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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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789. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 5. November 2010

 

 


Stenographisches Protokoll

789. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 5. November 2010

Dauer der Sitzung

Freitag, 5. November 2010: 9.03 – 12.25 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl einer/s dritten und vierten Schriftführerin/s für den Rest des 2. Halbjah­res 2010

2. Punkt: Gesundheitsbericht 2009 (Berichtszeitraum 2005–2007)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wirksamkeit von Ab­rechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (Finali­tätsgesetz) geändert wird (Finalitätsrechtsänderungsgesetz 2010)

4. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Aufteilung entzogener Erträge aus Straftaten

5. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Sonderverwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Finanzsicherheiten-Gesetz geändert wird

7. Punkt: Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die An­erkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verant­wortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kin­dern und Jugendlichen 1987, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitsruhegesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 und das Arbeits­zeitgesetz geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geändert werden (Künst­lerInnensozialversicherungs-Strukturgesetz – KSV-SG)

10. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Montenegro über soziale Sicherheit

*****


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 2

Inhalt

Bundesrat

Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens von Altlandeshauptmann Andreas Maurer                          6

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Man­datsverzicht des Bundesrates Elmar Podgorschek .................................................................................. 6

Schreiben des Präsidenten des Landtages Steiermark betreffend Wahl von Mit­gliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat ............................................................................................................... 7

Angelobung der Bundesräte Hermann Brückl, Christian Füller, Gregor Ham­merl, Mag. Gerald Klug, Günther Köberl, Johanna Köberl, Klaus Konrad, Gerd Krusche, Franz Perhab und Friedrich Reisinger ........................................................................................................................................... 9

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Ambulanz- und Rettungsflügen durch den Herrn Bundespräsi­denten                27

1. Punkt: Wahl einer/s dritten und vierten Schriftführerin/s für den Rest des 2. Halbjahres 2010              ............................................................................................................................... 29

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 6

Aktuelle Stunde (4.)

Thema: „Möglichkeiten der Kostendämpfung und Effizienzsteigerung im stationären Bereich“              ................................................................................................................................. 9

Redner/Rednerinnen:

Monika Kemperle .......................................................................................................... 10

Dr. Magnus Brunner, LL.M .......................................................................................... 12

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 14

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..............................................................  17, 25

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 19

Mag. Gerald Klug .......................................................................................................... 20

Martina Diesner-Wais ................................................................................................... 22

Peter Zwanziger ........................................................................................................... 24

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ............................................................. 28

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 29

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 26


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 3

Verhandlungen

2. Punkt: Gesundheitsbericht 2009 (Berichtszeitraum 2005–2007) (III-410-BR/2010 d.B. sowie 8393/BR d.B.) ......................................................................................................................................... 30

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ........................................................................ 30

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler .............................................................................................................. 30

Edgar Mayer .................................................................................................................. 32

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 34

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 36

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-410-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 36

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (Finalitätsgesetz) geändert wird (Finalitätsrechtsänderungsgesetz 2010) (888 d.B. und 912 d.B. so­wie 8394/BR d.B.) ........................................................................................ 36

Berichterstatter: Manfred Gruber ................................................................................. 37

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 37

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ver­einigten Staaten von Amerika über die Aufteilung entzogener Erträge aus Strafta­ten (869 d.B. und 913 d.B. sowie 8395/BR d.B.) .......... 37

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ......................................................................... 37

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Sonderverwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (870 d.B. und 914 d.B. sowie 8396/BR d.B.)      ............................................................................................................................... 37

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ......................................................................... 37

Redner:

Johann Ertl .................................................................................................................... 38

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 39

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ........................................... 39

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Finanzsicherheiten-Gesetz geändert wird (873 d.B. und 929 d.B. sowie 8397/BR d.B.)                  40

Berichterstatter: Ing. Hans-Peter Bock ........................................................................ 40


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 4

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 40

Edgar Mayer .................................................................................................................. 42

Monika Kemperle .......................................................................................................... 42

Anneliese Junker .......................................................................................................... 43

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner ..................................................... 44

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 44

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend Über­einkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwor­tung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 (867 d.B. und 930 d.B. sowie 8398/BR d.B.) ................................................................. 44

Berichterstatter: Ing. Hans-Peter Bock ........................................................................ 44

Redner/Rednerinnen:

Anneliese Junker .......................................................................................................... 45

Ana Blatnik .................................................................................................................... 46

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 47

Inge Posch-Gruska ...................................................................................................... 47

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen ................................................................. 48

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitsruhegesetz, das Kran­kenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 und das Arbeits­zeitgesetz geändert werden (880 d.B. und 897 d.B. sowie 8399/BR d.B.) ......... 49

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner .......................................................................... 49

Rednerin:

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 49

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 51

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geändert werden (Künst­lerInnensozialversicherungs-Strukturgesetz – KSV-SG) (876 d.B. und 899 d.B. so­wie 8400/BR d.B.) ................................................................................................................. 51

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar .......................................................................... 51

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 52

Juliane Lugsteiner ........................................................................................................ 52

Franz Perhab ................................................................................................................ 53

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 54

Stefan Schennach ........................................................................................................ 55

Stefan Zangerl .............................................................................................................. 56


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 5

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 56

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2010 betreffend Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und Montenegro über soziale Sicher­heit (865 d.B. und 902 d.B. sowie 8401/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 56

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar .......................................................................... 57

Redner:

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................ 57

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 60


 


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 6

09.03.51Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Martin Preineder: Geschätzte Damen und Herren! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich eröffne die 789. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 788. Sitzung des Bundesrates vom 7. Oktober 2010 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Mag. Michael Hammer, Gottfried Kneifel, Ewald Lindinger und Josef Steinkogler.

09.04.27Trauerkundgebung aus Anlass des Ablebens des Altlandeshauptmannes Andreas Maurer

 


Präsident Martin Preineder: Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ich darf Sie bit­ten, sich für die Abhaltung einer Trauerminute von den Plätzen zu erheben. (Die Anwe­senden erheben sich von ihren Plätzen.)

In der Zeit seit der letzten Sitzung ist der Altlandeshauptmann von Niederösterreich An­dreas Maurer von uns gegangen. Andreas Maurer wurde am 7. September 1919 in Traut­mannsdorf an der Leitha geboren und ist am 25. Oktober 2010 auch dort verstorben. Er war mehr als 14 Jahre lang, nämlich vom 24. November 1966 bis zum 22. Jänner 1981, Landeshauptmann von Niederösterreich.

Andreas Maurer war Baumeister des modernen Niederösterreich. Er war ein boden­ständiger und prinzipientreuer Politiker, der viele Weichen für Niederösterreich gestellt hat. Andreas Maurer wird aber auch deshalb nicht vergessen werden, weil er für uns über seinen Tod hinaus eine wesentliche Vorbildfunktion erfüllt. – Ich danke für die An­teilnahme. (Die Anwesenden verharren einige Zeit in stummer Trauer und nehmen da­nach ihre Plätze wieder ein.)

*****

Es freut mich, zu unserer heutigen Sitzung auch Gäste begrüßen zu dürfen. Ich darf recht herzlich den ehemaligen Präsidenten des Nationalrates Dr. Andreas Khol und die ehemalige Vizepräsidentin des Bundesrates Anna Elisabeth Haselbach begrüßen. Herz­lich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

09.06.14Einlauf

 


Präsident Martin Preineder: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eingelangt sind ein Schreiben des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht sowie ein Schreiben des Landtages Steiermark über die Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitglie­dern des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandats­verzicht:

                                                                                                                                         „Friedrich Bernhofer

                                                                                                             Erster Präsident des oö. Landtag


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 7

An den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Martin Preineder

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien                                                                                                                       14. Oktober 2010

Änderung in der Zusammensetzung des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich teile mit, dass Bundesrat Elmar Podgorschek mit Ablauf des 20. Oktober 2010 auf sein Mandat als Mitglied des Bundesrates verzichtet. Eine Kopie der Verzichtserklä­rung ist in der Anlage angeschlossen.

Laut Mitteilung des Klubs der FPÖ-Landtagsabgeordneten soll das Ersatzmitglied des Bundesrates Elmar Podgorschek, Herr Hermann Brückl ex lege in den Bundesrat nach­rücken. Als neues Ersatzmitglied wurde das bisherige Mitglied des Bundesrates Herr Elmar Podgorschek vorgeschlagen.

Die Nachwahl des neuen Ersatzmitgliedes erfolgt im Rahmen der Landtagssitzung am 11. November 2010.

Mit freundlichen Grüßen

1 Anlage“

„BR Elmar Podgorschek

Ulmenweg 7

4910 Ried

An den OÖ. Landtag

Herrn Ersten Präsidenten

Friedrich Bernhofer

Landhausplatz 1

4021 Linz                                                                                                  Linz, am 27. September 2010

Verzichtserklärung

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident!

Gemäß § 3 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates, BGBI. Nr. 361/1988, erklä­re ich den Verzicht auf mein Mandat als Bundesrat mit 20. Oktober 2010, 24.00 Uhr.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen!“

*****

Schreiben des Präsidenten des Landtages Steiermark betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern:

„LANDTAG

STEIERMARK

Herrn

Martin Preineder

Präsident des Bundesrates

Dr. Karl-Renner-Ring 3

A-1017 Wien                                                                                               Graz, am 25. Oktober 2010


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 8

Sehr geehrter Herr Präsident!

In der Konstituierenden Sitzung des Landtages Steiermark am 21. Oktober 2010 wur­den mit Beschluss Nr. 6 des Landtages Steiermark folgende Personen in den Bundes­rat gewählt:

Bundesrats-mandate

Name Mitglied

Name Ersatzmitglied

1

Gregor Hammerl

geb.: 8.6.1942

8041 Graz, Hortgasse 6

Thomas Einwallner

geb.: 10.1.1979

8010 Graz, Muchargasse 35

2

Mag. Gerald KLUG

geb.: 31.11.1968

8054 Graz, Steinberger Weg 11

Richard Wilhelm

geb.: 3.7.1962

8792 St. Peter/Freienstein 1 c

3

Christian FÜLLER

geb.: 24.6.1977

8750 Judenburg, Schulgasse 2

Christian Göttfried

geb.: 18.4.1969

8811 Scheifling, Rosenweg 6/2

4

Günther KÖBERL

geb.: 29.1.1964

8990 Bad Aussee, Sarsteinstraße 4

Herbert Rossmann

geb.: 17.7.1959

8264 Hainersdorf 54

5

Johanna KÖBERL

geb.: 30.11.1965

8990 Bad Aussee, Radlungstraße 61

Manuela Steer

geb.: 7.11.1966

8953 Donnersbachwald 115/1/3

6

Franz PERHAB

geb.: 18.5.1953

8965 Pruggern 30

lng. Peter Kalcher

geb.: 3.6.1976

8570 Voitsberg, Franz-Eigner-Gasse 14

7

Gerd Edgar KRUSCHE

geb.: 5.5.1955

8700 Leoben, Nennersdorfer Straße 8

Franz Maierhofer

geb.: 23.7.1959

8130 Frohnleiten, Am Kogl 18/
Tür 3

8

Klaus KONRAD

geb.: 10.12.1965

8262 Ilz, Reigersberg 16

Brigitte Bierbauer-Hartinger

geb.: 11.4.1961

8261 Sinabelkirchen, Frösau 84

9

Friedrich REISINGER

geb.: 16.7.1962

8692 Neuberg an der Mürz, Arzbach 11

DI Franz Tonner

geb.: 28.8.1964

8053 Graz, Ulmgasse 36e


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 9

Ich beehre mich, Ihnen dies zur Kenntnis zu bringen und verbleibe

mit freundlichen Grüßen“

*****

09.06.46Angelobung

 


Präsident Martin Preineder: Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.07.17

Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Ge­setze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Über Namensaufruf durch den Schriftführer leisten die Bundesräte Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich), Christian Füller (SPÖ, Steiermark), Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark), Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark), Günther Köberl (ÖVP, Steier­mark), Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark), Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark), Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark) und Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark) ihre Angelo­bung mit den Worten „Ich gelobe“. – Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark) leis­tet die Angelobung mit dem Zusatz: „So wahr mir Gott helfe.“

*****

 


Präsident Martin Preineder: Ich darf somit die neuen beziehungsweise wiederge­wählten Mitglieder recht herzlich begrüßen und auf eine gute Zusammenarbeit hoffen. (Allgemeiner Beifall. – Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bun­desrates werden von ihren Kolleginnen und Kollegen begrüßt.)

Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder wurden von ihren Kollegen herz­lich willkommen geheißen. Das möchte auch ich ein weiteres Mal tun: Ein herzliches Willkommen hier im Bundesrat, und – nochmals – ich hoffe auf eine gute Zusammenar­beit!

09.12.39Aktuelle Stunde

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde betreffend

„Möglichkeiten der Kostendämpfung und Effizienzsteigerung im stationären Bereich“

mit Herrn Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, den ich recht herzlich bei uns willkommen heißen darf. (Allgemeiner Beifall.)

Der Ablauf gestaltet sich im Sinne der in der Präsidialkonferenz getroffenen Vereinba­rung:

Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen/deren Re­dezeit jeweils 10 Minuten beträgt.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 10

Dann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll.

Danach folgt ein Redner oder eine Rednerin der Bundesräte ohne Fraktionszugehörig­keit und dann je ein Redner oder eine Rednerin der Fraktionen mit jeweils einer fünfmi­nütigen Redezeit.

Anschließend kommt wieder ein Redner oder eine Rednerin der Bundesräte ohne Frak­tionszugehörigkeit mit 5 Minuten zu Wort.

Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers er­folgen, die nach Möglichkeit gleichfalls 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Wir gehen damit in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


9.13.57

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätzter Herr Bundesminister! Wer­tes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesrat! Das Thema, das heute besprochen wird, die Gesundheitsreform, ist natürlich ein sehr aktuelles, aber auch ein sehr kontroversiell diskutiertes Thema, denn es geht um die demografischen Entwicklungen, die Entwicklungen bei den Erkrankungen, den medizinischen Fortschritt, die Entwicklungen in Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation bei gleichzeitig steigen­den Kosten in Zeiten der Budgetsanierung und bei zum Teil ineffizienten Strukturen. – Das sind wohl Gründe genug, um für eine Verwaltungsreform im Gesundheitswesen zu sein. Bei allen möglichen Denkansätzen müssen jedoch die optimale Versorgung der Patienten und Patientinnen und die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Vordergrund stehen.

Österreich, und das darf man nicht vergessen, hat eines der besten Gesundheitssyste­me der Welt, welches nicht beschnitten oder gekürzt werden darf, sondern es gilt, die­ses noch besser zu gestalten, um seine Qualität zu steigern.

Ein gutes Gesundheitssystem ist auch ein wesentlicher Teil eines funktionierenden So­zialstaates und vor allem auch ein wichtiger und besonders zukunftsträchtiger Wirt­schaftsfaktor, denn jeder vierte neue Arbeitsplatz entsteht im Gesundheitswesen.

Verwaltungsreform heißt also nicht unbedingt automatisch Zusperren von kleineren Kran­kenhäusern oder Abbau von Arbeitsplätzen, Verwaltungsreform im Gesundheitsbereich heißt zum Beispiel Spezialisierung von Krankenhäusern, Schaffung von zentralen Be­reichen, wie beispielsweise Einkauf, oder effiziente Auslastung ohne Doppelgleisigkei­ten. Diesbezüglich wurden ja in letzter Zeit über die Medien schon recht angeregte Dis­kussionen geführt, und ich glaube, dass dort auch ein Großteil der möglichen Reform­maßnahmen liegt, ohne dass wir jetzt von Kopfzahlen reden.

Es geht aber auch um eine effiziente Planung, um sinnvolles Sparen, aber auch um sinnvolles Investieren in eine flächendeckende Gesundheitsförderung, welche Folge­kosten und Rehabilitationskosten mindert und auch Arbeitsplätze schafft. Oder einfach anders formuliert: Wir müssen uns – gemeinsam und österreichweit – anschauen, wo die Menschen in Zukunft was wann brauchen, und dafür sorgen, dass sie dann die op­timale Versorgung effizient erhalten.

Das heißt, allein internationale Vergleiche wie zum Beispiel, dass Österreich mit 40 Pro­zent der gesamten Gesundheitsausgaben im stationären Bereich im Jahr 2007 den internationalen Spitzenwert erreichte oder dass im EU-Vergleich Österreich mit 6,4 Akut­betten pro 1 000 Einwohner/Einwohnerinnen die höchste Akutbettendichte hatte, grei­fen hier zu kurz, ebenso Berechnungen wie zum Beispiel, dass rund 2,9 Milliarden € ein­gespart werden könnten, allein wenn Österreich die Zahl der Akutbetten auf EU-Niveau


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 11

reduzierte. In Österreich werden aber statistisch gesehen auch deutlich mehr Personen in Akut-Spitäler eingeliefert als im EU-Durchschnitt.

Auch Zahlen wie zum Beispiel, dass 50 Spitäler weniger als 200 Betten oder 81 Spi­täler weniger als 300 Betten haben, helfen in solchen Diskussionen nicht wirklich. Viel wichtiger ist es, den Blick auf den gesamten Gesundheitsbereich zu richten und gemein­sam – Bund und Länder – einheitliche Gesundheitsziele zu definieren und zu vereinba­ren, denn insgesamt geht der Trend bisher je nach Bundesland mehr oder weniger ein­sam und allein in Richtung Abbau von Akutbetten und Effizienzsteigerung im stationä­ren Bereich.

Dennoch stiegen die Ausgaben für die stationäre Versorgung in Spitälern von 1998 bis 2008 um 57,3 Prozent auf 11,8 Milliarden €, ebenso explodierten die Medikamenten­kosten um 82,1 Prozent. Gleichzeitig steigen auch die Pflegekosten stark an und wer­den sich bis 2030 auf voraussichtlich 8,5 Milliarden € mehr als verdoppeln.

Allein anhand dieser Zahlen ist ersichtlich, dass wir zukünftig auch übersichtliche Fi­nanzierungsstrukturen brauchen, die eine sinnvolle Planung des Gesundheitswesens über alle Bereiche hinweg ermöglichen. Verwaltungsreform im Gesundheitsbereich muss al­so heißen: Effizienzsteigerung in der Struktur und gleichzeitig Weiterentwicklung des Ge­sundheitssystems am Bedarf der Patienten und Patientinnen mit bundesweit einheitli­chen Zieldefinitionen.

Ich glaube, das Hauptaugenmerk muss auf diesen einheitlichen Zieldefinitionen liegen, denn gerade von den Finanzierungsstrukturen hängt es ab, dass wir mit diesem Sys­tem in Zukunft effizient umgehen und uns dieses auch noch leisten können. Das be­deutet auch Sicherung der Qualität im Spitalsbereich und Ausbau des niedergelasse­nen Bereichs zur optimalen und effizienten Gesundheitsversorgung. Daher gilt es, auch die Prävention und die Gesundheitsförderung zu stärken, die Integration von ambulan­ter und stationärer Versorgung voranzutreiben sowie ein besser abgestimmtes Pla­nungs- und Steuerungsmodell zwischen Bund, Ländern und Krankenversicherungen zu entwickeln.

Wer aber glaubt, dass wir im Gesundheitsbereich zukünftig mit weniger Geld als bisher auskommen werden, der irrt. Wir brauchen für den Gesundheits- und Pflegebereich ei­ne Sozialmilliarde, um Zukunftsinvestitionen tätigen zu können, die Arbeitsplätze schaf­fen und auch die Wirtschaft beleben.

Ich habe bereits erwähnt, dass jeder vierte künftige Arbeitsplatz im Gesundheitsbereich geschaffen werden wird und geschaffen werden kann. Wir brauchen aber auch neue Berufsfelder mit Mehrfachqualifikationen, um beste Voraussetzungen zu schaffen. Ich glaube, wir müssen großes Augenmerk darauf legen, dass solche Mehrfachqualifika­tionen in verschiedenen Berufsfeldern tatsächlich ermöglicht und die Voraussetzungen dafür gezielt und bestmöglich geschaffen werden.

Wir müssen aber auch, um all das bewältigen zu können, die Menschen, die in diesem System beschäftigt sind, schützen. Wir brauchen Arbeitszeiten, die den anstrengenden Berufsfeldern im Gesundheitsbereich Rechnung tragen und nicht dazu führen, dass die Versorgung der Patienten und Patientinnen durch Stress, Übermüdung oder Burnout der im Gesundheitsbereich Beschäftigten leidet.

Es muss für die im Gesundheitsbereich Beschäftigten aber auch eine entsprechende Entlohnung und Anerkennung geben, vor allem auch im Hinblick darauf, dass sich auf­grund der demografischen Entwicklung im Gesundheitsbereich in Zukunft ein abrupter Arbeitskräftebedarf ergeben wird. Daher brauchen wir auch eine bessere Ausbildung, um die Berufsbilder im Gesundheitsbereich insgesamt attraktiver zu machen und gleich­zeitig die Qualität zu steigern.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 12

Zur Finanzierung des Gesundheitssystems der Zukunft werden wir aber auch nicht da­rum herumkommen, neue Einnahmequellen, etwa durch die Vermögenszuwachssteuer, zu erschließen, denn Gesundheit und Gesundheitsvorsorge kostet Geld. Das sollte end­lich auch akzeptiert und nicht mehr in Frage gestellt werden. Die notwendigen Mittel müssen zur Verfügung gestellt werden, denn wir alle wollen mit einem der bestentwi­ckelten Gesundheitssysteme der Welt gesund altern! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

9.23


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Brun­ner. – Bitte.

 


9.23.43

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihre jüngsten Aussagen, Herr Minister, veranlassen einen Vertreter der Länderkammer natürlich, aus Sicht zu­mindest einiger österreichischer Bundesländer darauf zu reagieren, etwa was die Kom­petenzverteilung im Gesundheitsbereich betrifft, und etwas zu den Auswirkungen zu sa­gen, die das in der Praxis hätte.

Ich werde versuchen, sachlich etwas zu den Inhalten zu sagen, weg von dem Populis­mus, den es in den letzten Tagen leider auch gegeben hat. (Bundesrat Konecny: Wen meinen Sie damit?) Verschiedenste Leute, Herr Kollege! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.)

Herr Kollege! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Diese Ausführungsgesetzgebungs­kompetenz der Länder ist nicht das eigentliche Kernproblem im Gesundheitswesen. Viel gravierender sind eigentlich die nach wie vor bestehenden unterschiedlichen Planungs- und Finanzierungszuständigkeiten vor allem zwischen dem intra- und dem extramura­len Bereich mit den vielen damit verbundenen Schnittstellen- und Effizienzproblemen.

Es ist beispielsweise bundesgesetzlich im ASVG nach wie vor keine zwingende Bin­dung der Gesamtvertragspartner, also der Sozialversicherung und der Ärztekammer, bei der Erstellung der Stellenpläne an die in den Landesgesundheitsfonds beschlossenen regionalen Strukturpläne geregelt.

Probleme und Schwachstellen im Gesundheitsbereich werden zumindest aus meiner Sicht nicht gelöst, wenn der Bund zum Beispiel die alleinige Gesetzgebungsverantwor­tung im Krankenanstaltenrecht innehat, denn die Probleme liegen nicht allein auf spitalsrechtlicher Ebene, sondern die Hauptprobleme liegen eben in der mangelnden Ko­operation. Hinzu kommen die fehlenden Anreize im Krankenversicherungsrecht zu einer sinnvolleren Patientensteuerung und auch im Zusammenhang mit der Honorie­rung von Leistungen im niedergelassenen Bereich, um nur einige Beispiele zu nennen.

Der Bund hat durch die alleinige Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenz im Sozial­versicherungsrecht bisher nicht wirklich bewiesen, dass er in der Lage ist, die Proble­me zu lösen und die Schwachstellen zu beseitigen. Ich bin sehr skeptisch, dass er das in anderen Bereich tun kann.

Eine Beseitigung dieser Ausführungsgesetzgebungskompetenz der Länder wäre also aus meiner Sicht eine losgelöste Maßnahme ohne irgendein Reformpotenzial. Da ma­chen es sich, glaube ich, viele in der Diskussion etwas zu leicht!

Hinzu kommt, dass der Bund als Grundsatzgesetzgeber bereits bisher sehr detaillierte Regelungen getroffen hat und die Länder bei der Ausführungsgesetzgebung diese Vor­gaben auch beachtet haben. Den Ländern kann, glaube ich, nicht unterstellt werden, dass sie den Rahmen der Grundsatzgesetzgebung ignoriert hätten.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 13

Betreffend den Strukturbereich ist davon auszugehen, dass die Trägerstrukturen im Be­reich der öffentlichen Krankenanstalten in Österreich sehr unterschiedlich geregelt sind. So ist etwa Tirol von einer sehr differenzierten Rechtsträgerstruktur – darunter die TILAK, Gemeinden und Orden – im Bereich der öffentlichen Krankenanstalten gekennzeich­net, in anderen Bundesländern wie Niederösterreich oder Vorarlberg wurden hingegen bereits landesweite Träger etabliert.

Diese Verschiebung der Kompetenz im Bereich der Krankenanstaltenplanung würde aus meiner Sicht auch verschiedensten Vereinbarungen widersprechen, die in den letz­ten Jahren beschlossen wurden, zum Beispiel auch den Intentionen der Artikel-15a-Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens, die jetzt betreffend den Zeitraum 2008 bis 2013 läuft, wonach die integrierte Gesundheitspla­nung auf Ebene der Versorgungsregionen beziehungsweise der Bundesländer auszu­richten ist.

Die Verschiebung der Kompetenz würde aus meiner Sicht auch der Philosophie des ÖSG, des Österreichischen Strukturplanes Gesundheit, widersprechen. Auch hier soll­ten Detailplanungen auf Ebene der Bundesländer und der Versorgungsregionen gestal­tet werden.

Herr Minister, ich glaube, Unterschiede in den Rahmenbedingungen erfordern auch un­terschiedliche Lösungen in Österreich. In den einzelnen Ländern herrschen, auch his­torisch bedingt, unterschiedliche Bedingungen und Ausgangssituationen, aber auch Er­fordernisse, auf die man aus meiner Sicht einzugehen hat. Ich nenne nur einige Stich­worte wie geographische Verhältnisse, urbaner Raum, ländlicher Raum, Besiedelungs­dichte, Verkehrsnetz oder Demographie, die die Kollegin vorhin schon angesprochen hat. – Das sind maßgebliche Punkte, die aus meiner Sicht berücksichtigt werden müssen.

Die Ausbaustufen und Organisationsformen der bereits bestehenden Versorgungsein­richtungen im Gesundheitsbereich sind sowohl qualitativ als auch quantitativ sehr un­terschiedlich ausgestaltet. Die Länder haben unterschiedlich funktionierende und auch den örtlichen Bedürfnissen angepasste Strukturen im Bereich der Gesundheitsversor­gung, und bundeseinheitliche Reglementierungen würden das Funktionieren dieser Ge­sundheitsversorgung im regionalen Bereich, in den Bundesländern, zumindest beeinträch­tigen, wenn nicht insgesamt gefährden.

Ich glaube auch, dass eine zentrale Steuerung des Krankenanstaltenbereichs Nachteile für die Bevölkerung bringt, ohne wirklich Kostenvorteile entstehen zu lassen. Man muss nur in die jüngere Vergangenheit schauen und bedenken, welche Auswirkungen es auch auf die Bundesländer gehabt hätte, wenn zum Beispiel die vom Bund ursprünglich vor­gelegte Version des Österreichischen Strukturplanes Gesundheit unverändert beschlos­sen worden wäre. Es hätte in den Bundesländern nicht nur finanzielle Kostenexplo­sionen gegeben, sondern auch große Versorgungsprobleme struktureller Art. Medizini­sche Krankenhausleistungen hätten nicht mehr außerhalb von Zentren in Universitäts­kliniken erbracht werden können, um nur ein Beispiel zu nennen. Dadurch wären natür­lich auch die Krankenhauskosten erheblich gestiegen.

Ein Ausbau der integrierten Versorgung, wie er in den letzten Jahren anhand diverser Pläne immer wieder diskutiert und auch beschlossen wurde, würde bei einer solchen Zentralisierung aus meiner Sicht grob erschwert werden, und auch die Arbeit der Ge­sundheitsplattformen, deren Wichtigkeit, wie ich hoffe, unbestritten ist, würde erschwert werden. Auch im Regierungsprogramm sind Ziele vereinbart, die durch eine solche Zen­tralisierung nicht wirklich umgesetzt werden könnten und die in einem überschaubaren und regionalen Bereich wesentlich leichter, schneller, aber auch effizienter erreichbar wären. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass regionale Spielräume in diesem Bereich geschaffen werden beziehungsweise erhalten bleiben.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 14

Die Kompetenzen der Gesundheitsplattformen beziehungsweise dieser Gesundheits­fonds in den einzelnen Bundesländern sollten auch im Hinblick auf die Planung und auf die gemeinsame Finanzierung eher gestärkt werden, und dazu braucht man auch ge­setzlich einen regionalen Spielraum.

Schauen wir uns zum Beispiel die Pflege an: Die Pflege liegt in der Zuständigkeit der Länder, und eine Vernetzung der Versorgungsangebote von Krankenanstalten und Pfle­ge ist wesentlich besser herstellbar, wenn die Zuständigkeiten auf einer Ebene, nämlich in diesem Fall auf Ebene des Landes, konzentriert sind.

Ich komme zu noch einem wichtigen Punkt, nämlich zur Kostenverantwortung: Die Zu­ständigkeit dafür müsste – wenn man das weiter denkt – bei einer Zentralisierung der Krankenanstalten der Bund übernehmen. Wenn die Zuständigkeit dafür wirklich zentra­lisiert werden würde, dann müsste auch die finanzielle Hauptverantwortung der Bund tragen beziehungsweise müsste es zumindest zu einer Umkehr der Mitteldeckung kommen und müsste der Bund die über die Valorisierung hinaus gehenden Kosten tra­gen. – Ob das gewollt ist, bezweifle ich.

Wir sollten daher über wirkliche Reformen nachdenken, die strukturell etwas bringen, da­mit man diese Kostensteigerungen in den Griff bekommen kann. Wir hoffen und wün­schen uns, dass Sie zulassen, Herr Minister, dass beispielsweise Vorarlberg eine Mo­dellregion werden kann, in welcher der Spitals- und der niedergelassene Bereich zu­sammengeführt und somit aus einer Hand finanziert werden können. So gibt es zum Beispiel mit den Augenärzten in Vorarlberg bereits ein entsprechendes Projekt. Leider stehen einem wirklichen Großversuch bundesgesetzliche Hürden im Weg. Ein solcher Modellversuch wäre aus meiner Sicht ein visionärer Vorschlag. Auch der Rechnungs­hof hat jetzt diese Bemühungen in Vorarlberg gewürdigt und das entsprechende Einspa­rungspotential aufgezeigt.

Man sollte es sich also nicht zu leicht machen und auf die Länder hinprügeln, sondern man sollte gute Ideen der Bundesländer, die es nicht nur, aber zum Teil auch gibt, auf­nehmen und auch umsetzen. (Bundesrat Mag. Klug: Sag es jetzt: Niederösterreich!)

Herr Minister, zu guter Letzt erlaube ich mir, Ihnen einige Fragen zu stellen, etwa wie Sie es mit der Umsetzung der Artikel-15a-Vereinbarung halten. Bis Ende 2009 war vor­gesehen, dass eine Arbeitsgruppe Modelle einer Versorgungsstruktur erarbeitet, die sich mit dem Schließen von Versorgungslücken und mit der Abschaffung von Doppelstruk­turen im Hinblick auf mehr Effizienz beschäftigt: Gibt es da schon Ergebnisse? Was ist bei der wissenschaftlichen Evaluierung herausgekommen, die bis Ende 2009 laut Ver­einbarung durchzuführen war, insbesondere Steuerungs- und Anreizeffekte betreffend? Gibt es diesbezüglich schon Ergebnisse?

Zuletzt noch eine Frage: Auf welchem Stand befindet sich die Arbeitsgruppe zur Struk­tur und Finanzierung der Gesundheit und Pflege? Gibt es da bereits Ergebnisse, die bis zu Beginn der zweiten Etappe, also bis zum 1. Jänner 2011, laut Finanzausgleichspaktum präsentiert werden müssen?

All das sind Fragen, die Sie, Herr Minister, sicherlich beantworten können. Wir sind auf jeden Fall schon gespannt auf Ihre Antworten! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

9.34


Präsident Martin Preineder: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühl­werth. – Bitte. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug. – Bundesrätin Mühlwerth – auf dem Weg zum Rednerpult –: Freu dich nicht zu früh!)

 


9.34.54

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir können allen Bau­


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 15

stellen zum Trotz doch sagen, dass wir im Großen und Ganzen ein gutes Gesundheits­system haben. Das sieht auch die Mehrheit der Österreicher und Österreicherinnen so. Die Baustellen im Zusammenhang mit Effizienz, Kostentransparenz und Doppelgleisig­keiten in der Verwaltung sind aber zweifellos vorhanden und warten darauf, behoben zu werden.

Erfreulicherweise ist die Lebenserwartung der Österreicherinnen und Österreicher be­ständig im Steigen begriffen. Laut Gesundheitsbericht liegt diese derzeit bei etwas über 82 Jahren bei den Frauen und bei nahezu 77 Jahren bei den Männern. Leider kommen nicht alle Österreicher bei voller Gesundheit in den Genuss dieses Lebensalters oder darüber hinaus. Natürlich treten oft auch Krankheiten auf, die im Krankenhaus behan­delt werden müssen. Bei der Aufnahme von Personen in Krankenhäusern hat es laut Gesundheitsbericht eine Steigerung von 6,1 Prozent gegeben. Gleichzeitig ist aber auch die Anzahl der berufstätigen Ärzte und des Pflegepersonals gestiegen, obwohl ich mei­ne, dass wir noch immer zu wenige Ärzte und Pflegepersonal haben.

Das bedeutet aber auch, dass die Kosten steigen. Eine meiner Vorrednerinnen hatte durchaus recht, als sie sagte, es sei ein Märchen oder bestenfalls ein frommer Wunsch, wenn man behauptet beziehungsweise glaubt, das Gesundheitssystem ließe sich bei gleichbleibendem Kostenniveau erhalten. Wenn man sich die Endkosten der Fonds­krankenhäuser anschaut und feststellt, dass diese um 16,5 Prozent gestiegen sind, dann hat man schon den ersten Beweis dafür, dass im Gesundheitssystem natürlich auch Geld in die Hand genommen werden muss.

Wir geben nicht wenig aus. 27,5 Milliarden € sind ja nicht irgendetwas! Wenn man sich den OECD-Vergleich anschaut, dann kann man feststellen, dass wir im oberen Drittel lie­gen. Es ist schön, dass wir uns ein solches Gesundheitssystem nicht nur leisten kön­nen, sondern auch leisten wollen! Aber ich glaube, es gibt da sehr wohl Einsparungs­potentiale, die bis jetzt überhaupt nicht berücksichtigt wurden.

Damit komme ich jetzt zur aktuellen Diskussion mit den Ländern. Die Länder tragen et­wa 30 Prozent der Kosten bei. 70 Prozent zahlt der Bund. Wenn man sich aber die Dis­kussion der vergangenen Tage angeschaut hat, dann musste man feststellen, dass die Länder alles bestimmen wollen und der Bund immer alles zahlen soll. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Nicht alle Länder, nur manche Länder!) Das ist ähnlich wie bei den Schulen.

Bei aller Sympathie für den Föderalismus möchte ich im Hinblick darauf sagen: Es kann nicht ewig so sein, dass der Bund zahlt und die Länder anschaffen! Das wird nicht ge­hen! Wenn sich Niederösterreich zwei Schwerpunktkrankenhäuser innerhalb einiger weniger Kilometer, nämlich eines in Mödling und eines in Baden, leistet und das auch noch richtig findet und meint, dass das einfach so sein muss – und wir haben hier ähn­lich Angebote –, dann sage ich Ihnen: Da kann etwas nicht stimmen! (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir haben uns im Rahmen einer Dringlichen in Bezug auf die Gemeindefinanzen schon einmal darüber unterhalten, dass die Länder auch vieles einfach an die Gemeinden wei­terreichen. Diese können auch nicht mit entscheiden, sondern haben das zu tun, was ihnen angeschafft wird. Aber sie müssen das dann zahlen und stehen damit am Rande des finanziellen Ruins. Wenn man sich die Berichte über die Situation der Gemeinden vor allem im finanziellen Bereich anschaut, dann weiß man, dass die wenigsten Ge­meinden noch in irgendeiner Form positiv bilanzieren können. Darüber muss man auch sprechen!

Es geht in diesem Zusammenhang offensichtlich nicht um sachliche Fragen. Liebe Kol­leginnen und Kollegen von der ÖVP! Ich möchte Ihnen schon sagen, dass da offenbar machtpolitische Spiele von Länderseite betrieben werden. Wenn es nämlich um sach­


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 16

liche Fragen ginge, dann könnte sich ja Landeshauptmann Pröll beispielsweise dazu herablassen, mit dem Minister ein Gespräch zu führen. Das tut er aber nicht! Er sagt, dass er nicht einmal darüber reden will. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrätin Mag. Neuwirth: Genau!)

Ich sage Ihnen: Das ist wirklich finanzpolitischer Wahnsinn! Es ist immer derselbe Re­flex! Man muss sagen: Im Gesundheitsbereich ist in den letzten Jahren nicht beson­ders viel geschehen. Ich habe diesbezüglich keine großen Entwürfe in Erinnerung.

Jetzt hat der Minister einmal eine gute Idee. Dazu sagt die ÖVP sofort: Nein, das kann so nicht sein! Weg damit! Das interessiert uns überhaupt nicht. – Das beweist schon auch, dass es hier nicht um die Sache alleine geht – oder in den allerwenigsten Fällen. Ich denke, hier muss das Gespräch gepflogen werden, denn ein überbordender Föderalis­mus hilft uns in Österreich auch nicht.

Die FPÖ hat da seit Jahren eine klare Linie. Wir waren immer dafür, dass die Dinge zentral geregelt werden. Ja, durchaus unter Mitsprache der Länder, dass die Länder sich einbringen können. Ich hoffe, ich interpretiere Sie jetzt nicht falsch, Herr Minister, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich das so gedacht haben, dass da jemand an einer zentralen Stelle sitzt, den großen Österreich-Plan vor sich hat und dann die Fähnchen hineinsteckt, wo jetzt die Spitäler zu stehen haben. Also das wird natürlich in Kooperation geschehen müssen, aber es kann, wie gesagt, nicht so sein, dass die Länder sagen: Wir lassen uns da überhaupt nichts dreinreden, aber ihr müsst uns jetzt das Geld geben!

Also den Generalplan, Herr Minister, befürworten wir durchaus. Sie wissen aber so gut wie wir, dass der Teufel im Detail steckt. Diesen Detailplan werden wir uns ganz genau anschauen, und dann werden wir uns darüber unterhalten, was wichtig ist.

Was heute auch schon angesprochen worden ist und was uns auch immer ein Anlie­gen war und ist: Wenn man über den Gesundheitsbereich spricht, muss man sich na­türlich auch über die Vorsorge unterhalten. Die ist an sich ganz gut, aber offensichtlich noch nicht in den Köpfen aller Österreicherinnen und Österreicher. Hier wäre tatsäch­lich Verbesserungsbedarf und gäbe es auch Verbesserungsmöglichkeiten.

Wir glauben auch, dass das Gesundheitssystem entlastet werden kann, entlastet wer­den muss und soll. Wir meinen – das noch zum Vorherigen –, dass eine zentrale Steue­rung der Spitäler auch eine bessere Spezialisierung brächte, damit verbunden auch Kos­teneinsparungen, weil man so bei der Verwaltung und beim Einkauf kostensparender vorgehen könnte, ohne dass der Patient irgendeinen Schaden erleiden oder das auch nur merken würde, weil das auf die Gesundheitsleistungen keinen Einfluss hat.

Übrigens – und das sollte uns auch zu denken geben –: 90 Prozent der Österreicher ha­ben sich in einer Umfrage von OEKONSULT dafür ausgesprochen, nicht hunderttau­send Spitäler in Österreich zu bauen, lehnen also diesen Wildwuchs ab. Aber die Öster­reicher wollen auch die Kostentransparenz gewahrt wissen. Da sind die Kollegen von der ÖVP gefragt, denn Kostentransparenz habt ihr ja zu eurem Lieblingsthema erklärt. Hier könnte man ja gemeinsam etwas erarbeiten, dass Kostentransparenz auch im Ge­sundheitswesen für den Patienten sichtbar wird. Denn: Über 70 Prozent der Österrei­cher können der Aussage durchaus etwas abgewinnen, dass Kostentransparenz ein Verantwortungsbewusstsein bei den Gesundheitsleistungen bringen würde. Es ist ja nicht uninteressant zu wissen, was, wenn man sich ins Spital begibt, so ein Krankenhaus­aufenthalt pro Tag kostet. Also Kostentransparenz wäre wohl auch ein wichtiger Faktor.

Erfreulicherweise steht die Bevölkerung nach wie vor zu dem guten Gesundheitswe­sen, hat aber Angst vor Kürzungen. Drei Viertel der Österreicher haben Angst vor Kür­zungen, vor einer Zweiklassenmedizin, davor, dass sie sich privat versichern müssen, um besser versorgt zu werden. Das sind Ängste, die ernst genommen werden müssen


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 17

und von denen ich glaube, dass man der Bevölkerung tunlichst diese Ängste auch neh­men muss, dass die Menschen nicht Gefahr laufen, trotz ihrer nicht so niedrigen Ge­sundheitsbeiträge in ein Zweiklassensystem abzurutschen.

Die verstärkte Prävention ins Bewusstsein der Österreicher zu bringen, Herr Gesund­heitsminister, wird auch eine Ihrer wesentlichen Aufgaben sein, damit wir den Staats­bürger und das System entlasten können. Und wir haben auch schon öfter angeregt, dass es ein vernünftiges Entlassungssystem geben muss. Es liegen Pflegebedürftige oft viel zu lang in einem Akutbett, das sie gar nicht mehr brauchen, weil es auf der an­deren Seite wieder Engpässe im Pflegebereich gibt. Hier haben wir schon öfter darauf hingewiesen, dass man beim Versorgungssystem auch auf das System der Tageskli­niken zurückgreifen könnte, wenn man ein gutes Entlassungssystem hat, und man den­jenigen nicht mehr im Spitalsbett behalten muss. Also das wäre auch einer unserer Vor­schläge.

Es haben ja alle Oppositionsparteien durchaus gute und brauchbare Vorschläge. Ich kann Ihnen nur raten, Herr Minister, reden Sie mit allen Parteien. Hören Sie sich die Vor­schläge der Einzelnen an, lassen Sie sie gegebenenfalls einfließen, damit wir hier zu einer Einigung kommen können, denn das Gesundheitssystem betrifft ja nicht nur die SPÖ und die ÖVP, sondern uns alle.

Ihnen von der ÖVP möchte ich abschließend ins Stammbuch schreiben: Vielleicht rückt ihr einmal ein wenig von eurer Schrebergartenpolitik ab – denn dann kann uns ein gu­ter Wurf im Gesundheitsbereich mit mehr Kosteneffizienz und mehr Verwaltungseffi­zienz gelingen. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und Grünen.)

9.45


Präsident Martin Preineder: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Gesundheit zu Wort gemeldet. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


9.45.50

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es freut mich, dass auch sehr viele junge Menschen hier zuhören, wenn es um die Ge­sundheit in unserem Land geht.

Ich nütze sehr gerne heute diese Aktuelle Stunde, um mit dem Bundesrat, der Länder­kammer zu diskutieren, wie wir die Gesundheitsversorgung in Österreich so stärken kön­nen, dass in der Region die beste Gesundheitsversorgung möglich ist. Beste Gesund­heitsversorgung in der Region bedeutet, abgestufte Gesundheitsversorgung möglich zu machen, Qualität auch anbieten zu können, und bedeutet, die Standorte in der Re­gion zu stärken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich die Ausgangslage be­schreiben. Ich habe mich bemüht, in meiner Ministerschaft sicherzustellen, dass das Gesundheitssystem finanziert werden kann. Es ist mir gelungen, eine Trendwende ein­zuleiten. Die Krankenkassen haben große Schulden gehabt, als ich das Ministeramt übernommen habe. Ich habe klar und deutlich gesagt, da ist Handlungsbedarf, und es ist gelungen, im Jahr 2009 positive Ergebnisse der Gebietskrankenkassen zu erzielen. Ich erinnere daran, positive Ergebnisse hat es erstmals seit 1998 wieder gegeben. Das bekommen wir auch im Jahr 2010 hin, wenn die Zahlen sich so fortschreiben lassen, wie sie sich derzeit darstellen.

Was ist uns noch gelungen? – Wir haben ein Kostendämpfungspotential erarbeitet, und zwar gemeinsam mit allen Partnern, mit allen Gebietskrankenkassen, mit allen Ärzte­kammern, mit allen Dienstleistern im Gesundheitssystem. Und man war bereit, Ziele zu


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 18

vereinbaren und anhand dieser Ziele die österreichische Gesundheitsversorgung zu op­timieren.

Wie sieht die Situation in den Spitälern aus? – In den Fondskrankenanstalten hatten wir Kosten von 8,1 Milliarden €. Wenn man die Reha-Einrichtungen dazunimmt, sind Kos­ten von 13 Milliarden € im Bereich der Krankenanstalten, der Spitäler. Und diese Kos­ten steigen außerordentlich, die steigen mehr als das Wirtschaftswachstum. Daher brau­chen wir neue Steuerungsmodelle im Gesundheitssystem. Die Finanzierung wird zu et­wa der Hälfte von der Sozialversicherung getragen und zu etwa 15 Prozent direkt vom Bund.

Aus meiner Sicht ist Folgendes notwendig: Wir brauchen ganz dringend die Sicht der Patientinnen und Patienten im Gesundheitssystem vorne. Wir haben derzeit sehr viel Struktur, wir diskutieren auf vielen Ebenen immer Strukturqualitäten, auch im Bereich der Gesetzgebung, aber wir beschäftigen uns sehr wenig damit, wie denn tatsächlich die Ergebnisse sind, die bei den Patientinnen und Patienten ankommen.

Mir geht es darum, die beste Krankenhausinfrastruktur in der Region vorzusehen. Ich komme aus einem Bundesland und weiß, dass man die Verhältnisse in den jeweiligen Bundesländern kennen muss, aber es geht darum: Wie stellen wir sicher, dass das, was in den Bezirken notwendig ist, auch realisiert und angeboten wird und wir trotzdem gleiche Rahmenbedingungen in Österreich haben?

Damit wir gleiche Rahmenbedingungen haben, meine sehr verehrten Damen und Her­ren, brauchen wir gemeinsame Rahmenbedingungen. Und die gemeinsamen Rahmen­bedingungen sind dann erreicht, wenn wir in Österreich ein einheitliches Krankenanstal­tengesetz haben – aber die Landesregierungen die Verwaltung in den Spitälern, in der Gesundheitspolitik vornehmen können. Das ist kein Widerspruch.

Ich möchte hören, wie man in Vorarlberg die Prozesse gestalten will. Da gibt es gute Vor­schläge. Ich habe auch gute Vorschläge vom Koalitionspartner in den Bundesländern gehört. Wir brauchen weniger Struktur, wir brauchen mehr Ergebnisqualität.

Daher sage ich: Wir brauchen eine einheitliche Gesetzgebung in Österreich. Aber weil ich dezentrale Versorgung haben will, will ich auch die Verantwortung der Landesregie­rungen, diese sollen die Verwaltung nach wie vor vornehmen und umsetzen.

Mir geht es darum – und das ist schon ein zentraler Zugang –: Wir brauchen Planung, Steuerung und Finanzierung in gemeinsamer Verantwortung. Nicht in einer Hand – in gemeinsamer Verantwortung! Ich war lange in der Gemeinde, die größte Budgetausga­be war das Krankenanstaltenwesen – und mitgestalten haben wir null können. Null! Selbst ich nicht.

Mit diesen Strukturen kann es nicht funktionieren. Was wir brauchen, sind abgestufte Mo­delle, wo alle, die einzahlen, auch mitreden können. Das soll sichergestellt werden, und deshalb habe ich ein Pooling aller Mittel vorgeschlagen. Wir wollen die Mittel des Bun­des „poolen“. Ich möchte mit den Ländern hier gemeinsam zu einer Lösung kommen, und da hat jeder Landeshauptmann dasselbe Interesse, der will nämlich auch die beste Versorgung in seinen Bezirken, der möchte auch abgestufte Modelle und der möchte auch sein Budget erstellen. Da sind wir uns einig, wir wollen beste Versorgungsstruktu­ren, und ich kenne keine Landeshauptfrau und keinen Landeshauptmann in Österreich, die/der das nicht auch so sehen würde.

Damit wir das erreichen, sollten wir gemeinsame Ziele erarbeiten, aber diese Ziele dann auch mit dem entsprechenden Geld ausstatten und das Geld für diese Ziele strukturell verwenden. Wenn wir in einen gemeinsamen Prozess dieser Zielfindung kommen, kön­nen wir das Gesundheitssystem weiterentwickeln und können auch die Qualität erhö­hen. Es geht um Qualität im Gesundheitswesen, und Qualität im Gesundheitswesen macht das Gesundheitswesen kostengünstiger. Das ist das zentrale Ziel.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 19

Der Unterschied zwischen manchen Vorstellungen und meinen ist der: Wir brauchen in Zukunft radikale Orientierung am Patienten, und damit müssen wir übergreifend den­ken. Einem Patienten ist es völlig egal, wer wo zuständig ist. Er oder sie will gute Leis­tung. Wir müssen über die Systemgrenzen hinweg denken. Ich habe es gesehen bei der Frage Umsetzung der Ärztegesellschaften, wie schwierig es ist, mit unterschiedlichen Ge­setzgebungsebenen aufeinander abgestimmte Lösungen zu erarbeiten, wenn es sehr viele Interessengruppen gibt, die natürlich mit ihren Eigeninteressen wirksam werden. Bei einem langen Abstimmungsprozess, der über zwei Jahre geht, ist es sehr, sehr schwie­rig, die Ziele politisch umzusetzen.

Insofern geht es mir um Transparenz. Wir brauchen mehr Transparenz für die Zahlen im Gesundheitssystem, wir brauchen Transparenz, welche Leistung in einem Spital wie viel kostet, und es geht darum, wie wir das weiterentwickeln können. Das ist das zentrale Ziel: Der Patient/die Patientin soll wissen, welche Qualität das Krankenhaus in seiner oder ihrer Region hat.

Mir geht es darum, die Regionen durch eine abgestufte Gesundheitsversorgung zu stär­ken. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

9.55


Präsident Martin Preineder: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. Ich erteile es ihm.

 


9.55.04

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schülerinnen und Schüler! Meine Vorredner und Vorrednerinnen und Sie auch, Herr Minister, haben das Problem schon benannt, und die Wirtschaftskammer Österreich hat es visualisiert. (Der Redner zeigt eine Graphik.) Sie hat eine sehr anschauliche Graphik erstellt, wo ersichtlich ist, wer wohin mit wie viel finanziert – Gemeinde, Länder, Bund, Finanzminis­terium, Träger der Fondskrankenanstalten und so weiter. (Bundesrat Mag. Klug: Efi, wir können das von da nicht lesen!) Also es ist undurchsichtig. (Bundesrat Konecny: Das ist undurchsichtig!) – Ich kann das natürlich gerne zur Verfügung stellen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, da besteht ein Einsparungspotenzial, von 2 900 Mil­lionen €. (Bundesrat Mag. Klug: Ist das jetzt dein Vorschlag?) Das steht nicht in der Sta­tistik der Wirtschaftskammer oder sagen die Grünen, sondern das sagt der Rechnungs­hof. Also hier gibt es ein immenses Einsparungspotenzial.

Wie auch Sie, geschätzter Herr Minister, schon angemerkt haben, haben wir Gott sei Dank Probleme auf einem hohen Niveau, verglichen mit anderen Ländern. Wir haben eine sehr gute Versorgung, dank der engagierten Ärzte und Ärztinnen und des Pflegepersonals, und es ist unsere Aufgabe als Politiker, die Rahmenbedingungen für die Menschen, die in diesem Bereich unter wirklich sehr schwierigen Bedingungen arbeiten, so zu gestalten, dass sie nicht an Burnout leiden, dass sie nicht einen 24-Stunden-Arbeitstag haben und so weiter und dass Beruf und Familie letztendlich auch vereinbar sind.

Österreich hat ein Problem, aber eigentlich sind es neun Probleme, und zwar die Bun­desländer. Seien wir ganz ehrlich! Und wenn hier in der Länderkammer ein Bundesrat das zur Sprache bringt, und das noch dazu von der Opposition, sollte das, glaube ich, uns allen etwas zu denken geben.

In jedem dieser Bundesländer ist sich natürlich der Landeschef selbst am nächsten. Es geht darum, ein abgestecktes und ziemlich überschaubares Terrain zu verwalten. Viel zu entscheiden gibt es nicht, aber viel zu verteilen. Die Mittel, die man nicht selber einge­


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 20

nommen hat, sondern die der Bund zur Verfügung stellt, müssen je nachdem dann ver­teilt werden. Das sieht die österreichische Verfassung so vor. Die Landeshauptleute ha­ben alle ein Interesse, und zwar leider Gottes ihr eigenes.

Ich würde mir wünschen, dass manche unserer Landeshauptleute über den Tellerrand hinaus blicken und die Sache gesamtheitlich betrachten, denn es kann nicht sein, dass, wenn Bundespolitiker oder der Herr Minister gute Ideen präsentieren, dann automatisch ein Njet kommt. So kann es nicht sein, und so werden wir auch nichts weiterbringen.

Der Herr Minister hat leider Gottes auch ziemlich harsche Kritik einheimsen müssen. Zum Beispiel war von einem „Rülpser“ die Rede. Ich finde, es ist nicht ein Rülpser, wenn man konstruktive Lösungsvorschläge erarbeitet, wenn man ein einheitliches Krankenanstal­tengesetz und eine Kontrolle der eingesetzten Mittel fordert. Das könnte nämlich zu ei­ner bedarfsgerechten Leistung bei den Patienten führen, und sparen würde man natür­lich dabei auch.

Die unerwünschte Nebenwirkung: Der Bund hätte mehr mitzureden. Und die wortwörtli­chen Reaktionen aus den Ländern: Provokation, Rülpser, Frechheit. – Das ist das ei­gentliche Problem, und darum sind es neun Probleme, die wir haben, nicht die Vor­schläge, die der Herr Minister unterbreitet hat, sind das Problem.

Die schon vor Jahren beschlossene Gesundheitsreform kann nicht ewig torpediert wer­den. Sie sieht bundeseinheitliche Bedarfs- und Angebotsplanung und einheitliche Qua­litätsstandards vor. Dass die Spitäler in Österreich zentral geplant, finanziert und kon­trolliert werden, steht nicht im Widerspruch zu den notwendigen Handlungsspielräu­men und dem Bedarf der Länder; das haben auch Sie schon erwähnt.

Die Defizite der Krankenanstalten sollten die Länder doch dazu bewegen, nicht gleich wieder reflexartig nein zu sagen, sobald eine Reformidee kommt. Der Knackpunkt der Verwaltungsreform muss endlich an konkreten Beispielen angegangen werden, und gerade im Bereich Spitäler ließe sich der Mitteleinsatz im Interesse aller, die vom Sys­tem betreut werden, die im System arbeiten, und jener, die die Rahmenbedingungen ge­stalten, optimieren.

Ich hoffe, dass am Ende dieses Diskussionsprozesses die Vernunft siegen wird, und Sie mit Ihren guten Vorschlägen auch durchkommen. Unsere Unterstützung haben Sie. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

10.00


Präsident Martin Preineder: Nächster Redner: Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


10.00.33

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf gleich zu Beginn meine lie­ben Kolleginnen und Kollegen aus der Steiermark recht herzlich willkommen heißen, sowohl jene von meiner Fraktion als auch die Kollegen von der ÖVP-Fraktion. Ich wün­sche allen alles Gute. (Bundesrätin Mühlwerth: Die Freiheitlichen nicht?!) – Ja, auch herzlich willkommen.

Weil ich schon fünfmal darauf angesprochen wurde, darf ich sagen: Günther und Jo­hanna Köberl engagieren sich für die gleiche politische Region, sind aber nicht mitein­ander verwandt. Damit wäre für die neue Funktionsperiode auch alles geklärt. (Zwi­schenruf des Bundesrates Köberl.) – Das müsst ihr euch selbst ausmachen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Aktuelle Stun­de im Bundesrat zum Thema Kosteneffizienz in den Krankenanstalten könnte aktueller nicht sein. Ich möchte aber gleich zu Beginn etwas festhalten, lieber Magnus (in Rich­tung Bundesrat Dr. Brunner): Bei diesem Thema ein bisschen mutiger zu sein – gerade


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 21

in der Länderkammer – wäre auch bei dir angebracht gewesen. Wir lesen ja gerne und mit großer Aufmerksamkeit die Inhalte deiner Pressekonferenzen, wenn es um Überle­gungen zur Verwaltungsreform oder zur Zukunft des Bundesrates geht. – Aber ein biss­chen mutiger!

Das ist nämlich genau das Thema. Wir wissen, wenn wir in den Regierungen Verant­wortung tragen, ist das ein hochsensibles Länderthema. Wir alle wissen das ganz ge­nau. Das wissen die Kollegen aus Niederösterreich, das wissen wir in der Steiermark, das wissen die Kollegen aus Salzburg. Wenn wir in den Regierungen die Verantwor­tung haben, wissen wir, dass das ein großes Länderthema ist.

Die Opposition kann es sich leicht machen – ich habe diese und jene Idee –, sie muss ohnehin nichts verantworten. (Bundesrätin Mühlwerth: Das stimmt nicht ganz!) Der Punkt ist: Die Verantwortung tragen wir. Daher haben wir in diesem Zusammenhang auch eine mutige, zukunftsorientierte Politik zu machen. (Bundesrätin Mühlwerth: Es wäre auch mutig, wenn die Ideen der Opposition einmal aufgenommen werden wür­den!) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage daher ganz offen und in aller Deutlich­keit: Ihr müsst politisch stärker werden, dann tragt ihr auch Verantwortung.

Dort, wo wir Verantwortung tragen, müssen wir politisch mutiger werden. Gerade in der Länderkammer sollten wir die Stunde nutzen, um zum Thema Spitalswesen und Ge­sundheitspolitik, aber auch zum Thema Finanzen, die Zukunft mit dem einen oder an­deren Vorschlag hellhörig und aktiv zu gestalten. Wir alle wissen, dass wir mit den Fi­nanzen Probleme haben – Niederösterreich im Besonderen, aber auch die anderen Bun­desländer haben Probleme mit den Finanzen.

Liebe Kolleginnen und Kolleginnen, ich sage daher zur Standort- und Gesundheitspoli­tik Folgendes: Die Vereinheitlichung der Krankenanstaltengesetze und der vorgeschla­gene Weg des Ministers in der Kompetenzverschiebung macht doch, wie wir alle wis­sen, Sinn. Niemand soll sich der Diskussion verschließen. In der kleinen Volkswirt­schaft Österreich braucht es de facto keine zehn Krankenanstaltengesetze. Wir alle wissen das. Ein gutes von Wien bis Vorarlberg ist völlig ausreichend. Da brauchen wir noch nicht die Angst zu haben, dass der Stöger jetzt die Länder entmachten wird. – Herr Minister, entschuldige die etwas schnoddrige Formulierung, das ist so in der Zei­tung gestanden, ist nicht Copyright von mir. Also, das ist ja bei Weitem noch nicht das Thema. Wir brauchen ein Gesetz für ganz Österreich als vernünftige Basis.

Zweiter Punkt zur Zielerreichung: Wir alle wissen doch – in der Steiermark haben wir dazu in der Vergangenheit eine durchaus interessante Diskussion gehabt –, dass wir eine Differenzierung bei den Spitälern brauchen. Zentral und mutig ist die Frage. Wir müssen klar und deutlich sagen, was wo angeboten werden soll. Es soll Schwerpunkt­versorgung geben, es soll Schwerpunktspitäler geben, aber es muss auch Basisversor­gung geben. Wir haben noch lange kein Problem mit der Standortgarantie.

Ein ÖVP-Politiker in Niederösterreich kriegt die Krise und sagt, dass das alles ein Wahn­sinn ist, weil in Niederösterreich nur mehr 14 Spitäler übrig bleiben. Wenn diese Er­kenntnis richtig ist, ist das der Beweis für eine verfehlte Spitalpolitik. Das ist der Beweis dafür. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Spezialisierung ist voranzutreiben. Ich sage ganz offen: Bitte, schaut euch das an! Wir führen in der ganzen Steiermark nur mehr in drei Spitälern orthopädisch-chirurgi­sche Eingriffe durch, mit dem Anspruch, dabei eine hohe Qualität für den Patienten und die Patientin zu gewährleisten. Es handelt sich dabei nicht um Notfallsituationen, sondern um orthopädische Eingriffe mit hoher Qualität. Ich frage daher auch gleich in diese Richtung – die Wahrheit muss auf den Tisch –: Wie kann man in Niederöster­reich erklären, dass diese chirurgischen Eingriffe noch in 14 Spitälern vorgenommen werden, obwohl die Fallzahlen nicht stimmen? Das ist eine verfehlte Spitalpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 22

Wir alle wissen – und damit komme ich auch schon zum Schluss –, dass jene Berei­che, die teurer sind, die Kleinstspitäler sind. Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir brau­chen uns nicht zu fürchten. Die Verknüpfung der Gesundheitspolitik mit der Pflegevor­sorge wird uns Möglichkeiten bieten, die auf diesem Gebiet ausreichend Handlungs­spielraum zulassen werden. Ich sage daher ganz deutlich: Die Standortgarantie ist in keinem Bundesland das Problem. Wir brauchen die Wirtschaftsfaktoren, die regionalen Besonderheiten, nicht hervorzuheben, Magnus. Die Standortgarantie ist nicht das Pro­blem. Wenn wir wollen, können wir mit Hirn, Herz und Leidenschaft alle Standorte ret­ten, es muss nur zu einer inhaltlichen Differenzierung kommen. Wenn die außer Streit steht, haben wir für die Gesundheitspolitik und für die Pflegevorsorge gewonnen. (Prä­sident Preineder: Die Zeit ist um!)

Mein letzter Satz – der Herr Präsident hat mich bereits ermahnt –: Nur damit es nie Irri­tationen zum sozialdemokratischen Standpunkt in diesem Zusammenhang gibt: Die so­zialdemokratische Bundesratsfraktion wird immer für vier Ziele stehen. Erstens: Zu­gang für alle. Zweitens: Qualitätssicherung, und wie sie beim Patienten ankommt. Drit­tens: Gerechtigkeit. Viertens: soziale und solidarische Finanzierung.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, für die sozialdemokratische Fraktion darf ich fest­halten: Danke für deine Vorschläge, danke für dein Engagement. Die Gesundheitspoli­tik betrifft viele Menschen. Dieser gordische Knoten ist täglich zu lösen. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

10.07


Präsident Martin Preineder: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


10.08.00

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Liebe Damen und Herren des Bundesrates! Die heutige Aktuelle Stunde zum Thema „Möglichkeiten der Kostendämpfung und Effizienzsteige­rung im stationären Bereich“ ist, glaube ich, sehr aktuell. Es ist schon angesprochen worden, dass Sie, Herr Bundesminister, vor zwei Tagen eine Pressemeldung über einen Vorschlag eines bundeseinheitlichen Krankenanstaltengesetzes gemacht haben.

Ich muss mich jetzt gleich deklarieren: Ich komme aus Niederösterreich, traue mich aber trotzdem herauszukommen. (Bundesrat Konecny: Ja, bravo!) Ich bin der Meinung, dass wir eine gute Gesundheitspolitik in Niederösterreich haben und unsere Regionen bes­tens versorgt sind. (Bundesrat Boden: Das kann man bestreiten! – Bundesrat Gruber: Da kann man auch anderer Meinung sein!)

Schauen wir uns die Zahlen von 1997 bis 2007 an: Die Kostensteigerung betrug 4,1 Pro­zent, das Bruttoinlandsprodukt ist hingegen nur um 3,58 Prozent gestiegen. Im Jahr 2009 betrug die Kostensteigerung sogar 6 Prozent. Diese Zahlen sind wirklich alarmierend und zeigen, dass Handeln gefragt ist. Gründe für diese Zahlen sind sicher die demografische Entwicklung, der technologische Fortschritt und auch die Doppelgleisigkeit, die sehr oft angeführt wird. (Bundesrat Mag. Klug: Und die Standortpolitik!)

Wenn Sie als ein Argument für das einheitliche Krankenanstaltengesetz anführen, dass die Sozialversicherungen und der Bund gemeinsam 65 Prozent finanzieren, so ist das Zahlenmaterial, das vorliegt, kein korrektes. Denn in Niederösterreich bekommen wir als Bundesanteil insgesamt nur 39 Prozent, und der ist im Sinken begriffen.

Ich würde sagen, damit einen Anspruch auf eine Verfassungsänderung zu stellen, da­mit der Bund die Kompetenzen für das Krankenanstaltenwesen bekommt, ist sehr ge­wagt. Dies wäre eine massive Schwächung unserer Länder in der Mitgestaltung, und es wäre auch nicht die Kostenersparung, die man sich vorstellt. „Zentral“ bedeutet nicht,


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 23

dass es immer effizienter und billiger ist. (Bundesrat Mag. Klug: Für Niederösterreich schon!) Es kann nicht sein, dass diejenigen, die die Haupt- und Letztverantwortung in der Finanzierbarkeit tragen – und das sind die Länder –, in ihrer Mitsprache massiv ein­geschränkt werden. Ich meine, dass wir als Länderkammer das nicht zulassen können.

Einige Redner, auch die Kollegin Mühlwerth, haben so gegen den Föderalismus ge­sprochen. – Ich glaube, dass das nicht die richtige Einstellung ist. (Bundesrätin Mühl­werth: Doch, das glaube ich schon!) Vor einigen Jahren erst ist die Gesundheitsplatt­form in den Ländern eingerichtet worden, um regional angepasste Entscheidungen zu treffen. Herr Minister! Ich glaube, wir in den Ländern hören schon, was die Bezirke wol­len, und wir wollen das auch verwirklichen.

Wir in Niederösterreich sind dabei, in den einzelnen Kliniken Schwerpunkte zu setzen und damit wesentlich Kosten einzusparen, wie Sie es auch angesprochen haben, Herr Bundesratskollege Klug. Wir haben in unserer Holding auch einen gemeinsamen Ein­kauf, der mit den Regionen abgestimmt ist. Das ist groß genug, alles andere wird un­überschaubar.

Unsere Kostensteigerung betrug im Jahr 2008 4,9 Prozent. Das ist natürlich deshalb geschehen, weil wir die Krankenhäuser von den Gemeinden übernommen haben. Vie­le Dinge wurden neu gemacht, Investitionen wurden getätigt. Im ersten Halbjahr 2010 ist die Steigerung auf nur mehr 1,88 Prozent gesunken, im Gesamtjahr 2010 wird sie auf 1 Prozent herunterfallen. Ich glaube, dass das keine so schlechte Gesundheitspoli­tik ist, und dass die Länder es auch verstehen, zu arbeiten.

Ich sehe schon das Licht hier beim Rednerpult blinken (Bundesrat Mag. Klug: Gott sei Dank!), möchte aber noch anführen, dass wir 40 Prozent der Ausgaben im stationären Bereich haben, und damit sind wir in Österreich im Spitzenfeld. Ich glaube daher, dass es in Zukunft wichtig ist, dass man den niedergelassenen Bereich forciert. Dafür ist na­türlich eine einheitliche Dokumentation der Sektoren zwischen der stationären Versor­gung, den Spitalsambulanzen, aber auch dem niedergelassenen Bereich zu schaffen und einheitliche Qualitätssicherung zu garantieren. Das haben Sie schon angesprochen, Qua­lität ist wichtig. Ich bin auch der Meinung, dass die Finanzierung aus einer Hand mit kla­rer Transparenz ebenfalls Einsparungspotential bringen würde. (Bundesrat Mag. Klug: Wer ist diese Hand?!)

Herr Bundesminister! Wir haben die Aktuelle Stunde und es gibt noch andere aktuelle Themen. Ich möchte noch zwei Fragen an Sie stellen. (Bundesrat Mag. Klug: Wer ist die Hand dann? Wenn Sie sagen, „Finanzierung aus einer Hand“: Wer ist dann die „Hand“? Ihr Rülpser-Sager?!) – Das muss man diskutieren. (Bundesrat Konecny: Dazu muss man aber zuerst einmal in eine Diskussion eintreten!) – Genau, da kommen wir jetzt zu dem Punkt. (Bundesrat Mag. Klug: Ja, wer ist die Hand?!)

Sehr geehrter Herr Minister, es geht in der Budgeterstellung auch um die AGES-Bei­träge, die Sie von der Wirtschaft und den Bauern einfordern wollen. Dazu möchte ich sa­gen, dass gerade wir in der Landwirtschaft das landwirtschaftliche Kontrollsystem voll ausfinanziert haben, und es ist nicht fair, dass man die Bauern noch einmal zu AGES-Beiträgen verpflichtet.

Zweitens: Ein Viertel der Gebarungssumme der bäuerlichen Unfallversicherung wird durch den Bundesbeitrag abgedeckt, das sind jährlich 29 Millionen. Nunmehr sieht der Regierungsentwurf vor, dass der Bundesbeitrag auf Dauer entfällt. Das bedeutet, dass in der bäuerlichen Unfallversicherung bald alle Rücklagen aufgebraucht sind, was mas­sive Beitragserhöhungen für die Bauern zur Folge hätte, wobei die Bauern schon 1,9 Pro­zent leisten – und das alles ohne ein Gespräch im Vorfeld. (Bundesrätin Mühlwerth: Wie viel Redezeitüberschuss hat sie jetzt schon? – Präsident Preineder: Einen Schluss­satz, bitte!) – Ich komme schon zum Schluss. (Bundesrat Konecny: Ach! Sollen wir jetzt applaudieren?)


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 24

Ich möchte Sie bitten, das noch einmal zu überdenken und sich gesprächsbereit zu zei­gen, aber die Kosten nicht auf die Bauern und Bäuerinnen abzuwälzen. – Danke. (Bei­fall bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Klug: Wer ist die Hand?)

10.14


Präsident Martin Preineder: Als vorläufig letzter Redner dieser Aktuellen Stunde ist Herr Bundesrat Zwanziger zu Wort gemeldet. (Bundesrat Kalina: Oje, die Kärntner! Ach­tung auf die Nieren!)

 


10.14.58

Bundesrat Peter Zwanziger (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben das Glück, in einem Land zu leben, in dem die Gesundheitsversorgung eine Selbstverständlichkeit ist. Denken Sie an andere Länder, wo es die klassische Gesundheitsversorgung nicht gibt, wo gilt: Wer krank wird, wird arm.

Unsere klassische Versorgung im Gesundheitsbereich ist in einer Zeit aufgebaut wor­den, in der es sozusagen ein Wirtschaftswunder gab. Wir können es uns auch heute noch leisten, in ein Krankenhaus zu gehen und behandelt zu werden, ohne Existenzängste haben zu müssen. Es stellt sich nur die Frage, wie lange wir uns diesen Standard in die­ser Form noch leisten können. (Bundesrat Mag. Klug: Deshalb muss man sparen!)

Die internationale Wirtschaftskrise hat natürlich traurigerweise auch den Gesundheits­bereich nicht verschont. Deshalb gilt es, Betriebe wie die Krankenanstalten für die Zu­kunft fit zu machen, um zukünftige Herausforderungen meistern zu können. Staatsse­kretär Schieder hat gefordert, dass man Krankenhäuser unter 300 Betten dahingehend überprüfen soll, ob sie überhaupt sinnvoll sind. Er möchte kleinere Spitäler vielleicht überhaupt schließen. Aber wie wird dann die Versorgung der Bevölkerung in den jewei­ligen Regionen funktionieren?

Im Übrigen, meine sehr geehrte Damen und Herren, darf nicht vergessen werden, dass die einzelnen Krankenhausstandorte wichtig für die jeweiligen Regionen sind und de­ren Umfeld beleben und fit halten. Dabei geht es natürlich auch um Arbeitsplätze und um den Unternehmer vor Ort. Natürlich ist es wichtig, dass einzelne Häuser zusammenar­beiten und Synergien nutzen. So kann man beispielsweise für mehrere Krankenhäuser einen zentralen Einkauf für Arzneimittel und technische Geräte oder eine Vernetzung der Computersysteme nützen. Diese Beispiele zeigen, wie wichtig eine Leistungsange­botsplanung ist.

Aus diesem Grund haben wir in Kärnten ein neues Gesundheitsversorgungsgesetz, das Arbeitsplätze und Standorte langfristig sichert. Ich möchte Ihnen einige Eckpunkte nen­nen. Zum Beispiel bleibt der hohe Qualitätsstandard der Krankenanstalten auch in Zu­kunft erhalten. Für die Patientinnen und Patienten kommt es somit zu keinen Ver­schlechterungen. Es wird also nicht bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen oder bei den Patienten gespart, sondern bei den Strukturen und in der Verwaltung: Es wird schlan­kere Strukturen und optimierte Abläufe zwischen den einzelnen Häusern geben.

Durch die Einrichtung einer Expertenkommission kommt es zu einer Entpolitisierung, was natürlich ein ganz wesentlicher Faktor ist. Wenn man bedenkt, dass es beispielsweise nur einen Einkäufer gibt – im Gegensatz zu früher, als es mehrere Einkäufer für Medi­kamente und Inventar gab –, kann man schon nachvollziehen, dass auf dem Welt­markt, wenn man Medikamente oder andere Sache bestellt, ganz andere Preise zu ha­ben sind. Man sieht also, dass im Gesundheitsbereich und bei den Krankenanstalten Einsparungspotenziale da sind und genutzt werden können, ohne die Qualität der Be­handlung beziehungsweise der Standorte zu gefährden, und ohne eine Zweiklassenme­dizin zu schaffen. Deshalb ist es wichtig, dass es eine vernünftige und ausgeklügelte Leis­tungsangebotsplanung gibt.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 25

Dezentrale Krankenhäuser zu gefährden und dadurch auch den ländlichen Raum ein­mal mehr auszuhöhlen – ob das die richtige Überlegung ist? (Bundesrat Mag. Klug: Das haben wir ja nicht!) Weiters stellt sich bei so einer Schließung auch die Frage, wie viel Geld der Region nicht nur in einem Jahr, sondern auf Jahrzehnte dadurch verloren geht.

Natürlich muss man auch Folgendes erwähnen: Auf der einen Seite wird über Schlie­ßungen nachgedacht, die, wie ich schon gesagt habe, hinterfragenswert sind – da soll­te man natürlich auch über Reformen nachdenken –, andererseits werden Spitäler in un­mittelbarer Nachbarschaft gebaut, wie wir heute schon einige Male gehört haben. Ob es nur Ländersache sein darf, dass willkürlich gebaut werden darf, ist absolut zu hinter­fragen, das ist ganz klar.

Abschließend kann man sagen, dass wir in Kärnten durch das neue Gesundheitsver­sorgungsgesetz, das KABEG-Gesetz, sicher in den nächsten Jahren nicht nur gesund­heitlich, sondern auch finanziell eine positive Entwicklung für die Krankenanstalten zu verzeichnen haben werden. Leider stimmt das Sprichwort „An apple a day keeps the doctor away“ nicht in jeder Lebenslage. – Danke. (Beifall der Bundesräte Mitterer und Konecny sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

10.19


Präsident Martin Preineder: Da nun sehr viele Fragen an Sie, Herr Bundesminister, gestellt worden sind, darf ich Sie – zumal das auch so üblich ist – um eine abschlie­ßende Stellungnahme bitten, die 5 Minuten nicht überschreiten soll.

 


10.20.10

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Mir ist es sehr wichtig, hier eine intensive Diskussion zu führen, aber ich möchte Fol­gendes auch noch einmal sehr deutlich sagen: Es geht nicht um Schließung. Ganz im Gegenteil! Es geht darum, die Standorte zu stärken, den Menschen, die dort arbeiten, die Chance zu geben, ihre Erfahrungen viel stärker als bisher einzubringen, und ihren Einsatz zu unterstützen, indem für die von ihnen erarbeiteten Ziele auch die entspre­chenden Geldmittel zur Verfügung gestellt werden. Das ist mein Ziel. Es geht um die Bündelung der Geldmittel, damit wir die Ziele der Weiterentwicklung, die mit den Be­troffenen in der Region erarbeitet werden müssen, auch tatsächlich stärken und umset­zen können.

Wir brauchen – ich sage das noch einmal – weniger Struktur, wir brauchen mehr Er­gebnisse. Wir brauchen weniger Paternalismus, wonach einer weiß, wie es für die an­deren funktioniert, sondern wir brauchen Vernetzung, Zusammenarbeit – Zusammen­arbeit von mehreren Gruppen in der Medizin, in der Pflegemedizin, und Zusammenar­beit auch im Sozialbereich –, und das gelingt viel besser, wenn wir gemeinsame Rah­menbedingungen schaffen.

Es hat jetzt eine sehr qualitative Diskussion stattgefunden, und ich möchte nun die Fra­gen des Herrn Bundesrates Brunner beantworten.

Zur Frage: Wie wird die Diskussion geführt? – Es gibt eine ständige Arbeitsgruppe, die Arbeitsgruppe Strukturveränderung im Rahmen der Bundesgesundheitskommission. Bö­se Zungen sagen, da werde die Struktur eher gestärkt als verändert, weil man sehr oft nicht bereit ist, über die eigene Nasenspitze hinauszudenken, und immer in den eige­nen Strukturen denkt. Mir geht es darum, sehr radikal aus der Perspektive von Patien­tinnen und Patienten zu denken. Diese Arbeitsgruppe tagt permanent und leitet die Er­gebnisse auch an die Bundesgesundheitskommission weiter. Es gibt auch eine Unter­arbeitsgruppe, in der es um sektorenübergreifende Finanzierung geht.

Es sind einige Bereiche positiv verändert worden. Ich erinnere an das Projekt Medika­tion oder daran: Wie geht man mit einzelnen Medikamentengruppen im niedergelas­senen Bereich, also bei den Ärzten, und auch in den Spitälern um?


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 26

Zur Frage Finanzierung hat der Bund die Länder eingeladen, in der Arbeitsgruppe mit­zuwirken. Es geht darum, dass wir die Finanzierung bis zum Jahr 2014 neu gestalten müssen. Mein Vorschlag war ganz deutlich – ich sage das noch einmal –, die Zeit bis zum 1. Jänner 2014 dazu zu nutzen, die Zielsetzungen der neuen Vereinbarung über die Finanzierung des Gesundheitswesens gemeinsam mit den Ländern umzusetzen.

Ich sage noch einmal: Es gibt sehr gute Vorschläge in diesem Zusammenhang; ich ha­be auch von ÖVP-geführten Ländern gute Vorschläge erhalten. Ich höre sie sehr ger­ne, denn Bund und Länder haben ein gemeinsames Ziel: beste Versorgung der Men­schen vor Ort, beste qualitative Versorgung. Wenn ich – auch das sage ich ganz ehr­lich – eine Herzoperation, eine Herztransplantation hätte, dann würde ich wohl nicht ein Regionalspital in Oberösterreich aufsuchen, aber ich wäre doch froh, wenn man in jedem Regionalspital – das, womit man zum Beispiel in Schärding jetzt begonnen hat – Altersmedizin für die Menschen vor Ort zur Verfügung stellte.

Das ist das Ziel, das ist eine Ausweitung. Ich freue mich, wenn man diese abgestuften Modelle stärkt. Das ist mein Ziel.

Stichwort Modellregion; das war Ihr Vorschlag. Was macht denn die Modellregion so schwierig? – Das ist deshalb so schwierig, weil wir unterschiedliche Rahmenbedingun­gen gesetzlicher Art haben. Wir brauchen eine gemeinsame Gesetzgebung, dann sind solche Modellregionen wesentlich leichter umsetzbar. Jetzt können sich alle Gruppen auf die anderen ausreden.

Herr Präsident, Sie gestatten noch eine Antwort auf die Frage betreffend Unfallversi­cherung. – Im Budget ist vorgesehen, den Unfallversicherungsbeitrag der Landwirtschaft nicht weiterzuführen. Bei der Unfallversicherung zahlen alle anderen Berufsgruppen die Beiträge selbst. Die landwirtschaftliche Unfallversicherung ist nicht nur eine individuelle Unfallversicherung, sondern eine Betriebsunfallversicherung, weitet sich also auch auf andere Personen aus, deshalb gibt es auch höhere Beiträge. Wir wollen nun im Rah­men von Sparmaßnahmen Ungerechtigkeiten beseitigen, und deshalb ist dieses The­ma im Rahmen der Budgetverhandlungen angesprochen worden. Wir werden den par­lamentarischen Prozess in dieser Frage abwarten. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

10.26


Präsident Martin Preineder: Danke, Herr Bundesminister.

Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.

10.26.32Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Martin Preineder: Hinsichtlich jener Verhandlungsgegenstände, die gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundes­rates unterliegen, sowie jenes

Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten betreffend Aufnah­me von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Ambulanz- und Ret­tungsflügen beziehungsweise

der Mitteilung des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Auf­enthalt der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, Dr. Claudia Schmied, vom 3. bis 5. November 2010 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 27

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Beschlüsse des Nationalrates, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegen:

„Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 2009 (III-176, III-126 und 908/NR der Beilagen)

Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend ein Bundesgesetz über die grenzüberschreitende Verschmelzung der Neusiedler Seebahn GmbH als überneh­mende Gesellschaft mit der NSB Bahn Fertövidéki Helyi Érdekü Vasút Korlátolt Fe­lelösségü Társaság (NSB Bahn Neusiedler Seebahn Gesellschaft mit beschränkter Haftung) als übertragende Gesellschaft und betreffend die Einbringung der Anteils­rechte an der Fertövideki Helyi Erdekü Vasut Zartkoruen Mukodo Reszvenytarsasag (Neusiedler Seebahn Aktiengesellschaft) in die Neusiedler Seebahn GmbH (NSB-G) (808 und 909/NR der Beilagen)

Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend ein Bundesgesetz über Sonderbestimmungen im Zusammenhang mit der Erhöhung des Grundkapitals der VERBUND AG (879 und 911/NR der Beilagen)“

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Martin Preineder

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                                          11. Oktober 2010

1017 Wien                                                                            GZ: BMeiA-CH.8.33.02/0006-I.2a/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 21. Sep­tember 2010 (Pkt. 10 des Beschl.Prot. Nr. 72) der Herr Bundespräsident am 27. Sep­tember 2010 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Ambulanz- und Rettungsflügen erteilt hat. Die Aufnahme dieser Ver­handlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-CH.4.36.13/0010-IV.2b/2010


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 28

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der

Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von

Ambulanz- und Rettungsflügen; Verhandlungen

Vortrag

an den

Ministerrat

Zur Förderung der Beziehungen zwischen Österreich und der Schweiz ist vorgesehen, die zoll- und luftfahrtrechtlichen sowie grenzpolizeilichen Verfahren bei Ambulanz- und Rettungsflügen österreichischer Luftfahrzeuge in der Schweiz bzw. schweizerischer Luft­fahrzeuge in Österreich zu vereinfachen.

Durch das starke touristische Aufkommen besonders in den grenznahen Berggebieten Österreichs und der Schweiz kommt diesen Flügen bei der Repatriierung verunglückter oder schwer erkrankter österreichischer oder schweizerischer Staatsangehöriger er­höhte Bedeutung zu.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen, der Bundesministerin für Inne­res, dem Bundesminister für Gesundheit, dem Bundesminister für Landesverteidigung und Sport und der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie stelle ich daher den

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Gesandten Dr. Joachim Öppinger und im Falle seiner Verhinderung Botschafterin Mag. Andrea Ikic-Böhm zur Leitung der Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Ös­terreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Am­bulanz- und Rettungsflügen zu bevollmächtigen.

Wien, am 15. September 2010

SPINDELEGGER m.p.“

*****

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST                                    Geschäftszahl: BKA-350.200/0157-I/4/2010

An den                                                                                                   Abteilungsmail: mrd@bka.gv.at

Präsidenten des Bundesrates                                                 Sachbearbeiterin: Ingeborg HEIM

                                                                                                   Pers. eMail: Ingeborg.heim@bka.gv.at

Parlament                                                                                                          Telefon: 01/531 15/2217

1017 Wien                                                                                                     Datum: 2. November 2010


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 29

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich die Bundesministe­rin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia SCHMIED innerhalb des Zeitraumes vom 3. bis 5. November 2010 in Paris aufhalten wird.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

 


Präsident Martin Preineder: Eingelangt ist der Sicherheitsbericht 2009, der dem Aus­schuss für innere Angelegenheiten zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jener Bericht, die beziehungsweise der jeweils Ge­genstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist. Die Ausschüsse ha­ben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände beziehungsweise die Wahl ei­ner/eines dritten und vierten Schriftführerin/Schriftführers für den Rest des zweiten Halb­jahres 2010 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall, somit gehen wir in die Tagesordnung ein.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Martin Preineder: Aufgrund eines mir zugegangenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 4 und 5 unter einem zu verhan­deln.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall, wir werden daher so vor­gehen.

10.28.381. Punkt

Wahl einer/s dritten und vierten Schriftführerin/s für den Rest des 2. Halbjah­res 2010

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung, zur Wahl von Schriftführern.

Diese Wahl ist durch die vom neu konstituierten Landtag in der Steiermark durchge­führten Neuwahlen in den Bundesrat notwendig geworden.

Wir treten nunmehr in den Wahlvorgang ein.

Es liegt mir jeweils der Wahlvorschlag vor, Herrn Bundesrat Ewald Lindinger zum drit­ten Schriftführer und Frau Bundesrätin Martina Diesner-Wais zur vierten Schriftführe­rin des Bundesrates für den Rest des zweiten Halbjahres 2010 zu wählen.

Für den Fall, dass kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Die Wahl­vorschläge sind somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 30

Bundesrätin Diesner-Wais dankt für das Vertrauen und nimmt die Wahl an. – Bundes­rat Konecny teilt im Namen des als verhindert gemeldeten Bundesrates Lindinger mit, dass dieser die Wahl annimmt.

Ich darf den Gewählten zu ihrer Wahl gratulieren.

10.29.512. Punkt

Gesundheitsbericht 2009 (Berichtszeitraum 2005–2007) (III-410-BR/2010 d.B. so­wie 8393/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Greiderer. Ich bitte um den Bericht.

 


10.30.08

Berichterstatterin Elisabeth Greiderer: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Gesundheitsbe­richt 2009 (Berichtszeitraum 2005–2007) liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich kom­me daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3.11.2010 den An­trag, den Gesundheitsbericht 2009 (Berichtszeitraum 2005–2007), III-410-BR/2010 d.B., zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Martin Preineder: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stadler. Ich erteile es ihm.

 


10.31.07

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen – keine Angst, ich habe nicht vor, über alle Einzelheiten des Berichts zu referieren! Wir beraten heute den Gesundheits­bericht 2009 über den Berichtszeitraum 2005 bis 2007, und ich möchte mich zu Beginn meiner Ausführungen im Namen meiner Fraktion bei allen bedanken, die zum Zustan­dekommen dieses Berichtes beigetragen haben. Ich bitte dich, Herr Minister, den Dank an die zuständigen Stellen in deinem Ministerium weiterzuleiten. Ich möchte gleich ein­gangs ebenfalls erwähnen, dass unsere Fraktion diesen Bericht positiv zur Kenntnis nehmen wird. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Man kann sich vielleicht zunächst einmal fra­gen – Berichtszeitraum 2005 bis 2007, das ist schon länger her –, warum wir den Be­richt erst jetzt diskutieren. Ich meine, dass die Zusammenführung der Daten beziehungs­weise die Zusammenfassung zu einem Bericht natürlich eine gewisse Zeit dauern. Das ist durchaus ein positives Argument. Die Daten und Fakten, die dieser Bericht beinhal­tet, sind für unsere zukünftige Arbeit im Bereich Gesundheit besonders wichtig.

Beim Lesen des Gesundheitsberichts kann man neben den vielen Punkten, die im Ein­zelnen angesprochen sind, einen weiteren wichtigen und positiven Aspekt unterstrei­chen: dass vieles im Bereich des Gesundheitswesens tagtäglich für unsere Bevölke­rung geleistet wird. Es sind sehr viele Personen im Gesundheitsbereich täglich im Ein­satz, und ich möchte die Gelegenheit nutzen und mich bei diesen Personen dafür be­danken, dass sie tagtäglich rund um die Uhr für unsere Bevölkerung in den wichtigen Fragen des Gesundheitswesens und der Betreuung im Einsatz sind. Herzlichen Dank! Das trägt dazu bei, dass unser Gesundheitswesen von sehr hoher Qualität zeugt.

Dass die Bevölkerung unserem derzeitigen Gesundheitssystem sehr positiv gegen­übersteht, haben wir heute bereits von mehreren Rednern, auch von dir, Herr Minister, gehört, und verschiedene Studien beziehungsweise Umfragen spiegeln dieses positive Bild immer wieder wider. Erst in den letzten Tagen ist von dir, Herr Minister, das „Ge­


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sundheitsbarometer“ vorgestellt worden, und auch diese Studie, zu der ein Teil der Be­völkerung im letzten Sommer befragt worden ist, spiegelt die Zufriedenheit der Bevöl­kerung mit dem Gesundheitswesen und der Gesundheitsversorgung wider. Sie zeigt auch auf, dass wir uns auf einem sehr hohen Niveau befinden.

Diese Studie zeigt aber auch, dass, was die Zukunft anlangt, die Bevölkerung bezie­hungsweise ein Teil der Bevölkerung unsicher ist, nicht genau weiß, wie das weiterge­hen wird. Es geht natürlich – und das hat bereits die heutige Aktuelle Stunde aufge­zeigt – so wie in vielen anderen Fragen immer wieder um das liebe Geld, darum, wie das Gesundheitssystem weiter finanziert werden kann. Du hast, lieber Herr Minister, bei der Pressekonferenz, bei der Präsentation der Studie und in deinen Ausführungen heute in der Aktuellen Stunde schon einige sehr wichtige Eckpunkte, Eckpfeiler ge­nannt, um die Gesundheitsversorgung auch in Zukunft sicherzustellen.

Die genannte Studie zeigt uns und zeigt dir, Herr Minister, dass du auf einem sehr gu­ten Weg in der Gesundheitspolitik bist. Diese Meinung der Bevölkerung sollte uns aber nicht nur zufriedenstellen, sondern – und du hast es heute schon erwähnt, Herr Minis­ter – auch ein Auftrag sein, weiter zu arbeiten, weiter zu diskutieren über die Gesund­heit in unserem Land. Der vorliegende Bericht mit all seinen Fakten und Daten, die wir diskutieren oder vielleicht auch in der Aktuellen Stunde schon diskutiert haben – es ist sehr vieles daraus zur Sprache gekommen –, soll uns bei der weiteren, zukünftigen Ar­beit zur Seite stehen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Österreich – das kann man gar nicht oft genug betonen –, Österreich hat eines der besten medizinischen Versorgungssysteme der Welt. Wir bekennen uns alle zur umfassenden medizinischen Versorgung für alle Men­schen, unabhängig von Alter und Einkommen. Die Grundsätze der solidarischen Finan­zierung, des gleichen und möglichst ungehinderter Zugangs zu Leistungen sowie der hohen Qualität und Effizienz bei der Leistungserbringung müssen für uns, liebe Kolle­ginnen und Kollegen, immer oberste Priorität haben.

Der vorliegende Bericht zeigt an einem Beispiel deutlich auf, dass die Prävention und die Gesundheitsförderung schon Früchte getragen haben, sie aber in Zukunft noch ver­stärkt werden müssen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Um für die Zukunft eine sichere Finanzierung des Gesundheitswesens gewährleisten zu können, bedarf es eines besser abgestimm­ten Planungs- und Steuerungsmodells zwischen Bund, Ländern und den Krankenversi­cherungen. Darüber ist bereits in der Aktuellen Stunde sehr intensiv diskutiert worden, auch du, geschätzter Herr Minister, hast Vorschläge gebracht – und jetzt sind alle Ent­scheidungsträger aufgefordert, sich an einer konstruktiven Diskussion zu beteiligen.

Ich war gestern Zuhörer im Gesundheitsausschuss des Nationalrates, wo der Gesund­heitsbericht 2009 auf der Tagesordnung stand. Ich habe bemerkt, dass jeder Einzelne, von allen Fraktionen, bereit ist, sich an der konstruktiven Diskussion zu beteiligen. Ich glaube, die Diskussion, wie sie in den letzten Tagen stattgefunden hat, bringt uns nicht weiter, sondern wir müssen uns gemeinsam an einen Tisch setzen und daran arbeiten, unser Gesundheitssystem zumindest auf dem bisherigen Niveau zu halten oder dieses in gewissen Bereichen in Zukunft noch zu erhöhen.

Frau Kollegin Diesner-Wais, als Vorsitzende des Gesundheitsausschusses bist du im­mer bereit, solchen Diskussionen beizuwohnen beziehungsweise dich daran zu beteili­gen, aber zu deinen Ausführungen betreffend „eine Hand“ – ich weiß nicht, ob du das freiwillig machst, aber du sprichst immer von „einer Hand“ –: Es muss nicht immer die eine Hand von Onkel Erwin oder in Oberösterreich die von Dr. Joe sein, denn es gibt auch andere Hände, die dabei mithelfen, und das ist für die Zukunft unserer Gesund­heitspolitik sehr wichtig.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 32

Herzlichen Dank noch einmal für die Aufmerksamkeit und alles Gute für die Zukunft, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ.)

10.39


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


10.40.12

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr ver­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zu Beginn eine Gruppe von Lehrlingen aus Vorarlberg begrüßen, die unter der Leitung von Herrn Kommerzialrat Walter Eberle bei uns ist. Es freut uns, wenn junge Menschen Interesse an unserem Parlament zeigen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Wie schon erwähnt, umfasst dieser Bericht, der Gesundheitsbericht 2009, den Zeit­raum von 2005 bis 2007, wobei natürlich auch aktuelle gesundheitspolitische Entwick­lungen in diesem Bericht enthalten sind. Ich schließe mich auch dem Dank des Kolle­gen Werner Stadler an, der dem Minister gedankt hat sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diesen Bericht erstellt haben.

Wie der Herr Minister in seinen einleitenden Worten ausgeführt hat, verbindet er mit der Mitteilung dieses Berichtes an die Damen und Herren Abgeordneten zum Nationalrat das Anliegen, Schritte zu einer weiteren Verbesserung unseres Gesundheitswesens aktiv zu unterstützen. Das wird, Herr Minister, hoffentlich auch für den Bundesrat gel­ten – das nehmen wir jetzt einfach so für uns in Anspruch. (Bundesrat Stadler: Wir füh­len uns einfach angesprochen!) – Selbstverständlich, Herr Kollege Stadler.

In den Berichtszeitraum fallen auch die Regierungserklärungen 2003 und 2007, und das haben wir auch im Ausschuss entsprechend debattiert, weil, wie schon erwähnt, Öster­reich eines der besten Gesundheitssysteme der Welt hat. Das ist nicht nur in Regie­rungsprogrammen festgeschrieben, sondern das ist auch bestätigt. Wir sind sehr stolz auf dieses Gesundheitswesen und möchten natürlich auch, dass es sich entsprechend wei­terentwickelt, dass es sich verbessert, und wir möchten auch kontinuierlich daran ar­beiten, wie in der Aktuellen Stunde ja bereits ausgeführt.

Auch in den Regierungserklärungen der damaligen Zeit hat man schon sehr weit ge­dacht. Man hat Verbesserungen vorgeschlagen, die, zum Teil auch im heurigen Jahr, umgesetzt wurden. So sollen unter anderem auch neue Formen von ambulanten Ge­sundheitszentren entstehen, die vor allem eine bessere fachärztliche Versorgung im ländlichen Raum bewirken werden. Derartige Gesundheitszentren entstehen, und das ist natürlich auch eine Weiterentwicklung. Das wurde bereits im Jahr 2007 angedacht und heuer umgesetzt.

Wir haben aus diesen Regierungsprogrammen in den letzten Jahren sehr viel erreicht, und ich denke, dass man heute, wie in der Aktuellen Stunde ausgeführt wurde, auch sehr viele neue Vorschläge hat, die zum Teil natürlich aus den Ländern kommen. Dazu aber etwas später.

Ich möchte aus diesem umfassenden Bericht einige Beispiele herausgreifen, wie die Kosten im Bereich der Gesundheit und insbesondere auch das aktuell heiß diskutierte Thema der Spitalsfinanzierung, dem wir auch diese Aktuelle Stunde gewidmet haben. Es ist immer besser, bevor man den Ländern quasi etwas über die Medien ausrichtet, zu verhandeln, denn mit reden, Herr Minister, kommen d’Leut’ z’samm’, wie man so sagt. Sie haben erwähnt, es gibt gute Projekte aus den Ländern, es gibt gute Vorschlä­ge aus den Ländern. Aktuell wird das dann auch im Finanzausgleich 2013 mit zu ver­handeln sein, und ich denke, diese Vorschläge können dann auch mit einfließen.

Kurz zu den Gesundheitsausgaben. – Unter der Verwendung der OECD-Methode „A Sys­tem of Health Accounts“ betrugen die gesamtösterreichischen Gesundheitsausgaben im


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Jahr 2007 – man höre und staune! – 27,43 Milliarden €. Die durchschnittliche reale jährli­che Steigerung der Gesundheitsausgaben seit dem Jahr 2000 beträgt 2 Prozent. Die Ge­sundheitsausgabenquote, also der Anteil am Bruttoinlandsprodukt, belief sich 2007 auf im­merhin 10,1 Prozent.

Für die Gesundheit jedes Österreichers, jeder Österreicherin wurden im Jahre 2007 un­glaubliche 3 308 € aufgewendet. Das ist natürlich auch für unsere jungen Freunde hier hinten im Saal interessant, damit sie mitbekommen, was das österreichische Gesund­heitssystem pro Kopf kostet: 3 308 €!

Im Vergleich der OECD-Staaten liegt die österreichische Gesundheitsausgabenquote im oberen Viertel.

In der Krankenversicherung entfielen im Jahr 2007 30 Prozent der Leistungsausgaben auf Krankenanstalten, 26 Prozent auf ärztliche Hilfe und 25 Prozent auf Heilmittel, Heil­behelfe und Hilfsmittel. Auf diese drei Versicherungsleistungen entfällt somit wie in den letzten 15 Jahren das Gros, also mehr als 80 Prozent der Ausgaben in der Krankenver­sicherung.

Im Berichtszeitraum 2005 bis 2007 nahmen prozentuell am stärksten die Ausgaben für die Gesundheitsvorsorge zu.

Zu den Krankenanstalten und dem Österreichischen Strukturplan Gesundheit, kurz ÖSG genannt: Zwischen 2000 und 2008 reduzierte sich die Zahl der systemisierten Betten in den Fondskrankenanstalten um rund 2 500; das sind 4,7 Prozent. Mit dem kontinuier­lich vollzogenen Akutbettenabbau wurde auch das Ziel der Kostendämpfung im statio­nären Bereich verfolgt. Das ist beachtlich, aber wir wissen, insgesamt ist das doch noch zu wenig. Darum dreht sich natürlich auch die Diskussion, wie wir heute in der Aktuel­len Stunde gehört haben.

Die jährlichen Kostensteigerungen im Bereich der Fondskrankenanstalten konnten von mehr als 9 Prozent Anfang der neunziger Jahre auf rund 4,6 Prozent im Zeitraum 2001 bis 2008 reduziert werden.

Nun noch zu den Bettenbelegungen: Die Zahl der stationären Aufnahmen in den Fonds­krankenanstalten erhöhte sich im selben Zeitraum um rund 17,6 Prozent auf knapp mehr als 2,5 Millionen im Jahr 2008. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer sank dem­gegenüber um 16 Prozent auf 5,6 Tage im Jahr 2008. Der Anteil der tagesklinischen Auf­enthalte an allen stationären Aufenthalten ist in den Fondskrankenanstalten zwischen 2000 und 2008 von rund 13 Prozent auf 18 Prozent angewachsen.

Da sind wir, glaube ich, auf dem richtigen Weg – wobei die Zahlen natürlich auch bele­gen, dass sich Herr und Frau Österreicher schon sehr gerne ins Spital legen, aber bei dieser Qualität ist das durchaus kein Wunder. Wir liegen natürlich im EU-Bereich hier sehr weit vorne beziehungsweise an der Spitze.

Was gibt es aus diesem ÖSG noch zu berichten? – Unter anderem ist hier noch der bundesweite Großgeräteplan zu erwähnen, der bis auf Weiteres pro Bundesland die ma­ximale Anzahl an Großgeräten im intra- und extramuralen Bereich angibt. Über den ÖSG wurden ab 2006 auf Bundesebene nur noch grundsätzliche Planungsausgaben festge­legt, sodass Länder, Krankenanstaltenträger und soziale Krankenversicherungsträger im Rahmen der Detailplanung auf regionaler Ebene wesentlich mehr Gestaltungsmög­lichkeiten erhalten als bisher.

In einer 15a-Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheits­wesens 2008 bis 2013 wurde nun der Schwerpunkt auf die Planung des ambulanten Bereiches gelegt. Ziel ist die Sicherstellung einer möglichst gleichmäßigen, regionalen Versorgung mit medizinischen Leistungen. Ein weiterer Entwicklungsschritt in der neu­en Vereinbarung ist in der Übereinkunft der Vertragsparteien zu sehen, sich bei der Durchführung ihrer Maßnahmen verstärkt an Public-Health-Grundsätzen zu orientieren.


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Abschließend zur Ausgangslage und zu Entwicklungstendenzen in den Krankenanstal­ten: Im Berichtszeitraum wurde, wiederum in Form einer 15a-Vereinbarung, die Organi­sation und Finanzierung des Gesundheitswesens mit einer Laufzeit bis 2008 beschlos­sen. Diese Vereinbarung wurde aber bereits 2008 durch eine neue, aktualisierte Ver­einbarung mit einer Laufzeit bis 2013 abgelöst beziehungsweise implementiert. Ent­sprechend dieser Vereinbarung sind die gesamten Bereiche im Gesundheitswesen und dessen Teilbereiche überregional und sektorübergreifend ständig zu analysieren und weiterzuentwickeln.

Zugegeben eine komplexe Materie, Herr Minister. Was den Spitalsbereich angeht, wird ja immer wieder eine Verwaltungs- und Strukturreform diskutiert, nur werden sich die Länder, wie letzten Medienberichten zu entnehmen war, gegen eine Zentralisierung zur Wehr setzen. Das ist eigentlich logisch, aber die Verhandlungen werden zeigen, inwie­weit man hier auf neue gemeinsame Ebenen und zu entsprechenden Optimierungen kommt. Die Länder haben sich gegen Optimierungen und Kosteneinsparungen auch in den letzten Jahren nicht so besonders zur Wehr gesetzt, und es kommen ja auch wie­der Impulse im Spitalsbereich, so wie in Vorarlberg. Hier sind wir ja auch federführend unterwegs.

Herr Minister, meine Fraktion – nochmals – bedankt sich für diesen sehr umfassenden und informativen Bericht. Wir werden ihm gerne die Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

10.49


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


10.49.52

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Besucherinnen und Besucher! Liebe Schü­ler! Zunächst einmal einen herzlichen Dank an die Autoren und Autorinnen dieses her­vorragenden Berichtes. Er ist sehr detailreich und übersichtlich und bietet einen ausge­zeichneten Überblick über das österreichische Gesundheitswesen.

Es ist keinesfalls so, dass ich etwaige Mängel im vorliegenden Bericht kritisieren möch­te, sondern eigentlich ist es die österreichische Bundespolitik, die ich hier doch hinter­fragen möchte. Wir erleben wie in vielen anderen Bereichen Diskussionen über Ein­sparungsmaßnahmen auch im Gesundheitsbereich, die aber vor allem jene treffen, die es ohnehin schon schwer genug haben, und zwar Menschen mit Beeinträchtigungen sowie pflegebedürftige und kranke Menschen.

Ich möchte nicht ausschließen, dass im Gesundheitswesen in einzelnen Bereichen ge­spart werden könnte und auch sollte, stehe aber für Werthaltungen ein, die wir trotz der anstehenden Kürzungen aufrechterhalten müssen. Obwohl, wie ich eingangs schon gesagt habe, der Bericht hervorragend gelungen ist, deckt er für mich leider nicht den gesamten Bereich der Gesundheitspolitik ab. Das ist jedoch nicht der Fehler des Teams, das für das Verfassen des Berichtes verantwortlich ist, sondern das ist ein Manko sei­tens der Gesundheitspolitik, das ich ansprechen möchte.

Aus Sicht von uns Grünen ist es ein Fehler, Gesundheitsberufe auf ÄrztInnen, auf ein Ministerium und auf Medizinökonomie zu reduzieren. Der Wirkungsbereich der Ge­sundheitspolitik ist viel mehr als alle anderen Politikbereiche eine Querschnittmaterie. Es sind nicht die Errungenschaften der Naturwissenschaften und der Medizin, auch nicht die Einrichtungen des Gesundheitswesens, über die wir unsere Gesundheit defi­nieren sollen, sondern entscheidend für das Wohlbefinden und letztendlich für Krank­heit oder Gesundheit sind andere Faktoren: Einkommen, Bildung, Arbeits- und Wohn­verhältnisse, soziale Integration und Umweltfaktoren.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 35

Gesundheit ist eine klassische Querschnittmaterie und ist genauso wie Integration eine Materie, die uns alle angeht und auch in unser aller Interesse sein muss. Als Quer­schnittmaterie definiert ergeben sich die Eckpfeiler einer grünen Gesundheitspolitik. Diese sind eine gesamtheitliche Herangehensweise, nachhaltige Strategien und die ver­stärkte Einbeziehung sozialer und psychischer Faktoren. – So weit die Theorie.

Aber was bedeutet das nun im Konkreten für die österreichische Gesundheitspolitik? – Es bedeutet, dass wir den Menschen in unserem Land auf alle Fälle eine längerfristige Finanzierungssicherheit bieten müssen. Dazu passt aber nicht, dass wir zum Beispiel Pflegedienstleistungen streichen, wie es ganz aktuell im neuen Budget vorgesehen ist. Auf diese Dienstleistungen haben sich die Menschen bereits eingestellt, auf die zählen sie und auf diese müssen sie sich auch verlassen können. Finanzielle Unsicherheit macht erst recht krank.

Sicherlich spielt auch die prophylaktische Gesundheitsvorsorge eine entscheidende Rol­le, ebenso eine Änderung der Essgewohnheiten und des Suchtverhaltens. Dies wirkt sich natürlich alles positiv auf die Gesundheit aus, keine Frage, aber es sind nicht nur indivi­duelle Verhaltensänderungen notwendig, sondern ganz entscheidend ist eine Änderung der Verhältnisse, unter denen wir leben.

Eine nachhaltige Strategie schließt aus, dass gesundheitspolitische Maßnahmen den Regeln des sogenannten freien Marktes kritiklos überantwortet werden. Der Staat hat hier eine wesentliche Funktion wahrzunehmen. Er muss garantieren, dass die Men­schen einen einkommensunabhängigen Zugang zu Gesundheitsleistungen haben.

Grüne Politik ist auch, für eine intakte Lebensumwelt zu sorgen. Umweltpolitik ist gleich­zeitig die beste Gesundheitspolitik. Wir unterstützen daher nachdrücklich die WHO-Re­solution, in der es heißt: Grundlegende Bedingungen und konstituierende Momente der Gesundheit sind Frieden, angemessene Wohnbedingungen, Bildung, Ernährung, Ein­kommen, ein stabiles Ökosystem, eine sorgfältige Behandlung der vorhandenen Ener­giequellen, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit.

Jede Verbesserung der Gesundheit kann nur von einer solchen Basis aus erreicht wer­den. Sowohl im politischen Bereich als auch in den gesellschaftlichen Bereichen müs­sen wir alle Maßnahmen auf ihren gesundheitsfördernden beziehungsweise krank ma­chenden Einfluss hin überprüfen.

Täten wir das oder hätten die politisch Verantwortlichen das gewissenhaft in den ver­gangenen Jahren und Jahrzehnten getan, stünden wir gesundheitspolitisch jetzt noch viel besser da, als wir ohnehin schon dastehen. Ich denke da vor allem an Maßnahmen im verkehrspolitischen Bereich, die anders ausgefallen wären.

Die krasseste Verfehlung, die sich die österreichische Gesundheitspolitik in den letzten Jahren geleistet hat, ist das Rauchergesetz. Da hat das zuständige Ministerium, da­mals noch unter ÖVP-Führung, nicht im Interesse der Gesundheit gehandelt, sondern im Interesse der Wirte, und genau so soll es eben nicht sein. Es ist weder für mich noch für viele, viele andere nachvollziehbar, wenn jetzt im Zuge der Diskussionen um Steuererhöhungen auch die Tabaksteuer erhöht werden soll, aber nur ein Bruchteil die­ser Einnahmen für prophylaktische, präventive Maßnahmen herangezogen werden soll. Da gibt es meines Erachtens noch genügend Handlungsbedarf, und ich hoffe, Herr Mi­nister, dass Sie sich da durchsetzen können, dass diese Gelder zweckgebunden für die Prävention herangezogen werden.

Wenn man bedenkt, wie viele Menschen schon im frühesten Kindes- und Jugendalter zu rauchen beginnen und Alkohol konsumieren, dann muss man sagen, das wirkt sich natürlich nachhaltig negativ auf die Gesundheit aus. Wir müssen sozusagen Sozial-, Umwelt-, Verkehrs- oder Agrarpolitik, die Bereiche Frauen, Arbeitsrecht, Wohnbau und


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 36

Städteplanung immer wieder im Hinterkopf haben, wenn wir über Gesundheitsfragen diskutieren, und das muss die Politik auch in Zukunft berücksichtigen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Stö­ger. – Bitte.

 


10.56.51

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Hohes Haus! Mir ist es noch wichtig, darauf hinzuweisen, dass das ein Gesundheitsbericht ist, der einen Tätigkeitsbe­richt darstellt, und einen Tätigkeitsbericht über drei Jahre kann man nicht auf 200 Sei­ten erstellen, sondern da sind sehr viele Menschen tagtäglich die Beziehung mit Pa­tientinnen und Patienten eingegangen, haben sich bemüht, Menschen in einer schwie­rigen Situation, nämlich wenn diese Menschen krank sind, zu helfen. Ich möchte von dieser Stelle aus auch meinen Dank diesen vielen Menschen abstatten, die sich täglich um die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher bemühen. Danke sehr!

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir in der zukünftigen Gesundheitspolitik wei­tere Schritte zu gehen haben. Insbesondere geht es darum, gar nicht erst krank zu wer­den, und jenen, die krank werden, entsprechende Hilfeleistungen, Unterstützungen, Ge­sundheitsleistungen anzubieten.

In diesem Sinne soll sich die Gesundheitspolitik weiterentwickeln. Da brauchen wir auch Gelder – danke auch für diese Unterstützung –, und ob das das Rauchen ist, ist zweit­rangig, wir brauchen Geld, damit wir auch Prävention umsetzen können. Das ist für mich ganz zentral. Und ein ganz großer Schwerpunkt meiner Ministerschaft ist die Fra­ge der „ersten Medizin“. Erste Medizin für die Menschen ist die Nahrung, und es ist wich­tig, dass es uns gelingt, die Nahrungssituation der Menschen zu verbessern. Das ist auch ein Bereich, in dem ich einen großen Schwerpunkt setzen werde.

Gesundheitsvorsorge, Veränderung der Verhältnisse, damit die Menschen gesünder bleiben können in Schule, Betrieb und Freizeit, das sind die Schwerpunkte, und darü­ber hinaus gilt es, wie wir vorhin schon diskutiert haben, die leitenden Einrichtungen der Gesundheitspolitik zu stärken. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

10.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Danke, Herr Minister.

Bevor wir nun zum 3. Punkt der Tagesordnung kommen, begrüße ich Herrn Staatsse­kretär Lopatka ganz herzlich bei uns im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

10.59.453. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zah­


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 37

lungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (Finalitätsgesetz) ge­ändert wird (Finalitätsrechtsänderungsgesetz 2010) (888 d.B. und 912 d.B. sowie 8394/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Gruber. Bitte um den Bericht.

 


11.00.04

Berichterstatter Manfred Gruber: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wert­papierliefer- und -abrechnungssystemen geändert wird.

Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 3. November 2010 in Verhandlung genommen. Der Bericht liegt in schriftli­cher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2010 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.01.024. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinig-
ten Staaten von Amerika über die Aufteilung entzogener Erträge aus Straftaten (869 d.B. und 913 d.B. sowie 8395/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Sonderver­waltungsregion Hongkong der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppel­besteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (870 d.B. und 914 d.B. sowie 8396/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun kommen wir zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich begrüße die Frau Justizministerin ganz herzlich bei uns im Bundesrat. Herzlich will­kommen! (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatterin zu den Punkten 4 und 5 ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Bitte um die Berichte.

 


11.01.53

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Fi­


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 38

nanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betref­fend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Aufteilung entzogener Erträge aus Straf­taten.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2010 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Sonderverwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2010 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


11.03.35

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister Bandion-Ortner! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Lopatka! Ich spreche zum Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinig­ten Staaten von Amerika über die Aufteilung entzogener Erträge aus Straftaten. Ein seit 1995 bestehendes Rechtshilfeabkommen mit den USA sieht zwar Rechtshilfe in Ver­fallsverfahren vor, nicht aber die Möglichkeit der Aufteilung von Vermögen, die im Zu­sammenhang mit Straftaten verfallen, eingezogen oder abgeschöpft werden.

Auf Wunsch der USA wurde nun ein spezielles Abkommen über die Aufteilung entzo­gener Erträge aus Straftaten mit diesem Ziel unterzeichnet. Eine Rechtspflicht zur Auf­teilung wird damit nicht begründet, so heißt es in den Erläuterungen. Dieses Abkom­men bringt zum Beispiel leichte Vorteile für die Vereinigten Staaten. Wir betrachten ame­rikanische Schadenersatzansprüche äußerst kritisch. Es ist etwa durch die Finanzkrise, die in den USA ausgelöst wurde, auch beträchtlicher Schaden in Österreich entstanden.

Wir können daher diesem Staatsvertrag nichts Positives abgewinnen. Er sieht auch nicht vor, dass die Geschädigten in Österreich entschädigt werden. Eine Rechtspflicht zur Auf­teilung der Erträge – ich spreche jetzt von Erträgen aus Straftaten – wird durch diesen Vertrag nicht begründet. Es ist immer wieder dasselbe: Die Amerikaner wollen etwas und wir Europäer beeilen uns, das auch umzusetzen. Ob wir einen Nutzen daraus zie­hen, interessiert überhaupt niemanden. Ich erinnere nur an Basel I, an Basel II, und jetzt kommt auch noch Basel III. Das ist ein wunderbares Beispiel dafür.

Die Amerikaner wollen unbedingt eine weltweite Regelung für das Eigenkapital der Ban­ken; in Europa und Asien wird das auch umgesetzt mit dem Ergebnis, dass sich die Kredite enorm verteuern. Unsere Banken haben dadurch einen eklatanten Wettbewerbs­


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 39

nachteil gegenüber den amerikanischen Banken, denn den amerikanischen Banken wur­de freigestellt, ob sie diesem Basel-Abkommen beitreten oder nicht.

Oder ein weiteres Beispiel: das SWIFT-Abkommen. Dabei geht es um Kontodaten und Kontobewegungen von EU-Bürgern, also um sehr heikle Daten. Diese Daten werden nach Amerika gesendet, um angeblich den Terrorismus bekämpfen zu können. Aber obwohl das EU-Parlament schwere Bedenken hinsichtlich der langen Speicherung der Daten und auch darüber geäußert hat, dass diese Daten ohne Verdachtsmomente und ohne richterliche Erlaubnis eingesehen werden können, wurde dieses Abkommen trotz­dem auf Druck der Amerikaner beschlossen.

Denken wir auch an die Finanzkrise! Unsere Kredite wurden mit Basel II besichert, die Kredite der Amerikaner waren Schrottkredite. Die Amerikaner haben gut besicherte eu­ropäische Kredite gegen Schrottkredite gehandelt. Dieses reflexartige Verhalten den Amerikanern gegenüber findet nicht unsere Zustimmung. Wir werden daher diesem Ab­kommen nicht zustimmen.

Dem zweiten Abkommen, dem Doppelbesteuerungsabkommen werden wir ebenfalls nicht zustimmen. Wir stimmen nicht deswegen nicht zu, weil wir gegen Doppelbesteue­rungsabkommen wären – nein, das sind wir nicht! –, sondern deswegen, weil dieses Opfern des österreichischen Bankgeheimnisses auf dem Brüsseler Altar nicht unsere Zustimmung findet, zumal die einzige für uns auch im Fernsehen sichtbare Gegen­leistung für dieses Opfern des Bankgeheimnisses jene war, dass unser Finanzminister vom deutschen Finanzminister hinter dem Ohr gekrault worden ist. Das hat unserem Finanzminister sicher gefallen, aber uns hat es nichts gebracht. Wir stimmen daher nicht zu. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Gruber. – Bundesrat Hensler: Warst du dabei?)

11.08


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Öster­reich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Aufteilung ent­zogener Erträge aus Straftaten.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Ok­tober 2010 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Sonderverwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Absatz 2 Ziffer 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 40

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.10.146. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzsicherheiten-Gesetz geändert wird (873 d.B. und 929 d.B. so­wie 8397/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nunmehr kommen wir zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Bock. – Bitte um den Bericht.

 


11.10.29

Berichterstatter Ing. Hans-Peter Bock: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzsicherheiten-Ge­setz geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2010 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.11.18

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden dieser Änderung des Finanzsicherheiten-Gesetzes heute nicht zustimmen. Und warum wir das nicht tun, das möchte ich jetzt kurz erläutern.

Apropos „erläutern“: Es ist für mich ein bisschen sinnbildlich, was in den Erläuterungen dieser Gesetzesänderung steht, nämlich beim Ziel steht: Das Ziel ist die Umsetzung ei­ner EU-Richtlinie. Und bei den Auswirkungen steht: keine Auswirkungen.

Es gibt keine wirtschaftlichen, keine wirtschaftspolitischen, keine finanziellen, keine be­schäftigungspolitischen, keine umweltpolitischen Auswirkungen, es gibt keine Auswir­kungen dieses Gesetzes. Und das Ziel ist nur die Umsetzung einer EU-Richtlinie.

Ich würde das jetzt nicht unbedingt als lieblos bezeichnen, aber meiner Meinung nach kann es nicht sein, dass das alles ist. Und wenn man ein bisschen mehr in den Erläute­rungen liest, so gibt es schon, zumindest für die Richtlinie, Erläuterungen dahin gehend, was quasi das Ziel der Richtlinie wäre, die da umgesetzt wird, nämlich:

„Erwägungsgrund 5 führt dazu aus, dass die Europäische Zentralbank beschlossen ha­be, Kreditforderungen ab dem 1.1.2007 als Sicherheiten für Kreditgeschäfte des Euro­systems zuzulassen.“

Ist das jetzt das Ziel? – Ich weiß es nicht, ich würde es auch nicht unbedingt als sol­ches nennen. Aber dann kommt es:


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 41

„Zur Maximierung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Verwendung von Kreditforde­rungen habe die Europäische Zentralbank eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie empfohlen. Durch die Verwendung von Kreditforderungen werde sich der Pool verfügbarer Sicherheiten vergrößern.“

Das heißt, im Prinzip, würde ich einmal sagen, hat diese Gesetzesänderung schon ein Ziel, nämlich das Ziel, den Pool der Sicherheitsmöglichkeiten zu vergrößern. Und das – noch einmal! – dahinter stehende Ziel ist, dass wir einfach ein bisschen mehr Kapital am Markt verfügbar haben.

Ich verstehe nicht ganz, warum das Ziel nicht hineingeschrieben worden ist. Es ist ein an und für sich verständliches Ziel. Es gibt Zeiten wie diese, in denen es sicher zum Teil auch wichtig ist, dass wir mehr Kapital am Markt verfügbar haben.

Was wir an dieser Vorlage letztendlich vermissen, ist das, was auch der Rechnungshof kritisiert hat, nämlich dass bei der Umsetzung dieser Richtlinie, die ja mehr oder weni­ger nur wortwörtlich abgeschrieben wurde, auf die Phantasie der Finanzmärkte verges­sen wurde, dass es immer wieder die Versuchung gibt, dass durch solche innovative Produkte dann wieder etwas angeboten wird, das vielleicht schon eine Kreditforderung ist, dann aber vielleicht doch nicht. Das sind so die Punkte gewesen, die erstens die Fi­nanzkrise und zweitens noch die Wirtschaftskrise zumindest mit ausgelöst haben.

Und auch der Rechnungshof hat bemerkt, dass in diesem Zusammenhang nicht aus­geschlossen werden kann, dass neue Finanzkonstruktionen entstehen werden, deren Bewertung, auch des enthaltenen Risikos nur mehr von ausgewiesenen Spezialisten zu­verlässig erfolgen kann.

Das heißt, im Prinzip machen wir damit eine Türe auf, und an diese Türe hat keiner ge­dacht. Und das ist das, was wir kritisieren.

Der Rechnungshof kritisiert beziehungsweise merkt weiter an, dass eben einerseits die­se Gefahr von innovativen Finanzprodukten besteht, es aber gleichzeitig an der Umset­zung von Empfehlungen des Rechnungshofes fehlt, nämlich in Richtung der Finanzie­rungsinstrumente für Gebietskörperschaften, dass geeignete Maßnahmen und Instru­mente zur Bewertung, Begrenzung und Steuerung von Finanzierungsrisken ergriffen werden sollten und dass bei Finanzgeschäften mit speziellen schwer bewertbaren Strukturen aufgrund der Probleme mit der Bewertung des Risikos mit besonderer Vor­sicht und verringertem Volumen vorgegangen beziehungsweise der Abschluss generell untersagt werden sollte.

Das sind zwei Empfehlungen des Rechnungshofes, die in erster Linie Gebietskörper­schaften betreffen beziehungsweise deren Umgang mit Finanzierungsinstrumenten. Das hat der Rechnungshof meines Erachtens nicht zufällig angeführt, gleichzeitig mit der Stellungnahme zu dieser Gesetzesänderung, weil nämlich in diesem Bereich einfach noch nicht Vorsorge dafür getroffen worden ist, wenn jetzt mehr Kapital am Markt ist, dass sich dann möglicherweise Dinge, die in Gemeinden, in Ländern passiert sind, un­ter anderem wiederholen, weil die nötigen Vorkehrungen, dass sie sich nicht wiederho­len, eben leider nicht getroffen worden sind.

Ob das jetzt Ihre Zuständigkeit ist, Frau Ministerin, dass diese Vorkehrungen getrof-
fen werden oder nicht, das ist eine andere Geschichte, aber die Richtlinie ist bereits im
Mai 2009 veröffentlicht worden. Seither weiß man, das kommt, das sollte umgesetzt werden. Und in diesem Zusammenhang hätte man sich seit Mai 2009 Gedanken darü­ber machen sollen, was es für Auswirkungen haben wird, wenn man diese Richtlinie um­setzt.

Da sich keiner diese Gedanken gemacht hat, sondern jetzt einfach nur die Richtlinie umgesetzt wird und man sagt, okay, das Risiko nimmt man in Kauf, dass sie dann


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vielleicht Auswirkungen zeigt, da denkt man später darüber nach, das ist für uns eben nicht die richtige Vorgangsweise und nicht der richtige Zugang. Und deshalb lehnen wir diese heutige Umsetzung ab. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

11.16


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


11.16.43

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, einleitend kann gesagt werden, dass die vorlie­gende Anpassung der Finanzsicherheiten-Richtlinie begrüßenswert ist, weil es dadurch auch zu einer Vereinheitlichung des Finanzmarktes in der Union kommt und das somit auch zu einer Festigung des europäischen Finanzmarktes beiträgt. Es ist deshalb auch der Vernunft entsprechend, dass nun Kreditforderungen neben Barsicherheiten und Fi­nanzinstrumenten als Sicherheiten herangezogen werden können.

Wichtig erscheint mir dabei auch, dass es außerdem um eine Internationalisierung der Pfandsicherheiten geht, die sich auf Barguthaben, handelbare Wertpapiere und Kredite beziehen.

Im Bereich der großen Finanzierungen ist das eine gute Weiterentwicklung, weil natür­lich auch das, was bis dato vertraglich festgelegt und vereinbart werden konnte, jetzt im Rahmen der Richtlinie einen rechtlichen Rahmen erhält und damit fertige Besiche­rungsprodukte angeboten werden können. Und das nicht nur deshalb, weil die Ände­rungen der Finanzsicherheiten-Richtlinie bis 30. Dezember umgesetzt werden müssen, nein, sondern weil es eigentlich keinen Grund gibt, Frau Kollegin Kerschbaum, warum diese Sicherheiten in Österreich nicht herangezogen werden sollten.

Dabei möchte ich betonen, dass auch die Ausnahme für Verbraucher und Kleinunter­nehmer sehr wesentlich ist, weil genau dieser Personenkreis vor bekannt aggressiven Eintreibungsmethoden geschützt werden soll. Das ist eine wichtige Maßnahme, die in der Richtlinie auch berücksichtigt wurde.

Ich habe keine Skepsis bezüglich der Umsetzung der Richtlinie, Frau Kollegin Kersch­baum, sondern bezüglich des darüber hinausgehenden Teils dieses Gesetzes, nämlich dass die Verwertung gegenüber Einzelunternehmen und auch juristischen Personen, Personengesellschaften, wenn auf der anderen Seite eine Bank steht, nunmehr be­schleunigt oder vereinfacht stattfinden kann.

Man kann hier bei der Umsetzung nur an die Banken appellieren, sich an das Gebot der Fairness zu halten, wobei wir in der Zwischenzeit ja schon einiges von den Banken gewohnt sind, und ich hoffe, dass ich da einem Irrtum unterliege.

Abschließend möchte ich der Frau Bundesministerin gratulieren, weil bei dieser Richt­linie in Brüssel sehr wohl zum Vorteil unserer klein- und mittelständischen Betriebe und zum Schutz der Konsumenten verhandelt wurde. Das ist ein gutes Gesetz, Frau Minis­terin, dem wir sehr gerne unsere Zustimmung geben werden. (Beifall bei der ÖVP.)

11.19


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Kemperle. – Bitte.

 


11.19.25

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätztes Präsidium! Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Das Bundesgesetz, mit dem das Finanzsicherheiten-Gesetz geändert wird, ist sicher kein ganz unproblemati­sches und unkomplexes, würde ich sagen. Zwar ist der Grund für diese Vorlage ein­


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 43

leuchtend: Es soll zu einer Harmonisierung der Besicherungsmöglichkeiten, zur Ein­räumung von Pfandrechten nach einem bestehenden Verwertungssystem, das vorher­sehbar sein und nach Tunlichkeit europaweit eingeführt werden soll, kommen.

Das soll auch dazu beitragen, dass eine Beschleunigung der Verwertung insgesamt möglich ist. Auch dazu soll es dienen, allerdings muss das nicht immer ein Vorteil sein. Gerade diesbezüglich muss man darauf achten, wo letztendlich die Kriterien liegen, um nicht in eine Falle zu gehen.

Meine VorrednerInnen haben bereits erwähnt, dass es dabei tatsächlich um einige Tei­le geht, die nicht unmittelbar das Gesetz selbst betreffen, sondern dass die Ausführun­gen im Detail liegen und sehr wohl auch Kriterien festgelegt sind, die – wie wir ja sehr, sehr schmerzhaft feststellen mussten – vonseiten der Banken nicht immer gerade mit einer Nonchalance abgehandelt werden, die in unserem Sinne liegen.

Das heißt, im Bereich der Großfinanzierung ist das sicherlich ein Fortschritt, weil das, was bis dato auch vertraglich festgelegt worden ist, jetzt einen rechtlichen Rahmen er­hält und damit eigentlich standardisierte, fertige Besicherungsprodukte angeboten wer­den können.

Wo es allerdings – wie bereits angesprochen – problematisch sein wird und sein kann, ist der Bereich der KMUs. Das bereitet uns natürlich etwas Sorge – wie ja bereits er­wähnt –, weil die Erfahrungen mit dem Bankenbereich in letzter Zeit nicht gerade das sind, was wir als besonders vertrauenserweckend empfunden haben und nach wie vor empfinden. Wir müssen gerade in diesem Bereich auch darauf Acht geben und achten, dass gerade die KMUs nicht unter die Räder kommen.

Was schon feststeht, ist, dass Konsumenten/Konsumentinnen beziehungsweise Ver­braucher/Verbraucherinnen nicht davon betroffen sein werden und im Großen und Ganzen diese Finanzsicherheiten-Richtlinie eigentlich zu einer Vereinheitlichung des Fi­nanzmarktes beitragen soll.

Trotz dieser Bedenken ist das Gesetz durchaus als positiv zu betrachten, und wir wer­den unsere Zustimmung dazu geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.22


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


11.22.51

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Herr Bundesrat Mayer und Frau Bun­desrätin Kemperle haben das Gesetz gut erläutert. Es gibt sicherlich Unsicherheiten. Eines, Frau Kerschbaum: Das Nachdenken der Menschen werden wir nicht ausschal­ten können. Es wird bei jedem Gesetz Menschen geben, die nachdenken, wie sie wie­der etwas verändern können.

Ich glaube, die Richtlinie ist für die KMUs und auch für den Endverbraucher schon ein Schutz. Sie ist maßgebend und sehr wichtig.

Was ich noch zu bedenken gebe – das hat auch Frau Kemperle gesagt –, sind die Klein- und Mittelbetriebe. Wenn man in die Zukunft blickt und darauf schaut, was auf den Finanzmarkt zukommt – Basel III –, stellt sich die Frage, ob das nicht auch ein Schaden für unsere kleinen Bankinstitute sein wird, die nicht so aufgestellt sind wie die großen europäischen Banken. Sie sollten nicht vom Markt verschwinden, denn diese Banken sind die Banken, die die Klein- und Mittelbetriebe unterstützen und ihnen Dar­lehen gewähren.

Ich glaube, dahin gehend sollen wir unsere Sorge tragen, dass wir die Klein- und Mit­telbetriebe und die kleinen Banken in unserem Land beobachten und ihnen eine Chan­


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ce geben, dass sie am Markt bestehen können, weil dann auch unsere Klein- und Mit­telbetriebe eine Chance am Markt haben, denn diese sind – wie wir wissen – nicht so ka­pitalstark.

Die Umsetzung der EU-Richtlinie ist – wie ich glaube – ein erster wichtiger Schritt, dass mehr Sicherheit in unserem Land herrscht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.24


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministe­rin. – Bitte.

 


11.24.39

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren Bundesräte! Es handelt sich um eine Umsetzung einer EU-Richtlinie. Nunmehr sollen auch Kreditforderungen unter den Begriff „Finanzsicherhei­ten“ fallen – neben Barsicherheiten und Finanzinstrumenten.

Nicht erfasst werden sollen jedoch jene Kreditforderungen, bei denen der Schuldner ein Verbraucher oder ein KMU ist. Weshalb nicht? – Diese Gruppe soll vor besonders aggressiven Eintreibungsmethoden geschützt werden.

Darüber hinaus sieht das Gesetz aber eine Ausdehnung des persönlichen Anwendungs­bereichs auf juristische Personen, Einzelunternehmen und Personengesellschaften vor. Diese Ausdehnung soll Österreich vor einem Wettbewerbsnachteil schützen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Dieses Gesetz hat natürlich eine Auswirkung, näm­lich eine sehr positive Auswirkung, auf den Wirtschaftsstandort Österreich. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.26.047. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2010 betreffend Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstre­ckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 (867 d.B. und 930 d.B. sowie 8398/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun kommen wir zum 7. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Bock. Ich bitte um den Bericht.

 


11.26.31

Berichterstatter Ing. Hans-Peter Bock: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Daher komme ich gleich zur Antragstellung, da die Frau Vorsitzende berichtet hat, worum es geht.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 45

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2010 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


11.27.25

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Das ist ein sehr emotionales Gesetz, das wir heute beschließen, es geht nämlich um unsere Kinder: Regierungsvorlage über das Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern.

Es ist dies ein sehr wichtiges Übereinkommen, das sicherstellen soll, dass gerade im Be­reich des Schutzes der Minderjährigen, aber auch der Obsorge klare Zuständigkeiten und auch eine klare Rechtswahl gegeben ist, sodass für jeden klar ist, welches Recht anzuwenden ist und welche Behörde zuständig ist. Das ist sehr wichtig, wenn es um den Schutz der Kinder, wenn es um die Interessen der Kinder und wenn es um die Ob­sorge und ähnliche Fragen geht.

In der bisherigen Praxis kam es aber beispielsweise wegen des Zuständigkeitsvorran­ges der Heimatbehörden bei Doppelstaatsbürgern zu Schwierigkeiten. Außerdem hat sich der Zuständigkeitsvorrang der Heimatbehörde nicht bewährt, da es oft zu Situationen kommt, in denen diese die Interessen der Minderjährigen weniger leicht und zuverläs­sig beurteilen kann als die Behörden des Aufenthaltsstaates. Ganz wichtig ist, dass die Behörden zuständig sind, in dem der oder die Minderjährigen den gewöhnlichen Auf­enthalt haben.

Dieses Übereinkommen hat aber hauptsächlich in europäischen Staaten Gültigkeit. Zu­sätzlich beigetreten sind nur Australien, Marokko und Armenien.

Ich habe in dieser Frage mit der Juristin von „Frauen helfen Frauen“ – das ist eine Tiro­ler Opferschutzeinrichtung für Frauen und ihre Kinder, die von Gewalt betroffen sind – gesprochen. Bestätigt wurde mir, dass es ein gutes, wichtiges Gesetz ist. Aber die EU ist noch gefordert, dass noch mehr Staaten beitreten.

In der Praxis gibt es große Schwierigkeiten in Nicht-EU-Staaten. Gehen Beziehungen auseinander, bei denen ein Partner aus einem Nicht-EU-Staat ist, und nimmt dieser El­ternteil Kinder gegen den Willen des anderen Partners in das Heimatland mit, gilt nach wie vor das Haager Minderjährigenschutzabkommen, es ist also die Heimatbehörde zu­ständig und nicht die Behörde des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes.

Bei diesen Verfahren sind oft jahrelange Streitigkeiten anhängig, und die sind nicht im­mer zum Wohle des Kindes.

Der Schutz der Kinder muss uns allen ein Anliegen sein. Dieses Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zu­sammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern ist ein erster großer Schritt, ein wichtiger Schritt.

Aber wir dürfen die EU nicht aus der Verantwortung nehmen, dass sie mit anderen Dritt­staaten – vor allem mit muslimischen Staaten – dieses Übereinkommen auch zustande bringt, dass auch da die Gesetze des Aufenthaltsortes anzuwenden und dessen Be­


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 46

hörden zuständig sind. Und daraufhin müssen wir alle gemeinsam arbeiten. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Zwanziger.)

11.31


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


11.31.16

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa presidenca! Frau Bundesministerin! Gospa ministrica! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Drage ko­legice i kolegi! Meine Vorrednerin hat etwas gesagt, was ich nur unterstreichen kann: Es ist ein emotionales Thema. Es geht um den Schutz der Kinder aus binationalen Be­ziehungen, um den Schutz der Kinder mit einer Doppelstaatsbürgerschaft. Diesen Kin­dern steht unser voller Schutz zu.

Ich möchte Ihnen das mit einem Beispiel, das am 18. März 2010 auf der Webseite „orf.at“ zu lesen war, näherbringen. Ich zitiere:

„Ein dreijähriger Bub aus Leonding“ – das ist im Bundesland Oberösterreich, Bezirk Linz-Land – „soll nach einer Entscheidung des OGH nach Griechenland ‚zwangsrückgeführt‘ werden. Im Sorgerechtsstreit hat der griechische Vater die österreichische Mutter we­gen Kindesentführung angezeigt.

2005 war die Welt von Evángelos“ – so hieß der Sohn – „Mutter, einer Krankenschwes­ter aus Leonding, noch perfekt. Sie heiratete in Griechenland ihre Urlaubsliebe. Ein Jahr später kam Evángelos in Linz zur Welt, während eines Heimaturlaubes. Die Familie lebte damals in Griechenland.

Evángelos Vater wurde zunehmend gewalttätig, er soll seine Frau mehrmals misshan­delt, das Kind geschlagen haben. 2007 kehrte die 34-jährige Mutter mit ihrem Sohn nach Oberösterreich zurück. 2008 folgte die Scheidung. Der Vater klagte wegen ‚Kindesent­führung‘.“

Der Bub hatte eine Doppelstaatsbürgerschaft.

„Bis heute steht die Obsorge über den dreijährigen Buben, der Doppelstaatsbürger ist, Vater und Mutter gemeinsam zu. Jetzt hat der OGH im Vollstreckungsverfahren ent­schieden, dass das Kind umgehend nach Griechenland zurück müsse. Dort soll über die offene Sorgerechtsfrage entschieden werden. Alle Einsprüche der Mutter wurden im Vorfeld abgewiesen.“

Im Verfahren betreffend den Schutz von Minderjährigen war bisher das Minderjährigen­schutzübereinkommen aus dem Jahre 1975 die Grundlage für die Zuständigkeit öster­reichischer Gerichte und für die Anwendung des österreichischen Rechts.

Dass es in der Praxis zu Schwierigkeiten kommt, beweist gerade dieses von mir ange­führte Beispiel: Wer ist zuständig, das österreichische Recht oder das griechische Recht? Und gerade in dieser Regierungsvorlage wird dies geändert. Diese heutige Regierungs­vorlage regelt ganz klar, dass jenes Recht anzuwenden ist, wo sich das Kind gewöhn­lich aufhält. Dieser völkerrechtliche Vertrag sieht vor, dass widerrechtlich entzogene Kinder so schnell wie möglich wieder in die gewohnte Umgebung zurückgebracht wer­den sollen.

Zukünftig, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die Behörden jenes Staates zuständig, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das bedeutet, dass für in Öster­reich lebende und betroffene Kinder das österreichische Recht angewandt wird und die österreichischen Behörden dafür zuständig sind – und nicht das Rechtssystem des Lan­des, in das das Kind gebracht wurde.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 47

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Jedes Kind braucht den Schutz. Wir werden dem selbstverständlich zustimmen, und zwar mit Begeisterung zustimmen. (Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort. – Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.37


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.37.03

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Be­sucherinnen und Besucher! Auch wir werden dieser Vorlage zustimmen, dieser Vorla­ge eines Übereinkommens. Auch wir sind der Meinung, dass es sehr wichtig war, hier endlich aktiv zu werden und eine klare und nachvollziehbare Regelung zu schaffen. Denn die Zeiten sind vorbei, wo man von der Wiege bis zur Bahre im gleichen Ort bleibt, im gleichen Land bleibt. Es sind einfach immer mehr Menschen davon betroffen, dass verschiedene Länder verschiedene Gesetzgebungen haben.

Diese Klarheit in dieser Vorlage dient einerseits den Behörden – diese brauchen nicht mehr so viel nachzufragen, wer zuständig ist –, andererseits natürlich vor allem den Kin­dern und den betroffenen Eltern, die dann auch wissen, wie sie dran sind, wenn es nach dem Land, in dem sie gerade wohnen, geht.

Ich möchte in diesem Zusammenhang zwei Punkte noch kurz vorbringen, die für mich noch zur Vollkommenheit oder zur Vervollkommnung dieses Ansatzes dienen würden. Einerseits – weil vorher von Emotionen gesprochen wurde – finde ich es ganz schreck­lich, wenn es möglich ist, dass in Österreich Kinder und Frauen von Menschen, von österreichischen Staatsbürgern – auch wenn sie das erst kurzfristig geworden sind – in die Mongolei zum Beispiel abgeschoben werden können. Wie ist das dann mit den Kinderrechten beziehungsweise den Vaterrechten, die Kinder zu sehen? Ich finde es entsetzlich, dass wir in Österreich eine Gesetzeslage haben, die das zulässt.

Ein zweiter Punkt, den ich dazu noch anmerken möchte und der auch ein bisschen in Richtung Emotionalität geht: Ich finde es sehr schade, dass es bis jetzt noch nicht gelungen ist, dass man die UNO-Kinderrechtskonvention zur Gänze in die Verfassung bringen kann. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Dieser Gesetzesvorlage werden wir jedenfalls zustimmen. – Danke. (Beifall des Bun­desrates Dönmez.)

11.39


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


11.39.19

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon kurz angesprochen worden: Für mich ist diese Gesetzesvorlage ein kleiner Schritt in Richtung Kinderrecht, ein kleiner weiterer Schritt in Richtung dazu, Kinderrechte auch in der Verfassung zu verankern.

Kinder und Jugendliche – Frau Kollegin Blatnik hat das vorhin schon gesagt – brau­chen unseren Schutz, bedürfen unseres Schutzes, und wir sind auch dazu da, dass wir diesen Schutz geben. Vor allem haben sie einen Anspruch auf diesen Schutz. Das ist notwendig und wichtig.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 48

Es ist wichtig, dass für in Österreich lebende Kinder das österreichische Recht ange­wandt wird und dass unsere Behörden zuständig sind und nicht das Rechtssystem des Landes, in das die Kinder gebracht werden.

Ich möchte folgendes Beispiel anführen, weil ich glaube, dass die darin enthaltene Problematik für uns in Zukunft sehr wichtig und richtungsentscheidend sein kann. Es ist ein Beispiel aus Italien. Ein Kind lebte mit seiner Mutter in Italien. Das Kind wurde krank, und vor der Unterzeichnung dieser Gesetzesvorlage musste das Kind ins Spital. In Italien gilt die gemeinsame Obsorge auch für nicht verheiratete Paare. Es war für die Ärzte sehr, sehr schwierig, den anderen Elternteil – in diesem Fall war es der Va­ter – aufzuspüren und das Einverständnis für die zukünftige Behandlung zu bekommen.

Nach Beschluss des heute vorliegenden Gesetzes wäre das geregelt: Wenn das Kind in Österreich lebt, gilt unser Rechtssystem, die Mutter kann mit dem Arzt besprechen, was notwendig ist, und die Gesundheitsmaßnahmen für das Kind einleiten.

Ich denke, dass dieser Fall sehr genau zeigt, dass die gemeinsame Obsorge – die bei uns ja anstatt einer freiwilligen gemeinsamen Obsorge, wie sie derzeit möglich ist, vor­geschrieben werden soll – auch eine sehr problematische Sache sein kann. Es ist mir unverständlich, wie man einen Gesetzesvorschlag machen kann, mittels dessen man Menschen dazu verpflichtet, die gemeinsame Obsorge für ein Kind zu übernehmen, wenn es in der Folge wie in diesem Fall aus Italien sogar zu gesundheitlichen Schäden für das Kind kommen kann.

Ich denke, wir sollten uns darauf verlegen, die gemeinsame Obsorge für die Eltern so attraktiv zu machen, dass sie freiwillig angetreten wird, aber nicht auf dem Rücken der Kinder eine gemeinsame Obsorge verpflichtend einführen.

Zurück zum vorliegenden Antrag: Es geht um das Recht, das bei grenzüberschreiten­den Sachverhalten anzuwenden ist. Das kommt vor allem Kindern aus binationalen Be­ziehungen, Kindern mit Migrationshintergrund zugute. Es ist zu begrüßen, weil dann in den meisten Fällen in Österreich auch das österreichische Recht anzuwenden ist. Die Mobilität nimmt zu, wie vorher schon erwähnt wurde, daher braucht es grenzüber­schreitende Regelungen und vor allem klare Spielregeln – und diese werden durch das vorliegende Gesetz vorgegeben.

Insgesamt ist dieses Übereinkommen ein wichtiger Fortschritt für die Kinderschutz­rechte und hoffentlich auch ein weiterer Schritt in der Verankerung der Kinderrechte in unserer Verfassung. Wir werden natürlich zustimmen. (Beifall bei der SPÖ, bei Bun­desräten von ÖVP und FPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

11.42


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbe­reiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 49

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

11.43.378. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendli­chen 1987, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitsruhegesetz, das Krankenan­stalten-Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 und das Arbeits­zeitgesetz geändert werden (880 d.B. und 897 d.B. sowie 8399/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Lugsteiner. – Bitte um den Bericht.

 


11.43.57

Berichterstatterin Juliane Lugsteiner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitsruhegesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsinspektionsge­setz 1993 und das Arbeitszeitgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Hundstorfer ganz herzlich bei uns im Bundesrat. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Bundesrätin Duzdar zu Wort. – Bitte.

 


11.45.21

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Novelle des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes erfolgen nun wichtige Anpassungen und Verbes­serungen im Bereich der Kinder- und Jugendbeschäftigung. Vorweg: Das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz regelt den Schutz von Kindern und Jugendlichen in der Arbeit, es normiert besondere Schutzvorschriften für Jugendliche, vor allem aber auch das Verbot der Kinderarbeit.

Nun sieht das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz aber auch Ausnahmen vor, denn Kinder von Gewerbetreibenden konnten bisher bereits ab einem Alter von zwölf Jahren für leichte und vereinzelte Arbeiten herangezogen werden. Kinder konnten ab diesem Alter, wenn auch mit strengen Einschränkungen, auch für Haushalts- und Boten­dienste eingesetzt werden. Diese Bestimmung stand und steht jedoch mit dem 138. Über­einkommen der ILO, der Internationalen Arbeitsorganisation, über das Mindestalter für


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die Zulassung zur Beschäftigung im Widerspruch. Österreich hat sich mit der Ratifizie­rung dieses Abkommens verpflichtet, Kinder erst ab 13 Jahren zur vereinzelten Erbrin­gung leichter Arbeiten zuzulassen.

Mit diesem vorliegenden Gesetzentwurf wird nun diesem Anpassungsbedarf Rechnung getragen und das Mindestalter für die genannten Beschäftigungen in Österreich von 12 
auf 13 Jahre angehoben.

So detailverliebt und technokratisch diese Regelung auch wirken mag, ist es gerade für Österreich sehr wichtig und entscheidend, die ratifizierten ILO-Abkommen ganz genau einzuhalten und umzusetzen, denn diese ILO-Abkommen sind ein ganz zentraler Bei­trag für die Umsetzung von Schutzvorschriften für Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer weltweit. Sie sind notwendig, um gegen Dumpinglöhne zu kämpfen, aber auch, um gegen globale Ausbeutung von Menschen in der Arbeitswelt und vor allem auch gegen Kinderarbeit vorzugehen, die die betroffenen Kinder ihrer Zukunft beraubt.

Gerade ein wohlhabendes Land wie Österreich darf sich bei der Umsetzung derartiger Abkommen nicht zögerlich zeigen, darf sich nicht davor drücken, sondern muss als Vorreiter vorangehen, damit auch die ärmsten Länder dieser Welt diese Schutzvor­schriften beachten.

Die nunmehr vom Sozial- und Arbeitsminister vorgeschlagene Anpassung ist daher ge­rade auch aus diesen grundsätzlichen Erwägungen voll und ganz zu begrüßen.

Auch im Kontext der wachsenden Bedeutung grenzüberschreitender Arbeitsverträge erscheint mir die geplante Ausdehnung der Strafbestimmungen auch auf ausländische Dienstgeber wichtig zu sein, was den Schutz von jugendlichen Beschäftigten betrifft, denn gerade im Hinblick auf die wachsende Bedeutung der Niederlassungsfreiheit und anderer Grundfreiheiten ist es von besonderer Bedeutung, dass auch Arbeitgeber, die keinen Firmensitz in Österreich haben, für den Verstoß gegen Schutzbestimmungen für Jugendliche entsprechend verwaltungsstrafrechtlich belangt werden können.

Das ist eine wichtige Anpassung, und insofern stellt dieses Gesetz auch einen wichti­gen Mosaikstein in der Bekämpfung und Verhinderung von Ausbeutung bei grenzüber­schreitenden Arbeitsverhältnissen dar.

Des Weiteren sieht diese Novelle auch eine Änderung des Landarbeitsgesetzes vor, nämlich im Bereich der Mitbestimmung von jugendlichen Arbeitnehmern. Diesen wer­den mehr Rechte in den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gewährt. Dies ist für die Demokratie und die Mitentscheidung in den land- und forstwirtschaftlichen Betrie­ben dringend notwendig. Daher wird auch das aktive Wahlalter für den Betriebsrat in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben auf 16 Jahre, das passive Wahlalter auf 18 Jah­re gesenkt.

Diese Gesetzesnovelle stellt damit einen wichtigen Schritt zur Verstärkung der Vertre­tung von jugendlichen Beschäftigten in der Landwirtschaft dar, denn es besteht in Ös­terreich die Situation, dass in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zum Teil keine Jugendvertrauensräte gebildet werden können, weil die erforderliche Mindestzahl von fünf jugendlichen Arbeitnehmern gar nicht gegeben ist, da eben nur wenige junge Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt sind.

Mit dieser Novelle wird daher sichergestellt, dass der Betriebsrat in diesen Betrieben die wichtigen Anliegen und Interessen der jugendlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer wahrnehmen kann.

Weiters wird im Zuge dieser Novelle auch das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz ge­ändert. Wir wissen, dass gerade die Arbeitszeiten von Ärzten und Ärztinnen in Spitä­lern immer wieder Gegenstand hitziger Debatten sind. Um den besonderen Situationen in Krankenanstalten entgegenzukommen beziehungsweise gerecht zu werden, hat der


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Gesetzgeber ja auch weitgehende Abweichungen vom normalen Arbeitszeitrecht er­möglicht. Klar muss aber sein, dass gerade diese Schutzbestimmungen dann auch ein­gehalten werden müssen.

Darauf muss vonseiten der Politik besonderes Augenmerk gelegt werden. Immerhin geht es um den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch um den Schutz von Tausenden Patientinnen und Patienten, die ein Anrecht darauf haben, dass die oftmals heiklen Behandlungen von Ärztinnen und Ärzten übernommen werden, die nicht übermüdet und daher unkonzentriert und fehleranfällig sind.

Es geht also auch um die Sicherheit der Patientinnen und Patienten im Gesundheits­system und ganz allgemein um die Qualitätssicherung. Jeder Schritt, der dazu beiträgt, ist zu begrüßen. Dass in Hinkunft die Ärztekammer von Strafanzeigen der Arbeits­inspektion, die Ärztinnen und Ärzte in Krankenanstalten betreffen, informiert wird, ist daher auch ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist auch zu hoffen, dass mit der Aus­weitung dieser Informationspflicht der Arbeitsinspektion Übertretungen gerade im Be­reich der Ärztearbeitszeit in Zukunft beseitigt werden können.

Daher stellt diese Gesetzesänderung auch im Bereich des Arbeitnehmerschutzes eine ganz wesentliche und wichtige Verbesserung dar. Meine Fraktion wird dieser Novelle zustimmen. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

11.52.309. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz, das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz und das Be­triebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geändert werden (Künst­lerInnensozialversicherungs-Strukturgesetz – KSV-SG) (876 d.B. und 899 d.B. so­wie 8400/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nunmehr gelangen wir zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte um den Bericht.

 


11.53.10

Berichterstatterin Mag. Muna Duzdar: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversi­cherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Künstler-Sozialver­sicherungsfondsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorge­gesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur An­tragstellung.


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Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2010 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort. – Bitte.

 


11.53.31

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte kurz begründen, warum wir gegen diese Regierungsvorlage stimmen. (Bundesrat Gruber: Schwer vor­stellbar!)

Hauptgrund ist – bei allem Verständnis für die Situation von Künstlern –, dass wieder ein hoher Verwaltungsaufwand produziert wird, wo man doch eigentlich sparen wollte. Bei allem Verständnis für manche Situationen, in die Künstler kommen können, möchte ich schon anmerken, dass Tausende von Österreichern in atypischen Beschäfti­gungsverhältnissen stehen, Mehrfachbeschäftigungen haben, um über die Runden zu kommen, Leih- und Teilzeitarbeit ausüben müssen und sich damit mehr schlecht als recht durchs Leben schlagen, ohne dass sich eine Arbeitsgruppe im Speziellen um sie kümmert.

Mit dieser Gesetzesvorlage wird jedoch eine eigene Servicestelle eingerichtet, die, wie schon anfangs gesagt, mit einem hohen Verwaltungsaufwand einhergeht. Das können wir nicht befürworten, und daher werden wir dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Mitterer und Zwanziger.)

11.54


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Lugsteiner zu Wort. – Bitte.

 


11.54.48

Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Eine Lebensstellung gibt es nicht mehr. Umschulungen, Arbeitsplatzwechsel und das Risiko von Arbeitslosigkeit sind heu­te häufiger als früher.

Atypische Arbeitsverhältnisse haben auch die Beschäftigungsbedingungen dramatisch verändert. So gibt es zum Beispiel die neuen Selbständigen. Unter diesen rund 37 000 Ein-Personen-Unternehmen dürften sich rund 10 000 Künstlerinnen und Künstler befinden, für die dies oft soziale Unsicherheit oder auch sozialen Abstieg bedeutet. Das soziale Ri­siko ist selbst zu tragen. Das trifft besonders im Bereich der Kunst zu. Dort findet ein ständiger Wechsel zwischen Zeiten der Arbeit und solchen der Arbeitslosigkeit statt. Aber auch prekäre Arbeitsverhältnisse sowie Leih- und Teilzeitarbeit finden sich bei Kunst­schaffenden in hohem Ausmaß. Bei Künstlern sind Kurzzeit- und Werkverträge oder Ar­beit auf Honorarbasis die Regel.

Kultur ist aber auch ein Wirtschaftsfaktor, wie man nicht zuletzt anlässlich der Kultur­hauptstadt Linz 2009 gesehen hat. Darum müssen wir etwas für die betroffenen Men­schen tun.

Im Regierungsprogramm 2008 ist ein diesbezüglicher Programmpunkt festgehalten. Neun Ministerien waren in einer Arbeitsgruppe damit beschäftigt. Eine Studie zur Lage der österreichischen Künstlerinnen und Künstler hat ebenfalls dazu beigetragen, dass


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die Vorschläge auf den Tisch gelangt sind. Es gab einen intensiven Austausch mit be­troffenen Kreativen in unserem Land.

Nun liegt das Arbeitsergebnis vor: ein Kompetenzzentrum für Künstlerinnen und Künst­ler, ein One-Stop-Shop-Prinzip für die Anliegen unserer Kunstschaffenden – das heißt, nicht mehr selbst von Stelle zu Stelle laufen zu müssen. Diese Servicestelle wird sämt­liche Bereiche der Arbeitslosenversicherung und des Künstler-Sozialversicherungsfonds abdecken. Dies ist eine Erleichterung, drückt aber auch die Anerkennung für die Kunst­schaffenden Österreichs aus.

Die Fragen der Ruhendmeldung und der Vermeidung der Versicherungspflicht in Pha­sen, in denen keine künstlerische Arbeit geleistet wird, können so in sehr kurzer Zeit gelöst werden. Angesiedelt wird das Zentrum bei der Versicherungsanstalt der Ge­werblichen Wirtschaft.

Dessen ungeachtet wird es notwendig sein, die gesetzliche Definition künstlerischer Bühnenarbeit als echte Dienstleistung unangetastet zu lassen und in keinster Weise aus­zuhöhlen.

Ein Land, das weltweit für seine Kulturgüter berühmt ist und geachtet wird, hat die Pflicht, die Träger und Repräsentanten künstlerischen Schaffens in ihrem Tun zu fördern und zu unterstützen. Dieses Gesetz schafft dafür die nötigen Rahmenbedingungen in unse­rem Land, dient aber auch dem Wohle aller Menschen im Kulturland Österreich. (Bei­fall bei der SPÖ.)

11.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Per­hab zu Wort. – Bitte.

 


11.58.10

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Frau Kollegin Mühlwerth! Ein bisschen enttäuscht bin ich schon, dass ihr da nicht mitgeht (Bundesrätin Mühlwerth: Na geh, das tut mir jetzt aber leid! Bun­desrat Gruber: Aber das heißt auch was!), weil wir 2001 in einer gemeinsamen Regie­rung unter der Leitung von Staatssekretär Morak den ersten Schritt gesetzt haben, in Österreich eine soziale Absicherung der Künstlerinnen und Künstler zusammenzubrin­gen.

Wir haben das also eigentlich gemacht. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich weiß, ja! Ruf bei der ÖVP: So schaut’s aus!) Heute wäre der logische Schritt natürlich, eine Stufe weiter zu gehen und ein sensibles Arbeitsverhältnis wie jenes der Künstler abzu­sichern. Natürlich liegt es in der Natur der Sache, dass Künstler viel Freiheit und die Möglichkeit zu viel Kreativität möchten, und sie wollen aus diesen Gründen normaler­weise nicht unbedingt eine pflichtversicherungsmäßige Absicherung. Ich denke, Peter Handke oder Elfriede Jelinek werden wahrscheinlich nicht unbedingt zum Servicezent­rum der Sozialversicherung pilgern (Ruf bei der SPÖ: Sicher ist das nicht! Bundes­rätin Mühlwerth: ... schon gemacht!), aber es gibt Tausende andere Künstler, die die­se Sozialleistung, diese Pflichtversicherung sicher in Anspruch nehmen werden.

Ich möchte als Selbstständiger nur an Folgendes erinnern: Auch bei der Einführung der Pflichtversicherung für Selbstständige hat es unter unseren Vorfahren viele gegeben, die gesagt haben, sie brauchen das alles nicht. Vielleicht war damals die wirtschaftli­che Ertragsfähigkeit eines Unternehmens noch größer als heute und man konnte aus den Erträgen für das Alter vorsorgen. Gott sei Dank haben wir heute eine gewerbliche Pflichtversicherung für unsere Mitglieder. Ich glaube, es wird sich auch im Sinne der Künstler positiv entwickeln.


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Was die Kosten betrifft, muss ich Ihnen teilweise recht geben. Ich hoffe, Herr Bundes­minister, dass wir nach einem Jahr evaluieren können, ob das wirklich notwendig ist von der Struktur her, von der Mitarbeiterzahl her. Aber ich denke, es ist ein guter Ansatz.

Unsere Fraktion wird im Sinne der österreichischen Künstlerinnen und Künstler dieser Gesetzesnovelle zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.00


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet wäre Herr Bundesrat Zangerl. Da er sich nicht im Saal befindet, erteile ich dem Herrn Bundesminister das Wort. – Bitte.

 


12.00.30

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hunds­torfer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf auch hier im Bundesrat in Erinnerung rufen, warum wir das Ganze hier machen. Ein Teil der Geschichte ist schon erklärt worden.

2001 war der Beginn, und wir haben in der jetzigen Regierung das, was 2001 begon­nen wurde, fortgesetzt und auch beendet. Wir sind mit den Künstlerinnen und Künst­lern eineinhalb Jahre in einer interministeriellen Arbeitsgruppe zusammengesessen.

Warum kam es denn überhaupt zu diesem Wunsch? – Ich weiß nicht, ob sich die Da­men und Herren von den Freiheitlichen auch einmal zwei Minuten lang in die Situation von Kulturschaffenden versetzen können, um Folgendes zu verstehen: Es gibt Kultur­schaffende in diesem Land, die sind in Bezug auf den Vormittag pflichtversichert bei der BVA, weil sie an einer Akademie eine Lehrtätigkeit haben, und die sind in Bezug auf den Nachmittag im Rahmen irgendeiner Theater- oder Filmproduktion irgendwo versichert und die sind am Abend des gleichen Tages als Selbständige unterwegs, weil sie irgendwo eine Lesung machen.

Solche Beispiele gibt es, und die zeigen, dass es Künstler gibt, die an einem Tag bei drei verschiedenen Sozialversicherungen gemeldet sind. Ich kann Sie nur einladen: Unterhalten Sie sich mit dem heute nicht mehr so viel tätigen Herrn Morak, der wird Ih­nen erklären, wie sein Leben gelaufen ist! – Nicht Herrn Morak, Entschuldigung! (Ruf bei der ÖVP: Merkatz!) Merkatz. Danke! Beim Morak waren es nur zwei Versiche­rungen: Als Mitglied des Burgtheaters war er bei der BVA versichert, ansonsten bei der gewerblichen Wirtschaft. Ich bin beim „M“ hängengeblieben.

Wir haben gesagt, weniger ist mehr, und deshalb haben wir diese Servicestelle einge­richtet. Diese Servicestelle ist ja ein Schritt in dieses „Weniger ist mehr“, und diese Ser­vicestelle soll ja nicht dazu dienen, Verwaltung aufzublähen, sondern soll dazu dienen, Verwaltung zu vereinfachen. Das ist in Wahrheit der Hintergrund. Und diese Service­stelle wird auch Aktivitäten des sogenannten Künstlerausgleichsfonds übernehmen, wo es auch darum geht, für Kulturschaffende tätig zu sein, denn dieser Künstlersozialver­sicherungsfonds ist ja auch eine Einrichtung, wo es darum geht, künstlerisch Erwerbs­tätigen in speziellen Lebenslagen zu helfen.

Was wir auch tun, ist, mit der Ruhendstellungs-Meldung Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit zu geben, die selbständige künstlerische Tätigkeit ruhend zu stellen, wenn sie eine Zeit lang nicht selbständig tätig sind.

Langer Rede kurzer Sinn: Es ist das, was jetzt umgesetzt wird, das Ergebnis von ein­einhalb Jahren Diskussion, und es ist, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aus­schaut, auch ein Schritt in Richtung Verwaltungsvereinfachung.

Selbstverständlich wird evaluiert, das ist gar keine Frage, selbstverständlich wird nach einer gewissen Zeit auch hingeschaut, ob etwas nachzubessern, etwas nachzuholen ist.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 55

Dafür werden einerseits die Kulturschaffenden sorgen, weil es natürlich noch weitere Wünsche der Kulturschaffenden in Richtung sozialer Absicherung gibt, und auf der an­deren Seite haben wir natürlich auch die Verpflichtung, darauf zu achten, dass nicht unnötige Verwaltungskosten in die Zukunft transportiert werden. Das ist auch ganz klar.

Abschließend danke ich all denjenigen Damen und Herren des Bundesrates, die – und das ist die überwiegende Mehrheit – diesem Gesetz zustimmen werden. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 


12.04.37

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Ich möchte die Ausführungen des Herrn Bundesministers doppelt und dreifach unterstreichen, denn wenn wir uns zum Beispiel den Bericht „Zur sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler in Österreich“ anschauen, dann sehen wir, dass eine Musikerin durchschnittlich 700 € im Monat und ein Musiker 800 € im Mo­nat verdient.

Der Herr Minister hat Kollegen Morak genannt, der als Mitglied des Burgtheaterensem­bles eher in der Deluxe-Klasse der Künstlerinnen und Künstler angesiedelt ist, aber Künst­lerinnen und Künstler in Österreich sind einfach nicht nur Künstlerinnen und Künstler, sondern es gibt Bereiche, die besonders arm sind. Das sind zum Beispiel die Kompo­nistinnen und Komponisten, die heute versuchen, Zeitgenössisches zu schaffen, wofür der Markt gering ist. Gehen wir 300 oder 200 Jahre zurück, wo es keine Tonträger und nichts Derartiges gegeben hat, da war jedes Werk ein zeitgenössisches Werk, etwa wenn der Haydn etwas komponiert hat, das wir heute als Klassik hören. Das heißt, damals war alles zeitgenössisch und nichts war alt. Auf der anderen Seite sind gerade jene, die im zeitgenössischen produktiven Schaffen tätig sind, sicherlich in einer ganz schwierigen Situation.

Dazu kommt das, was der Herr Minister gesagt hat, und zwar die unterschiedlichen Versicherungen pro Tag. Durch das Masterstudium haben wir auch noch eine kleine Extrahürde dadurch geschaffen, dass talentierte Musiker, die sehr, sehr gute Lehrer oder Lehrerinnen sind, dann, wenn ihnen die entsprechende Ausbildung fehlt, von den Musikschulen nicht mehr beschäftigt werden können, denn in diesem Fall müssen es die Musikschulen selber zahlen und können das nicht budgetär verrechnen. Das heißt, wir haben da eine ganze Reihe von Fallen. Umso wichtiger ist dies Künstlerinnen- und Künstlerversicherung.

Ich verweise zum Beispiel auch auf das Seniorinnen- und Seniorenheim für Künstlerin­nen und Künstler in Baden, das derzeit, glaube ich, von Lotte Tobisch geleitet wird, aus einer Privatinitiative entstand und eigentlich zur sozialen Versorgung von älteren Künst­lerinnen und Künstlern völlig unverzichtbar ist – jetzt sage ich einmal: von solchen aus dem Großraum Wien, aus Niederösterreich und aus dem Burgenland –, und umso wich­tiger ist dieses Gesetz, und umso weniger verstehe ich, dass es heute hier überhaupt eine Gegenstimme gibt, denn der Bereich des künstlerischen Schaffens ist ganz enorm wichtig in Österreich, aber von der Sozialversicherungsseite eben bisher sehr benach­teiligt. Mit der heutigen Gesetzesvorlage wird eine entsprechende Sicherheit garantiert, die in diesem Bereich für ein Kulturland wie Österreich unumgänglich ist.

Daher: Überdenken Sie bitte Ihre Gegenstimme! Es ist in diesem Bereich wirklich Hand­lungsbedarf gegeben – und dieses Gesetz stellt einen sehr wichtiger Schritt dar. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.08



BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 56

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Zan­gerl. – Bitte.

 


12.08.10

Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Der vorliegende Beschluss des Nationalrates sieht die Einrichtung eines Servicezentrums für unsere Künstlerinnen und Künstler bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vor. Sinn dieses Servicezent­rums ist es, dass die Kunstschaffenden dort besser über die für sie geltenden sozial­versicherungsrechtlichen Bestimmungen informiert werden, um ihnen die Einhaltung von Pflichten, aber auch die Inanspruchnahme von Rechten zu erleichtern. Gleichzeitig wird KünstlerInnen in Hinkunft damit die Möglichkeit eingeräumt, ihre selbständige künst­lerische Erwerbstätigkeit ruhend zu stellen. Damit soll ein bestehendes Hindernis für den Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beseitigt werden.

Begründet wird die Gesetzesvorlage mit der häufig prekären Arbeitssituation von Künst­lern, die durch ihre atypischen Arbeits- und Erwerbsformen, durch Diskontinuität im Ein­kommen und der Erwerbsform, Mehrfachbeschäftigungen, kurzfristige und wechselnde Arbeitsverhältnisse sowie Leih- und Teilzeitarbeitszeiten gekennzeichnet ist. Daraus re­sultieren mannigfache Probleme etwa bezüglich der Abgrenzung zwischen Selbstän­digkeit und Unselbständigkeit sowie der Geltung unterschiedlicher Beitragssätze und Bei­tragsgrenzen, heißt es in den Erläuterungen.

Aus meiner Sicht ist dies eine wichtige Maßnahme, um die Lage der Kunstschaffenden zu erleichtern, ist doch gerade diese Berufsgruppe einem häufigen Wechsel in ihrer Be­schäftigung und ihrem Engagement unterworfen.

Besonders wichtig wird es sein, dass die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die Künstler umfassend über diesen neuen Service informiert, damit mög­lichst viele Beschäftigte dieser Berufsgruppe von diesem Angebot Gebrauch machen können. Darum stimme ich dieser Vorlage sehr gerne zu.

Wie viele Dienststellen hiefür notwendig sein werden, konnte leider nicht beantwortet werden. Nur: Wo die Dienststelle angesiedelt sein wird, scheint von vornherein klar zu sein. Ich erinnere deshalb an das deutsche Modell, wo zum Beispiel das BKA in Wies­baden beheimatet ist und der Oberste Gerichtshof in Karlsruhe angesiedelt ist.

Wir, die Länderkammer, sollten vielleicht einmal darüber nachdenken, ob automatisch immer alles in Wien angesiedelt sein muss. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Bei­fall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.11


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.11.2710. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2010 betreffend Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und Montenegro über soziale Sicherheit (865 d.B. und 902 d.B. sowie 8401/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 57

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 10. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. Ich bitte um den Bericht.

 


12.11.44

Berichterstatterin Mag. Muna Duzdar: Meine Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Be­schluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und Montenegro über soziale Sicherheit.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Kühnel.

 


12.12.36

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schulklassen! Es ist eigentlich nicht vorgesehen, dass zu diesem Tagesordnungs­punkt jemand spricht. Ich möchte, damit hier keine Zweifel auftreten, doch etwas zur Materie sagen, damit ich von der Frau Präsidentin keinen Ordnungsruf bekomme:

Meine Fraktion wird diesem Abkommen selbstverständlich zustimmen.

Ich habe mich jetzt zu Wort gemeldet und spreche, weil ich heute das letzte Mal im Plenum des Bundesrates bin, und soweit ich das beobachten konnte – seit 2003, als ich hier Einsitz genommen habe –, hat jeder Bundesrat/jede Bundesrätin, der/die diese Stätte verlassen durfte, musste und so weiter, eine kurze Abschiedsrede gehalten.

Da heute von den Materien nichts auf der Tagesordnung gestanden ist, zu dem ich mich unbedingt äußern könnte, weil ich kein Spezialist für das Soziale oder für die Landwirtschaft bin, habe ich mir erlaubt, jetzt zu diesem montenegrinischen Abkom­men die Stimme zu erheben. Ich bitte, das nicht falsch zu verstehen – denn wir wissen ja aus der Operette, dass gelegentlich mit Montenegro gewisse Absonderlichkeiten auftreten könnten. Wie gesagt, das hat sich zufällig so ergeben.

Dass ich von der Ausbildung und von meinem politischen und beruflichen Werdegang her ein bisschen ein Exote bin, ist mir bewusst, aber mit der Zeit ist es gelungen, dass hier, was für einen demokratischen Offizier ganz besonders wichtig ist, der Primat der Politik in jeder Richtung gegeben ist und andere Verhaltensweisen, Allüren und so wei­ter, die auftreten könnten, nicht stattfinden. – Zumindest habe ich das versucht.

Nun ein paar Gedanken. – Der erste Gedanke ist – das habe ich auch in den bald acht Jahren beobachten können –: Der Bundesrat wird immer wieder in Zweifel gezogen. Es gibt da die tollsten Äußerungen, auf die ich jetzt im Detail nicht eingehen möchte, aber unter dem Strich lässt sich in dieser Föderalismusdiskussion sagen, dass man sich in der Regel nicht selbst abschafft, sondern immer den anderen. Das ist die eine Erkenntnis! (Heiterkeit.)

Die zweite Erkenntnis ist: Die Personen, die sich zu diesem Thema äußern, sind nicht immer unbedingt nobelpreisverdächtig für Intelligenz. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 58

Daher darf ich zu einer gewissen Gelassenheit aufrufen, denn erstens gibt es uns im­mer noch, und zweitens braucht man für die Abschaffung des Bundesrates, um jetzt als Jurist zu sprechen, eine Zweidrittelmehrheit, und da ist die Frage, ob die zustande käme. Und wenn man eine Totaländerung der Verfassung durchführt, ist – soweit ich das gelernt habe – sogar eine Volksabstimmung notwendig. Wie eine solche ausgehen würde, sollte man nicht bereits jetzt prognostizieren.

Zum Föderalismus ein paar Gedanken – auch wenn ich Wiener bin und man den Wie­nern immer wieder vorwirft, dass sie zentral orientiert sind –: In Deutschland, in der Schweiz und in Österreich haben wir eine föderale Struktur unterschiedlicher Zusam­mensetzung, aber wir haben sie. Diese föderale Struktur hat, wenn sie ordentlich be­trieben wird, einen Vorteil: dass doch ein hohes Maß an sozialem Frieden in den Län­dern gegeben ist.

Es ist natürlich schon immer wieder zu beachten, dass da die Balance gegeben ist. Wenn ich mir die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches von Karl dem Großen bis 1806 ansehe, dann muss ich sagen, es hat immer Bestrebungen gegeben, dass die unteren Teile des Reiches immer mehr Rechte bekommen wollten, bis die Zentral­macht so geschwächt war, dass sie dann – man kann es so sagen – implodiert ist, je­denfalls abgeschafft worden ist. Daher ist es wichtig – auch in der Diskussion sollte das beachtet werden –, dass hier ein gewisses Gleichgewicht gegeben ist.

Wenn wir uns heute die 27 Länder der EU anschauen, dann stellen wir fest, dass in den meisten dieser Länder ein Zweikammersystem gegeben ist – mit unterschiedli­chen Rechten und Pflichten, das ist schon klar. Ein Land fällt mir im Moment ein, das nur eine Kammer hat – Herr Professor Konecny wird mich dann ergänzen –, nämlich Portugal. (Bundesrat Konecny: Aber einen Sitzungssaal für die zweite Kammer!) Ja, das stimmt, und dort finden immer die EU-Veranstaltungen statt. Ein sehr schöner Saal, das kann ich nur bestätigen.

Österreich ist jedenfalls mit dem Zweikammersystem sehr gut gefahren.

Eines soll man auch nicht unerwähnt lassen – das ist immerhin in diesem Jahr gewe­sen –: Wir haben im Zusammenhang mit dem Lissabon-Vertrag doch sehr wesentliche Rechte dazubekommen. Und es liegt jetzt nur an uns im Bundesrat, diesen Rahmen auch entsprechend auszufüllen. Da ist der EU-Ausschuss – und den erwähne ich zu­erst, weil ich gerade dem Vorsitzenden dieses Ausschusses Georg Keuschnigg ins Au­ge blicke – besonders wichtig. Mein Kollege Keuschnigg und auch sein Vorgänger Gott­fried Kneifel – er ist heute verhindert, hier zu sein – haben sich immer bemüht, hier ent­sprechend Flagge zu zeigen und den Rahmen auszufüllen.

Ein Anliegen ist mir persönlich immer die EU gewesen. Ich bin als glühender Europäer überzeugt davon, dass die EU etwas Gutes ist. Sicher hat jede Organisation gewisse Schwächen, das ist mir schon klar, aber wichtig ist, dass man voranschreitet. Und wenn man demokratisch voranschreitet, dann geht das immer etwas langsamer, als wenn irgendwo der große Zampano kommt und sagt, wo es langzugehen hat. In der Regel neigen diese Zampanos allerdings dazu, dass sie immer autoritärer und abgehobener werden und ihr Volk nicht in eine helle Zukunft, sondern eher – ich sage das jetzt so, weil ich Christ bin – in Richtung Hölle führen. Seien wir daher froh, dass wir langsam, aber stetig voranschreiten und einen guten Weg gehen.

Das Zweite ist – und das hat mich persönlich sehr gefreut –, dass ich am EU-Beitritt der Slowakei, Ungarns und so weiter und in der zweiten Phase Rumäniens und Bulga­riens mitwirken konnte. Andererseits hat man aber auch erkannt, dass man, wenn ein Land der EU beitreten sollte, vorher die Pflichten einfordert und nicht nachher sagt, die werden sich, wenn sie einmal drinnen sind, danach richten, denn die Rumänen haben durchaus gezeigt, dass man drinnen ist und dann trotzdem eine eigene Welt entwi­ckeln kann. Ich möchte nicht näher darauf eingehen.


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 59

Ein weiterer Punkt: Ich bin Atlantiker. Was heißt das? – Von meiner Warte aus gese­hen, dass die Demokratien schlicht zusammenhalten müssen, denn die echten Demo­kratien sind eine Minderheit, und daher kann nur im Zusammenwirken in einer globalen Welt Fortschritt erzielt werden.

Als Letztes möchte ich in diesem Zusammenhang etwas sagen, das mich sehr gefreut hat: dass damals Harald Himmer seine Funktion im Europarat zurückgelegt hat und ich die Gelegenheit bekommen habe, dorthin entsandt zu werden.

Das ist eine sehr schöne Zeit dort, ich fahre immer gerne nach Straßburg, auch zu di­versen Ausschusssitzungen, weil ich dort den Eindruck gewinne, dass etwas weiter­geht und dass auch das geschieht, was ich vorhin gesagt habe, nämlich, dass die De­mokratien zusammenhalten müssen, und weil ich die Erkenntnis gewonnen habe, dass es bei den 47 Mitgliedstaaten, die der Europarat hat, schon auch Abstufungen im de­mokratischen, rechtsstaatlichen Verhalten gibt.

Ich war hier auch Ordner meiner Fraktion, und in diesem Zusammenhang möchte ich mich bei meiner Fraktion und auch bei allen anderen herzlich dafür bedanken, dass es mir leichtgemacht worden ist, die entsprechenden Abstimmungsquoren sicherzustellen, damit der Gesetzeslauf, wenn man es so sagen kann, abgewickelt werden konnte.

Gerne war ich auch im EU-Ausschuss. Auch an dieser Stelle möchte ich mich bei dir, Georg, für die Leitung dieses Ausschusses bedanken – Gottfried, der heute verhindert ist, hier an der Sitzung teilzunehmen, werde ich es dann auch sagen – und dir sagen: Es war immer eine schöne Zeit dort!

Nun noch an alle hier, egal, welcher Fraktion sie angehören, ein Appell – auch wenn die Lampe hier beim Rednerpult schon blinkt, doch ich meine, man wird es mir heute gestatten, die Zeit zu überschreiten, aber man wird sehen, vielleicht geht es sich ja oh­nehin aus –: Wir müssen bezüglich der Staatsschulden etwas tun!

Meine Damen und Herren, es geht nicht an, dass man sagt: Na, nächstes Jahr fangen wir damit an! Wir müssen jetzt beginnen, denn aufgrund der demographischen Ent­wicklung haben wir sonst irgendwann ein fürchterliches Problem.

Und wenn immer wieder von manchen Leuten in Österreich gesagt wird, dass, wenn die Wirtschaft wächst, aufgrund des hohen Wachstums die Schulden zurückgezahlt wer­den können, dann muss ich sagen: Das mag schon stimmen, aber es ist bestenfalls die halbe Wahrheit, denn es gibt nun einmal in der Nationalökonomie nicht das permanent steigende Wachstum – das gibt es nicht! –, sondern es ist immer eine Wellenbewegung.

Auch der bedeutende britische Ökonom John Maynard Keynes, der immer wieder zi­tiert wird, hat gesagt: In guten Zeiten sparen und in schlechten Zeiten Geld ausgeben!

Aber wir denken immer nur ans Geldausgeben. Daher bitte meinen Appell mitzuneh­men: Wir müssen dieses Problem jetzt angehen und dürfen es nicht auf später ver­schieben!

Folgendes sage ich auch ganz offen, auch wenn das manche nicht gerne hören: Es wird uns nichts anderes übrigbleiben, als länger zu arbeiten! Es mag schon sein, dass ich bereits mit 55 darüber nachdenke, wie ich meine Pension gestalten werde, aber das geht nicht. Und die Gründe, warum das notwendig sein wird, sind uns ja allen klar.

Aber auch etwas Beruhigendes zum länger Arbeiten – ich habe das gestern im EU-Ausschuss schon kurz erwähnt –: Es gibt eine Studie, die besagt: Wer länger arbeitet, der lebt auch länger! Und das ist doch immerhin eine schöne Perspektive, die man hat: wenn man gerne länger leben möchte, dass man dann auch länger arbeitet! (Heiterkeit.)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Zeit im Bundesrat war für mich prägend und in jeder Richtung bereichernd. Da­


BundesratStenographisches Protokoll789. Sitzung / Seite 60

für möchte ich mich bei allen, die mich gefördert, begleitet und unterstützt haben, sehr herzlich bedanken.

Auf Wiedersehen! (Allgemeiner Beifall.)

12.23


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich begrüße hier im Raum die Schülerin­nen und Schüler der Handelsschule Neunkirchen, die nun ein paar außergewöhnliche Minuten hier im Bundesrat miterlebt haben.

Eine Grundsatzrede gibt es sonst eigentlich nur dann, wenn es einen Präsidenten­wechsel gibt (Heiterkeit), dennoch denke ich, es war dies eine Rede, der es zu folgen wert war.

Ich wünsche Ihnen, Herr Bundesrat Dr. Kühnel, und auch allen anderen Bundesräten, die ausscheiden beziehungsweise die heute zum letzten Mal hier sind, alles Gute für die weitere Zukunft! (Allgemeiner Beifall.)

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Weitere Wortmeldungen zum gegenständlichen Bericht liegen nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, 2. Dezember 2010, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Na­tionalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 30. November 2010, ab 14 Uhr, vorge­sehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

12.25.13Schluss der Sitzung: 12.25 Uhr

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Parlamentsdirektion

1017 Wien