken Sie nur an MedAustron, das gerade geplant und gebaut wird. Denken Sie an Anton Zeilin­gers Idee eines Austrian Institute of Science and Technology, denken Sie an das „Haus der Forschung“, das nächstes Jahr eröffnet werden wird. Also: 1 Milliarde €


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zusätzliches Forschungsgeld bis zum Jahr 2010. Zurückgezahlt wird das nicht aus dem Budget, damit das auch klar ist, sondern im Gesetz soll verankert werden, dass Privatisierungserlöse der ÖIAG, die wir bekanntlich schuldenfrei gemacht haben, die aber trotzdem einen fast gleich hohen Beteiligungswert hat wie zu jenem Zeitpunkt, zu dem wir sie übernommen haben (Abg. Gradwohl: Na geh!), nämlich etwa 5 Milliar­den €; 1 Milliarde dieser Privatisierungserlöse soll zur Deckung dieser Forschungs­anleihe fließen. Ein wichtiger Impuls! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dazu schlagen wir noch eine steuerliche Förderung vor. Es soll jetzt auch die Auf­tragsforschung steuerlich voll anerkannt werden, was insbesondere den Klein- und Mittelbetrieben hilft. Das verursacht einen Steuerausfall von etwa 50 Millionen pro Jahr, umgerechnet auf die sechs Jahre bis 2010 sind das weitere 300 Millionen – daher 1,3 Milliarden für die Forschung in diesem Zeitraum!

Wir schätzen – das IHS wurde diesbezüglich von mir und vom Finanzminister be­fragt –, dass damit ein Effekt von etwa 7 000 Dauerarbeitsplätzen ermöglicht werden kann und zugleich eine spektakuläre Steigerung der Forschungsquote in Österreich.

Der dritte Punkt ist die Verfahrensoffensive. Wir wollen Ihnen ein eigenes Verfah­rensbeschleunigungsgesetz vorschlagen. Offen gestanden, wir brauchen dazu auch die Zustimmung der Opposition. Es handelt sich im Bereich der E-Wirtschaft um ein Verfassungsgesetz, wenn wir wirkliche Beschleunigungen in der zweiten Stufe haben wollen. Ich lade Sie herzlich ein, hier auch wirklich mitzugehen. Wir könnten damit ein Volumen von Investitionen von etwa 6 Milliarden € ins Netz, in die Ertüchtigung von neuen oder alten Kraftwerken stecken. Im Bereich der Gewerbeordnung soll es eine wesentliche Anhebung des vereinfachten Verfahrens auf 800 Quadratmeter geben: Beschäftigungsvolumen von etwa 4 000 bis 5 000 Arbeitsplätzen pro Jahr.

Dazu kommt eine Breitbandoffensive gerade für den ländlichen Raum, hinsichtlich dessen manchmal der Vorwurf erhoben wird, dass er ausgedünnt wird, die jetzt geplante Verdoppelung der Breitbandoffensive von 10 Millionen auf 20 Millionen € und die Einladung an die Bundesländer – ich hoffe, sie gehen da mit –, noch einmal 10 Millionen dafür lockerzumachen. Dann hätten wir 30 Millionen € für die Erschließung vor allem des ländlichen Raumes. Umweltminister Josef Pröll hat sichergestellt, dass im Siedlungs- und Wasserwirtschaftsfonds in die Förderbedingungen solche Breit­bandnetze mit aufgenommen werden. Beschäftigungsvolumen: 200 Arbeitsplätze.

Dann Ökostrom: Verlängerung der Frist für verpflichtende erstmalige Einspeisung aus bereits genehmigten Anlagen um eineinhalb Jahre bis Ende Dezember 2007. Direkter unmittelbarer Beschäftigungseffekt: 3 000 Arbeitsplätze.

Sechstens: Einladung an die Sozialpartner, eine Offensive für flexiblere, praxisnahe Arbeitszeiten zu starten. Wir hoffen sehr, dass damit bei den Lohnrunden im Herbst ein Durchbruch erfolgen kann. Wir glauben, dass das eine wesentliche Kosteneinsparung und eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit bringen kann, die durchaus 2 bis 5 Pro­zent Verbesserung an Wettbewerbsfähigkeit bedeuten könnte.

Der siebente Punkt ist eine Qualifikationsoffensive, zunächst in der sprachlichen Früh­förderung, in der Ganztagsbetreuung. Dabei werden über 300 Pädagogen sofort ab Herbst einen zusätzlichen Arbeitsplatz finden können. Danke an die Bildungs­ministerin, die heute übrigens Geburtstag hat! Ich möchte ihr von dieser Stelle aus herzlich gratulieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und dazu Nachholen des Schulabschlusses. Das könnte auf dem Arbeitsmarkt einen zusätzlichen Entlastungseffekt von etwa 1 000 Arbeitsplätzen bringen und hilft außer­dem, das Wachstumspotential Österreichs deutlich zu erhöhen.


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Achter Punkt: Lehrlingsoffensive. Diesbezüglich hat sich unser Beauftragter Blum eine ganz moderne, neue Förderung ausgedacht, mit dem Ziel, dass jeder Jugendliche entweder eine schulische Ausbildung, einen Lehrplatz, einen Lehrgangsplatz oder eine zusätzliche Schulung in den Betrieben bekommt. Der Kostenpunkt ist beachtlich: Wir geben 120 Millionen € alleine für diese Lehrlingsförderung aus. In Summe rechnen wir mit etwa 2 000 zusätzlichen Dauerbeschäftigungsverhältnissen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der neunte Punkt – schwer zu beziffern – ist eine Offensive gegen illegale Beschäf­tigung und Schwarzarbeit, vor allem auch gegen Scheinselbständigkeit und Pfusch. In diesem Sinn wird die Betrugsbekämpfungseinheit des Finanzministeriums verdoppelt, also auf etwa 400 Bedienstete aufgestockt. Es sollen auch die Strafen verdoppelt werden. Auch hier hoffe ich sehr, dass Sie mitgehen und dass der Beschäftigungs­effekt nicht nur die 200 zusätzlichen Kontrolleure ist, sondern dass wir durch die Kontrolle etwa 3 000 bis 4 000 umgewandelte – nicht schwarze, sondern legale – Be­schäftigungsverhältnisse bekommen. Immerhin sind im vergangenen Jahr über 6 000 illegale Arbeitsplätze gefunden und angezeigt worden. Würde die Hälfte legalisiert, hätten wir einen ganz großen Erfolg, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der zehnte Punkt ist die Fortsetzung der Internationalisierungs- und Exportoffensive. Dieses „go international“ ist ein ganz nachhaltiger Impuls auf die Exportwirtschaft. Auf Waren und Dienstleistungen entfallen ja heute schon etwas mehr als 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Offensive läuft auf vollen Touren. Wir waren voriges Jahr der Europameister im Exportzuwachs. Wir wollen diese Position gerne halten und hoffen, dass durch die Fortsetzung der Offensive im Wirtschaftsressort ein nachhaltiger Niveaueffekt erreicht wird. Nächstes Jahr werden wir hoffentlich die Schallmauer von 100 Milliarden bei den Exporten durchbrechen. Der zusätzliche Beschäftigungseffekt könnte bei etwa 200 Arbeitsplätzen liegen.

Meine Damen und Herren! Wenn man das zusammenrechnet, vorsichtig gerechnet mit dem IHS und auch rückgefragt bei Ökonomen der Notenbank, glauben wir, dass kurz­fristig 15 000, mittelfristig vielleicht sogar 25 000 zusätzliche Arbeitsplätze gesichert werden können. Vor allem kommt ja die Steuersenkung mit Beginn des Jahres dazu, die mit 25 Prozent KöSt-Satz einen nachhaltigen Standortimpuls gebracht hat und durch mit eineinhalb Milliarden an Entlastungen bei den breiten Konsumschichten letztlich auch den Konsum deutlich bewegt.

Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang Folgendes: Wir werden Unternehmer und Investoren in Österreich nur dann bekommen, wenn wir nicht den Fehler machen, den jetzt etwa Müntefering oder manch andere in Deutschland begehen, indem sie Unter­nehmer und Investoren als Heuschrecken bezeichnen, die kommen, ein Land leer fressen und weiterziehen.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, ich bin dankbar für jeden Betrieb, der sich hier niederlässt, der hier investiert, der hier Arbeitsplätze schafft, Steuern zahlt und damit zu unserem rot-weiß-roten Erfolg beiträgt. Und das soll auch einmal hier im Hohen Haus gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Steuern zahlt!)

Ich schließe: Niemand ist perfekt und nichts ist perfekt, nicht einmal das kleine österreichische Wunder, das sich seit 1945 bis jetzt bereits 60 Jahre ereignet hat. Aber es ist auch tröstlich, wenn das jemand von außen bestätigt. Der Chef der deutschen Wirtschaftssachverständigen, Professor Rürup, hat in einem Interview im „Standard“ Österreich gratuliert für die „Neid erweckend gute gesamtwirtschaftliche Performance mit hohem Wirtschaftswachstum und niedriger Arbeitslosigkeit“ und hat hinzugefügt:


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„Auf dem österreichischen Niveau würde jeder deutsche Wirtschaftsminister gerne leiden.“

Ich danke an dieser Stelle den Sozialpartnern, dass sie die Voraussetzungen dafür schaffen, dass hier wirklich friedlich und gut zusammengearbeitet werden kann. Ich danke der Bevölkerung, den Arbeitnehmern, den Unternehmern, allen, die auch mit­helfen, den Börseplatz Österreich aktiv und attraktiv zu machen. Wir haben das Börse­volumen verdreifacht und sind heute auf dem Weg, dass wir etwas, was niemand für möglich gehalten hätte, zusammenbringen, nämlich ausgeglichene Handelsbilanz, aus­geglichene Investitionsbilanz, 50 Milliarden € draußen investiert, 50 Milliarden € von draußen in Österreich investiert. Auf diesem Weg wollen wir weitergehen. Wir wollen uns noch mehr anstrengen, und dieses Zehn-Punkte-Programm vom 1. Mai ist, glaube ich, eine ganz gute Basis.

Lassen Sie uns dafür weiterarbeiten, dass wir im Herbst auf dieser Basis aufbauend ein gemeinsames nationales Reformprogramm nach Brüssel melden können und es vor allem – noch wichtiger – hier auch umsetzen. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.26


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf. Jeder Klub hat eine Gesamtredezeit von 25 Minuten.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Grillitsch. Wunschredezeit: 8 Minuten. – Bitte.

 


15.27.06

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Als einer, der Gott sei Dank nie einen Krieg erlebt hat, fühle ich mich, wenn ich die Bilder vor 60 Jahren mit dem vergleiche, wie wir heute in Österreich leben dürfen, im Gedankenjahr, im Gedenkjahr ganz einfach verpflichtet, auch einmal hier in diesem Hohen Haus all jenen, die dazu beigetragen haben, über parteipolitische Grenzen hinweg, in persönlichem Respekt zu danken, zu danken für dieses Fundament, das sie uns gesetzt haben, wo wir heute aufbauen können, wo wir heute die Zukunft gestalten können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als jemand, der aus der Landwirtschaft kommt, muss ich feststellen, wenn man sich den Wandel der Zeit anschaut, gesellschaftlich, weg von der Agrargesellschaft hin zu einer Industriegesellschaft, heute am Beginn hin zu einer Informations- und Wissens­gesellschaft, eine gewaltige Technisierung, Technologieeinsatz, dann bedurfte es irr­sinnig viel Kraft, Innovationsgeist, Unternehmungsgeist, damit der Wirtschaftsstand­ort Österreich in der heutigen Form gesichert werden konnte.

Herr Bundeskanzler! Ich finde es großartig und danke dafür, dass wir wenige Tage – wenige Tage! – nach dem Reformdialog am 1. Mai die Möglichkeit haben, hier dieses Zehn-Punkte-Programm zu diskutieren. Herzlichen Dank, denn es ist wichtig (ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Cap) – Sie lachen darüber, anscheinend ist Ihnen die Wirtschaftsstandortsicherung in Österreich nicht wichtig –, für den Standort Österreich eine entsprechend konsequente Politik zu betreiben und auch entsprechende Maß­nahmen zu setzen, beispielsweise mit dem Wachstumspaket I oder mit dem Wachs­tumspaket II, mit der Steuerreform (Abg. Öllinger: Das hat nicht gewirkt!), wirksam seit 1.1.2005. Das ist konsequente Politik, damit Österreich letztlich auch ein nachhaltiger Wirtschaftsstandort bleiben kann.


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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage auch ganz ehrlich, jeder Arbeitssuchende, der keine Stelle findet, ist in Wahrheit ein Arbeitsloser zu viel, keine Frage. Aber wir müssen uns schon auch ansehen: Wie ist die Entwicklung EU-weit, wie liegen wir hier in Österreich? (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Von den jährlich 35 000 Per­sonen, die neu auf den Arbeitsmarkt drängen, finden 30 000 Beschäftigung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

5 000 finden leider keine Arbeit. Und wir haben heute die gleichen Arbeitslosenzahlen wie 1996 bis 1998. Meine Damen und Herren, übersehen wir das nicht! Daher ist ganz einfach dieses Programm, wie ich meine, in der konsequenten Fortsetzung der ersten drei Schritte, die ich bereit erwähnt habe, Wachstumspakete, Steuerreform und jetzt dieses Zehn-Punkte-Programm, ganz besonders wichtig.

Die Forschungsoffensive, diese 1 Milliarde €: Es ist gerade für die Klein- und Mittel­betriebe in Österreich ganz, ganz wesentlich, dass sie daran teilhaben können, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

Die Breitbandoffensive. Wir machen nicht eine Politik, wo man 30 Jahre nicht nach­denkt, wie man Strukturen verändern kann, wie es die Sozialdemokratie in diesem Lande gemacht hat, und dann einfach intelligenzlos hinausgeht und sagt, jetzt muss ich so und so viele Postämter oder was immer schließen. Meine Damen und Herren! Die Breitbandoffensive macht es möglich, dass der ländliche Raum auch in Zukunft ein nachhaltiger Wirtschaftsstandort sein kann, weil wir damit die Welt ins Dorf bekommen und wir umgekehrt unsere Landschaft, unsere Ideen, unsere Leistungen in Sekunden­schnelle in die Welt hinausstellen können.

Ich nenne Ihnen Beispiele aus meiner Region, aus dem Bezirk Murau. Durch diese Breit­bandoffensive und die Unterstützung dieser Breitbandoffensive gibt es Wirt­schafts­standortansiedelung. KLH, ein Betrieb, der Fertigteilhäuser aus Holz produziert, ist dankbar dafür, dass es diese Breitbandoffensive gibt, weil er ansonsten überlegt hätte, seinen Wirtschaftsstandort zu wechseln, also seinen Betrieb woanders anzu­siedeln.

IBS, eine Firma in Teufenbach im Bezirk Murau. Durch die Breitbandoffensive Welt­marktführer! (Abg. Gradwohl: Das war sie schon vorher!) 420 Mitarbeiter, 120 Filialen. Es ist unabdingbar, dass der diesen Anschluss hat.

Das ist, wie ich meine, die konsequente Fortsetzung. Ich danke dafür, auch im Namen der Menschen im ländlichen Raum, die dort Arbeit finden, Geld verdienen, Inves­titionen tätigen und die Wertschöpfung in der Region lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Oder Ökostrom: Verlängerung bis 2007. Nicht nur reden davon, sondern durch neuen Technologieeinsatz, durch die Nutzung heimischer Potentiale in Wahrheit ein Schlag mal zwei. Erstens Arbeitsplätze, Beschäftigung schaffen und zweitens auch einen wesentlichen Beitrag für die Umwelt liefern, und zwar durch die Reduktion von CO2-Emissionen. Daher auch das ein wichtiger Schritt, dass die Pioniere und die Unter­nehmer diese Möglichkeit der Verlängerung haben.

Abschließend: Es ist schon ein gutes Gefühl, wenn man mitverantwortlich sein kann, mitgestalten kann hier in diesem Haus, und es freut mich, wenn es dann auch Kommentare aus dem Ausland gibt, in denen diese Politik positiv gesehen wird. (Abg. Öllinger: Rürup!) Ich weiß schon, dass der Prophet im eigenen Land nicht so viel zählt. Aber es freut mich ganz einfach, wenn die „Neue Zürcher Zeitung“ schreibt: „Österreich: Ein Erfolgsmodell“, gratuliere, danke, oder in einer Sendung des ZDF über den „Wirtschaftsboom in Österreich“ berichtet wird, Land der Berge, Land der Hoffnung. „ ... die als einst rückständig empfundene Alpenrepublik ist zum Jobwunder


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geworden“. Die Standortbedingungen in Österreich seien deutlich attraktiver als in Deutschland. Außerdem verblüffen die Österreicher die Deutschen mit effektivem, unbürokratischem Standortmanagement.

Oder, Herr Kollege Matznetter, im „Manager-Magazin“ steht (Abg. Öllinger: Das haben wir auch schon gehört!):

„Das in Deutschland populäre Klischee vom liebenwerten, aber etwas rückständigen Alpenvölkchen hat mit der Realität nichts mehr zu tun. In vielerlei Hinsicht hat die Austro-Ökonomie die Bundesrepublik überholt. Ob Wachstum, Investitionen, Beschäf­tigung oder Staatsfinanzen – Österreich hat die besseren Zahlen.“ (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.34


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. 8 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


15.34.57

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Grillitsch, am 12. April haben wir hier in diesem Hause zum letzten Mal darüber diskutiert. Das nur, weil Sie so tun, als ob das am 1. Mai zum ersten Mal stattgefunden hätte.

Zum Zweiten: Im April 2000 hatten wir in unserem Lande 194 000 Menschen ohne Be­schäftigung, im April 2001 waren es 191 000, im April 2002 231 000, im April 2004 240 000, und jetzt stehen wir bei 245 000 Menschen ohne Beschäftigung. Rechnet man die Schulungsteilnehmer hinzu, sind wir bei fast 300 000 Menschen ohne Be­schäftigung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin überzeugt, lange, ja viel zu lange hat es gedauert, dass Sie endlich bereit sind, wenn ich Ihrem Antrag folge, Maßnahmen ins Auge zu fassen. Hoffentlich ist das nicht ein Rußflankerl in Ihren Augen, sondern ein konkretes Handeln, denn Gesetze sind dafür kaum notwendig. Wir könnten vieles sofort umsetzen, was in diesem Hause schon mehrfach diskutiert worden ist und was die lange Kette der Steigerung der Arbeitslosigkeit in Wirklichkeit reduzieren hätte können, hätten wir rechtzeitig gehandelt. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, da Sie moniert haben, dass der Wiener Bürgermeister bei der Veranstaltung am 1. Mai nicht anwesend war: Ich habe keinen einzigen ÖVP-Landeshauptmann und auch nicht die Landeshauptfrau dort gesehen, sondern Stellvertreter, genauso wie der Stellvertreter Sepp Rieder anwesend war und dort ganz konkret Vorschläge gemacht hat, wie es denn eigentlich weitergehen könnte, und zwar anhand des Beispiels von Wien.

Was ist die Herausforderung? – Die Herausforderung sind ganz konkrete Einzel­maßnahmen, die in der Summe zu mehr Beschäftigung führen. Niemand von uns, das behaupte ich, hat das Wundermittel in der Hand, 300 000 Menschen von heute auf morgen in Beschäftigung zu bringen. Woran es aber wirklich krankt, ist das konkrete Umsetzen. Viel zu oft wird immer angekündigt, und viel zu wenig wird tatsächlich getan.

Seit Jahren stellen wir fest, dass wir Jugendliche ohne Hauptschulabschluss haben. Wo sind die konkreten Programme in der raschen Umsetzung? 13 000 Jugendliche zurzeit noch ohne Hauptschulabschluss. Wo sind die konkreten Maßnahmen? Hier werden sie wieder ins Auge gefasst. Ich glaube, das könnte man von heute auf morgen rasch umsetzen.


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Sie alle als Abgeordnete werden wahrscheinlich genauso wie ich heute früh von einem Jugendlichen angesprochen und gefragt werden: Wie schaut es mit meinem Praxisplatz aus, den ich auf Grund meiner Schulausbildung haben muss? Ich be­komme keinen. Die Wirtschaft stellt zu wenig zur Verfügung. Wie schaut es mit Arbeits­plätzen insgesamt aus? Schauen Sie sich die Statistik der Arbeitsmärkte an und Sie werden feststellen, dass auf einen offenen Arbeitsplatz im Jahr 2000 sechs Arbeit­suchende gekommen sind. Heute – ganz aktuell – haben wir zwölf Arbeitsuchende. Und da, glaube ich, ist es notwendiger denn je, konkret anzusetzen.

Denken wir daran: Passt die heutige Ausbildung noch hinein? Ich habe das an anderer Stelle und auch hier im Haus schon oft genug gesagt: Die Mehrheit der Jugendlichen drängt sich in zehn Lehrberufen, obwohl wir mehr als 300 haben. Was tun wir gemeinsam, um hier eine breitere Basis zu bilden?

Oder ich denke zum Beispiel ganz konkret an ein Projekt, auf das wir im Prinzip immer wieder stolz sind, die österreichische Tunnelbauweise. Eine Supersache! Aber im Prinzip frage ich mich: Wer bildet diese Leute aus? Es hat im Vorjahr einen einzigen Kurs von Mineuren und Tunnelbauern gegeben. Wenn die nicht diese Ausbildung haben, sind sie am Ende ihrer Arbeit wieder Hilfsarbeiter, nicht fachlich qualifiziert. Wer hindert uns daran – Forderung an die Wirtschaft –, konkret hier gemeinsam aufzu­treten? Einen einzigen Kurs hat es im Vorjahr gegeben. Wer hindert uns daran, in einem Ausbildungsverbund für diese Menschen, die hoch qualifizierte Arbeit leisten, tatsächlich etwas zu tun? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Denken wir auch an die Kaufkraft. Sie reden immer von dieser Steuerreform. Welche Wirkung hat die Steuerreform? – Für die, die keine Steuern bezahlen, nämlich die wirklich Armen in unserer Gesellschaft, überhaupt keine! Die Belastungen sind sehr wohl für diese Menschen da. Warum erhöhen wir die Negativsteuer in diesem Fall nicht von 110 € auf 220 €? Warum schaffen wir nicht mit einer zusätzlichen Milliarde Kaufkraft, die nicht ausschließlich ins Ausland geht, Herr Bundeskanzler, sondern inlandswirksam wird? Diese Leute legen das Geld nicht aufs Sparbuch. Das geht direkt in den Inlandskonsum und würde dort dementsprechende Kaufkraft fördern. (Abg. Dr. Fasslabend: Für den Export müssen wir etwas tun!)

Denken wir an die Infrastruktur. Hier geht es nicht um das Sowohl/Als-auch. Wenn das eine nicht geht, dann machen wir eben den Koralmtunnel und dann ziehen wir aus der Westbahn wieder Geldmittel ab. Ich glaube, wir müssen beides gleichzeitig tun, um hier aktiver zu werden, weil es letztendlich auch Beschäftigung schafft.

Breitband ist angesprochen worden: Warum ist im Jahre 2004 die Breitbandförderung zu Ende gegangen? – Ich nehme jetzt nur Nagelberg als Beispiel: Nagelberg ist noch nicht angeschlossen, aber Förderung gibt es für diesen Bereich heute nicht mehr. Ich glaube aber, dass es hier mehr denn je notwendig wäre! Wir brauchen nicht das Rad neu zu erfinden, sondern wir sollten uns nur den Bericht der ARGE Breitband an­schauen und das umsetzen, was in diesem Bericht steht!

Denken wir an die Rahmenbedingungen: Herr Bundeskanzler! Sie selbst haben hier im Haus einmal gesagt, dass es in der Frage der Betriebsgenehmigungen keine Dauer über sechs Monate geben sollte. – Wie Sie wissen, gibt es aber in der letzten Zeit Betriebsgenehmigungen, die mehr als sechs Monate brauchen! (Abg. Dr. Maier: In Wien ist das ein Problem!) Der Vizekanzler hat gesagt: Es dürfen nicht mehr als 12 Monate in den Verfahrensfragen sein. – Wir wissen heute, dass diese Verfahren länger dauern! Warum dauert es so lange, bis wir diesbezüglich handeln und hier auch dementsprechend aktiv werden?

Warum verhält es sich so, dass wir auf der einen Seite zwar die KIAB haben, die sehr erfolgreich tätig ist, dass aber auf der anderen Seite noch immer oft genug aus der


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Portokasse bezahlt wird? Warum machen wir das Schwarzunternehmertum nicht tatsächlich zu einem Straftatbestand? – Das würde helfen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Lassen Sie mich auch noch auf ein Detail eingehen, weil das auch immer wieder angesprochen wird: Ich hoffe, ich habe mich nicht verhört, Herr Bundeskanzler, wenn Sie davon sprechen, dass man durch Flexibilisierung 2 bis 5 Prozent Wett­bewerbs­fähigkeit erreicht! – Ich frage mich nämlich, wie man diese erzielen wird! Das wird eine spannende Frage sein! Hoffentlich will man das nicht durch Lohnreduktion erreichen!

Ich bin aber froh darüber, dass das Europäische Parlament heute vor wenigen Stunden die Arbeitszeit-Richtlinie so abgeändert hat, dass Missbrauch verhindert werden kann und dass vor allem nicht eine gesetzliche Regelung im Vordergrund steht, sondern nur im Zusammenhang mit den Kollektivverträgen ein Maß der Dinge gefunden werden muss. (Abg. Mag. Molterer: Das muss gemacht werden, Herr Präsident!) Ich bin überzeugt davon, dass sich auch der österreichische Arbeitsminister an diese Frage halten wird.

Herr Bundeskanzler, Sie haben den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gedankt. Ein Bild sollen Sie jedoch nicht in der Öffentlichkeit stehen lassen: Dass dieses Land, in dem wir uns heute befinden, in Wirklichkeit nur von 8 Uhr morgens bis 3 Uhr nach­mittags in Betrieb ist. Wir haben heute flexible Arbeitszeitregelungen in jeder Form, sonst gäbe es die Wirtschaft in unserem Lande nicht! – Wo es notwendig ist, Ände­rungen vorzunehmen, sind wir gesprächsbereit, wenn es für beide Vorteile bringt. Einseitige Vorteile für eine Gruppe wird es mit unseren Stimmen hingegen nicht geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.42


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Walch. – 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.42.50

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Hohes Haus! Kollege Verzetnitsch, dazu muss ich jetzt natürlich doch ein paar Bemerkungen machen. (Abg. Dr. Cap: Lauter!)

Auf Initiative der Bundesregierung beziehungsweise des Bundeskanzlers hat am 1. Mai ein Gespräch stattgefunden, zu welchem alle Parteien eingeladen worden sind, um dort Vorschläge einzubringen, wie wir die Rahmenbedingungen in Österreich gestalten können, um mehr Beschäftigung zu haben, beziehungsweise wie wir die Standort­sicherung vornehmen können und vieles mehr. – Von Seiten der Sozialdemokraten ist da aber nicht viel gekommen! (Abg. Verzetnitsch: Lesen, lesen, lesen!)

Ich sehe mir euer Papier „Österreich-Vertrag für Arbeit und Wachstum“ einmal an. Ich schlage dieses jetzt auf und lese euch einmal vor, war ihr da alles hineinschreibt. – Ihr schreibt von etwas, stimmt aber nie zu hier im Haus und lest wahrscheinlich nicht, was bereits erledigt ist.

Da lese ich zum Beispiel, dass wir eine Modernisierung der Infrastruktur brauchen. Das ist richtig, aber ihr habt dagegen gestimmt! – Bis 2010 werden für die Infrastruktur, Straße und Schiene, 30 Milliarden € investiert, was positiv für die Bauwirtschaft ist und Arbeitsplätze sichert. – Das ist erledigt!

Weiters fordern Sie – ich muss euch jetzt weiter aufklären – Sofortmaßnahmen hin­sichtlich der notwendigen Infrastruktur beziehungsweise Konjunkturpakete. – Das ist erledigt! Es gibt drei Konjunkturpakete! Die SPÖ hier im Haus hat jedoch dagegen gestimmt! (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.)


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Weiters lese ich hier: Steuerpolitik muss Beschäftigung und Wachstum fördern. – Was ist geschehen? – Es gab 3 Milliarden €, zur Hälfte für die Unternehmer, zur Hälfte für die Arbeitnehmer. (Abg. Verzetnitsch: Für wen?) Speziell Klein- und Mittelverdiener haben ab Jänner bis zu 70 € im Monat mehr im Geldbörsel, und auch Pensionisten haben bis zu 60 oder 70 € mehr im Monat. Je mehr Geld man den Menschen gibt, desto größer ist die Kaufkraft, desto mehr wird investiert, desto besser ist die Be­schäftigung!

Was wollen wir? – Wir wollen ... (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.) – Kollege Ver­zetnitsch, hör zu! – Wir wollen den Wirtschaftsstandort Österreich absichern! Da muss man natürlich dem Unternehmer Geld zur Verfügung stellen, damit er der aus­ländischen Konkurrenz Herr wird und damit er in Österreich Arbeitsplätze sichern kann. – Und diese Bedingungen haben wir geschaffen. – Ihr habt wieder dagegen gestimmt, ihr habt gegen die Steuerreform gestimmt. Das wisst ihr eh noch, gell?

Nächster Punkt: Übergangsfristen zum Schutz der Arbeitnehmer. – Wir haben hier eine siebenjährige Übergangsfrist für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beschlossen. Ich weiß nicht, ob das bei den Sozialdemokraten so funktionieren würde oder ob sie nicht schon schreien würden, damit wir diese ein bisschen verkürzen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap.) Ich muss mich ja auf euer Papier beziehen!

Weiterer Punkt: Wir wollen die illegale Beschäftigung und den Sozialbetrug wirksam bekämpfen. – Wo wart ihr denn beim Betrugsbekämpfungsgesetz, Kollege Verzet­nitsch, als wir hier in diesem Haus höhere Strafen, sogar Haftstrafen für organisiertes Vorgehen beziehungsweise frühere Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse be­schlossen haben? Kollege Verzetnitsch! Die SPÖ hat nein gesagt! Ich frage: Wollt ihr das nicht?

Zusätzlich gibt es die KIAB: Doppelte Besetzung durch Exekutive beziehungsweise KIAB, damit man dementsprechend kontrollieren kann.

Das Nächste: Sofortige entsprechende Erhöhung der Arbeitsmarktförderungsmittel. – Dafür bin ich auch! Sie müssen aber eben richtig eingesetzt werden! In der gegen­wärtigen Arbeitslosensituation – ihr habt ohnedies beim AMS sehr viel zu sagen, sitzt auch in den Interessenvertretungen und seid bei der Geldverteilung dabei – müsste man eben die Schulungsmaßnahmen so gestalten, dass man auf dem Arbeitsmarkt nicht verwaltet, sondern vermittelt. Diesbezüglich könnt ihr jetzt einmal den Beweis antreten und sagen: Jawohl, auch wir von den Sozialpartnern machen etwas!

Nächster Punkt – Jugendbeschäftigung: Dazu möchte ich auch hier festhalten, was ich am 1. Mai bereits gesagt habe, dass ich nämlich auch die Sozialpartner ÖGB und AK ersuche, dass sie eine Image-Kampagne bei jenen Berufsgruppen unterstützen, wo Facharbeiter ...  (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Tut das Zuhören denn so weh? Hört zu, dann lernt ihr etwas! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe gesagt, dass eine Image-Kampagne durchgeführt werden soll, und zwar bei jenen Berufsgruppen, wo Facharbeitermangel besteht, und dass auch der Gewerk­schaftsbund und die Arbeiterkammer verpflichtet wären, zu sagen: Es darf keine Schande sein, wenn einer Maurer wird, es darf keine Schande sein, wenn einer den Beruf des Installateurs oder Elektrikers erlernt. (Abg. Dr. Cap: Atmen nicht vergessen!)

Zum Thema Aufklärungskampagne: Ich habe eine bei uns in Oberösterreich durch­geführt. Ich bin in einen polytechnischen Lehrgang gegangen und habe dort in Klassen über das Baugewerbe gesprochen und betont, welche Vorzüge jemand genießt, der den Beruf des Maurers lernt. Ich habe das dort gemacht, und ich lasse sie auch heute wieder bei mir schnuppern, und das ist richtig. – Diesbezüglich sollte man über die Parteigrenzen hinaus zusammenhelfen und sagen: Auch der Opposition müssen


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Jugendliche etwas wert sein. Im Hinblick darauf ersuche ich auch den angeblich überparteilichen ÖGB, nicht nur sozialistische Parteipolitik zu machen, sondern die Jugendlichen, egal welche, gleich zu behandeln!

Ich kann euch dazu nur sagen: Diese Regierung schafft die Rahmenbedingungen beziehungsweise versucht, diese ständig zu verbessern. Natürlich gibt es zu viele Arbeitslose, aber international sind wir nicht an letzter Stelle.

Wir alle müssen alles daransetzen, dass die Beschäftigung gesichert wird und dass noch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. In diesem Sinn hat man mit diesem Pro­gramm, in dessen Rahmen es mehr Investitionen ins Baugewerbe gibt, entsprechende Voraussetzungen geschaffen. Der Bau ist der Motor der Wirtschaft, und das hat Folgewirkungen: Dann haben nämlich alle eine Beschäftigung. Dort muss investiert werden: In Straße, Schiene, Infrastruktur und in vorgezogene – ich betone: vorge­zogene! – Bauaufträge wie eben Kraftwerksbauten und vieles mehr.

Kollege Cap, die größte Steuerreform der Zweiten Republik hat klarerweise nicht bewirkt, dass Kollege Cap mehr bekommt. Dafür bin ich auch, weil du ein dement­sprechendes Einkommen hast! (Abg. Dr. Cap: Atmen nicht vergessen! Dank an die Pumpe!) Aber ich sage: Die Steuerreform hat den Klein- und Mittelverdienern dem­entsprechend geholfen, sie hat den Pensionisten dementsprechend geholfen, sie hat der Wirtschaft geholfen, und es schaut nicht so schlecht aus, wie die Opposition dies hier darstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

15.50


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. Wunsch­redezeit: 8 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


15.50.12

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es mag schon sein, dass es auch zwischendurch einem dringenden Bedürfnis der Regie­rungsparteien entspricht, sich selbst zu danken und sich zu bejubeln.

Aber ich bitte Sie wirklich inständig, Herr Kollege Molterer: Wenn Sie das schon so extensiv mit einer Dringlichen machen wollen, dann nutzen Sie wenigstens die Zeit! Es ist ja schon fast peinlich, dass Sie sich nicht einmal bei einer Jubel-Dringlichen – und bisher habe ich nichts anderes gehört! – genügend Zeit zum Jubeln nehmen! Vielmehr hat auch der Erstbegründer, Kollege Neugebauer, nach acht Minuten fluchtartig das Rednerpult verlassen und Platz genommen. (Zwischenruf des Abg. Neugebauer.)

Der Regierungschef, der sonst 30 Minuten braucht, um zu antworten, war diesmal nach 15 Minuten fertig. – Was ist denn los? (Abg. Mag. Molterer: Wir sagen etwas Ge­scheiteres in der halben Zeit!) Haben Sie offensichtlich wirklich so wenig zum Jubeln, Herr Kollege Molterer?

Jetzt komme ich schon zu Ihrem Vorhaben eines Dringlichen Antrags zum Thema Beschäftigung. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.) Entschuldigung, Herr Kollege Molterer: Was muten Sie dem Parlament zu? Sie bringen als Dringlichen Antrag etwas, was Sie wortwörtlich einen Ministerratsvortrag entnommen und davon abgeschrieben haben. (Abg. Dr. Cap: Er hat schon wieder abgeschrieben!) Die zehn Punkte stammen aus dem Ministerratsvortrag, sie sind im Ministerrat beschlossen worden. Dann gehen Sie ins Parlament und sagen: Jetzt machen wir einmal eine ordentliche Feierstunde, und außerdem bringen wir dem Parlament im Antragsteil und dann noch einmal auch in der Begründung diese zehn Punkte ganz extensiv zur Kenntnis. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.) Wenn Ihnen wirklich nichts anderes einfällt, dann ist das allerdings wenig!


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Jetzt komme ich zu den Punkten.

Kollege Walch hat hier am Papier der SPÖ und am Papier des ÖGB kritisiert, was ihm nicht gefällt. Er sagt, dass das zu wenig war. – Lieber Kollege Walch, was haben denn die Regierungsparteien beim Gipfel vorgelegt? Da gab es eine Seite Papier, ein Kas­blattl vom Infrastrukturministerium war das! (Abg. Fauland: Das ist schon mehr, als Sie vorweisen können!)

Jetzt sage ich Ihnen, was auf diesem Kasblattl des Infrastrukturministeriums gestanden ist: Es war eine Reihe von Bauvorhaben im Bereich Schiene und im Bereich Straße aufgezählt. Als wie ernsthaft kann man aber ein solches Kasblattl des Infrastruktur­ministeriums bezeichnen, wenn dann auf diesem Kasblattl eine Nordwest-Autobahn vorgeschlagen wird, die es nicht einmal gibt! Es gibt keine Nordwest-Autobahn, außer Sie haben jetzt eine erfunden! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch. – Gegenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Tatsache ist, dass eine Nordost-Autobahn gemeint war.

Es ist eigentlich eine Tragik, dass Sie sich trauen, mit derartigen Unterlagen und einigen Referenten, die Sie sich halt hinbestellt haben und deren Funktion es offen­sichtlich war, jetzt der österreichischen Beschäftigungspolitik im internationalen Ver­gleich ein positives Zeugnis auszustellen, einen solchen Gipfel abzuhalten! Das Resul­tat – ich sage es ganz ehrlich – war beschämend dürftig!

Ich will jetzt gar nicht bestreiten, dass unter den zehn Punkten die eine oder andere Idee – beispielsweise die Ideen des Herrn Blum – überlegens‑ oder diskussionswert ist. Aber das war es dann auch schon! Wir sind zu diesem Gipfel natürlich in der Erwartung gekommen, dass zum Thema Arbeitslosigkeit und Beschäftigung nicht nur gesprochen wird, sondern dass auch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden.

Jetzt komme ich zum Befund, Herr Kollege Walch: Ich habe natürlich aufmerksam zugehört, was Vertreter der Regierungsparteien da vorgetragen haben. Und es fängt – ich muss es sagen, Kollege Walch, es bleibt mir nichts anderes übrig! – damit an, dass schon der Befund komplett falsch ist. Wir haben nämlich leider keinen Zuwachs an Beschäftigung! Im Dringlichen Antrag steht, dass wir 3 200 000 unselbständig Beschäf­tigte haben. Das ist falsch!

Richtig ist: Wir hatten im April dieses Jahres 3 067 000 unselbständig Beschäftigte, das sind um 130 000 weniger, und das ist genau die Anzahl der Kindergeldbezieherinnen beziehungsweise Präsenzdiener. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist unseriös!)

Wissen Sie, wie viele es im April 2000 waren? – Da waren es 3 040 000! Das sind um 27 000 mehr. (Abg. Mag. Molterer: Weil es da kein Kindergeld gegeben hat!) Herr Kollege Molterer! (Abg. Mag. Molterer: Sie können nicht Äpfel mit Birnen vergleichen!) Sie kennen das! (Abg. Mag. Molterer: Das ist falsch!) Nein, das ist nicht falsch, Herr Kollege Molterer, das ist realistisch! Ich nenne Ihnen reale Zahlen! Und Sie wissen auch, dass auch alle Ökonomen nicht mit diesen Zahlen, mit diesen 3,2 Millionen rechnen! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das glauben nicht einmal Ihre eigenen Leute! Sie reden seit fast 10 Minuten, und keiner klatscht!) Die sozialwissenschaftlichen Institute Wifo und IHS rechnen nicht damit, sondern sie verwenden die ehrlichen Zahlen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sei’s drum! – Zurück zum Gipfel beziehungsweise zu dem, was Sie nicht gesagt haben. – Ja, es stimmt: Im internationalen Vergleich hat Österreich noch eine relativ niedrige Arbeitslosigkeit. Das Problem dabei ist: Wir haben als eines der wenigen Länder eine steigende Arbeitslosigkeit. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.) – Kollege Scheuch! Passen Sie doch auf! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ich passe ja auf!)

Das gravierendste Problem dabei ist: Wir haben einen massiven Zuwachs bei der Arbeitslosigkeit jüngerer Menschen, und ich halte es wirklich für fatal, dass Sie diesen


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jüngeren Menschen überhaupt keine Perspektive bieten wollen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da geht es nicht – und auch das hätten Sie bei diesem Gipfel hören können! – darum, dass man ihnen eine zusätzliche Lehrausbildung anbietet. Auch das soll sein, und es mag auch sein, dass auch das nützlich ist. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wie vielen Menschen geben Sie denn Arbeit?) – Herr Kollege Scheuch, hören Sie zu!

Gleichzeitig wurde aber der Befund gegeben, dass die Leute nach dem Ende der Lehrausbildung arbeitslos sind und wir eine steigende Arbeitslosigkeit von ausgebil­deten Menschen im Alter von 20 bis 24 Jahren haben. Dort sind die Zuwächse an Arbeitslosigkeit derzeit am gravierendsten! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wie vielen Men­schen geben Sie denn Arbeit?)

Was sagen Sie dazu? – Nichts sagen Sie, weil Ihnen nichts einfällt beziehungsweise – was noch schlimmer wäre und was ich nicht annehmen will! – weil es Ihnen Wurscht ist! Aber wenn Sie nichts dazu sagen, dann haben Sie offensichtlich nicht einmal den Ansatz einer Idee oder eines Problembewusstseins! Und das kann es nicht sein! Wir sollten uns nicht leisten, dass wir einfach nur herumfeiern und sagen: International verglichen geht es uns ohnehin noch ganz gut!, dabei aber die gravierenden Probleme, die es tatsächlich gibt, übersehen.

Es sind nämlich tatsächlich gravierende Probleme, wenn junge Menschen im Alter von 20 Jahren nach einer Lehre, nach der Matura oder einem Studium keinen Job haben und nicht nur ein Jahr, sondern zwei oder drei Jahre ohne Job sind. Das wissen Sie alle! Und diesbezüglich sollten wir ehrlich genug sein: Diese Menschen finden sich teilweise nicht einmal in den Statistiken, weil sie natürlich nicht registrierte Arbeitslose sind!

So schaut es aus in der Realität! Daher sollten wir nicht feiern und herumjubeln und der Nachkriegsgeneration oder – noch weiter zurück – der Kriegsgeneration danken, sondern wir sollten diesen Befund ernst nehmen, und ernst nehmen heißt auch, dass man versucht, entsprechende Antworten zu geben!

Es ist schwierig genug, in diesem Zusammenhang auch nur den Ansatz einer Antwort zu finden. Das gebe ich allen zu. Aber ich frage: Wo sind die Maßnahmen in Bezug auf die Konjunkturpolitik? Wo sind die Maßnahmen in Bezug auf eine andere Steuerpolitik, die beispielsweise zur Kenntnis nimmt, dass Leute mit einem sehr niedrigen Arbeits­losengeld in Österreich auskommen müssen? Im europäischen Vergleich liegen wir nicht an der Spitze, sondern da liegt Österreich ganz unten, wir haben das niedrigste Arbeitslosengeld: Frauen bekommen 400 € Arbeitslosengeld beziehungsweise Not­standshilfe! Können sie davon leben? – Nein, das können sie nicht! Aber das ist Ihnen offensichtlich egal, und das kann es doch nicht sein!

Wir brauchen ein Maßnahmenpaket für junge Menschen. 10 000 junge Menschen sollten, zumindest befristet für ein Jahr, einen ordentlichen Job erhalten. Das ist leistbar über eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die diesen Namen verdient. Sie sollten nicht 63-jährige Menschen in Job-Coachings stecken, wo sie dann mit 63 Jahren – das ist ja Zynismus pur! – lernen sollen, wie man sich bewirbt! Das ist Zynismus, den Sie in der realen Arbeitsmarktpolitik betreiben. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Offensichtlich haben Sie zu diesen Problemen, von denen ganz Österreich spricht, keinen realen Bezug, und das ist das eigentliche Problem: Das ist kein Anlass zum Feiern! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.59



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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mikesch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten; die gesetzliche wäre 10 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.00.05

Abgeordnete Herta Mikesch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wenn es auch meine Vorredner teilweise nicht so sehen: Österreich ist ein Erfolgsmodell! Das schreibt auch die internationale Presse immer wieder über die österreichische Wirtschaftspolitik unter Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen. Abg. Gradwohl: Österreich schon, aber nicht diese Regierung! Das ist das Problem!)

Auch wenn Sie von der SPÖ und von den Grünen es nicht hören wollen: Unsere Nachbarn aus dem rot-grünen Deutschland blicken neidvoll nach Österreich und auf das, was uns hier alles gelingt.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Vielleicht wäre es besser für die Zukunft, Österreich nicht immer krankzujammern und schlechtzureden (Abg. Öllinger: Ernst nehmen!), sondern die Situation positiv zu sehen. Dieses Land Österreich und vor allem diese Menschen in Österreich haben das nicht verdient.

Das prognostizierte Wachstum in Österreich liegt mit 2,2 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Das rot-grüne Deutschland hält mit 0,8 Prozent die rote Laterne fest in der Hand. Nicht, dass Sie denken, das würde mich als Unternehmerin oder als Unter­nehmervertreterin freuen. Im Gegenteil: Ich wäre sehr glücklich, wenn die Entwicklung in Deutschland anders aussähe.

Österreich hat von allen 25 EU-Ländern die drittniedrigste Arbeitslosenquote, und erstmals seit mehreren Jahren ist es uns gelungen, den Rückgang bei den Lehrlingen zu stoppen: Im Jahr 2004 stieg die Zahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr erstmals um 1,4 Prozent auf zirka 36 000. Die neu geschaffenen Lehrstellen-Akquisiteure unter­stützen dieses voll. 14 Akquisiteure schaffen im heurigen Jahr rund 1 600 neue Lehrstellen. Bund, Länder und Gemeinden werden ebenfalls 1 800 Jugendlichen eine weitere Chance geben. – Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Eine weitere Lehrlingsoffensive soll zusätzliche Anreize zur Jugendausbildung schaf­fen: Mit dem „Blum-Bonus“ von 400 € pro Monat im ersten und 200 € beziehungsweise 100 € im zweiten und im dritten Lehrjahr werden jene Betriebe unterstützt, die weitere, zusätzliche Lehrlinge ausbilden.

In Niederösterreich wurde erstmals die kostenlose Lehrlings-Lernhilfe geschaffen, an der bereits 100 Jugendliche teilnehmen. Die Ersten haben durch diese Lernhilfe bereits eine Nachprüfung in den Berufsschulen geschafft.

Ich denke, auch viele andere Einzelbeispiele, wie sie Kollege Verzetnitsch zum Teil angesprochen hat, zeigen, was derzeit bereits seitens der Wirtschaftskammer gemacht wird. Gerade wenn die zehn Lehrberufe angesprochen werden, muss man erwähnen, dass es eine tolle Homepage der Wirtschaftskammer gibt www.fragjimmy.at –, wo sehr vieles zu zusätzlichen Lehrplätzen gefunden werden kann – und nicht nur zu Lehr­plätzen, sondern auch zu Berufsbildern und Ausbildungswegen. Das ist sehr wichtig, denke ich.

Es wird ein „Girls’ Day“ angeboten, durch den ganz einfach Frauen und Mädchen angesprochen werden, in technische Berufe einzusteigen. Zusätzlich werden in einigen Bezirken Infostände bei Elternsprechtagen organisiert, gerade um dieses Bild zu erweitern. Ich denke, es wird vieles möglich sein, und gerade im Rahmen der Sozial-


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partnerschaft werden wir auch in Zukunft weiter daran arbeiten. Wir geben damit jungen Menschen wirklich Perspektiven.

„Job konkret“ ist ebenfalls ein sehr viel versprechendes Projekt, das in Nieder­öster­reich sehr erfolgreich umgesetzt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Bisher wurde damit zirka 1 000 Menschen eine neue Chance gegeben. 91 Prozent dieser geförderten und damit höher qualifizierten Personen werden auch tatsächlich von den Betrieben übernommen, und das kommt wiederum den Kleinbetrieben zugute, denn 50 Prozent dieser Betriebe haben weniger als 10 Mitarbeiter.

Das Lissabon-Ziel in der Beschäftigungsquote bis zum Jahr 2010 ist laut Wifo in Österreich jetzt schon so gut wie erreicht. Meine Damen und Herren! Wir haben aber auch sehr viel dafür getan! Seit dem Jahr 2000, als Wolfgang Schüssel sein Amt als Bundeskanzler angetreten hat, gab es zwei Konjunkturbelebungspakete, ein Wachs­tumspaket und schließlich die größte Steuerreform der Geschichte. Sie bringt alleine heuer eine Entlastung von über 3,5 Milliarden € für die Menschen und für unsere Betriebe. Das ist offensive Wirtschafts- und damit Arbeitsmarktpolitik! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nicht umsonst ist der Wirtschaftsstandort Österreich im Ausland immer gefragter. Der­zeit werden 393 ausländische Unternehmen intensiv über eine Ansiedelung in Öster­reich beraten. Vor einem Jahr waren es hingegen erst 294. Man sieht also: Unsere Politik wirkt! Ich betone heute abermals: Nur eine gesunde Wirtschaft kann Arbeits­plätze schaffen. Nicht Raunzen und Schlechtreden, sondern ein positives Klima schafft die Grundlage für Konsum und Wachstum! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut. Wir wollen noch besser werden! Deshalb wurde auch am 1. Mai der Wachstums- und Beschäftigungsgipfel veranstaltet, und es werden noch viele weitere Maßnahmen gesetzt. Im Bereich der Gewerbe­ordnung soll zum Beispiel das vereinfachte Genehmigungsverfahren von 300 m2 auf 800 m2 Betriebsfläche ausgedehnt werden. – Betriebe, die ihre Arbeit schneller aufnehmen können, schaffen schneller neue Arbeitsplätze.

Die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist etwas, das bestimmt zur Sicherung des Stand­ortes beitragen wird, und nicht alle Sozialdemokraten sind dagegen. – Ich zitiere aus einem „profil“-Interview mit Hannes Androsch vom 7. März 2005:

„profil: Haben Sie in Ihrem Unternehmen Arbeitszeitmodelle, die über die geltende Rechtslage hinausgehen?

Androsch: Gegenfrage: Was bleibt denn übrig? Ich habe nichts davon, wenn wir keine Aufträge haben. Und wenn wir welche haben, kann das nicht mit Mehrkosten ver­bunden sein, wenn wir bei schwächerer Auftragslage Unterbeschäftigungskosten schlucken müssen.“

Ich versichere Ihnen: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind längst bereit, gemeinsam mit uns diesen Weg der Flexibilität zu gehen und sich so mit der Wirtschaft an die veränderte Marktsituation anzupassen. Sie haben diesen Mut zur Kreativität und zu neuen Wegen. Vertrauen Sie den Menschen, der österreichischen Wirtschaft und dieser Bundesregierung, denn wo andere noch nicht einmal startklar sind, sind wir schon längst auf dem richtigen Weg! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. Abg. Faul: Der Dringliche Antrag ist ein Traum! Abg. Dr. Jarolim: Hat der Herr Molterer die Rede geschrieben?)

16.06



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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. Sie wünscht eine Redezeit von 6 Minuten. – Bitte.

 


16.06.56

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! In einem Punkt hat meine Vorrednerin Recht gehabt: Sie hat gesagt, Österreich hat sich das nicht verdient, und in der Tat: Österreich hat sich eine solche Politik wirklich nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der heutige Dringliche Antrag sagt ja bereits alles aus: Darin steht, es seien bei diesem Reformdialog folgende Maßnahmen „ins Auge gefasst“ worden. – Nichts Konkretes! Der Antrag wimmelt von „soll“ und „plant“ und „soll“ und noch einmal „soll“, und so geht das dahin. Es gibt keine konkreten Punkte, sondern alles „soll“ und ist „geplant“.

In Österreich gibt es 300 000 Arbeitslose, die erwarten sich Sofortmaßnahmen! Die warten nicht darauf, welche Maßnahmen irgendwann einmal vielleicht im Jahr 2010 greifen, sondern die brauchen jetzt Maßnahmen gegen die Situation, in der sie sich persönlich befinden.

Sie hantieren immer so großartig mit den Beschäftigtenzahlen. Zum Teil hat ja Kollege Öllinger schon aufgezeigt, weshalb Sie sozusagen höhere Beschäftigtenzahlen haben. Dazu kommt aber noch, dass wir bei einer Umrechnung auf Vollzeitarbeitsplätze in vier Jahren 30 000 Vollzeitarbeitsplätze verloren haben, meine Damen und Herren!

Die Lehrstellenlücke wird immer größer. Rund 16 000 Jugendliche suchen eine Lehr­stelle, rund 11 000 Lehrstellensuchende sind in Übergangslösungen untergebracht. 40 000 junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren sind auf Jobsuche. Das sind Menschen, deren Berufseinstieg schon mit einem Ausstieg beginnt. Ich denke, ein reiches Land wie Österreich dürfte gerade der Jugend diese Chance nicht verwehren. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Finanzminister ist jetzt nicht mehr da. (Rufe bei der SPÖ: Auf Capri!) Ich möchte aber schon daran erinnern, dass es wirklich eine Art von Zynismus ist, die ihresgleichen sucht, wenn Herr Grasser in der Budgetrede meint, als Maßnahme für ältere Arbeitnehmer habe man ja das Pensionsalter hinaufgesetzt, und wenn er gleich­zeitig zur Wirkung der Lehrlingsprämie feststellt, man habe die Betriebe entlastet.

Genau das ist es: Die Lehrlingsprämie hat keinen Effekt und keine Wirkung gehabt, sondern Sie haben halt der Wirtschaft wieder einmal Geld gegeben, damit es der Wirtschaft vielleicht besser geht; aber auch da, Frau Kollegin: ... (Abg. Mag. Regler: Dann geht es uns allen gut!) Ja, genau, und Sie setzen die falsche Priorität: Geht es uns allen gut, geht es der Wirtschaft gut, denn Autos kaufen bekanntlich keine Autos.  Das hat schon Henry Ford erkannt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein bisschen verhöhnt dürfen sich wohl die Österreicherinnen und Österreicher auch fühlen, wenn Sie, Herr Bundeskanzler, unter einer „intelligenten“ Lösung die Euro­fighter verstehen.  Sie wissen, wie die Bevölkerung zu diesem Ankauf steht. Herr Bundeskanzler! Ich darf Ihnen auch noch sagen: Sie haben die Abwesenheit des Herrn Bürgermeisters und Landeshauptmannes Häupl kritisiert. (Abg. Amon: Zu Recht!) Kollege Rieder hat Ihnen Maßnahmen, die die Stadt Wien schon längst gesetzt hat, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, vorgezeigt und hat aufgezeigt: Wien hat agiert. Wien hat gehandelt  im Gegensatz zu dieser Bundesregierung, die der stetig steigen­den Arbeitslosigkeit zuschaut! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Amon: Das glauben Sie ja selbst nicht! Abg. Neugebauer: Fasching ist vorbei!)

Mit diesem aktiven Sich-Einbringen der Stadt Wien hat Wien auf jeden Fall besser bewiesen als die Steiermark, deren Frau Landeshauptmann Klasnic auch nicht


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anwesend war, dass es sich diesem Thema jedenfalls widmet und dass es aktiv etwas gegen die Arbeitslosigkeit tut. – Das würde man sich in anderen Bundesländern auch wünschen. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Dr. Jarolim: Das kann man laut sagen! Abg. Mag. Molterer: „Tosender“ Applaus!)

Herr Kollege Molterer, es ist traurig, dass Sie zu diesem Thema keine anderen Anmer­kungen haben. Ich denke, Arbeitslosigkeit und die Betroffenheit von arbeitslosen Men­schen sollte auch Sie etwas angehen (Abg. Mag. Molterer: Viel!), und Sie sollten da keine zynischen Bemerkungen machen, die nicht wirklich von der Qualität eines Parlamentariers zeugen. (Abg. Dr. Jarolim: Zyniker!)

Sie betreiben jedenfalls offensichtlich ganz bewusst eine Mangelwirtschaft, wenn Sie bewusst steigende Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen. Herr Bundeskanzler! Die Tal­sohlen, die wir in der Arbeitslosigkeit laut Herrn Bundesminister Bartenstein angeblich schon durchschritten haben, sind wesentlich tiefer als Ihre flachen Gipfel, die Sie da permanent abhalten. – Das sage ich Ihnen auch. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Abbau des Sozialstaates, den Sie betreiben, ist auch etwas, das wachstums­hemmend ist. Schauen Sie sich Staaten wie die skandinavischen Länder oder England an, die in den Sozialstaat investieren und damit wesentlich höhere Wachstumsraten als Österreich verzeichnen. Auch ein Sozialstaat ist wachstumsfördernd. Sie hemmen aber genau diese Förderung des Wachstums, indem Sie permanent den Sozialstaat abbauen.

Sie sagen, die Leute brauchen Einkommen, damit sie etwas kaufen können. – Das ist ganz klar. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass Arbeitslosen­geld- und Notstandshilfebezieher unter Ihrer Regierung bereits um 3,6 Prozent Ein­bußen gehabt haben.

Ich möchte Sie aber auch noch an Folgendes erinnern: Sie werden ja morgen diesen Dienstleistungsscheck beschließen, wo es wieder darum geht, Menschen durch Mini-Arbeitsplätze und durch „McJobs“ zu den „working poor“ abzustempeln. Das ist die Politik, die Sie machen, und das ist eine Politik, die natürlich nicht gut gehen kann, sondern schief gehen muss. Daher wären Sie gut beraten, diese Maßnahmen zu überdenken.

Ein Wort möchte ich noch zur Dienstleistungsrichtlinie sagen: Auch da war Ihre Haltung sehr eigenartig. Der Herr Bundesminister hat ja im Budgetausschuss noch ganz anders gesprochen als dann, nachdem die EU einen anderen Weg eingeschlagen hatte und er versucht hat, die Kurve zu kratzen.

Ich möchte Sie im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich wirklich darauf aufmerksam machen – letzten Endes sind Sie Bundeskanzler dieser Republik, derzeit zumindest noch –: Denken Sie an die Auswirkungen, die diese Bestimmungen für die Menschen und die Arbeitsplätze, für die Beschäftigung und das Wachstum in Österreich haben! Sie haben alle Berechnungen auf dem Tisch, und Sie wissen ganz genau, welche negativen Auswirkungen die Umsetzung der bisherigen Vorlage für Österreich und für die Menschen in unserem Land haben würde. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.13


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hof­mann. 5 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


16.13.24

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Natürlich würde es sich anbieten, darauf zu replizieren. Offensichtlich ist die Aktuelle Stunde heute an


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Frau Kollegin Silhavy spurlos vorübergegangen, die zum wiederholten Mal von Sozial­abbau spricht, was absolut unzutreffend ist. (Abg. Silhavy: ... den Sozialbericht selber lesen! Das ist ein offizielles Dokument dieser Bundesregierung! Weiterer Ruf bei der SPÖ: Auf welchem Planeten leben Sie?)

Es wird das soziale Netz in Österreich unter dieser Bundesregierung ständig aus­gebaut und effizienter gestaltet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die österreichische Bundesregierung hat in den vergangenen fünfeinhalb Jahren, wie ich meine, sehr vieles für Wachstum und Beschäftigung getan, und es ist vollkommen klar, dass Vollbeschäftigung das Ziel bleibt.

Wenn man internationale Vergleiche anstellt, dann gibt es einen Grund für diese hervorragende Positionierung, die unser Land einnimmt: weil eben sehr viel getan wurde!

Nichtsdestotrotz gibt es eine hohe Anzahl an Arbeitslosen, und es wäre Zynismus, das einfach so hinzunehmen und sich darauf zu beschränken zu sagen, im internationalen Vergleich stehen wir gut da. Geschätzte Damen und Herren! Jeder einzelne Arbeits­lose ist sicherlich einer zu viel, und es ist alles daranzusetzen, diese Zahl zu reduzieren. Darüber täuscht auch nicht hinweg, dass Rürup voll des Lobes ist oder dass sich, so nehme ich an, die Sorgen, die Sie, Herr Bundeskanzler, im Zusam­menhang mit der Arbeitslosigkeit in Österreich haben, der deutsche Bundeskanzler durchaus wünschen würde.

Es bleibt dennoch eine zentrale Herausforderung, für Arbeitsplätze zu sorgen und für Rahmenbedingungen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Kollege Öllinger! Du hast die Beschäftigtenzahl ja deiner Meinung nach um die Zahl jener, die Kindergeld beziehen, korrigiert oder bereinigt. Nichtsdestotrotz – und das hast du auch selbst gesagt – resultiert daraus ein Anstieg an Beschäftigung. (Abg. Öllinger: ... 20 000 in fünf Jahren!)

Laut EUROSTAT beträgt der Beschäftigungszuwachs etwa 1 Prozent. Im EU-Durch­schnitt sind es 0,6 Prozent. Das heißt also, es gibt mehr Beschäftigte beziehungsweise so viele wie noch nie in diesem Lande. Trotzdem sind es pro Jahr rund 35 000 Men­schen zusätzlich, die auf den Arbeitsmarkt wollen und drängen.

Ich gestatte mir, auch einen Problembereich anzusprechen, für den, wie ich meine, auch eine Lösung gefunden werden muss. Es wird in vielen Veröffentlichungen, Aus­sagen und Untersuchungen – auch von Wirtschaftsforschungsinstituten und seitens der Politik – im Grunde genommen ziemlich durchgängig von allen ein Schwellenwert von einem Wachstum von 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes als jener Wert angesehen, ab dem nicht nur Arbeitsplätze geschaffen werden können, sondern die Arbeitslosigkeit reduziert werden kann.

Es gibt dazu eine Veröffentlichung von Leo F. Aichhorn. Dr. Aichhorn stellt in dieser seiner Studie fest, dass dieser Schwellenwert für Österreich in der Größenordnung von 4 Prozent liegt. Er vergleicht das auch mit der Bundesrepublik Deutschland, wo dieser Schwellenwert bei 3,5 Prozent liegt. Ich denke, dass es auf jeden Fall wesentlich und wichtig wäre, die Mechanismen für das Ansteigen dieses Schwellenwertes zu erfassen, um auch da entgegenzusteuern – davon ausgehend, dass ein Wirtschaftswachstum ja nicht über einen langen Zeitraum in dieser Größenordnung anhalten kann. Aichhorn nennt insbesondere die Steigerung der Arbeitsproduktivität als Grund für den Anstieg dieses Schwellenwertes.

Noch in aller Kürze zum Reformdialog für Wachstum und Beschäftigung. Der Ausfluss daraus, die Maßnahmen, die genannt wurden, sind sicherlich sehr zu begrüßen: der


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Ausbau der Infrastruktur oder im Bereich der Forschung und Entwicklung die Auftrags­forschung, die nun steuerlich anerkannt werden soll.

Ich darf noch einen speziellen Punkt ansprechen, und zwar die Breitbandoffensive. Hiefür gibt es 10 Millionen € mehr.

Ich darf auch noch einen Wunsch sozusagen „daranhängen“, und zwar, dass die steuer­liche Begünstigung für Breitbandanschlüsse im ländlichen Raum – und zwar für private Anschlüsse –, die bis zum 1. Jänner 2005 begrenzt war, eine Fortführung finden sollte, und zwar deshalb, weil beispielsweise in Oberösterreich erst jetzt tat­sächlich die Möglichkeit zu einem Breitbandanschluss besteht; diese steuerliche Be­günstigung ist aber nicht mehr gegeben. Ich plädiere also für eine Verlängerung und werde das klubintern und in der Folge auch mit dem Koalitionspartner besprechen. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Die begünstigt leider nur die Reichen! Steuerlich absetzen können nur die Reichen!)

Geschätzte Damen und Herren! Die Bundesregierung nimmt die aktuelle Heraus­forderung an. Das Ziel ist und bleibt die Vollbeschäftigung, und es wird alles getan, um dieses Ziel auch zu erreichen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.19


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Weinzin­ger. 5 Minuten Wunschredezeit. – Bitte. (Abg. Silhavy: Das Problem ist nur, dass die ÖVP selbst nicht an dem Problem interessiert ist! Ruf bei der ÖVP: Das sagst gerade du! Abg. Silhavy: Bringen einen eigenen Antrag ein, und keiner ist da!)

 


16.20.00

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Der Mai 2005 ist der Monat, wo wir sagen können: Seit einem Jahr gibt es einen neuen Trend auf dem österreichischen Arbeitsmarkt: Seit einem Jahr, im Schnitt genommen, steigt die Arbeitslosigkeit bei Frauen und sinkt inzwischen wieder die Arbeitslosigkeit bei Männern. Auf dem 1.-Mai-Arbeitsgipfel, sind da die Frauen vorgekommen? – Man kann da wirklich nur zitieren, Herr Bundeskanzler – Sie entschuldigen das Du, aber das ist so im Text des Liedes –: Sag mir wo die Frauen sind, wo sind sie geblieben? In Ihren Beiträgen waren sie jedenfalls nirgends vor­zufinden!

Herr Bundeskanzler, in Ihrer Rede zu diesem Gipfel haben Sie schon fast mit Non­chalance behauptet, Sie würden neue Antworten statt alter Lösungen suchen, haben uns aber dann, genauso wie beim Gipfel selbst, die älteste aller Antworten zu dem Thema serviert, nämlich Wachstum, Wachstum, Wachstum. Das würde automatisch Beschäftigung erzeugen, und zwar Wachstum über den Bau. Das erinnert mich an die Staaten in den dreißiger Jahren, aber das ist keine neue Antwort auf neue Heraus­forderungen. (Beifall bei den Grünen.)

Noch eine Anmerkung zur Lektüre, falls Sie einmal zwischendurch Zeit haben, wenn Sie nicht gerade Gipfel machen: Es gibt inzwischen ziemlich viele Grundlagenwerke über „Jobless growth“, über genau jene Wirtschaftswachstumsprozesse, die keine Arbeitsplätze schaffen. Das sollte sich schon bis in das Kanzleramt herumgesprochen haben, und vielleicht schauen Sie dort auch einmal nach. Es gibt inzwischen ebenfalls ich weiß nicht wie viele Studien, die Ihnen belegen werden, dass gerade bei Infra­strukturprojekten, etwa im hochrangigen Straßennetz, die Beschäftigungseffekte wesentlich geringer sind als in anderen Branchen der Bauwirtschaft. Vielleicht sollten Sie sich Ihre angeblich neuen Lösungen noch einmal anschauen, denn die schauen


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nämlich ziemlich uralt aus. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: ... 3 Milliarden für For­schung ...!)

Es gibt Gemurmel von hinten. Zumindest merke ich daran, dass zugehört wird, das ist schon einmal eine Abwechslung. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich danke für das Interesse und nutze es, um Ihnen ein paar Elemente mitzugeben, die bislang noch nicht vorgekommen sind.

Wir reden über Arbeitslosenzahlen und wissen, welche Personengruppen da gar nicht aufscheinen, nämlich all die Pensionsvorschussbezieherinnen, die Bezieherinnen von Übergangsgeld, die Menschen, die in Schulungsmaßnahmen stecken, die Lehrstellen­suchenden, Schulabgängerinnen und so weiter und so fort. Das heißt, real gesehen haben wir in Österreich ein Problem, das noch wesentlich größer ist, als es die offiziell veröffentlichte Statistik angibt. Im Unterschied zu meinem Vorredner glaube ich nicht, dass ein Problem dann gelöst ist, wenn die Statistik ein bisschen hübscher aussieht, als man es vorher gehabt hat.

Was wir auch wissen, das ist die Tatsache, dass es inzwischen eine wachsende Gruppe an Menschen gibt, die so entmutigt sind, dass sie sich gar nicht mehr beim Arbeitsmarktservice registrieren lassen. Das heißt, dass sie gar nicht mehr in der Statistik aufscheinen. Diese Menschen sagen: Es ist chancenlos, ich bin nicht bereit, mir zum siebzehnten Mal einen Kurs oktroyieren zu lassen, wie ich mich richtig bewerbe!

Es ist eindeutig mit Zahlen nachgewiesen, dass von jenen Frauen, die zurzeit weder erwerbstätig noch erwerbsuchend sind, die also nirgendwo registriert sind, das heißt, die Hausfrauen im klassischen Verständnis sind, 72 000 gerne berufstätig wären. Wenn ich das alles grob zusammenrechne, nämlich all jene, die eigentlich als ver­steckte Arbeitslose gerechnet werden müssten, und die 72 000, die gerne erwerbstätig wären, dann komme ich alleine bei den Frauen auf eine Arbeitssuchendenquote von 12,5 Prozent. Das ist eine ansehnliche Größe, Herr Bundeskanzler – eine Größe, über die man nicht so salopp hinweggehen kann, darf und soll, sondern für die man ernsthaft Maßnahmen anbieten muss, insbesondere dann, wenn man dann auch noch weiß, dass für drei Viertel der arbeitslos gemeldeten Frauen, also für 75 Prozent, ohnehin gilt, dass sie mit ihrem Einkommen deutlich unter den Ausgleichszulagen­richtsatz zu liegen kommen, dass sie im Durchschnitt über ein monatliches Einkommen von zirka 400 € verfügen. Davon kann man beim besten Willen nicht leben. Und die Tendenz ist sinkend.

Da kann man einen deutlichen Trend erkennen in Ihrer Regentschaft, muss man das schon fast nennen, Herr Bundeskanzler: Seit Ihre Regierung am Arbeiten ist, sind um 91 504 Frauen mehr arbeitslos und um 26 000 und ein paar Männer weniger arbeits­los. (Abg. Mag. Molterer: Wir haben mehr Beschäftigung!) So gesehen ist es wohl kein Zufall, wie Ihre Antworten ausfallen.

Beim Arbeitslosengipfel am 1. Mai hatten Sie für Frauen keine Silbe über. Für Sie kommen die Frauen erst am 8. Mai dran, am Muttertag. Das ist aber nicht das Frauenbild in der österreichischen Gesellschaft! Daher tun Sie endlich etwas für eine bessere Beschäftigungspolitik – vor allem aber auch für Frauen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.25


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. 6 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 



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16.25.48

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Mag. Weinzinger, ich habe Ihre Ausführungen betreffend „Jobless growth“ insofern nicht verstanden, als gerade deshalb, weil wir Wachstum nicht ohne Beschäftigung wollen, in Infrastruktur, in Bauwirtschaft und in Forschung investiert wird, weil wir damit Beschäftigung schaffen wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin, es hilft gar nichts, dass Sie diese Bücher lesen, wenn Sie dann wirtschaftspolitisch die falschen Schlüsse daraus ziehen! (Abg. Öllinger: Nein! Sie lesen diese Bücher nicht und ziehen trotzdem Schlüsse!)

Im Übrigen bin ich überhaupt über diese Debatte ein wenig enttäuscht, insbesondere über die Redebeiträge von sozialdemokratischer Seite. Ich verstehe ja, dass Sie hier Propaganda betreiben wollen, nur: Gefährlich wird es immer dann, wenn man beginnt, die eigene Propaganda zu glauben.

Es ist derart platt argumentiert, wenn Sie sagen, dass das, was in Wien der Michael Häupl macht, ach so erfolgreich wäre und dass die Bundesregierung bewusst hohe Arbeitslosenzahlen in Kauf nähme. Das glauben Sie doch selbst nicht! Da könnte ich es mir auch sehr einfach machen, denn an der Spitze der Länder mit niedrigen Arbeits­losenzahlen liegen ÖVP-geführte Bundesländer, doch am Ende dieser Tabelle liegen das Burgenland und die Bundeshauptstadt Wien. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Molterer: So schaut es aus!)

Ich bin eigentlich sehr froh darüber, dass es die Bundesregierung ist, die die Arbeit für den Menschen als Teil der Sinnerfüllung seines Lebens sieht, die die Arbeit in den Mittelpunkt seines Lebens stellt. Und wenn man sich, meine Damen und Herren, die Wirtschaftsdaten ansieht, dann haben wir eigentlich allen Grund, stolz auf die Entwicklung in diesem Bereich zu sein.

Sie sprechen immer davon, dass wir in Österreich eine sehr hohe Arbeitslosigkeit haben. Das ist relativ gesehen richtig, und daher hat sich ja die Bundesregierung, und zwar nicht erst jetzt, sondern eigentlich die ganze Zeit über, als wir uns in einer international konjunkturell schwierigen Situation befunden haben, sehr intensiv mit diesem Problem auseinander gesetzt, und das hat ja auch Früchte getragen. Sonst hätten wir ja nicht im internationalen Vergleich jene erfolgreichen Beschäftigungsdaten, auf die wir verweisen können, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte die Maßnahmen, die die Bundesregierung gesetzt hat, noch einmal wieder­holen. Voranstellen möchte ich die Fördermaßnahmen im Hinblick auf die Jugend­beschäftigung und die abgegebene Garantie, die, Herr Präsident Verzetnitsch, sofern ich das richtig verstanden habe, gemeinsam mit den Sozialpartnern abgegeben wurde (Abg. Verzetnitsch nickt zustimmend), mit welcher wir jedem jungen Menschen garantieren, entweder einen Ausbildungsplatz oder einen Lehrplatz zu bekommen. Das ist eine wichtige Garantie, denn letztendlich ist es doch so, dass ein junger Mensch, der vor der Situation steht, auf dem Arbeitsmarkt nicht genommen zu werden, so etwas wie eine Bescheinigung der Gesellschaft erhält: Wir brauchen dich nicht!, und sich damit für diesen jungen Menschen sehr schnell die Sinnfrage stellt. Daher bin ich froh, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Sozialpartnern zu dieser Garantie gekommen ist.

Ich glaube, dass die Maßnahmen gegen Sozial- und Wirtschaftsbetrug einen breiten Konsens in diesem Hohen Haus finden, dass es richtig ist, eine Beschleunigung bei den Betriebsgenehmigungsanlagen vorzusehen, dass es wichtig ist – auch das, Herr Präsident Verzetnitsch, haben Sie angesprochen –, jungen Menschen zusätzlich das Angebot zu machen, einen Pflichtschulabschluss nachzuholen. Das ist eine wichtige


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Maßnahme. Tun Sie, bitte, nicht so, als wäre in diesem Punkt bisher nichts geschehen! Wir liegen bei den Quoten, was den Pflichtschulabschluss anlangt, im europäischen Spitzenfeld. Da sind wir Gott sei Dank sehr erfolgreich, waren es auch bisher schon, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist richtig, in die Forschung zu investieren, und es ist auch wichtig, wie ich es schon erwähnt habe, eine weitere Infrastrukturoffensive mit 300 Millionen € zusätzlich zu machen. Es ist wichtig, die Breitbandförderung vorzusehen und den Export weiter voranzutreiben, zumal letztlich eines wohl klar ist – und das dürfen alle wissen –: dass nämlich in Österreich mittlerweile jeder zweite Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Export abhängig ist, und daher ist es eine absolut richtige Maßnahme, da zu investieren.

Also ich glaube, dass wir eine Fülle von Daten haben, die uns Anlass zur Freude geben, und dass wir uns hier nicht in einem rhetorischen Jammertal ergehen sollten. Davon halte ich eigentlich gar nichts, sondern wir sollten die positiven Dinge voran­stellen – so wie das international durchaus gemacht wird.

Ich möchte meine Ausführungen abschließen mit einem Zitat aus einem Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 17. April dieses Jahres, in dem es wörtlich heißt: 

„Halb so hohe Arbeitslosigkeit. Halb so hohes Defizit. Viel höheres Wachstum. Österreich trumpft auf und lockt deutsche Unternehmer an.“

Und weiters: „Ob Arbeitsmarkt, Wirtschaftswachstum, Steuerrecht oder Staatsfinan­zen – der kleine Nachbar liegt vorn. Vorbei die Zeiten des Minderwertigkeitsgefühls gegenüber den Deutschen. Ihre Wirtschaftskraft bringt den Österreichern neues Selbst­bewusstsein.“

Ich zitiere weiter: Und Edmund Stoiber stellt nüchtern fest: ‚Wir müssen uns von Öster­reich sagen lassen, sie seien besser als Deutschland. Leider haben unsere Freunde in Wien recht.‘“

Daher hören Sie auf, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, mit diesem Minderwertigkeitskomplex! Seien wir stolz auf das, was wir gemeinsam erreicht haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.31


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. 6 Minuten Wunschredezeit, 12 Minuten Restredezeit der Fraktion. – Bitte.

 


16.31.38

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Eine auf den Staatssekretär Morak geschrumpfte Bundesregierung auf der Regierungsbank! So wichtig ist das Thema „Arbeitslosigkeit“ für diese Bundesregierung!

Kommen wir gleich zur Sache! – Kollege Öllinger hat zu Recht darauf hingewiesen, wie wenig wichtig Ihnen das Anliegen selbst bei einem eigenen Dringlichen Antrag ist. Sie beweisen es – von Wortmeldung zu Wortmeldung!

Wie ist der objektive Bestand? – Sie loben sich, wie toll es sei, dass Österreich mit nur 10,1 Prozent Jugendarbeitslosenquote dastehe.

Herr Kollege Amon, Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass wir auf unser Land stolz sein müssen – aber stolz auf jenes Erbe, das Sie übernommen haben! Wir haben nämlich zu unserer Regierungszeit gar keine Jugendarbeitslosigkeit gehabt – bevor Sie an die Regierung kamen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich bleibe gleich bei diesem Thema, Herr Kollege Amon. Möchten Sie wissen, wie sich die Arbeitslosigkeit entwickelt hat? Schauen Sie sich die Eurostat-Statistik an und kommen Sie nicht mit Zitaten aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, sondern schauen sich die Daten in allen 15 westeuropäischen Ländern an! (Zwischenruf des Abg. Amon.)

Herr Kollege Amon, fünf Länder davon haben weniger Arbeitslosigkeit als im Jahr 2000. Aber Österreich hat ein Plus von 0,8 Prozent. Wir hatten eine Arbeitslosen­rate von 3,7 Prozent. Gegenüber dem, was der Herr Finanzminister Grasser von seinem Vorgänger übernommen hat, ist das eine Steigerung der Arbeitslosenrate um 22 Prozent, und das im Zeitraum von 2000 bis 2004. (Abg. Amon: Die Beschäftigung ist gestiegen!)

Wissen Sie, um wie viel die Arbeitslosenrate im Durchschnitt der EU-15 gestiegen ist? Um 5 Prozent. Wir haben einen viermal so hohen Zuwachs. Das ist das Ergebnis der Regierung Schüssel und Grasser! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber vielleicht hilft die schöne Frühlingssonne auf den Inseln auch unserem Herrn Finanzminister – ihn interessiert das Thema ja „sehr“, schließlich hat er sich ja sehr bald hier verabschiedet. Wir wissen ja nicht, ob er einen dringenden Flug hat. Aber er hat noch um 15.08 Uhr eine APA-Aussendung veranlasst und lobt sich darin, dass durch die Maßnahmen des Beschäftigungsgipfels das Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Pro­zentpunkte wachsen wird. An sich eine nette Erkenntnis! Das heißt, durch Ausweitung von Infrastrukturinvestitionen plus Geldaufnahme für Forschung und Entwicklung gebe es, so konstatiert dieser Finanzminister, 0,3 Prozent Wachstum.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Warum hätten wir das nicht schon vorvoriges Jahr, voriges Jahr und auch die Jahre davor machen können? Dann wäre nämlich mittlerweile das BIP um zwei Prozent höher, das Defizit um ein Prozent geringer und die Beschäftigtenzahlen hätten sich, so wie in Großbritannien, halbiert, statt um ein Viertel angewachsen zu sein. Das wäre eine gescheitere Wirtschaftspolitik! (Beifall bei der SPÖ.)

Weil wir schon bei unserem „netten“ abwesenden Finanzminister sind, der immer „kristallklar“ auf die belobigenden Expertenmeinungen des Auslandes hört: Bereits am 12. August 2003 hatte die SPÖ eine Sondersitzung beantragt, weil die wirtschaftliche Lage nicht rosig ausschaute. Nur leider haben Sie in den zwei Jahren seither nichts unternommen. Damals, 2003, hat uns der Finanzminister beschieden, dass der Standort Österreich besondere Fortschritte mache, und zwar deswegen, weil nach dem World Competitiveness Report 2003 Österreich im Jahr 2000 vom Platz 18 auf Platz 13 vorgerückt sei.

Jetzt fällt es gut, dass Sie heute diesen Dringlichen Antrag eingebracht haben, denn justament heute gibt es nämlich von demselben Institut in Lausanne, und zwar mit heutiger APA-Meldung von 13.03 Uhr, den aktuellen World Competitiveness Report 2005. Und was lesen wir dort, Herr Kollege Amon? – Sie wissen es schon. Dann können wir es gleich sagen: Österreich ist nämlich in der Zwischenzeit vom 13. Platz auf den 17. Platz zurückgerutscht . Warum? – Weil es trotz der angeblich so tollen Steuerreform die höchste Steuerbelastung und auch hohe Sozial­versicherungs­beiträge gibt und sich – und jetzt kommt es! – die Inflation negativ niedergeschlagen hat. Der Zustand der öffentlichen Finanzen wir als „mittelmäßig“ und die Fiskalpolitik des Herrn Grasser als „mangelhaft“ beurteilt. Deswegen gibt es diese Rückstufung.

Aber noch interessanter ist Folgendes: Wissen Sie, warum Österreich im Jahr 2000 über­haupt um die drei Plätze vorgerückt ist? – Wegen einer statistischen Änderung. Der Platz 13 war im Jahr 2000 nämlich der Platz 15. Das heißt, in Wirklichkeit haben


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wir uns vom Platz 15 auf den Platz 17 verschlechtert. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik! Das sagen die von Ihnen selbst zitierten Institute.

Sie haben die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs herabgesetzt. Sie haben nichts gegen die Arbeitslosigkeit gemacht. Sie haben die öffentlichen Investitionen auf einen histo­rischen Tiefststand zurückgeführt. Österreich belegt den letzten Platz in der Euro­päischen Union bei den öffentlichen Investitionen. Und Sie versuchen – und das ist das besonders Verwerfliche –, sich jetzt mit dem Beschäftigungsgipfel-Ergebnis zu schmücken, wo Sie um Jahre zu spät und unzureichend Maßnahmen gesetzt haben.

Setzen Sie lieber die zehn Punkte des SPÖ-Beschäftigungspaktes um, und Sie werden sehen, die Wirtschaft wird – wie in Großbritannien – florieren und wir werden weniger Arbeitslose, mehr Wirtschaftswachstum und gesichertere Staatsfinanzen wegen höherer Einnahmen haben! Das wäre eine Chance für unser Land. Diese Regierung ergreift sie nicht mehr! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.37


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rossmann. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.37.33

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Matznetter, anscheinend haben Sie Erinnerungslücken. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Der hat überhaupt keine Erinnerung! Das ist eine große Lücke!) Sie haben anscheinend Erinnerungslücken und haben vergessen oder Sie wollen es nicht wahrhaben, dass – und jetzt werde ich Sie daran erinnern – sehr wohl unter einem Bundeskanzler Vranitzky und unter einem Bundeskanzler Klima in den Jahren von 1995 bis 1998, das heißt, in nur drei Jahren, die Arbeitslosigkeit um 22 000 Personen in Österreich gestiegen ist. In nur drei Jahren – und das bei einem BIP-Wachstum von mehr als 8 Prozent, von fast 9 Prozent, von 8,8 Prozent. (Abg. Dr. Matznetter: Aber viel weniger als ...!) Wie können Sie sich dann hier herausstellen und sagen: Das ist die höchste Arbeitslosigkeit!

Wir haben eine hohe Arbeitslosigkeit, wir haben aber auch die höchste Beschäftigung aller Zeiten – und das bei einem niedrigen Wirtschaftswachstum! Das wissen Sie ganz genau.

Wenn man das in Relation setzt zu den Daten, die es unter einem SPÖ Bundeskanzler und unter einem SPÖ Finanzminister und unter einem sozialdemokratischen Sozial­minister gab, dann muss ich sagen: Da stehen wir noch gut da! Wir stehen auch im europäischen Vergleich gut da. Wir liegen nämlich mit unserer Arbeitslosenrate an viertletzter Stelle unter den EU-25. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Abg. Dr. Matz­netter: Ist die Arbeitslosigkeit gestiegen oder gefallen?)

Es ist tragisch genug, aber wir nehmen die Sache ernst – im Unterschied zu Ihnen! Denn: Unsere Reihen sind gefüllt, aber die Reihen bei der Sozialdemokratie sind mehr als halbleer. Bei uns sind mehr als bei euch, das können wir festhalten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte nun Sie, Herr Kollege Verzetnitsch, etwas fragen. Sie haben heute etliche Maßnahmen angesprochen, und ich nehme Ihnen durchaus die Sorge und Ernst­haftigkeit ab, die Sie hier an den Tag gelegt haben. Aber sind Sie mit dieser Ernst­haftigkeit auch an die Frage herangegangen, warum in Ihrem ÖGB-Heim am Ossiacher See Billigarbeiter aus Ungarn gearbeitet haben (Abg. Mag. Molterer: Ah so!), und zwar unter dem Vorwand einer Scheinselbständigkeit? (Abg. Verzetnitsch: Stimmt nicht!) Sie waren als selbständig gemeldet und waren um Billiglöhne in Ihrem ÖGB-Heim tätig. (Abg. Verzetnitsch: Stimmt nicht!)


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Ich ersuche Sie, das mit derselben Ernsthaftigkeit zu prüfen und gegen diese Scheinselbständigkeit vorzugehen. Dann glaube ich Ihnen Ihre Ernsthaftigkeit und Sorge, die Sie hier heute an den Tag gelegt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber um zurückzukommen auf die Dringlichkeit dieses Antrages: Wir freuen uns, dass dieser Antrag vorliegt, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Maßnahmen, die beim Reformdialog erarbeitet wurden, möglichst rasch umzusetzen. Das wird als sehr, sehr dringlich erachtet.

Da sind wir wieder in einer anderen Situation als in Deutschland. Wie wird in Deutsch­land diskutiert? – Der Herr Bundeskanzler hat es bereits angesprochen: Die Unter­nehmer werden beschimpft, die Sportler werden beschimpft, wenn sie ihren Hauptwohnsitz im Ausland haben. (Abg. Dr. Matznetter: Wollen Sie Steuerhinterzieher fördern?) Aber auch viele Unternehmer werden beschimpft. Denken wir nur an Müller Milch. Dieser Betrieb ist in die Schweiz ausgewandert und musste die Beschimpfung durch Bundeskanzler Schröder hinnehmen, und viele andere mehr.

Mittlerweile ist es aber so, dass Deutschland uns beneidet. Sie können sämtliche Debatten im Fernsehen mitverfolgen, sämtliche Wirtschafts- und Sozialdebatten: Immer wieder wird Österreich als Musterland hingestellt! Es wird als vorbildhaft bezeichnet, wie in Österreich mit Arbeitslosigkeit umgegangen wird, wie Österreich mit der neuen Steuergerechtigkeit umgegangen ist. Und Sie müssen zur Kenntnis neh­men, dass unser KöSt-Steuersatz sehr wohl 85 Prozent der Kleinbetriebe in Österreich fördert, Kleinbetriebe, die nicht einmal 20 Mitarbeiter beschäftigen. Das ist eine Tatsache, und das müssen Sie so zur Kenntnis nehmen.

Wir gehen in Österreich einen anderen Weg. Wir gehen nicht den Weg des Sozial­abbaus wie die rot-grüne Regierung in Deutschland, die Müntefering noch fest ver­teidigt und selbstverständlich auch die grüne Fraktion mitverteidigt. Wir nehmen Arbeitslosigkeit sehr, sehr ernst. Es ist uns jeder Arbeitslose ein Arbeitsloser zu viel, aber wir haben klare Vorschläge auf dem Tisch.

Ich spreche da nur eine Maßnahme an. Kollege Öllinger hat sich ja lustig gemacht über das Papier des Herrn Vizekanzlers. Ob da jetzt Nordostraße oder Bahn steht, das ist uninteressant. Faktum ist, dass investiert wird. (Abg. Öllinger: Ist eh schon Wurscht! Ihnen ist es Wurscht!)

Sie können die Tatsache nicht vom Tisch wischen, dass von 2000 bis 2014, in 14 Jah­ren also, die Infrastrukturinvestitionen um mehr als 20 Milliarden erhöht und damit mehr als verdoppelt werden. (Abg. Öllinger: Das BZÖ fährt nur mehr im Kreis!) Wenn man weiß, dass eine Milliarde Investition in die Infrastruktur 15 000 Arbeitsplätze bringt, und wenn man das hochrechnet mit 40 Milliarden, ergibt das sage und schreibe 600 000 Arbeitsplätze. (Abg. Dr. Matznetter: Lesen Sie den Kommissionsbericht! Wir haben die wenigsten Investitionen!) Wann haben Sie je solche Investitionen getätigt? Unter Ihrer Regierung hatten wir Sparpakete – ich erinnere nur an das große Sparpaket 1997 –, und wir haben eine Sparautobahn, die A 2, auf der es viele, viele tragische Unfälle und viele Tote gegeben hat, die jetzt endlich in Angriff genommen wird, wo Tag und Nacht gearbeitet wird. (Abg. Dr. Matznetter: Aber die niedrigste Inves­titionsrate!)

Jeder Österreicher spürt, dass in Österreich in die Bahn, in Schiene und Straße investiert wird. (Abg. Dr. Matznetter: Wir sind Schlusslicht!) Anscheinend sitzen Sie zu viel im Büro und sind zu wenig unterwegs, und das alles geht an Ihnen vorbei. Nehmen Sie das zur Kenntnis!


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Ich sage aber auch durchaus versöhnlich zum Schluss: Bekämpfung der Arbeits­losigkeit muss unser aller Anliegen sein. Es ist eine Aufgabe des Bundes, jedes Einzelnen von uns hier herinnen, es ist Aufgabe der Sozialpartner, Aufgabe der Länder, jedes einzelnen Bundeslandes und Aufgabe auch der Bildungspolitik, dass wir unsere jungen Leute so aufs Berufsleben vorbereiten, dass sie in Zukunft nicht arbeitslos sind und die Unternehmer die adäquaten Fachkräfte haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Matznetter: Frau Rossmann! Glauben Sie das mit den öffentlichen Investitionen? Schauen Sie einmal nach! Schlusslicht sind wir! Schlusslicht!)

16.44


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. 5 Minuten Wunschredezeit. Restredezeit der Fraktion: 10 Minuten. – Bitte.

 


16.44.17

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Jetzt waren wir wieder einmal Zeuge eines wirklich „glänzenden“ Rechenbeispiels, Frau Kollegin Rossmann! Es stimmt, dass uns Ihr Vizekanzler bis zum Jahr 2020 ein Investitionspaket von 40 Milliarden vorschlägt. Es stimmt nicht, dass damit 600 000 Arbeitsplätze gesichert sind.

Ihre Rechnung kann nicht stimmen. Wenn man annimmt – und das zweifle ich ja an –, dass 1 Milliarde € für Investitionen 6 000 Arbeitsplätze bedeutet, dann können Sie das nicht auf 20 Jahre hochrechnen und kommen dann auf 600 000. Sie haben da eine völlig falsche Rechnung angestellt! Wenn es gut geht – wenn es gut geht! –, sind es, grob gerechnet pro Jahr nach meiner Rechnung 4 000, und wenn man das dann mal 20 rechnet, kommt man auf 4 000 pro Jahr. Aber bitte, die Leute brauchen ja pro Jahr eine Beschäftigung und nicht jedes Jahr jemand Neuer. Das war Ihre völlig falsche Rechnung. – Gut.

Aber gehen wir gleich beim Infrastrukturkapitel in die Tiefe. Frau Kollegin, lesen Sie doch einmal die Studie des Wifo, die von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde! Es wird Ihnen wirklich wie Schuppen von den Augen fallen, denn dort ist sehr deutlich zu lesen, dass insgesamt die Investition in Straßenbauten, in Verkehrs­infra­struktur immer weniger arbeitsintensiv ist. Das ist ja klar, weil dort die Maschinen, weil dort die Tunnelbaugeräte in erster Linie zum Einsatz kommen. Schauen Sie sich einmal eine Autobahnbaustelle an! Da werden Sie selten Menschen finden, da arbeiten in erster Linie Maschinen. Und dort, bitte, gehen Ihre Hauptinvestitionsschübe hin, wenn Sie in Infrastruktur investieren!

Wir wollen eine andere Investitionspolitik. Wir wollen auch bauen – der Herr Kollege Walch ist ja jetzt gerade nicht hier –, ja, aber wir wollen dort bauen, wo es echt Sinn macht und wo es wirklich Beschäftigung schafft.

Denken Sie etwa nur an die Wohnbausanierung! Lesen Sie die Zeitung, dann werden Sie sehen, wir haben verstärkt ein Wohnungsproblem, wir haben eine immense Mietkostensteigerung, um 3, 4, 5 Prozent, teilweise sogar um 8 Prozent. (Abg. Neu­deck: Das sind aber die Betriebskosten!) Wir haben Engpässe auf Grund der Verwendung von Wohnbauförderungsgeldern für andere budgetäre Zwecke der Landesregierung. Und wir hätten dort ein intensives Beschäftigungsvolumen. Ich kann es Ihnen ja auch zitieren, direkt aus Wirtschaftskreisen: 1 Million eingesetzt in Wohn­bausanierung hat einen Investitionseffekt von 2,5; der Faktor beträgt 2,5. Und dann, bitte, ist dort die Beschäftigung viel intensiver: 1 Million bedeutet ungefähr 2 500 Beschäftigte, weil dort nämlich Klein- und Mittelunternehmen am Werk sind, weil bei Sanierungen in erster Linie Handwerk gefragt ist, weil dort nicht in größerem Umfang


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Maschinen eingesetzt werden können, die beim Tunnelbau, beim Straßenbau vor­rangig eingesetzt werden.

Unsere Beschäftigungsinvestition würde gerade in diesem Klimaschutzbereich Fuß fassen müssen. Wir hätten dann einen Dreifacheffekt: Wir hätten mehr Beschäftigung, wir hätten Klimaschutzmaßnahmen, Co2-Einsparungen, und wir hätten vor allem bil­lige­re Wohnkosten, billigere Betriebskosten, eine Einsparung von Heizkostengeldern. Dafür müssen die Menschen ja immer tiefer in die Geldbörsen greifen: für höhere Heizkosten. Und unsere Investitionen würden in diese Richtung gehen.

Oder schauen wir einen anderen Bereich an! Herr Minister Gorbach hat ja betont, dass er Klein- und Mittelbetriebe im Rahmen von Infrastrukturmaßnahmen beschäftigen möchte. Doch was passiert auf der anderen Seite? Auf der anderen Seite wird der Ring um Wien als PPP-Projekt forciert und das größte Baulos aller Zeiten ausgeschrieben, über 50 Kilometer, mit über 720 Millionen €; das sind zirka 10 Milliarden Schilling! Und was glauben Sie, wenn das europaweit ausgeschrieben wird, wie viele österreichische Klein- und Mittelunternehmen da mitbieten werden? Das ist Ihre Beschäftigungspolitik: Beschäftigungspolitik für Baumaschinen und Beschäftigungspolitik für Großkonzerne – und nicht für Menschen, Frauen, Jugendliche und Klein- und Mittelbetriebe hier! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Kollege Grillitsch, für Sie ein Beispiel: Gehen wir in die Biomasse! Dort wären bis zu 40 000 Arbeitsplätze möglich – so die Studie Schneider-Karrer –, aber bitte nicht die Milliarden in Straßenbauprojekte oder Schienenbauprojekte investieren, die nicht vor­rangig notwendig sind. Gehen wir in die Biomasse, gehen wir auch ins Breitband! Nur: Ihre Breitbandinitiative ist in erster Linie eine Breitbandinitiative für Besserverdienende. Ihr Steuerabsetzmodell erleichtert es für den Gutverdienenden und erschwert Breit­bandanschlüsse für Klein- oder Mittelverdiener. Unser Antrag über Breitbandmaß­nahmen, Masterplan, et cetera, Koordinationsstelle bei der Bundesregierung, ist der einzige Breitband-Antrag hier in diesem Haus, und er ist der einzige Sofortmaßnahme-Antrag zu dieser wichtigen Technologie, die wir brauchen. Dieser Antrag wird hof­fentlich im Industrieausschuss einmal zur Sprache kommen. Das ist eine konkrete Maßnahme von grüner Seite, und das brauchen wir eher als Ihre Großinvestitions­projekte, die ja letztlich nicht beschäftigungswirksam sind.

Zum Schluss lassen Sie mich noch kurz erwähnen, dass es uns in erster Linie darum geht, durch das Ökosteuerkonzept auch die Lohnnebenkosten wirklich zu senken. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, er habe da etwas getan – ich habe bei keiner Steuer­reform eine Senkung der Lohnnebenkosten feststellen können –, und hat gemeint, das Ökosteuerkonzept wäre aufkommensneutral, die Lohnnebenkosten würden wirklich gesenkt und das wäre auch eine Beschäftigungsinitiative.

Dazu hat es sogar die Zustimmung von Seiten des Herrn Kollegen Tancsits gegeben! Wir haben eine Diskussion gehabt – der Herr Kollege Hofmann, der Herr Kollege Matznetter, ich war auch dabei, ebenso Herr Professor Schneider –, und wir alle waren uns einig: Wichtig ist eine Senkung der Lohnnebenkosten! – Danke, das war für mich die Hauptbotschaft! (Beifall bei den Grünen.)

16.50

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Csörgits. Wunschredezeit: 6 Minuten; Restredezeit der Fraktion: 6 Minuten. – Bitte.

 


16.50.54

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Herr vereinsamter Staats­sekretär Morak! Der Herr Bundeskanzler ist uns in der Zwischenzeit ja wieder abhan­den gekommen.


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Ich habe mir Ihren Dringlichen Antrag ganz genau durchgelesen. Man kann es eigentlich auf den Punkt bringen, indem man feststellt: Ihr Antrag schaut genau so aus wie Ihre Frauenpolitik. In Ihrem Antrag kommt nämlich das Wort „Frau“ nur ein Mal vor, und das in Klammern gesetzt. Das drückt schon sehr viel aus, und wenn ich mir die Rede des Herrn Bundeskanzlers vor Augen führe, so muss ich sagen: Auch er hat nicht sehr viel an Forderungen und Positionen im Zusammenhang mit einer aktiven Frauenbeschäftigung eingebracht. Und auch die zuständige Frau Frauenministerin hat nach einer kurzen Shake-Hands-Runde den Sitzungssaal verlassen. Das zeigt schon sehr deutlich, welchen Stellenwert Frauenbeschäftigung bei dieser Bundesregierung hat, nämlich gar keinen! (Beifall bei der SPÖ.)

Erzählen Sie mir nicht, dass Frauenpolitik bei Ihnen eine Querschnittsmaterie ist, denn das ist völlig falsch! Ich möchte das anhand einiger Beispiele darstellen.

Seit Sie an der Regierung sind, haben es die Frauen immer schwerer, in diesem Land einen Vollzeitarbeitsplatz zu bekommen. Sind sie auf Grund einer Babypause aus­gestiegen, so haben sie überhaupt keine oder nur mehr sehr geringe Möglichkeiten für einen Wiedereinstieg.

Hier einige Zahlen dazu, die Ihnen das vielleicht verdeutlichen können: Drei von vier Frauen versuchen nach der Karenz einen Wiedereinstieg, aber nur jede zweite Frau schafft es, einen versicherungspflichtigen Job zu bekommen. Was passiert mit den anderen Frauen? Jede dritte Frau nimmt eine geringfügige Beschäftigung an, und 18 Prozent der Frauen lassen sich als arbeitslos vormerken.

Sehr geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Unsere Befürchtungen im Zusammenhang mit dem Kindergeldbezug sind von einer Wifo-Studie voll und ganz bestätigt worden. Je länger der Bezug des Kindergeldes dauert, umso schwieriger ist es für Frauen, im Prozess der Arbeit tätig zu sein, und umso schwieriger ist es auch, einen Beruf auszuüben. (Abg. Steibl: Und Sie wollen den Kündigungsschutz auf 30 Monate ausweiten! Das ist ja nicht nachvollziehbar!) Frau Kollegin, Sie kennen diese Studie auch, und auch wenn Sie noch so viel dazwischenreden, das Ergebnis der Studie wird dadurch nicht anders.

Die Folge ist, dass insbesondere Wiedereinsteigerinnen von Arbeitslosigkeit ganz besonders stark betroffen sind, oder sie müssen, um überhaupt in den Arbeitsprozess zurückzukehren, einen atypischen Job in Anspruch nehmen.

Die Arbeitslosenzahlen sind schon sehr deutlich dargestellt worden. Ich beschränke mich in meinen Ausführungen daher jetzt nur auf die Situation der arbeitslos gemeldeten Frauen.

Ende April 2005 waren nur arbeitslos gemeldet und nicht in irgendeiner Form von Bildungs- und Ausbildungsmaßnahme 112 721 Frauen. Im Vergleich zum Vorjahr, April 2004, bedeutet das einen Zuwachs bei der Arbeitslosigkeit bei den Frauen um 3,7 Prozent. Das ist wirklich eine alarmierende Zahl, die anscheinend Ihr Interesse nicht besonders weckt, aber die Frauen draußen werden sich das sicherlich merken. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine ebenfalls sehr schwierige Situation ist der Umstand, dass es immer mehr und mehr zu einer Zunahme bei den geringfügig Beschäftigten kommt. 1998 waren zirka 119 000 Frauen in einer geringfügigen Beschäftigung, im Jänner 2005 sind es bereits 159 000, im März waren es bereits 160 000 – Tendenz steigend.

Zur Teilzeitbeschäftigung: Sie verweisen immer darauf, wie toll Österreich da im Vergleich zur Europäischen Union insgesamt ist. Ich darf Ihnen dazu sagen: Wir haben in Österreich eine höhere Teilzeitquote bei den Frauen als im Bereich der Euro­päischen Union. Das bedeutet, Frauen sind sehr stark in Teilzeitbeschäftigung gefan-


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gen. Und nachdem wir der Auffassung sind, dass eine aktive Politik im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt gemacht werden muss, bringe ich den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gusenbauer, Verzetnitsch, Silhavy und Genossinnen und Genossen betreffend eine Offensive von mehr Beschäftigung und Wachstum ein, den ich nun nur in seinen Kernpunkten erläutern werde.

Wir fordern eine Absenkung der Saisonnierkontingente vor allem für den Tourismus, sofortige Erhöhung der aktiven Arbeitsmarktförderungsmittel um zumindest 60 Mil­lionen €, mittelfristige Erhöhung des Budgets für eine aktive Arbeitsmarktpolitik um insgesamt 250 Millionen €, eine Schließung des Defizits im Zusammenhang mit Kin­der­betreuung, eine verpflichtende Durchführung einer zielorientierten Information im Zusammenhang mit den Möglichkeiten des Wiedereinstieges, die Durchführung von Sofortmaßnahmen im Zusammenhang mit Infrastrukturmaßnahmen in den Bereichen Straße, Schiene, Bahn und Kommunikation, die Reparatur der verpatzten Steuer­reform 2005 (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen) und vor allem auch, dass das Auffangnetz für Jugendliche bereits im Frühjahr 2005 ausgestattet wird und nicht erst im Herbst, damit auch da den Jugendlichen geholfen wird.

Das und vieles mehr fordern wir. Ich meine, das ist eine Arbeitsmarktpolitik, die sich sehen lassen kann, und ich bitte Sie, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.56

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Csörgits in seinen Kern­punkten erläuterte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Verzet­nitsch, Heidrun Silhavy betreffend eine Offensive für mehr Arbeit und Wachstum wurde schriftlich überreicht. Ich habe schon vor einer Viertelstunde veranlasst, dass er verteilt wird, weil er sehr umfangreich ist.

Der Antrag steht mit in Verhandlung und wird dann abgestimmt werden.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Verzetnitsch, Heidrun Silhavy und GenossInnen betreffend eine Offensive für mehr Arbeit und Wachstum, eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag der Abgeordneten Neugebauer Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Beschäftigungsoffensive der Bundesregierung in der 109. NR-Sitzung

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist bedrückend. Österreich erlebt unter der Regierung Schüssel jeden Monat neue, nie gekannte Rekordwerte an Arbeitsuchenden.

297 197 Menschen waren im April offiziell arbeitsuchend. Besonders schockierend ist die ständig steigende Zahl arbeitsloser Jugendlicher, ob Lehrlinge oder junge Aka­demiker.

Die traurige Bilanz: Wolfgang Schüssel verantwortet nach fünf Jahren schwarz-blauer Regierung die höchste Arbeitslosigkeit in der Geschichte Österreichs.

Die Arbeitslosigkeit ist in Österreich in den vergangenen vier Jahren viermal so stark gestiegen wie im Durchschnitt der EU-15, die doch unzweifelhaft den gleichen welt­konjunkturellen Bedingungen ausgesetzt sind.

Anstieg der Arbeitslosigkeit in Österreich, 2000-2004: 21,6 Prozent

Anstieg der Arbeitslosigkeit in den EU-15, 2000-2004: 5,3 Prozent


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In Zahlen heißt das, dass vom Anstieg der Arbeitslosenzahlen 2000-2004 um 63.626 drei Viertel, das sind 48.000, hausgemacht sind.

Die volkswirtschaftlichen Kosten der hausgemachten Arbeitslosigkeit belaufen sich auf zwei Milliarden Euro pro Jahr. Eine Berechnung der AK Wien schlüsselt die volks­wirtschaftlichen Kosten von Arbeitslosigkeit so auf (pro Arbeitslosen und Jahr):

Für die öffentliche Hand: 29.000 € (18.700 € weniger an Steuern und Abgaben, Unter­stützungsleistungen etwa 7.000 €, Verwaltung etwa 1.200 €, aktive Arbeitsmarktpolitik etwa 2.100 €)

Für die betroffenen Arbeitslosen: 8.500 € (Verlust durchschnittliches Nettoeinkommen 15.500 €; durchschnittliche Unterstützung 7.000 €)

Für Unternehmen: 5.500 € (weniger Absatz, weniger Produktion)

Die von der Regierung verursachten 48.000 zusätzlichen Arbeitslosen kosten die öster­reichische Volkswirtschaft zwei Milliarden Euro pro Jahr.

Die SPÖ will unser Land aus der schwersten Krise auf dem Arbeitsmarkt seit 60 Jahren herausführen. Wir haben der Regierung Schüssel einen „Österreich-Vertrag für Arbeit und Wachstum“ angeboten. Leider ohne entsprechende Reaktion.

Wir wollen den Betroffenen helfen. Wir wollen sie nicht mit Vergleichen mit Deutsch­land und anderen Ländern abspeisen. Die dramatische Krise auf dem österreichischen Arbeitsmarkt verlangt entschlossenes Gegensteuern, nicht Gesundbeterei.

Die SPÖ-Forderungen lauten daher:

1. Wir wollen das europäische Unternehmenssteuerdumping stoppen

Wir wenden uns dagegen, dass Österreich mit seinem EU-Beitrag Steuersenkungen für Unternehmensgewinne in anderen Ländern finanziert.

Der Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten betrifft vor allem die Belastung für mobile Faktoren (Finanz- und Realkapital, gut ausgebildete Arbeitskräfte). Insbeson­dere hat das schädliche Steuerdumping in der EU den Bereich der Unternehmens- bzw. die Gewinn- und Ertragssteuern erfasst.

2. Wir wollen die europäische Ebene für Österreich nutzen

Wir fordern die anderen Parteien auf, sich gemeinsam mit uns für eine wachs­tums­orientierte Wirtschaftspolitik einzusetzen. Die Europäische Zentralbank muss mehr für das Wirtschaftswachstum tun. Sie muss durch eine andere Geldpolitik bessere Rahmenbedingungen für mehr Arbeitsplätze in Europa schaffen.

3. Wir wollen die EU-Dienstleistungsrichtlinie völlig neu erstellen

Wir lehnen es ab, dass für Dienstleister aus anderen EU-Staaten in Österreich die österreichischen Gesetze nicht gelten sollen. Dieses „Herkunftslandprinzip“ ist unbe­dingt zu verhindern, weil es den heimischen Betrieben und den Konsumenten schwer schaden würde.

4. Wir brauchen eine Modernisierung der Infrastruktur

In Österreich ist die schlechte internationale Konjunkturlage wegen verfehlter Wirt­schafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung besonders spürbar. Die Situation hat sich daher auch in Relation zu den meisten EU-Staaten erheblich verschlechtert. Das Wirtschaftswachstum, das in den Neunzigerjahren im Mittelfeld der EU lag, verringerte sich aber in den vergangenen Jahren weiter. Österreich liegt in den Jahren 2004 bis 2006 nur mehr auf Platz 11 der Eu-15 (lt. Frühjahrsprognose der EU-Kommission vom April 2005).


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Insbesondere zwischen 2000 und 2004 hat sich die Position Österreichs deutlich verschlechtert. Eine ähnliche Entwicklung zeigt die Arbeitsproduktivität. Sie entwickelt sich seit 2000 schlechter als der EU-Durchschnitt, während sie sich vor der Jahr­tausendwende besser als der EU-Schnitt entwickelt hatte. Wir haben im bildlichen Vergleich die „Überholspur“ verlassen und bewegen uns zunehmend nur noch auf dem „Pannenstreifen“.

Öffentliche Infrastrukturinvestitionen zeichnen sich durch hohe direkte Nachfrage-Wirksamkeit aus. Die SPÖ tritt daher für ein Infrastrukturprogramm ein, mit dem einerseits die größtenteils aus den 80er-Jahren stammende Infrastruktur modernisiert und andererseits jene Zukunftsprojekte realisiert werden, die der Wirtschaftsstandort Österreich angesichts der neuen Herausforderungen, wie EU-Erweiterung und Glo­balisierung  benötigt.

5. Österreichs Steuerpolitik muss Beschäftigung und Wachstum fördern

Die von der Regierung per 1. 1. 2005 durchgeführte Steuersenkung erreicht zu einem erheblichen Teil die falschen Gruppen. Rund 2,5 Millionen Menschen gehen leer aus, weil sie schon bisher keine Steuern zahlten. Auch die kleinen und mittleren Unter­nehmerInnen haben von dieser Reform nichts. Sie sind meist nicht in Form einer Kapitalgesellschaft organisiert und haben meist auch zu niedrige Gewinne, dass sie durch die Steuerbegünstigung für nicht entnommen Gewinne durch „sparen im Betrieb“ einen nennenswerten Vorteil erzielen könnten. Die Kleinverdiener und der Mittelstand schauen daher durch die Finger.

Der Bundesvoranschlag des Jahres 2005 zeigt, dass die Lohnsteuer um rund 2% entlastet wird, die Körperschaftssteuer aber um rund 20% und damit um das 10-fache.

Während es für LohnsteuerzahlerInnen 2005 eine durchschnittliche Entlastung von fünf (!) Euro pro Monat gibt, zahlen die großen Kapitalgesellschaften dank der Gruppen­besteuerung  und der  handwerklich schlecht durchgeführten Körperschaftssteuersen­kung in Zukunft nirgends in Europa so wenig Steuern, wie in Österreich. Insbesondere können diese Betriebe aufgrund der Steuerreform ausländische Verluste noch einfacher mit inländischen Gewinnen gegenverrechnen und damit ihre Steuern redu­zieren.

Im Rahmen kurzfristig steuerlicher Maßnahmen ist im Hinblick auf die konjunkturelle Wirksamkeit primär auf die Verteilungswirkung zugunsten vor allem kleiner Einkommen sowie der investierenden Wirtschaft zu achten.

6. Wir wollen die Klein- und Mittelbetriebe entlasten

Die Unternehmensstruktur in Österreich ist neben der starken Bedeutung des Industriesektors von Klein- und Mittelunternehmen geprägt. Hier trägt auch der in den vergangenen Jahren stattgefundene Trend bei, größere Unternehmen zu zerschlagen. Eine klare Mehrheit der Betriebe ist als Klein- und Mittelunternehmen zu klassifizieren.

Die Eigenkapitaldeckung der Klein- und Mittelbetriebe ist als schwach zu bezeichnen. Ein großer Anteil der Betriebe mit weniger als 1 Mio. € Jahresumsatz hat sogar eine negative Eigenkapitaldeckung. Diese schlechte Ausstattung mit Eigenkapital wird für Klein- und mittlere Betriebe insbesondere in Zusammenhang mit den Regelungen von Basel II ein großes Problem darstellen.

Die Klein- und Mittelbetriebe sind für den Wirtschaftsstandort Österreich neben den bekannten Leitbetrieben von besonderer Bedeutung. Sie sichern fast 70 Prozent der Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft und erwirtschaften 60 Prozent der Wertschöpfung. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten stellen sie einen stabilisierenden Faktor dar.


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Wir SozialdemokratInnen wollen einen starken Wirtschaftsstandort Österreich, den Klein- und Mittelbetrieben eine gesicherte Basis für ihre Wirtschaftstätigkeit geben und daher echte Chancengleichheit für KMU.

7. Wir wollen die Übergangsfristen für den Schutz der österreichischen Arbeitneh­merIn­nen voll ausnützen

Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit bei der EU-Erweiterung öffnen neue Schlupflöcher für illegale Schwarzunternehmer. Der mit Fördergeld aus Brüssel mitfinanzierte Wettlauf der Beitrittsländer nach unten bei den Unternehmenssteuern bringt wegen der Abwanderung von Betrieben noch mehr Druck für die Arbeitnehmer.

Wir verlangen, dass der österreichische Arbeitsmarkt Branche für Branche genau beobachtet wird. Wir verlangen, dass Schlupflöcher geschlossen werden, mit denen die Übergangsfristen bei der Öffnung des Arbeitsmarktes unterlaufen werden. Wenn es der Schutz der österreichischen ArbeitnehmerInnen erfordert, ist auch eine Verlän­gerung der Übergangsfristen in Erwägung zu ziehen.

8. Wir wollen illegale Beschäftigung und Sozialbetrug wirksam bekämpfen

Sozialbetrug bedeutet vor allem, dass

Kriminelle durch die Gründung von Scheinfirmen Sozialversicherung, Finanz und – soweit die Bauwirtschaft betroffen ist – auch die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abferti­gungskasse hinsichtlich ihrer Forderungen „ins Leere laufen lassen“

ArbeitnehmerInnen durch Umgehungshandlungen systematisch ein Teil ihres Lohnes vorenthalten wird oder sie ohne entsprechende Anmeldung zur Sozialversicherung beschäftigt werden und

organisierter Einsatz von ausländischen ArbeitnehmerInnen ohne Bewilligung und zu Dumpinglöhnen bzw. zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen erfolgt.

Die Folgen sind Wettbewerbsverzerrungen, Verdrängung von regulären Arbeitsplätzen, zunehmender Druck auf die Arbeitsbedingungen und enorme finanzielle Ausfälle für die öffentliche Hand.

Wir fordern, dass hier endlich konsequent gehandelt wird. Wir verlangen die Ein­führung einer Generalunternehmerhaftung für Sozialabgaben. Schwarze Schafe unter den Unternehmern gefährden durch ihre unsaubere Vorgangsweise die Arbeitsplätze der ehrlich arbeitenden Betriebe.

9. Wir wollen mehr für Arbeitssuchende tun

Seit mittlerweile vier Jahren steigt die Arbeitslosigkeit in Österreich auf vorher nie da gewesene Rekordwerte.

Im Jahresdurchschnitt stieg die Arbeitslosigkeit zwischen 2000 und 2004 um fast 64.000 bzw. um 28,7%.

Und die Mangelwirtschaft in der österreichischen Arbeitsmarktpolitik wird fortgesetzt. Weder sind entscheidende Fortschritte bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, der Bewältigung der Strukturprobleme in der beruflichen Erstausbildung erkennbar, noch wird entsprechend auf die deutlich gestiegenen Arbeitsmarktprobleme von Frauen und generell von ArbeitnehmerInnen im Haupterwerbsalter reagiert.

Wir verlangen, dass die Mittel für die aktive Arbeitsmarktförderung jedes Jahr um 60 Millionen Euro angehoben werden, um gezielte Programme zum Erwerb gefragter Kenntnisse auf dem Arbeitsmarkt zu finanzieren. Wir halten eine Summe von 250 Millionen Euro für erforderlich, um eine rasche Vermittlung sicherzustellen. Ein beson­derer Schwerpunkt soll dabei auf die Förderung von Frauen gelegt werden.


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10. Wir wollen Arbeit für die Jungen schaffen

Seit 2000 nimmt die Zahl der Lehrstellen suchenden Jugendlichen ständig zu aber die angebotenen Lehrstellen wurde immer weniger. In den Jahren 2001, 2002 wurden auch viel zu wenige Plätze in Lehrgängen nach dem Jugendausbildungs-Sicherungs­gesetz bewilligt, sodass die Lücke zwischen Lehrstellen suchenden Jugendlichen (ein­schließlich Lehrgangsteilnehmer/innen) und verfügbaren offenen Lehrstellen ständig größer wurde.

Kamen im Jahr 2000 noch 4,5 Lehrstellen suchende Jugendliche auf eine offene Lehr­stelle, so hat sich diese Zahl in fünf Jahren schwarz-blauer Regierungstätigkeit beinahe verdoppelt, auf 8,4 Lehrstellensuchende pro offener Lehrstelle.

Gab es 1999 noch 127.351 Lehrlinge in Ausbildung, so waren es 2004 lediglich 119.071, also minus 8.280 Lehrlinge.

Die Lehrlingsausbildung leidet derzeit an zwei wesentlichen Mängeln:

zu wenig Ausbildungsplätze (insbesondere in zukunftsorientierten Lehrberufen)

zu geringe Qualität der dualen betrieblichen Ausbildung (zum Teil in einigen Branchen, zum Teil auch in einzelnen Betrieben)

Wir verlangen, dass bis zum Jahr 2007 jedes Jahr fünf Prozent mehr Lehrstellen angeboten werden. Wenn die Wirtschaft dies aus eigener Kraft nicht kann, wollen wir durch Gesetze einen fairen Ausgleich herstellen zwischen jenen Betrieben, die Lehrlin­ge ausbilden und jenen, die das nicht tun. Wir erkennen mit Sorge, dass immer öfter auch junge AkademikerInnen keinen Job finden. Wir verlangen gezielte Maßnahmen gegen die neue Akademiker-Arbeitslosigkeit.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend alle Maßnahmen zu ergreifen, welche

die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs stärken,

das Wirtschaftswachstum fördern,

und damit die bestehenden Arbeitsplätze absichern und neue Arbeitsplätze schaffen,

den Arbeits- und Wirtschaftsstandort sichern und ausbauen,

die Infrastruktur verbessern, was insbesondere durch den Lückenschluss und den Ausbau des hochrangigen Straßen- und Bahnnetzes geschehen soll,

die Forschungsquote von derzeit 2,3 % des BIP auf mittelfristig 3 % des BIP erhöhen,

die laufenden bzw. zukünftigen Bewilligungsverfahren beschleunigen,

eine Forcierung der Breitbandanbindungen sicherstellen,

die Errichtung von bereits genehmigten Ökostromanlagen ermöglichen,

Qualifikationsoffensiven zur ständigen Weiterbildung fördern,

die Schaffung zusätzlicher Lehrstellen fördern,

die illegale Beschäftigung durch Schwarzunternehmertum bekämpfen,


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und die internationalisierung der österreichischen Wirtschaft unterstützen.

Insbesondere sollen diese Ziele durch die rasche Umsetzung folgender Maßnahmen erreicht werden:

Abgabe eines klaren österreichischen Bekenntnisses zu gemeinsamen europäischen Steuerstandards, bei der Unternehmensbesteuerung in Form von Mindeststeuerhöhen.

In den Europäischen Institutionen muss auf gemeinsame EU-Standards für die wich­tigsten, wettbewerbsrelevanten Steuern gedrängt und an deren Entwicklung mitgear­beitet werden.

Keine Anhebung des österreichischen Nettobetrages zur EU, solange die EU-Kom­mission keine Sparvorschläge vorlegt und nichts gegen Steuerdumping unternommen wird.

Die Vorgaben des Vertrages von Maastricht sowie des Stabilitäts- und Wachstums­paktes unter Anpassung an die Ziele des Lissabon-Prozesses präziser ausgestalten, um den bisher gemachten Erfahrungen Rechnung zu tragen.

Beim Ausbau der transeuropäischen Verkehrsnetze müssen Projekte in Österreich vorgezogen werden.

Österreich muss mehr als bisher bei den anderen EU-Staaten für eine neue euro­päische Wachstumspolitik werben. Eine abgestimmte Politik, in der die Staaten nicht gegeneinander um bestehende Arbeitsplätze kämpfen, sondern miteinander neue Arbeitsplätze schaffen.

Die Vollendung des Binnenmarktes im Bereich der Erbringung von Dienstleistungen trägt folgenden Gesichtspunkten Rechnung:

schrittweise Harmonisierung der Rechtsvorschriften nach Sektoren, wie dies auch bisher mit einigem Erfolg geschehen ist;

Sicherstellung von rasch wirksamen Kontroll- und Sanktionsmechanismen, die gewähr­leisten, dass der Schutz der rechtlichen Interessen der Bürgerinnen und Bürger (Arbeit­nehmerschutz; Konsumentenschutz; Umweltschutz; Gesundheitsschutz; Schutz vor Kriminalität usw.) auch weiterhin gewährleistet bleibt,

Abschätzung der positiven und negativen Wirkungen und deren Verteilung bei ent­sprechenden Liberalisierungsmaßnahmen, insbesondere für die Arbeitsplätze und für KMU,

Ausschluss jeglicher Wirkung der Liberalisierungsrichtlinien auf die arbeits- und sozial­rechtlichen Normen,

vollständige Aufrechterhaltung der Bestimmungen der Entsenderichtlinie für die im Zusammenhang mit der Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen entsen­deten Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer,

Sicherstellung, dass die außerhalb des Herkunftslandes tätigen Dienstleister ihrer Steuer­pflicht entweder im Erbringerland oder im Herkunftsland nachweislich nach­kommen,

klare Trennung der Dienstleistungsliberalisierung von den Regeln über die Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge, die in einer eigenständigen gesetzlichen Re­gelung im Sinne des Entwurfs zum Europäischen Verfassungsvertrag unter Berück­sichtigung des Primats der Mitgliedstaaten bei ihrer Regelung und Erbringung und erst dann und unter Berücksichtigung dieser Bedingungen


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Durchführung eines Sofortprogramms, wodurch notwendige Infrastrukturinvestitionen vorgezogen werden, etwa im Bereich Straße, Schiene, Bahnhöfe, Telekommunikation und Förderung der Breitbandtechnologie.

Energie-Infrastrukturpaket

Althaussanierungsprogramm für Gebäude, die vor 1975 errichtet wurden.

Weiterentwicklung der Wärmekennzahlen für Neubauten.

Schaffung einer Infrastrukturholding. Voraussetzung dafür ist die Absicherung der öster­reichischen Kontrolle über die wichtigsten Schlüsselunternehmen durch Beibe­haltung des Bundesanteiles.

Wiedereinführung des Investitionsfreibetrages und Absicherung auf viele Jahre.

Arbeit wird von Steuern und Abgaben entlastet, beispielsweise durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage im Bereich der Kommunalsteuer und des Familienlasten-ausgleichsfonds.

Reparatur der verpatzten Steuerreform 2005, insbesondere der völlig verfehlten Grup­pen­besteuerung. Es ist eine Entlastung der unteren Einkommen anzustreben, weil sie wegen hoher Konsum- und geringerer Importneigung kurzfristig am stärksten hin­sichtlich der Inlandsnachfrage und Konjunkturbelebung wirkt.

Schaffung eines Stabilitäts- und Wachstumsfonds für Klein- und Mittelbetriebe, der Haftungen für Investitionskredite zu Bestkonditionen übernimmt.

Exportoffensive zur Erschließung neuer Märkte, vor allem für KMU.

Schwerpunktorientierte Betriebs-Ansiedlungspolitik und Förderung von Direktinves­titionen.

Einführung einer steuerlichen Investitionsbegünstigung.

Förderprogramm für Unternehmensgründungen und die Einrichtung eines Gründer­fonds.

Steueranreize und Förderung der Betriebsnachfolge und der Betriebsübergaben, wobei der Förderschwerpunkt bei den ÜbernehmerInnen von Betrieben liegen soll.

Errichtung einer Auffanggesellschaft des Bundes für industriepolitische Maßnahmen mit einer entsprechend ausreichenden Kapitalausstattung samt Krisenfonds, um regionale Leitbetriebe in Einzelfällen durch Finanzierung und Umsetzung eines Sanie­rungsprogramms zu retten.

Ausschöpfung aller EU-rechtlichen Möglichkeiten zur Neuorientierung der österreichi­schen Vergaberichtlinien (an Kriterien der Beschäftigung in Österreich, der Aus- und Weiterbildung sowie der ökologischen Nachhaltigkeit).

Klein- und Mittelbetriebe sollen bei den Strompreisen von der Liberalisierung genau so profitieren können wie die Großabnehmer.

Wirksame Begrenzungen für Mieterhöhungen von Geschäften und Lokalen.

Vollständige Aufrechterhaltung der Übergangsregelungen bei der ArbeitnehmerInnen­freizügigkeit ab dem Mai 2006 bis Ende April 2011. Wenn es der Schutz der österreichischen ArbeitnehmerInnen erfordert, ist auch eine Verlängerung der Über­gangsfristen in Erwägung zu ziehen.

Lückenlose Registrierung des Tätigwerdens von Gewerbetreibenden (Einpersonen-Unternehmen) aus den Erweiterungsländern.


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Weitere Beschäftigungsabkommen (Grenzgänger- und Praktikantenabkommen) mit Er­weiterungsländern erst ab Arbeitslosenquote von 3,5 % (=Vollbeschäftigung) nach EUStat (derzeit: 4,5 %).

Absenkung der Saisonkontingente vor allem für den Tourismus, jedenfalls im Ausmaß der Beschäftigung von SaisonarbeitnehmerInnen aus den EU15, schon ab 2005.

Einführung der Generalunternehmerhaftung.

Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteiles.

Ausbau der personellen Ressourcen der Kontrollstelle gegen illegale Ausländer­beschäftigung (die deutsche Regierung plant eine Aufstockung ihrer Behörde auf 6000 MitarbeiterInnen – umgelegt auf Österreich würde dies 600 MitarbeiterInnen für die KIAB bedeuten. Derzeit gibt es 186 Planstellen lt. Homepage des BMfFinanzen).

Gezielte Schwerpunktaktionen mit umfassender Behördenkooperation gegen Umge­hungen des Ausländerbeschäftigungsrechtes durch den Einsatz von sogenannten „Einpersonen-Unternehmen“ aus den Erweiterungsländern.

Abschiebung betretener illegaler Beschäftigter erst nachdem sie ihren Lohn vom Schwarzbeschäftiger erhalten haben (deutliche Hinweise aus KIAB, dass Unternehmer anonym Selbstanzeige bei KIAB erstatten, um sich Lohnzahlungen zu ersparen).

Sofortige Erhöhung der aktiven Arbeitsmarktförderungsmittel um zumindest

60 Mio. €, damit auch Arbeitslose im Haupterwerbsalter im heurigen Jahr adäquat unterstützt werden können.

Mittelfristige Erhöhung des Budgets für aktive Arbeitsmarktpolitik um insgesamt 250 Mio. € (jährlich rd. 60 Mio. Euro), damit flächendeckend wieder gute fachliche Aus­bildung für Arbeitslose möglich wird.

Erstellung eines Aktionsplanes zur Schließung des Defizits in der Kinderbetreuung mit bedarfsgerechten Öffnungszeiten und Mindeststandards an Qualität sowie eine soziale Staffelung der Kinderbetreuungskosten.

Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über eine fixe Zweckbindung von Mitteln für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen.

Gezielte Förderung von Betriebskindergärten.

Das Recht auf Eltern-Teilzeitarbeit wird auf alle Betriebe ausgedehnt.

Verstärkte Angebote und Anreize für Weiterbildung in der Karenzzeiten (z.B. inkl. Kinderbetreuung).

Verpflichtend durchzuführende zielorientierte Informationen über die Möglichkeiten des Wiedereinstieges durch das AMS mindestens sechs Monate vor Ablauf des Kinder­geldbezuges.

Verpflichtung für UnternehmerInnen, die karenzierten MitarbeiterInnen über alle betriebsinternen Vorgänge und Erneuerungen (speziell im eigenen Bereich) genauso wie die aktiven MitarbeiterInnen zu informieren und sie entsprechend einzubinden.

Die Wirtschaft soll deklarieren, in welchen Berufen/Tätigkeiten Schwerpunkte gesetzt werden müssen, um in Zukunft Beschäftigung zu haben.

Forcierung von Modellen, die einen Ressourcen- und Lastenausgleich zwischen Betrie­ben ermöglichen (finanziell und ressourcenmäßig) z.B. Ausbildungsverbünde, Lasten­ausgleichsfonds, Lehrwerkstätten.


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Das Auffangnetze für Jugendliche wird schon im Frühjahr 2005 so ausgestattet, dass die Probleme bewältigt werden können. Das Auffangnetz zur Jugendausbildung muss auf 10.000 Plätze aufgestockt werden, davon sollen 4.000 Plätze in überbetrieblichen Lehrwerkstätten sein, in denen die Jugendlichen von vornherein eine qualifizierte Ausbildung bis zum Abschluss machen können.

Kombination von Lehre und Matura fördern.

Internationale Austauschprogramme für Lehrlinge (ähnlich wie bei Studierenden), wo Lehrlinge bis zu einem halben Jahr Praxis in einem ausländischen Betrieb der gleichen Branche absolvieren können.

Beschäftigte ArbeitnehmerInnen mit geringer Formalqualifikation wird das kostenlose Nachholen des Pflichtschulabschlusses und des außerordentlichen Lehrabschlusses ermöglicht.

Pflichtschulabschluss, Lehre, mittlere und höhere Schule sowie Berufsreife- und Stu­dien­berechtigungsprüfung können gebührenfrei nachgeholt werden.“

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vorläufig letzter Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Neudeck. 2 Minuten Wunschredezeit; 6 Minuten für die Fraktion. – Bitte.

 


16.57.18

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Dieses Arbeitsplatz­vernichtungs­programm, das Frau Kollegin Csörgits jetzt eingereicht hat, macht einen ja fast sprachlos! Sie fordert es, aber man kann es sicher nicht durch Zustimmung fördern, denn das führt nur zur Schuldenpolitik und sicher nicht zu neuen Arbeitsplätzen. (Ruf bei der SPÖ: Keine Ahnung haben Sie!)

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Moser hat gesagt, Wohnen wurde immer teurer. Ich kann ihr nur sagen: Eine Studie der TU zeigt, Wohnen wurde in den letzten Jahren nicht teurer (Zwischenrufe bei der SPÖ), jedenfalls nicht wesentlich oder gar nicht über der Inflation, meine Damen und Herren. Was gestiegen ist, sind die Betriebskosten, vor allem in Wien. (Abg. Dr. Fekter: Wiener Stadtwerke!) Für den Mieter ist es die Gesamtmiete, das sind aber die Betriebskosten und nicht die Miete selbst. Was die Miete angeht, zeigt sich sogar, dass sie in den Spitzenbereichen in den letzten Jahren ... (Abg. Gradwohl: Aber die Vetriebskosten gehören auch zu den Woh­nungskosten dazu!) Ja, die Betriebskosten macht die Stadt Wien. (Abg. Gradwohl: ..., Energiebesteuerung! Danke, Wolfgang Schüssel!) Beruhige dich, Kollege! Kanal­gebüh­ren, Wassergebühren, das alles sind Betriebskosten, die die Gemeinde ... (Abg. Gradwohl: Energiebesteuerung!) Da muss ich dir dazusagen, dass die Energie­besteuerung die Betriebskosten im Althaus nicht erhöht, weil den Strom die Mieter selbst bezahlen und das daher statistisch nicht erfasst wird.

Die Studie der TU ergibt, die Mieten für Wohnungen in Österreich sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, aber stetig unter der Inflation. (Abg. Öllinger: Ja, die Mieten, aber Wohnen wurde teurer!) Die freien Mieten sind sogar gefallen, und die geregelten Mieten sind auch unter der Inflation gestiegen.

Frau Kollegin Moser, natürlich, es gibt eine Verbesserung auf dem Wohnungsmarkt auch hinsichtlich der Qualität, und es ist die Revitalisierung ein Preiserhöhungsfaktor. Es wird aber dafür auch bessere und mehr Qualität geboten, und gerade die Re­vitalisierung im Altbau löst hohe Beschäftigungseffekte aus, weil sie anders als im


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Neubau arbeitsplatzintensiv und nicht maschinenintensiv ist. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

16.59

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Die Restredezeit seiner Fraktion beträgt 4 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.00.00

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Die ÖVP hat gemeint, es braucht als Nachgeschmack zum 1. Mai auch noch eine Debatte hier im Haus. – So weit, so gut. Trotzdem möchte ich einmal festhalten, dass diese Art von Symbolpolitik, eine Nacheinanderschaltung von so genannten Gipfeln, glaube ich, ihre Grenzen erreicht hat, und mir ist es wichtig, dass ich das hier auch einmal festhalten darf. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Man hat in gewisser Weise den Eindruck, Herr Präsident Khol, dass das mit der Wüste Gobi sich mittlerweile verselbständigt hat, nämlich: Die Regierung glaubt, sich dauernd auf einem Gipfel zu befinden oder auf einen zueilen zu müssen; in Wahrheit ist es die flache Landschaft, eben die Wüste, und jedes Mal, wenn ein Sandhaufen daherkommt, freut man sich über einen „Gipfel“. (Rufe bei der SPÖ: ... Dünen! Dünen!)

Das ist ein bisschen, glaube ich, treffend für das, was da vorgeht. Wenn man sich die serielle Aneinanderreihung von Gipfeln anschaut, könnte man das Gefühl bekommen, die Lösungskompetenz, die Ihnen völlig abhanden gekommen ist, korreliert unmittelbar damit, wie viele Gipfel Sie veranstalten. Und das ist für mich der Punkt, einfach einmal anzukündigen, dass wir in unserer Fraktion uns zunehmend überlegen werden, ob man von Haus aus bei jedem Rodeo, das ausgerufen wird und wo in erster Linie Symbol­politik für die Galerie veranstaltet wird, dabei ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ellmauer: Das ist schon ein starkes Stück: Sorge um die Arbeitsplätze als ...! – Das ist ein starkes Stück!)

Ja, ein starkes Stück – Sie sagen es! Der Punkt ist ja tatsächlich die Qualität dieses Gipfels. Schauen Sie, wenn Abgeordnete von den Regierungsfraktionen meinen, das sei ja nicht so wichtig: Nordwest-Autobahn, Nordost-Autobahn, dann mag es schon sein, dass es bei Ihnen vielleicht Wurscht ist, wo Sie hinfahren, das interessiert schon niemandem mehr, aber es hat ja die andere Qualität des Gipfels auch nicht viel anders ausgeschaut (Abg. Neugebauer: ... gar nicht anwesend!): Im Bereich der Infrastruktur sind A4-Zettel ausgeteilt worden, wo fast jede zweite Zahl insofern irrelevant ist, als sie Ihrer Hausnummern-Ökonomie entspricht, die Sie sonst auch betreiben, nämlich Zahlen hinzuschreiben, die hinten und vorne nicht ausfinanziert sind. (Abg. Großruck: Der redet von was, wo er gar nicht dabei war!) Und von irgendetwas, was nicht aus­finanziert ist, versprechen Sie, es vorzuziehen. Und dann wird das eine oder andere, das vielleicht doch ein bisschen konkreter sein mag, noch hinzugefügt, aber grund­sätzlich gilt: Von etwas, wovon nicht viel da ist, ist auch das Vorziehen kein besonderer Gewinn – jedenfalls nicht ein solcher, den Sie hier verkünden wollten.

Ich sage das in aller Nüchternheit. Und das ist die Gipfel-Philosophie, die, glaube ich, da nicht mehr sehr viel weitertragen wird.

In der Sache selbst ist ja alles gesagt worden. Ich komme auch noch auf den Ent­schließungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion zu sprechen: Ein bissel spät habt ihr den schon eingebracht, offen gestanden – für das, wie umfangreich er ist. Und weil er so umfangreich ist, findet man natürlich, wenn man nicht der gleichen Partei angehört, hin und wieder auch einen Schattenfleck. Wir sehen Licht und Schatten: Wir stimmen zu, aber nicht allem, was drinnensteht. Trotzdem: eine beherzte Initiative, aus


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der man sicherlich ein Mehrjahresprogramm ableiten kann (Heiterkeit des Abg. Mag. Molterer); deshalb unsere Zustimmung. – Den Kollegen Molterer amüsiert so etwas, aber: Gescheiter, irgendetwas, was eine Ambition hat, als irgendetwas, wo man – noch dazu mit der Mannschaft von einer ganzen Regierung und mit ich weiß nicht wie viel hundert Beamten im Hintergrund – nicht mehr zusammenbringt als ein paar Zettel, und einen Bundeskanzler, der hier wieder das Gleiche erzählt – und dann haben wir jetzt zehn Tage lang 1. Mai oder was. So wird das sicher nicht weitergehen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.03


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 600/A (E) der Abgeordneten Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschäftigungs­offen­sive der Bundesregierung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 102.)

Wir gelangen ferner zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dr. Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Offensive für mehr Arbeit und Wachstum.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist somit abgelehnt.

17.04.51Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich nehme die Verhandlungen über den 4. Punkt der Tagesordnung betreffend den Wahrnehmungsbericht des Rechnungs­hofes über Teilgebiete der Gebarung des Bundes wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Freiwillige Redezeit­beschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.05.20

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Mir fällt es schwer, Weihrauch zu streuen, und ich bin auch sonst im Plenum etwas sparsam mit Lob, aber ich möchte doch, nachdem ich schon in mehreren Ausschüssen war und zuletzt intensiver im Rechnungshofausschuss mitarbeiten durfte und konnte, den Rechnungshof ganz ausdrücklich loben, weil man in der Politik leider selten Gelegenheit hat, auf Grund von qualitativ hochstehenden Berichten zu handeln und zu denken, und zwar auf Grund von Daten und Fakten. Das wäre, glaube ich, für viele andere Sektoren, wo der Rechnungshof vielleicht nicht prüft und mit denen wir uns trotzdem hier auseinander setzen müssen, beispielhaft. Im Rechnungshofausschuss selbst, dem ich ja sonst nicht angehöre, habe ich auch erlebt, dass es dort auf Grund dieser Datenlage wirklich möglich wäre, Sachpolitik zu betreiben und sich auf Grund von harten Fakten vielleicht dort zu treffen, wo der Hausverstand uns gemeinsam sein sollte, und auch das halte ich für ausgesprochen gut.

Was ich weiters gut finde – dann höre ich mit dem Lob schon auf –, sind die Vor­besprechungen, bei denen man Gelegenheit hat, im Rechnungshof zu einzelnen Kapiteln die Meinung von RechnungshofbeamtInnen zu hören und mit unserer auszu­tauschen. Es wäre vielleicht eine Anregung für andere Ausschüsse, so etwas auch intensiver zu pflegen.


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Ich komme – was in fünf Minuten schwierig genug ist – ganz kurz auf die Studien­gebühren zu sprechen. Diese Dinge sind ja leider gegessen, wiewohl die Kritik sehr berechtigt war, und man kann eigentlich nur für die Zukunft daraus lernen. Der Rech­nungshof sagt zu Recht, dass es Schwierigkeiten nicht nur mit der Einführung von Studiengebühren, sondern auch mit deren Umsetzung gegeben hat und auch mit dem heiklen Kapitel: Wie werden Studiengebühren an die Universitäten verteilt? Man hat damals lässig davon gesprochen, dass diese den Universitäten im Rahmen der so genannten Universitäts-Milliarde gegeben werden. Wenn man aber weiß, dass in einem Jahr 36 Millionen und im zweiten Jahr 73 Millionen an die Universitäten zurück­geflossen sind, und das nach relativ unklaren, sehr variablen und sich zeitlich immer wieder ändernden Kriterien, dann muss man schon sagen: 36 Millionen € und 73 Millionen € ergeben bei weitem keine Milliarde. Und das ist mein Punkt der Kritik.

Was man auch sagen muss, ist, dass die Projektanträge, die die Universitäten gestellt haben, um diese Gebühren wieder für sich verwenden zu können, irgendwo im Nir­wana der Projektauswahl gelandet sind, weil eine Fachgruppe im Wissenschaftsressort die andere mit Kriterien, mit universitätsfreundlichen oder eher universitätskritischen Beur­teilungen dieser Anträge konkurrenziert hat. Man muss sagen, dass auch diese Beratungs- und Evaluierungsgruppe im Ministerium wahrscheinlich mehr Ideen gehabt hat, wie man Geld für Studentinnen und Studenten besser einsetzt, als sie letztlich Geld zu verteilen hatte, was natürlich auch eine ungute Sache ist.

Bei der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, die auch diesem Rechnungshofbericht sozusagen inneliegt, finde ich es ganz gut, dass der Rech­nungshof als eine der wenigen Institutionen irgendwo noch an den Wert hoheitlicher Aufgaben und des Staates zu glauben scheint und schon irgendwo kritisiert, dass die verschiedenen Auffassungsunterschiede zwischen Landwirtschafts­ressort, Gesundheitsressort und Finanzministerium auch nicht gerade hilfreich dabei waren, diese Ausgliederung vernünftig und sozusagen qualitätssichernd über die Bühne zu bringen.

Ich möchte zum Schluss ganz kurz noch etwas zu den Forschungsförde­rungs­organi­sationen und zur diesbezüglichen Kritik des Rechnungshofes sagen. Die Kritik trifft sich mit unserer und meiner sehr, und zwar insofern, als der Rechnungshof verlangt, die Mehrjährigkeit und Nachhaltigkeit der Forschungsfinanzierung besser zu sichern, und zwar durch Regelbudgets. Da habe ich immer wieder diese Auseinandersetzung mit der Bundesregierung: Es nützt nichts, wenn man in der zweiten Jahreshälfte oder gar erst im Herbst schauen muss, ob die Nationalbank noch etwas ausschüttet, ob die Nationalstiftung etwas ausschüttet, ob der Rat für Forschung und Technologie­entwick­lung noch etwas spendiert, um endlich auf jene Summen zu kommen, die andere Länder – die Schweiz und Deutschland – um das Zwei- bis Dreifache überschritten haben, und zwar pro Kopf der Einwohner. – Das heißt, da ist etwas zu tun.

Dass die Antragsförderung viel stärker ist als sozusagen die zielgerichtete Förderung, ist eine Kritik, die man haben kann, aber da möchte ich die Fonds insofern in Schutz nehmen, als der Rechnungshof vielleicht nicht untersuchen konnte oder nicht die Zeit hatte, zu untersuchen, was die Aufgaben der Fonds laut ihren Statuten auch sind, in welchem politischen Umfeld sie agieren können, mit welchen Budgets sie arbeiten und was ihr dezidierter Auftrag ist. Und da muss ich sagen: Der Auftrag, was in Österreich geforscht werden soll, liegt eben – ob das gut ist oder nicht, darüber kann man schon streiten – bei der Regierung und beim Rat für Forschung und Technologieentwicklung und nicht bei den Forschungsförderungsfonds.

Ich habe leicht überschritten, aber ... (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

17.11



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren! Ich habe das Proto­koll der Rede der Abgeordneten Lunacek von heute Vormittag angefordert, und ich erteile ihr für den Satz: „Herr Bundeskanzler, was Sie hier gesagt haben, ist Dema­gogie ...“ einen Ordnungsruf.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


17.11.52

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Ich möchte mich hier mit dem Bericht des Rechnungshofes über den Hauptverband der österreichischen Sozial­versicherungsträger beschäftigen, weil ich damals in meiner vormaligen Funktion als Bundesminister für Soziales auch Auftraggeber dieser Prüfung durch den Rechnungs­hof war.

Ich möchte mich bei Ihnen, Herr Rechnungshofpräsident, und bei Ihren Beamten herzlichst für die geleistete Arbeit bedanken. Die von mir befürchteten Kritikpunkte, die in meinem Schreiben an Ihren Amtsvorgänger mit dem ergangenen Auftrag zur Prü­fung angesprochen worden sind, sind leider, so wie von meiner Innenrevision, auch vom Hauptverband in seinen Gegenstellungnahmen letztendlich nicht abgeschwächt, sondern im Gegenteil vollinhaltlich als Faktum unterstrichen worden. Ich glaube daher, dass es gut war, dass wir gemeinsam diese Prüfung durchgeführt haben und hier auch rechtzeitig im Interesse des Steuerzahlers eingeschritten sind, denn eines ist auch unübersehbar: dass nach der Gegenäußerung des Hauptverbandes von der nunmehr ausführenden Firmengemeinschaft, die die Chipkarte derzeit umsetzt, erheblich mehr Personal in die Tätigkeit für die Umsetzung der Chipkarte hineingepumpt worden ist und damit der schleppende Beginn auch der zweiten Phase der Umsetzung der Chipkarte – oder wenn man es legistisch betrachtet: der vierten Phase der Umsetzung der Chipkarte – nunmehr im wahrsten Sinne des Wortes ins Rollen gekommen ist und das Rollout bis zum jetzigen Zeitpunkt mit halbwegs befriedigenden Ergebnissen in die Welt geht.

Ich möchte nicht verhehlen, dass mir auch die Beauftragung von universitären Institu­ten zur Kontrolle und zur Unterstützung des Verfahrens eo ipso kein Kopfzerbrechen macht, wohl aber die vom Hauptverband gewählte Vorgangsweise, dass man da Per­sonen und Gesellschaften bereits finanziell dotiert, ehe sie per Eintragung in die entsprechenden Wirtschaftsbücher überhaupt existent sind. Wir haben ähnliche Bereiche bereits im Finanzministerium bei der Gestaltung der Homepage des Herrn Finanzministers kennen gelernt, und daher hat es mir überhaupt keine Freude ge­macht, auch im Bereich der Sozialversicherungen ähnliche Nachahmekonstruktionen durch den Hauptverband erleben zu müssen. Ich bin sehr zufrieden, dass diese Phase nunmehr der Vergangenheit angehört und dass die aus einer ordnungsgemäßen Aus­schreibung hervorgegangenen Institutionen und Firmenkonsortien auch tatsächlich ihre Obliegenheiten, für die sie per Auftrag den Zuschlag erhalten haben und die auch mit allen Garantien dem Steuerzahler gegenüber versehen sind, erfüllen – und auch zeit­gerecht erfüllen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube daher, dass der vorliegende Bericht des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger betreffend Projekt e-Card, erster Teil – weil ja auch zu entnehmen ist, dass der Rechnungshof auch die nunmehrige Umsetzung überprüfen wird – durchaus beweist, dass die Prüfung des Rechnungshofes auch präventive Wirkung hat, und in diesem Sinne wünsche ich uns allen eine baldige Umsetzung der Chipkarte.


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Ich darf allerdings auch zwei Dinge aus meiner Sicht anmerken: Es wird auf der einen Seite angemerkt, dass im Jahre 2000 beziehungsweise 2002 der Zeitrahmen, für den damals abgeschlossen worden ist, zu ambitioniert war. Eine österreichische Weltfirma, die RHI, hat in einem halb so langen Zeitraum für ihre sämtlichen Betriebe weltweit eine Chipkartenumstellung vom IBM-System auf ein anderes System gewährleistet, samt Sicherheitszutritt zu den Laboreinrichtungen und sonstigen Zutritten. Es ist also in der Privatwirtschaft durchaus möglich, solche ambitionierten Projekte umzusetzen. Al­ler­dings gebe ich schon zu, dass es mit den Eigenarten der Sozialversicherungsträger und ihrem Beharrungswunsch, nicht an diesem System teilzunehmen, schwieriger war, ambitionierte Ziele, die in der Wirtschaft gang und gäbe sind, im Bereich der halbstaatlichen Wirtschaft zu erreichen. Aber schlussendlich haben wir es erreicht und setzen es auch um.

Ich möchte mich bei Ihnen, Herr Präsident, nochmals herzlichst dafür bedanken, dass Ihre Kontrolle und die Kontrolltätigkeit der Mitglieder Ihres Hauses, des Rech­nungs­hofes, erfolgreich waren, um auch Weltfirmen mit Vernetzungen über mehrere Länder dazu zu bringen, den österreichischen Markt und die österreichischen Ausschreibe­kriterien ernst zu nehmen und sich nicht um Abschlagzahlungen und rechtliche Prob­lemstellungen vor Gericht alleine zu kümmern, sondern um die Ausschreibekriterien und die Umsetzung der Chipkarte im Interesse des österreichischen Gesundheits­systems. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.17.10

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Die Überprüfung des Rechnungshofes zur Einführung der e-Card ist zu dem Ergebnis gelangt: Stümperhaft und Steuergeldverschwendung im großen Stil.

Die Kritik richtet sich unter anderem gegen die Anzahl des aufgewendeten Personals. Das Konzept des Hauptverbandes hat ursprünglich vorgesehen, dass sieben Experten das Projekt umsetzen. 2004 waren es bereits 45. (Abg. Neudeck: Da müsst ihr von der SPÖ einen anderen Bericht haben! Das geht sich nicht aus! Ich glaube, der Rech­nungshof macht einen blauen und einen roten Bericht! ... steht das nicht!)

Sie können von da aus reden. (Abg. Neudeck: Nein, jetzt nicht, weil jetzt Sie reden!)

Wer der Meinung ist, dass mehr Personal auch schnellere Umsetzung bedeutet, der irrt. Tatsächlich hat es bedeutet, dass es langsamer ging und teurer geworden ist.

Sinnlose Gutachten und Managementfehler haben das erste Projekt 2003 einem unrühmlichen Ende zugeführt, mit dem Ergebnis, dass 6 Millionen € in den Sand gesetzt wurden und das Projekt neu auszuschreiben war. Die Summe der Kosten wird letztendlich 125 Millionen € betragen – 25 Millionen € davon für externe Berater.

Zahlreiche Rechtsverstöße haben dann Anfang 2004 zu Rücktritten von sechs Kapital­vertretern im Aufsichtsrat geführt. Ergebnis: neuerliche Verzögerung. Nunmehr, nach etwa fünf Jahren, ist das Projekt endlich in Einführung, und wir hoffen, dass bald alle davon erreicht sind. Inhaltlich ist das Projekt in Ordnung. Der Weg dahin hat natürlich den Trümmerhaufen dieser Regierung vergrößert (Abg. Grillitsch: Was? Was ist das? Was haben Sie gesagt? „Trümmerhaufen“ haben Sie gesagt? – Herr Präsident, haben Sie das gehört?), und ich denke, es ist eine Frage der Zeit, bis diese Regierung selbst


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darüber stürzt, und – Randbemerkung –: Je früher, desto besser für Österreich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lentsch: Weihnachten kommt erst!)

17.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lentsch. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.19.28

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Als Burgenländerin kann ich Ihnen nur sagen, dass der Probebetrieb der e-Card in unserem Land eine echte Erfolgsgeschichte war und eine echte Erfolgs­geschichte ist. Und dazu möchte ich unserer Bundesministerin von ganzem Herzen gratulieren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Anfang April sind wieder 56 Betriebsärzte dazugekommen. Mit Anfang Mai waren es also insgesamt 145 Vertragsärzte und medizinische Institute, die im e-Card-System sind.

Die 112 000 Versicherten im Burgenland sind damit voll zufrieden – das sagt uns nicht nur der Hauptverband, das höre ich auch täglich, wenn ich bei Veranstaltungen im Bur­genland bin. Die Unternehmer sind ebenfalls begeistert, weil sie den lästigen Papier­kram los sind. Und die Ärzte müssen nicht mehr zu Quartalsende all die Patienten anrufen, die ihre Krankenscheine vergessen haben.

Alles in allem: zufriedene Gesichter. Jetzt bleibt nur noch die Frage: Warum hat das so lange gedauert? Warum war diese e-Card eine derart unendliche Geschichte? Oder, anders gefragt: Warum hat dies nicht schon im Jahre 1999 geklappt? (Abg. Eder: Warum sind Sie nicht früher auf die Welt gekommen?) – Und ich kann Ihnen sagen, warum das beim ersten Anlauf nicht geklappt hat: Die alte Führung im Hauptverband hat die e-Card entweder nicht gewollt oder nicht geschafft. Egal, wie es war, es war jedenfalls gut, dass das Präsidium und das Management ausgetauscht wurden, denn die neue Führung hat die e-Card dann auch prompt umgesetzt.

Die Opposition sieht diesen Führungswechsel natürlich anders: Man hat diesen Wechsel als eine Art Umfärbeaktion diffamiert (Rufe bei der SPÖ: Eine „Art“?) und uns vorgehalten, dass wir die roten Funktionäre durch schwarze ersetzen wollen. (Abg. Mag. Kogler: Eine „Art“ ist gut!) – Das hat sich natürlich gut verkauft, ich muss das zugeben, und es hat auch einen dementsprechenden Wirbel erzeugt. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.) Aber in Wirklichkeit mussten wir darauf achten, dass etwas weiter­geht – und zwar nicht nur bei der e-Card, sondern auch bei anderen Reformen. (Abg. Eder: In Wirklichkeit war es noch viel ärger!) – Na, wahrscheinlich waren so viele rote Funktionäre drin, dass auch einige schwarze hinein mussten! (Abg. Eder: Da schau her!)

Dafür wurden wir gewählt, und das erwartet die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher von uns. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.22.23

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Von hinten nach vorne: Frau Kollegin Lentsch, wenn Sie behaupten, Sie seien dafür gewählt worden, dass nachher der Hauptverband umgefärbt werden soll – das ist ja noch ein harmloser Ausdruck! (Abg.


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Lentsch: Dass wir etwas tun!) Sie haben zwar gesagt: „eine Art von“, aber, bitte schön, das ist ja wirklich unüberbietbar – unüberbietbar! Im Nachhinein hat doch jeder gesehen, woher hier der Wind weht, warum diese Attacke auf Sallmutter gefahren wurde! (Abg. Lentsch: Damit etwas geschieht!) Und jetzt, da man schon aus einer gewissen Distanz sozusagen der historischen Wahrheit näher treten könnte, kommen Sie her, wärmen „den Kübel“ noch einmal auf und spritzen erst recht wieder drüber. Das ist ja unglaublich!

Sie haben ja Glück, dass jetzt nur mehr wenige Leute im Saal sind, denn es hätten sich sicherlich mehrere aus Ihrer Fraktion darüber gewundert, wie man sich solch einen Fehltritt erlauben kann – ich verstehe das nämlich auch taktisch überhaupt nicht –, aber, unter uns Abgeordneten: Manchmal passiert eben etwas. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) – Aber so viel historische Wahrheit muss man schon für das Protokoll festhalten.

Es ist ja auch der ganze Bericht aus meiner Sicht wieder ein Beweis dafür, dass es in der öffentlichen Verwaltung da oder dort doch ganz erheblich krankt, und das sicher nicht wegen Sallmutter, nicht einmal nur, weil die ÖVP das letzte Mal so stark auf Kosten der mittlerweile Blau/Orangen gewonnen hat, sondern das ist ein grund­sätzliches Problem, das ist schon richtig.

Deshalb auch der mehr als obligate Dank an den Rechnungshof, weil hier – und ich greife jetzt nur ein Projekt namentlich heraus, nämlich das e-Card-Projekt – wieder in minutiöser Arbeit nachgewiesen wurde, wie solch ein Großprojekt – und in diesem Fall muss man wirklich sagen: mit Ansage und mit Anlauf – „vergeigt“ worden ist.

Aber so kann es nicht sein, dass im Nachhinein nur Sallmutter schuld sein soll – nein! Wenn Sie den Bericht halbwegs genau anschauen, werden Sie draufkommen, dass es schon im Ministerium beginnt. Dort wurde zwar auch gewechselt, aber die Fehlerquote ist nach der blau-schwarzen Wende nicht kleiner geworden, sondern sie hat sich konstant gehalten, ja sogar noch erhöht. So ist es eben, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen! (Abg. Neudeck: Das braucht ihr jetzt nur mehr zu beweisen!)

Und damit sind wir schon beim eigentlichen Punkt – und das muss man anlässlich solcher Berichte einfach immer wieder sagen –: Solch eine Kontrollverhinderung – es ist kein elegantes Wort, aber es ist trotzdem ein richtiges und wichtiges – wie in den letzten Jahren hat es noch nie gegeben! Das fängt bei Zeugenladungen an und hört nach vielen anderen Dingen, die Sie sich erlauben (Abg. Neudeck: Das liegt am Vor­sitzenden! Der Vorsitzende hat das nicht in der Hand!), dort auf, wo Sie oft nicht bereit sind, diese Arbeit in der notwendigen Akribie zu würdigen, wie diese Rede ja wieder bewiesen hat. Solche Beiträge kann man sich ja dann im Ausschuss auch noch anhören.

Wahr ist aber umgekehrt, dass Sie, würden Sie oder Einzelne von Ihnen sich die Mühe machen, öfter einmal in den Rechnungshof zu gehen und zu schauen, was hinter diesen komprimiertesten Berichten – die ja natürlich nicht alles beinhalten können, sondern eben nur verschiedene Zusammenfassungen – steckt, draufkommen würden, was das alles hergeben und erzeugen würde.

Wir haben nämlich – angeblich ist das Geld so knapp – immer wieder öffentliche Ver­gaben aller Art zu tätigen, ob in den Gemeinden – die werden zwar auch immer knap­per gehalten, Kollege Gaßner weiß das (Abg. Mag. Gaßner: ... nicht mehr viel zu vergeben!) – oder, teilweise, in den Ländern, vor allem aber bei den ausgegliederten Gesellschaften, und letztlich auch im Bund. Und es hat sich hier – ich bleibe bei diesem einen beispielhaften Projekt – wieder einmal herausgestellt, wie mit dem „Einser-Schmäh“ gearbeitet und gefuhrwerkt wird, nämlich folgendermaßen:


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Es gibt verschiedene Ausschreibekriterien für den Zuschlag, die letztlich zusammen prozentuell gewichtet werden, und siehe da: Das Zeit-Kriterium ist wichtig; wer also – wie drückt man das jetzt einmal salopp aus? – bis zur Einführung schneller ist, hat einen besonderen Vorteil. – Gut. Das ist so! Und es ist ja auch gescheit, wenn man es schnell will. Aber es ist hinten und vorne nicht valide!

Also: Ein Kriterium erhält eine hohe Gewichtung; jene Firma, die behauptet, in diesem Feld besonders stark zu liegen, bekommt mit hoher Wahrscheinlichkeit den Zuschlag für den Auftrag, so auch hier – und der war ja kein kleiner! Was passiert dann? – Ein paar Monate nach diesem Zuschlag sagt das gleiche Konsortium: Hoppala, jetzt fällt uns etwas ein! Das geht alles gar nicht so schnell, wir bräuchten mehr Zeit.

Nebst dem hat auch das Ministerium nicht das Notwendige „auf die Reise“ gebracht, auch die gesetzlichen Vorgaben waren nicht schnell genug, das hätte man sich aber alles denken können! – Nur, umgekehrt ist es genauso: Auch das Konsortium ist der Meinung, na, so geht das eigentlich nicht, wie man sich das vielleicht ausgerechnet hat!

Das sind die klassischen Sünden in der Vergabe! Hier war es das Zeitkriterium. Bei den Vergaben im Finanzministerium – die sollten ja aus besonderem Interesse mit gutem Beispiel vorangehen – passiert es genauso, indem etwa das Preiskriterium möglichst gering gewichtet wird, irgendetwas anderes hingegen besonders hoch, damit ja die teuren Firmen zum Zug kommen, möglicherweise Bekannte des Finanzministers.

Dieses Muster finden wir überall, und deshalb ist das auch wieder ein hervorragender Bericht des Rechnungshofes, in dem bei einem großen Projekt kleine und große Sünden aufgezeigt wurden. Ihre anhaltende Kontrollverweigerung stellen Sie zumin­dest teilweise mit Ihrer Ausschussarbeit und mit solchen Redebeiträgen bestens unter Beweis, wenn Sie nicht einmal die Quintessenz von solchen Berichten zur Kenntnis nehmen wollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann zu Wort. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.28.36

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsi­dent! Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Kollege Kogler ist ja der Vorsitzende des Rechnungshofausschusses, also liegt es auch an ihm, darauf zu schauen, dass der Ausschuss möglichst effizient und gut abläuft und dann die Quintessenz heraus­gearbeitet wird. Das sollten Sie dann auch tun. (Abg. Mag. Gaßner: Sie verhindern das ja mit Mehrheit!) – Ich bin selbst Mitglied dieses Ausschusses und denke mir, wir diskutieren dort wirklich viel und auch genug.

Wir sollten uns überlegen, ob es nicht vielleicht möglich sein sollte, Rechnungs­hof­berichte schneller ins Haus zu bringen; dazu hat es ja seitens des Präsidenten schon einige Vorschläge bei seiner Wahl gegeben. Wenn wir einen bestimmten Bericht dis­kutieren, aber die Dinge, die darin aufgezeigt werden, teilweise schon sehr überholt sind beziehungsweise – um mit den Worten des Kollegen Grünewald zu sprechen – die Sache „gegessen ist“, dann ist eine Diskussion in diesem Haus für die Öffentlichkeit nicht mehr so interessant und spannend, weil man im Prinzip nicht mehr viel tun kann. So wissen wir etwa in Bereichen wie bei den Studiengebühren, dass diese inzwischen Sache der Autonomie der Universitäten sind – wie gesagt: die Sache ist „gegessen“. (Abg. Mag. Kogler: Lernen für die nächsten Ausschüsse!) Insofern ist der Bericht zwar recht informativ, aber überholt.


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Was den Forschungsbereich anlangt, wissen wir, dass schon sehr viel seitens der Regierung geschehen ist. Es wurde schon der erste Rohbericht des Rechnungshofes aufgegriffen, um sofort Veränderungen herbeizuführen, auch um eine Dachorgani­sation einzurichten, die es inzwischen ja schon gibt, die effizient ist und gut funktioniert. Es gäbe natürlich immer noch mehr Verbesserungsvorschläge – keine Frage –, aber das, was machbar und möglich in Form einer Umstrukturierung und Zusammenführung war, ist gemacht worden.

Es wird noch dazu von dieser Regierung derzeit so viel Geld wie noch nie für For­schung ausgegeben. Das kann man nicht oft genug erwähnen. Wenn gesagt wird, dass es Kritik bezüglich der Gelder gibt, so muss man sich natürlich auch über die Mehrjährigkeit Gedanken machen. Es ist ja derzeit schon einiges dahin gehend unternommen worden, dass es jetzt wenigstens schon Zusagen für zwei Jahre gibt. Das ist schon eine Verbesserung! Wie gesagt: Die Forschung hat für diese Regierung einen sehr hohen Stellenwert.

Noch einmal zum Abschluss: Wir sollten uns wirklich Gedanken darüber machen, wie man Berichte schneller in das Hohe Haus bringt, denn dieser Bericht ist mit Juni 2004 gezeichnet. Wir hatten natürlich viele Sitzungen, in denen wir uns mit den einzelnen Bereichen auseinander gesetzt haben, aber wir sollten uns trotzdem überlegen, wie wir das beschleunigen könnten. Ich denke, Kollege Kogler wird sicherlich auch dafür sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Jawohl!)

17.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Präsident des Rechnungshofes Dr. Moser. – Bitte.

 


17.31.25

Präsident des Rechnungshofes Dr. Josef Moser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte mich herzlich für das Lob bedanken, das Sie alle unisono der Arbeit des Rechnungshofes ausgesprochen haben. Ich glaube, auch Klubobmann Scheibner hat das in einem seiner Debattenbeiträge getan. (Abg. Scheibner: Heute noch nicht! – Abg. Neudeck: Das war noch beim Fiedler!)

Dies zeigt, welche Qualität beziehungsweise welche Stichhaltigkeit der Rechnungshof zu bringen versucht – und auch tatsächlich bringt. Die Bemerkung, dass der Rechn­ungshof zum „Salzamt“ gemacht wird – ich weiß, dass sie nicht so gemeint war –, ist daher ungerecht und würde der Arbeit der Bediensteten des Rechnungshofes sicher­lich nicht gerecht werden.

Frau Abgeordnete Bleckmann hat die Frage aufgeworfen, wie es bewerkstelligt werden kann, dass die Berichte des Rechnungshofes schneller im Hohen Haus behandelt werden. Sie hat auch am Schluss ihres Debattenbeitrages dargelegt, dass der vorlie­gende Bericht bereits im Juni 2004 dem Nationalrat zugeleitet wurde. Wir werden also von Seiten des Rechnungshofes – ich habe das bereits angekündigt, wir arbeiten derzeit daran – darauf hinwirken, mehr Aktualität zu bringen, schneller zu sein, auch aktuelle Themen aufzugreifen. Da wir dazu ein Zusammenwirken von Nationalrat und Rechnungshof benötigen, ersuche ich in diesem Zusammenhang um das nötige Entgegenkommen seitens des Nationalrates beziehungsweise auch des Rechnungs­hof­ausschusses, um die Berichte tatsächlich schneller ins Plenum zu bekommen.

Ich möchte mich auch recht herzlich dafür bedanken, dass gerade seit Beginn meiner Amtszeit im Juli 2004 die Berichte des Rechnungshofes äußerst intensiv im Rech-


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nungshofausschuss behandelt und debattiert wurden. Dadurch finden auch jene Argumente, die der Rechnungshof bringt, entsprechende Berücksichtigung.

Zur Frage, was die Empfehlungen des Rechnungshofes wert sind, möchte ich darauf hinweisen, dass der Rechnungshof ein Organ, ein Hilfsorgan des Nationalrates ist, dass also die Zuständigkeit für die Kontrolle beim Nationalrat liegt. Wir führen die Prüfungen durch, legen Ihnen Empfehlungen vor, es liegt aber im Endeffekt bei Ihnen beziehungsweise bei den geprüften Stellen, was mit diesen Empfehlungen passiert. Ich kann Ihnen versichern, dass der Rechnungshof alles unternimmt, damit die Emp­fehlungen wirklich umgesetzt werden.

Ich habe im Rahmen einer dieser Debatten auch angekündigt, dass ich den Prob­lembereich „Beauftragung von Beratungsleistungen“ in schriftlicher Form an die Bun­desregierung weiterleiten werde. Das habe ich getan, und damit hat sich auch der Ministerrat befasst. Man sieht auch schon, dass in dieser Frage sehr wohl etwas weitergeht – wenn auch nicht in jenem Ausmaß, wie man es sich wünschen würde –, dass auf Grund dieses Schreibens auch gehandelt wurde. Ich lese Ihnen ganz kurz aus einem diesbezüglichen Brief an mich vor – ohne Namensnennung, weil ich nicht die Zustimmung dafür eingeholt habe –:

Ich habe Ihr Schreiben – das heißt, das Schreiben von mir – zum Anlass genommen, um die vom Bundesrechnungshof aufgezeigten Hauptprobleme ebenso wie die im Wahrnehmungsbericht herausgearbeiteten Grundsätze bei der Auftragsvergabe und Beratungsleistungen den in dieser Angelegenheit zuständigen Stellen in meinem Res­sort deutlich zur Kenntnis zu bringen. Ebenso habe ich betont, dass Ihre Institution diese Grundsätze bei künftigen Gebarungsüberprüfungen als Beurteilungsmaßstab für die Beauftragung externer Beratungsleistungen heranziehen wird. – Zitatende.

Das zeigt also, dass die Arbeit des Rechnungshofes sehr wohl fruchtet. Wichtig ist natürlich, dass der Rechnungshof bei seinen Empfehlungen bleiben und auch immer darauf hinweisen muss, dass noch gewisse Punkte offen sind, um zu erreichen, dass die Verwaltung tatsächlich sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig durchgeführt wird.

Es ist auch richtig, dass, wie Frau Abgeordnete Bleckmann gesagt hat, beispielsweise die Prüfung der Studienbeiträge in einem Zeitraum erfolgt ist, als es das Univer­sitätsgesetz 2002 noch nicht gegeben hat. Es hat diese Prüfung jedoch dazu geführt, dass die damals vom Rechnungshof aufgezeigten Hauptprobleme und Empfehlungen eingeflossen sind und seit nunmehr 1. Jänner 2004 auch von den Universitäten beachtet werden – also auch das letztendlich ein Erfolg, weil im stillen Zusam­menwirken mit den geprüften Stellen die Empfehlungen des Rechnungshofes sehr wohl umgesetzt wurden.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass beispielsweise beim Wissen­schaftsförde­rungs­fonds im Endeffekt sehr vieles von dem, was der Rechnungshof vorgeschlagen hat, umgesetzt worden ist, was natürlich die Tätigkeit des Rechnungshofes bestätigt.

Was die e-Card betrifft, so gibt es – das wurde auch schon angekündigt – insgesamt drei Prüfungen: Eine Prüfung ist heute in Behandlung; eine weitere Prüfung, das kann ich Ihnen zusagen, wird dem Hohen Haus in nächster Zeit zugeleitet werden – e-Card 2 befasst sich mit den Jahren 2003 und 2004 –, und eine weitere Prüfung beschäftigt sich mit der Phase der Einführung, also der derzeit laufenden Umsetzung des Projekts. In diesem Bereich sind eben sehr gravierende Mängel passiert, es wurde nicht sparsam und wirtschaftlich agiert, die Projektorganisation war teilweise katas­trophal. Daraus muss man natürlich seine Schlüsse ziehen, und ich hoffe, dass auf Basis des zweiten Berichtes, der Ihnen dann zur Verfügung stehen wird, reagiert wird oder – sollte das in einigen Punkten nicht der Fall sein – zumindest zum Anlass


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genommen wird, auf Grund der bei diesem Projekt gewonnenen Erfahrungen in an­deren Bereichen besser zu agieren.

Ich ersuche Sie in diesem Zusammenhang, die Arbeit des Rechnungshofes zu unter­stützen, kann Ihnen aber gleichzeitig versichern, dass der Rechnungshof auch in Zukunft Rückgrat zeigen und alles unternehmen wird, um Ihnen die nötigen Infor­mationen zu liefern, damit im Sinne der Steuerzahler durch eine sparsame, wirt­schaftliche und zweckmäßige Verwaltungsführung tatsächlich Geld gespart wird, das dann allenfalls für andere Dinge zur Verfügung steht. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP, der SPÖ und der Grünen.)

17.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lapp zu Wort. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.37.01

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Im Wahrnehmungsbericht III-86 der Beilagen gibt es auch einen Bericht über Förderungsmaßnahmen für behinderte Jugendliche. Ich halte das für einen sehr wesentlichen Teilbereich, bietet doch der Rechnungshof damit die einzige Evaluierung der Beschäftigungsoffensive, die von Seiten der Regierung sehr stark propagiert wird. Vom Ministerium wird keine Evaluierung gemacht – oder nicht veröffentlicht –, daher ist es umso wichtiger, dass sich der Rechnungshof mit diesem Themenkreis auseinander setzt. Im Gegenteil: Von Seiten der Regierung wird immer wieder damit gedroht, dass die Bundessozialämter abgeschafft werden sollen.

Der Rechnungshof jedoch hält dazu fest, dass die Bundessozialämter als Kompetenz­zentren für behinderte Menschen in unserem Land wesentlich und wichtig sind und sich auch mehr auf diese Arbeit stürzen müssen, um die vielen Bittgänge, die behin­derte Menschen zu den unterschiedlichen Stellen in Österreich machen müssen, zu straffen, damit die Bundessozialämter als einzige Anlaufstelle dienen.

Es ist auch so, dass nicht sehr viele Zahlen und Daten über behinderte Menschen vorhanden sind, daher gibt es auch keine Planung beziehungsweise ist eine Planung schwer möglich. Es gibt dadurch auch nur kurzfristige Erleichterungen und Maßnah­men, wie eben die Beschäftigungsoffensive eine darstellt. Derzeit ist von Seiten der Bundesregierung keine offensive und allumfassende Politik für behinderte Menschen zu sehen. Die Beschäftigungsoffensive dient der Regierung nur als Feigenblatt, ohne dass darauf geachtet wird, wie sie evaluiert werden sollte. (Abg. Großruck – einen Chronik-Artikel aus der Abendausgabe des „Kurier“ mit der Überschrift „Weiter Privilegien für parteinahe Anbieter von Sozialleistungen“ in die Höhe haltend –: Lesen Sie den Artikel, der heute über die SPÖ Wien im „Kurier“ steht!) – Auch wenn Sie mir jetzt dreinreden, Herr Kollege Großruck, vielleicht könnten Sie das in Verse fassen! (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Beschäftigungsoffensive sei eine wesentliche Maßnahme, wird von Seiten der Regierung immer gesagt, aber es wird nur das Geld über behinderte Menschen aus­geschüttet, ohne zu überlegen, wie zielführende Politik für behinderte Menschen ge­macht werden kann. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck – neuerlich auf den „Kurier“ hinweisend –: Sie ändern den Inhalt Ihrer Rede, wenn Sie das lesen! – Abg. Silhavy – die „Kurier“-Titelschlagzeile „Lebenserwartung steigt: Vorsorge für Junge teurer“ in die Höhe haltend –: Genau dort, Herr Kollege?!)

17.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Schöls zu Wort. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 



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17.39.27

Abgeordneter Alfred Schöls (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin nicht der Meinung des Kollegen Kogler, dass wir im Rechnungshofausschuss Kontroll­verweigerung betreiben (Rufe bei der SPÖ: O ja!), sondern dass wir die Berichte des Rechnungshofes sehr wohl zur Kenntnis und auch sehr ernst nehmen. Ich möchte daher auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungshofes besonders danken, weil sie in der öffentlichen Diskussion miterleben, dass die Opposition immer den blinden Fleck herauskehrt. (Abg. Mag. Gaßner: Die können nichts dafür, dass Sie ...!)

Was hat denn der Rechnungshof in der konkreten Frage e-card kritisiert? – Die Vor­bereitung der Arbeiten! Da beginnt das Problem mit der Vergangenheitsbewältigung bei der sozialistischen Fraktion, weil es sozialistische Sozialminister waren, begonnen von Hums bis Hostasch, die auch als Arbeiterkammerpräsidentin mit verantwortlich war, und die sozialistischen Funktionäre im Hauptverband der Sozialversicherung, von Sallmutter bis Oberchristl und Ähnliche, die bei diesem Projekt, das im Jahr 1996 großartig versprochen wurde, mit einer Vorlaufzeit von einem Jahr schlicht und einfach nicht in der Lage waren, es gut aufzustellen.

Es war in der Ministerschaft des Herbert Haupt, als er die Notbremse gezogen hat, als wir die Verantwortung übernommen und die richtigen Schritte gesetzt haben. Der Rechnungshofbericht kritisiert zu Recht die mangelhafte Vorbereitung durch die SPÖ-Funktionsträger. Der Herr Präsident hat ja angekündigt, dass die Berichte 2 und 3 die Möglichkeit geben werden (Zwischenruf des Abg. Reheis), dass wir auch das aufarbeiten, was jetzt von der zuständigen Ministerin Rauch-Kallat gemacht worden ist. (Abg. Mag. Wurm: Wo steht das?) Daher bin ich froh darüber, dass wir diese Rechnungshofberichte haben. Sie zeigen uns, wo es notwendig ist, einen Kurswechsel vorzunehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! Sie werden zur Kenntnis nehmen müs­sen, dass Sie dann, wenn Sie nicht in Verantwortung sind – vorher haben Sie ja diese Kontrolle verhindert –, kontrolliert werden. Das hat der Rechnungshofbericht getan, und darüber diskutieren wir heute. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Krist. Wunschredezeit: ebenfalls 2 Minuten. – Bitte.

 


17.42.01

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Der Rechnungshof hat wieder einmal in bewundernswerter Schärfe die Missstände im Bereich des gesamten Chipkarten-Projekts aufgedeckt und kritisiert. Dazu kann ich Ihnen einige Beispiele aus der Prüfung e-card 1 nicht vorenthalten.

Zum Beispiel haben die Vorbereitungsarbeiten zu diesem Projekt bereits begonnen, bevor überhaupt gesetzliche Rahmenbedingungen umfassend festgelegt waren. Es hat sich dadurch nicht nur das Projektrisiko, sondern es haben sich auch die Projektkosten wesentlich erhöht. Die Zielsetzungen des Projekts wurden in keinem Punkt erreicht, das sollten Sie von den Regierungsfraktionen sich merken. 130 Millionen wird das Pro­jekt insgesamt an Kosten verursachen, mit einer betriebswirtschaftlich gesehen haar­sträubenden Amortisationszeit von 16 Jahren.

Wie immer sind auch – das hat aber schon Stil – die generösen Beauftragungen von externen Experten sehr problematisch. Es wurden Klagen eingereicht, wie wir wissen, der Staatsanwalt wurde eingeschaltet. Es ist von einem großen volkswirtschaftlichen


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Schaden die Rede. Es wurden Aufträge gegen die Vergaberichtlinien und noch dazu überteuert vergeben. Eine wenig sinnvolle und teure Beauftragung einer Forschungs­gruppe im Bereich der TU Wien wird genauso kritisiert wie die überdurchschnittlichen, nämlich um 45 Prozent überhöhten Geschäftsführerbezüge dieser Gruppe im Vergleich zu anderen Kollektivverträgen. Dem Rechnungshof wurden relevante Unterlagen vor­enthalten, der Aufsichtsrat wurde ausgetrickst und das Vergabegesetz von Geschäfts­führer Kandlhofer ignoriert. Das alles, meine Damen und Herren, ist nachzulesen im Rechnungshofbericht und auch in den Medien!

Reaktionen darauf: Der seinerzeitige Sozialminister Haupt fühlt sich durch die vernich­tende Kritik des Rechnungshofberichtes bestätigt, er sieht dringenden Handlungs­bedarf. Und wie nicht anders zu erwarten war, war auch das Karawanken-Echo wieder zu vernehmen: Von strafrechtlichen Konsequenzen ist die Rede. Aus dem Büro der Frau Gesundheitsministerin war zu hören: Was Haider sagt, ist nicht falsch, und was im Rechnungshofbericht steht, hat seine Berechtigung. Allerdings hat sich die Frau Ministerin seinerzeit nicht für zuständig gehalten, sie schiebt die Verantwortung an den Kollegen Haupt. Der hat in seiner unnachahmlichen Art und in einem Anflug von Nachbarschaftshilfe der Frau Ministerin ihre Aufgabengebiete erklärt, das war ja nachzulesen. Der Geschäftsführer des Hauptverbandes erklärt: Kein Cent oder Euro wurde unnötig „verbraten“. Er setzt noch eins drauf: Wenn man Spitzenleistungen haben will, kostet das etwas. – Das glaubt weder der Rechnungshofpräsident noch sonst jemand.

Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Diese Vorgangsweise zeigt wieder einmal die Professionalität auch der von Ihnen eingesetzten Manager, den sorglosen Umgang mit dem Steuergeld und das Desinteresse an den wirklich wichtigen Themen. Sie glauben ja nicht ernsthaft, dass irgendjemand dieses Chaos unterstützt – wir Sozialdemokraten sicher nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

17.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­ministerin Rauch-Kallat. – Bitte.

 


17.45.05

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Präsident! Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Krist, ich wäre ein bisschen vorsichtig gewesen mit all den Anschuldigungen, die Sie jetzt vorgebracht haben. (Abg. Wimmer: Wo er Recht hat, hat er Recht!) Ich bin hier relativ locker, dieser Rechnungshofbericht bezieht sich nämlich auf einen Zeitraum, als all diese Verantwortung unter sozial­demokratischen Sozialministern und unter einem Hauptverbandschef Sallmutter gelau­fen ist. (Beifall bei der ÖVP.) Sie haben Recht, Herr Abgeordneter Kaipel, wenn Sie sagen, dass es ein Trümmerhaufen gewesen ist. Das war der Trümmerhaufen, den mein Amtsvorgänger Herbert Haupt und ich aufzuräumen hatten. (Abg. Gaál: Stimmt doch nicht!) Lesen Sie bitte den Rechnungshofbericht genau!

Ich darf Ihnen sagen, dass die Chipkarte auf das Jahr 1993 zurückgeht. Der Rech­nungshofbericht beginnt mit 1996, da gab es die Frau Sozialminister Hostasch, wenn ich mich richtig erinnere, und es gab einen Hauptverbandspräsidenten Sallmutter. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Innerhalb von zweieinhalb Jahren, also 1998/1999, sollte die Karte eingeführt werden; 1999 gab es keine Karte. (Abg. Mag. Wurm: Ich wasche meine Hände in Unschuld!) Ich wäre hier also etwas vorsichtig. (Abg. Reheis: Fünf Jahre habt ihr ...!)

Ich gebe aber dem Rechnungshof und auch Herbert Haupt völlig Recht darin, dass das Projektmanagement schwere Mängel aufzuweisen hatte. Ich war nämlich bei meinem Amtsantritt im März 2003 damit konfrontiert, dass die damalige Hauptverbandsführung


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aus dem Vertrag aussteigen musste, den sie nicht abgeschlossen hatte. Man muss dem damaligen Managementvorsitzenden, Herrn Dr. Kandlhofer, sehr dafür danken, dass es ihm bei diesem Ausstieg gelungen ist, Ersatz für den Schaden, der entstanden war, von der Firma zurückzubekommen und damit materiellen Schaden abzuwenden.

Meine Damen und Herren! Die zeitliche Verzögerung kann niemand mehr wettmachen. Ich kann Ihnen auch sagen, ich hatte in den letzten zwei Jahren alle Hände voll damit zu tun, das Projektmanagement in der weiteren Folge halbwegs auf Linie zu halten. Es lebe die Selbstverwaltung – ein Minister hat da relativ wenig Eingriffsmöglichkeiten! Das damalige Projektmanagement – das werden die nächsten Rechnungshofberichte zeigen – hat gute Ratschläge manchmal schlicht und einfach in den Wind geschlagen und musste erst mit sehr viel Mühe dazu gebracht werden, dass das Projekt tatsächlich zum Funktionieren geraten ist.

Ich kann Ihnen erfreulicherweise sagen, dass das Projekt funktioniert, auch wenn einige darüber enttäuscht sein mögen. Die Karte gibt es, sie ist seit Ende Februar im Burgenland im Probebetrieb, und zwar mit mehr als 100 000 Versicherten und 85 Ärz­ten, die sich freiwillig gemeldet haben. Allein in diesem Probebetrieb, der noch bis Ende Mai läuft, haben sich bereits weitere 45 Ärzte aus der Region gemeldet: Sie möchten auch die Ausstattung mit der Gesundheitskarte, mit der Infrastruktur haben.

Es wird Ende Mai der reguläre „Roll out“ beginnen, das Ausrollen der Gesundheitskarte ist voll in der Zeit. Wir können davon ausgehen, nachdem jetzt auch die Ärzteschaft ihre Bedenken zurückgezogen und sich damit angefreundet hat – sogar die Wiener Ärztekammer freut sich mit einer ganz leichten Verzögerung darauf, dieses Projekt übernehmen zu können –, dass mit Ende des Jahres 2005 alle Arztpraxen von Ver­tragsärzten mit der nötigen Infrastruktur und die Versicherten mit den Gesundheits­karten ausgestattet sein werden, sodass spätestens mit 1. Jänner 2006 der Kranken­schein Geschichte sein wird. Damit werden die österreichischen Versicherten nicht nur eine moderne nationale Gesundheitskarte haben, sondern auch eine internationale, die den Auslandskrankenschein ersetzen wird. Wir sind damit auch einigen anderen euro­päischen Ländern ein kleines Stück voraus.

In diesem Sinn danke ich auch dem Rechnungshof immer wieder für konstruktive Kritik. Es war harte Arbeit, aber sie ist letztendlich zu einem guten Ende geführt worden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gaßner zu Wort. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte. (Bundesministerin Rauch-Kallat: ... Vergabe ist alles unter eurer Zeit gewesen! – Abg. Mag. Gaßner – auf dem Weg zum Rednerpult –: Frau Bundesministerin, ich bin vorsichtig!)

 


17.50.00

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Es ist schon spannend, Frau Bundesministerin, ich weiß nicht, was Ihnen noch alles einfällt, woran die Sozialdemokraten schuld sind. Aber wenn ich genau rechne: 1996 bis 1999, drei Jahre – okay, es gab keine e-card. 2000 bis 2005, fünf Jahre – es gibt noch keine e-card!

Es stimmt nämlich nicht – wie Frau Lentsch sich dankend und huldvoll an Sie gewandt hat –, dass im Burgenland flächendeckend diese e-card verwendet wird. (Bundes­minis­terin Rauch-Kallat: Noch nicht! – Abg. Lentsch: Ich habe gesagt, ...!) Ich habe Informationen, dass es genau 60 Ärzte sind, sehr geehrte Frau Bundesministerin, und zwei Bezirke werden aller Wahrscheinlichkeit nach ab Juni flächendeckend damit ausgestattet sein. Meines Wissens hat das Burgenland sieben Bezirke, fünf haben sie


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also noch nicht. Auch ich kann mich nicht bedanken, in Oberösterreich hat sie noch gar keiner. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist auch ganz interessant, wenn man noch einmal kurz auf Frau Kollegin Bleckmann zurückkommt. Sie haben gemeint, die Be­richte sollten schneller kommen. Durchaus d’accord! Wissen Sie aber, was noch wichtiger wäre? – Dass die Berichte ernst genommen werden und dass nicht – was mich persönlich als Mitglied des Rechnungshofausschusses immer wieder stört – die Rohberichte immer schon im Vorfeld draußen sind und in den Medien diskutiert werden! Bestes Beispiel ist der e-Card-Bericht: Der Herr Landeshauptmann von Kärn­ten Jörg Haider hat den Rohbericht schon dem „profil“ gezeigt und dort von kriminellen Machenschaften geredet. Das, glaube ich, schadet den Berichten und der Arbeit im Rechnungshof ganz gewaltig! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zur Beurteilung dieser gesamten e-card-Problematik zitiere ich aus dem Bericht. Da heißt es: Zielsetzungen des Hauptverbandes: Nach den Ziel­setzungen des Hauptverbandes soll die Chipkarte in der ersten Ausbaustufe den Kran­kenschein ersetzen, und so weiter. Dazu der Rechnungshof: Der Rechnungshof stellt fest, dass die Zielsetzungen des Hauptverbandes in keinem Punkt erreicht wurden.

Frau Bundesministerin! Sie sind auch dafür verantwortlich. (Beifall bei der SPÖ.)

17.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Diese Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-86 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

17.53.305. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Wahrnehmungsbericht (III-82 d.B.) des Rechnungshofes über die Budgetkonsolidierung (873 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reheis. Wunschredezeit: 3 Minu­ten. – Bitte.

 


17.53.40

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Wenn man sich anschaut, was heute Nachmittag schon andiskutiert wurde, gerade auch bei der Behandlung der Dringlichen, dann muss man auch hier wieder feststellen, dass diese Bundesregierung die höchste Verschuldung, eine drastische Kürzung der Pensionen, eine gescheiterte Verkehrspolitik, den Ausverkauf des Landes, eine dramatische Arbeitslosenzahl – die höchste Arbeitslosigkeit seit 1945! –, eine Bildungskrise, wach­sende Kriminalität, Aushungerung des ländlichen Raumes und vieles mehr zu verant­worten hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Aber dafür, meine Damen und Herren (Abg. Neudeck: Das war so bis 2000!), leisten wir uns den teuersten Milliarden-Deal der Zweiten Republik. Jetzt haben wir es vom Rechnungshof amtlich: Bei der größten Rüstungsbeschaffung der Zweiten Republik setzten Schwarz-Blau I und der damalige FPÖ-Verteidigungsminister Herbert Scheib­ner nicht nur auf Tarnen und Täuschen, nein: Der Kauf der 18 Eurofighter wurde, gelinde gesagt, unprofessionell durchgeführt! Das, meine Damen und Herren, sagt nicht Gerhard Reheis, sondern das sagt Günther Schröder in der „Tiroler Tages­zeitung“ vom 21. April 2005, und er trifft genau das, was wir hier immer schon gesagt haben, meine Damen und Herren: Unprofessionell und mit zahlreichen Ungereimt­heiten behaftet! (Beifall bei der SPÖ.)

Da wir vorhin über die Gesundheitsreform geredet haben: Nach der Hochwasser­katastrophe wurde die Zahl von 24 Abfangjägern auf 18 reduziert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ein Abfangjäger weniger – und die Gesundheitsreform wäre finanziert, meine Damen und Herren! Aber da, wo es sinnvoll wäre, reduziert man nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Andererseits haben wir massive Kosten festzustellen, die sich von der ersten Dis­kussion an gesteigert haben. Zuerst kostete die Beschaffung 1,132 Milliarden €, und jetzt sind wir bei 2 Milliarden €, ohne die Betriebskosten mit einzurechnen und ohne die Ausbildung der Piloten für die Abfangjäger mit einzurechnen. (Abg. Neudeck: ... zur Sache rufen? Er redet zum falschen Bericht!) Da ist es kein Wunder, wenn der Rech­nungshof Folgendes kritisiert: Nicht jeder Eurofighter fliegt gern im Dunkeln; der Rechnungshof sieht eine mangelnde Einsatzbereitschaft der Eurofighter, weil beim Kauf geknausert wurde, und so weiter. (Abg. Neudeck: Das steht ja gar nicht in dem Bericht!)

Meine Damen und Herren! Ungereimtheiten bestanden bei den Kosten, die aufzuklären sind, Ungereimtheiten sind bei der Ausschreibung festgestellt worden. (Abg. Neudeck: Das steht ja nicht drin!) Sie verweigern die Aufklärung. Es gibt neue Belastungen, die ebenfalls nicht aufgeklärt worden sind, und die Wirtschaftsplattform, die vom Herrn Bundeskanzler angekündigt wurde, ist der Ober-Flop schlechthin: Diese Wirtschafts­platt­form hat es nie gegeben! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Neudeck.)

Das ist schlicht und einfach die teuerste Fehlentscheidung der Zweiten Republik – und die haben Sie zu verantworten! (Beifall bei der SPÖ.)

17.56


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Tamandl zu Wort. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.57.04

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Herr Rechnungshofpräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Herr Kollege Reheis hat den Bericht verwechselt, denn wir sprechen über den Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes betreffend Budgetkonsolidierung 2001 und 2002. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Neudeck: Der hat den anderen auch nicht gelesen!) Diese war sehr erfolgreich. (Abg. Mag. Wurm: Ist Ihnen das peinlich ...?)

Während nämlich 2001 das Nulldefizit überwiegend auf der Einnahmenseite beruhte, was vor allem auf die Verzinsung von rechtzeitigen Steuerzahlungen und nicht auf Steuererhöhungen zurückzuführen war, beruhte die Budgetkonsolidierung im Jahre 2002 vor allem auf ausgabenseitigen Maßnahmen beziehungsweise auf Einsparungen von fast 2 Milliarden €. (Abg. Mag. Kogler: Die Budgetsanierung 2002 ...! Unglaublich! Kollege Stummvoll, leisten Sie Aufklärungsarbeit in Ihrem Klub!)


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Auch die Länder und Gemeinden haben ihre Verpflichtungen auf Grund des öster­reichischen Stabilitätspaktes 2001 erfüllt und damit einen wesentlichen Beitrag zur Bud­getkonsolidierung geleistet. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Wie der Rech­nungshofbericht allerdings auch aufzeigt, konnten alle Bundesländer – bis auf Nieder­österreich und Wien – ihren Maastricht-Schuldenstand verringern. Wien schaffte es, seinen Schuldenstand von 2000 bis 2004 gleich um 4 Prozent zu erhöhen! (Abg. Neugebauer – in Richtung SPÖ –: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ, wenn Sie in Ihrer üblichen Leier die Leis­tungen der Bundesregierung schmälern und die Zahlen und Argumente, die den Erfolg belegen, anzweifeln, dann rate ich Ihnen, einmal Ihre eigenen Aussagen zu verifizieren und auf den Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Ein kleines Beispiel dazu von der Homepage der Wiener SPÖ; dort steht beispielsweise: „Die Bundeshauptstadt hat seit dem Jahr 2001 einen ausgeglichenen Haushalt“. – Ach so, wirklich?

Weiters liest man: „Wien hat in den vergangenen Jahren konsequent Schulden abge­baut.“

Und es steht dort weiters: „All das haben wir ohne Sozialabbau und Belastungspakete erreicht.“

Ach so, das ist aber interessant! Schauen wir uns doch einmal die Wiener Tariferhö­hungen der letzten Jahre an. Die Wiener Linien zum Beispiel haben im Juni 2002 eine massive Erhöhung der Tarife vorgenommen, bei einzelnen Preisen sogar um 25 Pro­zent. (Abg. Dr. Matznetter: War das mehr oder weniger als die Inflation?) Oder seit September 2002 sind beispielsweise für den ganztägigen Besuch von Krippen und Kindergärten 196 € pro Monat zu bezahlen; das entspricht einer Erhöhung von 7 Pro­zent, und für einen Halbtagesplatz sind es sogar 20 Prozent an Erhöhung. (Abg. Dr. Matznetter: ... nicht erhöht!) Von den Müllgebühren brauchen wir erst gar nicht zu reden: Der Grundbetrag für Sammelbehälter von 110 Liter und 129 Liter Inhalt wurde um 25,9 Prozent erhöht. (Abg. Dr. Matznetter: Was war die Inflation?) – Diese Liste ließe sich ewig fortsetzen, da würden wir morgen noch hier stehen – eine Liste der angeblichen SPÖ-Wahrheiten!

Kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Abg. Dr. Matznetter: Frau Tamandl, Sie sind ...!) Und während Sie das tun, denken Sie immer daran: Österreich ist auf einem erfolgreichen Weg (Zwischenrufe bei der SPÖ) – und wird es mit dieser Bundesregierung auch weiterhin bleiben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


18.00.30

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum vorigen Tagesordnungspunkt sei noch angemerkt: Wir freuen uns, wenn Regierungsmitglieder bei Debatten über einen Rechnungshofbericht anwesend sind. Ein wenig eigenartig ist allerdings, dass sich Frau Bundesministerin Rauch-Kallat zur Vorsicht fast als Letzte zu Wort gemeldet hat. Das ist an sich unüblich und auch nicht im Sinn einer wirklich den Austausch fördernden Debatte hier. Aber sei’s drum! Bei anderen Materien halten wir das nämlich auch so, und ich sehe eigentlich nicht ein, warum wir das bei Kontrollberichten anders machen sollten. Gerade da wäre ja angezeigt, dass es zu einer Wechselrede käme. Wie auch immer: Ich rede nicht zu den Abfangjägern, keine Angst! (Beifall bei den Grünen.)


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Trotzdem gibt es einen Konnex zum Vorliegenden. Es geht auch in diesem Budget­konsolidierungsbericht um viel Geld. Fest steht, dass sich sehr viele in einem Punkt einig sind, nämlich darin, dass es sich dabei um die teuerste Fehlinvestition der Re­publiksgeschichte handelt. – Stichwort Gedankenjahr. Aber das werden wir noch ausdiskutieren.

Zum vorliegenden Wahrnehmungsbericht über die Budgetkonsolidierung: Da gäbe es viel zu sagen. Sollen wir jetzt über die Budgetpolitik der Bundesregierung reden oder die Arbeit des Rechnungshofes würdigen. Ich meine, man kann beides. Ich möchte einen Schluss bezüglich der Budgetpolitik herausgreifen, der hier im Bericht durchaus in Anlehnung an das Wirtschaftsforschungsinstitut gezogen wird.

Gerade vorhin wurde wieder das so genannte Nulldefizit – was das eigentlich für ein eigenartiger Ausdruck ist! – für das Jahr 2001 bejubelt. Die restriktive Budgetpolitik hat im Jahr 2002 angehalten. Genau das können sie hier drinnen nachlesen. Es gibt jedoch makroökonomische Untersuchungen darüber, wie sich das ausgewirkt hat. Die restriktiven Effekte, also jene, die sich dämpfend auf die wirtschaftliche Prosperität auswirken, waren 2001 mit minus 0,4 Prozent und 2002 immerhin mit minus 0,9 Prozent zu veranschlagen.

Das hat natürlich alles einen ursächlichen Zusammenhang, das sind zusätzliche Effekte als Auswirkungen fiskalpolitischer Maßnahmen, und zwar zusätzlich zur kon­junk­turellen Lage, die sich damals schon erkennbar abgeschwächt hat. Das haben wir Ihnen oft genug gesagt, und ich meine, es ist nicht das Problem, ob sich irgendein Budgetsaldo zwischendurch auf null ausgeht oder nicht. Er könnte ja auch einmal wie in den skandinavischen Ländern positiv sein. Da müsste man sich allerdings über eine andere Steuerpolitik oder sonstige Maßnahmen unterhalten. Dass sich allerdings akkurat für das Jahr, in dem die weltwirtschaftliche Nachfrage am deutlichsten zurück­gegangen ist, der österreichische Finanzminister bis heute dafür feiern lassen will, dass er 2001, zum unglücklichsten Zeitpunkt – makroökonomisch; persönlich hat er etliche unglückliche Zeitpunkte herbeigeführt – das mit verschiedenen Maßnahmen – sie sind erwähnt worden – entsprechend forciert hat, das soll nicht unerwähnt bleiben, und das steht auch in diesem Bericht. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt einfach ein paar ökonomische Grundweisheiten, die Sie sich zwischendurch wieder zu Gemüte führen sollten. Abgesehen davon haben auch sehr viele Vorzieh­effekte dazu beigetragen. Und siehe da, im Jahr 2002, für das es eigentlich prognos­tiziert worden war, war es plötzlich ohnehin wieder weg, weil die gleichen Steuern, die vorzeitig hereingekommen sind, im Folgejahr natürlich wieder gefehlt haben, was zu prognostizieren auch keine Kunst war.

Das führt mich zu einem nächsten Punkt: die leidige Frage von Doppelbudgets. Immer wieder stellen wir fest, dass – egal, in welche Richtung die Abweichung vom prognos­tizierten Saldo stattfindet, positiv wie negativ, wobei es immerhin ein Bundesfinanz­gesetz ist, das wir hier beschließen – die Abweichung umso höher ist, je weiter der Zeitpunkt des Beschlusses vom Vollzug entfernt ist. Das ist auch ganz logisch so. Doppelbudgets haben das nun mal so an sich, dass zumindest das zweite Jahr weiter weg ist, das ist ja ganz logisch, und deshalb haben wir hiezu auch vermehrt unsere Skepsis angemeldet. Auch das könnte man hier wieder herauslesen.

Einen Punkt nehme ich jetzt noch mit, der uns ja auch schon länger beschäftigt, eigentlich die Republik noch viel länger als die Grünen, und zwar den, dass unter dem Deckmantel, so muss man es fast sagen, des Föderalismus schlicht und ergreifend die Partie aufgehalten wird. Und das sollte sich vor allem die so genannte schwarze Reichshälfte wieder zu Gemüte führen.


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Hier im Bericht geht es auch um Bund-Länderverschränkungen, was die Finanzströme betrifft. Wir erleben immer wieder – so etwa in Fragen der Wohnbauförderung –, dass der Bund sehr viel Geld hergibt. Das ist ja wirklich ein eigenartiger Vorgang: Die Länder schreien immer, wie toll sie budgetieren oder sonst irgendwas. Die nehmen keine einzige Steuer ein, bekommen das Geld, haben dann sozusagen mit der vollen Hose leicht stinken – und zeigen zugleich auf den Bund.

Und was geschieht in der Wohnbauförderung? Da geht es jetzt noch immer um 1,8 Milliarden € pro Jahr, bitte. – Es gibt Bundesländer, von denen das für irgendwas ausgegeben wird – bloß nicht für Wohnbauförderung. Auch das ist aus diesem Bericht herauszulesen.

Nicht genug damit: Manche so genannte Konsolidierungsbemühungen der Länder sind ja nur deshalb zustande gekommen – auch das können Sie hier nachlesen –, weil sie die Rückforderungen aus den Wohnbaudarlehen längst schon wieder verkauft haben und auch andere maastricht-kosmetische Maßnahmen, wenn man das einfach aus­drücken will, vorgenommen wurden.

So steuern die Länder in eigener Verantwortung auf ein bestimmtes Limit zu, und dieses ganze Maastricht-Rodeo wird demnächst – es wird nicht mehr lange dauern, denn es gibt nicht mehr viel zum kreativ Buchhalten – ein böses Erwachen bringen. Das geschieht alles unter wunderbarer Beteiligung der angeblichen Konsolidie­rungs­partei ÖVP. Diese Hausnummernökonomie ist bald fertig! (Beifall bei den Grünen.)

18.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Staatssekretär Dr. Finz zu Wort. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


18.06.37

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Was war die Situation im Jahre 2000? – Wir hatten 30 Jahre langes Schuldenmachen zu beenden gehabt, Schuldenmachen im Ausmaß von bis zu 5 Prozent Defizit pro Jahr. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Was heißt das, wenn man so viele Schulden macht? – Bei einem 60-Milliarden €-Budget bedeutet das einen jährlichen Zinsendienst zwischen 6 und 7 Milliarden €. Die Jugend muss für alte Schulden Zinsenzahlungen von 6 bis 7 Milliarden € leisten. Das Geld fehlt dann für die Universitäten, das fehlt für Sozialtransfers und für vieles andere mehr. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Obwohl es in den Jahren 1995/1996 ein Sparpaket gegeben hat, ist das Defizit im Jahre 1999 noch immer bei 2,2 Prozent gelegen. (Abg. Dr. Jarolim: Sie sprechen hier nicht in Ihrer Funktion als ÖVP-Obmann!) Noch immer bei 2,2 Prozent! Die Gesamt­verschuldensrate war 66,5 Prozent – bei einer Abgabenbelastungsquote von 44 Pro­zent.

Wo sind wir heute, im Jahre 2006? – Wir werden trotz der größten Steuerreform aller Zeiten im Ausmaß von 3 Milliarden € nur ein Defizit von 1,7 Prozent haben! Die Gesamtverschuldensquote ist auf 62,8 Prozent gesunken, und wir erreichen bei der Abgabenbelastung schon fast die 40 Prozent. Diese Zahlen sprechen für sich! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Neudeck zu Wort. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 



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109. Sitzung / Seite 185

18.08.26

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Es war ja geradezu verwunderlich, dass die Kollegen von der SPÖ munter geworden sind, als sie ihre eigenen Schuldenzahlen gehört haben, aber das ist eben auch ein Teil ihrer Vergangenheit. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist Teil Ihrer Vergangenheit!

Kollege Cap hat in einer Fernsehsendung die Schulden der FPÖ mit den Ihren ver­wechselt. Ich möchte noch immer nicht tauschen, ich sag’s Ihnen nur. Also denken Sie nach, bevor Sie etwas sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Reheis hat hier über die Eurofighter geredet, und dazu hat er nicht einmal den Rechnungshofbericht gelesen, sondern vermutlich die „Tiroler Tageszeitung“. Wir haben heute dreimal Rechnungshof auf der Tagesordnung: einmal Teilgebiete der Gebarung des Bundes, den Wahrnehmungsbericht, die Budgetkonsolidierung und dann das Bezügebegrenzungsgesetz. Kollege Reheis, wo haben Sie da die Flieger drinnen gefunden? – Nirgends! Die „Tiroler Tageszeitung“ war aber heute nicht auf der Tagesordnung, sondern der Rechnungshof. (Abg. Mag. Kogler: Verschwendung war das Thema, und da passt es recht gut!)

Meine Damen und Herren! Der Rechnungshof hat zur Budgetkonsolidierung durchaus auch Kritisches gesagt – das haben sie schon von Oppositionskollegen gehört –, hat aber auch festgestellt, dass neben einer gesteigerten Haushaltsdisziplin und struk­turellen Maßnahmen der Überschuss der Länder insbesondere durch die Umstellung der Wohnbauförderung auf maastricht-neutrale Darlehensmodelle und die positive An­wendung der Auslegungsregelungen des europäischen Systems der volkswirtschaft­lichen Gesamtrechnung sowie die Ausgliederung der Krankenanstalten und der Im­mobiliengesellschaft der Grund waren, warum ein ausgeglichenes Budget bezie­hungsweise ein geringeres Defizit erreicht werden konnte.

Anzumerken ist auch, dass die Neuausrichtung der Wohnbauförderung zirka 50 Pro­zent zu den stabilitätsrelevanten Überschüssen der Länder beigetragen hat. Meine Damen und Herren, wenn ein Kollege hier gesagt hat, dass die Wohnbauförderung zum Teil schon für andere Sachen vergeben wird und nicht nur für den Wohnbau, so ist die Frage, ob dies direkt durch die Länder oder auf dem Umweg über gemein­nützige Gesellschaften geschieht.

Ich bin daher der Meinung, dass es dringend erforderlich ist, die Rechnungs­hofprüfungsmöglichkeit auch auf gemeinnützige Wohnbaugesellschaften auszudeh­nen, denn ich meine, wir könnten so zur Budgetkonsolidierung noch einmal etwas beitragen, weil dann die Wohnbauförderung wirklich Bedürftigen zugute käme und keine Mittelstandsförderung mehr wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Mag. Kogler.)

18.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Böhm zu Wort. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


18.11.23

Abgeordneter Franz Xaver Böhm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Zum ersten Mal seit 30 Jahren hatte Österreich im Jahre 2001 keine neuen Schulden mehr gemacht, wie Herr Staatssekretär Finz vorhin ausgeführt hat. Das Nulldefizit wurde Wirklichkeit; die Trendumkehr war gelungen. Die Ausgangs­lage war äußerst schwierig.


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Erinnern wir uns zurück: Durch einen großen Schuldenberg war Österreich in das Schussfeld der Kritik geraten. Von einem ausgeglichenen Haushalt, wie ihn der Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU vorsieht, war Österreich weit entfernt. Mit der Höhe des Budgetdefizits bildete Österreich das Schlusslicht in der EU.

Budgetkonsolidierung bedeutet nichts anderes als entweder Ausgaben zu reduzieren, wobei man allenfalls etwas wegnehmen muss, oder Einnahmen zu erhöhen, wobei man allenfalls den Bürgern neue Steuern auferlegen muss. Budgetkonsolidierung ist also nie angenehm, aber wir hatten leider das Problem, dass es zur Budget­kon­solidierung keine Alternative gab. Eine „Alternative“ wäre gewesen, weiter Schulden zu machen und die Zukunft unserer Kinder nicht zu gewährleisten. Das konnten wir zweifellos nicht verantworten, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Kogler: Und jetzt, wo es um Steuerzuckerln geht, können Sie es schon verantworten?)

Der Rechnungshof bestätigt den Erfolg der österreichischen Budgetpolitik in den Jahren 2000 bis 2002. Nach drei Jahrzehnten teilweise deutlicher Budgetdefizite und damit steigender Schulden wurden in den Jahren 2000 und 2002 die öffentlichen Finanzen trotz grundsätzlich schwieriger konjunktureller Lage erfolgreich konsolidiert. Der Konsolidierungspakt aus dem Jahre 2000 sah erst für 2002 einen ausgeglichenen Staatshaushalt vor. – Laut Bericht wurde das Nulldefizit mit einem Überschuss von 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bereits 2001 und somit ein Jahr früher als geplant erreicht beziehungsweise durch ein geringes Defizit von 0,2 Prozent im darauf folgenden Jahr bestätigt.

Der Rechnungshofbericht hebt hervor, dass speziell im Jahre 2002 die Konsolidierung überwiegend durch ausgabenseitige Maßnahmen erfolgt war. Die Ausgabenquote, das heißt die öffentlichen Ausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, war dabei von 54,2 Prozent auf 52,4 Prozent des BIP gesunken.

Ich komme schon zum Schlusssatz: Der Rechnungshof betont – entsprechend der Ziele der Bundesregierung – die Stabilisierung der öffentlichen Finanzen auf lange Sicht und verweist auf die Notwendigkeit eines ausgeglichenen gesamtstaatlichen Bud­gets, auch wenn kurzfristig eine Erhöhung des Haushaltsdefizits vor allem durch die Steuerreform 2004 und 2005 zu erwarten ist, und das im Sinne der österreichischen Wirtschaft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.13


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-82 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und angenommen.

18.15.006. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht (III-115 d.B.) des Rechnungshofes gemäß Art. 1 § 8 Bezügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2002 und 2003 (871 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nunmehr zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


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Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Becher. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


18.15.02

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wir heute den Ein­kommensbericht des Rechnungshofes diskutieren, möchte ich das doch auch zum Anlass nehmen, Ihnen, Herr Präsident Dr. Moser, und Ihren Mitarbeitern für den sehr aufwändig erstellten Bericht herzlich zu danken. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mandak.)

Die Daten des Rechnungshofberichtes bestätigen aber auch eindeutig, dass wir es in Österreich mit einer sehr beschämenden Entwicklung der Realeinkommen zu tun haben. Gemessen am Anstieg der Inflationsrate haben wir bei den Einkommen der mittleren Erwerbstätigen einen Einkommensrückgang zu verzeichnen, das heißt, die geringfügige Erhöhung der Einkommen wurde durch die Inflation weggefressen.

Diese Entwicklung lässt sich auch nachweisen, wenn wir uns die soziale Stellung der einzelnen unselbständigen Einkommensbezieher ansehen. Wirklich alarmierend sind die geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede, die sich weiter verschärfen. Die zuständige Frauenministerin hat es nicht geschafft, die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen, zwischen den Geschlechtern zu verringern. Ich sehe es eigentlich als blanken Zynismus an, wenn die Frau Ministerin all jenen Arbeiterinnen, die zwischen 2002 und 2003 mit einem Einkommensrückgang von 1,9 Prozent kon­frontiert waren, nämlich auf 7 685 € netto Median-Jahreseinkommen, zu sagen, Eigen­verantwortung sei gefragt, so wie es mit der APA-Aussendung vom 29. Dezember des Vorjahres geschehen ist. Das kann aber auch nicht die Antwort an jene Angestellten sein, die wissen wollen, warum die weiblichen Angestellten noch immer um 38 Prozent weniger als die männlichen Angestellten verdienen.

Eine wesentliche Ursache dieser Einkommensunterschiede ist die Teilzeit­beschäf­tigung, die sich seit 1980 von 17 Prozent auf 33 Prozent im Jahre 2003 erhöht hat. In der gleichen APA-Aussendung sagte die Frauenministerin, ihr sei es lieber, wenn Frauen teilzeitbeschäftigt sind als gar nicht. – Das ist für mich eine Selbstver­ständ­lichkeit. Das kann jedoch nicht die Antwort sein, denn es ist selbstverständlich, dass man alles tun muss, um die Rahmenbedingungen zu verbessern, und alles nur Erdenkliche zu tun hat, um da eine Veränderung herbeizuführen.

Dazu ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen notwendig. Es ist im Sozialbericht einiges aufgezeigt worden; Reformbedarf ist auch im OECD-Bericht geortet worden. Diese Maßnahmen erstrecken sich vom Vaterschutzmonat über den Ausbau der Kinder­betreu­ungseinrichtungen und mehr Mittel für das AMS für Frauenschwerpunkte bis hin zu einer Frauenarbeitsstiftung. All das wäre längst notwendig, aber von der Frauen­ministerin ist in dieser Hinsicht nichts zu erwarten; sie hat kapituliert.

An einer sozialdemokratischen Regierung wird es liegen, das Problem der Einkom­mensungleichheit zu beseitigen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Hornek zu Wort. Wunschredezeit ebenfalls 3 Minuten. – Bitte.

 


18.18.54

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Der dritte Bericht des Rechnungshofes legt in erster Linie die durchschnittlichen Einkommen gemäß Artikel 1 § 8 Abs. 4 des Bezügebegrenzungsgesetzes nach Branchen, Berufs-


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gruppen und Funktionen für die Jahre 2002 und 2003 auf Basis der Erhebungen der Bundesanstalt Statistik Austria dar.

Der ebenso angestrebte Bericht gemäß Artikel 1 § 8 Abs. 3 des Bezügebegrenzungs­gesetzes über Rechtsträger, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, wurde auf Grund eines Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisses nicht ermöglicht, da hier Be­stimmungen der Datenschutzrichtlinie der Anwendung jener Bestimmungen des Bezü­ge­begrenzungsgesetzes entgegenstanden und eine namentliche Offenlegung der Be­züge und die Beschaffung von Daten zu diesem Zweck nicht zuließen.

Das in lobens­werter Weise erstellte Zahlenwerk beruht auf Administrativdaten und da insbe­sondere auf Steuer- und Sozialversicherungsdaten. So wurden auf rund 400 Seiten die Ein­kommen der unselbstständig und selbstständigen Erwerbstätigen, Daten aus der Land- und Forstwirtschaft sowie die Einkommen der Pensionisten dargestellt. Erstmals werden im Bericht – nach Anregung des Vorgängerberichtse – auch Einkommens­ergebnisse in Verbindung mit Informationen zur Arbeitszeit präsentiert, um eine objek­tivere Aussagekraft der Daten zu gewährleisten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Bericht des Rechnungshofes gibt ein umfas­sendes Bild der durchschnittlichen Einkommen der österreichischen Bevölkerung im Jahre 2003. Unselbstständig Erwerbstätige verdienten im Durchschnitt 21 060 €; diffe­renziert zwischen Frauen und Männern: 15 380 € die Frauen und durchschnittlich 25 830 € die Männer. Das mittlere Jahreseinkommen ist bei männlichen Beamten am höchsten, am zweithöchsten bei den weiblichen Beamten; der dritthöchste Wert wird bei den männlichen Angestellten festgestellt. Alle weiteren Zahlen können Sie dem umfangreichen Werk entnehmen, das in Telefonbuchstärke vor dem Präsidenten des Rechnungshofes aufliegt.

Die Einkommen der Pensionisten lagen durchschnittlich bei 14 220 €. Unterscheidet man weiter nach Pensionsversicherungsanstalten, liegt das Bruttojahreseinkommen der beiden Sozialversicherungsanstalten der Selbstständigen unter jenem der Un­selbst­ständigen. Besonders niedrige Pensionen lassen sich bei den Pensionisten der Sozialversicherungsanstalt der Bauern erkennen. Hier befindet sich das mittlere Einkommen der Alterspension in einer Höhe von 8 774 €.

Abschließend möchte ich mich noch einmal lobend für die Erarbeitung dieses umfang­reichen Berichtes bedanken. Die Zusage des Rechnungshofpräsidenten, diesen Bericht noch weiter zu differenzieren und mehr schlussfolgernden Text einzubringen, wird der Politik zukünftig ein noch besseres Nachschlagewerk und Hilfe für die Ent­scheidungsfindung sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Mag. Kogler. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


18.22.23

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Bei 4 Minuten Rede­zeit lasse ich den dicken Bericht gleich auf der Bank. – Jedenfalls: ein gutes Werk. Ich glaube, Präsident Moser wird, wenn er noch Stellung nimmt, erklären kön­nen, wie das in Zukunft für die Verwender des Berichtes, namentlich die Abgeord­neten, noch besser und nachvollziehbarer gestaltet werden kann. Ich will also sofort nach diesem Lob in die Sache einsteigen.

Es ist natürlich bedauerlich, was den Teil 1, Gehaltsoffenlegungen, betrifft, der ja in Wirklichkeit in diesem Bericht nicht vorhanden ist und nicht vorkommt, weil der Verfas­sungsgesetzgeber in den neunziger Jahren natürlich etwas Schlaues gemeint und gewollt hat. Ob das jetzt noch sanierbar ist oder nicht, darüber könnten wir uns wirklich


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109. Sitzung / Seite 189

einmal den Kopf zerbrechen. Ich will das nicht ohne weiteres zur Kenntnis nehmen, dass diese gute Idee von damals so salopp „versenkt“ werden soll.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, die Europäische Menschenrechtskonvention, Daten­schutzrichtlinien und sonst etwas können, wenn wir das Gesetz gescheit formulieren, nicht dem entgegenstehen, dass es diese Nennungen gibt, denn immerhin ist es ja auch auf europäischem Boden so, dass in sehr vielen Ländern sogar Personen, die überhaupt nicht in öffentlichen Beschäftigungsverhältnissen stehen, ganz normal, ganz regulär, quasi telefonbuchartig mit ihrem Einkommen, mit ihren Steuerzahlungen erfasst sind.

Man muss das vielleicht nicht wollen, aber, bitte schön, den Grundrechten in Europa würde das sicherlich nicht widersprechen. Also dieses Pathos können wir gleich wieder versenken. Vielleicht haben wir das nicht schlau genug gemacht als Verfas­sungsgesetzgeber. Wir könnten – und wir sollten das sanieren. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Neudeck.)

Nächster Punkt: Die Einkommensentwicklung ist ja klar ersichtlich in diesem Bericht. Man muss hinzufügen, dass er kaum an irgendwelchen Stellen sozusagen inflations­bereinigt ist. Das ist aber nicht die Schwäche des Berichtes, denn das lässt man einmal drüberlaufen. Wir haben das gemacht, und man kommt zu dem Ergebnis, dass das sogar bei den Bruttobezügen so ist, nicht einmal nur bei den Nettobezügen, denn da hat ja diese Bundesregierung auch jahrelang nichts getan, und die Bezieher der untersten Einkommen haben nichts bekommen – mit Ausnahme der Belastungen. Das ist ja bis zum Schluss so geblieben, bitte! (Abg. Scheibner: Geh, geh, geh, geh!)

Die 2 bis 2,5 Millionen Menschen, die am wenigsten verdienen – seien es Pensionis­ten, seien es sogar ArbeitnehmerInnen, viele Frauen – bekommen von Ihrer sogenann­ten „Entlastung für alle“ exakt null. Sie haben nur Belastungen! Und deshalb werden wir nicht müde werden, immer wieder auf diese – ordnungsrufverdächtiges Wort – Fehlinformation hinzuweisen. (Abg. Scheibner: Du schaust aber sehr müde aus!) Das lassen wir uns einfach nicht bieten, denn die reale Situation ist dramatisch genug! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber nicht genug damit, dass die Bruttolöhne bei den unteren 10 beziehungsweise 20 Prozent der Einkommen stagnieren: Netto gehen sie zurück! Das ist ja der Befund, dass der Markt die Bruttolöhne, also vor Steuern, nicht einmal mehr hergibt. Das muss einem ja zu denken geben, wohin das führt! Und das können wir bis 1995 zurück­rechnen – Präsident Verzetnitsch weiß das –, wo es in bestimmten Einkommensseg­men­ten eigentlich schon eine schwere Stagnation gibt. Natürlich ist das die Folge vieler Faktoren, aber Sie können nicht so tun, als wäre da nicht wirklich gezielt gegen­zusteuern und wirklich einmal ein Armutsbekämpfungsprogramm einzuleiten, das diesen Namen auch tatsächlich verdient, und auch Beschäftigungsinitiativen, die über das hinausgehen, was jetzt gefördert wird und worüber Sie so jubeln. Nicht dass die Teilzeit als solches schlecht ist, nein, aber wenn das dazu führt, dass Leute, die eigentlich noch mehr verdienen könnten und wollten, nicht in die Lage dazu versetzt werden, dann ist das ein Problem.

Der Präsident des Rechnungshofs weiß ja genau, wie er das statistisch dann noch auseinanderklauben kann, und er hat das ja auch im Ausschuss schon vorgeführt. Da sind wirklich die Armutsindikatoren herauslesbar. Daher tatsächlich noch einmal Lob an den Rechnungshof, denn das ist ein Bericht, mit dem Wirtschaftspolitiker, Sozial­politikerInnen hervorragend arbeiten können. Das war gar nicht einmal so ohne weiteres zu verlangen, zu erwarten. Das Ding arbeitet und funktioniert – und es ist das eine wirklich gute Sache.


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Das alles – damit bin ich schon fertig – vor dem Hintergrund einer Debatte, die mittlerweile völlig zu Recht geführt wird, wenn man so will eine so genannte Gerech­tigkeitsdebatte. Die Managergehälter in Österreich gehören zu den höchsten in Euro­pa. Man wird sie ihnen nicht neidig sein von vornherein, aber zum Jammern gibt es da keinen Anlass, vor allem dann nicht, wenn ich mir die Vorboten für die nächste Steuer­reform anhöre: Dort gehört etwas gemacht, dort und dort. Der „arme obere Mittel­stand“ – was auch immer das ist. Also die IV wird schon wieder ihre Inseratensujets vorbereiten, das ist uns schon klar, aber ich sage Ihnen, es wäre gut, sich den wirk­lichen Problemen zuzuwenden, und die spielen sich zumindest im unteren Einkom­mensdrittel ab. Wir sind auf dem Weg in die viel apostrophierte und zu Recht schlecht beleumundete Ein-Drittel-/Zwei-Drittel-Gesellschaft. Das wird Realität, und Sie können die Augen davor nicht verschließen! Nehmen Sie das wenigstens anlässlich so eines Rechnungshofberichtes zur Kenntnis!

Abschließend: Es geht ja nicht nur um die Managergehälter, es geht schlicht und ergreifend um Steuergerechtigkeit! Dieser Begriff wird Sie noch weiter verfolgen. Es hat keinen Sinn, sich zu überlegen, wie wir noch mehr Betriebe irgendwie günstig stellen können dort und dort und dort, denn die zahlen so auch schon keine Steuer mehr. Es ist ja mittlerweile schon so weit, und wir werden heute noch Gelegenheit haben, darauf zurückzukommen.

Das Wichtigste und Vordringlichste ist, das internationale Steuerdumping in den Griff zu bekommen, sonst wird Ihr Lamento über den Sozialstaat, das Sie sonst anstimmen, noch unglaubwürdiger, als es ohnehin schon ist. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Neudeck. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

 


18.28.33

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Da muss ich jetzt nachdenken, aber ich glaube, du würdest ihn nicht verstehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Frau Präsiden­tin! Herr Präsident! (Abg. Heinzl: Das ist eh unverständlich! Das ist wahr!) Das liegt aber nicht am Bericht, würde ich sagen. Aber ich muss jetzt aufpassen, sonst bekom­men wir beide einen Ordnungsruf. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Da hätte ein gescheiter Finanzminister entlastet!)

Herr Kollege Kogler hat jetzt in einer gewissen Überzeichnung übersehen, dass es eine Steuerreform 2005 gegeben hat, durch die gerade die unteren Einkommens­bereiche wesentlich entlastet werden, durch die gerade in den unteren Bereichen immer weniger Menschen Steuern zahlen. Man fühlt sich ja dann sicher, wenn Kogler moniert, dass man für die Armen nichts tut, auf der anderen Seite aber die Industriel­lenvereinigung und andere sagen, man hätte gerade im oberen Bereich, nämlich beim Spitzensteuersatz, nichts getan. Das zeigt, dass diese Steuerreform ausgeglichen war.

Aber zurück zum Thema: Herr Präsident Moser, Ihnen und Ihren Mitarbeitern vielen Dank für diesen Bericht! Es fehlt meiner Überzeugung nach natürlich ein wesentlicher Teil. Das ist dort, wo große Unternehmen und öffentliche Körperschaften ihre meiner Meinung nach bestehende Berichtspflicht verweigern und auf Grund des Datenschut­zes nicht bereit sind, Bericht abzugeben.

Ich bin auch sehr froh darüber, dass Sie im letzten Rechnungshofausschuss bei dieser Diskussion zum besseren Verständnis dieses doch sehr voluminösen und umfang­reichen Berichtes mit vielen Zahlen die Möglichkeit gegeben haben, durch ver­schiedene Aspekte und Vergleiche die verschiedenen Bezugs- oder Einkunftsarten in


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Bezug zu setzen und zu vergleichen. Es wäre zu umfangreich, das jetzt dazulegen, aber es wird hoffentlich in den nächsten Bericht direkt eingearbeitet sein und daher dieser Bericht auch für uns Abgeordnete wesentlich interessanter sein.

Kollege Kogler, es ist natürlich schon so: Wenn in dem Moment, wo außerhalb jedes Zwanges Unternehmer oder Manager ihr Einkommen bekannt geben, das vielleicht auf Grund einer Bonifikation oder auch weil das Unternehmen besonders gut gewirt­schaftet hat in einem besonderen Jahr besonders hoch ist, ein Kesseltreiben beginnt, dann ist es natürlich ein Problem, wenn man es fordert. Man müsste, ähnlich wie in vielen nordischen Staaten, dazu gelangen, dass jeder, so wie die Unternehmen, seinen Einkommensteuerbericht irgendwo bekannt gibt. (Abg. Mag. Kogler: Das habe ich ja auch gesagt!) Ja, ich habe auch applaudiert dazu. Nicht aus Irrtum, sondern weil ich – ich habe beim Herausgehen nachgedacht, ob ich meine Rede ändern muss – mit dir einer Meinung bin. Aber das darf man vielleicht einmal sein, wenn du – einer der sel­tenen Fälle – einmal Recht hast. In diesem Fall bin ich auch der Meinung, dass das offen zu legen ist.

Ich finde diesen Bericht, der viel Arbeit macht, dann unnötig, wenn sich Einzelne da wegstehlen. Es wäre dringend notwendig, dass seitens des Gesetzgebers, so, wie es vom Rechnungshof gefordert wird, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Möglich­keiten Maßnahmen gesetzt werden, damit diese Offenlegung auch stattfindet. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Präsident des Rechnungshofes Dr. Moser. – Herr Präsident, Sie sind am Wort.

 


18.32.20

Präsident des Rechnungshofes Dr. Josef Moser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte mich eingehend recht herzlich bedanken für das Lob, das der Rechnungshof erhalten hat, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass ich dieses Lob sehr gerne weitergeben werde, auch an die Statistik Austria. Sie wissen ja, dass das umfangreiche Datenmaterial von der Statistik Austria erhoben wurde und dass dann der Allgemeine Teil, die Erläuterungen, im Zusammenwirken der Statistik Austria mit dem Rechnungshof erstellt worden sind. Also recht herzlichen Dank. Ich gebe diesen Dank auch weiter.

Ich möchte ich diesem Zusammenhang auch erwähnen, dass wir, wenn man im Zusam­menhang mit dem Bezügebegrenzungsgesetz von den §-8-Berichten spricht, zwei Berichte zu erstellen haben – das wurde heute im Rahmen der Debatte auch angesprochen –: Es ist der eine Bericht gemäß § 8 Abs. 4, wonach eben dem Nationalrat, dem Bundesrat und den Landtagen über die durchschnittlichen Einkom­men einschließlich der Sozial- und Sachleistungen der gesamten Bevölkerung nach Branchen, Berufsgruppen und Funktionen zu berichten ist.

Beim zweiten Bericht – auch dieser wurde angesprochen – handelt es sich um einen Bericht, der jedes zweite Jahr zu erstellen ist, und zwar betrifft er die Bezüge, die hohen Bezüge der Personen, die diese von den der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern beziehen und die mehr als vierzehn mal 80 Prozent des monatlichen Ausgangsbetrages als solches beinhalten, ...

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Darf ich ersuchen, die Türe zu schließen und die Debatte nicht durch eine Debatte vor den Türen zu stören!

Herr Rechnungshofpräsident, setzen Sie bitte fort.

 


Präsident des Rechnungshofes Dr. Josef Moser (fortsetzend): ... weil sie bei Mitteilungen durch die geprüften Rechtsträger erforderlich sind.


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Bezüglich des Berichtes über die Einkommen der Gesamtbevölkerung ist es, glaube ich, immer wichtig, dass man einige Aspekte beleuchtet, damit es in diesem Bereich nicht zu falschen Auslegungen beziehungsweise falschen Analysen kommt. Das betrifft insbesondere den Vergleich von unselbständig Beschäftigten und selbständig Beschäf­tigten, von Frauen und Männern beziehungsweise auch von privatrechtlich und öffent­lich Bediensteten. Aber auch im Bereich der Pensionisten sind Klarstellungen als solches erforderlich.

Das sind beispielsweise – das wurde heute von Frau Abgeordneter Becher bereits angesprochen – die Auswirkungen bei Voll- und Teilzeitbeschäftigung auf die Durch­schnittseinkommen von Männern und Frauen und die unterschiedlichen Beschäfti­gungsstrukturen im öffentlichen Dienst beziehungsweise in der Privatwirtschaft.

Hinsichtlich der Einkommensvergleiche zwischen Männern und Frauen und zwischen öffentlich Bediensteten und jenen in der Privatwirtschaft ist es auch wichtig zu berück­sichtigen, dass gerade Arbeiter und Angestellte viel öfter nicht ganzjährig beschäftigt beziehungsweise von der Arbeitslosigkeit betroffen sind, und weiters natürlich auch das Teilzeitbeschäftigtenausmaß äußerst unterschiedlich ist.

Greift man jetzt die Vollzeitbeschäftigten, das heißt die, die ganzjährig beschäftigt sind, heraus, so zeigt sich, dass in dem Bereich zum Beispiel die Frauen im öffentlichen Dienst zu 29,3 Prozent teilzeitbeschäftigt sind, die weiblichen Angestellten aber zu 41 Prozent und die weiblichen Arbeiter zu 42,2 Prozent. Setzt man das in Bezug zu den männlichen Bediensteten beziehungsweise Beschäftigten, heißt das, dass die Teilzeitquote bei den ganzjährig Beschäftigten zwischen 2,6 Prozent und 4,3 Prozent liegt.

Ein Bezug auf das mittlere Einkommen ergibt auch da ein differenziertes Bild. Während die Frauen, die im öffentlichen Bereich beschäftigt sind, das höchste mittlere Ein­kommen beziehen, ist es bei den Männern so, dass die Angestellten das höchste mittlere Einkommen beziehen, wobei eben diese Unterschiede auch – wir haben Kontrollberechnungen durchgeführt – bestätigt werden, wenn man das Alter bezie­hungsweise auch die Ausbildung berücksichtigt.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das Durchschnittsalter bei den Beamten – es gibt einen Aufnahmestopp in diesem Bereich – im Jahre 2003 45 Jahre betragen hat und damit wesentlich höher war als bei den Angestellten, wo es 37 Jahre betragen hat, oder bei den Arbeitern, wo es 36 Jahre betragen hat. Daher sind natürlich entsprechend dem Schema im öffentlichen Dienst die höheren Einstu­fungen wesentlich stärker vertreten.

Anzumerken ist in dem Bereich, dass jedenfalls die Einkommen der Frauen in allen Gruppen deutlich unter jenen der Männer liegen, wobei aber – das ist ebenfalls anzu­merken – die Einkommensunterschiede gerade im öffentlichen Bereich weitaus gerin­ger sind. Einkommensunterschiede in diesem Bereich sind, nachdem man eine geschlechtsneutrale Entlohnung im öffentlichen Bereich hat, damit zu erklären und damit zu begründen, dass sich Frauen weniger in Führungsfunktionen befinden bezie­hungsweise auch verstärkt in Teilzeitbeschäftigung stehen.

Ein Bereich, der, glaube ich, auch wichtig zu erwähnen ist, betrifft die mittleren Brutto­jahreseinkommen der Pensionisten, und zwar mit Wohnsitz in Österreich, die eben im Jahre 2002 gegenüber dem Vorjahr um 2,04 Prozent gestiegen sind beziehungsweise im Jahre 2003 um 2,44 Prozent, wobei, wenn man sich erinnert, der Anpassungsfaktor nach dem ASVG gemäß § 108 Abs. 5 im Jahre 2002 1,011 Prozent betragen hat und im Jahre 2003 1,005 Prozent. Diese wesentliche Abweichung zum Anpassungsfaktor und zu den tatsächlichen Steigerungen sind auf den so genannten Kohorten-Effekt zurückzuführen, das heißt, dass Pensionisten, die ein niedrigeres Einkommen haben,


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de facto wegsterben – und Pensionisten, die nachrücken, also die Pensions­neuzu­gänge, eben eine höhere Pension als solches aufweisen.

Da dem Rechnungshof immer wieder Fragen gestellt werden beziehungsweise auch von den Abgeordneten im Rahmen des Ausschusses und im Rahmen von Telefonaten immer wieder nachgefragt wird und es als erforderlich erachtet wird, beabsichtige ich auch – das ist heute schon angesprochen worden –, den Bericht in den Seiten 5 bis 11 beziehungsweise 27 bis 50 zu überarbeiten und in diesen Bereich zusätzliche Erläuterungen hineinzunehmen beziehungsweise die Erläuterungen aussagekräftiger zu gestalten. Das bezieht sich auf die Vergleichbarkeit der Einkommen von Frauen und Männern, von Angestellten, öffentlich Bediensteten und Pensionisten, wobei ich im Zusammenwirken mit der Statistik Austria versuchen werde, Ihnen den Statistik-Teil, nämlich den statistischen und den technischen Annex, auf elektronische Art und Weise zur Verfügung zu stellen.

Ganz kurz sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt, dass der Rechnungshof – ich möchte das nicht näher ausführen – gemäß § 8 Abs. 1 bis 3 eben auch über Bezüge und Ruhebezüge von Leuten, die diese von Rechtsträgern beziehen, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, nicht Bericht erstatten konnte. Ich kann ausdrücklich nur darauf hinweisen, dass Sie gefordert sind, diesbezüglich neue Regelungen zu schaffen, weil wir in diesem Bericht und auch in der Folge nicht in der Lage sind, diesem Berichtsauftrag nachzukommen, da wir auf Grund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes weder eine namentliche Offenlegung der Bezüge fordern noch Erhebungen vor Ort durchführen können, um eben zu diesen Daten zu kom­men. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Faul. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


18.39.23

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Präsident des Rech­nungs­hofes! In aller Kürze, in zwei Minuten zwei Gedanken zu diesem Einkommens­bericht.

Zum einen ist es positiv, dass es, wie Sie auch vermerkt haben, bei den Einkom­mens­zuwächsen die Vergleichbarkeit über die Jahre und letztlich auch die Vergleichbarkeit hinsichtlich der Unterschiedlichkeiten in den verschiedenen Berufsgruppen gibt. Das sehen wir positiv.

Sehr, sehr negativ – ich möchte mich da den Ausführungen der Kollegin Becher an­schließen – ist, dass der Realeinkommenszuwachs nicht gemessen werden kann. Sie sagen, das ist eine politische Aufgabe, das zu bewerkstelligen. Es ist in Wirklichkeit nicht Ihre Aufgabe.

Herr Präsident Moser, ich nenne Ihnen in aller Kürze nur zwei oder drei Schüssel­zahlen. Die Einkommenszuwächse im positiven Bereich betragen 1 oder 2 Prozent in diesem Beobachtungszeitraum, während die Preise für Eigentumswohnungen um 14,7 Prozent gestiegen sind – obwohl das Kollege Neudeck immer bestreitet –, die Kosten für Mietwohnungen um 7,8 Prozent, die Betriebskosten um über 8 Prozent, die Energiekosten im Haushalt um über 10 Prozent und letztlich auch die Energie­kos­ten/Straße um 16 Prozent. Herr Präsident, das ist ein Missverhältnis, und das ent­spricht genau dieser Klientelpolitik, die unser österreichischer Küsserkönig, unser Finanzminister in Wirklichkeit verursacht hat. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist aber lächerlich!)


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Sie brauchen gar nicht zu lamentieren (Beifall bei der SPÖ), schauen Sie sich die letzte APA-Nachricht an, die der ORF heute herausgegeben hat: Der ORF sagt selbst, es ist höchst bedenklich, wenn der Finanzminister auf der einen Seite eine ganz harte Steuerlinie fährt, uns aber auf der anderen Seite sein Jetset-Leben vorlebt. Es wird auch eindeutig gesagt: In den USA hätte dieser Finanzminister längst zurücktreten müssen. – Schade, dass er nicht in den USA geblieben ist! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Der Neid ist ein Hund, gell?)

18.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Faul, es ist in diesem Haus vereinbart, den hier handelnden Personen keine Beifügungen zu geben, und ich möchte auch, dass es dabei bleibt. (Abg. Neudeck: Der heißt ja Faul, das ist ja keine Beifügung!)

Als Nächster zu Wort kommt Herr Abgeordneter Steindl. Herr Abgeordneter, Sie haben 2 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung SPÖ –: Der Neid ist schon furchtbar, Herr Abgeordneter!)

 


18.42.33

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! (Unruhe im Saal.) Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Vielleicht darf ich auch ein paar Worte in aller Ruhe an Sie richten. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Sehr geehrter Herr Kollege Faul, Sie wissen aber schon, dass die Konjunktur immer die Voraussetzung ist für entsprechende Einkommen und Einkommenserhöhungen. Wir wissen alle, dass die Konjunktur in den letzten Jahren nicht die beste war – angefangen hat diese Konjunkturabschwächung in den Jahren 2000 und 2001 – und daher natürlich der dadurch härtere Wettbewerb insgesamt auf alle Einkunftsarten drückt. Im Besonderen sei klargestellt, dass die Einkommen der selbständigen Er­werbstätigen auch nicht besonders gut sind und wir doch hoffen, dass die Maßnahmen, die die Bundesregierung gesetzt hat, greifen. Diese Maßnahmen began­nen ja erst in den Jahren 2004 und 2005 zu laufen, weshalb diese Auswirkungen in diesem Bericht gar nicht enthalten sein können. Ich bin der Meinung, dass wir damit die Verdienste und die Einkommensmöglichkeiten wieder bestimmt um einige Prozent­punkte anheben können, und es wird auch ein Reallohn- oder Einkommenszuwachs sichergestellt sein.

Vielleicht noch einmal zu Herrn Kollegen Kogler. Sie prangen immer wieder die freundliche Steuerpolitik gegenüber den Unternehmen an. – Ich würde schon meinen, Herr Kollege Kogler, dass wir abzuschätzen haben, was wichtiger ist: ein standort­wettbewerbsfähiges Steuersystem und damit verbundene Betriebsansiedelungen und Stellen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen – oder das Gegenteil. Ich bitte Sie, darüber nachzudenken! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schönpass. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.44.01

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Rechnungshofbericht belegt beziehungsweise beweist unter anderem wieder einmal die traurige Tatsache, dass in Österreich Frauen weniger als Männer verdienen, und zwar in allen Berufsgruppen und Branchen – egal, ob Voll- oder Teilzeit. Zum Teil


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gehen die realen Einkommen von Frauen sogar zurück. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien!

Wenn Sie sich den Sozialbericht angeschaut haben, dann wissen Sie auch, dass Frauen nicht nur weniger verdienen als Männer, sondern viel stärker von Armut betrof­fen oder bedroht sind. Armut ist in Österreich weiblich; das hat auch das Kindergeld nicht verhindern können.

Der vorliegende Rechnungshofbericht über die Einkommen der österreichischen Bevöl­kerung zeigt, dass es Ihnen nicht gelungen ist, Wirtschafts- und Sozialpolitik zum Wohle der Menschen miteinander zu gestalten.

Frauen, die weniger verdienen als Männer, weil sie keinen Zugang zu einer guten Ausbildung haben, brauchen eine vernünftige Bildungspolitik.

Frauen, die weniger verdienen, weil sie in abgelegenen Regionen leben, in denen es weder Ausbildungs- noch Arbeitsplätze gibt, brauchen eine intelligente Regionalpolitik.

Frauen, die weniger verdienen, weil sie Teilzeit arbeiten, brauchen eine Gesellschafts­politik, die Frauen nicht nur als „Dazuverdienerinnen“ wahrnimmt.

Frauen, die weniger verdienen, weil sie Kinder bekommen haben, brauchen bessere Chancen, nach der Karenz wieder in den Beruf einsteigen zu können.

Noch einmal zur Erinnerung, was weniger Verdienen bedeutet: Bei den unselbständig Erwerbstätigen haben Frauen um rund 10 000 € weniger Bruttojahreseinkommen als Männer; Pensionistinnen bekommen um rund 10 000 € brutto weniger im Jahr als Pensionisten. Das sind die Zahlen des Rechnungshofes.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir brauchen eine Frauenministerin, bei der alle Alarm­glocken läuten, wenn der Rechnungshof solche Zahlen vorlegt, eine Frauen­ministerin, die ihren Ministerkollegen und -kolleginnen sozusagen auf die Zehen steigt und von ihnen Verbesserungen für Frauen einfordert – und die verhindert, dass Frauen beim Einkommen diskriminiert werden.

Wir werden diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

18.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-115 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen. (Unruhe im Saal.)

Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in der Abstimmung, und ich ersuche daher, die Plätze einzunehmen!

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Berichtes ein­treten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenom­men.

18.47.447. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (795 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz, das Pfandbriefgesetz, die Einfüh­rungsverordnung zum Hypothekenbank- und zum Pfandbriefgesetz, das Gesetz


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betreffend fundierte Bankschuldverschreibungen, das Bankwesengesetz und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert werden (893 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (819 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichts­behörden­gesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (894 d.B.)

9. Punkt

Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundes­gesetzes, mit dem das Investmentfondsgesetz, das Immobilien-Investmentfonds­gesetz, das Börsegesetz, das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz und das Pensionskassengesetz geändert werden (895 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (854 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Scheidemünzengesetz 1988 geändert wird (896 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 bis 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


18.48.59

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Nunmehr sind wir bei Tagesordnungspunkten, die unter ande­rem die Frage der Änderungen des Bankwesengesetzes umfassen. Es handelt sich dabei um eine Materie, die zu langen Verhandlungen geführt hat – weniger mit uns für die erforderliche Zweidrittelmehrheit als innerhalb der Regierung, weil eine Einigung darüber in mehreren Runden im Ministerrat nicht zustande kam.

Kurz einmal, worum es ging: Der Oberste Gerichtshof hat in einer Entscheidung im Zusammenhang mit der Insolvenz der BHI-Bank in Graz judiziert: Wenn den Bank­prüfer Verschulden in der ordnungsgemäßen Überprüfung in den dem Konkurs voran­gegangenen Jahren trifft, dann trifft die Republik Österreich im Rahmen der Amtshaftung für diesen Prüfer eine Amtshaftungspflicht. Das heißt, die Republik hat in diesem Fall für das, was über die Einlagensicherung hinausgeht, Schadenersatz zu leisten.

Wenn man diese Judikatur ändern will, dann ist das etwas, was auf Grund der Bestimmungen des Artikels 23 Abs. 1 B-VG einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Das weiß diese Bundesregierung auch, denn sie selbst hat in den Erläuternden Bemerkungen zu der eigenen Regierungsvorlage zu Artikel 2 Abs. 5 ausdrücklich festgehalten:

„Da es sich bei der vorgesehenen Regelung um eine Sonderbestimmung zu Art. 23 Abs. 1 B-VG in der Auslegung durch die Rechtsprechung handelt, muss sie im Verfas­sungsrang stehen.“

Darüber haben wir in mehreren Runden gesprochen. Wir haben von Anfang an klar­gemacht, dass die SPÖ selbstverständlich verhandlungsbereit ist, in diesem Bereich


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eine Lösung zu finden. Aber eines war auch klar: Nur die Situation für die Einleger zu verschlechtern, ohne eine Verbesserung bei der Aufsicht, bei der Höhe der maximalen Versicherung und in anderen Bereichen zu machen, heißt den Einleger ausschließlich mit diesem Gesetz schlechter zu stellen. Und wir haben von Anfang an und durch­gängig gesagt, wir können über vielerlei Punkte reden, aber worüber wir nicht reden können, ist, dass Einleger nur schlechter gestellt werden.

Was ist geschehen? – Nachdem man in endlosen Ministerräten nicht einmal über die Vorbesprechung hinausgekommen ist, hat man sich auf eine Minimaländerung zurückgezogen, die nur diese Schlechterstellung bringt. Und weil man danach ermattet davon war und der Herr Finanzminister mehr in allen Teilen der Welt beschäftigt war, statt sich um seine Aufgaben im Bereich Bankwesengesetz zu kümmern (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Der Neid ist ein Laster!), hat man es in das Parlament gebracht und uns noch im Ausschuss gesagt: Wir werden bis zur Beschlussfassung im Plenum reden. Den Herrn Finanzminister habe ich zwar in diversen Zeitungen bis hin zur „Bild-Zeitung“ bei anderen Dingen gesehen, aber der Mühe wert gefunden, darüber zu sprechen, hat er nicht.

Summa summarum: Diese Regierung ist in einem Zustand, in dem ihr selbst das Bankwesengesetz nicht mehr wertvoll genug ist, sich ernsthaft damit auseinander zu setzen. Sie riskieren eine verfassungswidrige Bestimmung – und ich sage gleich dazu, wir werden die Frage der Gültigkeit dieser Bestimmung möglicherweise beim Ver­fas­sungsgerichtshof überprüfen lassen. Das hat nämlich mehr Ernsthaftigkeit als so manches, was aus dem Munde des Herrn BZÖ-Landeshauptmannes von Kärnten kommt.

Aber eines möchte ich an dieser Stelle auch sagen: Wir haben eine Reihe von Materien, bei denen eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist. Wir sollten diese Ge­spräche ernsthaft führen und auch Verhandlungen führen. Nur, so vorzugehen, nach dem Motto: Hab’ ich niemanden, probier’ ich es mit einem einfachen Gesetz – soll es der Verfassungsgerichtshof aufheben!, und das nächste Mal wieder freundlich Ge­spräche mit uns zu führen, ganz ehrlich, das ist eigentlich nicht der Stil, mit dem man sich diesen Fragen nähert.

Wir haben nichts außerhalb des Bankwesengesetzes junktimiert. Wir haben nur im Interesse der Einleger verhandelt. Sie waren nicht bereit, sich einen Zentimeter zu bewegen.

In diesem Sinne beschließen Sie es einfachgesetzlich, aber seien Sie sich bewusst: Sie begehen einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Bundesverfassung. Es ist ein verfassungswidriges Gesetz. Wir werden nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.53.29

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt bewusst nach der Rede des Kollegen Matznetter die konstruktive Stimmung im Finanzausschuss wieder ein bisschen ins rechte Licht rücken. Wir haben jetzt auf der Tagesordnung vier Finanzgesetze, von denen wir zwei ohne Probleme gemeinsam beschlossen haben. Das eine betrifft die Frage einer Attraktivierung und Erhöhung der Bonität unseres bewährten Instrumentes des österreichischen Pfandbriefes. Und wir hatten überhaupt


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keine Schwierigkeit beim zweiten Gesetz, beim Scheidemünzengesetz; hier geht es um die Anpassung an die EU-Richtlinie.

Wir haben uns auch sehr beim Bankwesengesetz bemüht, das möchte ich wirklich sagen. Das, was Kollege Matznetter zu Beginn gesagt hat, ist richtig. Wir haben zuerst gemeint, eigentlich wäre es politisch klug und rechtlich gesehen besser, eine Verfas­sungsbestimmung zu haben. Herr Kollege Matznetter! Sie werden nicht bestreiten können, dass wir uns bemüht haben. Es hat mehrmals Gespräche Ihrerseits mit dem Staatssekretär gegeben, es hat Gespräche auf parlamentarischer Arbeitsebene gege­ben. Aber eines muss ich auch sagen: Für uns ist dieses heikle Thema kein Tauschobjekt, um hier politisches Kleingeld zu wechseln. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege, ich verwende jetzt nicht jene Worte, die ich auch gehört habe, die da gelautet haben: Wir lassen uns nicht ständig papierln! – Das sind nicht meine Worte, aber auch diese Worte sind gefallen.

Wir haben uns wirklich bemüht, und als wir dann gesehen haben, dass die Latte ständig höher gelegt und immer mehr Kleingeld gewechselt wird (Abg. Dr. Matznetter: Nein!), haben wir gesagt, wir lassen prüfen, ob es nicht vielleicht doch auch mit einer einfachgesetzlichen Regelung geht. Und wir haben – was sollen wir anderes tun als Regierungspartei? – den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes gefragt. Dieser hat uns eine Expertise gegeben und gesagt: Wenn ihr das so und so macht, dann geht es auch einfachgesetzlich! Daraufhin war die Abwägung: Sollen wir da ständig gleich­sam politisches Kleingeld zahlen müssen, oder sollen wir über Anregung des Verfas­sungsdienstes eine einfachgesetzliche Regelung machen? (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.) Das war die Wahrheit bezüglich des Ablaufs.

Herr Kollege Matznetter, Sie werden das bestätigen, auch Hannes Bauer kann das nur bestätigen, dass wir im Finanzausschuss ein sehr konstruktives Klima haben, das sich dadurch auszeichnet, dass wir um gemeinsamen Lösungen ringen. Wenn es einmal nicht geht und die Juristen sagen, es geht auch einfachgesetzlich, dann bitte ich um Verständnis, aber dann wollen wir keinen großen politischen Kaufpreis dafür bezahlen. Das muss ich so ehrlich und offen sagen. Das war das Thema.

Kollege Matznetter, wir bleiben trotzdem in gutem Kontakt, wir hatten ja auch heute wieder ein Gespräch zu einer anderen Materie. Ich habe jedes Interesse als Obmann des Finanzausschusses, dass wir zu gemeinsamen konstruktiven Lösungen kommen. (Abg. Dr. Puswald: Das ist eine Frage des Anstandes!) Ich werde mich auch in Zukunft darum bemühen, aber ich bin nicht bereit, politisches Kleingeld zu wechseln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.56


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Kogler. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.56.22

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! In weniger als 4 Minu­ten die Fragestellung bezüglich der Aufsichten, die hier diese entsprechenden Gesetze betreffen, die jetzt schon Kollege Matznetter und Kollege Stummvoll releviert haben: Die grundsätzliche Ausgangsposition ist offensichtlich, zumindest für die sozialdemo­kratische Fraktion, der AnlegerInnenschutz. Das ist ja sehr ehrbar. Wir würden da viel­leicht nicht immer so weit gehen, weil meines Erachtens nicht jeder immer grund­sätzlich schutzbedürftig ist, der auf jede Reklame hereinfällt, in der 27 Prozent Zinsen et cetera versprochen werden. (Demonstrativer Beifall des Abg. Jakob Auer.) Das sehe ich schon.


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Umgekehrt muss man natürlich auch erkennen, dass eine grundsätzliche Asymmetrie auch auf einem solchen Markt besteht, und zwar zwischen dem Konsumenten, sprich dem Bankkunden, und den Banken, die dann – und jetzt kommt erst das Problem ins Spiel – von den entsprechenden Aufsichtsbehörden kontrolliert werden sollen. Es ist hier in ganz klassischer Weise davon auszugehen, dass die Kunden, auch wenn es sich um einen halbwegs wirtschaftlich geschulten Menschen handelt, einen Infor­mationsnachteil haben, weshalb diese ganzen Kontrollen schon einen Sinn haben, darüber hinaus natürlich, um zu schauen, ob die ganzen Unterlegungsvorschriften und all das, was es da an durchaus sinnhaften Vorschriften gibt, auch tatsächlich einge­halten werden.

Jetzt sehe ich zwar, dass man nicht jeden schützen muss, der auf jeden Blödsinn hereinfällt, aber die Frage ist – und für mich ist sie bis zum Schluss und hier und jetzt nicht eindeutig beantwortet worden, und deshalb sind wir in diesen Punkten auch nach wie vor ablehnend –: Ist auf Grund dieser Änderung auch ein Konsument oder Kunde, der halbwegs ökonomisch, vernünftig kalkuliert und sich auf irgendetwas einlässt, dann schlechter gestellt oder ist er das nicht? – Diese Frage muss zulässig sein. Für mich ist das nicht endgültig beantwortet.

Immerhin: Die Finanzmarktaufsicht weist darauf hin, nebst dem, dass das möglicher­weise ein gangbarer Weg – was soll sie sonst sagen? – ist, dass in der Übergangs­phase eine Lücke entstehen kann. Die FMA geht im Übrigen davon aus – zuhören, die Personaleinsparer! –, dass sie dann mehr Personal brauchen wird. Diese Frage scheint aber nicht gelöst. Das steht einfach so lapidar da. Allein das reicht mir schon, damit meine Skepsis weiter verbreitert und vertieft wird.

Last but not least – auch das ist für mich nicht endgültig beantwortet –: Es schaut so aus, dass sich der Staat wieder deutlicher von seiner Kontrollpflicht wegbewegt, mit einer Regelung, die dazu Anlass geben könnte, dass er, um spätere Amtshaftungen zu vermeiden, selbst von vornherein gar nicht intensiv genug prüfen geht, weil diese Vorgangsweise dann den Amtshaftungsfall seltener auslösen könnte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich da einen Gedankenfehler eingebaut habe, im Ausschuss ist das jeden­falls zunächst einmal nicht widerlegt worden. Ich hoffe denn doch nicht, dass solche Anreizwirkungen da auch noch verborgen sind. Sollte das nicht so sein, darf ich den Herrn Staatssekretär, der uns an solcher Stelle immer liebend gerne zu Hilfe eilt, hier um Aufklärung bitten. Wenigstens in dem Punkt wollen wir das Ärgste verhindern. (Beifall bei den Grünen.)

19.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bucher. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


19.00.25

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte aus diesen vier Tagesordnungspunkten zwei herausgreifen. Der eine ist der Tagesordnungspunkt betreffend Novellierung des Hypothekenbank- und Pfandbriefgesetzes, die eine deutliche Aufwertung und Besserstellung der Pfandbriefe zum Ziel hat und dies auch umsetzen wird. Die Pfandbriefe auf den österreichischen und internationalen Kapital­märkten leiden sehr darunter, dass sie nicht mehr konkurrenzfähig genug sind auf Grund der Zinsen, die sie abwerfen. Das bedeutet also eine deutliche Besserstellung und Aufwertung der Pfandbriefe. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vor­sitz.)

Der zweite Punkt betrifft das Bankwesengesetz, zu dem wir eine absolut positive Haltung haben, weil wir davon ausgehen, dass die Besserstellung auf Grund dieser


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Novellierung dazu führt, dass die Kontrollkompetenzen klarer geregelt sind, dass vor allem auch die Sicherungsmaßnahmen der Spareinlagen geregelt sind und dass all das auch zur Beruhigung der Sparer in Österreich beiträgt.

Wir haben auch eine sehr klare Haltung zu den Staatskommissären. Wir verfolgen die klare Zielsetzung, dass die Aufsicht der Banken gewahrt bleiben und im Interesse der Sparer in Österreich zu mehr Sicherheit beitragen muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.01


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. – Bitte.

 


19.01.58

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Bezüglich Bankenaufsicht haben die Diskussionen doch gezeigt, dass es eine hohe Bereitschaft zur Übereinstimmung gegeben hat. Dass uns der „kleine“ Bankkunde sehr wichtig ist, das ist wohl klar, aber das wurde nicht ausreichend berücksichtigt.

Was ich noch hinzufügen möchte, ist, dass die Bereitschaft zu einer Regelung nicht, wie behauptet worden ist, mit „Gegengeschäften“ verknüpft war. Das möchte ich schon klarstellen. Es wurden zwar bestimmte Paragraphen etwas anders formuliert, das war eine rein inhaltliche Sache, aber kein Gegengeschäft; das würde ich doch so meinen. (Abg. Dr. Stummvoll: Du bist doch kein Frischg’fangter!)

Beim Hypothekenbank- und Pfandbriefgesetz, dem wir auch zustimmen werden, sehen wir in weiten Bereichen tatsächlich eine Verbesserung. Die Maßnahme der sichernden Überdeckung ist zweifellos von einem gewissen Wert, es ist wichtig, wenn man über die Nominalwertdeckung sichern kann. Ich halte das auch im Sinne der Rating-Agenturen für wichtig, weil dadurch eine bessere internationale Konkurrenzfähigkeit gegeben ist. Auch die Erweiterung des Deckungsschutzes halte ich grundsätzlich für richtig, und auch die damit verbundene Frage, den eigenen Deckungsstock auszu­weiten, halte ich im Sinne des Hypotheken- und Pfandbriefgeschäftes für interessant. Die Erweiterung der Ersatzdeckung ist besonders hinsichtlich der eigenen Bewertung wichtig, daher werden wir diesem Teil – ich kann das im Detail nicht ausführen – zustimmen.

Weniger Verständnis können wir im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Bestim­mungen aufbringen, die geändert oder umgewandelt wurden, nämlich von strafrecht­lichen Bestimmungen in verwaltungsrechtliche; und damit haben wir Probleme. Daher können wir auch hier nicht unsere Zustimmung geben.

Alles in allem ist es sicher ein Gesetz, das im Hinblick auf die Globalisierung der Kapitalmärkte ein wertvoller Beitrag ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.04


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

 


19.04.35

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist so, wie Hannes Bauer gesagt hat: Dieses Gesetz ist ein wertvoller Beitrag für die Globalisierung auf den Kapitalmärkten. Dem ist nichts hinzuzufügen, und es ist ihm für diese Aussage auch zu danken.

Mich wundert aber, dass man dann, wenn man eine richtige Analyse macht, den Weg nicht mitgeht. Das ist schade, meine Damen und Herren! Für eine florierende Wirt-


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schaft und für Arbeitsplätze sind Rahmenbedingungen notwendig, das ist unbestritten. Abgesehen von den Steuer- und Forschungsquoten, den Betriebsbewilligungen, den flexiblen Arbeitszeiten, einer florierenden Börse – da kann sich die österreichische sehen lassen – sind aber auch Banken notwendig, die eine Risikotragungsfähigkeit aufweisen, die auf den internationalen Kapitalmärkten bestehen können, die auf den globalisierten Märkten auch Chancengleichheit vorfinden, die also wettbewerbsfähig sind. Auch vor den Banken macht die internationale Finanzwelt nicht halt. Daher müssen wir uns auch in diesem Bereich den Wettbewerbsbedingungen stellen und müssen Chancengleichheit herstellen. Und das wird gerade durch einige dieser Punkte sichergestellt.

Ja, es ist richtig, wie Kollege Matzenetter gesagt hat, es wurde lange verhandelt, und es wird in vielen Bereichen zu einer deutlichen Verbesserung kommen. Ich gebe vor allem dem Kollegen Kogler Recht, der darauf hingewiesen hat, dass es nicht angeht, dass man phantasievolle Ergebnisse, Versprechungen und Zinszusagen macht, aber dann bei Schwierigkeiten meint, alle sollten mitzahlen.

In diesem Zusammenhang eine kleine Werbeeinschaltung: Raiffeisen Österreich garantiert bis zu 100 Prozent der Einlagen, meine Damen und Herren! Vielleicht wäre es einmal denkbar, ohne eine zweite Werbeeinschaltung zu machen, dass man bei jedem Kreditinstitut darauf hinweist, wer wie viel garantiert, damit der Einleger sehen kann, wie es denn im Fall der Fälle ausschaut! Das wollte ich auch einmal klar gesagt haben.

Meine Damen und Herren! Wir haben einen funktionierenden Bankenapparat, wir haben eine gute Bankenaufsicht, und dieses Gesetz trägt dazu bei, dass diese Instru­mentarien auch in Zukunft einen wesentlichen Beitrag für die Sicherheit des Einlegers, der Kreditwirtschaft und der Wirtschaft allgemein leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.07


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gradwohl. – Bitte.

 


19.07.15

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ge­schätzte Damen und Herren! Kollege Auer, ich hoffe, diese Werbeeinschaltung wird ein bisschen etwas einbringen (Abg. Neugebauer: Wofür hat er geworben?), aber damit es nicht zu einseitig ist, möchte ich einen Spruch, der mir während deiner Rede eingefallen ist, zum Besten geben. Dieser hat zwar nicht unbedingt etwas mit der Bank zu tun, aber er lautet: „Der Bauer hat die Arbeit und Raiffeisen den Gewinn“. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jakob Auer: Du kennst dich da nicht so aus!) – Kollege Grillitsch behauptet immer das Gegenteil davon, was du jetzt gesagt hast. (Abg. Jakob Auer: Die Bauern in Österreich sind nicht in der Lage, ...!)

Wir machen uns das im Rahmen eines Privatissimums aus, lieber Kollege Auer! Ich gebe dir auch Recht, dass diese gesetzlichen Maßnahmen in weiten Bereichen durch­aus eine Verbesserung darstellen. Aber genau in den von Kollegem Matzenetter ange­sprochenen Bereichen fehlt einfach der Mut zum letzten Schritt. (Abg. Jakob Auer: Von euch!) – Nein, von euch! Wir hätten das als eine Materie mit Zweidrittelmehrheit belassen können, dann hätten wir heute eine noch bessere Form, so wie es im Finanzausschuss auch diskutiert wurde.

Die Diskussionen im Finanzausschuss finde ich immer sehr spannend, weil sie sehr offen geführt werden, und daher auch für sehr wichtig. Aber eines stört mich ein bisschen an dem Finanzausschuss: Herr Staatssekretär, ich bedauere es sehr, dass


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der Herr Finanzminister nicht da ist, ohne jetzt nachzufragen, wo er denn ist. Im Ausschuss habe ich ihn gebeten, mir Auskunft zu einer Tabelle zu geben, die aus dem Finanzressort vorgelegt wurde, nämlich zur Agenda 2007. Er hat mir eine Antwort gegeben, auf Nachfrage haben wir festgestellt, es war nicht die Antwort auf meine Frage. Er hat mir dann gesagt, das könne er jetzt ad hoc nicht sagen, er müsse sich erst erkundigen, und er werde mir das mitteilen.

Die Sitzung des Finanzausschusses ist schon ein paar Tage her, eine Mitteilung habe ich noch immer nicht erhalten. Ich würde ersuchen, Herr Staatssekretär, vielleicht gelingt es Ihnen, uns aus dem Ressort diese Auskunft weiterzugeben, denn der Pro­grammzeitraum 2007 bis 2013 ist auch für Österreich nicht unmaßgeblich. Wir werden uns noch einige Male darüber zu unterhalten haben, was die Finanzierungen auf euro­päischer Ebene betrifft.

Daher wäre es für uns interessant zu wissen, was unter „nachhaltiger Bewirtschaftung“ und „Schutz der natürlichen Ressourcen“ gemeint ist, denn das ist die Frage, die der Finanzminister nicht beantworten konnte. Nachdem ich ein Nachhaltigkeitskonzept der Bundesregierung habe, wäre es interessant zu erfahren, was damit gemeint ist und was wir darunter zu verstehen haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.10


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


19.10.31

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht zum Bankwesengesetz sprechen, sondern zum Zollrechts-Durchführungsgesetz, was an sich erst Tagesord­nungspunkt 11 ist. Aber ich bitte, dass Sie das gleich für den nächsten Tagesord­nungspunkt vermerken, weil uns sehr wichtig ist, anzumerken, welche Änderungen uns in diesem Bereich gedroht haben und welche Verbesserungen jetzt tatsächlich durch­geführt wurden.

Das Problem war, dass wir jetzt die Umstellung auf elektronischer Basis erwarten, nämlich ezoll.at. Für die Spediteure und Einzelanmeldungen wird das auf freiwilliger Basis durchgeführt. Es gibt eigentlich kein Problem dabei, ab 1. Juli soll das möglich sein, und ab Ende Dezember soll es verpflichtend sein.

Im Bereich der Sammelanmelder – das sind jene Firmen, die in größerem Ausmaß exportmäßig abwickeln – gibt es nach einer Umfrage bei den Unternehmen einige Probleme, was die Softwareentwicklung, was aber auch die Schulung der Mitarbeiter anlangt. Es wären damit Mehrkosten entstanden, insbesondere deshalb, weil wir in Österreich sozusagen einen Vorgriff gemacht hätten, ohne die internationale Akkor­dierung zu haben.

Da für die Abwicklung aber das Einheitspapier oder das Einheitsformular zu verwenden ist und internationaler Gleichklang notwendig ist, hat sich jetzt ergeben, dass frühestens ab 1. Jänner 2006 mit dieser Abwicklung zu rechnen ist. Damit sind ent­sprechende Vorbereitungszeiten und auch der Gleichklang auf internationale Ebene möglich.

Was die praktische Durchführung anlangt, so hat es zum Status quo durchaus einige Anpassungen gegeben, die gelebt werden können. Das heißt: Einerseits wird es kostengünstiger, andererseits doch praxisnahe. Daher ist aus unserer Sicht, aus Sicht der Wirtschaft, damit ein zufrieden stellender Kompromiss erreicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.12



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

 


19.12.50

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Sozialdemokraten begrüßen natürlich die Verbesserungen beim Pfandbrief. Wir haben allerdings – das ist schon von zwei Vorrednern meiner Fraktion gesagt worden – Bedenken hinsichtlich des Anlegerschutzes, der unserer Meinung nach mangelhaft ist und besser sein könnte. Daher wird es aus generalpräventiven Gründen abgelehnt, hier zuzustimmen.

Wir werden eine getrennte Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt verlangen. Eine Zweidrittelmehrheit wird in dem Fall nicht ermöglicht. Wir werden sehen, wie letztendlich diese Abstimmung in ihrer Auswirkung vom Obersten Gerichtshof überprüft und zur Kenntnis oder nicht zur Kenntnis genommen werden wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.13


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

 


19.13.50

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Nochmals zum BWG, zur Amtshaftungsnovelle: Ich glau­be, das ist eine sehr wichtige Novelle, weil die Tätigkeit der Finanzmarktaufsicht klar geregelt wird, und zwar in der Hinsicht, dass Amtshaftung gegeben ist, unter welchen Voraussetzungen Amtshaftung gegeben ist, vor allem im Hinblick auf die Vorbereitun­gen zu Basel II und dem Risikomanagement.

Wir haben uns mit den Bankprüfern genau beschäftigt, ob praktisch eine einfach­gesetzliche Regelung möglich ist. Dies hat uns der Verfassungsdienst als zulässig bestätigt, und es gibt auch eine mehrheitliche Meinung in der Rechtslehre dazu. Wir haben das auch mit dem Justizministerium akkordiert.

Die einfachgesetzliche Regelung erfordert eine teilweise Neuregelung der Tätigkeiten der von den Banken bestellten Bankprüfer und anderer Abschlussprüfer. Es ist also zu vermeiden, dass ihnen quasi eine Organqualität zugeordnet werden kann, aber ich kann Ihnen versichern, durch diese Regelungen wird die Aufsichtsqualität – und das ist das Wichtigste – in keiner Weise verschlechtert. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.15


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordnete Mag. Ikrath. – Bitte.

 


19.15.00

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen, die anwesend sind! (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) – Ja, aber es geht ja nie um die vielen, sondern um die Richtigen, so heißt es, und insofern fühle ich mich da in guter Gesellschaft. (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

Ich möchte mit etwas Positivem beginnen: Wir haben in zwei Anläufen nun doch ein gutes Hypothekenbankgesetz gestaltet, und das zeigt die Beharrlichkeit des Gesetz­gebers – manchmal auch gegenüber der Regierung. Wir haben jetzt mit dem zweiten Schritt sichergestellt, dass für die Hypothekenbanken die Wettbewerbsfähigkeit auch unter den Rahmenbedingungen der Zukunft, wenn nämlich die öffentliche Haftung im


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Jahre 2007 wegfällt, durch eine entsprechende Attraktivitätssteigerung mittels Rating für die Pfandbriefe hergestellt und abgesichert ist. Das ist ein, so glaube ich, sehr wesentlicher Erfolg, da diese Bankengruppe doch eine volkswirtschaftlich erhebliche Rolle spielt.

Ich bedauere in diesem Zusammenhang, dass es uns beim BWG nicht gelungen ist, es gemeinsam zu beschließen. Ich möchte schon darauf verweisen, dass wir das BWG eineinhalb Jahre lang verhandelt haben, man kann also nicht gerade sagen, dass „Speed kills“ angewendet wurde. Es kommt auch zu keiner Verschlechterung der Position des Anlegers, da konnte ich Kollegem Matznetter nicht folgen. Ich nehme an, dass war eines seiner wenigen Scheinargumente, die er finden konnte, um die Nicht­zustimmung irgendwie zu begründen. Die Position des Anlegers hätten wir gemeinsam nur noch weiter verbessern können, aber das hat uns die SPÖ nicht ermöglicht, und ich nehme an, auch die Grünen werden es uns nicht ermöglichen.

Die Diskussion um den Selbstbehalt wurde zumindest extrem volatil, um es im Bank­technischen auszudrücken, von Matznetter und der SPÖ geführt. Kollege Stummvoll hat gesagt, die Latte wurde immer höher gelegt. Ich würde sagen, zusätzlich wurde sie vom Kollegen Matznetter und Kollegen Kogler immer wieder auf andere Sprung­anlagen gelegt. Und dann ist es eben nicht ganz einfach, zu glauben, dass man wirk­lich zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen wollte.

Dennoch: Wir haben es jetzt auch einfachgesetzlich geschafft. Es ist dies eine saubere Regelung, die gerade der Finanzmarktaufsicht für ihre Tätigkeit weiter eine gute Basis erhalten wird. – Ich schließe ab und kann Kollegen Auer jetzt nicht ganz allein lassen: Nicht nur Raiffeisen garantieren dem Anleger 100 Prozent Sicherheit, auch die Spar­kassen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.18


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte.

 


19.18.12

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ein bisschen eigenartig geht es jetzt bei diesem Tagesordnungspunkt schon zu: Kollege Mitterlehner zieht aus bestimmten Gründen gleich einen Punkt vor, ich weiß nicht warum. Machen wir es in Zukunft überhaupt so, dass wir keine Tagesordnung mehr erstellen, und jeder redet, was er gerade will, und geht dann! Das wäre auch eine Möglichkeit, oder? (Zwischenruf des Abg. Großruck.) – Schau’, wie viele bei euch schon gegangen sind, lieber Kollege Großruck!

Weiters haben wir eine Werbeeinschaltung der größeren Banken Österreichs gehört, und für 100 Prozent garantieren sie uns die Einlagen. (Abg. Dr. Stummvoll: Nur von Raiffeisen!)

Es ist mir klar, aber ich bin trotzdem nicht dafür, dass man dann auf interne Revisionen bei kleinen Banken verzichten kann – ihr garantiert ja sowieso. Aber wer garantiert uns, dass durch die mindere Kontrolle nicht doch etwas passiert? – Das gebe ich zu beden­ken, sehr geehrte Kollegen Sparkasse und Raiffeisenkasse.

Es heißt auch, dass die Meldung an die Nationalbank drei Monate unterbleiben kann, wenn der Bankprüfer die Tatsache feststellt, dass, wenn der Bestand des geprüften Institutes oder die Erfüllbarkeit der Verpflichtungen gefährdet ist, dieser Mangel in den drei Monaten behebbar ist. Wenn ein Kreditinstitut im Bestand gefährdet ist und auch die Gefahr besteht, dass die Verpflichtungen nicht eingehalten werden können, dann frage ich mich, was geringfügig ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, Sie nehmen den Schutz der Kunden bei den Banken doch etwas zu leicht. Die


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Aussage, dass Sie für 100 Prozent garantieren, ist uns Sozialdemokraten zu wenig. (Beifall bei der SPÖ.)

19.20


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Glaser. – Bitte.

 


19.20.24

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Kontrolle ist im Wirtschaftsbereich und vor allem im Finanzbereich etwas sehr Wesentliches, wobei sicherlich nicht die Quantität der Kontrolle entscheidend ist, sondern die Effizienz der Kontrolle. Noch so viele Prüfun­gen helfen nichts, wenn nicht rechtzeitig erkannt wird, dass es in eine falsche Richtung geht, was wir ja beispielsweise im Burgenland bei der Bank Burgenland leidvoll erfah­ren haben. Da haben auch fünf Prüfgänge nichts geholfen, trotzdem gab es Riesen­probleme. (Abg. Gradwohl: Was ist mit der Passage, die jetzt drinnen steht?)

Entscheidend in all diesen Bereichen ist der Faktor Mensch, Herr Kollege. Das wissen Sie genauso gut wie wir alle. Und entscheidend wird letztlich auch bei dieser Neu­regelung der Faktor Mensch sein. Ich gebe schon zu, es wird nicht leicht sein fest­zustellen, ab wann es Probleme gibt und ab wann der Bankprüfer dann für die Finanz­marktaufsicht tätig sein und eine Meldung durchführen muss.

Ich möchte hier zum Kollegen Gaßner schon noch sagen, das ist in keiner Weise eine Verminderung oder eine Verschlechterung der Kontrolle, sondern es ist nur eine klarere Differenzierung, ab wann eben der Bankprüfer für die Finanzmarktaufsicht eine Meldung machen und für die Finanzmarktaufsicht tätig sein muss. (Zwischenruf des Abg. Dr. Bauer.– Genau so ist es, Herr Kollege.

In diesem Sinne glaube ich, dass in diesem Falle diese Regelung die bestmögliche ist. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.22


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 893 der Beilagen.

Hiezu hat Herr Abgeordneter Dr. Matznetter ein Verlangen auf getrennte Abstimmung eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 Ziffern 28 bis 31 in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diese Teile des Gesetzentwurfes aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist das die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes, samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 894 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wo kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Investmentfondsgesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Börsegesetz und weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 895 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies eben­falls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Scheidemünzengesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 854 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Gesetzentwurf sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um eine Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

19.25.0011. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (848 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das EG-Amtshilfegesetz, das EU-Quellensteuergesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Finanzaus­gleichs­gesetz 2005 und das Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981 geändert wer­den (897 d.B.)


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12. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (808 d.B.): Abkom­men – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande – für Aruba (898 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (809 d.B.): Abkom­men – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande – für die Niederländischen Antillen (899 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (811 d.B.): Abkom­men – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und Guernsey (900 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (812 d.B.): Abkom­men – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und Jersey (901 d.B.)

16. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (813 d.B.): Abkom­men – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Isle of Man (902 d.B.)

17. Punkt

Regierungsvorlage: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Anguilla über die Besteuerung von Zinserträgen (885 d.B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschuss­vorberatung)

18. Punkt

Regierungsvorlage: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Be­steuerung von Zinserträgen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der British Virgin Islands (888 d.B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)


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19. Punkt

Regierungsvorlage: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Be­steuerung von Zinserträgen zwischen der Republik Österreich und den Cayman Islands (886 d.B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

20. Punkt

Regierungsvorlage: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Be­steuerung von Zinserträgen zwischen der Republik Österreich und dem Über­seeischen Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreiches Montserrat (887 d.B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

21. Punkt

Regierungsvorlage: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Be­steuerung von Zinserträgen zwischen der Republik Österreich und den Turks and Caicos Islands (889 d.B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 bis 21 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Mag. Moser. – Bitte.

 


19.27.03

Abgeordneter Mag. Johann Moser (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt sind wir tatsächlich bei Punkt 11 angelangt, wir haben ja schon vorher einen Vorgeschmack darauf bekom­men.

Die SPÖ tritt grundsätzlich für mehr Steuergerechtigkeit ein und unterstützt jede EU-weite Zusammenarbeit im Bereich des Steuer- und Zollwesens. Das ist einmal die grundsätzliche Voraussetzung. Hier haben wir schon gehört, dass sehr viele Gesetze zur Disposition stehen.

Wir unterstützen auch die Einkommensteuergesetz-Änderung, weil sie den Wegfall von Mehrfachabschreibungen beinhaltet, weil sie den Ausschluss von Doppelbegünstigun­gen beinhaltet und weil sie das Einbeziehen von zwischenstaatlichen oder völkerrecht­lichen Vereinbarungen steuerfrei gestellter Einkünfte in die Berechnung der Negativ­steuer berücksichtigt.

Wir sind aber gegen die zunehmenden Reparaturen des Finanzausgleichsgeset­zes 2005, wie es auch hier wieder der Fall ist, wo wieder einige Fehler passiert sind.

Wir unterstützen aber auf der anderen Seite Abkommen, wie sie der Herr Präsident gerade vorgelesen hat, zwischen Österreich und den ehemaligen Kolonien Großbritan­niens und Hollands über die Besteuerung von Zinserträgen, weil damit gleiche Wett­bewerbsvoraussetzungen für die Banken und die Finanzdienstleistungen ermöglicht werden. Das ist ein wichtiges Prinzip.

Aber in diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Punkt aufmerksam machen. Finanz­minister Grasser, der heute bei diesem wichtigen Geschehen wieder nicht anwesend ist, verhinderte, dass Österreich am neuen EU-einheitlichen Wettbewerb des fairen und transparenten Zinsbesteuerungssystems voll teilnimmt. Er hat das verhindert!


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Was ist die Konsequenz? – Die Konsequenz ist, dass die Kapitalertragsteuer für nicht österreichische EU-Bürger in Schritten ab dem Jahr 2011 auf 35 Prozent erhöht wird. Was bedeutet das für Österreich? – Wegen des Grundprinzips der Nichtdiskriminierung von EU-Ausländern muss Österreich ebenfalls ab 2011 die KESt auf diesen Satz erhöhen. (Staatssekretär Dr. Finz: Nein!) Das ist eigentlich ein weiterer Anschlag von Finanzminister Grasser – er wird dann nicht mehr Regierungsverantwortung tragen – auf die Sparbücher der Österreicher. Damit trägt Grasser, der offensichtlich in der Zwischenzeit schon wieder bei Foto-Shootings ist oder den restlichen Tag zur Arbeitsuche nützt, die volle Verantwortung für diese neue Besteuerung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.29


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maier. – Bitte.

 


19.30.00

Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! An sich sind mir 4 Minuten Redezeit vorge­geben worden. Ich denke, auch angesichts der Ausführungen meines Vorredners, dass man das in kürzerer Zeit abhandeln kann. Die Materie ist ja eine historische. An diesem Tag haben wir die Europäische Verfassung beschlossen. Jetzt beschließen wir einige Abkommen, zehn an der Zahl – der Herr Präsident hat sie gerade sehr eindrucksvoll referiert –, durch die wir die Zinserträge und die Besteuerung der Zinserträge zwischen diesen Ländern und Österreich regeln.

Darüber hinaus gibt es noch eine Fülle anderer Anpassungen im Einkom­mensteuer­gesetz, im EG-Amtshilfegesetz, im EU-Quellensteuergesetz, aber auch im Zollrechts-Durchführungsgesetz. Ich denke, gerade das Zollrechts-Durchführungsgesetz sollten wir angesichts der Tatsache, dass E-Government momentan in aller Munde ist, herausgreifen und zeigen, dass auch in diesem Bereich eine Modernisierung und zum Glück auch eine Verbilligung eintreten werden. Nach dem Studium dieser Akte ist nämlich zu sehen, dass die kostenpflichtige Hausbeschau, wie sie bisher stattfand, entfällt, nunmehr durch den Einsatz der Informatik keinerlei Kosten mehr anfallen und somit ein Einsparungseffekt erzielt wird.

Ich denke, das ist erfreulich und man sollte es herausstreichen. Man muss nicht immer nur ein bisschen negative Dinge heraussuchen, wie Kollege Moser das tut, sondern man könnte das Positive ansprechen, wie ich das versucht habe. (Abg. Mag. Tancsits: Das ist gut gelungen!) Daher gibt es keinen Grund, hier nicht zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.31


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte.

 


19.31.45

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte aus diesen elf Tagesord­nungspunkten einen herausgreifen, nämlich die EU-Zinsrichtlinie, die Quellensteuer, die im Wesentlichen darauf beruht, dass jene Zinsen, die ausländische Anleger in Österreich von den Banken beziehen, entsprechend erfasst werden. Diese Infor­mations- und Meldepflicht, die mit einer Reihe von Ländern vereinbart ist, ist sehr wichtig für die Erfassung der Zinsbesteuerung.

Ich möchte nur eine Anmerkung machen: Der österreichische, aber auch der inter­nationale Finanzmarkt sind sehr innovativ und sehr einfallsreich. Es wird also nicht


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genügen und nicht damit belassen sein, dass wir jene Vereinbarungen treffen, die wir heute hier verabschieden, es wird vielmehr notwendig sein, dass wir beispielsweise mit Hongkong oder mit Japan und anderen finanzkräftigen Ländern auf der ganzen Welt – denn das Geld ist ja auch ein Globalisierungstriebmittel – solche Vereinbarungen schließen, um keine Kapitalflucht aus Europa zuzulassen. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

19.33


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


19.33.17

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich möchte kurz auf die Rede des Herrn Kollegen Mitterlehner zurückkommen, der unter den Tagesordnungspunkten 7 bis 10, die unter einem verhandelt wurden, ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er – er hat das richtig rührend gemacht – zu den Punkten 11 bis 21 zu sprechen kommt. Unabhängig davon, dass das ein großer Block ist, ist das völlig unbeanstandet geblieben! Sein ehrenwertes Verhalten, dass er das ankündigt, und das Nichteinschreiten des Präsidenten sind zwei verschiedene Dinge! Ich darf dem jetzt Wirkung mit Präjudizcharakter zuschreiben. Dann hätten wir dieses Problem nicht so oft und bräuchten uns nicht gegenseitig mit Rufen zur Sache auf die Nerven zu gehen. Das wird dann vielleicht die Debatte vorantreiben. – Wie dem auch sei.

Zu dieser Sache: Die Fragestellung der internationalen Übereinkünfte bei Steuer­abkommen stellt sich nicht nur in diesem Bereich. Das ist ein guter, richtiger Schritt im Verhältnis zu dem, was wir alles noch zu lösen haben oder zumindest lösen sollten. Ich bin mir da nicht sicher, ob immer alle einer Meinung sind. Die anderen Bereiche sind ja noch viel größer.

Ich darf die verbleibende Minute dazu nutzen, im Plenum des Nationalrates ein paar wichtige Stichworte in Erinnerung zu rufen. Das Problem des internationalen Steuer­dumpings bei allen Arten von Gewinnsteuern und teilweise auch Vermögensteuern ist ein nach wie vor unterschätztes. Einzelnen ist auch zu unterstellen, dass sie sich hinter diesem Paravent verstecken, weil es ihrer Ideologie entspricht, sozusagen auch Regierungen sollen wie Unternehmen in Wettbewerb treten. Steuerwettbewerb, wie es dann so schön heißt, könne ja etwas Gutes sein. – Der Vergleich ist völlig absurd! Die Regierungen befinden sich gegenüber den internationalen Großkonzernen selbst­verständlich in einer Art Gefangenendilemma. Solange es nicht gelingt – in manchen Fragen am besten global, in anderen reicht natürlich die Europäische Union aus –, verbindliche Mindestgrenzen, sowohl was Besteuerungsbemessungsgrundlagen, was Steuersätze, als auch viele andere Bestimmungen betrifft, zu errichten, dünnen sich die Gewinnsteuern auf Kapital einfach aus. Das wird so sein.

Dagegen kann man zumindest auftreten und andere Vorschläge einbringen. Das vermisse ich manchmal bei Einzelnen, die hier immer dieses Hohelied anstimmen. Das sind die Probleme der Zukunft, auch auf der Ebene der Europäischen Union. Leider gibt die Verfassung in dem Punkt – weil wir heute so viel gejubelt haben – nicht allzu viel her. Wir bräuchten eigentlich Mehrheitsprinzipien und -bestimmungsrechte, was gerade die Besteuerung von Gewinn, von Vermögen, von Kapital betrifft. Bei den Umsatzsteuern ist es schon ganz klar, dass man das braucht, weil da die Not früher schon groß gewesen ist. Aber jetzt ist die Not dort groß! Diese Geschichte, dass eine Regierung nach der anderen erpressbar wird und einzelne Regierungen auch immer wieder mitspielen, ist ein Problem.


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Dagegen kann aber etwas getan werden! Man braucht sich nicht nur auf die Sachzwänge auszureden! Das sollten wir beherzigen und diese schönen Worte vom Steuerwettbewerb, was man da vielleicht noch dabei gewinnen könnte, ein für alle Mal versenken. Es gilt, der Gefahr von ordinärem Steuerdumping ins Auge zu blicken und den möglichen negativen Konsequenzen für das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell, das wir kennen und heute so hoch gelobt haben. Sonst bleibt das alles unglaubwürdig. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.37


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

 


19.37.15

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Meine Damen und Herren! Der Hinweis des Herrn Kollegen Kogler hat tatsächlich etwas für sich. Wenn man von einer Wirtschaftsunion, von einer Währungsunion, von einer Sicherheitsunion spricht, dann könnte man unter Umständen auch von einer Steuerunion sprechen, um vielleicht wesentlich bessere Rahmenbedingungen zu haben, da das Steuerdumping in vielen Bereichen machbar ist.

Ich möchte noch einen Nachtrag zu den vorherigen Punkten machen. Herr Kollege Bauer! Auf Grund des Zwischenrufs, der relativ heftig war, und des Vorwurfs, dass wir die Kleinanleger nicht oder zu wenig schützen würden, wie Herr Kollege Gaßner meinte, frage ich mich: Wenn es bisher so gut gewesen ist, warum gab es dann BHI? Warum gab es dann Rieger Bank? Warum gab es dann Probleme bei der Bank Burgenland? Warum gab es dann auch den „Konsum“-Konkurs, wo eure Aufsichtsräte inklusive der Wirtschaftstreuhänder drinnen gesessen sind?

Meine Damen und Herren! Da könnte man ein paar Fragen stellen. Ich möchte es aber dabei belassen. Sie können sich die Antworten selbst geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Gerade auch bei dieser Reihe von Punkten, die wir jetzt behandeln, ist die Wettbewerbsfähigkeit ein wichtiger Punkt. Bezüglich der Be­steue­rung von Zinserträgen sind die wichtigen Punkte von den Kollegen angeführt worden. Es ist positiv, dass im Zollrechts-Durchführungsgesetz eine Kostensenkung erfolgt. Darauf wird zu wenig hingewiesen.

Herr Kollege Bucher hat zu Recht ausgeführt, dass wir noch mit vielen Ländern auf dieser Welt bestimmte Abkommen zu schließen haben, damit die Chancengleichheit hergestellt wird. Es ist, so denke ich, doch wichtig, auch zu vermerken, dass im Einkommensteuergesetz verhindert wird, dass grenzüberschreitende Über- und spätere Rückführung von Wirtschaftsgütern zu einer Mehrfachabschreibung führt.

Damit möchte ich es schon bewenden lassen, meine Damen und Herren. Eine Reihe von Punkten, die im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit wichtig sind, brauchen wir. Denn der internationale Wirtschaftswettbewerb fragt nicht, wo man erzeugt, wie man erzeugt, sondern unter welchen Bedingungen man auf dem Markt bestehen kann. Und wir helfen etwas mit, um auf diesem internationalen Markt bestehen zu können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.39


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ledolter. – Bitte.

 



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19.40.00

Abgeordneter Johann Ledolter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zuge dieser Debatte und vor allem im Lichte der Beschlüsse des heutigen Tages sollte man sich nicht nur fragen, warum diese Abkommen, diese EU-Anpassungen, diese internationalen Verträge notwendig sind, warum wir darüber nachzudenken haben, wie weit Quellenbesteuerungs­abkom­men notwendig sind, wie weit es gut und richtig ist, im internationalen Wettbewerb auch mit entsprechenden Regulativen aufzutreten, sondern wir sollten uns eigentlich fragen, wieso relativ viel ausländisches Kapital in Österreich angelegt wird, warum viele Menschen unser Land zum Zielpunkt für ihre Vermögen machen.

Wenn ich da an die Ausführungen des Kollegen Kogler anknüpfe, dann möchte ich sagen, ich meine schon, dass Österreich sich in keiner Weise vor dem internationalen Wettbewerb zu fürchten braucht. Ganz im Gegenteil! Mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und dieser Regierung sind wir sehr wohl gut gerüstet für diesen inter­nationalen Wettbewerb. Ich denke nur daran, dass die Steuerquote in unserem Land von 44,8 Prozent in Richtung 40,6 Prozent mit Beginn nächsten Jahres unterwegs ist, dass der Export um 50 Prozent zugenommen hat, dass wir im Tourismus nahezu Weltmeister sind mit rund 18 Milliarden € Umsatz im Jahre 2003 – ein Wachstum von 4,2 Prozent, das das Sechsfache dessen ausmacht, was das übrige Wirtschafts­wachstum ist – und einem Pro-Kopf-Einkommen von 1 500 € aus dem internationalen Reiseverkehr. Bei den Ankünften nehmen wir den fünften Platz in Europa und den siebenten auf der Welt ein. Die Spareinlagen in Österreich haben im letzten Fünf-Jahres-Sprung um 60 Milliarden zugenommen.

Meine Damen und Herren! Fakten und Parameter, die es sehr notwendig erscheinen lassen, diese Abkommen zu beschließen und mitzutragen, was wir auch gerne tun werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.42


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Verhandlungsgegenstand getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz, das EG-Amtshilfegesetz und weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 897 der Beilagen.

Hiezu hat Herr Abgeordneter Dr. Matznetter ein Verlangen auf getrennte Abstimmung eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betrof­fenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über die Artikel 5 und 6 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diese Teile des Gesetzentwurfes aus­sprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit ange­nommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies mit Mehrheit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen – in Form eines Brief­wechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande – für Aruba in 808 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen – in Form eines Brief­wechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Nieder­lande – für die Niederländischen Antillen in 809 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen somit zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen – in Form eines Brief­wechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und Guernsey in 811 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen – in Form eines Brief­wechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und Jersey in 812 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen – in Form eines Brief­wechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen und die vorläufige Anwendung dieses Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Isle of Man in 813 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung, dem Abschluss des gegenständlichen Staats­vertrages: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Anguilla über die Besteuerung von Zinserträgen in 885 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung, dem Abschluss des gegenständlichen Staats­vertrages: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der British Virgin Islands in 888 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung, dem Abschluss des gegenständlichen Staats­vertrages: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der Republik Österreich und den Cayman Islands in 886 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung, dem Abschluss des gegenständlichen Staats­vertrages: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der Republik Österreich und dem Überseeischen Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreiches Montserrat in 887 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung, dem Abschluss des gegenständlichen Staats­vertrages: Abkommen – in Form eines Briefwechsels – über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der Republik Österreich und den Turks and Caicos Islands in 889 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

19.46.4122. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (810 d.B.): Abkom­men zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Kambodscha über die Förderung und den Schutz von Investitionen (903 d.B.)

23. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (855 d.B.): Bundes­gesetz über die Leistung eines Beitrages zum Asiatischen Entwicklungsfonds (ADF-IX) und zum Technische Hilfe Sonderfonds der Asiatischen Entwicklungs­bank (904 d.B.)

24. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 522/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Detlev Neudeck, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 geändert wird (905 d.B.)


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25. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 527/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Christoph Matznetter, Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (906 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nun gelangen wir zu den Punkten 22 bis 25 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Dr. Stummvoll. – Bitte.

 


19.47.43

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschließen heute unter diesen Tagesordnungspunkten zwei Gesetzesvorhaben, die für die betroffenen Zielgruppen von wirklich großer Bedeutung sind. Das eine ist die klare Festlegung, dass ortsübliche Trinkgelder in Zukunft steuerfrei sind. Das ist für Hunderttausende Arbeitnehmer in diesem Land eine Rechtsklarheit und etwas, das jenen Menschen dient, die vor allem in der Dienstleistungsbranche vielleicht ein bisschen mehr tun, als sie eigentlich tun müssten, und dafür Trinkgeld bekommen. Ich meine, wir können froh sein, dass wir dieses Gesetz heute einstimmig beschließen, meine Damen und Her­ren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das zweite Gesetz ist ebenfalls für eine Zielgruppe von großer Bedeutung, nämlich für die Tabaktrafikanten, die derzeit in einer sehr schwierigen Lage sind. Es treffen derzeit eine Reihe von negativen Tendenzen zusammen. Der zunehmende Schmuggel aus dem Osten, aus Osteuropa und aus China. Wir haben zweitens – das müssen wir zugeben – im Zuge des Finanzausgleiches über Wunsch der Länder die Tabaksteuer erhöht, und wir haben drittens die berühmten Anti-Raucherkampagnen. All diese Einflüsse sind negativ und führen dazu, dass die Trafiken im ersten Quartal ein Umsatzminus von 20 Prozent und mehr hatten. Daher ist es dringend notwendig, heute die Mindesthandelsspanne zu erhöhen, was auch eine Forderung der Trafikanten ist.

Ich möchte Folgendes auch sehr deutlich sagen, was oft übersehen wird: Die Trafiken haben eine mehrfache Funktion! Arbeitsmarktpolitisch betrachtet haben wir 3 000 Fach­geschäfte, die für 10 000 Menschen und deren Familien die Existenz­grund­lage darstellen.

Die Trafiken haben weiters eine regionalpolitische Funktion. Wir haben heute viele Nahversorger, die ohne Zusatzeinkommen aus der Trafik nicht überleben könnten. Wir haben 5 000 so genannte Tabakverkaufstellen bei Nahversorgern.

Die Trafiken haben drittens eine sozialpolitische Funktion, meine Damen und Herren! 42 Prozent aller Tabakfachgeschäfte werden von Behinderten geführt.

Die Trafiken haben viertens eine gesundheitspolitische Funktion. Nicht jedes Geschäft darf Tabakwaren verkaufen, und mit der Erhöhung der Handelsspanne wollen wir aus Gründen des Jugendschutzes und der Gesundheitspolitik auch vermeiden, dass Zigaretten sehr billig auf den Markt kommen. Billige Zigaretten liegen nicht im Interesse des Jugendschutzes oder der Gesundheitspolitik!

Letztlich wissen wir, meine Damen und Herren, und das sage ich zum Abschluss, dass das nur ein erster Schritt sein kann für die Trafiken. Weitere Schritte müssen folgen. Wir müssen vor allem im Sinne unserer Entschließung energisch Maßnahmen gegen den Zigarettenschmuggel ergreifen, vor allem eine Koordinierung von Grenzgen­dar­merie, Bundeskriminalamt und Zollverwaltung erreichen, und wir müssen zweitens den Trafiken in Zukunft bei den Nebenartikeln mehr Spielraum geben, damit sie eine faire


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Chance haben, in diesem Land auch Existenzgrundlage für Zehntausende Familien zu sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.50


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. – Bitte.

 


19.50.30

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich gebe Kollegem Stummvoll vollkommen Recht, insbe­sondere auch was die Trafikanten angeht. Wien hat heute einen Schritt gesetzt. Auf Antrag der SPÖ wurde heute im Finanzausschuss des Wiener Gemeinderates be­schlossen, dass die Provisionen für den Vertrieb der Parkscheine dramatisch, würde ich einmal sagen, erhöht werden. Das ist ein Volumen von rund 500 000 €, das hier pro Jahr zugunsten der Trafikanten bewegt wird.

Ich denke auch, dass das eine sehr wesentliche Berufsgruppe ist, oftmals auch mit Behinderungen kämpfend. Die Absicherung ist zweifellos notwendig. Wir werden der Änderung des Tabakmonopolgesetzes natürlich gerne zustimmen, das ist gar keine Frage, und weitere, flankierende Maßnahmen werden sicherlich folgen.

Zur Trinkgeldbesteuerung. Auch hier werden wir zustimmen, wenngleich ich doch betonen möchte, dass noch nicht alle Fragen bis ins Detail geklärt sind, Fragen, was alle Berufsgruppen angeht, und unter Umständen wird auch noch eine gewisse verfas­sungsrechtliche Debatte anstehen. Insbesondere für die Tourismus- und Freizeit­wirtschaft ist das aber natürlich äußerst zu begrüßen, das ist gar keine Frage.

Wenn man kurz die Historie dieser Trinkgeldbesteuerung streift, so bietet das doch die Möglichkeit, ein bisschen die Planlosigkeit der Regierung herauszustreichen, insbeson­dere des Finanzministeriums.

Natürlich ist klar, dass freiwillige Trinkgelder über die Freigrenze hinaus schon immer zur Einkommensteuer hätten veranlagt werden müssen, und es ist auch klar, dass durch die Tendenz, dass Trinkgelder immer mehr über Kreditkarten abgerechnet wer­den, eine bessere Überprüfungsmöglichkeit gegeben ist als bei Trinkgeldern in bar. Aber was war der erste Ansatz des Finanzministeriums, insbesondere des Herrn Finanz­ministers? Er meinte damals, aus Gerechtigkeitsgründen sei es notwendig, alle Trinkgelder unterschiedslos zu besteuern! Aus Gerechtigkeitsgründen! Jetzt ist bekannt, dass die Entlohnung in der Tourismuswirtschaft nicht unbedingt große Reichtümer verspricht, aber offensichtlich war die Exekution der Steuerehrlichkeit gerade bei den Beziehern niedriger Einkommen ein besonderes Anliegen des Herrn Finanzministers.

Es erfolgte ein Aufschrei auch durch die Boulevardpresse, und dann ist Staatssekretär Finz auf die glorreiche Idee gekommen, ein Pauschalierungsmodell einzuführen. Diese Besteuerung, diese Pauschalierung, sollte sich auch in zweistelliger Millionenhöhe auswirken.

Interessant ist dabei nur ein kleines Detail am Rande: dass im Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Stummvoll und Dipl.-Ing. Prinzhorn eine derartige Pauschalierung wörtlich als „undenkbar“ bezeichnet wird. Nachdem diese „Undenkbarkeit“ dann auch dem Finanzminister aufgefallen sein dürfte, hat er in einer bemerkenswerten 180-Grad-Wendung dann gemeint, aus Gerechtigkeitsgründen wiederum sei es notwendig, dass Trinkgelder überhaupt nicht besteuert werden. – Eine halbe Pirouette, die sehr bemerkenswert ist, insbesondere zumal sie sich über mehrere Monate gezogen hat.

Tatsache ist, dass nur das gemeinsame Auftreten von ArbeitnehmervertreterInnen und ArbeitgebervertreterInnen der Tourismuswirtschaft dieses Umdenken herbeigeführt


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hat. Ich darf an dieser Stelle das Portal der Wirtschaftskammer Österreich, sozusagen aus meinem Munde unverdächtig, zitieren. Dort ist nachzulesen, dass der Herr Finanzminister in den Gesprächen betont habe, er hätte nicht – ich zitiere – mit einem derartigen „Gegenwind“ der Sozialpartner gerechnet.

Das heißt, deshalb hat das Umdenken eingesetzt. Ich denke, dass gerade in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Zukunft dieses gemeinsame Agieren der Sozial­partner angesagt ist, um hier mehr Gegenwind zu bewirken. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte.

 


19.54.06

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz die Geschichtsbetrachtung meines Vorredners zurechtrücken. Es war niemals angedacht, dass wir einer Pau­schalierung zustimmen, sondern wir wollten von Anfang an die Verwaltungskosten, die Eintreibungskosten der Trinkgeldbesteuerung minimieren. Es war die Zielsetzung der beiden Koalitionsparteien von Anfang an, dass wir die Trinkgeldbesteuerung in Frage stellen, dass wir die Zweckmäßigkeit und Sinnhaftigkeit in Frage stellen.

Es ist ein großer Schritt und auch eine große Genugtuung, am heutigen Tag mit der Zustimmung aller vier Parteien diese Trinkgeldbesteuerung der Geschichte angehören zu lassen. Ich denke, das ist ein denkwürdiger Schritt, damit vor allem die Dienst­leistungen, die im kleineren und mittleren Einkommensbereich angesiedelt sind, zu­künftig von der Trinkgeldbesteuerung befreit werden.

Das ist immer eine Zielsetzung des freiheitlichen Parlamentsklubs gewesen, von unse­rer Seite immer gewollt und richtig. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.55


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


19.55.00

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Wenn man die TOPs 22 bis 25 betrachtet und sich frägt, warum die unter einem verhandelt werden müssen, muss der Schluss nahe liegen, dass ganz offensichtlich die Trafikanten in Kambodscha zu wenig Trinkgeld bekommen und das ganze Problem von der Asiatischen Ent­wicklungsbank am besten mit einem Sonderfonds aufgefangen wird. Mir ist nicht immer ganz klar, warum einiges unter einem verhandelt wird, anderes wiederum nicht. Vielleicht kann einmal jemand darüber meditieren. Jedenfalls kann es nicht das Prob­lem gewesen sein, das ich beschrieben habe, nämlich das Trafikantenproblem und das Trinkgeldproblem in Kambodscha.

Aber zum Ernst der Sache. Stichwort Trafikanten. – Das ist durchaus ernst, ich stimme dem Vorredner Stummvoll zu, es gibt verschiedene soziale, wenn man so will, sogar ökonomische Ziele, warum das alles so gemacht werden soll. Ich mache Sie nur auf einen Umstand aufmerksam: In diesem Bereich wird mit staatlichen Eingriffen operiert, was ganz schön heftig ist. Halber Gebietsschutz muss man schon fast sagen. Wer bekommt eine Trafik zugeteilt? Was ist mit den Spannen? (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Alles in Ordnung, ja, das sage ich auch, aber man muss immer erkennen, dass es offensichtlich vom Ziel abhängt, wie viel staatliche Eingriffe oder Regulative oder ich weiß nicht, welch böse Worte Sie für so etwas sonst haben, dann gerade notwendig


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sind. Ich mache Sie nur darauf aufmerksam, es kann bei anderen Zielen auch der Fall sein, dass man das für gescheit hält oder nicht. Oder ist jetzt der Turbo-Kommunismus im Trafikantenwesen ausgebrochen? Das ist die Frage an dieser Stelle.

Ich glaube, das ist eine vernünftige Sache, deshalb stimmen wir auch zu. Aber Ihre eigene Logik dazu würde mich interessieren, die bleibt nämlich nach wie vor im Verbor­genen, außer die Absicht, dass Sie Gutes wollen, das will ich Ihnen nicht absprechen.

Kommen wir abschließend noch zur Frage der Trinkgeldbesteuerung. Es ist hier in diesem Zusammenhang von einer Pirouetten-Vorführung gesprochen worden. Ich sage, das war eine Dreifachpirouette. Wie von einem Vorredner bereits erwähnt, hat das Finanzministerium längstens behauptet, da gehöre im Sinne der Gerechtigkeit unbedingt eingegriffen, dass nicht nur diejenigen, die über Kreditkarten alimentiert werden, sondern überhaupt alle gefälligst die Trinkgeldsteuer zahlen sollen. Nachdem das ein bisschen unpraktisch ist, hat man eine Pauschalierung erfunden. Der Erfinder (in Richtung Staatssekretär Dr. Finz) sitzt hier.

Daraus ergeben hat sich folgender Vorgang – aber das haben wir öfters überlebt –: Finanzministers Ritterspiele. Der „böse Ritter“ – Finz – muss ausreiten und die Trinkgelder besteuern wollen, damit irgendwann, wenn es der „Kronen Zeitung“ dann auch noch opportun ist, über Nacht Finanzminister Grasser auftreten und das Gegen­teil von dem sagen kann, was er monatelang behauptet hat. Und auf einmal ist es das Gerechteste, dass die Trinkgelder nicht mehr besteuert werden.

Es soll uns freuen, wir haben das schon immer gesagt, und zwar nachweisbar. Diese Ihre Pirouettenkunst können Sie hier erklären wollen – vielleicht interessiert das aber auch niemanden mehr, weil das Gute in der Sache gesucht werden soll –, aber glaubwürdig ist das nicht, wie das meiste an diesem Finanzminister. Sich in einer Situation – auch wenn Sie es wieder nicht hören wollen –, in der die Manager immer mehr verdienen und die Gewinneinkommen immer noch mehr werden, der Besteue­rung zu entziehen und noch einen Haufen Energie dazu aufzubringen, zu überlegen, wie man jetzt doch diese Trinkgeldsteuer, die es tatsächlich gegeben hat, beim kleinen Kellner exekutieren kann, das ist schon absurd.

Dafür hat das Haus Energien, aber wenn es um das Eintreiben von Steuerschulden von Großunternehmen geht, vermisst man das. Immerhin gibt es jetzt Ansätze in der Betrugsbekämpfung. Ich will diese Trendwende aber nicht zu groß machen. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist eine Schräglage, die genau dem Badehosenprinzip im Finanzministerium entspricht, das jetzt offensichtlich ausgebrochen ist. Das ist ernster, als es vielleicht klingen mag. (Beifall bei den Grünen.)

19.59


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend. – Bitte.

 


19.59.27

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kogler, Sie haben versucht, Fragen aufzuwerfen, Fragen, bei denen ich mich einigermaßen wundere, denn wenn man sich halbwegs mit der Materie beschäftigt hat, sollte man draufgekommen sein, dass Österreich nicht nur erst seit jüngster Zeit, sondern bereits seit einigen Jahr­zehnten das Modell der sozialen Marktwirtschaft verfolgt.

Das heißt, dass der Markt im Mittelpunkt des Wirtschaftsgeschehens steht, dass aber trotzdem soziale Abstützungen erfolgen und durchaus auch Eingriffe in den Markt und


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Regulierungen des Marktes erfolgen können, um notwendige soziale Maßnahmen durchsetzen zu können. Und dazu gehört die Behindertenpolitik.

Wir wissen ganz genau, dass Trafiken einer der ganz wenigen Bereiche sind, wo man Behinderten eine Möglichkeit zur selbständigen Tätigkeit geben kann. Und das ist bereits seit 1945 ein wohl durchdachtes und, ich sage auch, wohl erprobtes System. Ich wundere mich, dass Sie das jetzt in Frage stellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Mag. Kogler.)

Ich freue mich auf der anderen Seite, dass alle bei der Trinkgeldfrage mitgehen, und zwar freue ich mich auch deshalb, weil das genau das Gegenteil von dem gezeigt hat, was Sie hier zum Ausdruck bringen wollten, nämlich dass das Finanzministerium rasch, und zwar innerhalb von 24 Stunden, nachdem die Diskussion in der Öffent­lichkeit aufgeflackert ist, reagiert und klargestellt hat, wie es sein soll. Und das ist auch richtig so, das ist ja nicht die wichtigste Frage, bei Gott nicht, aber das ist eine Frage, welche die Menschen berührt, daher gehört sie auch geregelt. Und ich glaube, dass das im Sinne der Betroffenen war, und gleichzeitig war es rasch und effizient.

Ganz zum Schluss noch eines: Es wird gerade von sozialdemokratischer Seite nach wie vor bei jeder Steuerfrage immer wieder gefragt: Sollten wir nicht für den Bin­nenmarkt und die Binnenmarktnachfrage noch mehr tun? Ist es nicht falsch, dass die Unternehmen gestützt worden sind? – Ich möchte Ihnen dazu nur Folgendes sagen: Mehr als 50 Prozent erwirtschaften wir durch die Außenwirtschaftskomponente. Und in der Außenwirtschaftskomponente hilft es uns überhaupt nichts, wenn wir die Binnen­nachfrage stützen. Daher ist der Grundansatz des Finanzministeriums, eine Hälfte der Steuerreform für die Binnennachfrage und die zweite Hälfte für die Außenwirtschaft, nämlich für die Standortfrage zu investieren, absolut richtig. Solange Sie das nicht erkennen, zeigen Sie nur, dass Sie noch nicht in der Lage sind, die richtige Wirt­schaftspolitik für Österreich zu machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.02


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

 


20.02.27

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Jetzt gehe ich einmal auf diesen Einwurf nicht ein. Es bleibt die Frage offen, ob 50 Prozent für die Binnenwirtschaft genug sein werden, damit wir die 297 000 Arbeitslosen in Beschäftigung bringen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Seit vielen Jahren werden vom österreichischen Parlament so genannte Investitionsschutzabkommen mit anderen Ländern beschlos­sen, heute mit Kambodscha. Und seit vielen Jahren regen wir von den Sozialdemo­kraten an, dass dieses Musterschutzabkommen überarbeitet werden soll, und zwar dahin gehend, dass nicht nur der Schutz von Investitionen garantiert ist, sondern dass auch Mindestnormen für Arbeitnehmer eingeführt werden. Seit einem Jahr wird nun wirklich in den Ausschüssen darüber diskutiert. Und es ist uns auch anlässlich der parlamentarischen Enquete zu diesen Musterschutzabkommen vom Finanzministerium versprochen worden, es werde ein so genanntes neues Musterschutzabkommen vorgelegt.

Es ist uns von Staatssekretär Finz in der letzten Sitzung des Finanzausschusses versprochen worden – das war am 28. April –, das Finanzministerium werde rasch daran arbeiten und es werde demnächst kommen. Es ist noch nicht gekommen, Herr Staatssekretär. Ich bitte Sie, dem Finanzminister auszurichten: Wenn die Parla­mentarier der EU-25 es zustande bringen, sich auf eine Arbeitszeitrichtlinie zu einigen,


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dann wird es in Österreich wohl nach Jahren oder zumindest nach einem Jahr inten­siver Diskussion möglich sein, zu dem versprochenen neuen Musterschutzabkommen zu kommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.04


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

 


20.04.41

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich persönlich bin sehr froh darüber, dass wir heute den Vierparteienantrag haben und dass die Trinkgelder in Zukunft nicht mehr der Lohn- beziehungsweise Einkommensteuer unterworfen werden. Österreich ist ja bekanntlich ein Tourismusland, und als solches leben wir natürlich auch von der Motivation und der Freundlichkeit unserer mehr als 180 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in rund 60 000 Gastgewerbebetrieben.

Wenn wir jetzt die Geschichte aufrollen und sagen, der Herr Finanzminister hat dieses gesagt und der Herr Staatssekretär jenes, dann sollten wir uns vor Augen halten, dass gerade die Lohnverrechnerinnen und Lohnverrechner – wir reden immer von Steuer­vereinfachung und von Verwaltungsvereinfachung und so weiter – mit der Besteuerung der Trinkgelder ganz schön etwas mitgemacht haben. Ich glaube, dass der jetzt ein­geschlagene Weg richtig ist, und zwar nicht nur deshalb – ein Kollege vor mir hat das ja schon gesagt –, weil gerade die Gastgewerbebranche eine Niedriglohnbranche ist, sondern auch deshalb, weil dadurch ein bisschen Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gastgewerbe und in der Tourismusbranche, ja in der Dienstleistungs­branche überhaupt gewährleistet ist. Nichtsdestotrotz bringt es natürlich auch für die Unternehmer eine Herabsetzung der Lohnnebenkosten, wirkt sich also auf den Dienst­ge­berbeitrag und die Kommunalsteuer aus, was ich auch für einen richtigen Weg halte.

Im Vordergrund dieser Maßnahme steht für mich aber, dass es ein Danke sein soll an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dienstleistungsbereich, gerade auch an jene, die Österreich nach außen vertreten, wie das eben in der Tourismusbranche der Fall ist. Und das finde ich gut.

Man braucht somit nicht lange zu überlegen, wer welche Idee gehabt hat, sondern wenn wir schon alle zustimmen, dann sollten wir das auch wirklich gutheißen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.06


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Langreiter. – Bitte.

 


20.06.40

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich kann mich natürlich den Ausführungen meiner Vorredner vollinhaltlich anschließen. Keine Frage, der Handel und der Beherbergungs- und Gaststättenbereich profitieren ganz entscheidend von dieser Befreiung der Steuer auf Trinkgelder. Letztendlich ist ein Mitarbeiter in dieser Branche durchaus auch ein wenig Unternehmer, weil er sich profiliert und vielleicht auch vermarktet und bei entsprechender Arbeit natürlich Aner­kennung bekommt.

Es gibt natürlich auch Bereiche, wo auf Grund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen Schranken gesetzt sind, was die Annahme von Trinkgeldern betrifft. Ich hoffe nicht, dass es gewisse Branchen erwischt. Ich denke zum Beispiel an die handwerklichen Dienste im öffentlichen Bereich oder vielleicht durchaus auch an das


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Ungleichgewicht zwischen einem Wirt, der selbst ausschenkt und Einzelunternehmer ist, und einem Mitarbeiter in einem Restaurant.

Interessanterweise ist, Frau Hagenhofer, der Beschäftigtenstand im Beherbergungs- und Gaststättenwesen im ersten Quartal absolut um 4,8 Prozent gestiegen. Da mutet es ganz interessant an, dass heute die SPÖ im Entschließungsantrag betreffend eine Offensive für mehr Arbeit und Wachstum die Absenkung der Saisonkontingente vor allem für den Tourismus jedenfalls im Ausmaß der Beschäftigung von Saisonarbeit­nehmerInnen aus der EU-15 fordert, und zwar schon ab 2005. Interessant ist, dass der Tourismussprecher der Sozialdemokraten dabei auch mitgemacht hat, das bedeutet nämlich eine Absenkung praktisch auf null. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Branchen werden es Ihnen danken, vor allem auch die Betriebe.

Alles in allem, glaube ich, eine gute Aktion, sodass wir dieser Trinkgeldsteuerbefreiung zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.08


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Liechtenstein. – Bitte.

 


20.08.38

Abgeordneter Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist das Wesentliche schon vom Kollegen Stummvoll und auch von den folgenden Rednern gesagt worden. Ich freue mich sehr, dass das heute an jenem Tag geschieht, an dem wir auch die Verfassung für Europa beschlossen haben. Das Wichtigste dabei ist für mich auch, dass die Min­desthandelsspanne erhalten bleibt, gerade bei den Trafiken, die ja nicht nur Zigaretten verkaufen, sondern auch andere Dinge und die gerade auf dem Land, in den kleinen Gemeinden oft die letzten Geschäfte sind, die erhalten bleiben sollen, und das selbst­verständlich auch in Europa.

Was die Trinkgeldbesteuerung betrifft, stimme ich mit meinen Vorrednern ebenfalls überein. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.09


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen mit dem Königreich Kambodscha über die Förderung und den Schutz von Investitionen in 810 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig und damit angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Leistung eines Beitrages zum Asiatischen Entwicklungsfonds und zum Tech­nische Hilfe Sonderfonds der Asiatischen Entwicklungsbank, samt Titel und Eingang in 855 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 905 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 906 der Bei­lagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

20.11.12 26. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (796 d.B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus über Informationsaustausch auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlage (929 d.B.)

27. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (807 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (930 d.B.)

28. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (806 d.B.): WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) Genf (1996) (931 d.B.)

29. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (843 d.B.): WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) Genf (1996) (932 d.B.)


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30. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (844 d.B.): Weltgesundheitsorganisation (WHO); Änderung von Art. 7 der Sat­zung; Annahme (933 d.B.)

31. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (845 d.B.): Weltgesundheitsorganisation (WHO); Annahme eines arabischen Textes und Änderung von Art. 74 der Satzung (934 d.B.)

32. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (846 d.B.): Weltgesundheitsorganisation (WHO); Änderung der Art. 24 und 25 der Satzung; Annahme (935 d.B.)

33. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (863 d.B.): Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Verteidigungsagentur und ihrer Bediensteten (936 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 26 bis 33 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte, Sie sind am Wort. (Abg. Silhavy: Jessas na!)

 


20.12.42

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Das ist Ihr Gruß, Frau Kollegin Silhavy, „jessas na“! Machen Sie nur so weiter. – Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Wir haben jetzt eine Fülle von Punkten zu behandeln, die im Ausschuss meiner Erinnerung nach alle einstimmig über die Bühne gegangen sind. Deshalb wird es wahrscheinlich inhaltlich wenig Diskussion dazu geben. Ich glaube aber, dass wir trotzdem auf einige Punkte eingehen sollten.

Ich möchte insbesondere das Abkommen mit der Republik Belarus erwähnen, wo es darum geht, dass Österreich und die Republik Belarus einen Informationsaustausch auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes vereinbaren.

Jetzt wissen wir, dass Österreich auf die Nutzung der Kernspaltung zur Energie­versorgung 1978 verzichtet hat und auch dafür eintritt, dass andere Länder weltweit, aber vor allem auch in Europa dem Beispiel folgen und auf Energiegewinnung durch Kernspaltung verzichten. Ein Abkommen hinsichtlich Information ist einmal ein erster Schritt, ein wichtiger Schritt, und gerade Belarus war durch die Tschernobyl-Katastrophe ganz besonders betroffen. Wenn Sie einmal in Minsk waren und die Kinderkrebsklinik besuchten – ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, das zu tun –, dann werden Sie, wie ich meine, erfreut sein über die Entwicklung, die dort auf diesem Sektor erfolgt ist, mit massiver Unterstützung der österreichischen Bundesregierung, mit massiver Unterstützung auch des Hilfswerkes. Es hat ursprünglich eine


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Sterblichkeitsrate von 80 Prozent bei den an Krebs erkrankten Kindern gegeben. Durch diese Klinik ist die Sterberate auf 20 oder 30 Prozent reduziert worden, ist also europäischer Standard erreicht worden. Das sollte uns also Hoffnung geben.

Trotzdem, glaube ich, müssen wir generell auch eine Stimme gegen die Verwendung von Kernkraft erheben. Gerade lese ich, dass geplant ist, in Polen bis zum Jahr 2025 eine gigantische Anlage zu bauen, um dort die Energieversorgung zu gewährleisten. Ich glaube, das Ganze ist eine problematische Geschichte. Wir in Österreich haben gezeigt, dass wir es anders können.

Abschließend möchte ich ergänzen:

Strahlen kennen keine Grenzen.

Drum muss es Ziel für alle sein:

Macht Europa kernkraftrein!

(Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.15

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeord­neter Heinzl zu Wort. – Bitte.

 


20.15.29

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir haben heute eine Regierungsvorlage über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Verteidigungsagentur und ihrer Bediensteten auf der Tagesordnung. Ich muss für meine Fraktion mit Bedauern feststellen, dass Sie, Frau Außenministerin, im Außenpolitischen Ausschuss nicht in der Lage waren, kompetent Stellung zu beziehen. (Abg. Mag. Molterer: Das beurteilen Sie?)

Auf unsere Frage, wann und wo der Nationalrat beschlossen hätte, dass Österreich der Europäischen Verteidigungsagentur angehören soll, gab es keine Antworten. Auf unsere Frage, wann und wo der Nationalrat von der Bundesregierung über die Beteiligung an der Europäischen Verteidigungsagentur informiert worden wäre, gab es ebenfalls keine Antwort. Auf unsere Frage, ob seitens der Bundesregierung geprüft wurde, ob hinsichtlich der Beteiligung Österreichs neutralitätsrechtliche oder neutrali­tätspolitische Bedenken bestehen, gab es ebenfalls keine Antwort. Und auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage geben diesbezüglich keinerlei Auskunft.

Tatsache ist aber: Die Europäische Verteidigungsagentur wird die Aufsicht über die gemeinsamen Rüstungsprojekte der Mitgliedstaaten übernehmen und auch Beschaf­fungsaufträge erteilen. Die Agentur wird systematisch militärische Anforderungen und entsprechende Mängel erfassen und Empfehlungen an die Verteidigungsminister der EU abgeben können. – All diese Fragen sind von großer Bedeutung, daher kann man sich darüber nicht so einfach hinwegschweigen.

Frau Außenministerin! Was Sie uns auch nicht erklären konnten oder vielleicht nicht erklären wollten, ist, weshalb nicht alle EU-Mitglieder der Europäischen Verteidigungs­agentur angehören. Dänemark beispielsweise, wie Sie wissen, gehört der Euro­päischen Verteidigungsagentur nicht an. Wieso sollte sich dann die Beteiligung Öster­reichs quasi automatisch aus dem Ratsbeschluss ergeben?

Wir erwarten uns von Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesministerin, dass Sie heute hier im Plenum zu allen aufgeworfenen Fragen einfach Stellung nehmen. Vielleicht können Sie uns auch sagen, wie viele Beamte von Österreich zur Europäischen Verteidigungs­agentur als nationale Experten abgestellt wurden und welche Kosten damit für die Republik, für den Steuerzahler verbunden sind.


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Wir vertreten die Auffassung, dass die Frage der Vorrechte und Immunitäten der Bediensteten der Agentur gemeinsam mit der Grundsatzentscheidung über die Beteiligung Österreichs diskutiert werden müsste. Dazu waren die ÖVP und die Freiheitlichen nicht bereit. (Abg. Scheibner: Ich habe Ihnen das im Ausschuss erklärt!) Aus diesem Grund stimmen wir dieser Regierungsvorlage auch nicht zu, Herr Abgeord­neter Scheibner. (Beifall bei der SPÖ.)

20.18

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


20.18.55

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Kollege Heinzl, Sie haben Recht: Wir haben das im Ausschuss diskutiert. Ich habe Ihnen aber damals auch eine Antwort gegeben hinsichtlich der Entwicklung der Verteidigungsagentur, die aus der WEAG hervorgegangen ist, die es viele Jahre schon gegeben hat, wo Österreich schon seit 1999 mitgearbeitet hat – und das war noch eine andere Koalition – und wo wir dann, ich glaube 2000 oder 2001, auch formell den Beitritt erklärt haben und das auch hier im österreichischen Parlament diskutiert haben.

Die Verteidigungsagentur ist nichts Böses und nichts Gefährliches, sondern das ist eine Institution, die europaweit – und das ist auch in unserem Interesse – Forschungs­projekte unterstützt, Planungsaufgaben übernimmt und versucht, im Rüstungsbereich auch gemeinsame Entwicklungen zu unterstützen. Leider ist man von einer wirklich allgemeinen Umsetzung ohnehin noch weit entfernt.

Also das kann man jetzt mögen oder nicht, ich glaube, es ist sinnvoll, dass sich auch Österreich dort beteiligt, denn wir sind auch mit integriert, und zwar voll integriert in die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungsstruktur der Europäischen Union. Und auch das ist nicht ein Ergebnis der jetzigen Koalition, sondern stammt noch aus einer Zeit, als Ihre Fraktion in der Bundesregierung gewesen ist.

Aber hier geht es darum, Herr Kollege Heinzl, die Privilegien und Immunitäten für eine internationale Organisation der Europäischen Union auch in Österreich zu beschließen. Wir sind nun einmal Mitglied der Europäischen Union, das wird Ihnen bekannt sein, und es ist doch undenkbar – wenn Sie genau aufgepasst haben, werden Sie wissen, dass das auch Ihr außenpolitischer Sprecher Schieder zugestanden hat –, dass eine Institution und Mitarbeiter einer EU-Institution hier in Österreich keine entsprechenden Rechte und Immunitäten genießen, die sie anderswo genießen. Also da sollten Sie den Inhalt, wenn Sie das schon ablehnen, trennen von der selbstverständlichen Gewäh­rung der Rechte, die sie in jedem Mitgliedsland der Europäischen Union genießen. Vielleicht ist es zu schwierig, solche Differenzierungen vorzunehmen, aber Sie sollten es zumindest versuchen.

Das Abkommen mit Belarus wurde schon angesprochen, kann ich mir ersparen. Ich glaube, es ist sinnvoll. Wir kämpfen ja darum, einmal ein atomfreies Europa zu schaffen. Wir sind noch sehr, sehr weit von dieser Utopie entfernt, aber zumindest die Sicherheitsstandards sollten ausgebaut werden, und dieses Abkommen kann in diese Richtung gehen.

Auch das Abkommen über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schwe­ren Unglücksfällen mit Kroatien ist sinnvoll. Österreich versucht mit allen Nachbar­ländern und sich näher in der Region befindlichen Ländern derartige Abkommen zu schließen – ein absoluter Vorteil für uns und selbstverständlich auch für diese Länder.

Bei der Änderung der Satzung der WHO habe ich im Ausschuss die Frage gestellt und merke es jetzt noch an, dass ich es nicht unbedingt als sinnvoll erachte, dass man ein


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Land, dessen Regierung die eigene Bevölkerung diskriminiert, aus welchem Grund auch immer, aus dieser Weltgesundheitsorganisation ausschließt, denn das schadet ja nicht dieser Regierung, sondern es schadet in Wahrheit der Bevölkerung, die wir schützen möchten, weil es darum geht, gemeinsame oder gleiche Gesundheits­stan­dards für alle Menschen in der Welt zu schaffen. Das ist vielleicht zu hinterfragen, aber ansonsten sind diese Abkommen alle in Ordnung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.22


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Ich erteile es ihr.

 


20.22.33

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst auf einen außenpolitischen Punkt eingehen, der heute leider nicht auf der Tagesordnung steht, nämlich auf den Außen­politischen Bericht 2003, der auf Wunsch der Regierungsfraktionen – wie leider auch schon in den Jahren zuvor – im Ausschuss enderledigt wurde. Ich möchte nur so weit darauf eingehen, dass ich hier die Bitte oder das Ersuchen an Sie, Frau Außen­ministerin, wiederhole, dass Sie in den Bericht 2004, für den Sie schon zuständig sein werden, tatsächlich mehr an Positionierung und an Zielsetzungen hineinbringen und nicht nur eine Auflistung der Geschehnisse, die als Nachschlagewerk natürlich hilfreich ist. Aber von einem Außenpolitischen Bericht erwarte ich mir schon auch, dass er eingeht auf das, wo sich Österreich im Rahmen der Europäischen Union, aber auch auf bilateraler Ebene positioniert. Ich hoffe sehr, dass das in den nächsten Bericht, für den Sie zuständig sind, auch mehr Eingang finden wird, als Ihre Vorgängerin in den letzten Bericht 2003 eingebracht hat.

Nun zu den Abkommen, die heute zur Abstimmung stehen. Herr Kollege Großruck, Sie haben nicht ganz Recht mit Ihrer Feststellung, dass eine einstimmige Zustimmung erfolgen wird. Wir stimmen zwar dem Abkommen bezüglich Informationsaustausch auf dem Gebiete des Strahlenschutzes mit Belarus und all den anderen zu, aber so wie die SPÖ werden auch wir dem Bericht über die Vorrechte und Immunitäten für die Vertreter der Europäischen Verteidigungsagentur die Zustimmung nicht geben können, und zwar aus denselben Gründen, die auch schon von der sozialdemokratischen Fraktion hier eingebracht wurden.

Kollege Scheibner hat gesagt, ja, ja, das hat alles schon Geschichte und da war ja Österreich schon früher dabei, braucht man alles nicht neu zu beschließen, aber ich denke doch, dass es nicht sinnvoll ist, die neue Europäische Verteidigungsagentur ohne Nationalratsdebatte zu etablieren. Sie haben gesagt, das Parlament wurde zwar informiert, aber einen Beschluss darüber haben wir im Nationalrat nicht gefasst. Gegen die üblichen Vorrechte für Mitglieder einer internationalen Organisation habe ich im Grunde genommen nichts einzuwenden. Aber ich hätte gerne im Nationalrat zuerst eine Debatte über diese Verteidigungsagentur, der die Grünen äußerst kritisch gegen­überstehen, und über ihre Aufgaben geführt und auch die Frage geklärt gehabt, die uns die Ministerin im Ausschuss leider nicht beantworten konnte: Wurden Bedenken verfassungsrechtlicher Art geprüft? Was hat das ergeben? Zu welchem Ergebnis ist der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes gekommen? Zu welchem das Außen­ministerium? Erst dann, denke ich, macht es Sinn, auch über die Immunitäten und Vorrechte der Bediensteten zu entscheiden. Aus diesem Grund werden wir dieser Vorlage nicht zustimmen können, den anderen schon. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.25



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Frau Außenministerin Dr. Plassnik. – Bitte.

 


20.25.50

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Herr Prä­sident! Hohes Haus! Zur Frage der Europäischen Verteidigungsagentur: Sie dient der Zusammenarbeit der europäischen Staaten im Bereich der Forschung und der Beschaffung. Sie dient dazu, im Wege der europäischen Zusammenarbeit eine bessere Verhandlungsposition in Beschaffungsfragen zu verwirklichen und mehr Ge­wicht in der Forschung zu verschaffen. Sie befindet sich im Aufbau. Am 1. Jänner 2005 hat sie ihre Arbeit aufgenommen. Sie hat ihren Sitz in Brüssel und soll, wenn die Aufbauphase abgeschlossen ist, insgesamt etwa 80 Mitarbeiter umfassen.

Alle EU-Mitgliedstaaten – mit Ausnahme von Dänemark – beteiligen sich, haben ihre Bereitschaft zur Teilnahme erklärt. Dänemark hat, wie bekannt ist, ein Opt-out im sicherheitspolitischen Bereich. Das heißt, auch die anderen neutralen und nicht alliierten EU-Mitglieder, Finnland, Irland und Schweden, beteiligen sich.

Die Europäische Verteidigungsagentur setzt keinerlei militärische Maßnahmen, sie entsendet kein Militärpersonal, sie schafft für Österreich keine Verpflichtungen, die verfassungs- oder neutralitätsrechtlich bedenklich wären. Darüber haben wir im Übrigen im Ausschuss gesprochen. Das haben unsere Völkerrechtsexperten und der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts geprüft.

Das Parlament wurde über die Errichtung der Europäischen Verteidigungsagentur durch eine gemeinsame Aktion des Rates am 8.7.2004 informiert, das ist die „Joint Action on the establishment of the European Defence Agency“. Österreich hat, wie die anderen Staaten auch, anlässlich der Beschlussfassung eine entsprechende Erklärung abgegeben. Das heißt, um auf die konkrete Frage zu antworten, die österreichische Teilnahme hat sich dann aus dieser gesonderten Erklärung ergeben. Und wir schlagen Ihnen vor, das Privilegienprotokoll, das Ihnen heute vorliegt, zu genehmigen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.28


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Felzmann. – Bitte.

 


20.28.17

Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Ich möchte kurz auf die Punkte WIPO-Vertrag über Darbietungen und Ton­träger und WIPO-Urheberrechtsvertrag eingehen. Österreich war in der Vergangenheit und ist auch heute nach wie vor eine weltweit bekannte Kulturnation. Das spiegelt sich im Image unseres Landes wider und auch in den zahlreichen Kulturaktivitäten, die in unserer Außenpolitik Platz greifen, die auch sehr, sehr gut in dem Buch, in dem Bericht zur Außenpolitik 2003 dargestellt werden. Dieser Bericht, der schon vorher zitiert wurde, stellt sehr wohl für viele Abgeordnete ein hervorragendes Arbeitsmittel dar. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Besonders die Musik und auch die Literatur waren immer schon Exportschlager in unserem Land. Natürlich hat sich seit Mozart und unseren Literaten von anno dazumal einiges verändert. Man denke nur an die Download-Plattformen im Internet, an das geänderte Hörverhalten mit MP3-Playern et cetera.

Jetzt haben wir auf der einen Seite die Möglichkeit, die Kreativität der ganzen Welt zu präsentieren, stehen aber auf der anderen Seite vor der Herausforderung, natürlich auch einen Rechtsschutz für das geistige Eigentum zu benötigen. Und die Ratifizierung dieses Urheberrechtsvertrages und des Vertrages über Darbietungen und Tonträger ist


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nun ein wesentlicher erweiterter Schutz für dieses geistige Eigentum. Österreich hat ja schon mit seiner Urheberrechtsnovelle 2003 eine gute Basis gelegt, und jetzt ist der bisherige innerstaatliche Schutz auch auf die anderen Länder der Europäischen Union erweitert worden. Dass solche Fragen nun international geregelt werden, unterstreicht die große Bedeutung, die die Kunst und Kultur in der internationalen Zusammenarbeit haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.30


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte.

 


20.30.26

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es geht hier nicht so sehr um das Problem, dass sich irgendjemand vor dieser Verteidigungsagentur fürchtet, sondern schlicht und einfach um den Formalismus, wie es dazu gekommen ist.

Am Vormittag hat unser Klubchef Alfred Gusenbauer den Umgang mit der Öffent­lichkeit und den Umgang mit den Informationspflichten angesprochen. Diesfalls hat der Rat eine Agentur ins Leben gerufen, und Sie sind den Nachweis über die Information des Parlaments nach wie vor schuldig geblieben. Es hat darüber keine Diskussion im Hauptausschuss, keine Diskussion im Unterausschuss und keine Diskussion im Plenum gegeben. Jetzt aber braucht die Europäische Union auf einmal die National­staaten, um diese Agentur überhaupt arbeiten lassen zu können.

Frau Ministerin! Meiner Ansicht nach ist die Basis für diese Agentur eigentlich erst die Europäische Verfassung, denn in der Verfassung ist eine Willenserklärung enthalten, diese Agentur zu errichten. Die Verfassung haben Sie noch nicht, wenngleich ich hoffe, dass Sie diese bald haben werden! Die Agentur wurde aber jedenfalls vom Rat in gewisser Selbstherrlichkeit errichtet, und das ist sicher ein Problem der Bürokratie.

Einen Satz noch zu dem Abkommen über die nukleare Sicherheit: Auch dieses begrüße ich sehr! Es ist sehr wünschenswert für Österreich, dass die weißen Flecken auf der Landkarte verschwinden. Mit Weißrussland ist nun im Gebiet zwischen Polen, Russland und der Ukraine ein weiteres Abkommen zustande gekommen.

Frau Ministerin! Weniger erfreulich ist es, dass dieses Abkommen 1997 von der Bundesregierung beschlossen wurde, im Jahre 2000 von den beiden Staaten unter­schrieben wurde und erst im Jahr 2005 ins österreichische Parlament kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

20.32


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

 


20.32.39

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Außenministerin! Ich möchte ganz kurz, weil diese heute wieder zur Diskussion steht, nur einen Satz zur Europäischen Verteidigungsagentur verlieren.

Ich denke, es wäre vielleicht der richtigere Ausdruck, sie Beschaffungs‑ oder For­schungsagentur zu nennen, weil keine Verteidigungsangelegenheiten als solche wahr­genommen werden.

Ich meine, man sollte durchaus festhalten, dass die neutralen Staaten, also Schweden und Finnland – wie die Frau Ministerin schon erwähnt hat –, selbstverständlich auch mit dabei sind und dass das Parlament entsprechend verständigt wurde. Der Regierung obliegt es nun, die personelle Beschickung in den einzelnen Belangen


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wahrzunehmen. Dass wie bei allen internationalen Institutionen auch hier das Privileg der Steuerfreiheit und Immunität gewährt wird, ist eine daraus resultierende Selbst­verständlichkeit.

Frau Bundesministerin, ich möchte mich aber auch bedanken, dass Sie einen Schwer­punkt im Balkan setzen und dass es ein Sicherheitsabkommen für Katastrophen und Unglücksfälle mit Kroatien geben wird. Alle Nachbarstaaten sind bereits in einem solchen bilateralen Abkommen inkludiert. Das schafft für Österreich eine gute Nach­barschaft, einen guten Ruf und Anerkennung bei diesen Ländern. Wir möchten Sie insbesondere auch dabei unterstützen, dass Sie gerade Kroatien bei den Bemü­hungen, in die Europäischen Union aufgenommen zu werden, unterstützen! Die Öster­reichische Volkspartei ist diesbezüglich ganz mit Ihnen! Wir freuen uns, dass wir auf dem Balkan dem Sicherheitsaspekt auch seitens der Landesverteidigung Rechnung tragen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie informieren, dass wir im Kosovo 560 Sol­daten und in Bosnien-Herzegowina 280 Soldaten zur Verfügung haben. Es ist dies ein weiterer Beitrag zur Sicherheit, und ein Beitrag der Außenpolitik wird heute beschlos­sen. Ich bedanke mich! Sie sind auf dem besten Weg, Frau Bundesministerin! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.35


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

 


20.35.07

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Österreich braucht neben der Zustimmung, die wir heute zur Europäischen Verfassung gegeben haben, auch Abkommen mit den unmittelbaren Nachbarn, und zwar zu dem Zweck, dass bei Katastrophen oder schweren Unglücks­fällen rasch und vor allen Dingen unbürokratisch und ohne Probleme geholfen werden kann.

Diese Regierungsvorlage, die das Abkommen zwischen Österreich und der Republik Kroatien darlegt, schafft genau diese Voraussetzungen: Durch die innerstaatliche Kom­petenzregelung kommt es zur Koordination und Gesamtleitung von Katastrophen­ein­sätzen.

Frau Außenministerin! Wir stimmen dieser Regierungsvorlage selbstverständlich auch zu. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.36


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ledolter. – Bitte.

 


20.36.13

Abgeordneter Johann Ledolter (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der überwältigenden Annahme der Euro­päischen Verfassung heute Vormittag ist ein wesentlicher Schritt zur Verstärkung, Verdeutlichung und Intensivierung der europäischen Sicherheit getan worden.

Umso unverständlicher finde ich es, dass jetzt am Abend wieder nach Gründen ge­sucht wird, Zustimmung zu verweigern, und sei es mit dem für mich wenig nach­vollziehbaren Argument, dass diese Europäische Verteidigungsagentur hier im Haus nicht beschlossen worden wäre.


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Es sind viele gute Gründe genannt worden, warum Österreich gut beraten ist, hier teilzunehmen und selbstverständlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die vollen Rechte aus dieser internationalen Betätigung zu gewähren.

Meine Damen und Herren! Sicherheit ist nicht teilbar, und ich meine daher, dass es ganz wichtig und wesentlich ist, diese Informationsaustauschvereinbarungen im Hin­blick auf Nuklearkatastrophen mit Belarus zu schließen. Auch im Hinblick auf den erst kürzlich aufgetretenen Störfall im Vereinigten Königreich Großbritannien ist es nicht unerheblich, dass diese internationalen Verträge nicht nur beschlossen, sondern auch ernst genommen werden. Es ist wichtig, dass multilaterale Notfallschutzprogramme Platz greifen und dass es Frühwarnsysteme gibt, die unsere, die europäische und die weltweite Sicherheit erhöhen.

In dieselbe Richtung geht auch die Hilfestellung im Katastrophenfall, die mit Kroatien vereinbart wurde.

Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch auf die weiter östlich liegenden Nach­barstaaten wie beispielsweise die Ukraine hinweisen, wo ich auch immer wieder sehr deutliche Signale und großes Interesse an der Einbindung in die europäische Zusam­menarbeit und Informationssystematik feststelle. Frau Bundesministerin! Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie auch die Ukraine in Ihre weiteren Bemühungen stets mit einbezogen haben. Insofern ist dies ein guter Weg, den wir gemeinsam weitergehen sollten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.38


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen!

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschus­ses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen mit der Re­gierung der Republik Belarus über Informationsaustausch auf dem Gebiete der nukle­aren Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlage in 796 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Aus­schusses, dem Abschluss des vorliegenden Staatsvertrages: Abkommen mit der Republik Kroatien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen, dessen Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 Absätze 1 und 2 verfassungsändernd sind, in 807 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Mit Rücksicht auf die erwähnten verfassungsändernden Bestimmungen stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeord­neten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages die Genehmigung zu erteilen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Damit stelle ich auch die verfassungsmäßige Mehrheit fest.


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Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Aus­schusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger Genf in 806 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschus­ses im Sinne des Art. 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass die Kund­machung der spanischen, russischen, arabischen und chinesischen Sprachfassungen dadurch zu erfolgen hat, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundes­minis­terium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: WIPO-Urheberrechtsvertrag Genf in 843 der Beilagen die Genehmigung zur erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschus­ses im Sinne des Art. 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass die Kund­machung der arabischen, chinesischen, russischen und spanischen Sprachfassungen dadurch zu erfolgen hat, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesminis­terium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Es ist dies einstimmig der Fall und damit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Aus­schusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Weltgesundheits­organisation; Änderung von Art. 7 der Satzung; Annahme in 844 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung dazu geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Aus­schusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Weltgesundheitsor­ganisation; Annahme eines arabischen Textes und Änderung von Art. 74 der Satzung in 845 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Weltgesund­heitsorganisation; Änderung der Art. 24 und 25 der Satzung; Annahme in 846 der Beilagen die Genehmigung zur erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Aus­schusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union


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über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Verteidigungsagentur und ihrer Bediensteten in 863 der Beilagen die Genehmigung zur erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist die Mehrheit und damit angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Aus­schusses im Sinne des Art. 49 Abs. 2 des Bundes‑Verfassungsgesetzes, dass die Kundmachung der dänischen, englischen, estnischen, finnischen, französischen, griechischen, italienischen, lettischen, litauischen, niederländischen, polnischen, portu­giesischen, schwedischen, slowakischen, slowenischen, spanischen, tschechischen und ungarischen Sprachfassungen dadurch zu erfolgen hat, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

20.44.10 34. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (866 d.B.): Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Costa Rica, der Republik El Salvador, der Republik Guatemala, der Republik Honduras, der Republik Nicaragua und der Republik Panama anderer­seits samt Anhang (937 d.B.)

35. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (867 d.B.): Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Andengemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela) andererseits samt Anhang (938 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 34 und 35 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

 


20.45.02

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Von Seiten der Grünen wird es – das sage ich aber mit Be­dauern! – eine Zustimmung zu diesen beiden Abkommen leider nicht geben können. Ich werde das hier jetzt auch begründen, denn sonst wundern sich diejenigen, die nicht im Ausschuss waren, warum dem so ist.

Grundsätzlich macht es im Zusammenhang mit dem Ausbau des politischen Dialoges mit den Staaten des Anden-Paktes und auch den zentralamerikanischen Staaten sehr wohl Sinn, eine stärkere Verbindung zwischen der Europäischen Union und diesen Staa­ten herzustellen. Das Problem, das wir dabei haben, besteht darin, dass diese Abkommen mehr oder weniger nur eine Fortführung von Abkommen sind, die es schon gibt, zum Beispiel zwischen der EU und Mexiko oder zwischen den USA und Latein­amerika. Die jetzigen Abkommen dienen vorrangig dazu, Freihandelsabkommen im Sinne der erst erwähnten vorzubereiten, allerdings in einer Form, bei der eine nach-


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haltige Entwicklung im Sinne der drei Achsen von Ökologie, Ökonomie und Sozialem nicht zum Tragen kommt.

Das ist einer der Gründe für unsere Ablehnung. Es ist nämlich nicht wirklich ver­ständlich, warum Erfahrungen, welche aus Studien resultieren, die die EU-Kommission selbst in Auftrag gegeben hat, um zum Beispiel herauszuarbeiten, welche Auswir­kungen das EU-Mexiko-Abkommen oder das Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Lateinamerika tatsächlich haben, in die vorliegenden Abkom­men nicht Eingang gefunden haben. Ich meine damit vor allem die negativen Erfah­rungen, dass zum Beispiel die lokale Landwirtschaft zerstört wurde oder dass im Falle des Abkommens zwischen den USA, Kanada und Mexiko seit 1994 1,3 Millionen Arbeitsplätze in der Landwirtschaft in Mexiko verloren gegangen sind und dass es im selben Zeitraum nicht möglich war, in der Maquila-Industrie, also in den so genannten Exportproduktionszonen, nur annähernd so viele Arbeitsplätze zu schaffen. – Das ist ein Beispiel dafür.

Weiters kam es dadurch zu Umweltzerstörung, zur Konzentration der Produktion in den Händen von transnationalen Unternehmen, und auch die Versprechungen des politi­schen Dialoges wurden nicht eingehalten.

All das sind Analysen, welche aus einer Studie hervorgehen, die die Europäische Kom­mission selbst beauftragt hat und welche dieser dann präsentiert wurde. Insofern ist es unverständlich, dass in den vorliegenden Abkommen jetzt mehr oder weniger genau dieselben Maßnahmen, die bei früheren Abkommen kritisiert werden, übernommen und einfach fortgeschrieben werden.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die sehr unterschiedliche politische, wirtschaftliche und soziale Situation in den einzelnen Staaten überhaupt nicht zum Tragen kommt. Viele der Staaten Zentralamerikas, etwa Guatemala und El Salvador, haben eine Bürger­kriegsvergangenheit, die noch nicht aufgearbeitet ist, andere hingegen nicht. Auch der jahrzehntelange Krieg in Kolumbien wird nicht berücksichtigt. Es findet sich ein einziger Vermerk, dass die Wiederintegration der illegalen bewaffneten Kräfte stattfinden soll. Wir wissen aber, dass es hier vor allem um die Paramilitärs geht.

Diesbezüglich haben diese Abkommen eine Schlagseite: Sie gehen leider nicht auf die Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheiten ein. Das ist für uns mit ein Grund, warum wir diesen Abkommen nicht zustimmen können.

Drittens komme ich zum Bereich der Migration: Diesbezüglich ist in den Abkommen die Willenserklärung verankert, dass illegale Migranten und Migrantinnen zurückzunehmen sind und dass ein solches Rückübernahmeabkommen sobald wie möglich abzu­schließen ist. In regionalen Abkommen werden diese Rückübernahmeabkommen im­mer stärker gefordert, gerade vor kurzem mit Russland von Seiten der Europäischen Union. Wir wissen aber, dass das in der Praxis oft ziemlich repressive Maßnahmen bedeuten kann. – Das ist der dritte Grund, warum wir diesen Abkommen nicht zustimmen können, so wichtig wir den politischen Dialog mit dieser Region finden. Aber leider ist uns eine Zustimmung in diesem Fall nicht möglich. (Beifall bei den Grünen.)

20.49


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Brader. – Bitte.

 


20.49.39

Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Lunacek, ganz nachvollziehbar ist mir Ihre Kritik nicht. Ich glaube nämlich nicht, dass der Verlust


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der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft auf solche Abkommen zurückzuführen ist, son­dern ganz einfach darauf, dass sich die Modernisierung und die Umstrukturierung in der Landwirtschaft auch in diesen Ländern ganz einfach nicht aufhalten lässt. Diese Entwicklung kommt den Leuten andererseits aber auch zugute, weil sie dadurch andere, leichtere Arbeitsbedingungen haben.

Aber ganz abgesehen davon begrüßen wir diese Abkommen deswegen, weil dadurch die Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Zentralamerika vertieft werden und weil darin der Ausbau des politischen Dialogs eine ganz bedeutende Rolle spielt.

Die Schaffung von Rahmenbedingungen, unter denen ein praktikables und für beide Seiten vorteilhaftes Assoziationsabkommen geschaffen werden kann, ist ebenfalls ein wichtiger Grund.

Zu den von Ihnen genannten Bedenken aus Deutschland hinsichtlich der Zusam­men­arbeit im Bereich der Migration: Der Befürchtung impliziter Kompetenzverschiebungen betreffend den Abschluss von Rückübernahmeübereinkommen wurde ja auch durch eine Erklärung des Rates und der Europäischen Kommission Rechnung getragen.

Ich glaube daher, dass dieses Abkommen, das unbegrenzt gilt und für uns auch keine finanziellen Verpflichtungen mit sich bringt, sehr zu begrüßen ist, weil im Sinne weltweiter Friedensbemühungen gar nicht oft genug von Zusammenarbeit gesprochen werden kann und auch nicht genügend dafür getan werden kann, die Regionen einander näher zu bringen.

Ich bitte Sie daher, diesem Staatsvertrag zum Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit mit den genannten Ländern die Zustimmung zu geben, und ebenso einem gleichartigen Vertrag mit der Andengemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.52


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

 


20.52.45

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Die beiden Abkommen über den politischen Dialog und die Zusam­menarbeit der EU mit den lateinamerikanischen Staaten sowie den Mitglied­staaten der Andengemeinschaft verfolgen das Ziel – das haben wir heute schon gehört –, den politischen Dialog und die Kooperation in zahlreichen Bereichen zu vertiefen.

Einerseits soll die wirtschaftliche Kooperation zwischen der EU und Lateinamerika ausge­baut werden, andererseits werden aber weitere wichtige neue Aspekte wie Men­schenrechte, Migration, Drogen- und Terrorismusbekämpfung in den Dialog mit aufgenommen.

Mithilfe dieses Abkommens soll die politische und soziale Stabilität gefördert, die regionale Integration vertieft und die Armut im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung Zentralamerikas eingedämmt werden.

Lateinamerika hat noch eine Vielzahl sozialer und wirtschaftlicher Probleme zu lösen. Arbeitslosigkeit – hohe Arbeitslosigkeit! –, Massenarmut, hohe Defizite in den Staats­haushalten und wirtschaftliche Depressionen machen Kooperationen durchaus zu einem sehr wichtigen Schritt, noch dazu, wo die finanzielle Unterstützung der EU für diese Region in den letzten Jahren sehr stark zurückgegangen ist.


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In Österreich ist geplant, während der Ratspräsidentschaft 2006 einen Latein­amerika­gipfel abzuhalten – eine große Chance, die Zusammenarbeit zwischen Österreich und den südamerikanischen Ländern zu verbessern. Von Regierungsseite ist bis jetzt noch nicht sehr viel zu hören gewesen, welche Überlegungen und Vorbereitungen es dafür gibt. Meine Damen und Herren! Ich denke, die Zeit drängt, und es wäre wirklich schade, eine solche Chance ungenützt vorbeiziehen zu lassen.

Meine Damen und Herren! Wir von der Sozialdemokratie sehen in beiden Abkommen den begrüßenswerten Ausbau eines dauerhaften und intensiven Dialogs und werden daher zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.54


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

 


20.54.00

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minis­ter! Meine Damen und Herren! In diesen beiden Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft geht es einerseits um die Andengemeinschaft, dort um die Zusammenarbeit, die auf neue Bereiche wie Menschenrechte, Konfliktverhütung, Migration, Drogen- und Terrorismusbekämpfung ausgedehnt wird.

Es geht im anderen Abkommen auch darum, dass die wichtigsten Ziele dieses Ab­kommens umgesetzt werden, nämlich die Vertiefung der Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Zentralamerika durch den Ausbau des politischen Dialogs sowie die Verstärkung der Zusammenarbeit und die Schaffung der Vorausset­zungen, unter denen ein praktikables und für beide Seiten vorteilhaftes Assoziierungs­abkommen einschließlich eines Freihandelsabkommens zwischen den Vertragspart­nern ausgehandelt werden kann.

Meine Damen und Herren! So steht es in der Begründung der Vorlagen, und so ist es vernünftig. Wir werden selbstverständlich zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.55


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Glaser. – Bitte.

 


20.55.00

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Abkommen, das die Europäische Union mit verschiedenen lateinamerikanischen Ländern geschlossen hat und das wir heute ratifizieren, ist in meinen Augen ein wichtiger Schritt, wobei wir nicht übersehen dürfen, dass die Vergangenheit dieser Länder doch sehr unterschiedlich und teilweise auch die Gegenwart sehr komplex ist.

Es geht – das wurde schon mehrmals betont – einerseits darum, die Achtung der Men­schenrechte nicht zu kurz kommen zu lassen, vor allem gegenüber der indigenen Bevölkerung; es geht darum, dass wir die Rechtsstaatlichkeit in diesen Ländern durchzusetzen helfen; es geht um die große Problematik der Drogen insgesamt und der damit verbundenen Bürgerkriege, Terrorbewegungen beziehungsweise „Be­freiungs­­bewegungen“, wie sich diese Gruppen teilweise nennen; und es geht auch um den Schutz der teilweise großartigen Naturressourcen, die in diesen Ländern vorhan­den sind.


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Dabei ist in meinen Augen die wirtschaftlich sicherlich schwierige Situation gar nicht unbedingt das Hauptproblem dieser Länder, weil das ganz einfach das Resultat einer schwierigen politischen und gesellschaftlichen Entwicklung ist.

Meiner Meinung nach geht es primär um die politische Instabilität in diesen Ländern, die auf Grund des ständigen Wechsels der Systeme und der Ideologien keine kon­tinuierliche Entwicklung aufkommen lässt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade deswegen ist es wichtig, dass der Dialog nicht nur zum Beispiel zwischen dem Norden und dem Süden des amerikanischen Kontinents stattfindet, sondern dass sich auch Europa in diesen Dialog einmischt und versucht, einerseits zu helfen, vor allem aber mit den Staaten, mit den Parteien, mit den verschiedenen Gruppen zu reden, Meinung zu bilden, Sicherheit zu geben.

Ich denke, es geht darum, dass wir wirklich versuchen, die demokratischen Systeme in diesem Kontinent aufbauen und stabilisieren zu helfen und dass wir auch versuchen, sukzessive die wirtschaftliche Zusammenarbeit und den wirtschaftlichen Aufbau zu unterstützen.

Deshalb verstehe ich die ablehnende Haltung der Grünen überhaupt nicht. Das passt absolut nicht zu dem, was sie sonst vertreten, vor allem auch deswegen, weil diese Abkommen wichtig sind, um weiter gehende wirtschaftliche Abkommen vorzubereiten – zum Beispiel auch den Lateinamerikagipfel in Österreich während der Präsidentschaft.

Ihre Ablehnung ist für mich absolut unschlüssig. Ich ersuche Sie dennoch: Vielleicht können Sie diesen Abkommen zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.58


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

 


20.58.30

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Kollegin Muttonen hat ja schon bekannt gegeben, dass die sozialdemokratische Fraktion diesen beiden Anträgen zustimmen wird.

Ich persönlich sehe das auch nicht so negativ, wie die Kollegin von der grünen Fraktion es beschrieben hat. Es gibt gerade im landwirtschaftlichen Bereich in Südamerika und Mittelamerika in den letzten Jahren sehr innovative Ansätze, großflächige Agrarwirt­schaft in Form von ökologischem Landbau zu betreiben, und sehr erfolgreich – viel erfolgreicher und viel mächtiger, als das in Europa der Fall ist! Ich denke nur an die pfluglose Bewirtschaftung von mittlerweile hunderttausenden Hektar in Süd- und Mittel­amerika, und zwar nicht von den Konzernbetrieben – die fahren natürlich konven­tionell –, sondern von Agrargenossenschaften dieser Regionen.

Ich glaube auch, dass die Chancen überwiegen und dass der Dialog, der da vereinbart wurde, ein sehr vernünftiger ist, um eine harmonische Entwicklung und Integration dieser mittelamerikanischen Länder voranzutreiben.

Es ist natürlich immer angebracht, auf die Probleme, die es gibt oder geben kann, hinzuweisen, aber ich glaube trotzdem, es müsste für diese Themen vielleicht vor­gelagert auf europäischer Ebene ein anderer Text beziehungsweise eine andere inhaltliche Lösung gefunden werden. Dafür treten wir gerne ein. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.00



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109. Sitzung / Seite 237

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschus­ses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen über politi­schen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Costa Rica, der Republik El Salvador, der Republik Guatemala, der Republik Honduras, der Republik Nicaragua und der Republik Panama andererseits samt Anhang in 866 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies mit Mehrheit angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschus­ses im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass die Kund­machung der dänischen, englischen, finnischen, französischen, griechischen, italieni­schen, niederländischen, portugiesischen, schwedischen und spanischen Sprachfas­sungen dadurch zu erfolgen hat, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundes­ministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschus­ses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen über politi­schen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Andengemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela) andererseits samt Anhang in 867 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Aus­schus­ses im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass die Kundmachung der dänischen, englischen, finnischen, französischen, griechischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen, schwedischen und spanischen Sprach­fassungen dadurch zu erfolgen hat, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

21.01.5636. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 560/A (E) der Abgeordneten Petra Bayr, Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Karin Hakl, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verankerung eines Inter­na­tio­nalen Gedenktages gegen weibliche Genitalverstümmelung (939 der Beilagen)

 



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 36. Punkt der Tages­ord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

 


21.02.26

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Außenminister! Hohes Haus! Der 6. Februar soll ein Gedenktag gegen Genitalverstümmelung bei Frauen sein. Das ist ein Problem, das wir in Mitteleuropa gar nicht so sehr kennen, das aber – wovon wir uns selber überzeugen konnten oder eigentlich mussten – in Afrika riesig ist.

155 Millionen Frauen weltweit sind auf Grund einer alten Tradition verstümmelt wor­den, die gar nicht religiös motiviert ist, sondern eben dadurch, dass es immer schon gemacht wurde und dass es in gewissen Gesellschaften als schön empfunden wird. Viele junge Mädchen sterben jedes Jahr an dieser Form der Verstümmelung. (Prä­sident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

In unserem Antrag haben wir von 28 afrikanischen Staaten gesprochen, in denen diese Praxis noch immer gang und gäbe ist. Wir haben noch nicht all jene arabischen Länder wie beispielsweise Ägypten, aber auch andere Länder einberechnet, wo diese Form der Genitalverstümmelung gleichfalls noch immer üblich ist.

Damit verbunden sind auch weitere soziale Probleme beispielsweise von jenen Frauen beziehungsweise Witwen, die traditionellerweise davon leben, solche Verstüm­melun­gen an jungen Mädchen vorzunehmen, und die man, wenn man mit dieser Tradition bricht, auch erst wieder in die Struktur der dörflichen Gesellschaft einbeziehen muss.

Es ist wichtig, dass wir in Zukunft am 6. Februar gemeinsam daran denken, dass es keine Toleranz dafür geben muss, dass Frauen ihr gesamtes Leben unter einer sinnlosen alten Tradition leiden. Deshalb haben wir uns dafür ausgesprochen, dass es diesen Tag von null Toleranz gegenüber der Verstümmelung der weiblichen Genitalien geben soll. Ich hoffe, Sie unterstützen das. (Allgemeiner Beifall.)

21.04


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Bayr. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


21.04.34

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe im Februar 2003 die Möglichkeit gehabt, Barbara Prammer auf einer Konferenz des InterAfrican Committee zum Thema „Zero Tolerance to FGM“ in Äthiopien zu vertreten.

Es war für mich sehr beeindruckend zu sehen, wie Menschen aus 28 afrikanischen Staaten zusammengekommen sind – ehemalige Beschneiderinnen, First Ladies, Politi­kerInnen, JugendarbeiterInnen, religiöse Führer, alle möglichen Leute, die sich darüber ausgetauscht haben, wie es in ihren Ländern möglich ist, gegen weibliche Genital­verstümmelung zu kämpfen.

Es war ein sehr fruchtbarer Austausch, und die Konferenz hat am 6. Februar einerseits mit einer Deklaration gegen weibliche Genitalverstümmelung und andererseits mit der Proklamation des 6. Februar als internationalen Tag gegen FGM des InterAfrican Committee geendet.

Zurück in Wien habe ich dann gemeinsam mit anderen Frauen, Männern und Organisationen die österreichische Plattform gegen weibliche Genitalverstümmelung gegründet, und es sind seither etwa 700 Menschen und etwa 20 Organisationen dieser


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Plattform beigetreten. Ich möchte auch Sie alle einladen, das zu tun. Das ist unter der Adresse „www.stopfgm.net“ einfach möglich.

Es geht uns darum, darauf aufmerksam zu machen, dass es diese wahnsinnige Tra­dition gibt, die jeden Tag 7 000 Mädchen neu betrifft, die junge Frauen, Babys, Kinder, ältere Frauen ihrer Sexualität, ihrer Selbstbestimmung, ihrer sexuellen Freiheit beraubt, ihre Rechte als Frauen im wahrsten Sinne des Wortes beschneidet.

Ich hoffe, dass die Frau Außenministerin erfolgreich sein wird, wenn sie sich – was ja unserem Antrag entspricht – bei der UNO dafür einsetzt, dass dieser 6. Februar zu einem internationalen UNO-Gedenktag gegen weibliche Genitalverstümmelung werden soll. Ich glaube, es wäre wichtig und notwendig, ein Zeichen zu setzen – ein welt­weites, starkes Zeichen –, dass alle Frauen ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung haben. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

21.07


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. Sie hat eine Redezeit von 5 Minuten beantragt. – Bitte.

 


21.08.00

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Genitalverstümmelung an Frauen ist eine zutiefst frauen­feindliche Misshandlung, und es ist wirklich erschütternd, dass über 150 Millionen Frauen weltweit davon betroffen sind.

Diese grausamen Eingriffe rufen nicht nur physische, sondern auch psychische Schä­den bei den Frauen hervor, und es ist sehr positiv anzumerken, dass im Jahr 2001 durch den damaligen Justizminister Böhmdorfer in Österreich ein Gesetz erlassen wurde, dass Genitalverstümmelung als Tatbestand schwerer Körperverletzung ange­sehen wird, auch dann, wenn Eltern von den zu beschneidenden Mädchen zustim­men – denn das sind ja meistens sehr junge Mädchen von zwei bis vier Jahren.

Hauptproblem bei dieser Thematik ist, dass ja viele Frauen glauben, der Eingriff sei unbedingt notwendig, um von der Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Diese Frauen bekommen auch von ihrem Umfeld vermittelt, dass sie nur dann wertvoll sind, wenn sie sich diesem Eingriff unterziehen.

Außerdem erfahren Frauen in vielen Ländern auf Grund der Tradition eine gesell­schaftliche Ausgrenzung, was auch oft zu Armut und Ächtung führt. Das heißt, dass nicht nur gesetzliche Maßnahmen notwendig sind, sondern dass wirkliche Aufklärung und Bewusstseinsbildung ganz drastisch notwendig sind, um den grausamen Praktiken von Genitalverstümmelung entgegenzuwirken.

Gerade für die Frauen vor Ort in den diversen Ländern ist es unbedingt notwendig aufzuklären, dass Genitalverstümmelung keine religiöse Notwendigkeit ist, denn weder in der Bibel noch im Koran ist festgeschrieben, dass diese grausamen Praktiken not­wendig sind.

Außerdem ist es unbedingt notwendig, Frauen vor Ort zu vermitteln, dass Werte und Tugenden nicht gemindert werden, wenn sie sich nicht beschneiden lassen. Deswegen unterstützen wir diesen Antrag ganz besonders, denn nur durch Öffentlichmachen dieses Themas können viele Organisationen und auch Persönlichkeiten unterstützt werden, die gerade in den afrikanischen Ländern, wo es ja besonders häufig vor­kommt, die Leute aufklären und bewusst darstellen, welchen Gefahren sie sich aus­setzen.

Ich ersuche daher die Frau Bundesministerin darum, dass sie sich wirklich ganz be­sonders dafür einsetzt, dass dieser internationale Gedenktag gegen Genital­ver­stüm-


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melung wirklich verankert wird und auch öffentlich entsprechend dargestellt wird, denn dadurch kann viel Leid von vielen Frauen entgegengewirkt werden. (Allgemeiner Beifall.)

21.10


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


21.11.16

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Vorrednerinnen haben schon einige Teile der Problematik der weiblichen Genital­verstümmelung angesprochen. Als ich mir den Antrag noch einmal angesehen habe, habe ich mich daran erinnert, dass es zu Beginn meiner Tätigkeit in entwicklungs­politischen Organisationen vor 20 Jahren war, als 1985 die 2. Weltfrauenkonferenz in Nairobi stattfand. Damals gab es heftige Berichte von einigen westlichen Frauen, die bei der Konferenz gegen die schreckliche Praxis der Genitalverstümmelung protes­tierten und darauf beharrten, dass doch die Afrikanerinnen etwas dagegen tun müssen. Viele afrikanische Frauen sagten hingegen: Schaut doch zuerst einmal, was bei euch passiert! Wir regeln unsere Dinge bei uns in Afrika schon selber! Lasst uns mit diesem Thema alleine, das ist unser Thema!

Ich denke, es hat sich seit damals zum Glück einiges geändert. Es ist mittlerweile so, dass es in vielen afrikanischen Staaten, in so gut wie allen, wo Genitalverstümmelung praktiziert wird, Frauenorganisationen und andere Organisationen gibt, die sich dagegen zur Wehr setzen, die auch im Land selber Aufklärung betreiben. Diejenigen Entwicklungspolitiksprecherinnen und -sprecher von uns, die 2001 in Burkina Faso waren – ich glaube, Karin Hakl war damals auch mit –, konnten zum Beispiel einem Theaterstück beiwohnen, das eine frühere Hebamme mit ihrer Organisation in einem Dorf aufführte. Diese Hebamme hat mit Forum-Theater-Methode – also mit einem Theater, wo man einspringen und selber etwas nachspielen oder neue Lösungen finden kann – vor dem ganzen Dorf dort mit ein paar hundert Zuschauerinnen und Zuschauern, Männern, Frauen und Kindern, diese Thematik bearbeitet. Das Theater­stück hatte sie mit den Leuten aus dem Dorf selbst erarbeitet. Damit hat sie auch Diskussionsprozesse in Gang gebracht, die ein Umdenken erst möglich machen – ein Umdenken bei jenen Frauen, die selber diese grausamen Taten setzen, nämlich die Mädchen verstümmeln, aber auch ein Umdenken bei Männern, die meinen, dass Mädchen und Frauen nur dann rein sind, wenn sie verstümmelt sind, und auch ein Umdenken bei den Mädchen selbst, die glauben, dass das notwendig wäre. Also da hat sich zum Glück vieles geändert.

Leider ist es aber so, dass auch bei uns in Europa Verstümmelungen immer wieder von Ärzten gemacht werden, die meinen, dass das so gehört, und die dafür gut bezahlt werden. Ich denke, dass es gut ist, dass die Aufmerksamkeit auch bei uns größer geworden ist und dass es möglich ist, heute hier im Nationalrat diese Worte auszusprechen und davon zu sprechen, dass es weibliche Genitalverstümmelung gibt. Das wäre vor zwanzig Jahren, glaube ich, auch hier noch nicht möglich gewesen.

Ich bin froh darüber, dass es diesen Antrag gibt, dass sich alle vier Fraktionen darauf geeinigt haben, und hoffe sehr, dass die Außenministerin diesem Antrag folgen und sich auch auf UNO-Ebene mit vielen anderen dafür einsetzen wird, dass dieser Tag, der 6. Februar, tatsächlich zu einem Gedenktag gegen weibliche Genitalverstüm­melung wird, dass das Erfolg haben wird, denn das Recht auf sexuelle Selbst­bestim­mung, das auch Petra Bayr angesprochen hat, ist ein ganz zentrales Menschenrecht. Deswegen bin ich froh, dass es diesen Antrag gibt. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

21.14



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Präsident Dr. Andreas Khol: Die letzte Wortmeldung hiezu kommt von Frau Abgeord­neter Mag. Becher. 2 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


21.14.52

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich den Ausführungen der Kollegin Lunacek anschließen und begrüße auch sehr, dass wir mit diesem Antrag diesen Gedenktag beschließen. Aber wir wissen, dass diese 5 000 Jahre alte Praxis leider nicht nur in afrikanischen Ländern vorkommt, sondern auch bei Migrantinnen in Österreich. Laut Schätzungen der Afrikanischen Frauenorganisation in Wien gibt es in Österreich rund 8 000 Opfer weiblicher Genitalverstümmelung. Jährlich sind weitere hundert Frauen davon betroffen, und die meisten davon fahren dazu nach Afrika, und zwar mehr als 80 Prozent.

Aufklärungsarbeit ist in diesem Bereich ganz, ganz notwendig. Wien fördert auch eine Beratungsstelle, wo medizinische und psychische Beratung angeboten wird. Die Mittel reichen jedoch nicht ganz aus. Das heißt, dass auch der Bund aufgefordert ist, da Mittel zur Verfügung zu stellen. Ich erwarte mir von der Bundesregierung, dass weib­liche Genitalverstümmelung dezidiert als Asylgrund anerkannt wird. Das ist im Rahmen der Novellierung des Asylgesetzes bis jetzt nicht vorgesehen – zum Leidwesen sehr viel betroffener afrikanischer Migrantinnen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Abg. Mag. Lunacek.)

21.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlusswort wird vom Berichterstatter nicht gewünscht.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 939 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. Frau Kollegin Haidlmayr, Sie sind auch dafür? – Damit ist das einstimmig ange­nommen. (E 103.)

21.16.0537. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 406/A (E) der Abge­ordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasches Handeln gegen massive Menschenrechtsverletzungen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Darfur-Provinzen (Sudan) (940 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zum 37. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Regler. Seine Wunschredezeit beträgt 2 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


21.16.34

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Ende des 19. Jahrhunderts begann der Wettlauf der euro­päischen Mächte um Kolonien im Inneren Afrikas. Vor allem England und Frankreich konkurrierten damals heftig miteinander, was zu der bekannten Faschoda-Krise führte.

Als deren Lösung wurden die Einflusssphären der beiden Mächte, dann auch mit den anderen Ländern, abgesteckt, und das Ergebnis dessen ist, dass Grenzen entstanden


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sind, die weder auf Stammesgrenzen noch auf ethnische Grenzen, noch auf Groß­landschaften Rücksicht genommen haben. Nach der Entkolonialisierung blieben diese Grenzen so erhalten – keine natürlichen Grenzen, aber es hätte jede Grenzver­schiebung zu Kriegen unvorstellbaren Ausmaßes geführt.

Naturgemäß gibt es jetzt in diesen Ländern in Afrika massive Konflikte. Wir befassen uns heute mit dem Sudan, dem größten Flächenstaat Afrikas, wo es viele Jahrzehnte lang einen Krieg zwischen dem christlich-animistischen Süden mit schwarz­afrikani­scher Bevölkerung und der arabisch-islamischen Bevölkerung im Norden gegeben hat, der im Mai 2004 endlich zu einer Friedensregelung führte.

Dieser Konflikt hat aber auch auf die Darfur-Provinzen übergegriffen, und um dagegen zu wirken, wurden die arabisch-nomadischen Stämme von der sudanesischen Regie­rung bewaffnet, und die Reaktion war natürlich, dass sich die Darfur-Stämme gewehrt haben. Das Ergebnis sind jedenfalls Tötungen, Vergewaltigungen, Plünderungen, Entführungen, Zwangsrekrutierungen von Kindern, und das alles oft nach Bombarde­ments der sudanesischen Luftwaffe.

Hunderttausende Menschen sind bereits auf der Flucht, Zehntausende sind umge­kommen. Die humanitäre Situation ist katastrophal, sowohl in den Darfur-Provinzen als auch bei den Flüchtlingen im Tschad.

Es ist bereits einiges geschehen. Die Afrikanische Union setzt Friedenstruppen ein, hat aber viel zu wenig Geld dafür. Hilfsorganisationen bemühen sich um Besserung. Sie werden aber nicht genug von der Regierung in Khartum unterstützt und haben auch nicht den entsprechenden Schutz. Der UNO-Sicherheitsrat hat Resolutionen be­schlossen, und die UN-Menschenrechtskommission hat die Menschenrechtsverletzun­gen verurteilt.

Damit noch mehr geschieht, beschließen wir heute eine Resolution. Wir wenden uns an unsere Außenministerin und ersuchen sie, den Friedensprozess in Darfur weiterhin voll zu unterstützen und ebenso für die rasche Umsetzung der UNO-Sicher­heitsrats­resolutionen einzutreten.

Ich hoffe, dass diese Maßnahmen dazu beitragen werden, dass in diesen unglück­lichen Darfur-Provinzen bald Frieden herrscht. (Beifall bei der ÖVP.)

21.20


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Schieder. 3 Minu­ten Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


21.20.00

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Erstens kann ich in dieser Sache dem Kollegen Regler nur vollkommen zustimmen und sagen: Ich bin froh, dass es in dieser wichtigen Sache zu einer gemeinsamen Entschließung gekommen ist – und ich bin auch über­zeugt davon, dass die Frau Bundesminister das Parlament nach besten Kräften unterstützen wird.

Zweitens möchte ich darauf aufmerksam machen, dass es in nächster Zeit auch noch andere solcher Anliegen geben wird. Es naht der Vorsitz Österreichs in der Euro­päischen Union, und selbstverständlich wird auch an die österreichischen Parlamen­tarier, und zwar aller Fraktionen, appelliert, in bestimmten Fragen deutlich ihre Mei­nung zu sagen; das wird zum Beispiel auch in der Frage Afrika der Fall sein.

Ich weiß, dass der Schwerpunkt unseres EU-Vorsitzes Lateinamerika sein wird, aber natürlich werden wir andere Teile der Welt nicht außer Acht lassen. Es richtet sich daher an uns alle der Appell, in der Frage Afrika tätig zu sein. Da wird sich die AWEPA


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noch rühren. Des Weiteren haben sich bei der IPU-Tagung an die Vertreter aller vier Faktionen Abgeordnete aus asiatischen Ländern gewandt mit dem Wunsch, dass wir sie unterstützen mögen in ihrem Bemühen, sicherzustellen, dass der ASEAN-Vorsitz, der Mitte nächsten Jahres an Myanmar gehen würde, nicht an dieses Land geht, solange dort nicht eine entsprechende Menschenrechtssituation herrscht.

Ich glaube, dass das auch für Österreich von Bedeutung ist, dass wir in Vorbereitung und Durchführung unseres EU-Vorsitzes solche Dinge unterstützen, und ich bin deshalb sehr froh darüber, dass wir uns hier im Parlament nicht nur mit öster­reichi­schen oder europäischen Fragen, sondern auch mit weltweiten Problemen beschäf­tigen, wo Menschen, wo auch andere Parlamente auf unsere Unterstützung hoffen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

21.22


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


21.22.15

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Außenminis­terin! Leider nicht zum ersten Mal befassen wir uns mit dieser Thematik, und auch nicht zum ersten Mal fassen wir einen derartigen Entschließungsantrag. Wir sind uns unserer beschränkten Möglichkeiten bewusst, um wirklich diese katastrophale Men­schenrechtssituation zu verbessern.

Wir haben heute in der Früh diskutiert über die Zukunft der Europäischen Union und auch über die Notwendigkeit, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik überall dort als Europäer zu betreiben, wo Menschenrechte verletzt werden, wo Menschen gefoltert werden, wo Menschen vertrieben werden, wo Freiheit und Sicherheit in Gefahr sind. Gerade in Darfur im Sudan ist das wohl augenscheinlich. Dort finden nach wie vor tagtäglich Menschenrechtsverletzungen statt, die ungeheuerlich sind.

Leider gibt es bis dato diesbezüglich keine konsequente Haltung der Europäischen Union und auch nicht der Staatengemeinschaft. Es gibt ein paar vorsichtige Dro­hungen, ein paar Sanktionsmaßnahmen, Gespräche und Termine, aber all das verläuft im Sande, es passiert eigentlich nichts. Ich glaube, dass wir wirklich alles in unserer Macht Stehende tun sollten, um zu erreichen, dass die Europäische Union klarer ihre grundsätzliche Haltung für die Einhaltung der Menschenrechte zum Ausdruck bringt. Es kann dieser gemeinsame Entschließungsantrag einen kleinen, einen sehr kleinen Beitrag zu einer konsequenteren Haltung liefern. Man soll die Hoffnung nicht aufgeben, endlich dieser bedrängten Bevölkerung zu helfen, aber es ist schon sehr viel Zeit verloren gegangen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)

21.24


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Restredezeit ihrer Fraktion: 5 Minuten. – Bitte.

 


21.24.06

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Es kommt nicht oft vor, dass ich dem Klubobmann Scheibner voll zustimme in dem, was er sagt, aber in diesem Fall ... (Abg. Scheibner: Das ist nicht meine Schuld!) Na schon, würde ich sagen. Ich meine, dass das manchmal durchaus Ihre Schuld ist. Aber in diesem Fall kann ich Ihnen voll und ganz zustimmen.

Ich bin froh darüber, dass es uns gelungen ist, hier ein zweites Mal einen Vier-Parteien-Antrag zustande zu bringen, in welchem die Außenministerin dezidiert ersucht wird, sowohl im Rahmen der Vereinten Nationen als auch im Rahmen der EU, aber


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auch auf bilateraler Ebene, also gegenüber der sudanesischen Botschaft in Wien, gegenüber Vertretern der sudanesischen Regierung, die sich in Wien aufhalten oder die Sie, Frau Bundesministerin, sonst irgendwo treffen, klar und deutlich die im Antrag geforderten Dinge einzufordern.

Es ist schon seit langem bekannt, dass die sudanesische Regierung immer wieder selbst die Milizen bewaffnet hat und noch immer bewaffnet, dass sie sich an das Waffen­embargo nicht hält und dass sich auch andere Staaten daran nicht halten, dass tatsächlich das Regime in Khartoum an vielen der Menschenrechtsverletzungen beteiligt ist und diesen Krieg immer wieder anzettelt und nicht das tut, was jeder Staat eigentlich für seine Bürgerinnen und Bürger tun sollte, nämlich sie schützen.

Ganz wichtig ist mir auch, zu sagen, dass ganz klar ist, dass die sudanesische Regie­rung sehr wohl sensibel ist für Druck von außen, vor allem von Seiten der USA, aber auch von Seiten der Europäischen Union, denn sie will schon seit einiger Zeit von dem Vorwurf, ein Schurkenstaat zu sein, ein Schurkenregime zu sein, wegkommen, und daher ist sie auch bereit, bei gewissen Dingen nachzugeben, aber natürlich ist das immer noch viel zu wenig.

Ein Problem sehe ich auch darin, dass von Seiten der EU und von Seiten der Verein­ten Nationen die Sanktionsmöglichkeiten, die es da gäbe, viel zu wenig genutzt werden, was aber notwendig wäre, um dem Morden ein Ende zu setzen.

Ich bin froh darüber, dass wir diesen Antrag zustande gebracht haben, denn er ist ein – wenn auch nur ein kleiner – Mosaikstein bei diesem Druck auf die sudanesische Regierung, den auch das österreichische Parlament und, wie ich hoffe, auch die Frau Außenministerin mit ausüben können. (Allgemeiner Beifall.)

21.27


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet.

Ein Schlusswort wird seitens des Herrn Berichterstatters nicht gewünscht.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschus­ses, seinen Bericht 940 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen. Wer dies tut, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Herr Kollege Wittauer, mit dem Rücken zum Präsidenten? (Abg. Wittauer eilt zu seinem Sitzplatz und stellt sich dort Richtung Präsidium hin.) – Die Kenntnisnahme ist einstimmig beschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 940 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Auch diese Zustimmung wird einstimmig erteilt. (E 104.)

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

21.27.00Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über einen Antrag der Abgeordneten Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Beschaffung von Kampfflugzeugen.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt. Eine Durchführung der Debatte wurde weder verlangt noch beschlossen.


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Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Kräuter, Gaal und GenossInnen gemäss § 33 GOG betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses hinsichtlich der Beschaffung von Kampfflugzeugen

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis V: 5, S: 4, F: 1 und G: 1 einzusetzen.

Gegenstand der Untersuchung:

Aufklärung über die tatsächliche Höhe der jährlichen Betriebskosten für den Einsatz von 18 Kampfflugzeugen;

Aufklärung über die tatsächliche Vertragsgestaltung zwischen dem BMLV sowie dem BMWA und der Eurofighter Jagdflugzeuge GmbH;

Aufklärung über die tatsächlichen Ausstiegskosten aus den Eurofighter-Beschaffungs­verträgen;

Aufklärung über die Existenz der von Bundeskanzler Schüssel propagierten Wirt­schaftsplattform zur Finanzierung von Kampfflugzeugen sowie mögliche Ergebnisse dieser Plattform;

Aufklärung der Vorwürfe möglicher Geldflüsse, „nützlicher Aufwendungen“ und Mani­pulationen des Vergabeverfahrens im Zuge der Beschaffung von Kampfflugzeugen für das österreichische Bundesheer seit April 2001;

Aufklärung von Einflussnahmen auf Entscheidungsträger und Spitzenrepräsentanten der Regierungsparteien in der XXI. und XXII. Gesetzgebungsperiode im gegen­ständlichen Vergabeverfahren;

Aufklärung des Vorwurfs der Verfolgung von „wirtschaftlichen (Eigen-) interessen“ von politischen Parteien und persönlichen Interessen von Regierungsmitgliedern im Zuge der gegenständlichen Vergabe;

Aufklärung über die Vorgänge rund um die Ministerratsentscheidung am 2. Juli 2002 hinsichtlich der Meinungsbildung von Bundesminister Grasser, Bundesminister Scheib­ner und Bundeskanzler Schüssel;

Aufklärung über den Abschluss von Kompensationsgeschäften sowie deren Einfluss auf die Kaufentscheidung;

Aufklärung hinsichtlich der Reduktion der Kampfflugzeugstückzahl von 24 Geräten auf 18 unter Nichteinhaltung des selbst gewählten Vergabeverfahrens;

Aufklärung über die durch die Bundesregierung beabsichtigte Anmietung von Kampf­flugzeugen zur Überbrückung des Zeitraumes bis zur Eurofighter-Auslieferung;

Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit den genannten Sachverhalten.

Untersuchungsauftrag:

Der Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die Akten des Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundesministeriums für Landesverteidigung, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und anderer


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Bundeseinrichtungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand sämt­liche Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten überprüfen.

Begründung:

Nach dem Ausscheiden des Typs Eurofighter Typhoon durch die Regierung von Singapur im laufenden Ausschreibungsverfahren für Abfangjäger, ist nunmehr Öster­reich das einzige Bestellerland für den Eurofighter außerhalb der Erzeugernationen.

Der österreichische Rechnungshof hat in seinem Wahrnehmungsbericht hinsichtlich der Luftraumüberwachungsflugzeuge (Kaufverträge, Finanzierung, Gegengeschäfts­vertrag) festgestellt, dass

die Luftraumüberwachung für die nächsten 30 Jahre nur eingeschränkt möglich ist;

neben den Finanzierungskosten von 2,167 Milliarden Euro weitere 463 Mio Euro für Nebenbeschaffungskosten erforderlich sind;

die jährlichen Betriebskosten nur mit 50 Mio Euro ausschließlich für Flugstunden berechnet wurden und sämtliche andere Betriebskosten darin nicht enthalten sind;

enorme Mängel bei der Vertragsgestaltung vorhanden sind, darunter auch ein soge­nannter „Einredeverzicht“, der bei Leistungsmängeln keine Einstellung der Raten­zahlung ermöglicht;

die Anzahl der militärischen Anforderungen, wie etwa Ziele in der Nacht erkennen zu können oder Selbstschutz-Systeme, jährliche Flugstunden, Pilotenausrüstungen und Betriebsstandorte, erheblich reduziert wurde und Träger für Aufklärungseinrichtungen sowie Zusatztanks im Gegensatz zur Angebotseinholung im Kaufvertrag nicht mehr vorgesehen waren.

Nicht zuletzt angesichts der wesentlichen Abänderungen im kommerziellen Bereich erachtet der Rechnungshof die Vorgangsweise des BMLV als mit hohen Risiko behaftet.

Ebenso wiesen die Erkenntnisse des Rechnungshofes hinsichtlich des Vergabe­verfahrens zur Beschaffung von 24 Kampfflugzeugen erhebliche Mängel nach:

Musskriterien wurden in Sollkriterien ohne nachvollziehbare Begründung umgewandelt;

neue Entscheidungskriterien wurden ohne nachvollziehbare Dokumentation in das bereits laufende Vergabeverfahren einbezogen;

die Kostendarstellung im Zuge des Ministerratsvortrages zur Typenentscheidung wurde unrichtig wiedergegeben;

Akten hinsichtlich eines anders lautenden Ministerratsvortrages, die einen anderen Bieter begünstigten, waren im Zuge der Rechnungshofprüfung nicht auffindbar;

die Beurteilung der Gegengeschäfte erschien als nicht nachvollziehbar, ebenso eine entsprechende Kommunikation zwischen den BMLV und dem BMWA;

es erfolgte keine Überprüfung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des angebotenen Kampfflugzeuges des Typs Eurofighter.

Erhebliche Zweifel bestehen an der Einhaltung des Liefertermins sowie der grundsätzlichen Einsatzfähigkeit des ausgewählten Flugzeugtyps. Dem gegenüber stehen exorbitant hohe Lebenszykluskosten.

Aus der Rechnungshofkritik ergibt sich klar, dass die Regierung trotz Kenntnis eines wesentlich höheren Preises am 2. Juli 2002 und am 1. Juli 2003 Minister­rats-


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entscheidungen auf Basis von falschen bzw. geschönten Preiskalkulationen herbei­geführt hat. Ebenso haben sich sämtliche Ankündigungen von Bundeskanzler Schüs­sel hinsichtlich der Finanzierung der Abfangjäger über eine Wirtschaftsplattform als nicht haltbar herausgestellt.

Sämtliche Sachverhalte sind hinsichtlich der rechtlichen und politischen Verantwortung nur durch die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses aufklär­bar, dieser sollte auch die tatsächlich entstehenden Kosten erheben und die abge­schlossenen Verträge prüfen.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nun zur Abstimmung über diesen Antrag des Abgeordneten Dr. Kräuter auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Der Antrag bleibt in der Minderheit; er ist daher nicht be­schlossen.

Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 600/A bis 608/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 2986/J bis 3024/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage der Abgeordneten Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden. – Frau Kollegin Haidlmayr, die Anfrage ist inzwischen beantwortet.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für morgen, 9 Uhr, ein. Die Tages­ordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Die Sitzung wird durch eine Fragestunde eingeleitet.

Ich bitte alle Abgeordneten, die dem Sonderausschuss „Verfassungsreform“ ange­hö­ren, in das Lokal VI zur Konstituierung des Ausschusses.

Diese Sitzung ist geschlossen.

21.29.00Schluss der Sitzung: 21.29 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien