Stenographisches Protokoll

104. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 23. Mai 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

Stenographisches Protokoll

104. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 23. Mai 2002

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 23. Mai 2002: 9.01 – 22.16 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz

2. Punkt: Bericht über den Antrag 663/A (E) der Abgeordneten Hermann Böhacker, Peter Haubner, Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 und die Verordnung betreffend Regelung der Ausbildung zum Zahnarzt geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Rezeptpflichtgesetz geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung aufgehoben wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird

8. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 636/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Gentechnik-gesetzes

9. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 455/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anordnung der Vernichtung von GVO-verunreinigten Anbauflächen

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz, das ATP-Durchführungsgesetz, das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz, das Bundesgesetz über das Verbot des In-Verkehr-Bringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind, und die Vollzugsanweisung betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung) geändert werden

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz und das Tierseuchengesetz (TSG) geändert werden


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 2

12. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 360/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von Separatorenfleisch in Österreich

13. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 376/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket für eine Totalreform der Bereiche Konsumentenschutz, Lebensmittelpolitik und Tiergesundheit

14. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 361/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer verpflichtenden, klaren und transparenten Kennzeichnung von tierischen Produkten

15. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 436/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mindestanforderungen für den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung und Tötung

16. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 20, 23, 24, 27 bis 34 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 18, 19, 21, 22 und 24

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 13

Ordnungsruf 146

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Antrag 688/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein generelles Verbot von "privaten Schusswaffen" gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 11. Juni 2002 zu setzen 35

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 35

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 158

Mag. Andrea Kuntzl 160

Mag. Eduard Mainoni 161

Paul Kiss 163

Mag. Terezija Stoisits 164

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 165

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 35

Fragestunde (22.)

Justiz 13

Mag. Johann Maier (163/M); Anna Elisabeth Achatz, Mag. Walter Tancsits, Dr. Gabriela Moser


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 3

Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 16

Mag. Ulrike Sima (173/M); Karl Freund, Franz Hornegger, Dr. Eva Glawischnig

Anna Elisabeth Achatz (168/M); Jakob Auer, Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Rainer Wimmer

Dr. Eva Glawischnig (171/M); Ing. Gerhard Fallent, Georg Oberhaidinger, Erwin Hornek

Georg Schwarzenberger (169/M); Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Robert Wenitsch, Emmerich Schwemlein

Heinz Gradwohl (174/M); Roland Zellot,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 4

Hermann Gahr, Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber

Ing. Gerhard Fallent (176/M); Matthias Ellmauer, Dr. Eva Glawischnig, Anton Heinzl

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (172/M); Anna Huber, Ing. Kurt Scheuch, Ing. Hermann Schultes

Karlheinz Kopf (170/M); Dr. Eva Glawischnig, Ing. Wilhelm Weinmeier, Ing. Erwin Kaipel

Katharina Pfeffer (175/M); Evelyn Freigaßner, Nikolaus Prinz, Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 13

Ausschüsse

Zuweisungen 33

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend völliges Versagen der Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik (3933/J) 109

Begründung: Dr. Alfred Gusenbauer 117

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 122

Debatte:

Friedrich Verzetnitsch 129

Dr. Alfred Gusenbauer (tatsächliche Berichtigung) 131

Reinhart Gaugg 132

Mag. Walter Tancsits 134

Karl Öllinger 135

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 138

Doris Bures 140

Sigisbert Dolinschek 142

Mag. Dr. Josef Trinkl 146

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 148

Renate Csörgits 150

Dr. Helene Partik-Pablé 152

Hermann Gahr 153

Mag. Werner Kogler 155

Gabriele Heinisch-Hosek 156

Robert Egghart (tatsächliche Berichtigung) 158

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik unter Mobilisierung der Rücklagen des AMS – Ablehnung 148, 158

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Abhaltung eines Jugendbeschäftigungsgipfels" – Ablehnung 156, 158

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1045 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz (1132 d. B.) 36

Redner:

Heidrun Silhavy 36

Dr. Alois Pumberger 39

Dr. Kurt Grünewald 43

Ridi Steibl 44

Rudolf Nürnberger 47

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 49

Sigisbert Dolinschek 51

Karl Öllinger 53, 75

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 55

Edeltraud Gatterer 58

Mag. Barbara Prammer 60

Evelyn Freigaßner 62

Theresia Haidlmayr 63

Dr. Reinhold Mitterlehner 65

Manfred Lackner 66

Mag. Beate Hartinger 67

Sophie Bauer 68

Karl Donabauer 69

Josef Horn 70

Dr. Brigitte Povysil 71

Mag. Dr. Josef Trinkl 72

Bernd Brugger 73

Maria Rauch-Kallat 74

Doris Bures 75

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Familienhospizkarenz, Zuleitung eines überarbeiteten Gesetzentwurfes – Ablehnung 55, 77

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Familienhospizkarenz, Anpassung des Familienhärteausgleichs an das EU-Recht – Ablehnung 63, 77

Annahme 76

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 663/A (E) der Abgeordneten Hermann Böhacker, Peter Haubner,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 5

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010 (1120 d. B.) 77

Redner:

Dieter Brosz 77, 92

Mag. Dr. Udo Grollitsch (tatsächliche Berichtigung) 81

Beate Schasching 81

Hermann Böhacker 83

Peter Haubner 85

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 86

Mag. Johann Maier 90

Mag. Dr. Udo Grollitsch 91

Reinhold Lexer 93

Stefan Prähauser 94

Hans Sevignani 96

Johannes Schweisgut 96

Emmerich Schwemlein 97

Karlheinz Kopf 98

Mag. Hans Langreiter 99

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg gemeinsam mit den Bundesländern Salzburg und Tirol für die Olympischen Winterspiele 2010 – Ablehnung 79, 100

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1120 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010 (E 134) 100

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1067 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (1100 d. B.) 100

4. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1068 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 und die Verordnung betreffend Regelung der Ausbildung zum Zahnarzt geändert werden (1101 d. B.) 100

5. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1069 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Rezeptpflichtgesetz geändert werden (1102 d. B.) 101

6. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (950 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung aufgehoben wird (1103 d. B.) 101

Redner:

Manfred Lackner 101

Dr. Alois Pumberger 103

Dr. Kurt Grünewald 105

Dr. Erwin Rasinger 107

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 108

Heidrun Silhavy 166

Dr. Brigitte Povysil 168

Mag. Christine Lapp 168


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 6

Ridi Steibl 169

Renate Csörgits 170

Mag. Beate Hartinger 171

Ing. Erwin Kaipel 172

Günter Kößl 173

Dr. Kurt Grünewald 173

Jutta Wochesländer 174

Dr. Kurt Grünewald (tatsächliche Berichtigung) 176

Dr. Gottfried Feurstein 176

Astrid Stadler 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die PatientInnenentschädigung nach Behandlungsfehlern – Ablehnung 166, 178

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Streichung der gleichheitswidrigen Haftungsregelung im Krankenanstaltengesetz und Schaffung einer verschuldensunabhängigen Medizinhaftung – Ablehnung 174, 178

Annahme der vier Gesetzentwürfe in 1100, 1101, 1102 und 1103 d. B. 178


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 7

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (967 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (1104 d. B.) 179

8. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 636/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Gentechnikgesetzes (1105 d. B.) 179

9. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 455/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anordnung der Vernichtung von GVO-verunreinigten Anbauflächen (1106 d. B.) 180


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 8

Redner:

Mag. Ulrike Sima 180

Ing. Kurt Scheuch 182

Dr. Eva Glawischnig 183

Nikolaus Prinz 185

Ludmilla Parfuss 186

Dr. Alois Pumberger 187

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 188

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 190

Ing. Hermann Schultes 192

Anna Elisabeth Achatz 193

Jutta Wochesländer 194

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anna Elisabeth Achatz, Ing. Hermann Schultes, Mag. Ulrike Sima, Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen zur Aufrechterhaltung des Gentechnik-Moratoriums – Annahme (E 135) 193, 195

Annahme des Gesetzentwurfes in 1104 d. B. 195

Kenntnisnahme der Ausschussberichte 1105 und 1106 d. B. 195

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1036 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz, das ATP-Durchführungsgesetz, das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz, das Bundesgesetz über das Verbot des In-Verkehr-Bringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind, und die Vollzugsanweisung betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung) geändert werden (1107 d. B.) 195

11. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1046 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz und das Tierseuchengesetz (TSG) geändert werden (1108 d. B.) 196

12. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 360/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von Separatorenfleisch in Österreich (1109 d. B.) 196

13. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 376/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket für eine Totalreform der Bereiche Konsumentenschutz, Lebensmittelpolitik und Tiergesundheit (1110 d. B.) 196

14. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 361/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer verpflichtenden, klaren und transparenten Kennzeichnung von tierischen Produkten (1111 d. B.) 196

15. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 436/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mindestanforderungen für den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung und Tötung (1112 d. B.) 196

Redner:

Mag. Johann Maier 196

Anna Elisabeth Achatz 198

Dr. Gabriela Moser 198

Franz Kampichler 199

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) 200

Anna Huber 200

Dr. Alois Pumberger 201

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 203

Ing. Hermann Schultes 204

Ludmilla Parfuss 205

Ing. Kurt Scheuch 206

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 208

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 208

Evelyn Freigaßner 210

Klaus Wittauer 210

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1107 und 1108 d. B. 211

Kenntnisnahme der vier Ausschussberichte 1109, 1110, 1111 und
1112 d. B. 212

16. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 20, 23, 24, 27 bis 34 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 18, 19, 21, 22 und 24 (1075 d. B.) 212

Redner:

Theresia Haidlmayr 212

Mag. Gisela Wurm 214

Dr. Gerhard Kurzmann 216

Edeltraud Gatterer 216

Rainer Wimmer 217

Hermann Reindl 218

Johann Kurzbauer 219

Dr. Robert Rada 219

Hermann Gahr 220

Anton Heinzl 221

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 222

Josef Horn 223

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1075 d. B. 224

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 33

1134: Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste

1138: Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Passgesetz 1992, das Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen und das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert werden (SPG-Novelle 2002)

1139: Bundesstraßen-Mautgesetz 2002

1140: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG) erlassen wird, und mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das MTD-Gesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

1142: Bundessozialämterreformgesetz – BSRG

Anträge der Abgeordneten

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Regelungen für eine verstärkte Qualitätssicherung bei der Verwendung von Blut und Blutprodukten (689/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen die weitere Ausdehnung des LKW-Transitproblems auf Oberösterreich und die Ostregion (690/A) (E)

Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Flüchtlingsbetreuung (691/A) (E)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 9

Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Fahrschulen (Fahrschulgesetz – FschulG) erlassen, das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz 1997 – FSG 1997) (BGBl. I Nr. 120/1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 65/2002) und das Kraftfahrwesen (Kraftfahrgesetz 1967 – KFG 1967) (BGBl. 1967/267 i.d.F. BGBl. I Nr. 65/2002) geändert werden (692/A)

Helmut Dietachmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend kostenlose Schutzimpfung für Feuerwehrleute (693/A) (E)

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem der Privatbesitz von Feuerwaffen verboten wird (Änderung des Waffengesetzes) (694/A)

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung eines Stabilitätsfonds für Klein- und Mittelbetriebe (695/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz und das Neugründungs-Förderungsgesetz geändert wird (696/A)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Recht auf ein Girokonto" (697/A) (E)

Zurückgezogen wurde der Antrag der Abgeordneten

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Familienhärteausgleich (668/A) (Zu 668/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend völliges Versagen der Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik (3933/J)

Gerhard Reheis, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Projektierung des zweigleisigen Bahnausbaus auf der Strecke Ötztal–Roppen im Generalverkehrsplan 2002 (3934/J)

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend "Aussagen des Landwirtschaftsministers, wonach Mountainbiking als Hauptursache für die Vertreibung des Wildes und in der Folge für Wildverbiss verantwortlich ist" (3935/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Zustimmung Österreichs zu wettbewerbsverzerrenden und verkehrssteigernden Steuerbegünstigungen für LKW-Diesel in Transit-Quellstaaten (3936/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Zustimmung Österreichs zu wettbewerbsverzerrenden und verkehrssteigernden Steuerbegünstigungen für LKW-Diesel in Transit-Quellstaaten (3937/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zustimmung Österreichs zu wettbewerbsverzerrenden und verkehrssteigernden Steuerbegünstigungen für LKW-Diesel in Transit-Quellstaaten (3938/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 10

Jakob Auer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend verpflichtende Standardausstattung von neuen Kraftfahrzeugen mit einem Handfeuerlöscher (3939/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aushebung einer türkischen Schieberbande (3940/J)

Edith Haller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen wegen Nichtdurchsetzung eines Aufenthaltsverbotes (3941/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "Gingko-Arzneimittelpräparate bzw. Nahrungsergänzungsmittel mit Gingko" (3942/J)

Sophie Bauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend weitere Aushöhlung der ländlichen Regionen durch Wirtschaftsräume und Finanzämter (3943/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schutz auch behinderter TrafikantInnen vor Überfällen (3944/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Einführung eines verbindlichen Gehör-Screenings bei Kindern im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen (3945/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Erstellung eines 4. Berichtes zur Lage der Jugend (3946/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) (3947/J)

Inge Jäger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Koordinationsbüros der österreichischen EZA des BmaA (3948/J)

Inge Jäger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend "call for proposal" (3949/J)

Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend weitere Aushöhlung der ländlichen Regionen durch Wirtschaftsräume und Finanzämter (3950/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) (3951/J)

Inge Jäger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) (3952/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 11

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) (3953/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Aufklärungsquote in Wien" (3954/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Aufklärungsquote in Salzburg" (3955/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Aufklärungsquote in Vorarlberg" (3956/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Aufklärungsquote im Burgenland" (3957/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Privatisierung der Bundesforste und Ausverkauf der heimischen Wälder (3958/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend gesetzwidrigen Postenschacher in der Sozialversicherung (3959/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (3654/AB zu 3685/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen (3655/AB zu 3666/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (3656/AB zu 3686/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (3657/AB zu 3700/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (3658/AB zu 3667/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen (3659/AB zu 3692/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen (3660/AB zu 3701/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen (3661/AB zu 3648/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen (3662/AB zu 3702/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (3663/AB zu 3792/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel, Kolleginnen und Kollegen (3664/AB zu 3661/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 12

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (3665/AB zu 3674/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (3666/AB zu 3680/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (3667/AB zu 3689/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen (3668/AB zu 3693/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen (3669/AB zu 3694/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen (3670/AB zu 3699/J)

 


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 13

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne die 104. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Martin Graf, Haller, Ortlieb, Sodian, Dr. Van der Bellen, Dr. Mertel, Dr. Einem, Faul, Dr. Kräuter, Dr. Pilz und Dr. Lichtenberger.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die heutige Sitzung hat der Herr Bundeskanzler Mitteilung gemacht über Entschließungen des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt:

Außenministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner wird durch Bundesminister Dr. Molterer vertreten, Bundesminister Dr. Bartenstein durch Staatssekretärin Mares Rossmann, Bundesminister für Landesverteidigung Scheibner durch Bundesminister Mag. Haupt und Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Reichhold durch Bundesminister Böhmdorfer.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Ich beginne jetzt, um 9.02 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Justiz

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage wird von Herrn Abgeordnetem Mag. Maier vorgetragen. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Viele europäische Staaten haben Verbraucherausschüsse (Abg. Böhacker: Frage verlesen!) oder andere Gremien eingerichtet.

Meine Frage lautet:

163/M

Wie stehen Sie zum Gesetzesvorschlag des Abgeordneten Mag. Maier und KollegInnen, einen kompetenten Konsumentenschutzrat einzurichten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich kenne Ihr Engagement im Bereich des Konsumentenschutzes und schätze es sehr. Diesem Vorschlag gegenüber bin ich aber eher skeptisch eingestellt, muss ich Ihnen ganz offen sagen, denn dieser Gesetzesvorschlag ist eher schwerfällig. Es handelt sich um eine sehr große Behörde von 26 Mitgliedern, und sie ist, so, wie Sie sie einrichten wollen, eine Vermischung von Unter


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 14

suchungs-, Kontroll- und Beratungsorgan. Sie verspricht meiner Erfahrung nach in dieser Konstruktion keinen wirklichen Impuls für den Konsumentenschutz.

Sie wissen, dass ich mich mit dem Konsumentenschutz sehr intensiv befasse. Ich glaube, dass Österreich einen Konsumentenschutz benötigt, der frei von der Umklammerung durch die Sozialpartner und auch frei von Einflussnahmen durch den Staat ist, der selbständig ist. Um eine solche Zielsetzung kämpfe ich sehr, und um die bemühe ich mich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Nach dem Datenschutzgesetz ist ein Datenschutzrat eingerichtet, der genau dieselbe Aufgabe hat wie der von uns geplante Konsumentenschutzrat. Wie stehen Sie – und das ist meine Frage – zur Tätigkeit des Datenschutzrates, der die Bundesregierung in ganz wesentlichen Fragen des Datenschutzrechtes unterstützt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Es handelt sich um eine bestehende Einrichtung, der gegenüber ich natürlich positiv eingestellt bin. Aber man darf den Datenschutzrat und die Datenschutzproblematik nicht mit einem Konsumentenschutzrat und der Konsumentenschutzproblematik verwechseln. Beim Datenschutz geht es um sehr schwierige Rechtsfragen, insbesondere auch Grundrechtsfragen, um das Spannungsfeld zwischen Grundrechten und anderen Ansprüchen, die auf diesem Gebiet herangetragen werden, die eine andere Lösungskapazität erfordern als die Fragen im Konsumentenschutzbereich.

Im Konsumentenschutzbereich geht es um Selbständigkeit, um Kreativität im Alltagsleben und auch um Unbefangenheit gegenüber jenen, die den Konsumentenschutz täglich bedrohen. Und dazu gehört eben jene Struktur, die mir vorschwebt und die ich beschrieben habe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Achatz, bitte.

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Auf welchen Gebieten werden Sie den Konsumentenschutz in der Praxis in der nächsten Zeit vorantreiben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir werden insbesondere die Heimverträge überprüfen, das heißt jene Verträge, die von Pflegeheimen insbesondere mit Senioren abgeschlossen werden und vielfach Lastigkeiten zu Gunsten des wirtschaftlich Übermächtigen, nämlich der Heime, beinhalten. So können zum Beispiel Heiminsassen gegen ihren Willen einen zu Pflegenden in ihr Zimmer bekommen, können verlagert werden, es können die Bedingungen geändert werden und so weiter.

Wir werden uns ferner mit den Stromversorgungsverträgen befassen, nämlich mit den Geschäftsbedingungen dazu, die zum Teil die gleiche Ungewichtigkeit aufweisen. Sie sind wenig transparent. Auch im Bereich der Anschlusskosten gibt es hier, wie wir wissen, Probleme.

Darüber hinaus werden wir uns auch mit den irreführenden Gewinnspielen befassen, weil sie die Bevölkerung wirtschaftlich unter Druck setzen. Hier müssen wir, wie ich es zuvor beschrieben habe, spontan, unbefangen und unbelastet von Zugriffen Dritter agieren können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Tancsits, bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Bundesminister! Als Zusatzfrage zur Frage des Kollegen Maier, ein echtes Konsumentenschutzanliegen: Wie gedenken Sie mit der Vorab


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 15

entscheidung des EuGH bezüglich immateriellen Schadenersatzes umzugehen? Welche Konsequenzen werden wir auf Grund der so genannten Reiserichtlinie ziehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Diese Vorabentscheidung wirkt sicher zwingend auf die innerösterreichische Judikatur der Gerichte. Sie bezieht sich auf das so genannte immaterielle Schadenersatzrecht. Im vorliegenden Fall geht es um Entschädigung wegen entgangenen Reisevergnügens. Meines Wissens kommt in dieser Woche eine Entscheidung des zuständigen Gerichtes in Oberösterreich, die wir dahin gehend erwarten, dass dem immateriellen Schadenersatzrecht, das heißt dem Zuspruch des immateriellen Schadens, in Österreich ein neuer Impuls versetzt wird.

Wir haben im Ministerium eine Arbeitsgruppe, und unser derzeitiges Ziel ist es, den imma-teriellen Schadenersatz, wenn sich die Notwendigkeit ergibt – und das erwarten wir –, im Bereich des ABGB zu integrieren und kein neues eigenes Gesetz zu machen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Moser, bitte.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Ihre Bemühungen für den Konsumentenschutz haben Sie wiederholt dargestellt. Mein Antrag betreffend Schadenersatz bei entgangener Urlaubszeit wird aber bereits seit zwei Jahren in Ihrem Ministerium sozusagen schubladisiert. Jetzt erst greifen Sie das auf. Auf der anderen Seite aber (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Frage!) haben wir immer Probleme mit der Finanzierung des Konsumentenschutzes.

Meine Frage lautet deshalb: Welche Lösung zeichnet sich ab, um das finanzielle Überleben des VKI, einer vergleichsweise unabhängigen Konsumenteninformationsstelle, auch in Zukunft zu gewährleisten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich bedanke mich für den Hinweis, dass Ihnen endlich etwas zu langsam geht, Frau Abgeordnete. Normalerweise werden wir kritisiert, weil wir zu schnell arbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das zeigt, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden.

Ich glaube, dass ich mich auch im Bereich des VKI auf dem richtigen Weg befinde. Wir bemühen uns derzeit, mit den Sozialpartnern Gespräche zu führen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf folgende Vorgeschichte: Die Sozialpartner haben der Republik Österreich die Zusammenarbeit im VKI aufgekündigt, wodurch es unmöglich war, den Mitgliedsbeitrag zu bezahlen, weil wir ja die Verwendung der Mitgliedsbeiträge kontrollieren müssen. Das ist ein Verfassungsgebot.

In diesem Schwebezustand befinden wir uns jetzt. Ich habe vor zirka 14 Tagen den Sozialpartnern einen sehr umfassenden konkreten Vorschlag über die Neugestaltung der Zusammenarbeit gemacht. Ich denke, dass dieser Vorschlag akzeptabel ist.

Grundsätzlich verfolge ich einen Konsumentenschutz beziehungsweise die Stabilisierung des Konsumentenschutzes unabhängig von den Sozialpartnern, unabhängig von der Republik Österreich, also unabhängig von Zugriffen von außen, aber unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere – schauen Sie bitte auf die Galerie! – auch der Jugend und der Senioren. Wir haben zwei Millionen Senioren mit einer Kaufkraft von 400 Milliarden Schilling, die derzeit noch von der Mitwirkung im VKI ausgeschlossen sind. Das verstehe ich nicht, und das will ich ändern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das war die Anfrage betreffend den Justizbereich, die noch von der letzten Fragestunde übrig geblieben ist. Weitere Anfragen an den Herrn Justizminister liegen nicht vor.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 16

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Anfragen an den Herrn Landwirtschaftsminister.

Frau Abgeordnete Sima wird die Anfrage 173/M formulieren. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

173/M

Was sagen Sie zu den Ergebnissen der kürzlich bekannt gewordenen Studie der EU-Kommission, die besagt, dass der Einsatz der Gentechnik eine Erhöhung der Kosten für die Biobauern um 40 Prozent mit sich bringt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Diese Studie wurde seitens der Generaldirektion Forschung in Auftrag gegeben. Kommissar Fischler hat sie bereits am 13. Februar des heurigen Jahres angekündigt, es kann daher nicht von einer Geheimstudie gesprochen werden.

Ich möchte Sie darüber informieren, dass sie seit heute auch im Internet zum Download zur Verfügung steht.

Nach den mir vorliegenden Informationen bezieht sich Ihre Frage auf ein Zitat, das von "Global 2000" veröffentlicht wurde. Mein Informationsstand ist, dass das nicht den Tatsachen entspricht, sondern dass sich die Fragestellung der Studie auf die Zusatzkosten des Saatgutes bezieht, in diesem Fall auf jene von Raps-Saatgut.

Ich kann manches von dem, was mir an öffentlicher Information vorliegt, selbst nicht nachvollziehen. Wir werden diese Studie daher sehr exakt prüfen. Es ist beispielsweise enthalten, dass bei anderen Produkten, etwa bei Mais oder Kartoffeln, diese Zusatzkosten bei Saatgut zwischen 1 und 9 Prozent festgelegt werden.

Unabhängig davon wissen Sie, dass ich für den Ausbau des Bio-Landbaus in Österreich eintrete. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Sima, bitte.

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Bundesminister! Die negativen Auswirkungen der Gentechnik auf die biologische Landwirtschaft sind, denke ich, unbestritten.

Wie können Sie sich angesichts der Ergebnisse dieser Studie gegen eine gentechnikfreie Zone Österreich aussprechen, wie Sie es gestern getan haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Ich erinnere an die Diskussion im Agrarausschuss im Rahmen der aktuellen Aussprache, die aus meiner Sicht sehr positiv war. Ich habe dort gesagt, dass ich eine sachliche Diskussion über die Frage führen möchte, was mit "gentechnikfreier Zone" gemeint ist. Zweitens sind die Voraussetzungen für eine weitere Vorgangsweise – wie auch, höre ich, im Nationalrat beabsichtigt – mit exakten Vorarbeiten zu begründen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Freund, bitte.

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Bundesminister! Ist Ihrer Ansicht nach die kürzlich vorgestellte Studie von Dr. Müller – er ist Mitglied der Gentechnik-Kommission – ausreichend,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 17

um die Frage des Nebeneinanders von Bio-Landwirtschaft und konventioneller Landwirtschaft endgültig zu beantworten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Diese Studie ist ein wertvoller Beitrag. Sie spricht eingangs davon, dass es mehrere Möglichkeiten gibt – vom Anbaumanagement über beispielsweise biologisches Containment bis hin zu Maßnahmen im Rahmen der Saatgutproduktion. Sie beschäftigt sich in der Folge aber ausschließlich mit der Frage gentechnikfreier Zonen. Sie beantwortet Fragen, lässt aber auch Fragen offen. Daher ist aus meiner Sicht jedenfalls zusätzliche Arbeit notwendig, bevor eine Entscheidung getroffen werden kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Hornegger, bitte.

Abgeordneter Franz Hornegger (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Die Studie aus Oberösterreich ist schon angesprochen worden. Wäre es Ihrer Meinung nach nicht sinnvoll, dass wir in Österreich gänzlich genfrei produzieren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wir produzieren derzeit gänzlich genfrei. (Die Abgeordneten Dr. Glawischnig und Dipl.-Ing. Pirklhuber: Gentechnikfrei!)  – Gentechnikfrei, Entschuldigung! Sie sehen, man muss mit der Sprache sehr vorsichtig sein. Danke für diese Korrektur.

Wir produzieren gentechnikfrei, und ich habe auch mit der Verordnung nach dem Saatgutgesetz Sorge dafür getragen. Wie Sie wissen, tritt Österreich für die Verlängerung des Moratoriums in der Europäischen Union ein.

Ich bin trotzdem für eine differenzierte Diskussion etwa hinsichtlich der Frage, was für gentechnikfreie Saatgutproduktion notwendig ist. Ich mache aber darauf aufmerksam, dass es Bereiche geben kann – etwa in der industriellen Produktion, Stichwort "Stärke" –, in denen wir diese Technologie möglicherweise nicht von vornherein ausschließen sollten. Ich bin daher für eine seriöse, wissenschaftlich fundierte Debatte, nach der Entscheidungen getroffen werden sollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig, bitte.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Umweltminister! Sie haben jetzt eine Positionsänderung angekündigt. Sie sind bereit, die Möglichkeit einer gentechnikfreien Zone Österreich zu prüfen.

Ich frage Sie konkret: Sind Sie bereit, ÖPUL-Fördermaßnahmen an Gentechnikfreiheit zu binden? Sind Sie bereit, Haftungsregelungen zu verbessern? (Abg. Böhacker: Eine Frage! – Abg. Dr. Khol: Das sind zwei Fragen!) Und sind Sie bereit (Abg. Dr. Khol: Dritte Frage!)  – wo ein politischer Wille, da ein Weg! –, auch hier eine politische Führungsrolle zu übernehmen und sich politisch massiv für eine gentechnikfreie Zone auszusprechen? (Abg. Mag. Schweitzer: Selbstverständlich!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eigentlich ist nur eine Zusatzfrage gestattet, aber die Minister sind immer großzügig beim Beantworten. – Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Interpretieren Sie nicht etwas hinein, was ich nicht gesagt habe! Ich habe gesagt, ich bin für die exakte Vorbereitung von Entscheidungen und möchte beispielsweise wissen, was mit "gentechnikfreier Zone" eigentlich gemeint ist. Es ist für mich ein


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 18

Unterschied, ob ich über die Frage Saatgutproduktion rede oder eine generelle Debatte führe. Sie wissen, dass ich in der Frage nie eine Schwarz-weiß- oder Ja-nein-Position vertreten habe.

Ich werde daher auch heute nicht das sagen, was Sie gerne hören würden, Frau Abgeordnete. Ich werde aus diesem Grund auch im Bereich des ÖPUL einer derartigen Vorstellung nicht folgen, bin aber dafür, dass die im Hohen Haus diskutierte umfassende Studie inklusive der Haftungsfragen rasch in Auftrag gegeben wird.

Ich trete dafür ein, dass das Moratorium in Europa verlängert wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum dritten Thema. – Frau Abgeordnete Achatz, bitte.

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

168/M

Werden Sie in den EU-Gremien eine härtere Gangart gegen das wettbewerbsverzerrende 73-Milliarden-$-Agrar-Subventionspaket der USA vorschlagen, zum Beispiel eine formelle Beschwerde bei der WTO?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Die Vorgangsweise der Vereinigten Staaten entspricht nicht dem, was die Vereinigten Staaten in den Verhandlungen vertreten, sondern sie ist, würde ich sagen, das pure Gegenteil. Man könnte dazu auch sagen: Wasser predigen und Wein trinken.

Die entscheidende Frage wird jene sein, ob die USA mit ihrer Vorgangsweise die WTO-Spielregeln, zu denen sie sich selbst verpflichtet haben, verletzen oder nicht. Das wird derzeit seitens der EU-Kommission sehr exakt geprüft. Das tut aber nicht nur die Europäische Union, sondern beispielsweise auch Australien. Österreich würde im Falle einer Verletzung und eines Vorschlags der Kommission für ein Streitschlichtungsverfahren dieses selbstverständlich unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Die Europäische Union ist vom Weizen-Exportraum zum Weizen-Importraum geworden. Die Kommission hat die 10-Dollar-Abgabe beziehungsweise -Zölle pro Tonne abgeschafft.

Ich frage Sie: Welche Möglichkeiten hat Österreich, diese äußerst nachteilige Maßnahme der Kommission zu reparieren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Wir haben deswegen eine absolute Sondersituation, weil wir geringere Ernten im Qualitätsweizenbereich hatten. Ich gehe davon aus, dass das nicht die Normalsituation sein wird.

Es ist deshalb entscheidend, dass die Kommission dazu beiträgt, dass wir im Bereich der Entwicklung – Stichwort etwa "Flächenstilllegung" – richtig reagieren, damit wir nicht auf Dauer in eine derartige Importsituation kommen. Diese würde ich nämlich für absolut falsch halten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Auer, bitte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 19

Abgeordneter Jakob Auer
(ÖVP): Herr Bundesminister! Die Amerikaner machen derzeit die Schotten dicht. Welche Konsequenzen hat das US-Agrar-Subventionspaket Ihrer Ansicht nach für die europäische Position?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich meine, dass das Vorgehen der Vereinigten Staaten eigentlich die europäische Position stärkt, und zwar insofern, als unser europäisches Modell der Landwirtschaft damit eigentlich bestätigt wird. Wir werden auch deshalb bestätigt, weil die Vereinigten Staaten vor allem im Bereich der Blue-Box- und der Green-Box-Maßnahmen ihre Unterstützungen aufstocken – im Bereich der Blue-Box etwa jene Maßnahmen, die sie bisher bekämpft haben. Die politische Position der Europäischen Union ist daher eigentlich stärker als vorher.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Bundesminister! Sie haben die Spielregeln der WTO angesprochen. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das Prinzip der Ernährungssouveränität in der WTO verankert wird, um hohe ökologische und soziale Standards in der Lebensmittelproduktion international zu verankern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter, Sie wissen, dass die WTO eigentlich die Zielsetzung hat, Spielregeln für den Handel zu definieren. Ich meine, dass es eine Aufgabe ist – und das wurde in Doha eingeleitet; das halte ich für positiv –, dass hier nicht nur die ökonomischen, sondern auch die ökologischen und sozialen Fragestellungen, etwa zu den Themen Handel und Umwelt, gleichwertig in die Diskussion einbezogen werden. So gesehen hat Doha einen Fortschritt gebracht, weil nun zum Beispiel als Teil der Verhandlungen die Zielsetzung fixiert ist, den bisher möglichen und auch faktischen Widerspruch zwischen Agrar- und Umweltabkommen aufzulösen. Ein Teil der europäischen Strategie bezieht sich dabei insbesondere auf das Thema Lebensmittelsicherheit, die aus meiner Sicht auch vorbeugende Lebensmittelsicherheit bedeuten muss.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Wimmer, bitte.

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Bundesminister! Das amerikanische Beispiel zeigt, dass Europa den weltweiten Subventionswettlauf nicht gewinnen kann.

Herr Bundesminister! Sind Sie mit uns einer Meinung, wenn wir sagen: Europa braucht ein eigenständiges Agrarmodell, das gentechnikfrei ist, in dem ökologische und soziale Komponenten wesentliche Bestandteile sind, ein Agrarmodell, das der Gesundheit der Verbraucher verpflichtet ist!? Teilen Sie diese unsere Auffassung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Ich teile diese Auffassung insofern, als ich auch der Meinung bin, dass der Wettlauf im Subventionsbereich nicht richtig ist.

Europa tritt dafür ein, dass beispielsweise im Exporterstattungsbereich alle relevanten Fragestellungen inklusive der Exportkredite geprüft werden und auch entsprechende Absenkungsschritte erfolgen. Europa tritt dafür ein, dass die eigenständige europäische Politik im Rahmen der WTO möglich ist und möglich bleibt, und hat ein Agrarmodell, das der Multifunktionalität, der Nachhaltigkeit, der flächendeckenden Bewirtschaftung und der Wettbe


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 20

werbsfähigkeit verschrieben ist. Insofern geht Europa mit einem sehr klaren Konzept in diese Verhandlungen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 21

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Wir kommen zum vierten Thema. Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig formuliert die Anfrage 171/M. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

171/M

Welche Verbindlichkeit hat der Ministerratsbeschluss (30.4.2002) über die österreichische Nachhaltigkeits-Strategie mit dem Ziel einer ökologischen Steuerreform bis 2005, wenn Regierungsmitglieder den Beschluss zwei Wochen danach als "aus der Luft gegriffen" bezeichnen und sich offensichtlich nicht mehr daran erinnern können, zugestimmt zu haben?

(Abg. Böhacker: Haben Sie gestern nicht aufgepasst?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Wir können die Diskussion von gestern gerne fortsetzen. Ich beantworte Ihre Frage dahin gehend, dass Österreich im Rahmen dessen, was sich die Europäische Union als Zielsetzung vorgenommen hat, im Rahmen dessen, was auf Ebene der Vereinten Nationen als strategische Zielsetzung für Johannesburg vorgesehen ist, als eines der ersten Länder in einem breiten Dialog und Diskussionsprozess eine Nachhaltigkeits-Strategie erarbeitet hat. Ich bin stolz auf diese Entwicklung, weil ich meine, dass hier eine gute Zukunftsgrundlage gelegt ist.

Die Antragsformulierung lautet: "Wir" – das heißt mehrere Minister – "stellen daher den Antrag, die Bundesregierung wolle von diesem Bericht Kenntnis nehmen, die zugrundeliegende Öster-reichische Strategie zur nachhaltigen Entwicklung beschließen und den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit der Koordination des Umsetzungsprozesses beauftragen."

Zum Teil zwei Ihrer Frage halte ich fest: Das Ziel der Bundesregierung ist, die Steuer- und Abgabenlast zu senken, und im Rahmen dieses Steuersenkungsprogramms ist es selbstverständlich legitim und notwendig, die ökonomischen, die ökologischen und die sozialen Effekte der Steuerpolitik zu beurteilen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): In der so genannten Nachhaltigkeits-Strategie ist das Ziel enthalten, die Steuer- und Abgabenquote auf 40 Prozent zu senken. Das ist mit massiven ausgabenseitigen Einsparungen verbunden, das bedeutet weitere Kürzungen vor allem im Sozialbereich. Wie können Sie das der österreichischen Öffentlichkeit angesichts der jetzigen sozialen Lage erklären?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Ich weiß nicht, woher Sie diese Meinung nehmen. Denken Sie beispielsweise nur daran, dass wir mit dem Kinderbetreuungsgeld die Aufwendungen enorm gesteigert haben. (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Richtig ist allerdings: Wenn wir das Ziel der Abgabensenkung auf 40 Prozent erreichen wollen, dann müssen wir die Aufgabenstellungen des Staates überprüfen und vor allem die Effizienz der Aufgabenerbringung durch den Staat erhöhen. Das steht zweifelsfrei fest.

Das Ziel dieser Bundesregierung ist dabei selbstverständlich, die soziale Ausgewogenheit, die ökonomische Sinnhaftigkeit und die ökologische Verträglichkeit auf Basis der Nachhaltigkeits-Strategie im Auge zu haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Fallent, bitte.

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Was wurde von den angesprochenen Regierungsmitgliedern in diesem Zusammenhang tatsächlich festgestellt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Es wurde festgestellt, dass sich die gesamte österreichische Bundesregierung unmissverständlich zur Nachhaltigkeits-Strategie bekennt. (Abg. Dr. Glawischnig: Abspaltung von Riess-Passer!) Es wurde aber genauso festgestellt, dass es nicht Ziel der Nachhaltigkeits-Strategie ist, eine Steuererhöhungsdebatte zu führen, sondern das Ziel ist, die Steuern zu senken und die ökologische, ökonomische und soziale Wirkung des Steuersystems zu überprüfen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Oberhaidinger, bitte.

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Bundesminister! Welche konkreten Schritte halten Sie für erforderlich, um den Anteil der erneuerbaren Energien in Österreich tatsächlich signifikant zu erhöhen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Bevor ich Ihre Frage beantworte, möchte ich zur allgemeinen Information festhalten, dass Österreich hinsichtlich des Anteils erneuerbarer Energien in Europa Nummer eins ist.

Zweitens: Die europäischen Regelungen werden von uns massiv unterstützt. Sie wissen, dass derzeit zwei Entwürfe in Diskussion stehen. Der eine ist, in der Treibstoffrichtlinie den Anteil erneuerbarer Energien im Treibstoffsektor zu erhöhen und in der Verstromung zu erhöhen.

Das wird – drittens – aus meiner Sicht in Österreich auch zu einer Diskussion im Rahmen des ElWOG führen müssen. Eine Novelle des ElWOG ist aus meiner Sicht sinnvoll.

Das bedeutet viertens, die Effizienz im Förderungsbereich, Stichwort etwa "Kyoto-Strategie", auszuweiten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Hornek, bitte.

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie ist aus Ihrer Sicht das weitere Procedere zur Umsetzung der Nachhaltigkeits-Strategie?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wie ich schon gesagt habe, bin ich von der Bundes-regierung mit der weiteren Umsetzung beauftragt. Der nächste Schritt ist, ein "Komitee für nachhaltiges Österreich" mit Vertretern der Ministerien, der Interessenvertretungen und der Bundesländer einzurichten. Die Konstituierung ist im Juni dieses Jahres geplant. Es wird dazu einen Expertenbeirat geben, und parallel dazu laufen Informations- und Diskussionsveranstaltungen. Zwei haben schon stattgefunden, in Wien und in Graz, andere sind geplant. Im Übrigen steht diese Strategie im Internet zur breiten öffentlichen Diskussion zur Verfügung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur nächsten Anfrage bezüglich Agenda 2000. – Herr Abgeordneter Schwarzenberger, bitte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 22

Abgeordneter Georg Schwarzenberger
(ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

169/M

Welche grundsätzliche Position vertritt Österreich im Hinblick auf die Halbzeitbewertung der Agenda 2000?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! In Berlin wurde im Jahr 1999 die gemeinsame Agrarpolitik bis zum Jahr 2006 beziehungsweise teilweise 2008 festgelegt. Es wurde die Halbzeitbewertung vereinbart. Wir vertreten die Position, dass die Halbzeitbewertung dazu genützt werden sollte, die Agrarpolitik weiterzuentwickeln, und lehnen ein Junktim etwa mit der Erweiterung ab.

Zentrale Punkte Österreichs sind die Stärkung der ländlichen Entwicklung, die Verwirklichung der Strategie der obligatorischen Modulation in Europa, insbesondere die betriebsgrößenabhängige Modulation, die Fortsetzung der mengenregelnden Instrumente, vor allem der Milchquote, die Strategie der Verwaltungsvereinfachung und die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit, etwa dadurch, dass wir zu gemeinsamen Zulassungsregelungen im Bereich Betriebsmittel kommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Wir haben bei den Verhandlungen in Berlin zur Agenda 2000 von Seiten Österreichs sehr stark die Größendegression gefordert. Welchen Stellenwert wird diese Größendegression bei der "mid-term review", also in dieser Halbzeitbilanz haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass in Berlin ein freiwilliges System der Modulation in der Agenda verankert wurde. Sie wissen auch, welche Meinung ich dazu vertrete, nämlich dass wir das in Österreich nicht zur Anwendung bringen, weil wir die obligatorische Modulation anstreben. Es gibt mehrere Modelle, beispielsweise die Frage des Arbeitskräftebezuges, die Frage der Umweltwirkungen oder die Frage der Betriebsgrößendegression.

Es gibt aber auch ein Modell, das ich für nicht richtig ansehe, das schlicht und einfach eine Art lineare Modulation über alle Bereiche bringt, ohne dass sich etwas in der Sache selbst ändert. Wir sind daher mit unserem Modell letztendlich ein Teil der Überlegungen und versuchen, Verbündete für unser Modell zu finden, und hoffen, dass Länder, die bisher dagegen waren – das sind insbesondere sozialdemokratisch regierte Länder –, ihre Position der österreichischen Position annähern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Bundesminister! Sie haben sich bisher geweigert, über die notwendige Reform der Agrarpolitik zu diskutieren. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich habe hier erstmals Vorschläge von Ihnen gehört und frage Sie daher: Wann werden Sie die konkreten Vorschläge der österreichischen Bundesregierung zur Reform der Agrarpolitik der Öffentlichkeit und dem österreichischen Parlament vorlegen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Zu Ihrer Einleitung müsste ich sagen, dass Sie in der letzten Sitzung des Agrarausschusses nicht anwesend waren, Sie waren aber dort. (Abg.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 23

Dr. Khol: Da hat er geschlafen!) Das lässt nur eine andere Schlussfolgerung zu, nämlich dass Sie diese Diskussion nicht verfolgt haben. Ich trete selbstverständlich für eine Weiterentwicklung der Agrarpolitik ein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir werden unsere Position dann im Detail vorlegen, Herr Abgeordneter, wenn eine Position der Europäischen Kommission auf dem Tisch liegt, denn derzeit kennen wir ja nur Diskussionsvorschläge und Gerüchte. Und auf Gerüchten lässt sich Politik nicht aufbauen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Wenitsch, bitte.

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Zurzeit liegt ein Vorschlag der Europäischen Kommission auf dem Tisch, wonach Freihandelszonen mit pazifischen, afrikanischen und karibischen Staaten geschaffen werden sollen. Da davon meiner Meinung nach insbesondere der europäische Zuckermarkt betroffen wäre, würde ich von Ihnen gerne wissen: Wie ist Ihre persönliche Position zu diesem Vorschlag der Europäischen Kommission? Rechnen Sie damit, dass dieser Vorschlag der Europäischen Kommission in der EU eine Mehrheit findet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass Österreich massiv für die Verlängerung der Zuckermarktordnung eingetreten ist und damit auch Erfolg hatte. Die Initiative, die Sie zitiert haben, wird von mir äußerst kritisch beurteilt, und zwar sowohl was die zu erwartenden entwicklungspolitischen Effekte betrifft als auch die befürchteten Effekte für die europäische Zuckerindustrie und -wirtschaft.

Ich bin sehr interessiert daran, dass wir diese problematischen Auswirkungen vor allem auch mit Entwicklungsorganisationen analysieren. Das wird nämlich möglicherweise dazu führen, dass in diesen Regionen der Monokulturenanbau steigt, die Ausbeutung von Grund und Boden Faktum ist, diese Produkte letztlich exportiert werden und damit der dort ansässigen Bevölkerung die Lebensgrundlage entzogen wird. Diese kritische Diskussion ist notwendig und muss daher auch in diesem Zusammenhang sehr intensiv geführt werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schwemlein, bitte.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sind soziale Staffelung, gentechnikfreie Zonen und Stärkung des ländlichen Raumes Positionen, die Sie in Brüssel vertreten, Positionen, die Europa am Beispiel Österreichs weiterentwickeln soll?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Die Stärkung des ländlichen Raumes ist eine klare österreichische Position. Sie war und ist auch in der Agenda 2000 ein österreichischer Erfolg mit der Einführung der zweiten Säule, die es bis dahin nicht gegeben hat.

Betreffend Gentechnik habe ich Ihnen gesagt: Österreich tritt für eine Verlängerung des Moratoriums in Europa ein.

In der Frage Modulation habe ich hier meine Position erläutert. Wir sind für die betriebsgrößenabhängige obligatorische Modulation der Direktzahlungen aus den Marktordnungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit kommen wir zur 6. Anfrage. – Herr Abgeordneter Gradwohl, bitte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 24

Abgeordneter Heinz Gradwohl
(SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

174/M

Werden Sie dafür sorgen, dass die Inhalte der nunmehr fertig gestellten Studie "Arbeitszeiterhebung in der österreichischen Landwirtschaft" noch vor Ende der Legislaturperiode in Österreich und auf EU-Ebene umgesetzt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Diese Studie ist eine gute Arbeits- und Entscheidungsgrundlage. Sie wird selbstverständlich in agrarpolitische Überlegungen und Entscheidungen sowohl in Österreich als auch in der Europäischen Union mit einfließen. Sie ist nicht die einzige wissenschaftliche Grundlage, nach der ich Agrarpolitik betreibe, aber eine, die selbstverständlich, etwa bei der Frage der betriebsgrößenbezogenen Modulation, eine wichtige Argumentationsunterstützung darstellt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Bundesminister! Wird Ihnen diese Studie dabei behilflich sein, die von Ihnen bisher immer abgelehnte Art und Weise der Modulation, die die horizontale Verordnung zur Agenda 2000 vorsieht, in Österreich umzusetzen, oder nicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich habe Ihnen schon meine Meinung zu diesem Thema gesagt. Ich trete für eine obligatorische Modulation auf europäischer Ebene ein.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass diese Studie in ihrer Gesamtheit zu sehen ist, was die Frage der Arbeitszeiteffekte in den einzelnen Produktionssparten betrifft. Aber wir müssen in besonderer Weise dafür Sorge tragen, dass wir dabei vor allem auch die spezifische Situation des österreichischen Nebenerwerbs berücksichtigen, wo wir ja eine – würde ich sagen – eigenständige Situation und auch Strategie in der Europäischen Union verfolgen, weil andere Staaten in der Europäischen Union mit Arbeitszeiteffekten etwas völlig anderes meinen. Diese meinen, dass diese Arbeitsplatzeffekte für die Großbetriebe angewendet werden sollen und damit gegen die betriebsgrößenabhängige Modulation ins Treffen geführt werden. Wir müssen daher sehr ausgewogen mit diesen sehr guten wissenschaftlichen Ergebnissen umgehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Zellot, bitte.

Abgeordneter Roland Zellot (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Wie wurden in dieser Studie die Familienarbeitskräfte, insbesondere die Bäuerinnen, berücksichtigt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wir haben auf Basis der uns verfügbaren Daten eine Auswertung vorgenommen. Es sind insgesamt Daten von über 156 000 Betrieben zur Verfügung gestanden, und es ist selbstverständlich unabhängig vom Geschlecht die jeweilige Familienarbeitskraft herangezogen worden. Faktum ist, dass in vielen österreichischen Betrieben, vor allem in den Nebenerwerbsbetrieben, insbesondere Frauen de facto als Betriebsführerinnen – und damit auch unverzichtbar – ihre Leistungen erbringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Gahr, bitte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 25

Abgeordneter Hermann Gahr
(ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Gibt es bereits heute in Österreich agrarpolitische Instrumente, die den Faktor Arbeitszeit berücksichtigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Selbstverständlich gibt es die, und zwar eine ganze Reihe. Ich denke, dass wir beispielsweise im Bereich der Bergbauernförderung durch die Berücksichtigung des Viehbesatzes immer auf die Arbeitsplatzeffekte Rücksicht genommen haben, da ja Viehwirtschaft im Grünland Arbeit bedeutet. Wir haben dies etwa auch im Sockelbetrag für kleinere Betriebe im Berggebiet berücksichtigt. Wir haben aber auch im Umweltprogramm darauf Rücksicht genommen. Wir nehmen mit spezifischen Maßnahmen – Steilflächenmahd ist eines dieser Beispiele – selbstverständlich auf die Arbeitsplatzeffekte und auf die Arbeitsbelastung mit Rücksicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, dass die Bäuerinnen inzwischen ein Drittel der BetriebsleiterInnen ausmachen. Diese haben wirklich eine bedeutende Mehrbelastung.

Daher meine Frage an Sie: Werden Sie Aktivitäten setzen, um diese Mehrbelastung der Bäuerinnen abzugelten, insbesondere auch Modelle in der Landwirtschaft fördern, damit die Bäuerinnen auch einmal Urlaub vom Betrieb nehmen können?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Wir stellen mit unserer Agrarpolitik sicher, dass völlig unabhängig vom Geschlecht des Betriebsführers die Leistung des Betriebsführers abgegolten wird. Wir haben mit unseren Beratungsinitiativen, etwa dem Maschinenring, dem Betriebshilfering oder mit Ausbildungen, immer sehr spezifisch die Situation der Bäuerinnen berücksichtigt. Ich glaube, dass wir, um dieser Doppelbelastung entgegenzuwirken, tatsächlich mit Betriebshilfe oder Urlaubsvertretungen helfen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 7. Fragenkomplex, der das Kyoto-Protokoll thematisiert. – Bitte, Herr Abgeordneter Ing. Fallent.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 26

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent
(Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

176/M

Für wann ist mit einem Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls zu rechnen?


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 27

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden bis 31. Mai die Ratifizierungsprotokolle in New York hinterlegen. Derzeit ist der Ratifizierungsprozess in Japan und in Russland im Gange. Bei seinem Besuch in Österreich hat mir der russische Vizepremierminister versichert, dass die russische Regierung dem Parlament das Kyoto-Protokoll mit einem positiven Approach zur Verfügung gestellt hat. Wir gehen daher davon aus, dass mit Ende des heurigen Jahres beziehungsweise mit Beginn des nächsten Jahres die Rechtsverbindlichkeit des Kyoto-Protokolls gegeben ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Wurde mit den Bundesländern schon eine Einigung über die Finanzierung der notwendigen Maßnahmen getroffen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Auf Ebene der Mitarbeiter gibt es einen akkordierten Entwurf für eine derartige Strategie. Die Landesfinanzreferentenkonferenz hat einen Beschluss hinsichtlich der Umschichtung von Wohnbauförderungsmitteln zur Althaussanierung gefasst. Ich weiß, dass sich die Landeshauptleutekonferenz im Juni damit beschäftigen möchte, die Bundesregierung ebenfalls, sodass wir zeitgleich eine endgültige Abstimmung erreichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ellmauer, bitte.

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie sieht es mit der innerstaatlichen Umsetzung des Kyoto-Ziels aus?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass wir uns derzeit von der Zielerreichung entfernt haben. Die reale Entwicklung der CO2-Emissionen entspricht nicht unserer Zielsetzung. Umso vordringlicher ist es, dass wir den gesamten Maßnahmenmix im Rahmen dieser Klimastrategie sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene beschließen und dann Schritt für Schritt umsetzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig, bitte.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Umweltminister! Klimaschutz bringt Arbeitsplätze und entlastet die Umwelt. Wie weit sind die Verhandlungen mit dem Finanzminister gediehen, da es ja doch notwendig ist, auch von Seiten des Bundes eine Finanzierung bereitzustellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Wir haben beim Wirtschaftsforschungsinstitut eine Studie in Auftrag gegeben, die davon spricht, dass bei vollständiger Umsetzung der Klimastrategie des Kyoto-Forums etwa mit 25 000 zusätzlichen Jobs in Österreich zu rechnen ist.

Wir sind derzeit in der Endverhandlung für die politische Beschlussfassung der Klimastrategie, die ich für Juni im Ministerrat plane.

Hinsichtlich der Frage der konkreten Budgetaufstockung, die aus meiner Sicht notwendig ist, bereiten wir uns derzeit intensiv auf die Budgetverhandlungen für das Jahr 2003 vor.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Heinzl, bitte.

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Bundesminister! Ich möchte Sie konkret fragen: Welche Beiträge wird der Bund für den Klimaschutz in den nächsten Jahren aufwenden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Sie wissen, welche Zielsetzung das Kyoto-Forum verankert hat: dass es ein Plus von 1,25 Milliarden Schilling sein sollte – ich sage es noch in Schilling, weil das noch in der Schilling-Ära beschlossen wurde. Ich gehe davon aus, dass wir die gemeinsame Zielsetzung haben, dieses Niveau schrittweise zu erreichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 8. Anfrage. – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Bundesminister! In meiner Frage geht es natürlich wieder um die Gentechnikfreiheit Österreichs. Sie werden es erwartet haben. Meine Frage lautet:

172/M

Herr Bundesminister, was werden Sie angesichts der zu erwartenden GVO-Zulassungen auf EU-Ebene unternehmen, um die Gentechnikfreiheit der österreichischen Landwirtschaft aufrechtzuerhalten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Können Sie dem Fernsehpublikum bitte sagen, was "GVO" heißt?

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Gentechnisch veränderte Organismen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Erstens: Wir haben die rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich bereits verbessert, etwa mit der Verordnung nach dem Saatgutgesetz, die ja allgemein begrüßt wurde.

Zweitens: Österreich wird für die Verlängerung des Moratoriums auf europäischer Ebene eintreten.

Drittens: Zur Unterstützung dieses Moratoriums werden wir Studien hinsichtlich der gesundheitlichen, technischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Fragestellungen in Auftrag geben und insbesondere auch die Rechtsfragen im Rahmen der Haftung klären.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Bundesminister! Sie haben gerade Ihre Saatgut-Gentechnik-Verordnung angesprochen, in der ein Grenzwert von 0,1 Prozent festgelegt wird. In der heute schon angesprochenen Studie der Europäischen Union wird gerade unter diesem Aspekt die Forderung erhoben, gentechnikfreie Regionen zu etablieren, weil sonst ein Grenzwert von 0,1 Prozent nicht einhaltbar ist.

Herr Bundesminister! Warum wehren Sie sich nachhaltig gegen die Etablierung der gentechnikfreien Zone Österreich?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Sie haben in Ihrer Frage gerade einen Widerspruch formuliert, den ich aufklären möchte: Sie sprechen von gentechnikfreien Regionen und in derselben Frage von der gentechnikfreien Zone Österreich.  – Das sind zwei grundverschiedene Paar Schuhe, und bevor ich mich mit zwei verschiedenen Paar Schuhen beschäftige, möchte ich beide genau kennen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.  – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Warum? Wo ist der Unterschied?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Huber, bitte.

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Bundesminister! Welche Maßnahmen werden Sie setzen, sodass sich die Konsumentinnen und Konsumenten auf die Gentechnikkennzeichnung auch verlassen können? Und wenn bei einer Kontrolle gentechnisch veränderte und falsch


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 28

gekennzeichnete Lebensmittel gefunden werden, wie werden Sie dann für eine rechtzeitige Information der Konsumentinnen und Konsumenten sorgen, um welches Produkt es sich handelt und wo es angeboten wurde, damit sie nicht vorher schon verzehrt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Die Voraussetzung dafür ist, dass es auf europäischer Ebene klare Regelungen für die Rückverfolgbarkeit und für die Kennzeichnung gibt, die derzeit aus meiner Sicht noch nicht ausreichend vorhanden sind.

Wir treten daher massiv für diese sauberen rechtlichen Regelungen ein, damit der für das Lebensmittelrecht zuständige Kollege Haupt dann die entsprechenden Schritte setzen kann. Wir brauchen das auf europäischer Ebene, weil – wie Sie wissen – Lebensmittel, die in Österreich zum Verkauf angeboten werden, auch aus anderen Ländern der Europäischen Union, wenn nicht sogar darüber hinaus, kommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Scheuch, bitte.

Abgeordneter Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Da es eine breite Front von Bauern und auch Konsumenten gegen gentechnisch veränderte Organismen gibt, bringt heute die freiheitliche Fraktion im Kärntner Landtag einen Antrag ein, Kärnten als gentechnikfreie Zone zu deklarieren. (Abg. Dr. Glawischnig: Welche Überraschung! Warum bringt nicht die freiheitliche Fraktion hier einen Antrag ein? Den hätten Sie ja hier auch einbringen können!)

Herr Minister! Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Was werden Sie konkret unternehmen, um diese Initiative zu unterstützen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Ich werde nicht bei einer Entscheidung mitbestimmen, die der Kärntner Landtag zu treffen hat. Ich habe Ihnen aber schon mehrfach gesagt, dass ich für eine seriöse Diskussion dieser Frage bin, die uns saubere Entscheidungsgrundlagen bietet, weil wir die langfristige Wirkung beurteilen müssen, auch und in besonderer Weise aus Sicht der Landwirtschaft. Deswegen bin ich sehr dafür, dass wir diese Entscheidungsgrundlagen schaffen, um dann darauf basierend entscheiden zu können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Schultes, bitte.

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Herr Bundesminister! Sie haben in der Frage der Saatgutbeschaffung vorbildliche Regelungen für die österreichischen Bauern durchgesetzt. Wir können sicher sein, gentechnikfreies Saatgut zur Verfügung zu haben. Sie haben Ihre Kompetenzen maximal ausgeschöpft.

Gibt es andere Länder in Europa, die in ähnlicher Weise sicherstellen können, dass ihre Bauern gentechnikfreies Saatgut zum Anbau zur Verfügung haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Mir ist kein europäischer Mitgliedstaat bekannt, der derartige Regelungen beschlossen hat. Österreich war hier schnell, vorbildlich und effizient. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen damit zur 9. Anfrage. – Herr Abgeordneter Kopf, bitte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 29

Abgeordneter Karlheinz Kopf
(ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

170/M

Welche Umwelteffekte sind durch die Erweiterung der EU zu erwarten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Manchmal kann man mit der deutschen Sprache nicht alles so ausdrücken wie mit der englischen. Ich sage es daher auf Englisch: Enlargement is enrichment. – Das betrifft insbesondere die Umweltwirkung.

Die Anwendung der europäischen Umweltstandards wird zu enormen Verbesserungen im Luftbereich führen. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund der grenzüberschreitenden Schadstofftransfers ganz entscheidend.

Die Anwendung sowohl der Wasserrahmenrichtlinie und der Wasserschutzstandards als auch der abfallwirtschaftlichen Standards wird zu einer massiven Verbesserung über einen längeren Zeitraum führen, weil die Investitionen gigantisch sind und nicht von heute auf morgen getätigt werden können.

Wir erzielen positive Effekte insbesondere dadurch, dass Umweltdumping in einem größeren Wirtschaftsraum vermieden wird, dass wir durch die Erhöhung der Mitgliederzahl die Umweltstimme Europas stärken und dass wir die Biodiversität erhöhen, weil es in den Beitrittsländern noch viele Gebiete gibt, die als Rückzugsräume für viele Arten gelten und der Erhaltung der Artenvielfalt dienen.

Insgesamt meine ich daher, dass auch für die österreichischen Unternehmen in der Öko-Technologie in diesen Ländern viele wirtschaftliche Chancen gegeben sind.

Es gibt einen Bereich, der mit Sorge zu sehen ist, nämlich die Verkehrsentwicklung, die aber auch durch die Anwendung der Umweltstandards in der Kraftfahrzeugtechnologie und in der Kraftstofftechnologie durchaus kompensiert wird, sodass wir etwa für den Ozonbereich eine Entlastung von bis zu 40 Prozent erwarten können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Bundesminister! Österreich ist ja in Bezug auf die Umweltstandards ein Vorzeigeland. Nun geht es aber auch darum, in den Beitrittsländern die EU-Umweltvorschriften umzusetzen. Können Sie uns sagen, was Sie selbst bisher dazu getan haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Wir haben alle österreichischen Institutionen ganz aktiv aufgefordert, an den "Twinnings"-Programmen teilzunehmen. Das machen beispielsweise Abteilungen in meinem Haus oder das Umweltbundesamt. Wir sehen in diesen "Twinnings"-Projekten eine ganz große Chance, an der Umsetzung aktiv teilzunehmen. Wir waren und sind derzeit an insgesamt 14 "Twinnings"-Projekten beteiligt, sechs davon sind abgeschlossen.

Zweitens: Wir pflegen intensive bilaterale Kontakte, insbesondere mit unseren Nachbarländern. Das geht so weit, dass beispielsweise Kollegen aus den entsprechenden Ministerien dieser Länder in meinem Haus arbeiten und Erfahrungen sammeln. Im Sinne der regionalen Partnerschaft veranstaltet Österreich am 12. und 13. September eine Konferenz der Umweltminister der Kandidatenländer, damit auch von dieser Veranstaltung ein positiver Impuls ausgeht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig, bitte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 30

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig
(Grüne): Herr Umweltminister! Eine der großen Umweltbedrohungen sind die veralteten osteuropäischen Atomkraftwerke. Was werden Sie dagegen unternehmen, dass die Europäische Union eine Kreditaufstockung für die Aufrüstung und für die Neuinbetriebnahme von osteuropäischen Reaktoren vorbereitet?


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 31

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Bundesminister, bitte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 32

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer:
Frau Abgeordnete! Die österreichische Haltung in diesem Zusammenhang ist sehr klar: Wir treten in einem Mehr-Stufen-Plan dafür ein, dass erstens Reaktoren, die nicht den Standards entsprechen – wie beispielsweise Kozloduj, Ignalina oder Mochovce –, in einem verbindlichen Zeitraum geschlossen werden; dass es zweitens einheitliche europäische Sicherheitsnormen auf höchstmöglichem Niveau gibt; dass wir drittens die Ausstiegsszenarien aktiv unterstützen und viertens zu einer Adaption des EURATOM-Vertrags aktiv beitragen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Weinmeier, bitte.

Abgeordneter Ing. Wilhelm Weinmeier (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Seitens der EU sind ja für die Beitrittskandidaten Übergangsfristen zur Erreichung der Umweltstandards geplant, und es gibt auch einige Förderprogramme, wie zum Beispiel PHARE, in die sehr viel Geld fließt.

Meine Frage lautet daher: Gibt es auf Grund dieser Förderungen bereits Fortschritte bei den Umweltstandards der Beitrittskandidaten? Werden Sie, falls die Umweltstandards nach der Übergangsfrist nicht erreicht werden, dafür eintreten, dass die Übergangsfristen zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs verlängert werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Die österreichische Position ist sehr klar: so wenige und so kurze Übergangsfristen wie möglich. Insbesondere im Bereich Abwasser und im Bereich Abfall ist das aber einfach eine praktische Notwendigkeit, und nur eine solche Lösung ist realistisch.

Wir unterstützen diese Übergangsmaßnahmen auch im Rahmen von PHARE, etwa durch die aktive Teilnahme unserer Experten. Erste positive Effekte gibt es vor allem im Wasserbereich und im Abfallbereich – aber ich sage erste. Ich gehe davon aus, dass die Kandidatenländer nach Ende dieser Übergangsfrist die Standards erreicht haben werden, weil es nur ein Niveau von Standards in der Europäischen Union geben kann und geben darf.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Kaipel, bitte.

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Bundesminister! Ich möchte die vorher gestellte Frage konkretisieren: Lange Übergangsfristen im Umweltschutzbereich für die Beitrittsstaaten bedeuten einerseits ungleiche Wettbewerbsbedingungen für die österreichischen Firmen und andererseits auch eine Gefährdung österreichischer Arbeitsplätze. Meine Frage daher: Werden Sie langen Übergangsfristen im Umweltschutzbereich zustimmen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Nur zu Ihrer Information: Die Verhandlungen über die Umweltkapitel mit den Kandidatenländern sind abgeschlossen. Es sind darin nach der österreichischen Position möglichst wenige und möglichst kurze Übergangsfristen fixiert. Realistischerweise braucht man aber in manchen Bereichen eine gewisse Zeit, um Investitionen überhaupt zu bewältigen. – Das wissen wir ja selbst aus unserer Erfahrung. Denken Sie an den Abwasser- und Abfallbereich!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen damit zur 10. und letzten Anfrage. – Frau Abgeordnete Pfeffer, bitte.

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

175/M

Welche Vorteile bringt der kürzlich im burgenländischen Landtag erfolgte Beschluss durch die sozialdemokratische, freiheitliche und grüne Fraktion – gegen die Stimmen der ÖVP – für die Umsetzung einer gentechnikfreien Zone Burgenland für den Biolandbau in Österreich?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Ich möchte nochmals festhalten, dass in Österreich derzeit kein einziges Produkt angebaut wird, das gentechnisch veränderte Organismen enthält und auch in der Tierhaltung gentechnisch veränderte Organismen einfach nicht gegeben sind. Ich bitte Sie daher, auch zu sehen, dass wir in der Frage auch auf Ebene der Europäischen Union eine sehr klare Haltung haben.

Der burgenländische Landtagsbeschluss verändert daher die gegenwärtige Faktenlage nicht. Der burgenländische Landtagsbeschluss besagt aber selbst – ich habe ihn hier –, dass die Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen, die offensichtlich derzeit noch nicht gegeben sind, sondern es ist eine politische Zielsetzung.

Ich habe meine Position dazu auch erläutert. Ich meine, dass es ganz entscheidend ist, dass wir für den Biolandbau auch in Zukunft die Möglichkeit der Produktion ohne diese Technologie sicherstellen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Bundesminister! Sie haben meine erste Zusatzfrage bereits beantwortet. Darf ich Sie aber fragen: Welche Maßnahmen setzen Sie als Landwirtschafts- und Umweltminister im Förderungsbereich auf Grund dieses Mehrheitsentscheides im burgenländischen Landtag?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Ich bin immer davon ausgegangen, dass der österreichische Nationalrat dafür relevant ist, was die österreichische Bundesregierung zu tun hat. Ich nehme aber im Sinne der Diskussion auch in diesem Hause etwa Anregungen für die Erstellung von Studien zur Frage der Klärung der Umwelthaftung oder der Haftungsproblematik sehr ernst und werde das auch aufgreifen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Freigaßner, bitte.

Abgeordnete Evelyn Freigaßner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Gefährliche Mikroorganismen bedrohen weltweit die Pflanzenwelt. In der Steiermark und auch in Westösterreich gibt es bereits Fälle von Feuerbrand. Ausgelöst wird das durch das Bakterium Erwinia amylovora. Eine Bekämpfung kann nur durch Verbrennung erfolgen.

Meine Frage daher: Welche vorbeugenden Maßnahmen zum Schutz der Pflanzenwelt vor gefährlichen Mikroorganismen und der daraus entstehenden Seuchengefahr werden Sie in Österreich für die Zukunft setzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Abgeordnete! Wir sind in intensivem Koordinationskontakt mit den Bundesländern, die ja für die Umsetzung dieser notwendigen Maßnahmen zuständig sind. Ich weiß, dass die Bundesländer sehr intensive und zum Teil durchaus radikale Maßnahmen setzen. Ich denke etwa an Vorarlberg, wo in privaten Gärten Wirtspflanzen verboten werden.

Die offene Frage, welche Bekämpfungsmethoden wir anwenden können, ist sehr kritisch zu beurteilen. Hier hat es auch einen Kontakt zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz gegeben. Es gäbe eine Möglichkeit der Bekämpfung mit Antibiotika, die ich aber für sehr kritisch halte, weil ja die Rückstandsproblematik etwa im Honig gegeben ist, weshalb sehr vorsichtig und wenn überhaupt nur punktuell im wirklichen Krisenfall so vorgegangen werden sollte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Prinz, bitte.

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Bundesminister! Gibt es schon Erfahrungen aus anderen Ländern, wie die Kontrolle solch gentechnikfreier Zonen erfolgen könnte und welche Kosten damit verbunden wären?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Abgeordneter! Mir ist ein Beispiel bekannt, das ist die Toskana, die sich als gentechnikfreie Zone deklariert hat, die allerdings – nach meinem derzeitigen Informationsstand – ausschließlich einen deklaratorischen Beschluss ohne irgendwelche rechtlichen Konsequenzen getroffen hat. Genau das halte ich für einen Teil der Problematik dieser Diskussion: dass eine Deklaration eigentlich nicht das ist, was wir öffentlich darstellen können, sondern dass vorher die Grundlagen erarbeitet werden müssen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber, bitte.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Bundesminister! Herr Kollege Schultes hat hier behauptet, Sie hätten bereits alle gesetzlichen Maßnahmen ausgeschöpft. Gerade mit diesem burgenländischen Beschluss hätten Sie auch eine besondere Verantwortung, im Bereich der Saatgutproduktion des Burgenlandes verstärkt Ihre Möglichkeiten zu nutzen.

In diesem Zusammenhang frage ich Sie: Werden Sie als Sofortmaßnahme eine Verordnung für geschlossene gentechnikfreie Anbaugebiete, wie dies das Saatgutgesetz vorsieht, erlassen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Es ist richtig, Herr Abgeordneter, dass das Saatgutgesetz im Sinne der spezifischen Anforderungen für Saatgutproduktion so etwas ermöglicht, aber nicht ausschließlich im Rahmen der GVO-Diskussion. Wir sind derzeit in intensivem Kontakt mit der österreichischen Saatgutwirtschaft, um eine gemeinsame Antwort zu erarbeiten, ob und in welcher Weise das Saatgutgesetz in diesem Zusammenhang genützt werden soll oder nicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 60 Minuten der Fragestunde sind abgelaufen, wir haben aber auch alle Fragen erledigt. Ich danke allen Teilnehmern und dem Herrn Bundesminister.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich auf die im Haus schriftlich verteilte Liste.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 33

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 3654/AB bis 3670/AB.

2. Initiativanträge:

Zurückziehung: 668/A.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste (1134 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Passgesetz 1992, das Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen und das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert werden (SPG-Novelle 2002) (1138 der Beilagen),

Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (1139 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG) erlassen wird, und mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das MTD-Gesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1140 der Beilagen),

Bundessozialämterreformgesetz – BSRG (1142 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz über die betriebliche Mitarbeitervorsorge (Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz – BMVG) und mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das ORF-Gesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Journalistengesetz geändert werden (1131 der Beilagen),

Antrag 682/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Familienhärteausgleich;

Familienausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1136 der Beilagen);

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Antrag 680/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 geändert wird,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 34

Antrag 681/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden,

Antrag 683/A (E) der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fotografieren und Filmaufnahmen bei Kundgebungen,

Antrag 684/A (E) der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekanntgabe der Dienstnummer durch Organe des Öffentlichen Sicherheitsdienstes,

Antrag 685/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend sofortige Beseitigung von "Hakenkreuz-Huldigungen" und Vollzug des Verbotsgesetzes,

Antrag 688/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein generelles Verbot von "privaten Schusswaffen";

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Agrarrechtsänderungsgesetz 2002 (1133 der Beilagen);

Umweltausschuss:

Antrag 686/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beachtung von Landesgesetzen bei Vollzug des Umweltförderungsgesetzes insbesondere in der Siedlungswasserwirtschaft;

Unterrichtsausschuss:

Antrag 674/A (E) der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewalt in der Schule,

Antrag 676/A (E) der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einrichtung von Berufsfachschulen,

Antrag 677/A (E) der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kooperationen zwischen verschiedenen Schularten,

Antrag 678/A (E) der Abgeordneten Dr  Dieter Antoni, Kolleginnen und Kollegen betreffend sozial gerechtes Schülerbeihilfensystem,

Antrag 679/A (E) der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen auf 25;

Verfassungsausschuss:

Verwaltungsverfahrensnovelle 2002 (1126 der Beilagen);

Wirtschaftsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG – Novelle 2002) (1116 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Berufsausbildungsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Neugründungs-Förderungsgesetz und das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert werden (1117 der Beilagen);


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 35

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 675/A (E) der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Studiengebühren und Reform der Studienförderung.

*****

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 3 bis 6, 7 bis 9, 10 bis 15 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Dies ist nicht der Fall. Ich stelle fest, dass wir die genannten Punkte gemeinsam debattieren und getrennt abstimmen werden.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Klub der Sozialdemokraten hat nach § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung der heutigen Sitzung eingebrachte schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Fraktion an den Herrn Bundeskanzler betreffend völliges Versagen der Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, dass Frau Abgeordnete Dr. Petrovic beantragt hat, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Antrag 688/A (E) der Abgeordneten Dr. Petrovic betreffend ein generelles Verbot privater Schusswaffen eine Frist bis zum 11. Juni 2002 zu setzen.

Es liegt auch das von fünf Abgeordneten unterstützte Verlangen vor, eine Kurzdebatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Da, wie wir soeben festgelegt haben, um 15 Uhr die Behandlung der Dringlichen Anfrage erfolgt, wird die Kurzdebatte über diesen Fristsetzungsantrag ebenso wie die Abstimmung darüber im Anschluss an die Debatte zur Dringlichen Anfrage durchgeführt werden.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über folgenden Vorschlag erzielt: Es wird eine Tagesblockzeit von 8 "Wiener Stunden" vorgeschlagen, aus der sich folgende Redezeit ergeben: SPÖ 156 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 116 Minuten, Grüne 92 Minuten.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden. Ich lasse das förmlich abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die mit diesem Vorschlag einverstanden sind, sich von den Sitzen zu erheben. – Danke schön. Das ist einstimmig beschlossen, und ich werde in diesem Sinne vorgehen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 36

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1045 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz (1132 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Wünscht Herr Abgeordneter Dr. Pumberger, darüber mündlich zu berichten? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

10.05

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Dass wir heute hier in diesem Hohen Haus über Familienhospizkarenz reden, verdanken wir einer österreich- und europaweiten Diskussion über aktive Sterbehilfe. Eine Initiative dieses Hohen Hauses war es, zu diesem Thema eine Parlamentarische Enquete zu machen und das bislang tabuisierte Thema "Sterben und welchen Weg wir in Österreich beschreiten wollen" dabei auch ausführlich zu behandeln.

Wir haben uns alle gemeinsam in einem Grundkonsens verstanden, dass wir in Österreich einen anderen Weg gehen wollen, nämlich den Weg, dass Menschen bei uns in Würde sterben können. Jedoch folgten seitens der Bundesregierung auf Grund dieses Grundkonsenses keine Impulse (Abg. Steibl : Weil ihr nicht wolltet!), es wurden keine Aktivitäten gesetzt, was uns als Sozialdemokratische Partei veranlasst hat, in diesem Hohen Haus einen Antrag einzubringen, der Impuls und Motor für Verhandlungen zu einem weiteren Vier-Parteien-Antrag war, und unser Antrag war letztendlich ausschlaggebend dafür, dass wir heute diese Materie behandeln können.

Meine Damen und Herren! Es gibt nur zwei wirklich markante Punkte im Leben eines Menschen, das ist der Start in dieses Leben, sprich die Geburt, und der Abschied aus diesem Leben, das Sterben. In Bezug auf die Geburt haben wir uns, meine Damen und Herren, schon lange dazu bekannt – auch in einem breiten gesellschaftlichen Konsens –, auf politischer Ebene entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen. Das beginnt bei der Mutterschaft, geht über Karenzregelungen bis zu Geldleistungen und letzten Endes auch zu einem Dienst- und Sachleistungsangebot. Auch wenn dieses Angebot noch ausbaufähig ist, haben wir uns dazu bekannt, gesellschaftliche Verantwortung dafür zu übernehmen, wenn ein Mensch ins Leben tritt.

Meine Damen und Herren! Nun haben wir uns auch darauf geeinigt, diese Verantwortung zu übernehmen, wenn es darum geht, einen Menschen aus diesem Leben zu begleiten. Ein Teil davon ist, dass man einen Rechtsanspruch hat, Zeit mit diesem Menschen zu verbringen, diesem Menschen Zeit zu widmen, mit diesem Menschen gemeinsam die letzten Tage, Wochen oder Monate zu verbringen.

Ich stehe nicht an – Herr Minister Haupt ist leider heute nicht da –, auch zu sagen, dass ich sehr wohl anerkenne, dass zwei wesentliche Forderungspunkte der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in diese Vorlage aufgenommen worden sind, nämlich auf der einen Seite der Sozialversicherungsschutz und auf der anderen Seite ein gewisser Kündigungsschutz. Ich will das wirklich positiv hervorheben. (Abg. Dr. Pumberger: Warum stimmen Sie dann dagegen?) – Herr Kollege Pumberger! Zuhören, dann werden Sie es wissen!

Der erste Punkt, den wir noch abändern können, ist der Personenkreis, den es betrifft. Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Sie selbst haben im Ausschuss noch einen


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 37

Abänderungsantrag eingebracht, der die Schwiegereltern beziehungsweise Kinder einbezog. Wir sind der Meinung, dass es gerade in einer solch sensiblen und wichtigen Situation im Leben von Menschen notwendig ist, allen Lebensformen dieses Recht zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Karl Öllinger und KollegInnen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Im Artikel I Z 3 wird im § 14a Abs. 1 zweiter Satz der Ausdruck "von Geschwistern, Schwiegereltern und Schwiegerkindern" durch den Ausdruck "von Lebensgefährten aus gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, Geschwistern, Eltern und Kindern von Partnern aus Ehen und Lebensgemeinschaften" ersetzt.

*****

Meine Damen und Herren! Es geht darum, dass wir, wenn wir solch ein Gesetz beschließen, es doch allen Lebensformen ermöglichen müssen, dieses Recht in Anspruch zu nehmen, und nicht neue Lebensformen und Lebensformen, die sich inzwischen schon etabliert haben, wieder diskriminieren. Ich appelliere wirklich an Ihr soziales Gewissen, diesem Abänderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Pumberger! Wenn Sie im Ausschuss zugehört hätten, dann würden Sie den Schwerpunkt unserer Kritik kennen, und das ist nicht nur die Kritik der sozialdemokratischen Fraktion und der Opposition. Sie haben gestern einen offenen Brief des Katholischen Familienverbandes erhalten. Sie wissen auch aus den Gesetzesbegutachtungen, dass alle Organisationen, die heute schon Sterbebegleitung machen und daher wissen, wovon sie reden, an Sie appelliert haben, dass Sie eine Mindestentgeltleistung vorsehen, dass die Menschen, die jene betreuen, die aus dem Leben gehen, auch einen Ersatz haben, dass es ihnen auch möglich wird, finanziell dieses Recht überhaupt in Anspruch zu nehmen. (Abg. Dr. Pumberger: Sie waren 30 Jahre untätig!)

Herr Kollege Pumberger, Sie brauchen nicht von Untätigkeit zu reden; Sie wissen selbst, dass das ein großes Tabuthema in unserer Gesellschaft ist. Ich habe Ihnen deswegen auch erläutert, wie wir zu dieser Thematik heute überhaupt gekommen sind. (Abg. Steibl: Die Regierung hat es angefasst, und diese Regierung hat es angefangen!)

Ich finde es sehr interessant, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, dass Sie bei dieser Thematik so aggressiv werden. Ich verstehe es nur nicht (Beifall bei der SPÖ), denn eigentlich ist das ein Thema, bei dem wir einen Konsens erzielt haben. Es ist nur deshalb so, weil Sie es nicht schaffen, eine Existenzsicherung zustande zu bekommen, und zwar gar nicht deshalb, weil es an Geld mangelt, sondern deswegen, weil Sie es offensichtlich nicht wollen. (Abg. Steibl: Das ist eine Unterstellung! Das ist eine Unterstellung!)

Frau Kollegin Steibl: Hätten Sie zugehört, dann wüssten Sie, dass wir Ihnen vier verschiedene Modelle vorgelegt haben – darunter ein Darlehensmodell. Sie waren nicht bereit, nur ein einziges dieser Modelle zu akzeptieren. Das liegt nicht am Geld, das liegt nicht am Budget, sondern das liegt an Ihrem Nicht-Wollen, und das sage ich Ihnen hiemit ganz deutlich! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Ich habe mich gestern um 7 Uhr in der Früh bei Herrn Minister Haupt herzlich dafür bedankt, dass er uns noch einen Gesprächstermin für Parteienverhandlungen gegeben hat, damit wir


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 38

vielleicht doch noch zu einem minimalen Grundkonsens kommen. Sie, meine Damen und Herren, haben aber daraus eine einzige Politshow gemacht. Ich bedauere das wirklich zutiefst. (Abg. Dr. Feurstein: Das lehne ich ab! Das lehne ich ab!)

Jawohl, Herr Kollege Feurstein! Sie waren nicht bereit, sich nur einen Millimeter von Ihrem Standpunkt wegzubewegen, nicht einen einzigen Millimeter! (Abg. Dr. Feurstein: Unerhört ist das! Unerhört ist das!) Das sage ich Ihnen schon, und das bedauere ich, weil ich glaube, dass dieses Thema keines ist, aus dem man politisches Kleingeld schlagen sollte. Wir waren ernsthaft bemüht und haben Ihnen die Chance geboten, einen Grundkonsens zu finden, weil das ein Thema ist, das für Menschen ganz wesentlich ist. Wir wollen, dass alle Menschen in Zukunft die Möglichkeit haben, von diesem Recht Gebrauch zu machen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Es tut mir Leid, dass Abgeordnete dieses Hauses nicht nachvollziehen können, dass es Menschen gibt, die sich nicht gegen Entfall des Entgelts freistellen lassen können, weil sie ihre Mietkosten weiter zu zahlen haben, weil sie die Betriebskosten weiter zu zahlen haben, weil es ihnen nicht möglich ist, ihre Lebenshaltungskosten auf eine andere Art und Weise zu tilgen. Ich bedauere das wirklich zutiefst.

Sie brauchen nicht mit dem Härteausgleichsfonds zu kommen. Sie haben nicht gesagt, wie dieser Härteausgleichsfonds in Zukunft dotiert sein wird, denn wenn es so bleibt, wie er derzeit dotiert ist, dann wird kein Mensch etwas davon bekommen, oder Sie lassen andere Härtefälle aus, dann bekommen diese nichts. Ich finde es wirklich unseriös, wie Sie mit diesem Thema umgehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es sollte bei diesem Thema doch nicht so weit gehen, dass jener Zynismus Platz greift, der im Ausschuss von Ihnen zum Teil an den Tag gelegt worden ist, indem Sie gesagt haben, es müsse einem auch etwas wert sein, wenn man einen Menschen beim Sterben begleiten kann. Das darf doch bei diesem Thema keine Frage sein! Es ist Ihnen wert, bei der Geburt eines Kindes bis zu 36 Monaten Geld zu bezahlen, aber es ist Ihnen nicht wert, drei bis sechs Monate das gleiche Geld aufzubringen, wenn es darum geht, einen Menschen in seiner letzten Phase zu begleiten. Ich frage mich: Wo bleibt da Ihre familienpolitische, wo bleibt da Ihre humane und wo bleibt da Ihre soziale Einstellung, meine Damen und Herren? (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe daher, meine Damen und Herren, einen weiteren Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy und KollegInnen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1132 der Beilagen betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

I. Artikel 1 Zif 3: § 14a Abs. 1 1. Satz lautet:

Der Arbeitnehmer kann schriftlich eine Herabsetzung, eine Änderung der Lage der Normalarbeitszeit oder eine Freistellung von der Arbeitsleistung zum Zweck der Sterbebegleitung eines nahen Angehörigen im Sinne des § 16 Abs 1 letzter Satz UrlG für einen bestimmten, sechs Monate nicht übersteigenden Zeitraum unter Bekanntgabe von Beginn und Dauer verlangen, auch wenn kein gemeinsamer Haushalt mit dem nahen Angehörigen gegeben ist.

*****


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 39

Der wichtige Artikel dieses Antrages, den Sie alle kennen, weil er auch im Ausschuss von uns eingebracht wurde, bezieht sich aber auf Artikel I Z 4, wo es darum geht, quasi eine Arbeitslosenleistung über den Familienlastenausgleichsfonds für Menschen, die diese Sterbekarenz beanspruchen, zu bezahlen.

In Abwandlung eines lateinischen Spruches würde ich Ihnen empfehlen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen: Nutzen Sie die Gelegenheit, nutzen Sie die Chance! Sie haben die einmalige Chance, hier ein Gesetz zu beschließen, das nicht nur zukunftsorientiert ist, sondern das vor allem durch Humanität geprägt ist; und das bedingt auch eine gewisse soziale Absicherung.

In diesem Sinne fordere ich Sie wirklich auf: Machen Sie keine Scheinverhandlungen, machen Sie nicht Scheintröstungen! Denken Sie daran, welch wesentliche und psychische Belastungen es für Menschen bedeutet, wenn sie einen nahen Angehörigen, einen lieben Menschen verlieren! Berauben Sie sich nicht selbst der Chance, ein wirklich zukunftsweisendes, ein humanes Gesetz zu machen, und stimmen Sie unserem Abänderungsantrag zu! (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Grünewald. )

10.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der erste Antrag – gemeinsam mit Öllinger –, den Frau Abgeordnete Silhavy eingebracht und verlesen hat, ist genügend unterstützt und steht in Verhandlung.

Hinsichtlich des zweiten Antrags bitte ich Kollegin Silhavy, dann kurz zu mir zu kommen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

10.16

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Am 16. Mai dieses Jahres wurde in Belgien die Euthanasie beschlossen, die Tötung auf Verlangen unheilbarer Kranker und auch die Tötung auf Verlangen von psychisch Kranken. Wir brauchen kein Hartheim in Österreich, wir wollen diese Gesetzwerdung in Österreich mit aller Kraft verhindern. Daher bin ich sehr froh darüber, dass heute hier im Hohen Haus ein Weg gefunden und gegangen wird, der die Begleitung Sterbender bis in den Tod ermöglicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Am 26. April vorigen Jahres hat der niederländische Senat die Legalisierung der Euthanasie mit 46 zu 28 Stimmen angenommen. Wir haben darauf schnell reagiert und haben bereits einen Monat später, nämlich am 29. Mai, eine parlamentarische Enquete veranstaltet, bei der es darum ging, zu eruieren, wie das österreichische Parlament zur aktiven Sterbehilfe steht, ob wir den belgischen oder den niederländischen Weg gehen oder ob wir den österreichischen Weg gehen wollen, indem wir unsere sterbenden Mitmenschen – und das sind Lebende, wohlgemerkt! – auf dem Weg in den Tod begleiten und nicht den Weg in den Tod mit einer Euthanasie verkürzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Daher haben wir diesen Weg, den wir in Konsens mit der Präsidentin des Dachverbandes für Hospizwesen, mit Frau Mag. Teuschl, in Konsens mit DDr. Michael Landau, dem Direktor der Caritas Wien, und in Konsens mit Kardinal DDr. Franz König gefunden haben, beschritten und einen ersten wichtigen Punkt dieses Vier-Parteien-Entschließungsantrages umgesetzt, den wir damals einstimmig, Frau Kollegin Silhavy, beschlossen haben (Abg. Silhavy: Sonst wäre es ja kein Vier-Parteien-Antrag, Herr Kollege Pumberger!), dass wir das Sterben insoferne erleichtern, als wir den Angehörigen ermöglichen, die Sterbebegleitung aktiv mitzugehen. Diesen Weg beginnen wir heute mit dieser Gesetzeswerdung, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir wissen, dass 81 Prozent aller Todkranken zu Hause bei ihren Angehörigen sterben wollen, aber nicht einmal ein Drittel der Menschen zu Hause sterben kann. Wir haben also etwa 50 Prozent der Bevölkerung, die zu Hause sterben wollen, aber nicht können, weil es die Um


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 40

stände nicht erlauben. Dieses Gesetz ermöglicht die sozialrechtliche und arbeitsrechtliche Absicherung, sodass die nahen Angehörigen zu Hause bleiben können und den bedauernswerten Mitmenschen auf dem letzten Weg begleiten können.

Damit sind wir in Österreich einen hervorragenden Weg gegangen, einen einzigartigen Weg in Europa, der für viele andere Länder auf dieser Welt beispielgebend ist, denn es gibt beinahe weltweit keine Erlaubnis zur Sterbehilfe. In Kolumbien gibt es sie, und auch in der Volksrepublik China, die oftmals die Menschenrechte, wie wir bei Studentendemonstrationen gesehen haben, mit Füßen tritt, gibt es die Erlaubnis, zum Sterben beizuhelfen. Diesen Weg gehen wir nicht!

Daher bin ich sehr froh darüber, dass wir dieses Gesetz heute beschließen. Wir beschließen, dass die Sterbebegleitung auch im Falle der Begleitung todkranker und auch schwerstkranker Kinder möglich ist. Es ist ein Problem, dass das arbeitsrechtlich in Österreich bisher nicht möglich war. Trotz 30 Jahre SPÖ-Sozialpolitik wurde ein derartiger Schritt in diese Richtung nicht unternommen.

Wer also gegen dieses Gesetz stimmt, ein Gesetz, das die Freistellung von der Arbeit ermöglicht, ohne gekündigt zu werden, geht einen Weg in Richtung Euthanasie. Ich sage Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von Rot und Grün, es gibt keinen plausiblen Grund, eine arbeitsrechtliche und sozialrechtliche Absicherung abzulehnen, es sei denn, dass man im Hinterkopf ganz andere Interessen hat. Es kann nicht sein, dass ich ein Gesetz ablehne, das zu einer deutlichen Verbesserung auf dem Arbeitsrechtssektor und auf dem sozialpolitischen Sektor führt (Abg. Öllinger: Wieso wissen Sie, wie wir stimmen?), das eine pensionsrechtliche Absicherung bietet und wodurch die Krankenversicherung weiter bestehen bleibt. Das ist eine deutliche Verbesserung!

Wenn Sie jetzt dagegen stimmen, Herr Professor Grünewald (Abg. Dr. Grünewald: Sind Sie Prophet?), dann haben Sie wahrscheinlich im Hintergrund Ihren Klubobmann, der Ihnen etwas flüstert. Ich werde Ihnen gleich sagen, was er Ihnen flüstert. Oder wenn Frau Kollegin Silhavy mit ihrer sozialdemokratischen Fraktion diese sozialrechtliche Errungenschaft, die wir in diesem Gesetz festschreiben, ablehnt, dann hat sie vielleicht ganz andere Hintergedanken. (Abg. Silhavy: Das ist eine Unterstellung, die Ihrer nicht würdig ist!)

Frau Kollegin Silhavy, ich kann Ihnen ein kleines Beispiel bringen: Der langjährige Klubobmann der SPÖ Sepp Wille, der 16 Jahre hier im Hohen Haus war, viele Jahre davon als Klubobmann der sozialdemokratischen Fraktion, war ein glühender Verfechter der aktiven Sterbehilfe. Das ist ein Weg, den nicht zu gehen wir uns entschlossen haben – in einer einstimmigen Entschließung, bei der Sie auch mitgestimmt haben. Aber Ihr ehemaliger Klubobmann Sepp Wille will etwas ganz anderes: aktive Sterbehilfe, Beihilfe zum Selbstmord, das will er; auch ein Teil der Sozialistischen Jugend.

Da gibt es zum Beispiel die Sozialistische Jugend Kärntens, sie will überhaupt eine Volksbefragung zur aktiven Sterbehilfe. (Abg. Silhavy: Herr Kollege Pumberger! Reden wir über das, was wir im Ausschuss beschließen! – Das sind unsere Initiativen!) Die Sozialistische Jugend Kärnten spricht sich für die aktive Sterbehilfe aus. Das heißt, namhafte Vertreter Ihrer Fraktion wollen die aktive Sterbehilfe, namhafte Vertreter Ihrer sozialistischen Jugendorganisation wollen die aktive Sterbehilfe. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Das kann doch nur der Grund dafür sein, dass Sie heute eine Verbesserung in einem Gesetz ablehnen, das eine deutliche sozialrechtliche und arbeitsrechtliche Absicherung der Begleitenden eines Sterbenden ermöglicht. (Abg. Silhavy: Sie haben die Chance, zuzustimmen! Sie haben die Chance, zuzustimmen!) Das wollen Sie jetzt nicht mittragen, weil Sie im Hintergrund den Druck Ihrer politischen Urgranden Sepp Wille und Co oder der Sozialistischen Jugend haben. Das wird die Erklärung sein, und davon gehe ich nicht ab! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nun zu Ihnen Herr Professor Grünewald! Bleiben Sie noch sitzen, Sie kommen schon noch dran, ein bisschen brauche ich noch! Ich muss Ihnen noch etwas sagen: Sie und Ihre Fraktion,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 41

Sie als Arzt und als meiner Meinung nach bisher immer für Behinderte ein offenes Ohr gehabt Habender sind immer einen Weg gegangen, den auch Frau Kollegin Haidlmayr gegangen ist, nämlich dass Sie sich positiv für alle Behinderten in Österreich eingesetzt haben. Dagegen habe ich nie etwas gesagt. Daher verstehe ich nicht, dass die grüne Fraktion eine Verbesserung der Situation unserer sterbenden Mitmenschen ablehnt. (Abg. Dr. Grünewald: Sie sind doch kein Prophet!) Sie können nicht sagen, so wie die SPÖ, wenn wir eine deutliche Verbesserung machen, Herr Professor Grünewald und Frau Kollegin Silhavy: Wir lehnen diese Verbesserung ab, weil wir jetzt noch mehr wollen! – Das kann doch nicht der Grund für eine Ablehnung einer sozial- und arbeitsrechtlichen Absicherung sein. (Abg. Öllinger: Sie haben von nichts eine Ahnung!) Sie können nicht sagen: Wir lehnen ab, weil wir noch mehr wollen! – Seien Sie froh, dass das heute kommt! In zwei Jahren wird evaluiert, und dann sehen wir, ob eine Besserung noch möglich ist und wie dieses Gesetz angenommen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber auch hier gibt es einen Grüngranden, der sich für die aktive Sterbehilfe ausspricht. Er ist heute hier nicht anwesend, er ist der österreichischen Bevölkerung schon teilweise bekannt. Es handelt sich um keinen Geringeren als den Bundesobmann der Grünen, Professor Van der Bellen. Manche sagen: der Wolf im Schafspelz. Ich sage Ihnen eines: Er spricht sich – der Zynismus kennt keine Grenzen – in einer Behindertenzeitschrift, in der Zeitschrift "Bizeps", für die Straffreiheit bei der Beihilfe zum Selbstmord aus.

Er – da hat er hoffentlich Ihren Widerstand sofort gespürt – ist es, der jene Schichten der Grünen vertritt, die für die aktive Sterbehilfe sind, die für die Straffreiheit bei der Beihilfe zum Selbstmord sind. Das sind wahrscheinlich die Gründe dafür, dass Sie ein Gesetz ablehnen, das zu einer deutlichen sozialpolitischen Verbesserung in Österreich führt, das eine arbeits- und sozialrechtliche Absicherung ermöglicht – mit dem Argument, das Sie vorbringen: Jetzt haben wir 30 Jahre nichts gemacht, wie Frau Kollegin Silhavy mit ihrer Fraktion, jetzt wollen wir auf einmal nicht das Gute, was die FPÖ mit der starken Unterstützung der ÖVP macht, denn wir wollen jetzt noch mehr, und das ist der Grund, dass wir das Gute ablehnen! (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Geburtstag auf einmal können Sie nicht haben, Frau Kollegin Silhavy! Aber in zwei Jahren wird evaluiert werden, und vielleicht ist dann eine Möglichkeit gegeben, dass es zu noch einer Besserung kommt. Jetzt haben wir einen Meilenstein gesetzt, dieses Gesetz ist gut. (Abg. Silhavy: Sie haben heute schon die Möglichkeit! Sie haben heute schon die Möglichkeit, dieser Verbesserung zuzustimmen!) Wenn es abgelehnt wird, habe ich dafür nicht das geringste Verständnis.

Am wenigsten Verständnis haben jene Menschen, die direkt den Profit aus diesem Gesetz ziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der zweite Abänderungsantrag der Abgeordneten Silhavy, der in den Grundzügen dargestellt und erläutert wurde, wird vervielfältigt und in schriftlicher Form verteilt werden; er ist genügend unterstützt und steht ebenfalls in Verhandlung.

Dieser Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy und KollegInnen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 1132 der Beilagen betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 42

1. Artikel I Zif 3: § 14a Abs 1 1. Satz lautet:

Der Arbeitnehmer kann schriftlich eine Herabsetzung, eine Änderung der Lage der Normalarbeitszeit oder eine Freistellung von der Arbeitsleistung zum Zweck der Sterbebegleitung eines nahen Angehörigen im Sinne des § 16 Abs 1 letzter Satz UrlG für einen bestimmten, sechs Monate nicht übersteigenden Zeitraum unter Bekanntgabe von Beginn und Dauer verlangen, auch wenn kein gemeinsamer Haushalt mit den nahen Angehörigen gegeben ist.

2. Artikel I Zif 3: § 14a Abs 1 letzter Satz entfällt.

3. Artikel I Zif 4 lautet:

4. Nach § 14b wird folgender § 14c eingefügt:

§ 14c. Für die Dauer der Herabsetzung der Normalarbeitszeit oder der Freistellung von der Arbeitsleistung gemäß § 14a oder § 14b gebührt dem Arbeitnehmer eine Ersatzleistung aus den Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (Abschnitt III des Bundesgesetzes vom 24.10.1967, betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfe – Familienlastenausgleichsgesetz 1967). Das Ausmaß dieser Ersatzleistung entspricht dem fiktiven Arbeitslosengeld gemäß § 20 und § 21 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, wobei als Bemessungsgrundlage abweichend von § 21 Abs 1 AlVG das im letzten (vollen Kalender-)Monat vor Inanspruchnahme der Familienhospizkarenz gebührende Monatsentgelt unter Einschluss der anteiligen Sonderzahlungen gilt. Im Fall der Herabsetzung der Normalarbeitszeit gilt das aufgrund der verminderten Arbeitsleistung zustehende Entgelt als Bemessungsgrundlage des fiktiven Arbeitslosengeldes.

4. Die bisherigen "Zif 4 bis 6" erhalten die Bezeichnung "Zif 5 bis 7".

Begründung

1. Was die Dauer der Familienhospizkarenz betrifft, scheint es keine nennenswerte Erschwernis für die Wirtschaft zu geben, bereits bei der erstmaligen Beantragung durch die ArbeitnehmerIn einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten zuzulassen (in der Regel wird sich der Gesundheitszustand des nahen Angehörigen aufgrund ärztlicher Diagnosen sehr gut einschätzen lassen). Sollte diese Möglichkeit bereits im vorliegenden Entwurf beabsichtigt sein, so wäre das im zweiten Satz klarzustellen.

2. Familienhospizkarenz ohne – zumindest teilweise – finanzielle Absicherung würde aller Voraussicht nach vornehmlich von jenen unselbständig Beschäftigten in Anspruch genommen werden, die aufgrund ihrer schlechten Einkommenssituation nur den geringeren Teil des Familien- oder Haushaltseinkommens tragen können. Aufgrund der erheblichen geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede würde diese Aufgabe somit überwiegend von Frauen wahrgenommen werden. Die dadurch bewirkte Förderung der traditionellen geschlechtsspezifischen Rollenaufteilung zu Lasten der Frauen ist abzulehnen. Im Sinne eines generellen Zugangs zur Sterbebegleitung und im Sinne der Chancengleichheit müssen daher Maßnahmen überlegt werden, welche die Inanspruchnahme auch in einkommensschwächeren Haushalten, durch Alleinstehende und vor allem auch durch Männer fördern. Noch immer bestehende Rollenbilder, wonach für Betreuungs- und Gefühlsarbeit Frauen zuständig sind, dürfen nicht erneut festgeschrieben werden.

Aus den genannten Gründen und aufgrund des dem österreichischen Gesetzgeber gemeinschaftsrechtlich aufgetragenen Gender-Mainstreaming (5. Mittelfristiges Aktionsprogramm zur Gleichstellung der Geschlechter) ist die begleitende Einführung einer einkommensabhängigen Ersatzleistung erforderlich. Nur eine eigenständige Existenzsicherung in Form von Einkommensersatzleistungen kann den aufgezeigten negativen Tendenzen entgegenwirken. Der Verdienstausfall während der Inanspruchnahme der Sterbebegleitung muss zumindest zu einem


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 43

Teil aus den Mitteln jenes Vermögens kompensiert werden, das auch für sonstige familienpolitisch erwünschte Leistungen zur Verfügung steht ("Familienlastenausgleichsfonds").

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Die Uhr ist wunschgemäß auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

10.27

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte im Gegensatz zu meinem Vorredner sachlich bleiben, möchte aber doch den wohl ersten freiheitlichen Propheten der Neuzeit schon korrigieren.

Herr Kollege Pumberger! Ich verkenne nicht, dass dieses Gesetz sehr viel gebracht hat, trotzdem mischt sich nach der anfänglichen Freude über die in letzter Minute erzielte Vier-Parteien-Einigung doch schön langsam ein schaler, bitterer Beigeschmack in diese Debatte.

Sie beschränken die Pflege von Sterbenden nunmehr auf Verwandte. Es dürfte scheinbar einigen Parteien oder Teilen der Regierung nicht klar sein, dass sich Freundschaft, Nähe, Zuwendung nicht immer auf Verwandtschaft beschränken und dass mendelsche Vererbungslehren nicht zwangsläufig ein Mehr an Zuwendung, Nähe und Freundschaft bedeuten. (Beifall bei den Grünen.)

Sie klammern andere Partnerschaften, auch gleichgeschlechtliche Sympathien, Treue und Liebe bewusst aus, und das beantworten Sie einfach mit einem keuschen Kopfschütteln. So etwas gibt es bei Ihnen nicht. Ich finde daher die Reduktion dieser Pflegekarenz auf reine Verwandtschaftsbeziehungen kühl, nein, kalt, schnoddrig und an der Realität vorbeigehend. Es ist eine vertane Chance. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn Sie nun aber völlig ungeniert diese Vier-Parteien-Einigung durchbrechen, indem Sie eine soziale, finanzielle Absicherung jenen, die sich der Pflege von Sterbenden widmen wollen, nicht gewähren, dann machen Sie auch eine Tür auf, und zwar die Tür, dass die Pflege von Sterbenden möglicherweise zur Domäne der Wohlhabenden und Begüterten wird und jener, auf deren Einkommen ich möglicherweise verzichten kann. Wer wird das sein? – Das werden die Frauen sein, die in ihrer altbekannten Rolle der Fürsorglichen, der Opferbereiten von Ihnen erneut zementiert werden. Das finde ich nicht gut. (Beifall bei den Grünen.)

Ich kann nur sagen: Wenn Sie die Liebe zu den Alten, Gebrechlichen, Schwachen und Sterbenden nur dann am Revers tragen, wenn die Mühen der Ebenen noch gar nicht bewältigt sind, nur dann am Revers tragen, wenn es sich für Sie nicht rechnet, das zu bezahlen, dann finde ich das schon etwas eigenartig für eine christlich-soziale Partei; worauf sich die Freiheitlichen berufen, weiß ich im konkreten Einzelfall jetzt nicht. Aber ich kann nur sagen: Kyrie eleison – vor so viel blinder Selbstgerechtigkeit einiger! Einiger, muss ich betonen; ich muss da ganz klar differenzieren. (Beifall bei den Grünen.)

Dann diskutieren Sie das Pflegegeld an. Pflegegeld ist eine notwendige Leistung für professionelle Pflege, die teilweise ganz klar in den medizinischen Versorgungsbereich hinein überlappt. Wenn Sie nun meinen, man müsste jenen, die Karenz beanspruchen, aus diesem Pflegegeld irgendwelche Abgeltungen geben, dann übersehen Sie etwas, nämlich: in welche Situation Sie Sterbende bringen, die ihr Pflegegeld für notwendige professionelle Hilfe benötigen. Sie können das nicht splitten! Das geht nicht, weil es nur zu Ungunsten von Versorgungsqualitäten im medizinischen und pflegerischen Bereich gehen kann.

Stellen Sie sich vor – und versetzen Sie sich einmal in die psychische Lage der Betroffenen –, Sie hätten die Wahl, zu entscheiden, welches dieser Angebote des Pflegegeldes Sie nutzen wollen – es gibt nur entweder/oder –: entweder Liebe, Zuneigung, Anwesenheit oder professionelle Pflege. (Abg. Dolinschek: Sie kennen sich nicht aus!)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 44

Darf Ihnen etwas sagen: So gut wie Sie kenne ich mich schon lange aus, und das hat mit eitler Selbstgefälligkeit weniger zu tun als mit blankem Realismus! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Böhacker: Das ist unglaublich! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist schon sehr überheblich, wie Sie sich gebärden!)

Wenn dann die Frage kommt: Darf’s noch ein bisschen weniger sein?, dann muss ich schon sagen: Das ist ein trauriger Abschied von dieser Welt, wenn solche Fragen in den letzten Wochen und Monaten des Lebens im Zentrum stehen, wo doch ganz andere Fragen an Bedeutung gewinnen sollten. (Abg. Ing. Westenthaler: So eine Überheblichkeit! So präpotent, wie Sie sich da geben!)

Herr Westenthaler! Mit Ihrer Überheblichkeit kann ich es nicht aufnehmen, das gebe ich gerne zu. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn wir uns – und das, glaube ich, tun doch die meisten – zu einem humanen Sterben bekennen, dann sollten wir schauen, dass das auch als Standard einer Versorgung und einer solidarischen, empathischen Gesellschaft gilt.

Wenn ich mich um einen Sterbenden kümmere und weiß, ich stürze dadurch in das finanzielle Nichts, weil mein Geld von meiner Familie gebraucht wird, wie fühle ich mich dann? Wie fühle ich mich, wenn der von mir geliebte Sterbende mir sein Pflegegeld geben muss? Was sind das für psychische Mechanismen, die noch die letzten Wochen des Lebens vergällen? (Abg. Dr. Pumberger: Heute tun Sie sich ein bisschen schwer!)

Ich frage mich: Was sind uns Sterbende wirklich wert? Sind sie wirklich weniger wert als der Tanz um das Goldene Kalb von Lohnnebenkosten und Profit? – Ich glaube, diese Frage für einige von Ihnen mit einem Nein beantworten zu dürfen, und ich glaube, wir werden auch nicht aufgeben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Zum Vorschlag Härtefonds. – Es hat jemand Migräne, den Grauen Star, bricht sich ein Bein oder hat vielleicht Leukämie. Und dann? – Bitte, wenden Sie sich doch an den Härtefonds! – Was ist denn das für ein Gesundheitswesen? Glauben Sie, man stirbt aus Gesundheit heraus? – Das sind schwer kranke, sterbenskranke Leute, die diese Leistungen verdienen, und die sollten auch bezahlt werden! Die sollten bezahlt werden, denn man stirbt nicht in Gesundheit.

Mir fällt nur auf, dass offenbar von Seiten des Herrn Ministers Haupt etwas mehr Verständnis signalisiert wird als von einigen so genannten Christlich-Sozialen. Ich verstehe, dass es Finanzierungsschwierigkeiten gibt, und ich verstehe auch, dass diese Finanzierungsschwierigkeiten nicht in wenigen Wochen lösbar sind. Ich weiß, dass Geld nicht alles lösen kann, es bedarf auch guter Taten – keine Frage! –, und es ist Tatsache, dass gute Taten im Diesseits nicht immer entlohnt werden – da könnte ich sogar der ÖVP zustimmen, in dieser metaphysischen Dimension (Heiterkeit des Abg. Dr. Cap )  –, aber vergessen Sie nicht, dass wir den Tod immer nur als den Tod der anderen erleben. Den eigenen Tod erleben wir nicht mehr (Abg. Steibl: O ja!), und daher mangelt es vielleicht vielfach an Betroffenheit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Denken wir daher darüber nach, Kollegin Steibl und andere, die mit uns gekämpft haben, denken wir alle darüber nach und entschließen wir uns, die Vier-Parteien-Gespräche wieder aufzunehmen! Wir sollten es tun, bevor wir auf höchst makabre Weise mit diesem letzten Thema selbst einmal konfrontiert sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

10.35

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Werte Herren Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Familienhospizfreistellung betritt Österreich sozialpolitisches


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 45

Neuland, und wir werden in Europa im Familien- und Sozialbereich nach der Umsetzung des Kinderbetreuungsgeldes für alle neuerlich zum Vorzeigeland. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diese Regierung mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel an der Spitze sagt ja zur humanen Sterbebegleitung, und diese Regierung schafft auch die notwendigen sozialrechtlichen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen dazu. Ich bitte Sie von der Opposition vielmals, dass Sie das auch annehmen und wirklich auch bereit sind, zu sehen, welche Leistungen es für Österreich seitens dieser Bundesregierung gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir von der ÖVP und auch unser Regierungspartner sagen so wie auch Sie nein zu jeder Form von Sterbehilfe, und wir erteilen Modellen à la Niederlande und à la Belgien eine ganz klare Absage. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Menschen sollen an der Hand ihrer Angehörigen aus der Welt scheiden können – und nicht durch die Hand von Menschen! Deshalb wird es nun in Österreich Wirklichkeit, erstmals in Europa – ja fast auf der ganzen Welt –, dass nicht nur Eltern ihre Kinder in das Leben begleiten können – und das ist ja etwas Schönes und bedeutet auch eine große Verantwortung –, sondern dass auch Kinder ihre Eltern und nahen Angehörigen in einer schwierigen Phase, nämlich am Ende eines Menschenlebens, aus dem Leben begleiten können. Ein würdevolles Aus-der-Welt-Scheiden ist zweifellos ein Grundrecht eines jeden Menschen, das es zu respektieren und auch zu achten gilt.

Noch einmal – ich glaube, man kann das nicht oft genug wiederholen –: Mit der heutigen Beschlussfassung setzen wir ein Zeichen und schaffen wir die notwendigen arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen zur Absicherung der betreuenden Personen, der Menschen, die Immenses leisten. Wir bitten Sie von der Opposition – die Grünen geben ja, obwohl sie sich als Kontra-Redner gemeldet haben, schon Zeichen in die Richtung, dass sie vielleicht mitgehen könnten –: Gehen Sie mit! Diesen Maßstab sollten wir alle – alle vier Parteien – setzen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang dem Herrn Bundesminister Bartenstein danken, denn diese Maßnahme ist vom Wirtschaftsministerium ausgegangen. Ich möchte aber nicht zuletzt auch der Wirtschaft danken, denn wenn die Wirtschaft, wenn der Arbeitgeber da nicht mitgehen würde, das nicht zulassen würde, auch das Unkonventionelle: nach fünf Tagen Meldung kann man schon in Pflegehospiz gehen, wäre das nicht machbar. Das verdient wirklich ein Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte noch einmal daran erinnern – auch mein Kollege Pumberger hat es schon gesagt –, was sich in Belgien abgespielt hat. Das Gesetz zur aktiven Sterbehilfe geht so weit, dass in dieser sensiblen Materie ein ethischer Dammbruch droht. Das haben wir in Österreich mit dieser Gesetzesvorlage, mit diesem heutigen Beschluss verhindert. Das muss man auch sehen, und daher bitte ich auch die Katholischen Familienverbände ebenso wie die Caritas: Fordern kann man immer, aber man muss auch wissen, was politisch, sozialpolitisch auch machbar ist – auch zum Segen der Kinder. Wir müssen nämlich auch schauen, dass das Budget gesichert ist, dass entsprechende Rahmenbedingungen nicht nur für die dritte, vierte Generation geschaffen werden, sondern auch für unsere erste Generation. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gerade mit dem vorliegenden Gesetz stärken wir die Solidarität zwischen den Generationen. Was gibt es Schöneres, als dass junge Menschen, jüngere Menschen mit älteren Menschen gemeinsam ein Stück des Weges gehen, wahrscheinlich das schwierigste Stück des Weges! Wir gehen da nicht den Weg der Niederlande oder Belgiens. Das muss man auch der Öffentlichkeit sagen, denn es soll nicht nur in diesem Hohen Haus bekannt sein, was hier geschaffen wird.

Zur Untermauerung möchte ich auch noch Folgendes sagen: Eine Umfrage der Österreichischen Ärztekammer belegt diesen Weg, denn die Bevölkerung will kein Modell Niederlande und kein Modell Belgien. 33 Prozent sprechen sich entschieden gegen jede aktive Form von Sterbehilfe aus, 31 Prozent sind noch unentschlossen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 46

Der Steirische Seniorenbund hat in diesem Zusammenhang eine Umfrage gemacht, die das ebenfalls bestätigt. 60 Prozent der Menschen sagen: Eine humane Sterbebegleitung ist uns immens wichtig.

Diesem Wunsch trägt diese Bundesregierung mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel Rechnung. Wir setzen dies um! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch daran erinnern – unsere Gedanken verflüchtigen sich ja sehr schnell –, dass wir vor einigen Wochen dies nunmehr auch für Bundesbeamte und Vertragsbedienstete beschlossen haben, dass die Länder nur mehr nachziehen müssen für ihre Vertragsbediensteten, für ihre Beamten, für ihre Gemeindebeamten. Das alles ist – das sei hier noch einmal erwähnt – ein Quantensprung in der europäischen Sozialpolitik!

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal daran erinnern, was bereits gesagt wurde: Der Gesetzentwurf, der heute zum Beschluss vorliegt, entspricht exakt dem, was vom Nationalrat am 13. Dezember 2001 als Entschließungsantrag einstimmig angenommen wurde. Es stimmt mich schon sehr nachdenklich, ja wir finden es betrüblich, dass es in dieser Sache nunmehr keine Einigkeit gibt, denn es gibt sehr wohl die sozialrechtliche, die arbeitsrechtliche Absicherung!

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei! Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, dass wir sehr wohl Lücken aufspüren und dass es uns wichtig ist, dass, wenn wir das dann im Bundessozialhilfegesetz beschließen, die aus dem Leben zu Begleitenden sofort die Pflegestufe 3 bekommen, bei ärztlicher Untersuchung die Pflegestufe 4. Das muss man, bitte, auch wissen und den Menschen vor Ort, die betroffen sind und die pflegen, auch sagen. Das ist unsere Verantwortung als Politiker, als Abgeordnete: die Wahrheit zu sagen und nicht Unterstellungen unter das Volk zu bringen!

Ich denke, dass in diesem Zusammenhang ein parteipolitisches Hickhack wahrlich unangebracht ist. Ich bitte noch einmal die Kolleginnen und Kollegen aus den Reihen der SPÖ: Gehen Sie nicht den Weg, den Ihr Gesundheitssprecher, der Abgeordnete Lackner, vorgezeichnet hat! Für ihn ist nämlich dieses Gesetz ein totes Gesetz. In diesem Zusammenhang von einem "toten Gesetz" zu sprechen, das ist, glaube ich, mehr als geschmacklos und unangebracht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben ja auch weitergearbeitet. Es heißt jetzt nicht mehr Sterbekarenz, sondern wir sagen ganz bewusst – und ich bitte darum, diesen Begriff zu verwenden – Familienhospizkarenz. Dieser Name sagt viel deutlicher, worum es dabei wirklich geht.

Weil kritisiert wurde, dass der Begriff der zu Pflegenden zu eng gesteckt sei: Es heißt bitte: Ehegatte, Verwandte der erstgradigen Linie, Adoptiv-, Pflegekinder, Lebensgefährte und Geschwister. Ich denke, dass man schon eine Grenze ziehen muss, denn man muss ja schließlich wissen, wer pflegt, wie sehr man das ausweiten kann. Wir haben ja auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die diese Arbeit machen müssen.

Ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind, meine Damen und Herren. Wir schaffen Schritt für Schritt ungewollte soziale Ungerechtigkeiten aus der Welt – mit dem Familienhärteausgleich, mit dem Pflegegeld der Stufe 3. Wir werden dieses Gesetz binnen kürzester Zeit auch evaluieren. Das ist gut und notwendig, denn es ist das erste Mal in Europa, dass es so etwas gibt, und wir müssen das in verantwortungsbewußter Weise Schritt für Schritt begleitend beobachten.

Meine Damen und Herren, abschließend sei noch gesagt: Zeigen wir alle, die wir hier als Volksvertreter im Hohen Haus sitzen, uns solidarisch mit unseren Mitmenschen, die diese Welt verlassen müssen! Setzen wir unsere Einigkeit wie im Entschließungsantrag vom Mai vorigen Jahres fort und stimmen wir geschlossen dieser Familienhospizkarenz zu! Ich bitte Sie darum! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 47

10.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte.

10.45

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist sicherlich begrüßenswert. Ich könnte aus meiner eigenen beruflichen Erfahrung berichten, dass es oft nicht möglich war, Menschen zu helfen, die einen Freund oder nahen Angehörigen, ein Familienmitglied, aus dem Leben begleiten wollten, oder der Betreffende musste den Weg gehen, den Arbeitsplatz, aber auch finanzielle Ansprüche, sei es Abfertigung oder Ähnliches, zu verlieren.

Allerdings – und da teile ich die Auffassung meiner Vorrednerin aus meiner Fraktion, der Kollegin Silhavy – befürchte ich, dass diese Regelung, nachdem sie nicht zur Gänze so gemacht worden ist, wie es notwendig wäre, dazu führt, dass dies wieder nur sehr wenige in Anspruch werden nehmen können. Ich teile daher auch die Auffassung des Herrn Abgeordneten Pumberger – und es ist eine Seltenheit, dass ich Ihre Auffassung teile (Abg. Dr. Trinkl: Sie können ja was dazulernen!)  –, dass wir das sicherlich in zwei Jahren evaluieren werden. Aber eines sage ich Ihnen auch dazu: Da sind Sie sicherlich nicht mehr in der Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Pumberger: Ich bin nicht in der Bundesregierung!)

Um ja nicht in den Verdacht zu kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei dieser sehr ernsten Materie klassenkämpferische Töne anzuschlagen, sei mir gestattet, nicht mit meinen eigenen Worten zu argumentieren (Abg. Wochesländer: Das glaub’ ich gern!), sondern zwei Zitate zu bringen.

Erstens: Der Katholische Familienverband Österreichs steht Ihnen, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, wie ich glaube, ja sehr nahe. Ich zitiere Ihnen die Meinung dieses Verbandes:

"Um die gute Idee nicht mit einer halbherzigen Umsetzung zu einer theoretischen Möglichkeit verkommen beziehungsweise einem Privileg für Reiche werden zu lassen, sollte zumindest eine teilweise existenzielle Absicherung der Betroffenen sichergestellt werden."

Weil gesagt worden ist – und das ist das zweite Zitat –, ein Wunsch der Caritas sei mit diesem Gesetz erfüllt, sei mir gestattet, Ihnen die APA-Aussendung des Präsidenten der Caritas, Küberl, vom 16. Mai in Erinnerung zu rufen. Küberl richtet an die Regierung die "dringende Bitte", "die gute Grundidee der Familienhospizkarenz zu einem guten Abschluss zu bringen".

Und weiters: "Es muss eine Existenzsicherung für die sozial Schwächsten geben, es darf nicht am Geld scheitern, dass Menschen am Ende ihres Lebens jene Betreuung und Sorge erhalten, die sie brauchen", so Caritas-Präsident Küberl.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem Sie von der Österreichischen Volkspartei! Ich weiß, dass sehr viele von Ihnen eine christlich-soziale Einstellung haben. Daher meine Bitte an Sie: Stimmen Sie unserem Initiativantrag zu! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihnen, geschätzte Frau Abgeordnete Steibl, möchte ich sagen: Zerbrechen Sie sich bitte nicht den Kopf über die sozialdemokratische Fraktion! (Abg. Steibl: Nein, tu ich eh nicht!) Wir wissen, was wir zu tun haben, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Lassen Sie mich, weil wir ja ein Sozialthema behandeln, auch einige Bemerkungen zum Stil dieser neuen Bundesregierung, zum neuen Regieren hier anbringen, vor allem weil das auch immer im Zusammenhang mit Sozialgesetzen, mit sozialen Maßnahmen argumentiert wird. Lassen Sie mich zu diesem Zweck – und ich bin sehr froh darüber, dass der Herr Abgeordnete Gaugg jetzt hier anwesend ist – aus der Sitzung vom 18. April dieses Jahres hier im Hohen Haus zitieren. Vorerst ein Zitat aus der Rede des Herrn Abgeordneten Riepl.

Abgeordneter Riepl fragte Abgeordneten Gaugg: "Planen Sie persönlich im Zuge dieser Novelle in irgendeiner Weise einen Wechsel in die Sozialversicherung? – Man konnte das in den Zeitungen lesen." – Daraufhin gab es eine sehr große Aufregung beim Herrn Abgeordneten


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 48

Gaugg, gab es Zwischenrufe, gerichtet an den Herrn Abgeordneten Riepl, ob er dies denn aus der "Prawda" entnommen hätte. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich werde dann begründen, meine sehr geehrten Damen und Herren, warum das gerade auch im Zusammenhang mit der Sterbekarenz zu sehen ist: weil es nämlich den Stil der Regierung zeigt (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP), und dann werde ich Ihnen – ich kann verstehen, dass Sie unruhig werden – einen Vorschlag zur Finanzierung machen. (Abg. Dr. Fekter: Ausgesprochen überheblich! – Abg. Achatz: Das ist wirklich pietätlos! Unbeschreiblich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es hat dann der Herr Abgeordnete Gaugg gesprochen, und es hat eine sehr große Erregung gegeben. Man hat gesagt, dass das eine persönliche Verunglimpfung darstelle und Ähnliches mehr. Er hat dann an meine Adresse gerichtet sogar gefragt, ob ich geisteskrank sei. (Abg. Wochesländer: Was soll denn das? – Abg. Böhacker: Unbeschreiblich!) Es ist dem Herrn Abgeordneten Gaugg nur ein schwerer Fehler passiert. Die "Prawda" hat Recht gehabt, Herr Abgeordneter Gaugg! (Anhaltende Zwischenrufe der Abg. Wochesländer. )

Wie man den heutigen Zeitungen entnehmen kann, etwa "NEWS", ist das der Stil der neuen Regierung. Sie treffen eine Entscheidung für jene Menschen, die es sich leisten können, und so wie bei der Ambulanzgebühr und Ähnlichem geht es zu Lasten der armen Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben gesagt, Sie haben für einen Topf, woraus man die Sterbebegleitung, die Sterbekarenz für Menschen, die es sich nicht leisten können, zahlen kann, eben nicht mehr Geld zur Verfügung. Ich werde Ihnen dann einen Vorschlag machen, wie Sie Geld in diesen Topf hineingeben können. Aber ich bitte Sie nur um zwei, drei Minuten Geduld. Der Vorschlag kommt schon noch. (Abg. Dr. Pumberger: Das hat die Sterbekarenz nicht verdient, was Sie da von sich geben!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin in der Lage, Ihnen das gesamte Protokoll hier darzulegen. Da steht ganz groß oben, drei Mal: Vertraulich, nicht kopieren, nicht weitergeben. Das ist ein Protokoll vom 14. Mai dieses Jahres, 17.00 Uhr, Parlamentsklub. Anwesend sind der geschätzte Herr Bundesminister Haupt, Martin Graf, Abgeordneter Hofmann, Walter Tancsits und einige andere. (Abg. Dr. Pumberger: Das darf doch nicht wahr sein! Wo bleibt der Ruf zur Sache, Herr Präsident?) Da geht es darum, dass festgelegt wird, wer Generaldirektor in der Pensionsversicherung wird: der Herr Wetscherek, und Generaldirektor-Stellvertreter wird der Herr Reinhart Gaugg. (Abg. Wochesländer: Zur Sache!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Protokoll wirft natürlich einige Fragen auf. Herr Bundesminister Haupt, eine Frage, die Sie schlicht mit Ja oder mit Nein beantworten können: Waren Sie bei dieser Sitzung?

Nachdem der Herr Generaldirektor-Stellvertreter Gaugg, weil er ja mit schwarz-blauer Mehrheit gewählt wird, in die Hand Ihres Vertreters den Eid auf die Republik wird leisten können, frage ich Sie: Welche Fähigkeiten hat der Herr Abgeordnete Gaugg? Hat er die A-Prüfung? Hat er die B-Prüfung? Hat er Erfahrung in leitenden Funktionen? – Heutigen Zeitungen muss ich entnehmen, es scheitere oder spieße sich ein bisschen bei den Gehaltsvorstellungen des Herrn Gaugg. Vielleicht können Sie uns darüber Auskunft geben!

Herr Bundesminister! Geben Sie eine Antwort! Die Menschen haben ein Recht darauf, eine Antwort zu bekommen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Lassen Sie mich nun noch mit einem Gerücht aufräumen. Es gibt in den Wandelgängen das Gerücht, dass es einen Pakt mit den sozialdemokratischen Gewerkschaftern in der Pensionsversicherung gibt. Ich versichere Ihnen: Kein einziger sozialdemokratischer Versicherungsvertreter wird für Herrn Gaugg als Generaldirektor-Stellvertreter stimmen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wochesländer: ... nicht um Postenschacher!)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 49

Eine weitere Frage: Welche Rolle spielt der Herr Personalberater Jenewein? Da mache ich Ihnen jetzt den ersten Vorschlag, wo man Geld einsparen könnte, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Herr Jenewein dafür hergibt. In dem Protokoll heißt es: Herr Jenewein bekommt den Auftrag, er soll eine mediale Begleitung bereits am Donnerstag, den 16. Mai, vornehmen, und er soll diese begründen. (Abg. Dr. Pumberger: Wo bleibt der Ruf zur Sache, Herr Präsident?)

Ich würde erstens einmal den Herrn Rechnungshofpräsidenten Fiedler bitten, kontrollieren zu lassen, ob da nicht Steuergeldverschwendung stattfindet, denn der zieht eine große Show ab und exekutiert nur einen Beschluss, den die Fraktionen bereits gefasst haben.

Jetzt mache ich Ihnen einen Vorschlag: Um die Gage des Herrn Jenewein, die Sie bezahlen, um zu begründen, dass der Herr Wetscherek und der Herr Gaugg Generaldirektor beziehungsweise Generaldirektor-Stellvertreter werden, könnten wir zig Menschen Unterstützung bei der Sterbehospiz geben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin überzeugt davon – ich sagte es schon –, dass der Abgeordnete Gaugg auf Grund der Mehrheitsverhältnisse diese Funktion sicherlich erreichen wird. (Abg. Wochesländer: Wen das zur Familienhospizkarenz interessiert ...!) Ich hoffe im Interesse der Versicherten nur, dass nicht seine erste Tätigkeit als Generaldirektor-Stellvertreter der Pensionsversicherung die sein wird, dass er die vier Buchstaben ASVG anders interpretiert, denn er hat ja Erfahrung darin, vier Buchstaben anders zu interpretieren.

An die Adresse derjenigen, die sich getroffen haben, gebe ich auch noch eine Empfehlung – es heißt da nämlich auch noch, dass man sich zu einem anderen Zeitpunkt wieder treffen wird, um die Postenbesetzung in den Landesdirektionen und Ähnliches zu vereinbaren –: Schreiben Sie dann, bitte, in größeren Buchstaben drauf: Nicht kopieren, vertraulich, nicht weitergeben!, sonst haben wir wieder das Protokoll. Sparen Sie auch da bitte und engagieren Sie keinen Herrn Jenewein, damit er uns dann erklärt, warum dieser oder jener Blau-Schwarze ein Landesdirektor wird!

Eine Adresse an dich persönlich, lieber Herr Abgeordneter Gaugg: Erste Empfehlung: In Zukunft dem Abgeordneten Riepl glauben! Zweite Empfehlung: In Zukunft der "Prawda" glauben! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

10.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

10.56

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Lieber Kollege Haupt! Meine Damen und Herren, es mag das formale Recht eines Abgeordneten sein, sich auch beim Thema Sterbekarenz und Familienhospizkarenz zu Personalfragen im Bereich der Sozialversicherung zu äußern, gestatten Sie mir jedoch dazu die Anmerkung – ohne das abqualifizieren zu wollen –: Ein wenig unangemessen und ein wenig unpassend finde ich das schon, sehr geehrter Herr Abgeordneter Nürnberger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Das brauchen Sie uns nicht zu sagen! – Abg. Leikam: Das ist ja unerhört! Sie haben nicht das Recht, das zu beurteilen! – Abg. Dietachmayr: Das entscheidet der Präsident, aber nicht Sie! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

So, wie Herr Abgeordneter Nürnberger das Recht hat, sich hier im Hohen Hause zu äußern, habe auch ich das Recht dazu, sehr geehrter Herr Abgeordneter Leikam! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Sie sind der Letzte, der mir das freie Wort im Parlament nehmen wird – auch nicht als einem Mitglied der Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Leikam: Unerhört! – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ und Gegenrufe bei der ÖVP sowie den Freiheitlichen. – Abg. Böhacker: Schmutzig! Geschmacklos! – Abg. Dr. Jarolim: Beschämend! – Präsident Dr. Fischer gibt neuerlich das Glockenzeichen.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 50

Nun aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, zurück zum eigentlichen Thema, und das ist mir zu ernst und zu wichtig, um jetzt auf wenig qualifizierte Zwischenrufe seitens der sozialdemokratischen Opposition einzugehen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema aktive Sterbehilfe hat vor einigen Monaten sozusagen seinen Anfang in Holland genommen – das hat uns natürlich schon damals Sorge bereitet –, und diese Entwicklung setzt sich jetzt offensichtlich leider auch in Belgien fort. Wenn man dem Chefredakteur-Stellvertreter der "Presse", Fleischhacker, Glauben schenken darf, dann ist es so, dass die Beschlusslage betreffend aktive Sterbehilfe in Belgien sogar noch um einiges kritischer ist als jene in Holland.

Wir in Österreich haben dazu den breiten nationalen Konsens, aktive Sterbehilfe abzulehnen. Aber noch besser, als diesen Konsens in Bezug auf eine Ablehnung zu haben, ist es, so meine ich, einen Konsens für eine Antwort zu finden, und wir haben, sehr verehrte Damen und Herren, in unserem Lande eine Antwort, über welche breiter Konsens herrscht, gefunden, vielleicht eine Teilantwort, aber immerhin eine Antwort, nämlich: Sterbekarenz, Hospizkarenz.

Gleichzeitig aber beginnt bei mir ein gewisses Bedauern seinen Anfang zu nehmen, da der bereits angesprochene Konsens – und zwar haben wir einen solchen vergangenen November in Form eines Vier-Parteien-Entschließungsantrages erzielt – seitens der Opposition "vergessen" worden sein dürfte.

Daher erinnere ich nochmals daran, sehr geehrter Herr Abgeordneter Nürnberger: Es ist Stil dieser Bundesregierung, in solchen Fragen einen Konsens mit allen Parlamentsfraktionen zu suchen. Wir haben uns bemüht, einen Konsens in dieser Frage zu finden – und wir haben ihn auch gefunden, und das ist wichtig. (Abg. Silhavy: Aber gerade die ÖVP war schwer für dieses Gemeinsame zu gewinnen, Herr Minister!)

Ich bedauere, dass es selbst in solchen Fragen offensichtlich Stil der Opposition ist – nicht der Regierung! –, im Zuge der Umsetzung eines Vier-Parteien-Entschließungsantrages von diesem Konsens abzuweichen, um dann hier im Parlament die Zustimmung zumindest in Frage zu stellen und diese Lösung zwar als recht gut, aber als nicht gut genug zu bezeichnen und das im Ausschuss dann abzulehnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gehen wir doch vom Status quo aus: Welches Risiko haben denn heute Menschen in Kauf zu nehmen, wenn sie sich dazu bereit erklären, nahe Angehörige aus dem Leben zu begleiten? Wir wollen ja, dass Angehörige, dass Kinder in Zukunft – so wie Eltern ihre Kinder ins Leben begleiten – "ihre Eltern aus dem Leben begleiten können"; Zitat von Professor Zulehner. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Welche Risken haben sie denn heute in Kauf zu nehmen? – Da hat Herr Abgeordneter Nürnberger noch ernsthaft in der Sache argumentiert, und da hat er Recht gehabt. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )  – Sehr geehrte Frau Abgeordnete Silhavy, die Lautstärke Ihrer Zwischenrufe macht diese nicht richtiger. – Das ist so! (Beifall bei der ÖVP.)

In der Praxis ist es so, dass das überwiegende Gros der Arbeitgeber Österreichs Verständnis dafür hat. Selbstverständlich! Es wird eine Karenzierung geben. Es wird eine Rückkehr auf den Arbeitsplatz geben. Aber das wird nicht in allen Fällen so sein. Deswegen ist zum Ersten ein Rechtsanspruch auf Karenzierung, sehr unkompliziert, sehr schnell umzusetzen, eine ganz wichtige Sache. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Zum Zweiten – und das gab es bis jetzt in keinem Fall, auch nicht bei Wohlwollen des Arbeitgebers – gibt es eine sozialrechtliche Absicherung, die Weiterversicherung in der Krankenversicherung, die Weiterversicherung in der Pensionsversicherung. Das ist eine bahnbrechende Reform im Sinne der Arbeitnehmer dieses Landes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Dritte – das, was heute vielleicht ohnehin selbstverständlich war –: Wir machen jetzt rechtlich wasserdicht, dass der Arbeitsplatz gesichert bleibt. Wer sich um die im Sterben liegende Mutter, die Schwiegermutter, den Schwiegervater


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 51

kümmern muss, der beziehungsweise die hat ohnehin schon genug Sorgen. Da soll nicht auch noch eine vielleicht unbegründete, aber doch kleine Sorge um den Arbeitsplatz dazukommen. Der Arbeitsplatz ist gesichert.

Das sind die drei wirklich substanziellen Inhalte der Familienhospizkarenz, die diese Reform so wichtig machen im Sinne der Arbeitnehmer, vor allem aber im Sinne der Menschlichkeit dieses Landes, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich finde es besonders erfreulich, dass es gelungen ist, auch für die Betreuung schwersterkrankter Kinder eine derartige Karenzierungsmöglichkeit zu schaffen. Nicht immer sind es im Sterben liegende Eltern, Schwiegereltern, es kann auch einmal ein sehr schwer erkranktes Kind sein, das der Begleitung bedarf.

Herr Abgeordneter Nürnberger – er ist jetzt nicht mehr im Saal – hat Herrn Präsidenten Küberl zitiert. Ich gehe davon aus, dass er richtig zitiert hat. Das Zitat war allerdings nicht vollständig. Die Caritas und der Katholische Familienverband sind der Auffassung, dass der Wunsch gerechtfertigt ist, auch eine existenzielle Absicherung für diejenigen zu schaffen, die sich in dieser Situation befinden und das eben brauchen. Wir sind ebenfalls dieser Auffassung.

Herr Kollege Haupt hat diesbezüglich wichtige Initiativen gesetzt, und zwar durch eine Zugriffsmöglichkeit auf den Familienhärteausgleichsfonds und durch Maßnahmen im Bereich des Pflegegeldes. Er wird das dann näher ausführen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns im Ministerrat darauf verständigt, dass wir binnen zwei Jahren diese Reform, die Neuland darstellt, evaluieren und dann weitersehen werden. All das ist abgesprochen mit Herrn Präsidenten Küberl von der Caritas und auch mit Herrn Direktor Landau. In zwei Jahren werden wir, nachdem wir praktische Erfahrungen gesammelt haben werden, weitersehen.

Zu einer Fehlentwicklung, die wir aus Holland und aus Belgien kennen, die wir in Österreich absolut nicht wollen, sagen wir nicht nur nein – es ist auch wichtig, hier geschlossen nein zu sagen –, sondern wir sagen ja zu unserer Antwort, zur Familienhospizkarenz, wir sagen ja zu mehr Menschlichkeit in diesem Lande. Es handelt sich um eine einmalige Reform im Sinne der Menschlichkeit dieses Landes.

Zuletzt möchte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren der Sozialdemokratie, trotz aller Polemik in Sachen Postenbesetzung im Bereich der Sozialversicherung dazu auffordern, bei diesem so wichtigen Thema doch noch ein wenig in sich zu gehen und gemeinsam mit den Grünen wiederum auf den Weg zurückzukehren, der ja gefunden war, auf diesen Weg des Gemeinsamen im Zuge des Vier-Parteien-Entschließungsantrages, der noch nicht einmal ein halbes Jahr alt ist. Kehren Sie zurück auf den Weg der Gemeinsamkeit, und machen Sie aus diesem Thema ein Thema, dem alle vier Fraktionen im Parlament die Zustimmung geben können! – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

11.04

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Auftritt des Kollegen Nürnberger war im Prinzip ein peinlicher Auftritt, geschmacklos und unangemessen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Herr Kollege Nürnberger, ich möchte nur eines dazu sagen: Wir leben in einem Rechtsstaat. Es wird wohl jedem österreichischen Staatsbürger freistehen, sich im Rahmen einer Ausschreibung zu bewerben. Wir leben nicht in einem "Linksstaat", sondern in einem Rechtsstaat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Postenschacher!)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 52

In vergangenen Zeiten hat es für solche Posten überhaupt keine Ausschreibung gegeben, sondern diese sind von den Sozialdemokraten besetzt worden. Da hat sich jetzt etwas geändert. (Abg. Dr. Cap: Das ist eine Schmähausschreibung!)

Aber auf jeden Fall ist es beschämend, dass sich ein Abgeordneter dieses Hauses bei der Behandlung einer so wichtigen Materie wie der Familienhospizkarenz über solche Dinge äußert. Kollege Nürnberger! Du hast im Rahmen der Dringlichen Anfrage, in der Arbeitsmarktthemen behandelt werden, noch genügend Gelegenheit, darüber zu sprechen. Aber so ist es eben. Sie treten so ein wichtiges Gesetz mit Füßen. Daran zeigt sich, wie Familienarbeit in den Reihen der SPÖ mit Füßen getreten wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieses Familienhospizkarenzgesetz ist für mich ein wichtiger Schritt in Richtung Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Durch das Familienhospizkarenzgesetz werden die Sterbebegleitung naher Angehöriger, Eltern, Schwiegereltern, Schwiegerkinder, Geschwister, Adoptivkinder und die Betreuung schwersterkrankter Kinder ermöglicht und erleichtert.

Die Sozialdemokraten hätten ja in den vergangenen Jahren die Möglichkeit gehabt, für eine Erleichterung und Änderung in dieser Hinsicht zu sorgen. Jeder Arbeitnehmer, der bisher mehr Zeit für die Pflege eines Mitgliedes seines Familienverbandes aufgewendet hat, als seiner Freizeit entsprochen hat, oder einen Sterbenden begleitet hat, hat bisher seinen Arbeitsplatz gefährdet. In Zukunft hat ein Arbeitnehmer bei Betreuung von Angehörigen einen Rechtsanspruch auf Herabsetzung der Normalarbeitszeit, auf Änderung der Normalarbeitszeit oder auf eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes bis zu drei Monaten mit einer Verlängerung sogar bis zu einem halben Jahr. Während dieser Zeit sind diese Personen arbeitslosen-, kranken- und pensionsversichert. Das ist vor allem für Frauen sehr wichtig, die oft Schwierigkeiten haben, die entsprechenden Pensionsversicherungszeiten zu erwerben. Das ist hiemit gewährleistet. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das muss einmal klipp und klar gesagt werden, weil es immer wieder heißt, die Pflege liege hauptsächlich in den Händen der Frauen. Die Kinder bekommen auch die Frauen. Es ist kein Mann ausgeschlossen von der Pflege von Angehörigen und von der Begleitung Sterbender, schon gar nicht durch dieses Gesetz. Es wird dadurch auch die professionelle Pflege keinesfalls in Frage gestellt, sondern diese ist ebenfalls möglich. Die Pflege und Begleitung einer Person, die im gemeinsamen Haushalt lebt, ist eher selbstverständlich, aber dies ist nicht die Voraussetzung. Es ist auch möglich, Familienangehörige, die nicht im gemeinsamen Haushalt wohnen, zu pflegen.

Herr Kollege Öllinger, ich habe Verständnis dafür, wenn du sagst, diese Möglichkeit müssten auch Lebensgefährten eingeräumt bekommen, und trete auch dafür ein. Der Bereich der Anspruchsberechtigten könnte ausgedehnt werden. Aber das ist momentan nicht finanzierbar, weil die entsprechenden finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stehen. (Abg. Reheis: Ihr braucht es für die Abfangjäger!) Auch die Forderung der SPÖ nach finanzieller Absicherung, und zwar in gleicher Höhe wie der Arbeitslosengeldanspruch, ausbezahlt durch den FLAF, ist momentan nicht umsetzbar. Das ist das Problem, das wir jetzt haben. Aber es wird in zwei Jahren eine Evaluierung geben. Wir werden uns das anschauen, und vielleicht können wir das in zwei Jahren dann auch umsetzen.

Familien, die durch die Anspruchnahme dieser gesetzlichen Möglichkeit in finanzielle Not geraten, haben die Möglichkeit, Geldaushilfen aus dem Familienhärteausgleichsfonds zu erhalten; ein Rechtsanspruch darauf ist gegeben. Der Herr Sozialminister hat angekündigt, er wäre auch bereit, einer Vorschussregelung, was das Pflegegeld betrifft, zuzustimmen, und zwar in dem Fall, wenn ein Sterbender aus dem Krankenhaus entlassen und dann zu Hause gepflegt wird. Wir wissen, dass die Einstufung hinsichtlich des Pflegegeldanspruches oft bis zu zwei Monate dauert. Es müsste eine Möglichkeit geschaffen werden, einen Vorschuss zu bekommen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 53

Außerdem muss ich sagen, dass diese Familienhospizkarenz im Prinzip eine Erweiterung dieser Pflegevorsorge darstellt. Sie ist für mich auch ein weiterer Schritt hin zu flexiblen Rahmenbedingungen in Beruf und Familie, ein weiterer Schritt hin zu einer familienfreundlichen Arbeitswelt und zu einer familienfreundlichen Gesellschaft. Auf jeden Fall ist es ein gutes Gesetz und eine wesentliche Verbesserung in der Familienpolitik.

Wenn die SPÖ jetzt mehr fordert, dann muss ich dem entgegenhalten, das hätte sie schon vor zwei Jahren umsetzen können. Ich lade sie aber ein, hier mitzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

11.11

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! – Der andere Bundesminister ist mir kurz abhanden gekommen, obwohl ich einige Worte an ihn zu richten hätte.

Ich verstehe die Aufregung darüber, dass Kollege Nürnberger im Rahmen dieser Debatte einen Punkt angesprochen hat, der sicher nicht uninteressant ist, überhaupt nicht. Ich verstehe vor allem nicht die Phobie des Herrn Ministers Bartenstein, der immer glaubt, es werde ihm das Wort entzogen. Das Gegenteil war der Fall! Er hat versucht, sozusagen das Wort eines Kollegen, das dieser schon gesprochen hat, nachträglich madig zu machen. Ich will aber gar nicht weiter darauf eingehen.

Egal, ob es sich um die Ausführungen des Kollegen Nürnberger oder irgendeines anderen Kollegen handelt, möchte ich hier festhalten, dass ich in diesem Haus weder Wortverbote, Angst vor Wortverboten noch Denkverbote haben will. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Das geht an die Adresse vor allem des Kollegen Pumberger, der eigentlich in einer unglaublich billigen, polemischen – ich spare mir jetzt die Worte, die mir noch dazu einfallen würden (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was ist das anderes als ein Wortverbot, wenn Sie ihm jetzt vorhalten, was er gesagt hat? Sie widersprechen sich ja selbst!) – , in einer unglaublich billigen, polemischen Art die Debatte um die Hospizkarenz auf ein Niveau gebracht hat, das ihrer nicht würdig ist.

Frau Abgeordnete Partik-Pablé, ich habe die Debatte im Ausschuss teilweise als sehr, sehr ehrlich erlebt. Mein Dank geht nicht nur an die Abgeordneten, die anlässlich der Behandlung dieser Thematik auch gedacht, und zwar weiter gedacht haben, sondern mein Dank geht auch an die beiden Minister. Mir ist aus der Debatte in der Vorbesprechung – das war nicht in der gestrigen Ausschusssitzung – noch gut erinnerlich, dass sich Minister Haupt – das gestehe ich ihm zu – um die materielle Absicherung bemüht hat, auch wenn ich – und das sage ich Ihnen auch gleich, Herr Bundesminister – mit dem, was Sie in Bezug auf das Pflegegesetz vorgeschlagen haben, in keiner Weise einverstanden bin. Das würde ich sogar für einen Punkt halten, bei dem der Rückschritt garantiert wäre. Aber wir diskutieren das das nächste Mal.

Was mir wichtig ist – und dafür bin ich dem Kollegen Dolinschek auch dankbar –, ist Folgendes: Einer der Punkte, der die Opposition nicht zuletzt in der Debatte um die Hospizkarenz bewegt, ist: Was ist es, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, was Sie bei der Entscheidung darüber, wer eine solche Karenz in Anspruch nehmen darf, ob das nur Verheiratete sein dürfen oder ob es sich nicht auch um Partner in außerehelichen Gemeinschaften handeln kann, so ungnädig und gnadenlos werden lässt? Warum wollen Sie den einen das versagen, was Sie den anderen zu Recht gewähren?

Sie können keinen Grund nennen, und es ist doch lächerlich, wenn Sie sagen, dass es am Geld scheitert. Das ist nicht der Aspekt, den wir hier in der Debatte um die Hospizkarenz diskutieren sollten. (Zwischenruf der Abg. Steibl. ) Ich möchte den Ausdruck "Familie" im Zusammenhang mit der Hospizkarenz vermeiden, weil er bereits diese Einschränkung beinhaltet, Frau Kollegin Steibl.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 54

Und ich sage Ihnen eines auch klar: Die erste Gruppe, die in der Öffentlichkeit (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Steibl ) – lassen Sie mich reden, ich erkläre Ihnen das Beispiel – schon vor Jahren, vor über einem Jahrzehnt dadurch bekannt geworden ist, dass sie Sterbebegleitung gemacht hat, war die Gruppe der Angehörigen beziehungsweise der Partner, um es richtig zu sagen, von AIDS-Kranken. Denken Sie zurück! Wer hat das als Erster öffentlich wahrnehmbar und in einer Art und Weise, die nicht nur berührend war, sondern es sind auch Männer zum ersten Mal als diejenigen aufgetreten, die jemanden, der todkrank ist, pflegen, gemacht? – Das waren die Partner von AIDS-Kranken. Wen schließen Sie, Frau Abgeordnete Steibl, mit Ihrer Regelung aus? – Genau diese Gruppe! Ich werde es Ihnen sagen: Beim Zugang zur Familienhospizkarenz sind in Ihrem Modell die Lebenspartner oder die Freunde von Todkranken, AIDS-Kranken ausgeschlossen. (Zwischenruf der Abg. Steibl. )  – Nein, die dürfen nicht pflegen. – Das ist Ihre Linie.

Dann gibt es noch einen Punkt, Herr Bundesminister: Beim Zugang zu diesem Härtefonds sind wiederum die AIDS-Kranken ausgeschlossen, weil Voraussetzung für eine materielle Leistung dieses Härtefonds wäre, dass es sich um eine Familie oder die Kinder einer Familie handelt. Bei AIDS-Kranken, die durch Partner gepflegt werden, spielt es das eben nicht, wenn sie aus dem homosexuellen Milieu kommen und homosexuell sind. Das ist schlicht und ergreifend so.

Wenn man dieses Bild noch vor Augen hat – das war die erste Gruppe, die in der Öffentlichkeit so etwas wie Begleitung von todkranken Menschen vorexerziert und in unseren Köpfen als öffentliche Haltung sichtbar gemacht hat –, dann verstehe ich nicht, warum man diese Gruppe ausschließen will. Ich verstehe es nicht! Sie können auch kein logisches Argument dafür finden. Genau diese Menschen haben keine Möglichkeit. Warum werden die bestraft? Warum wird ihnen das vorenthalten, was Sie jenen, die in einer Familie mit dem Stempel leben, gewähren wollen? Erklären Sie mir das! Haben Sie einen Grund, eine Erklärung, außer dass hauptsächlich die ÖVP, vermute ich, in dieser Frage nach wie vor die Ideologie, nämlich Ablehnung aller anderen Lebensformen, über alles andere stellt? Gnadenlos sind Sie! Inhuman sind Sie! Ich kann es Ihnen nicht anders sagen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das, was Sie uns vorexerziert haben, meine Damen und Herren, ist eine scheinheilige Debatte, die unerträglich ist. Sie stellen sich her und sagen: Ach, die todkranken Menschen, wie wir uns um sie kümmern! – Das ist doch verlogen! Es tut mir Leid, ich kann das nicht anders charakterisieren. Würden Sie das Problem ... (Zwischenruf der Abg. Steibl. ) – Nicht Sie, Frau Kollegin Steibl, aber wenn Sie diese Haltung einnehmen, dann tut mir das Leid für Sie. Ich kenne nur die Haltung der ÖVP Steiermark, die in dieser Frage Offenheit praktiziert hat. Warum stellen Sie sich nicht hier her und machen dasselbe? Warum nehmen Sie nicht die Debatte auf und treten dafür ein, dass auch diese Gruppen den Zugang zur Hospizkarenz erhalten? Warum tun Sie das nicht? Warum tun Sie das nur in der Steiermark und nicht hier im Parlament? – Das frage ich Sie. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das ist keine Frage, die am Geld scheitern darf. Wenn wir dieses Recht Sterbenden gewähren wollen, dann muss es allen Sterbenden gewährt werden. Und wer sie pflegt, das ist ihre Angelegenheit. Wer sie begleitet – denn es geht nicht um Pflege, es geht um Begleitung –, das ist ihre Angelegenheit. Und wir haben das zu fördern und zu unterstützen. Von diesem Grundsatz gehen ich, die Grünen und auch die Sozialdemokraten aus.

Was Sie machen, ist eine bornierte ideologische Politik, die noch dazu mit einer scheinheiligen Krone versehen ist. Sie stellen sich her, Pater Filucius zum Quadrat, und sagen: Ach, wir sind ja so dafür – aber die Haltung der anderen verstehen wir nicht. Werte Sozialdemokraten und Grüne, was haben Sie denn gegen diese vorbildliche Regelung? – Ich habe Ihnen gesagt, was wir dagegen haben und was die Gründe dafür sind, die es uns so schwer machen, mit Ihnen gemeinsam zu einer Haltung zu kommen. Das sind die Gründe. Sie sollten sich wirklich schämen, dass Sie in dieser Frage nicht die Offenheit und Gnade besitzen, auch über Ihren eigenen ideologischen Schatten zu springen!


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 55

Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Haidlmayr, Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Familienhospizkarenz eingebracht im Zuge der Debatte über TOP 1: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1045 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz (1132 der Beilagen)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat umgehend einen überarbeiteten Gesetzesentwurf zuzuleiten, welcher folgende Grundsätze beachtet:

Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der neuen Regelung darf keine Angelegenheit für wohlhabende Eliten werden; eine finanzielle Mindestabsicherung muss in jedem Fall gewährleistet sein.

Die Zugangsmöglichkeit zum neuen Recht dürfen für unterschiedliche Personengruppen, insbesondere für ArbeitnehmerInnen und Arbeitslose nicht unterschiedlich geregelt werden.

Die Zugangsmöglichkeiten zum neuen Recht müssen auch für gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften sichergestellt sein.

Sicherstellung, dass diese Form der Karenz nicht die professionelle Pflege zurückdrängt.

*****

Herr Bundesminister! Das ist genau der Punkt. Den werden wir hoffentlich nicht erst beim nächsten Mal diskutieren. Ich kann in der bisherigern Debatte Ihren Versuch erkennen, die Fragen der existenziellen Absicherung ernst zu nehmen. Ich erwarte mir von Ihnen, Herr Bundesminister, dass Sie auch in der Frage der außerehelichen Partnerschaften – um den Terminus "gleichgeschlechtlich" in diesem Zusammenhang zu vermeiden, denn es betrifft nicht nur diese – noch einmal mit Ihrem Regierungspartner reden. Ich wünsche mir das. Es muss doch möglich sein, zu einer Haltung zu kommen, die diese engherzige und bornierte Position, die vor allem die ÖVP, aber auch nicht alle ÖVP-ler vertreten, zumindest in der Frage des Sterbens endlich einmal zurückdrängt. Das wünsche ich mir, und davon werden unsere weitere Haltung und die Zusammenarbeit in dieser Frage auch abhängig gemacht werden. Unser Angebot, weiter zu diskutieren, steht. Aber nehmen Sie es bitte ernst! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

11.22

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir heute über die Familienhospizkarenz diskutieren, sollten wir nicht aus den Augen verlieren, dass die heutige Änderung


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 56

der derzeitigen Gesetzeslage durch das Parlament für die Arbeitnehmer auf jeden Fall – das hat auch Kollege Nürnberger in seinen Ausführungen bestätigt – in arbeitsrechtlicher und sozialrechtlicher Hinsicht eine klare Verbesserung darstellt. Ich glaube, das sollte man bei der Beschlussfassung über diese Gesetzesmaterie nicht vergessen.

All jene, die sich mit dieser Frage tagtäglich in der Praxis, wie es Herr Professor Grünewald tut, beschäftigen, werden zugeben, dass bei Angehörigen in schwierigen Lebensphasen oft das Bedürfnis im Vordergrund steht, entweder Kinder zu pflegen oder Sterbende zu begleiten. Erst in zweiter Hinsicht werden dann Überlegungen hinsichtlich ihrer Absicherungen, auch sozialrechtlicher Fragen angestellt.

Ich glaube daher, dass das, was in der öffentlichen Diskussion als größter Mangel an der derzeitigen Gesetzeslage dargestellt wurde, mit der heutigen Gesetzesänderung behoben wird. Es werden eindeutig und klar die Rückkehr auf den Arbeitsplatz und die Weiterversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung in jener Zeit, in der sich jemand der Pflege widmet, geregelt. Diese Bestimmung gilt für bis zu drei Monate, wobei diese Frist bis auf sechs Monate ausgedehnt werden kann.

Um einige Punkte der Diskussion hier vorwegzunehmen, möchte ich sagen, dass ich in der 98. Regierungssitzung im Zusammenhang mit der Umorganisation der Bundessozialämter und der Diskussion darüber auch einen Antrag eingebracht habe, der von der Bundesregierung angenommen worden ist, in dem für den Bereich des Pflegegeldes zwei Schritte enthalten sind. Wenn der Zeitplan des Parlaments, so wie er mir heute vorliegt, eingehalten wird, dann sollte dieser Antrag im entsprechenden Ausschuss im Juni behandelt werden, sodass eine Beschlussfassung mit 1. Juli parallel zur heutigen Beschlussfassung möglich sein wird.

Ich bin der gleichen Meinung wie Sie, Herr Professor Grünewald. Wir hatten gestern in der Früh hier im Parlament auch die Gelegenheit, mit Vertretern Ihrer Fraktion, der Oppositionsparteien und der beiden Regierungsparteien nochmals den Versuch zu unternehmen, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Ich bin auch durchaus dankbar dafür, dass Sie, Kollege Öllinger, aber auch andere die Position der beiden Regierungsparteien und auch der beiden Minister durchaus anerkannt haben, auch wenn wir im Ergebnis noch auseinander liegen.

Die gewährte Pflegefreistellung ist auch für Pflege zu verwenden, auch das Pflegegeld, auch wenn wir alle wissen, dass es hin und wieder für die Verwendung des Pflegegeldes durch jenen, der bezugsberechtigt ist, auch andere Entscheidungen geben kann, als sie der gesetzlichen Grundlage entsprechen. Im Gesetzestext ist festgehalten, wofür das Pflegegeld verwendet werden soll, was es abdecken soll und in welchem Umfang.

Wir alle wissen, dass die Gewährung von Pflegegeld entsprechenden formalen Kriterien unterliegt. Es handelt sich um Begutachtungen und Entscheidungen durch Beamte. Wir wissen aus der heutigen Praxis, dass nach Antragstellung beim Verlassen des Krankenhauses oft ein bis zwei Monate vergehen, bis das Pflegegeld tatsächlich angewiesen wird, weil die Begutachtung und die Bearbeitung eben so lange dauern.

Ich meine daher, es ist gut, wenn die Möglichkeit geschaffen wird, dass für jemanden, der keine Pflegegeldstufe hatte, bevor er dermaßen erkrankte, dass schlussendlich im Sinne dieses Gesetzes ein Familienangehöriger berechtigt war, Familienhospizkarenz in Anspruch zu nehmen, ein Vorschuss von Pflegegeld zumindest der Pflegestufe 3 gewährt wird, und für jene, die die Pflegestufe 3 hatten, zumindest der Pflegestufe 4. Es zeigt sich in der Praxis, dass das in der überwiegenden Zahl der Fälle eine realistische Einschätzung ist, dass es gerechtfertigt ist, anzunehmen, dass sich infolge eines schweren Krankheitsverlaufes, der vermutlich in drei bis sechs Monaten zum Tod führen wird, oder bei der Begleitung eines schwer krebskranken Kindes etwa über mehrere Monate mit einer infausten Prognose eine Verschärfung der ursprünglichen Pflegesituation einstellen wird. Es wird bei dieser Bevorschussung auch ein unbürokratischer Weg beschritten.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 57

Wir wissen, dass es heute durchaus Praxis ist, dass nach einer gewissen Zeit, etwa nach sechs Monaten, das Pflegegeld neu eingestuft werden kann. Es gibt auch die Möglichkeit einer Rückstufung, wenn sich der Gesundheitszustand des Patienten erfreulicherweise so verbessert, dass der Patient über die sechs Monate hinaus in Pflege bleibt und hoffentlich auch wieder genest. Somit kommt es auch nicht langfristig zu einer Ungleichbehandlung zwischen Pflegegeldbeziehern.

Wenn sich der zu Pflegende dafür entscheidet, das Pflegegeld zu akquirieren, dann ist auch mit inkludiert, dass der zu Pflegende, wenn er in den häuslichen Bereich verlegt wird, neben der Pflege durch Familienangehörige oder sonstige in diesem Gesetz umschriebene Personen auch eine begleitende professionelle Pflege beanspruchen kann.

Wir sind uns, so glaube ich, alle einig – auch Sie, Herr Professor Grünewald, haben das in Diskussionen mehrfach zum Ausdruck gebracht –, dass auch im Bereich der Pflegehospiz eine begleitende Pflege durch ausgebildete Profis unverzichtbar ist, um für den Betreuten auch in der letzten Phase seines Lebens eine hohe Qualität der Versorgung neben der Betreuung in häuslicher Umgebung durch seine liebsten Angehörigen sicherstellen zu können.

Herr Kollege Öllinger! Die Argumente, die Ihre Fraktion eingebracht hat, wonach durchaus denkbar ist, dass in der letzten Phase andere Partner als die heute im Gesetz umschriebenen in die Pflege eintreten – siehe das Beispiel, das Kollege Öllinger hinsichtlich der AIDS-Kranken gebracht hat –, sind für mich durchaus nachvollziehbar. Ich werde mich im Rahmen der zweijährigen Evaluierungsfrist, die im Gesetz festgeschrieben ist, um eine Erweiterung bemühen, und zwar unter Bezugnahme auf die Erfahrungen, die die betroffenen Kreise gemacht haben, und nach Rücksprache auch mit jenen, die heute von der Caritas bis zum Diakoniewerk mit der Pflege betraut sind, um so zu einer größeren Menschlichkeit beizutragen.

Es gibt bei uns in Kärnten das Sprichwort: Das Hervorragende ist der Feind des Guten. Ich sage in aller Klarheit: Immer dann, wenn etwas in die Praxis umgesetzt wird, gibt es die Möglichkeit, etwas noch besser zu machen. Ich meine, angesichts der europäischen Entwicklung sollten wir nicht rückschrittlich ewig an Verbesserungen feilen. Das kostet alles Zeit und nimmt den zu Pflegenden vielleicht eine nicht mehr wiederkehrende Chance. Nach Holland, das der Ausgangspunkt der Vier-Parteien-Regelung war, hat nunmehr auch Belgien als zweites Land einen ähnlichen Schritt gesetzt. Ich glaube nicht, dass wir gut beraten wären, würden wir die österreichische Antwort auf die holländisch-belgische Lösung einfach so lange hintanhalten, bis wirklich der letzte Punkt in allen Details erfüllt ist und wir sagen könnten, ein Jahrtausendwerk für die nächsten 50, 60 oder 70 Jahre medizinischer Erkenntnis geschaffen zu haben.

Zum Härtefonds. Wir haben uns eigentlich in der Diskussion relativ angenähert, zumindest was die offiziellen Aussagen betrifft, die Kollege Öllinger formuliert hat, der von 6 000 bis 8 000 S gesprochen hat, die für ihn als Mindestgrundsicherung – im Vergleich etwa mit den Leistungen des Kinderbetreuungsgeldes und anderem – vorstellbar wären. Das ist eine nachvollziehbare, auch für die Öffentlichkeit durchaus sinnvolle Argumentation.

Nun zur Härtefondsregelung. Aus dem Härtefonds werden im Durchschnitt 36 000 S ausgezahlt. Wenn Sie also annehmen: 36 000 S durch sechs Monate – das ist die Längstbezugzeit in der derzeitigen Regelung der Familienhospizkarenz –, so kommt man diesen 6 000 S relativ nahe.

Ich glaube, dass auch hier die Standpunkte nicht sehr weit voneinander entfernt sind. Ich habe Ihnen allen gestern in der Früh auch versichert, dass ich bis zur Umsetzung der legistischen Änderungen im Familienlastenausgleichsgesetz 2001 und der entsprechenden Verordnungen durchaus gesprächsbereit und bereit bin, die Zuerkennung dieser Härtefondsregelung so zu gestalten, dass jene, die die Voraussetzungen erfüllen, auch tatsächlich das Geld bekommen und es hier nicht, was auch die Befürchtung war, zu qualitativen Verzögerungen kommt, dass nicht bei gleichen Grundlagen der eine Beamte in einem Bundessozialamt zuerkennt und ein anderer Beamter woanders in Österreich nicht zuerkennt.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 58

Ich glaube, dass wir diesbezüglich mit unseren Positionen nicht sehr weit auseinander sind, und daher tut es mir Leid, dass zum heutigen Punkt Ihrerseits keine Zustimmung möglich ist. Sie werden im Familienausschuss und dann auch im zuständigen Ausschuss, der sich mit den Neuregelungen des Familienlastenausgleichsfonds befasst, die Möglichkeit haben, in Gesprächen mit mir und meinen Beamten Ihre Position so einzubringen, dass Sie dann zumindest diese flankierenden Maßnahmen der Grundsicherung in entsprechender Form mittragen können. Darum werbe ich.

Ich möchte noch auf den Kollegen Nürnberger und seine Stellungnahme eingehen. Als ich gestern spätabends aus Pressburg von der Europaratskonferenz der Sozialminister zurückgekommen bin, habe ich auch in einer österreichischen Zeitung das Faksimile eines angeblichen Protokolls gesehen. Ich darf Kollegen Nürnberger darauf aufmerksam machen, dass es vielleicht ihm und auch jenen, die im Sozialausschuss sind, nachvollziehbar ist, dass ich mich an dem Tag, der als Sitzungstag angegeben ist, und zu dieser im Protokoll angegebenen Zeit zumindest bis 17.41 Uhr nachweislich im Sozialausschuss befunden habe. Vielleicht bemessen Sie dann den restlichen Wahrheitsgehalt dieses Dokuments gleich wie die Zeitangaben auf diesem Dokument. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte aber in aller Klarheit zu den Fragen, die Sie releviert haben, sagen: Das Institut Jenewein wurde vom Überleitungsausschuss beauftragt, also von jenen, die dazu beauftragt sind. Ich darf Ihnen auch sagen, dass die Frage der Kostentragung auch von den Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner verabschiedet worden ist. Ich habe ein einziges Recht in diesem Verfahren, nämlich mit meiner Aufsichtsbehörde zu entscheiden, ob all die Kandidaten, die der Überleitungsausschuss gemeinsam mit dem Institut Jenewein vorschlagen wird, aus Sicht der Aufsichtsbehörde geeignet sind, diese Position zu bekleiden. Ich werde weder den Obmann noch den Stellvertreter, noch den leitenden Arzt, noch den Stellvertreter, noch sonst jemanden wählen, sondern das werden die gewählten Vertreterinnen und Vertreter machen.

Ich nehme zur Kenntnis, Herr Kollege Nürnberger, dass die Vertreter der sozialdemokratischen Gewerkschaft dem Kollegen Gaugg die Zustimmung nicht geben werden, aber eines sage ich auch in aller Klarheit dazu: dass Kollege Gaugg das gleiche Recht hat, sich in dieser Republik um ein Amt zu bewerben, wie jeder andere auch. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Nürnberger: Natürlich, das ist ja keine Frage!)

11.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gatterer. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 8 Minuten eingestellt. – Bitte.

11.34

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Die Familienhospizkarenz ist ein Teil des österreichischen Weges im Umgang mit den letzten Phasen des Lebens, mit Sterben und Tod. Die österreichische Bundesregierung – mir tut es Leid, dass die Sozialistische Partei und auch die Grünen nicht bereit sind, dem zuzustimmen – geht hier einen zutiefst menschlichen Weg, den man mit einem Satz umschreiben kann: Wir stehen für begleiten statt töten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Dieses Modell ist so angelegt, dass es wirklich Vorbild für Europa sein kann.

Ich muss sagen, ich bin erschüttert. Sie wissen, ich befasse mich vor allem im Europarat schon sehr lange mit diesem Thema. Ich wünsche mir auch die Unterstützung im Europarat von allen meinen Kollegen, die mich dort unterstützen können, dass wir alles daransetzen, dass es nicht weiter zu Tötung auf Verlangen, zu "Exit", zu Beihilfe zum Selbstmord oder zu Euthanasie kommt, so wie es jetzt in Holland und in Belgien der Fall ist.

Ich muss schon sagen, ich wundere mich sehr, dass es in Belgien jetzt diese Lösung gibt, denn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eindeutig erkannt, dass dies gegen Artikel 2 der Menschenrechtskonvention verstößt. Die Menschenrechtskonvention hat, auch für uns in Österreich, den Status eines Gesetzes im Verfassungsrang. Deswegen stelle ich die Forderung an den Europarat, dessen Präsidenten und Generalsekretär wir derzeit stellen, hiezu


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 59

Stellung zu beziehen und zu sagen, ob die Europäische Menschenrechtskonvention noch etwas wert ist, ob sie noch diesen Stellenwert von einst hat. Wenn der Europäische Gerichtshof eindeutig unterstreicht, dass es nur ein Recht auf Schutz des Lebens gibt und niemals davon ein Recht auf Töten abgeleitet werden kann, dann muss ich schon sagen, wir haben hier Handlungsbedarf. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ein holländischer und ein deutscher Kollege, die in dieser Frage auch sehr engagiert sind, haben mich angerufen, und als ich gesagt habe, wir beschließen heute ein ganz neues Modell, das es in Europa noch nicht gibt, waren sie davon sehr angetan und haben gemeint, das müsse ich ihnen schicken, das müssten sie sich auch überlegen.

Ich glaube, man muss die Ängste der Menschen, sowohl der Angehörigen als auch des Sterbenden, ernst nehmen. Was sind die Ängste? – Es gibt viele Untersuchungen dazu. 80 Prozent der Menschen sagen: Ich möchte nicht allein gelassen werden. Ich habe Angst vor Schmerzen, und ich brauche die Menschen, die mir nahe stehen, in meinen letzten Stunden.

Wir haben wirklich sehr viel gearbeitet, um diesen Wünschen nachzukommen. Ich muss auch sagen, wir haben sehr spät damit angefangen, aber diese Bundesregierung hat damit angefangen. Wir haben geschaut: Was tut sich im Bereich der Palliativmedizin? – Da hat Österreich großen Nachholbedarf, das weiß jeder, und da sind wir auf einem guten Weg. Was können wir tun im Bereich der Hospiz, auch der ambulanten Hospiz? – Da tut sich sehr viel, und hier muss man vor allem heute einmal den unzähligen Menschen danken, die sich ehrenamtlich engagieren, um fremde Menschen in ihrer Freizeit zu begleiten, die Kurse machen et cetera. Diesen Dank muss man an dieser Stelle aussprechen, und das möchte ich hiemit tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die dritte wichtige Säule ist eben dieses Karenzierungsmodell. Ich bedanke mich jetzt vor allem bei Herrn Minister Bartenstein. Wir haben vor einem Jahr angefangen, die Eckpunkte abzustecken, und das ist uns wirklich gut gelungen. Ich bedanke mich auch bei Herrn Minister Haupt, der jetzt den zweiten Teil absichert, eben für Härtefälle. Ich möchte von meinen Kollegen zwei herausgreifen, die hier besonders engagiert waren: Ridi Steibl und natürlich auch Kollege Spindelegger vom ÖAAB, der von Anfang an mit dabei war. Herzlichen Dank!

Im Ausschuss sind immer wieder nur die negativen Punkte gekommen – gut, das ist die Sache der Opposition. Für mich – und ich habe mich wirklich viele Jahre mit diesem Thema befasst – sind einige ganz wichtige Punkte, von denen ich nie abgehen würde, in dieser Regelung der Familienhospizkarenz enthalten, und die möchte ich jetzt hervorheben.

Erstens: dass mehrere Menschen dieses Modell annehmen können. Frau Ex-Ministerin Prammer hat im Ausschuss gesagt, das sei ein Gesetz gegen Frauen. Das streite ich ab und möchte ich sofort widerlegen.

Wenn Sie sich die Statistiken anschauen, sehen Sie, dass Frauen länger als Männer leben. Ich sage immer, das ist ein Geschenk vom lieben Gott, dass Männer nicht so alt werden wie Frauen und von ihren Partnerinnen noch gepflegt werden können. Die Männer werden also meistens von ihren Lebenspartnerinnen, von ihren Ehefrauen zum Schluss betreut. Die alten Frauen haben dann keinen Lebenspartner mehr und sind ganz allein. Denken Sie an diese Frauen auch?

Und denken Sie auch an die Frauen, die sagen, es gibt mehr im Leben, ich bleibe jetzt mit 52 zu Hause, ich steige aus meinem Beruf aus, weil meine Mutter im Sterben liegt und mir das wichtig ist? Haben Sie an diese Frauen auch gedacht? Ist das für die von Nachteil, dass sie ab heute sagen können, ich steige aus, ich kann aber auf meinen Arbeitsplatz zurückkehren, ich bin während dieser Zeit kranken- und sozialversichert, ich habe volle Pensionszeiten? (Abg. Haidlmayr: Und wovon lebt sie in dieser Zeit?) Das heißt, die Regierung sagt, Betreuung ist eine wirklich wertvolle Arbeit, die mit Erwerbsarbeit gleichzusetzen ist.

Ich verstehe nicht, was Sie daran schlecht finden. Wir wissen alle, dass gerade ältere Frauen auf dem Arbeitsmarkt dann fast keine Chance mehr haben, wieder einzusteigen. Wir Frauen


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 60

sind auch immer dafür gestanden, dass wir sagen, es sind uns auch andere Dinge wichtig, als nur in unserem Beruf zu stehen. Die ÖVP-Frauenbewegung hat das auch immer unterstrichen. Ich glaube, das muss man auch in diesem Zusammenhang sagen.

Wichtig ist, dass es möglich ist, dass sich mehrere in die Betreuung einbringen können. Ich lade natürlich auch meine Kollegen ein, das zu tun. Und damit komme ich jetzt zur Frage der finanziellen Absicherung.

Für mich steht es außer Frage, dass es einen Härteausgleich geben muss für junge Familien mit einem schwerstkranken Kind, die am Anfang ihrer Existenz stehen, und es ist ganz wichtig, dass beide Elternteile das Kind betreuen können. Wir wissen, für die Jungfamilien sind die Kosten für Anschaffungen so hoch, dass sie alle in den roten Zahlen leben. Da muss es also etwas geben.

Aber ist es nicht zumutbar, dass sich jemand mit 54, wenn man diese Existenzängste nicht mehr hat, von mir aus drei Schwestern, eine Karenzzeit, eine Auszeit nimmt? (Zwischenruf bei der SPÖ.) Zwei Schwestern und ein Bruder, ich möchte das sofort korrigieren ... (Abg. Haidlmayr: Nein, Sie haben schon "drei Schwestern" gemeint!) Entschuldigung, ich habe zwei Schwestern, deswegen ist das für mich so "eingespeichert". Ich korrigiere das auch auf zwei Brüder und eine Schwester, die sagen: Wir betreuen unsere Mutter.

Ich weiß, dass viele, wenn sie zu Hause jemand betreuen, pflegen müssen, das körperlich und psychisch nicht schaffen. Mit diesem Modell ist es auch möglich, sich Karenzzeit zu nehmen und den zu Betreuenden, etwa den Vater, im Hospiz zu haben und ihn dort zu begleiten, zu besuchen, mit ihm zu sprechen und die letzten Dinge des Lebens mit ihm aufzuarbeiten. Das ist etwas ganz Wichtiges, und dafür schafft dieses Gesetz die Grundlage. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir werden dieses Gesetz in zwei Jahren evaluieren, da es ja überhaupt keine Erfahrungswerte gibt, weder in Europa noch in der restlichen Welt, und schauen, wo die Schwächen sind, welche Gruppe es in Anspruch genommen hat und was wir noch verbessern können. Dazu lade ich Sie heute schon ein. Aber Sie haben kein einziges Argument bringen können, das Ihre Haltung, heute dieses Gesetz abzulehnen, berechtigt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte.

11.43

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Ich möchte auch mit dem Positiven beginnen, das diese Debatte gebracht hat, nämlich dass auch in Österreich über ein Thema gesprochen wird, über das niemand gerne spricht, weil wir lange Zeit so getan haben, als würde es uns nicht betreffen, nämlich das Sterben. Und dass wir darüber diskutieren, hat niemand in Österreich ausgelöst; ausgelöst haben diese Debatte Holland und Belgien. Das müssen wir ganz ehrlich zugeben. Das ist auch der Grund dafür, warum in Österreich lange nicht nachgedacht wurde darüber, wie denn ein österreichischer Weg in dieser Frage ausschauen könnte.

Meine Damen und Herren und speziell auch Frau Abgeordnete Gatterer! Ich habe auch keine Antwort, und ich hoffe, Sie können sich hier herstellen und das Gleiche sagen, nämlich dass Sie auch keine Antwort haben, wenn ich Sie frage, was Sie zum Beispiel jener Britin sagen, die zum Menschenrechtsgerichtshof gegangen ist – ich habe sie im Fernsehen gesehen. Ich bin nicht die Verfechterin der Sterbehilfe. (Abg. Gatterer: Jetzt wissen wir, warum Sie nicht zustimmen können!)  – Nein, ich bin es nicht! Ich glaube nicht, dass Holland und Belgien den richtigen Weg gehen. Aber dieser Frau zu sagen, es gibt jetzt drei Monate Sterbekarenz, ist auch ein gewisser Hohn, meine Damen und Herren!

Ich meine, dass diese Debatte hier dazu angetan ist, weiter darüber nachzudenken, wie wir diesen sterbenden Menschen – das hat uns natürlich auch die moderne Medizin gebracht –


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 61

nicht nur eine Betreuung und Begleitung ermöglichen können, sondern auch ein Leben, das für sie irgendwie auch erträglich ist und ihnen eine gewisse Freiheit in dieser sehr eingeschränkten Situation gewährt. Ich glaube, da haben wir noch nicht zu Ende gedacht, und diese Chance müssen wir nützen, diesbezüglich noch weiter nachzudenken. Das möchte ich an den Beginn meiner Ausführungen stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen sind wir ja auch so verwundert über Ihr Stehenbleiben in der Mitte der Debatte. Sie haben gesagt, Frau Gatterer, völlig zu Recht, sterbende Menschen wollen nicht allein sein. Diese Sterbekarenz soll genau das ermöglichen, dass diese Menschen eben nicht allein sind. Herr Kollege Öllinger und andere haben schon gefragt: Was tut dann ein homosexueller Mann oder eine homosexuelle Frau, die auch gerne bei ihrem Partner, bei ihrer Partnerin sein möchten? – Ich weiß nicht, ob Sie sich jemals den Film "Philadelphia" angeschaut haben. Wer diesen Film gesehen hat, weiß, worum es geht. Allen, die ihn nicht gesehen haben, würde ich empfehlen, sich Tom Hanks in der Rolle dieses AIDS-kranken Mannes anzuschauen, denn das bringt Ihnen sehr nahe, was da eigentlich stattfindet, was Sie hier mit diesem Beschluss, den Sie heute fassen werden, vielen Menschen nicht ermöglichen.

Es geht auch um Freunde. Es geht nicht nur um Familienangehörige, es geht auch um Freunde! Und manches Mal sogar wesentlich mehr um Freunde als um Familienangehörige. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Das haben Sie aus Ihrem Bewusstsein gestrichen, weil es nicht Ihre Philosophie ist, weil Sie ein Dogma in diesem Land festzulegen versuchen, wie Menschen zu leben haben – und wer dieses Dogma nicht erfüllt, bekommt auch nicht die Vorzüge Ihrer Gesetze zu spüren. Das ist eine falsche Vorgangsweise, und das haben wir ganz klar immer wieder zum Ausdruck gebracht.

Nun zu den Frauen. Es ist tatsächlich ein Gesetz gegen die Frauen, und zwar gegen einen ganz bestimmten Teil von Frauen. Ich habe auch da eine ganz bestimmte Person vor mir: eine gute Freundin. Sie war immer Alleinerzieherin, ist Akkordarbeiterin und hat ihre Mutter verloren. Diese Frau hatte nicht die Möglichkeit – in der Vergangenheit, das gebe ich zu, aber sie hätte sie auch in der Zukunft nicht –, diese Karenz in Anspruch zu nehmen. Da ist keine Schwester, da ist kein Bruder, da ist niemand – da ist sie allein. Und sie soll jetzt plötzlich drei Monate oder ein halbes Jahr aus dem Beruf ausscheiden und sagen, ich schenke meiner Mutter diese drei Monate oder dieses halbe Jahr? Das kann sie nicht herschenken, denn sie kann nicht etwas herschenken, das sie ganz einfach nicht hat.

Da wird unter Umständen auch der Härteausgleich beziehungsweise der Härtefonds nichts nützen. Da bin ich schon sehr skeptisch, Herr Minister. Ich habe mir sagen lassen, Sie haben gestern noch von 20 000 S gesprochen, jetzt sprechen Sie von 36 000 S. Diese Frau zum Beispiel hat ihre Lebenshaltungskosten, sie muss ihre Miete weiter bezahlen, sie kann nicht darauf vertrauen, dass es nachher schon irgendwie weitergehen wird. Sie hat auch keine Ersparnisse, denn als Akkordarbeiterin wird man sich schwer Ersparnisse ansammeln können.

An diese Gruppen haben Sie alle nicht gedacht. Auch da haben Sie wieder nur an jene Menschen und Lebensformen gedacht, die dem entsprechen, wie Sie glauben, dass die Menschen zu leben haben: in fixen Partnerschaften mit Trauschein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Und wer das nicht vorzuweisen hat, hat eben Pech gehabt. Das ist nicht unsere Philosophie.

Sogar das Sozialrecht wird von Ihnen neu definiert, Sozialrecht, das für uns immer zwei Standbeine hatte: auf der einen Seite das Recht, aber auf der anderen Seite natürlich auch die Ökonomie, die dahinter zu stehen hat. Das haben Sie ganz draußen gelassen; Sie behaupten mittlerweile im Vier-Parteien-Antrag, im Rahmen dieser sozialrechtlichen Bestimmung wäre gar nicht an die Ökonomie gedacht gewesen. – Natürlich brauchen Menschen auch finanzielle Absicherungen!

Weil ich gerade beim Sozialrecht bin, noch ein paar Worte dazu. Ich lese im "WirtschaftsBlatt", dass Herr Staatssekretär Waneck noch lange nicht das Thema abgehakt hat, die Krankenversicherung völlig umzukrempeln. Das schaue ich mir an, wie das dann dort funktioniert, wenn


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 62

Menschen in Sterbekarenz gehen wollen, wie Sie diese Maßnahme auch im Rahmen von neuen Modellen, so wie man es hier liest, absichern wollen. Mir ist dabei mehr als schwummrig.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich bedauere es wirklich zutiefst, denn es gab wirklich eine Chance, über dieses Thema emotional und inhaltlich zu reden, und Sie sind auf halbem Wege stecken geblieben. Geben Sie sich noch einmal einen Ruck, und gehen wir weiter, als Sie bislang in der Lage waren zu gehen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Freigaßner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

11.51

Abgeordnete Evelyn Freigaßner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich muss noch einmal auf die Ausführungen von Frau Silhavy zurückkommen. Ich frage mich, warum die Sozialdemokratische Partei in den letzten 30 Jahren ihrer Regierungsbeteiligung in diesem Bereich überhaupt nichts gemacht hat. Sie schieben jetzt alles auf Holland – das ist zu wenig! Hätten Sie etwas getan in dieser Hinsicht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Wie eine tibetanische Gebetsmühle!)

Hätten Sie sich früher einmal Gedanken über die Kranken und die Sterbenden gemacht! Der Gedanke an sie ist Ihnen bis jetzt noch gar nicht gekommen. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Das ist eine Peinlichkeit, was Sie da sagen!)

Frau Prammer, ich sage Ihnen Folgendes, um auf Sie einzugehen: Hätten Sie und die SPÖ während der 30-jährigen Regierungsbeteiligung den Staat nicht derart verschuldet und in Schulden gestürzt, wären uns jetzt die Hände nicht so gebunden, und wir könnten noch mehr für die Pflegenden ausgeben. Das wäre für uns überhaupt kein Problem. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bin froh darüber, dass wir uns anders als die Niederländer und die Belgier gegen die Sterbehilfe und für die Sterbebegleitung ausgesprochen haben. (Abg. Leikam: Das ist ja unerhört! – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Peinlich!) Uns Freiheitlichen ist aber nicht nur die bestmögliche Begleitung der Schwerkranken und in der Folge der sterbenden Menschen durch Ärzte und Pflegepersonal in Krankenhäusern und Hospizen ... (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Seien Sie still, jetzt rede ich! Und wenn Sie dran sind, reden Sie! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leikam: Unerhört! Das Letzte vom Letzten! Letztklassig!) Ich lasse Sie auch ausreden, wenn Sie reden! Also lassen Sie mich auch ausreden! Wenn Sie nicht still sein können, dann gehen Sie raus! (Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ.)

Uns Freiheitlichen ist aber nicht nur die bestmögliche Begleitung der Schwerkranken und in der Folge der sterbenden Menschen durch Ärzte und Pflegepersonal in Krankenhäusern, Hospizen oder Ambulanzen ein wichtiges Anliegen, sondern für uns ist die Familienhospizkarenz ein logischer und notwendiger nächster Schritt.

Viele Angehörige sind in der Lage und haben den Wunsch, ihre Kranken zu Hause zu pflegen, und auch die Kranken haben den Wunsch, ihre letzten Tage zu Hause zu verbringen. Dazu bedarf es einer guten Zusammenarbeit von Ärzten und mobilen Pflegediensten einerseits und der Möglichkeit für die Angehörigen andererseits, diese Betreuung überhaupt durchführen zu können. Bisher war es so, dass der Pflegende, wenn er seinen gesetzlichen Anspruch auf Pflegeurlaub aufgebraucht hatte, auf seinen Jahresurlaub zurückgreifen und, wenn dieser nicht ausreichte, seinen Arbeitsplatz aufgeben und kündigen musste.

Ich komme aus dem Pflegebereich und weiß aus Erfahrung, dass die liebevolle Begleitung des Sterbenden für den Angehörigen zu schweren seelischen und körperlichen Belastungen nicht nur führen kann, sondern tatsächlich auch führt. Da muss ich Herrn Öllinger schon sagen, Pflege und Begleitung sind fast immer untrennbar. (Abg. Haidlmayr: Da sind Sie aber gewaltig im Irrtum!)  – Fast immer, habe ich gesagt! Fast immer! (Abg. Öllinger: Da haben Sie nicht


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 63

aufgepasst!) Wenn ein Angehöriger einen Menschen auf seinem letzten Wege begleitet, so verrichtet er auch Pflegedienste, und sei es nur in der Form, dass er ihm zu trinken gibt, dass er ihm die Stirn abwischt oder etwas in der Art. Das ist ebenfalls Pflege, falls Sie das nicht wissen, Frau Haidlmayr! Das muss ich Ihnen auch einmal sagen.

Es muss daher unser Bestreben sein, dem Pflegenden nach Vollendung seines Dienstes am Schwerkranken die Möglichkeit zu bieten, wieder an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren, ihm zumindest existentielle Unsicherheiten und Ängste zu nehmen und ihn in dieser Hinsicht bestmöglichst zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist daher wichtig und richtig, gesetzliche Rahmenbedingungen für die Familienhospizkarenz zu schaffen und diese arbeitsrechtlich und sozialrechtlich abzusichern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.55

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich weiß nicht, wo Herr Minister Haupt geblieben ist. (Abg. Leikam: Ist schon gegangen!) Es ist schade, dass er nicht da ist, ich hätte ihn so gerne dabei gehabt, weil ich in einigen Punkten doch das Gefühl habe, dass es einen Konsens geben könnte. Vielleicht kann es ihm jemand ausrichten, ich sehe ihn zumindest jetzt nicht. (Abg. Leikam: Ist schon gegangen!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Was war geplant? Geplant war, dass wir in Österreich ein Gesetz schaffen, das sterbenden Menschen das Recht gibt, dass sie zu Hause entsprechend begleitet werden können, von Menschen, die ihnen wichtig sind oder wichtig waren, ein Gesetz, das sicherstellt, dass sich der Sterbende aussuchen kann, ob er von seiner Freundin, Nachbarin oder von seiner Tochter, seinem Sohn et cetera begleitet werden will, ein Gesetz, das ihm dieses Recht zuerkennt.

Dieses Recht setzt natürlich voraus, dass sich jene Person, die die Sterbebegleitung übernimmt, das auch leisten kann. Das heißt, dass sie finanziell so abgesichert ist, dass sie auf ein Einkommen im Interesse des Sterbenden verzichten kann. Aber es gibt nur ganz wenige, die sich das zum Nulltarif leisten können. 80 Prozent oder mehr müssen ihre Lebenskosten auch während dieser Zeit weiter bestreiten und können Sterbebegleitung nicht zum Nulltarif anbieten. Darauf wurde uns entgegnet, es gebe ja den Familienhärteausgleichsfonds. Dieser Fonds bietet aber in der Regel nur ganz wenigen Menschen die Möglichkeit, Geldleistungen aus diesem Fonds zu bekommen, nämlich nur dann, wenn sie einem traditionellen Familienbild entsprechen, das heißt, wenn sie die gesetzlichen Bestimmungen erfüllen, wonach sie Familienmitglied sein müssen. Anspruch haben also nur Frauen, die in einer Familie leben – und natürlich auch Alleinerziehende von Kindern. Dieser Personenkreis ist sehr klein. Was ist mit Personen, die Freunde sind, die gleichgeschlechtliche LebenspartnerInnen sind, die einfach gute NachbarInnen sind und diese Betreuung übernehmen wollen? All die haben keinen Anspruch auf Mittel aus dem Familienhärteausgleichsfonds, und das muss entsprechend geändert werden.

Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Haidlmayr, Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Familienhospizkarenz

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem bezüglich des Familienhärteausgleichs eine Anpassung an das EU-Recht erfolgt. Die derzeit im § 38a Abs. 3 vorhandene Bindung an die österreichische Staatsbürgerschaft ist unzulässig und auch deshalb


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 64

entbehrlich, da ohnedies in derselben Bestimmung geregelt ist, dass nur jener Personenkreis Leistungen in Anspruch nehmen kann, welcher Familienbeihilfen-bezugsberechtigt ist.

Des Weiteren muss umfassend festgelegt werden, dass der Personenkreis, welcher den Familienhärteausgleich in Anspruch nehmen kann, deckungsgleich mit jenem Personenkreis ist, der die Familienhospizkarenz beanspruchen kann.

*****

Das heißt, auch AusländerInnen, die Sterbebegleitung leisten, müssen Anspruch auf Mittel aus dem Härteausgleichsfonds haben.

Aber jetzt möchte ich noch einen Punkt einbringen, damit Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, dass es so, wie Sie es sich vorstellen, einfach nicht spielt im Leben – und im Ableben noch viel weniger.

Ich möchte nur ein Beispiel anführen: Stellen Sie sich vor – oder vielleicht kennen Sie sogar jemanden –, jemand ist an MS erkrankt. Menschen mit MS bedürfen bereits im Laufe ihres Lebens eines sehr intensiven, hohen Pflegeaufwandes, und in der Regel erhalten sie in den letzten Jahren ihres Lebens bereits Pflegestufe 7. Diese Menschen können dann nicht mehr um eine Erhöhung des Pflegegeldes ansuchen, weil sie das Pflegegeld bereits ausgeschöpft haben. Jetzt hätten sie die Möglichkeit, dann, wenn sie Sterbebegleitung brauchen oder wollen, auf professionelle Pflege, die sie seit Jahren haben und in Anspruch nehmen müssen, zu verzichten, um sich eben mit einem Teil dieses Geldes Sterbebegleitung leisten zu können.

Frau Hartinger, das wird nicht gehen! Jemand, der pflegebedürftig ist und bereits Stufe 7 erhält, wird nicht darauf verzichten können, dass er verbunden wird, dass er gewaschen wird, dass er gebadet wird, dass ihm das Essen gebracht wird, dass er gefüttert wird. Darauf wird er nicht verzichten können, und diesen Bedarf wird auch jene Person nicht abdecken können, die die Sterbekarenz leistet, sondern das müssen weiterhin jene Personen machen, die es bisher gemacht haben. Das wird aber nicht mehr möglich sein, denn dann muss jene Person, die die Familienhospizkarenz in Anspruch nimmt, auf ihr Geld verzichten; das Pflegegeld ist eben nicht unendlich, und spätestens bei Stufe 7 ist ganz einfach Schluss. Was dann?

Deshalb halte ich die Lösung, dass Familienhospizkarenz vom Pflegegeld bezahlt werden soll, für eine der dümmsten, sage ich jetzt einmal, für eine der am wenigsten oder am schlechtesten durchdachten Lösungen. Es kann nicht zu einer Reduktion der Pflege kommen, nur weil es Sterbekarenz gibt. Das muss parallel laufen, beides muss seinen Platz haben, und beides, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss finanziert werden. (Beifall bei den Grünen.)

Beides ist auch finanzierbar, meine sehr geehrten Damen und Herren – wenn man es will! Ich denke, wir sollten uns ehebaldigst zusammensetzen, unsere Ideen, wie eine solche Finanzierung ausschauen könnte, einbringen und gemeinsam diskutieren. Sie können uns glauben, auch wir haben prima Ideen, Sie sind nur nie dazu bereit, unsere Ideen auch umzusetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Nehmen Sie sich doch nicht die Chance auf eine Diskussion und eine Umsetzung unserer Ideen, wie man Familienhospizkarenz finanzieren kann. – Wir wissen es, wir werden es Ihnen sagen, und Sie müssen es dann umsetzen!

Die Lösung über das Pflegegeld ist die schlechteste Lösung, und dieser Lösung werde ich im Interesse aller PflegegeldbezieherInnen nie und nimmer zustimmen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich sehe Handlungsbedarf in Richtung einer klaren Finanzierung. Jene Personen, die Familienhospiz leisten, sollen nicht nur sozialversicherungsrechtlich, sondern auch materiell abgesichert sein, sie sollen für ihre Leistungen monatlich mindestens das Gleiche bekommen wie eine Frau,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 65

die zu Hause ein kleines Kind betreut. Das heißt, eine Anpassung an das Kindergeld wäre die Mindestvoraussetzung, die geschaffen werden muss.

Sie haben es in der Hand, ob Pflegehospizkarenz zum Nulltarif auf Kosten der Frauen gehen soll oder ob Sie dem Ganzen einen Wert geben müssen oder wollen. Wenn ja, dann müssen Sie auch den Frauen, die diese Leistung erbringen, einen Wert geben, indem Sie ihnen ein Einkommen zugestehen, mit dem sie zumindest überleben können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

12.05

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorrednerin, aber auch Frau Kollegin Prammer haben dargestellt, was alles an dem neuen Gesetz schlecht ist. Unzählige Male ist das Wort "muss" verwendet worden, unzählige Male ist angeführt worden: Wir haben die Ideen, wir wissen genau, wie es geht, aber es fehlt uns die Finanzierungsbasis. (Abg. Silhavy: Das stimmt nicht! Wir haben vier Modelle vorgelegt!) Ich muss sagen, für mich ist es einigermaßen unverständlich, Frau Prammer, mit welchem Ansatz Sie an die Bewertung eines Gesetzes herangehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie führen Extrembeispiele an, Sie führen Ausnahmebeispiele an – auch ich, muss ich Ihnen sagen, kann für alles ein Beispiel finden! Sie würden vermutlich auch meinen, so könne man das System nicht bewerten oder dem System werde Unrecht getan, wenn ich sagen würde: Möglicherweise wird jemand diese neue Systematik nutzen und sie missbrauchen. Jemand hat irgendwo einen Pflegefall, den man nicht genau überprüfen kann, im Ausland, wo man nicht hinreisen kann, und der wird das und das in dieser oder jener Form tun, nur um seinen Arbeitsplatz für die Saisonmonate so und so zu sichern. – Da werden Sie wahrscheinlich sagen: Ungerecht, so kann man das System nicht beurteilen!

Genau das ist aus meiner Sicht auch der falsche Zugang. Sie sollen nicht sagen, das sei ein Gesetz gegen die Frauen, sondern Sie sollen überlegen: Was war der Status quo, und was wird vom Status quo für die Frauen verbessert? – Das ist der springende Punkt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es tut mir Leid, dass Sie die gesamte Problematik und diese Neuregelung ausschließlich aus der Perspektive der Existenzabsicherung bewerten und die anderen, positiven Verbesserungen überhaupt nicht sehen wollen.

Ich sage Ihnen jetzt aus meiner Sicht als Wirtschaftsvertreter – Sie haben ja manchmal auch mit Betrieben zu tun –, dass in einem Betrieb eben eine besondere Ablaufproblematik oder Situation besteht, weil das ein Räderwerk ist. In dem Räderwerk gehe ich davon aus, dass mein Mitarbeiter, dem ich für seine Leistungen auch Geld bezahle, tatsächlich etwas leistet. Wenn nun der Mitarbeiter die Möglichkeit hat, nicht da zu sein, wenn der Mitarbeiter nur fünf Tage vorher sagen kann, dass er für drei Monate in Pflegekarenz geht, wenn er einen Kündigungsschutz hat, einen verbesserten gegenüber allem, was wir bis jetzt haben, wenn er einen Rechtsanspruch auf Rückkehr hat, dann, würde ich sagen, ist das doch eine Verbesserung! Da sind die Betriebe ganz sicher über ihren Schatten gesprungen, haben das Thema in der Öffentlichkeit niemals diskutiert, weil es ein sehr sensibles Thema ist, und wir haben es einigermaßen unbürokratisch geregelt.

Das ist doch im Vergleich zum bestehenden System ein eindeutiger Verbesserungsansatz! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Es ist auch ein Verbesserungsansatz, dass jetzt


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 66

bestimmte Dinge im Krankenversicherungsbereich, im Pensionsversicherungsbereich abgesichert sind. Im Vergleich zu früher, als das nicht der Fall war, ist das ein eindeutiger Fortschritt.

Jetzt bin ich genau da, wo es um die Existenzabsicherung geht. Ich glaube, es ist richtig, diese Regelung so zu gestalten. Warum? – Würde das eine Art Anspruch sein, ein Karenzgeldanspruch, dann hätte man andere Dinge genauer regeln müssen, nämlich: Ich kann – das steht im Gesetz – die Begleitkarenz ausweiten auf Verwandte in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad hin. Es reicht die Erklärung des Arbeitnehmers für die Inanspruchnahme aus, man braucht kein ärztliches Attest, gar nichts in dieser Form. Die Sterbebegleitung ist auch im Ausland möglich – auch dort kann nichts überprüft werden. Und was noch erschwerend für die Betriebe hinzukommt, ist, dass auch mehrere Verwandte die Karenz in Anspruch nehmen können. Meine Damen und Herren! Wenn diese Verwandten alle in demselben Betrieb beschäftigt sind, dann ist das für diesen natürlich eine ausgesprochene Erschwernis. Daher halte ich die Vorgangsweise, wie sie hier beabsichtigt ist, für vollkommen richtig.

Es gibt für Härtefälle eine Absicherung, und es gibt vor allem die Evaluierung; ich sehe in der Evaluierung den großen Fortschritt überhaupt. Man muss erst einmal abwarten: Wie wird das Gesetz in der Auswirkung sein, wie stark wird es in Anspruch genommen? Gibt es, wie Herr Öllinger und auch andere angemerkt haben, eventuell noch Gruppen, die man einbeziehen muss? Wenn sich das bei der Evaluierung herausstellt, dann soll man das auch tun. Aber jetzt sollte man einmal davon ausgehen, dass ein Glas, das zur Hälfte gefüllt ist, nicht immer nur als halb leer zu sehen ist, sondern als Fortschritt gegenüber dem Status quo.

Aus diesem Grund ist es für mich absolut unverständlich, dass Sie dieses Gesetz nicht unterstützen, sondern nur die Negativpunkte oder die Verdreifachungspunkte herausgreifen. Ich halte es für eine sehr gute, eine beispielhafte Lösung, die wir hier gefunden haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lackner. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

12.10

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es hätte in der Tat ein Jahrhundertgesetz werden können, wenn Sie, meine Damen und Herren, den gemeinsamen Weg nicht so kurz vor der Ziellinie verlassen hätten. Wir haben Ihnen, wenn Sie so wollen, als Motor dieses Vier-Parteien-Antrages ohnedies jene Instrumentarien in die Hände gelegt, die es Ihnen sehr leicht ermöglicht hätten, auch noch das Kernstück dieses Vier-Parteien-Antrages, nämlich die existentielle Absicherung, in das nunmehr vorliegende Gesetz einzuarbeiten.

Wir verkennen auch nicht, Herr Dr. Mitterlehner, dass natürlich Teilbereiche dieses Vier-Parteien-Antrages in das nunmehr vorliegende Gesetz eingeflossen sind – ich möchte nur erwähnen, dass natürlich die Karenzierung bis zu sechs Monaten ein großartiger Fortschritt ist; das steht durchaus fest, Herr Dr. Stummvoll –, aber ein wichtiger Bereich, nämlich die existentielle Absicherung, ist leider in diesem Gesetz nicht vorhanden.

Herr Dr. Pumberger hat sich in seiner Rede wieder einmal als Prophet betätigt – er ist eben ein schlechter Prophet – und total ignoriert – und deshalb sei hier nochmals darauf hingewiesen –, dass die Einarbeitung der existentiellen Absicherung, die wir Sozialdemokraten begehrt haben, erstens nicht unmoralisch ist und dass wir uns damit zweitens in bester Gesellschaft befinden, denn in einem offenen Brief des Katholischen Familienverbandes Österreichs ist auch noch einmal genau diese Problematik angesprochen worden. In diesem Brief wird klar festgestellt, dass ein wesentlicher Teil fehlt, nämlich die existentielle Absicherung, und dass im Speziellen die Frauen von dieser Problematik betroffen sein werden. Auch die Caritas, auch der Caritas-Direktor in Vorarlberg hat angeregt, dass wir diesen Schritt noch setzen sollten.

Frau Kollegin Steibl – ich weiß nicht, ob sie jetzt anwesend ist –, auch Sie haben am 13. Dezember vergangenen Jahres, als dieser Vier-Parteien-Antrag zur Diskussion gestellt


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 67

worden ist, darauf hingewiesen, dass die Problematik dieser Familienhospizkarenz ausgerechnet wieder überwiegend Frauen treffen werde. Sie haben auch gesagt, dass wir daher alles tun müssen, um eben diese Frauen zu unterstützen. – Und genau dieser Bereich fehlt jetzt! Sie haben schlicht und einfach versagt, weil ein wesentlicher Bereich, jener, der aus diesem Gesetz ein Jahrhundertgesetz hätte machen können, fehlt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Den absoluten Tiefpunkt, Herr Kollege Gaugg, haben ja wohl Sie gesetzt. Ich verstehe ja, dass Sie in letzter Zeit so sehr beschäftigt waren mit Ihrer eigenen Karriereplanung, aber vielleicht sollten Sie sich, bevor Sie Pressemitteilungen in dieser Sache hinausgeben, ein bisschen um die Fakten kümmern. Es ist schon ein Tiefpunkt, was da von Ihnen so über die Medien geht. (Abg. Dolinschek: Lackner, du warst schon besser!)

Wenn Sie andeuten, dass neben der Möglichkeit der Karenzierung auch gewisse Förderungsmöglichkeiten da sind, dass, wie hier normiert wird, gemäß § 1 Familienhospizkarenz automatisch die Pflegestufe 3 gewährt wird und dann, wenn Pflegestufe 3 erreicht ist, automatisch Stufe 4, dann ist zu sagen, dass das Ganze natürlich jetzt schon wieder mit einem großen Fragezeichen versehen ist. Hier möchte ich dann die Gleichheitsproblematik nicht ins Spiel bringen. (Abg. Gaugg: Was sind Sie vom Zivilberuf? Was haben Sie für einen zivilen Beruf?)  – Wissen Sie, im Gegensatz zu Ihnen hat mir noch niemand das Denken verboten. Das ist der Unterschied, der uns zwei so auszeichnet, Herr Kollege Gaugg! (Abg. Gaugg: Erzählen Sie uns einmal, was Sie im zivilen Beruf machen!) Sie müssen die Vorlage einmal lesen! Sie werden sie weder gelesen noch verstanden haben, Herr Kollege Gaugg! (Beifall bei der SPÖ.)

Fest steht, Herr Kollege Gaugg: Das ist die würdige Fortsetzung Ihrer Gesetzgebung, und sie wird kaum dazu geeignet sein – das muss man einfach sagen –, das Vertrauen in Ihre Gesetzgebung zu stärken. Das wird der nächste Flop – damit das auch klargestellt ist, meine Damen und Herren!

Zum Schluss kommend, meine Damen und Herren: Wir werden natürlich, auch wenn dieses Gesetz heute beschlossen wird, Frau Kollegin Hartinger, nicht lockerlassen. Wir sind natürlich auch gesprächsbereit, Herr Staatssekretär, wenn es um das für uns so wichtige Thema der existentiellen Absicherung geht. Ich glaube, ich hoffe jedenfalls, dass wir auch dazu Ihre Zustimmung finden werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. – Bitte.

12.16

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Staatssekretäre! Hohes Haus! Frau Kollegin Haidlmayr ist jetzt leider nicht im Saal, aber man wird es ihr ausrichten: Natürlich sind wir nicht abgeneigt, auch Ihre Ideen aufzugreifen – wenn sie gut sind. Ich kann mich aber auch an eine Äußerung des Kollegen Grünewald erinnern, in der es um Sterbehilfe gegangen ist, und das lehnen wir entschieden ab! Das muss ich auch einmal klar sagen. Ideen ja, wenn sie gut sind, dann übernehmen wir sicher viele Dinge. Viele Dinge haben wir auch schon getan, aber nur, wenn sie wirklich vertretbar sind, und die Sterbehilfe ist für uns nicht vertretbar. (Abg. Dr. Grünewald: Wurde auch nicht beantragt!)

Aber ich möchte Ihre Wahrnehmung auf noch eine ganz andere Ebene führen, werte Kollegen! 80 Prozent der Menschen haben Angst vor dem Sterben, und sie wollen nicht allein sein. Ich möchte Ihnen einen Auszug aus einem Tagebuch nahe bringen, der, glaube ich, für sich spricht – ich zitiere:

Den Tod meiner Mutter hätte ich mit der Zeit akzeptiert. Die Widerstandskraft war bei ihr durch lange, schwere Krankheit erschöpft. Das Ende wurde für mich zum großen Schock meines Lebens, wie menschenunwürdig die letzten Stunden verliefen. Meine Mutter wurde wegen zusätzlicher Herzschwäche von der Normalstation auf die Intensivstation verlegt. Ich stand vor


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 68

verschlossener Tür und durfte nicht hinein. Die Kranke, so hieß es, würde behandelt werden. Allein gelassen mit meinen Gefühlen, rannten fremde Leute und Klinikpersonal aus und ein. Auf mein Drängen erklärte ein Arzt, dass meine Mutter zu einer MR-Untersuchung geführt werde. Der Wunsch, meine Mutter zu sehen, wurde abgelehnt. Wenig später – ich war gerade in einer Sitzung – wurde mir mitgeteilt: auf Transport gestorben. Gleich darauf wollte man von mir wissen, ob ich mit der Öffnung der Leiche einverstanden bin. Ich könnte sie aber vorher noch sehen. Blind vor Schmerz und Trauer verließ ich das Krankenhaus. Warum hatte ich nicht die Möglichkeit, mit ihr zu sprechen? Was wollte ich nicht noch alles sagen, was sollte sie mir noch alles sagen? Allein, allein, Dunkelheit. – Ende des Auszuges aus dem Tagebuch.

Meine Damen und Herren! Ein herzloser Umgang mit Sterbenden und Angehörigen, wie er tagtäglich in unseren Krankenhäusern passiert. Dieser Auszug stammt aus dem Tagebuch einer damals jungen Steuerberaterin, Steuerberatungskonzipientin, die heute vor Ihnen steht. Vielleicht habe ich gerade auf Grund dieses Erlebnisses den Weg meiner Karriere im Gesundheitswesen, im Krankenhauswesen und in der Politik gehen müssen. Ich habe mich – und meine Kollegen wissen das – bereits im Landtag speziell für Palliativstationen, für mobile Hospizbetreuung und Familienkarenz eingesetzt. Die Begleitung eines Angehörigen in den letzten Tagen und Stunden ist eine Liebe, ein Wert in unserer Gesellschaft, der zum Teil durch High-Tech-Medizin, durch Verdrängen, durch Zeitdruck und durch Konsumstress verloren gegangen ist.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Es besteht auf Grund des uns hier vorliegenden Gesetzes die Möglichkeit, ohne Angst, seinen Job zu verlieren, höhere Werte unserer Gesellschaft in den Vordergrund zu stellen. Ihr Entschluss, dieses Gesetz nicht mitzubeschließen, zeigt mir, welche Wertigkeit Sie zum Teil oft haben. Ich appelliere an Sie als Menschen, nicht das Geld im Vordergrund zu sehen, sondern die Liebe am Ende eines gemeinsamen Lebens. – Unseren beiden Ministern und Staatssekretären danke ich für dieses Gesetz. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

12.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bauer. – Bitte.

12.20

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn man die Regierungsvorlage, in der es um die Hospizkarenz geht, betrachtet, dann kann man sagen, dass es etwas Wichtiges und Gutes ist. Es geht darin um die Möglichkeit, einem lieben Menschen beizustehen und ihn aus dem Leben hinauszubegleiten. Schaut man sich aber die Möglichkeiten zur Umsetzung näher an, dann muss man feststellen, dass dieses Hinausbegleiten eines Angehörigen nur für eine bestimmte Gruppe möglich gemacht wurde, nämlich für jene, wo das Einkommen des oder der Betreuenden das auch zulässt.

Mit dieser Regierungsvorlage wird zwar für die Zeit der Betreuung, bis zu sechs Monate, gewährleistet, dass man kranken- und pensionsversichert ist, aber der pflegende Angehörige hat während der Zeit der Betreuung kein Einkommen. Das bedeutet, meine Damen und Herren, dass eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer mit einem Einkommen von 9 500 S oder 10 000 S netto, von denen es in Österreich Zigtausende gibt, nicht in der Lage ist, diese Hospizkarenz in Anspruch zu nehmen, da sie beziehungsweise er ja nicht, und sei es auch nur für den Zeitraum eines Monats, auf das Einkommen verzichten kann. Frau Abgeordnete Steibl, du kannst den Betroffenen ja sagen, warum sie das nicht in Anspruch nehmen können: weil das nicht eure Klientel ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl. )

Der Herr Bundesminister ist nicht mehr da. Ich hatte gehofft, da er ja ein Gespräch in Aussicht gestellt hat, dass Sie von ÖVP und FPÖ noch dazu zu bewegen sein würden, auch unsere Vorschläge, die wir eingebracht haben, zu akzeptieren. Kollegin Silhavy und auch Kollege Nürnberger haben schon eindeutig aufgezeigt, wie eine finanzielle Absicherung möglich wäre. Es könnte zum Beispiel eine Ersatzleistung aus den Mitteln des Ausgleichsfonds für Familien


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 69

beihilfen gewährt werden. Leider wurde dieser Vorschlag, der es ermöglicht hätte, den Entgeltausfall für die Mindestverdiener abzudecken, nicht angenommen.

Meine Damen und Herren! Wenn davon gesprochen wird, dass Härtefälle überprüft werden, dann frage ich: Wie soll das funktionieren? – Der Arzt sagt, der/die zu Pflegende hat nur noch ein bis zwei Monate zu leben. Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer, die/der sich einen Entgeltausfall nicht leisten kann, stellt ein Ansuchen. Bis die Überprüfung durchgeführt wird und die Entscheidung fällt, kann es für den Betroffenen aber schon zu spät sein.

Meine Damen und Herren! In der heute vorliegenden Regierungsvorlage fehlt ein wichtiger Punkt für die Gleichbehandlung, da die Familienhospizkarenz vom Einkommen abhängig gemacht wird, wie ich das schon in meinem Beispiel ausgeführt habe. Der Herr Bundesminister ist nicht da, aber ich hoffe, dass diesbezüglich doch noch eine Änderung möglich ist. (Abg. Donabauer: Wer soll es bezahlen?)

Wir Sozialdemokraten, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, werden weiterhin dafür kämpfen, dass dieser Rechtsanspruch für alle Menschen leistbar sein wird und nicht nur, so wie es jetzt umgesetzt wird, für jene, die finanziell besser gestellt sind. (Beifall bei der SPÖ.)

12.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

12.24

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Dieses Thema verdient mehr Ernsthaftigkeit, nicht so leichtfertige Zwischenrufe, das darf ich Ihnen zum einen sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Zweite: Tue Gutes und rede darüber! Aktive Sterbehilfe, meine Damen und Herren, ist ein Schreckgespenst in einigen europäischen Ländern. Wenn Sie es nicht glauben, dann lesen Sie Zeitungen, verfolgen Sie die Berichte in den Medien. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das darf in Österreich keinen Platz haben, und das hat keinen Platz, dafür sorgt diese Regierung!

Das Wertebild vor allem meiner Partei ist, dass der Mensch im Mittelpunkt unseres Lebens und der politischen Entscheidungen zu stehen hat und dass auch in der sozialen Gesetzgebung mit aller Sensibilität in diese Richtung gearbeitet werden muss. Es ist nicht nur auf die traditionellen Risken im Sozialbereich, wie Unfall, Krankheit oder Alter Bedacht zu nehmen, sondern die heutige Zeit braucht auch Antworten auf eine Reihe neuer Herausforderungen, wo Menschen in besonderen Lebenssituationen Hilfe erwarten dürfen.

Durch die Auflösung des traditionellen Familienbildes und des Familiensystems – leider, es ist so – und durch eine immer größer werdende Vereinsamung der Menschen entsteht das Problem, dass Hilfe und Unterstützung gebraucht werden, aber auf Grund der fehlenden Familienstruktur einfach nicht mehr vorhanden sind.

Dazu kommt noch – da gebe ich vielen Kolleginnen und Kollegen Recht –, dass die berufliche Verpflichtung heute umfassend gesehen werden muss, sodass immer weniger Zeit für Betreuung und für Pflege von Angehörigen bleibt. Dies ist umso dramatischer, als unsere Gesellschaft bereits einen starken Trend zur Überalterung aufweist. Auch das müssen wir sehen, auch darauf sollen wir Bezug nehmen. – Wir nehmen auch Bezug darauf mit der Beschlussfassung dieses Gesetzes.

Es war Handlungsbedarf gegeben, und wir haben diese Herausforderung nicht aufgeschoben, sondern wir haben sie angenommen. Wir haben uns in einer Enquete mit dieser Frage beschäftigt; ich war glücklich, weil alle mitgearbeitet haben. Wir haben mit Experten über diese äußerst schwierige und sensible Materie diskutiert. Wir haben einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag formuliert. Ich habe gemeint, dass wir nun den Durchbruch geschafft haben


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 70

und dass die Familienhospizkarenz eine Sache des gesamten Parlaments, aller Parteien wird. Leider ist dem anscheinend nicht so.

Es geht schlicht und einfach darum, dass unselbständig Erwerbstätige für die Zeit der Intensivpflege und Betreuung von Angehörigen nunmehr auch einen Anspruch – und das sollen Sie hervorkehren: einen Anspruch! – auf Dienstfreistellung haben. Wichtig ist, dass die sozialrechtliche und arbeitsrechtliche Absicherung während dieser Zeit gewährleistet ist. Ist Ihnen das nicht auch etwas wert? Damit setzen wir einen Meilenstein in der sozialen Familienpolitik – nicht nur in Österreich, sondern in Österreich für ganz Europa! Die besondere Qualität besteht darin, dass nicht nur der arbeitsrechtliche Schutz, sondern eben auch die sozialrechtliche Absicherung, gerade auch für Frauen, die – so ist es eben – diese Aufgaben zum überwiegenden Teil zu erfüllen haben, gewährleistet ist.

Obwohl wir eine sehr engagierte Hospizbewegung haben, obwohl durch die Palliativmedizin ein umfassendes Versorgungs- und Betreuungsangebot gegeben ist, ist die familiäre und persönliche Zuwendung heute wichtiger denn je. Die Sehnsucht, in einer oft ausweglosen Situation seinen Angehörigen in seiner Nähe zu wissen, ist bei jedem Menschen in irgendeiner Weise vorhanden.

Die Familienhospizkarenz ist nicht nur ein Meilenstein, sondern ein Gesetz der Menschlichkeit, das, von dieser Regierung eingebracht, heute vom Parlament leider, wie sich zeigt, nur mit Zustimmung der Regierungsparteien beschlossen wird. In diesem Zusammenhang möchte ich klar in den Raum stellen, dass unser Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel immer wieder sagt, er werde sich mit dieser Regierung dafür verwenden, dass Österreich das familienfreundlichste Land Europas wird. – Wir sind auf dem besten Weg dorthin. Freuen Sie sich mit uns für die Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In dieser schwierigen Situation haben die Bundesminister Bartenstein und Haupt in vielen Diskussionen, mit großem Einsatz ihr Bestes gegeben. Lassen Sie mich aber auch zwei Kolleginnen namentlich anführen – in alphabetischer Reihenfolge –: zum einen Edeltraud Gatterer, die diese wichtige Frage thematisiert, gesellschaftsfähig gemacht hat, die dafür gesorgt hat, dass man über diese Frage redet (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), dass man die Kraft und den Mut hat, sich damit zu beschäftigen, und zum anderen unsere Ridi Steibl, die in ihrer Funktion im Familienausschuss dafür gesorgt hat, dass wir diese Vorlage heute hier beschließen können. – Danke Edeltraud, danke Ridi! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gerade mit dieser Entscheidung können wir unter Beweis stellen, dass all Ihre Argumente betreffend soziale Kälte, betreffend Ausgrenzen sinnloses Gerede sind. Gerade durch diese Maßnahme beweisen wir nämlich, dass menschliche Wärme, Zuwendung und Verständnis in ausweglosen Situationen das Ziel dieser Regierung sind. Wir werden dem auch in höchstem Maße entsprechen. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Horn. – Bitte.

12.31

Abgeordneter Josef Horn (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Text der Regierungsvorlage zum Thema Familienhospiz soll durch die Schaffung des Anspruchs auf die Unterbrechung einer Beschäftigung bis zu einem maximalen Zeitraum von sechs Monaten eine humane Sterbebegleitung naher Angehöriger ermöglichen.

Es gibt wohl keine schwerere Zeit im Familienverbund, als wenn ein lieber Mensch Abschied für immer nimmt. Dass die Sterbebegleitung ein wichtiger Schritt sein wird und dass das heute zur Beschlussfassung vorliegende Gesetz die Grundlage für alle arbeitsrechtlichen Sicherheiten bietet, ist sehr wohl positiv zu sehen. – Das ist die gute Seite der Regierungsvorlage.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 71

Liebe Abgeordnete von ÖVP und FPÖ! Wie stellen Sie sich das aber vor, wenn dadurch das Einkommen wegfällt? Warum haben Sie dafür keine Lösung angeboten? Vielfach werden wiederum Frauen diejenigen sein, die diese Familienhospiz in Anspruch nehmen werden.

Die sozialdemokratische Fraktion tritt dafür ein, dass das Einkommen in dieser Zeit erhalten bleibt. Ich nehme an, dass die Frauen in den Regierungsparteien, allen voran Frau Vizekanzlerin Riess-Passer, "Frau Bundesminister Haupt" – oder Frauenminister Haupt –, Frau Ministerin Gehrer, Frau Ministerin Ferrero-Waldner, Frau Staatssekretärin Rossmann, weiters elf Frauen der zweitstärksten Fraktion und 13 Frauen der drittstärksten Fraktion dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zustimmen werden.

Vielfach sind die Vorlagen zu Gesetzesänderungen von den Regierungsparteien zu grob gefasst. Die Details, auf die es letztendlich ankommt, sind Ihnen von ÖVP und FPÖ nicht wichtig genug. Wir haben aber die Aufgabe, für alle Österreicherinnen und Österreicher die besten Gesetze zu machen und keine Lücken oder Hindernisse stehen zu lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nicht zu viel verlangt, dafür Sorge zu tragen – und die sozialdemokratische Fraktion bringt einen diesbezüglichen Abänderungsantrag ein –, dass jenen geholfen wird, die zwar Freizeit und eine arbeitsrechtliche Absicherung erhalten, jedoch wegen des Einkommensausfalls die Hospizkarenz nicht antreten können, diese gute Sache also nicht annehmen können. Die von verschiedenen Mitgliedern der Regierungsparteien in Presseaussendungen angesprochene Unfinanzierbarkeit eines weiterlaufenden Einkommens für jene, die eine Erwerbsarbeit unterbrechen, erscheint mir typisch und erinnert an andere halbfertige Lösungen dieser Regierung.

Dass die Betriebe nicht für die Weiterbezahlung während der Karenz herangezogen werden können, ist verständlich. Da aber alle ArbeitnehmerInnen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung leisten, wäre eine Zugriffsmöglichkeit auf diese Leistungen in der wohl schwersten Zeit im Leben eines Menschen eine ganzheitliche Lösung, die Sie im Abänderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion nachlesen können.

Stimmen Sie dieser Lösung zu, die den Betroffenen zumindest eine Chance auf die Annahme dieser Familienhospizkarenz mit aller Absicherung geben kann! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

12.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte.

12.34

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Sie alle kennen die Aufforderung: Du musst irgendetwas tun! – Diesem Zwang können Sie nachgeben oder auch nicht, es liegt an Ihnen. Eines vereint uns jedoch, meine Damen und Herren, eines müssen wir alle: sterben.

Wie wir mit schwerer Krankheit, wie wir mit dem Tod umgehen, ist ein Spiegelbild unserer gesellschaftlichen Einstellung. Wir leben in einer Zeit großer Egos. Wir leben in einer Zeit der Vereinsamung. Nicht selten, gerade in großen Städten, wird ein Mensch erst nach mehreren Tagen in seiner Wohnung tot aufgefunden.

Das eigene Ich, Schönheit, Jugend, Erfolg, Reichtum werden uns als die echten Lebensziele suggeriert. Und Gesundheit, meine Damen und Herren, gilt als selbstverständlich. Ja manche fordern sogar ein Grundrecht auf die Gesundheit. Dabei ist Gesundheit ein Zustandsbild genauso wie Krankheit, und sie gehört zum Leben genauso wie die Geburt und genauso wie der Tod.

Dass der Tod nicht verlassen und allein, sondern in Begleitung nahe stehender Menschen möglich ist, das ist der Sinn dieses Gesetzes. Es gibt nichts Schlimmeres als den Tod des


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 72

eigenen Kindes. Nun ist es aber möglich, sich bis zu sechs Monate lang vom Beruf karenzieren zu lassen, bei aufrechtem Kündigungsschutz sowie kranken- und pensionsrechtlicher Absicherung.

Es ist Ihnen vielleicht selbst schon so ergangen: Oft erst, wenn die Eltern tot sind, denkt man oder hat man das Gefühl, irgendetwas versäumt zu haben; man war zu wenig da. Jetzt ist es möglich, Mutter und Vater bis in den Tod zu begleiten. Zum ersten Mal, meine Damen und Herren, gibt es dieses Gesetz der Sterbebegleitung. Das ist eine Wertschätzung für unsere kranken und schwachen Mitbürger, und es kann dem Sterben viel Angst und Schrecken nehmen.

Ich bin froh über diese Gesetzesvorlage. Und wer hier nicht zustimmt, zeigt damit ganz deutlich, dass ihm Kranke und Schwache in dieser Gesellschaft nichts wert sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

12.37

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Diese Bundesregierung steht für eine neue Sozialpolitik. Es gilt, neue soziale Fragen festzumachen, sie zu definieren, aber auch, für diese neuen Sozialfragen Lösungen auszuarbeiten und sie anzubieten.

Wir können dafür zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit anführen, die bereits in dieser Legislaturperiode umgesetzt worden sind. Ich möchte sie hier nicht alle wiederholen. Ich hoffe, dass sich diese auch bei der Opposition langsam durchsprechen und auch dort zur Kenntnis genommen werden. Ich möchte hier nur auf ein Beispiel hinweisen, nämlich auf das Jahrhundertprojekt "Abfertigung neu", das noch vor dem Sommer in diesem Haus verabschiedet werden wird.

Der Höhepunkt aber und quasi ein Meilenstein in dieser neuen Sozialpolitik ist die Umsetzung der Familienhospizkarenz, die wir heute hier beschließen werden. Sie ist die Antwort auf die Tendenz, die in Nordeuropa vorhanden ist, Sterbehilfe zu leisten, was in zwei Ländern mittlerweile auch gesetzlich erlaubt ist. Wir wollen das nicht! Wir wollen gegensteuern.

Ich freue mich, dass ein Vier-Parteien-Antrag in diesem Haus das auch deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Was mich allerdings nicht freut, ist, dass dieser gemeinsame Weg verlassen wurde. Was mich nicht freut, ist, dass die Opposition heute auf Grund irgendwelcher Ausreden, irgendwelcher Ausflüchte nicht mehr bereit ist, mitzugehen und den zweiten Schritt zu setzen.

Sie meinen, unser Weg geht nicht weit genug. Ich aber sage Ihnen: Sie wollen nicht, dass diese Regierung erfolgreich ist. Sie wollen nicht, dass diese Regierung Lösungskompetenz zeigt. Das ist der Grund, warum Sie heute hier nicht mitgehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dabei ist es überaus erfreulich, dass die Wirtschaft von Anfang an mit im Boot war, dass sie von Anfang an bereit war, diese Herausforderung anzunehmen, auch wenn dadurch die Dispositionsfähigkeit ihrer Betriebe wesentlich beeinträchtigt und eingeschränkt wurde. Die Wirtschaft hat sich ihrer Verantwortung gestellt und trägt diese Lösung mit. Ich bedanke mich hier in aller Form für dieses Entgegenkommen und für die Bereitschaft, das mitzutragen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Verhältnis zum Status quo ist dieses Gesetz ein großartiger Schritt in Richtung einer neuen Familienpolitik und ein großartiger Beitrag zur Vereinheitlichung und zur leichteren Vereinbarung von Beruf und Familie. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben darauf hingewiesen: Wir sind das einzige Land in Europa, das einzige Land auf der Welt, das eine solche


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 73

Leistung anbieten kann. Wir sind Trendsetter in der Sozialpolitik in Europa, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie versuchen jetzt, dieses Gesetz schlecht zu machen, weil es Ihnen nicht weit genug geht. Meine Damen und Herren! Sie haben aber nicht einmal die Kraft, diesen kleinen Schritt, der Ihnen zu klein ist, mitzugehen. Ich bitte Sie nachdrücklich: Nehmen Sie diese Herausforderung an! Springen Sie über Ihren Schatten und gehen Sie heute bei diesem Gesetz mit! Die Familien, aber auch die Sterbenden in diesem Land werden Ihnen dafür dankbar sein.

Wir schaffen heute mit dem Beschluss dieses Gesetzes eine sozialrechtliche Absicherung, eine arbeitsrechtliche Absicherung, und wir sichern den Abfertigungsanspruch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen, dass wir nicht alle Wünsche erfüllen können. Aber eines darf ich Ihnen sagen: Sie gehen von einem rein materialistischen Ansatz aus. Sie glauben, dass mit Geld alles erreicht werden kann. Ich aber sage Ihnen: Was wir den Menschen bieten, das ist Zeit, Zeit für ihre Angehörigen, und Zeit können Sie in Schilling und Euro nicht bemessen, Frau Kollegin Silhavy. Das ist der entscheidende Unterschied, der uns hier und heute trennt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Silhavy: Das ist Zynismus!)

Wir sind davon überzeugt, dass wir mit diesem Gesetz unter Beweis gestellt haben, dass auch in Zeiten einer konjunkturellen Schwäche neue Wege der Sozialpolitik möglich sind – wenn man will, wenn man kreativ ist und wenn man die Kraft hat, diese Kreativität auch umzusetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brugger. – Bitte.

12.42

Abgeordneter Bernd Brugger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Familienhospizkarenz, über die wir heute diskutieren und abstimmen, ist ein sozial- und gesundheitspolitischer Meilenstein in Österreich. Bei uns in Österreich steht im Gegensatz zur holländischen und belgischen Lösung die Solidarität mit dem Sterben nicht im Vordergrund. Wer keine aktive Sterbehilfe will, muss für eine optimale Sterbebegleitung sorgen.

Erstmals in der Geschichte der österreichischen Sozialpolitik wird den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit der Familienhospizkarenz die Sterbebegleitung von nahen Angehörigen beziehungsweise die Betreuung schwerst erkrankter Kinder erleichtert. In Richtung der Sozialpolitiker der SPÖ möchte ich anmerken, dass es die SPÖ in 30 Jahren nicht geschafft hat, hier irgendwelche Weichenstellungen vorzunehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Während Ihrer Regierungszeit musste beispielsweise jemand in Kauf nehmen, den ganzen Tag im Supermarkt an der Kasse zu stehen, während daheim die Mutter im Sterben lag. Das ist eine Tatsache, das war so, das ist so. Sie wissen das. (Abg. Sophie Bauer: Und man muss sich weiter hinstellen, weil man es sich nicht leisten kann, daheim zu bleiben!) Werte Kolleginnen und Kollegen! Solche gravierenden und auf das totale Versagen der SPÖ zurückzuführenden Missstände wird es in Zukunft nicht mehr geben. Das ist Vergangenheit! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Wir werden gemeinsam mit dem Sozialministerium auch bezüglich finanzieller Zuwendungen in Notfällen das Entsprechende erarbeiten und ausführen.

Als besondere Eckpunkte möchte ich hervorheben: die Begleitung Sterbender und schwerst erkrankter Kinder, den Kinderschutz, die arbeits- und sozialrechtliche Absicherung wie zum Beispiel Krankenversicherung, Pensionsversicherung, besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz sowie die teilweise bis vollständige Freistellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Pflege ihrer sterbenden Angehörigen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 74

Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass es sich um eine bedeutende sozialpolitische Errungenschaft in unserem Land handelt, dürfen wir erwarten, dass die rot-grüne Opposition ihre gewohnt unsachliche Fundamentalkritik hintanhält und diesem Gesetzesantrag zustimmt. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte.

12.45

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Unsere Gesellschaft ist tagtäglich mit dem Tod konfrontiert: mit einem Flugzeugabsturz, mit Katastrophen, mit dem Selbstmord eines zehnjährigen Mädchens, und das alles wird uns via Fernsehen ins Haus geliefert, ganz zu schweigen von den vielen Morden, die tagtäglich im Fernsehen gezeigt werden.

Das heißt, der außergewöhnliche Tod ist allgegenwärtig, aber unsere Gesellschaft hat es geschafft, über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg den ganz gewöhnlichen Tod zu verdrängen, wegzuschieben, abzudrängen. Nicht einmal im Krankenhaus durfte man im Krankenzimmer sterben, sondern man hat die Sterbenden aus dem Zimmer geschoben und ins Badezimmer oder auf Gänge verlegt, um andere Patienten nicht zu belästigen.

Ich behaupte, dass das dazu geführt hat, dass vor allem die Lebenden Probleme haben, psychische Probleme haben, weil sie mit diesem Tod nicht mehr konfrontiert werden. Das, was vor hundert Jahren noch selbstverständlich war, dass das Leben und das Sterben zu Hause passiert ist, ist in unserer modernen Gesellschaft weggedrängt worden.

Gott sei Dank hat es vor wenigen Jahren eine Umkehr gegeben. Gott sei Dank hat unsere Gesellschaft erkannt, dass es notwendig ist, nicht nur ein Kind ins Leben zu begleiten, sondern auch einen Sterbenden aus dem Leben zu begleiten, ihm Angst zu nehmen und ihm in den letzten Stunden Beistand zu leisten. Dieser Umstand ist vor allem jenen Gruppen von Menschen zu verdanken, die sich der Hospizbewegung gewidmet und damit auch Bewusstseinsbildung geleistet haben.

Meine Damen und Herren! Dass die Politik und eine Bundesregierung diese Thematik jetzt aufgreift und gesetzlich erstmals in Europa regelt, ist meines Erachtens ein weiterer sozialpolitischer Meilenstein, den diese Regierung gesetzt hat. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Erstmals wird es nicht nur möglich sein, für Kinder, die ins Leben begleitet werden, eine Auszeit aus dem Beruf zu nehmen, sondern auch für sterbende Angehörige, um sie in ihren letzten Stunden nicht alleine zu lassen. Ich möchte für diese Initiative ganz besonders den beiden zuständigen Ministern und dem Staatssekretär danken, unserem Minister Martin Bartenstein, Minister Haupt und Staatssekretär Waneck, die unter der Regierung Wolfgang Schüssel diesen sozialpolitischen Meilenstein gesetzt haben. (Neuerlicher lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ist uns klar, dass das ein Anfang ist, ein Gesetz, das erstmals diese Möglichkeit bietet, dass wir es evaluieren müssen und dass es sicher noch Möglichkeiten geben wird, es zu verbessern.

Ich darf meine Ausführungen mit ein paar ganz persönlichen Worten abschließen: Ich habe meinen Vater mit 17 Jahren verloren, 1966, in einem Krankenhaus, in dem die Sterbenden auch ins Badezimmer verlegt wurden. Ich habe meine Mutter 1995 in einem geistlichen Spital verloren, wo es während der letzten Tage möglich war, auch in der Intensivstation Tag und Nacht bei ihr zu sitzen und sie zu begleiten. Und ich hatte im Jänner dieses Jahres die Möglichkeit, die sterbende Mutter einer lieben Freundin zu begleiten, und zwar im Hospiz der Caritas Socialis am Rennweg, wo ich erlebt habe, wie qualitätvoll Hospizarbeit sein kann. All


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 75

diesen Hospizen möchte ich auf diesem Wege sehr herzlich danken. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, dass wir in diesen vier Jahrzehnten ganz wichtige Schritte gegangen sind, nicht nur für die Sterbenden, sondern vor allem für uns Lebende, und ich bitte Sie, diesen Weg mit uns mitzugehen. Vielleicht können Sie von der SPÖ sich doch noch überwinden und mitstimmen, damit wir dieses Jahrhundertgesetz gemeinsam beschließen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

12.50

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte am Schluss der Debatte all jenen danken, die sich auf eine sehr sachliche Art und Weise mit den Argumenten der Opposition auseinander gesetzt haben. Das waren leider nur sehr wenige. Die Debatte war, gerade was unsere Argumente, unsere Anforderungen an das Hospizkarenz-Gesetz betroffen hat, geprägt von Unterstellungen, Vorwürfen und Vorverurteilungen. Und von Vorverurteilungen – das sage ich besonders nachdrücklich – habe ich schon genug gehört in diesem Haus! Da brauchen Sie nicht noch ein Schäuferl draufzulegen. Das kennen wir schon zur Genüge.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, ich habe gerade bei Ihren Ausführungen gut zugehört, auch als Sie das Beispiel angeführt haben, in dem es um die Pflege der Mutter einer Freundin ging. – Genau darum geht es uns! Niemand hier oder außerhalb des Hohen Hauses wird erklären können, warum ein AIDS-kranker Mensch – nicht nur die Freundin oder die Mutter der Freundin – nicht das Recht haben sollte, im Rahmen einer Hospizkarenz begleitet zu werden. Genau das verhindern Sie aber mit diesem Entwurf.

Unsere Anforderung an die Regierungsparteien war neben der Lösung der finanziellen Frage, die wir noch weiter diskutieren, nur eine: Gebt allen, die sterben, die Chance, begleitet zu werden! Seien Sie nicht hartherzig, indem Sie das nur auf die Familien einschränken!

Diesen Appell richte ich noch einmal an Sie von den Regierungsparteien. Sie haben jetzt in der zweiten Lesung noch die Möglichkeit, dem Antrag der Opposition, der vorsieht, allen, die begleiten wollen, diese Möglichkeit zu geben, zuzustimmen. Und diesen Appell richte ich an Sie, weil es der Sache angemessen ist. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.

12.53

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Sozialdemokratie war es immer wichtig, eine Möglichkeit zu schaffen und alles zu tun, damit Menschen in Würde sterben können und die Möglichkeit haben, das auch in einem Kreis von Vertrauten tun zu können, eingebettet im Kreis der Familie. (Abg. Dr. Pumberger: Erklären Sie, warum Sie etwas Gutes ablehnen!) Das war und ist uns Sozialdemokraten immer ein Anliegen, dass man alles tut, um in Würde sterben zu können, wenn man am Ende eines oft sehr erfüllten Lebens steht. (Beifall bei der SPÖ.)

Jeder kennt Beispiele dafür, wie schwierig so eine Situation ist, wie belastend so eine Situation ist, wenn man davor steht, einen nahen Angehörigen zu verlieren. Jeder kennt Beispiele dafür, was das bedeutet und wie schwer es ist, damit umzugehen. Und daher ist es die Aufgabe der Gesellschaft, hier Hilfeleistung zu bieten.

Unser Ansatz war der, dass genau diese Begleitung beim Sterben kein Luxus sein darf, dass diese Möglichkeit, jemandem begleitend zur Seite zu stehen, auch wirklich alle haben sollen,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 76

und nicht nur jene, die es sich leisten können! (Abg. Dr. Pumberger: Was haben Sie 30 Jahre lang gemacht?)

Wir haben angesichts der heutigen Debatte gehofft, dass Sie Ihrem Herzen einen Ruck geben und einsehen werden, dass es hier nicht darum geht, etwas zu schaffen, wovon nur einige wenige Gebrauch machen können und was der Großteil nicht in Anspruch nehmen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist für mich nicht verständlich, warum wir einerseits zwar zu Recht sagen, die Betreuung von Kleinstkindern ist eine gesellschaftliche Aufgabe, und daher helfen wir, indem wir Karenzmöglichkeiten und auch eine Existenzsicherung anbieten, andererseits aber bei der Betreuung Sterbender diese Hilfe nicht in diesem Umfang vorsehen. Uns ist es nur darum gegangen, dass das, was wir für die Betreuung von Kleinstkindern anbieten, auch jenen zugute kommt, die sterbende Menschen in dieser schwierigen Zeit begleiten und bei ihnen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Uns ist es um eine Existenzsicherung gegangen, und wir haben einen entsprechenden Abänderungsantrag eingebracht. Wir haben, wie gesagt, während dieser Debatte gehofft, dass Sie Ihrem Herzen einen Ruck geben und Sterbehilfe nicht als Luxus sehen, sondern als Möglichkeit, die alle in Anspruch nehmen können sollen.

Auch wir hoffen – ich schließe mich da der Hoffnung des Kollegen Öllinger an –, dass Sie in der zweiten Lesung diesem Abänderungsantrag zustimmen und damit sozusagen auch bei der Umsetzung dieses Gesetzes helfen. Wir werden Ihnen in der zweiten Lesung noch einmal die Chance geben, unserem Antrag zuzustimmen. Und die Sozialdemokratie wird diesem Gesetz, weil es uns ein wichtiges Anliegen ist, trotzdem in dritter Lesung zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zu den Abstimmungen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1132 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Silhavy, Öllinger, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 3 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Die Abgeordneten Silhavy, Öllinger, Kolleginnen und Kollegen haben ebenfalls einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. 1 Z 3 bezieht.

Wer hierfür ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über Art. 1 Z 3 in der Fassung des Ausschussberichtes.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 77

Ich bitte jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die hierfür ihre Zustimmung geben, um ein diesbezüglichers Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Z 4 in Art. 1 sowie die dadurch bedingten Änderungen der Ziffernbezeichnungen bezieht.

Jene Abgeordneten, die sich hierfür aussprechen, ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig in dritter Lesung angenommen. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Wir sind ja beweglich, im Gegensatz zu Ihnen!)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Familienhospizkarenz, Zuleitung eines überarbeiteten Gesetzentwurfes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Familienhospizkarenz, Anpassung des Familienhärteausgleichs an das EU-Recht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 663/A (E) der Abgeordneten Hermann Böhacker, Peter Haubner, Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010 (1120 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Seine Redezeit ist wunschgemäß auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.00

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Die Diskussion um den Antrag betreffend die Unterstützung der Kandidatur der Stadt Salzburg und des Bundeslandes Tirol für die Olympischen Winterspiele 2010 war im Vorfeld durch den Versuch gekennzeichnet, hier zu einer Vier-Parteien-Einigung zu kommen. Das zu erreichen ist leider nicht gelungen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 78

Ich möchte zunächst festhalten, dass auch die grüne Fraktion hier ihre Unterstützung klarmachen wird. Das wird dadurch dokumentiert werden, dass wir einen eigenen Entschließungsantrag einbringen werden, der relativ umfangreich ist und daher mit Zustimmung des Präsidenten verteilt werden wird. – Es gibt allerdings eindeutige Unterschiede zwischen diesen beiden Anträgen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich zuvor noch zur Vorgangsweise etwas sagen: Es hat unsererseits das sehr ehrliche Bemühen gegeben – ich würde es auch auf jeden Fall dem Kollegen Maier von der sozialdemokratischen Fraktion zugestehen –, hier zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen. Ich war allerdings gestern etwas verwundert, als mir Kollege Grollitsch mitgeteilt hat, wir könnten über den Text gar nicht verhandeln, weil die Frau Vizekanzlerin nicht erreichbar wäre und daher das, was uns vorgelegt worden ist, von uns so mitzutragen sei, zwar in einer abgewandelten Form, jedoch in einer, über die wir eigentlich nie Vier-Parteien-Gepräche führen konnten. (Abg. Dr. Grollitsch: Bei der Wahrheit bleiben, Herr Kollege!)  – Das ist die Wahrheit, und diese Wahrheit ist wohl nicht anders zu sehen, als sie hier gesagt wird.

Wenn man einen parlamentarischen Initiativantrag einbringt und darüber auch Vier-Parteien-Gespräche führt, dann sollte es doch möglich sein, hier im Hohen Haus darüber zu einer Einigung zu kommen. Es war gestern aber leider nicht mehr möglich, über Teile, die inhaltlich an sich gar nicht so weit auseinander gewesen wären, zu einer Einigung zu kommen.

Was wir von Anfang an an dieser Form des vorliegenden Antrages kritisiert haben, war der Umstand, dass aus unserer Sicht die Rahmenbedingungen nicht hinreichend geklärt waren. Wir hätten es gerne gehabt, dass einige Punkte explizit benannt worden wären. Ich weiß nicht, ob Sie beim ursprünglichen Antrag bleiben werden oder bei jenem, den Sie überarbeitet haben. Letzterer ist auf jeden Fall wesentlich besser als das, was zunächst eingebracht worden ist, weil in einigen Bereichen, die uns wichtig sind, Fortschritte erzielt worden sind.

Wir haben gesagt, grundsätzlich könnten wir uns dann eine Zustimmung vorstellen, wenn die Kriterien einer finanziellen Verantwortung, die Kriterien einer ökologischen Verantwortung und auch das Kriterium einer behindertengerechten und barrierefreien Ausgestaltung der Austragungsstätten und der Austragungsorte gewährleistet wären, und wir haben versucht, das auch in einem Antrag festzuhalten. In jenem Antrag, den Sie eingebracht haben, ist eine Pauschalunterstützung für die Olympischen Spiele formuliert, aber er enthält keine detaillierten Angaben, was diese Bereiche betrifft. Wir bringen daher einen eigenen Entschließungsantrag ein, den ich jetzt in seinen Grundzügen erläutern werde. Der Antrag umfasst acht Punkte, und ich werde beim jeweiligen Punkt dazusagen, was unsere wichtigsten Aspekte gewesen wären.

Die ersten drei Punkte unseres Antrages beziehen sich auf Bedingungen, die vom IOC von den jeweiligen Regierungen verlangt werden, um eine Unterstützung überhaupt möglich zu machen. Dazu gibt es von unserer Seite keine Einwände.

Der vierte Punkt enthält die Forderung nach einem Bekenntnis des Bundes zu einer Drittelfinanzierung der Sportstätten, und zwar verbunden mit einer klaren Vorlage von Nachnutzungskonzepten. Da war unser Anliegen, diese auch hier im Parlament besprechen zu können.

Es ist nicht so, dass Olympische Spiele nur eine Chance darstellen, wie richtig im Antrag steht, sondern damit sind auch diverse Risken verbunden. Unter anderem ist die Frage zu klären, was nachher mit den Austragungsstätten passiert, ob es Möglichkeiten gibt, sie auch nachher entsprechend zu nutzen. Wenn es schlecht läuft, können sozusagen Ruinen übrig bleiben, die nachher kaum Verwendung finden. Daher müssen Nachnutzungskonzepte erstellt werden.

Der fünfte Punkt betrifft den Bereich Verkehr und Technologie. Da ging es uns darum, klar festzuschreiben, dass wir eine klare Priorität für den öffentlichen Nahverkehr und für den öffentlichen Verkehr haben wollen. Vor allem im Bereich des Schienenverkehrs sehen wir einen zentralen Punkt, der berücksichtigt werden muss. Es ist nämlich zu befürchten, dass, wie wir es bei Großprojekten schon öfter erlebt haben, zwar versucht wird, großteils mit öffentlichen Ver


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 79

kehrsmitteln, mit öffentlichem Busverkehr auszukommen, dass aber die Chance, den öffentlichen Verkehr wirklich nachhaltig zu verbessern, etwa in Form von Schienenprojekten, in Form des Ausbaus der Bahn, vertan wird. Daher fordern wir ausdrücklich das Vorziehen der Projekte aus dem Generalverkehrsplan, zum Beispiel was den Ausbau der Schienenstrecke Wien – Salzburg betrifft. All das wäre notwendig, um wirklich zu einer Lösung zu kommen, die auch ökologisch verträglich ist.

Der sechste Punkt bezieht sich auf die Frage – und das ist das, woran das Ganze meiner Meinung nach letztlich gescheitert ist –, wie Umweltexpertinnen und -experten einbezogen werden. Es bestand Konsens darüber, dass sie einbezogen werden sollten. Was es aber nicht gab, war ein Konsens darüber, welchen Stellenwert sie haben sollen. Das Einbeziehen von Expertinnen und Experten allein ist zwar löblich, es muss aber noch gar nichts bedeuten, wie wir das in vielen Bereichen gesehen haben.

Wir wollten klargestellt haben, dass das, was von den Expertinnen und Experten gemeinsam erarbeitet wird, und zwar auch mit den Landesumweltabteilungen, verbindlich umgesetzt werden muss. Das war der zentrale Punkt, und bei diesem war es nicht möglich, eine Einigung zu erzielen und das auch in den Antrag aufzunehmen.

In Punkt 7 wird die Bundesregierung aufgefordert, eine finanzielle Risikoabschätzung sowie eine Kosten-Nutzen-Analyse für die Winterspiele zu erstellen und darüber dem Nationalrat Bericht zu erstatten. Das betrifft nochmals den Punkt, dass es Chancen und Risken dabei gibt.

Punkt 8 enthält die Forderung nach einem klaren Bekenntnis, die Olympischen Winterspiele 2010 so auszugestalten, dass sie auch für behinderte Menschen barrierefrei erreichbar sind, nämlich vor allem vor dem Hintergrund, dass die Paralympics unmittelbar nach den Olympischen Winterspielen, und zwar ebenfalls in Salzburg, ausgetragen werden sollen. Da geht es nicht nur darum – meine Kollegin Haidlmayr hat darauf ausdrücklich aufmerksam gemacht –, mit Busdiensten die behinderten Menschen zu den Austragungsstätten zu bringen, sondern auch darum, dass die Chance wahrgenommen wird, im Bereich des öffentlichen Verkehrs – gerade in Salzburg gibt es da mehr Probleme als in anderen Landeshauptstädten – zu einer nachhaltigen und dauerhaften Verbesserung zu kommen.

Abschließend möchte ich noch einmal sagen: Wir wären bereit gewesen, einen gemeinsamen Antrag mitzutragen. Unser Entschließungsantrag bedeutet ja auch eine Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg und der Bundesländer Salzburg und Tirol für die Olympischen Winterspiele 2010. In der unbestimmten Form, in der der vorliegende Antrag eingebracht worden ist, war es uns jedoch nicht möglich, hier einer Vier-Parteien-Einigung zuzustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

13.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ist auf Grund seines Umfanges auch zur Verteilung freigegeben und steht mit zur Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Brosz, Freundinnen und Freunde betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg gemeinsam mit den Bundesländern Salzburg und Tirol für die Olympischen Winterspiele 2010; eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Sportausschusses über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Böhacker, Peter Haubner, Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010, 663/A (E) (1120 der Beilagen)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 80

Olympische Winterspiele lösen ein großes Investitionsvolumen aus und stellen eine Region bereits in der Bewerbungsphase, aber insbesondere während der Durchführung der Spiele ins Zentrum des internationalen Interesses. Damit ist eine große Verantwortung verbunden:

eine Verantwortung gegenüber der Umwelt:

Spätestens seit Lillehammer 1994 und im besonderen seit den von Greenpeace betriebenen "Green Games" in Sydney 2000 sind auch ökologische Fragen für das IOC von höchster Bedeutung: "Das Internationale Olympische Komitee ist entschlossen, die Umwelt als dritte Dimension für die Olympiade aufzunehmen, die ersten beiden sind Sport und Kultur", sagte 1996 der damalige IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch.

Angesichts der Dimensionen eines solchen sportlichen Großereignisses muss es oberster Grundsatz sein, dass Planung und Durchführung sich an höchsten ökologischen Kriterien und dem Prinzip der Nachhaltigkeit orientieren.

Die Spiele dürfen nicht zu einer weiteren Überhitzung des Wintertourismus führen, wodurch bereits jetzt negative Einflüsse auf die sensible Alpenregion festzustellen sind. Sie müssen allerdings zu einem massiven Ausbau des schienengebundenen Nahverkehrs führen, damit der Individualverkehr nachhaltig reduziert wird und das Kyotoziel erreicht werden kann. Gerade in diesem Bereich sind die Vorlaufzeiten für eine Realisierung lang, weshalb entsprechende Beschlüsse und Festlegungen für bestimmte Konzepte noch heuer zu treffen sind.

eine Verantwortung bezüglich der Finanzierung:

die Spiele dürfen nicht zu einer Verschuldung der beteiligten Gebietskörperschaften führen, die den politischen Entscheidungsspielraum für eine ganze Generation massiv einschränkt.

Sollten nicht nur die Werbeeffekte einer Bewerbung lukriert werden, sondern ernsthaft die Durchführung der Spiele 2010 angestrebt werden, sind verbindliche Zusagen von Seiten der Bundesregierung bereits in der jetzigen Bewerbungsphase notwendig.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die gemäß den IOC-Richtlinien zwingend erforderliche finanzielle Garantieerklärung hinsichtlich einer allfälligen Ausfallshaftung abzugeben.

2. Der Bundesminister für Inneres sowie der Bundesminister für Landesverteidigung werden aufgefordert, dass die für die Abwicklung der Olympischen Winterspiele erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen und dem Organisationskomitee unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.

3. Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, die Abwicklung allfällig erforderlicher Zollleistungen dem Organisationskomitee unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

4. Die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport wird aufgefordert, für die gemäß Sportstättenkonzept neu zu errichtenden Sportstätten (Sporthallen) zumindest eine Drittelfinanzierung durch den Bund zuzusichern und sicher zu stellen, dass Nachnutzungskonzepte erstellt werden. Darüber ist dem Nationalrat Bericht zu erstatten.

5. Der Bundesminister für Verkehr, Technologie und Innovation wird aufgefordert, den Generalverkehrsplan an die Erfordernisse des Verkehrskonzeptes der Winterolympiade in Salzburg anzupassen. Dazu ist eine Vorreihung der Ausbaumaßnahmen im Bereich der Bahnstrecken Wien-Salzburg, Salzburg-Ennstal und Salzburg-Wörgl notwendig, um eine Realisierung bis 2009 zu gewährleisten. Der Bau des Innenstadttunnels für die Regionalbahn und eine Verknüp


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 81

fung mit allen Eisenbahnstrecken des Zentralraums sowie eine schienengebundene Anbindung des Flughafens erfordern ein Finanzvolumen von mindestens 205 Millionen Euro. Das ist im Generalverkehrsplan sicherzustellen, ebenso wie der Ausbau der Bahninfrastruktur Radstadt/Altenmarkt.

6. Die Mittelvergabe wird daran gebunden, dass unter Einbindung von unabhängigen ExpertInnen und NGOs ein ökologischer Ziel- und Kriterienkatalog "Umwelt und Nachhaltigkeit" erarbeitet wird und dieser vollständig in die Bewerbungsunterlagen übernommen wird. Im Falle des Zuschlages für die Durchführung der Olympischen Winterspiele 2010 muss in der Umsetzung die verbindliche und vollumfängliche Einhaltung dieses ökologischen Kriterienkataloges gewährleistet sein. Diese Vorgangsweise soll auch durch entsprechende Beschlüsse in der zuständigen politischen Organe (Bund, Länder, Gemeinden) festgeschrieben werden.

7. Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Gesamtkostenabschätzung sowie eine Kosten-Nutzen-Analyse für die Winterolympiade zu erstellen und darüber dem Nationalrat Bericht zu erstatten.

8. Im Falle der Vergabe der Olympischen Spiele an Salzburg werden auch die Paralympics an den Austragungsorten abgehalten. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, die Mittelvergabe an die barrierefreie Ausgestaltung und somit die Einhaltung der Richtlinien der öNorm 1600 bzw. 1600 b zu binden. Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport werden aufgefordert, in Verhandlungen mit der Stadt und dem Land Salzburg sicherzustellen, dass die Beherbergungsbetriebe und der öffentliche Personenverkehr auch für blinde, gehörlose und mobilitätsbehinderte Menschen barrierefrei benutzbar sind. Dies beinhaltet wagengebundene Einstiegshilfen (Hubplattformen), Induktionsschleifen, Blindenleitsysteme, optische und akustische Informationen.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, ich gehe davon aus, dass Ihnen die diesbezüglichen Bestimmungen der Geschäftsordnung ausreichend bekannt sind.

13.07

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Mein Vorredner, Kollege Brosz, hat soeben behauptet, dass das Zustandekommen eines Vier-Parteien-Antrages zur Unterstützung der Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2010 daran gescheitert sei, dass ich keine Möglichkeit gesehen hätte, die Frau Vizekanzlerin von einem gemeinsamen Produkt in Kenntnis zu setzen.

Wahr ist vielmehr, dass ich zwei Wochen lang intensiv bemüht war, einen solchen Vier-Parteien-Antrag zustande zu bringen, dass es aber bis zum gestrigen Spätabend nicht möglich war, seitens der grünen Fraktion einen akkordierten Vorschlag zur Verfügung gestellt zu bekommen. Zunächst in Tages- und dann in Stundenabständen wurden die Vorschläge erweitert und verändert, und Sie haben nicht die Möglichkeit geboten, tatsächlich – Kollege Brosz, bleiben wir bei der Wahrheit! – einen kompletten Antrag mit Ihnen gemeinsam zu formulieren.

Das war unser Ziel! Sie haben es verhindert! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Krüger  – in Richtung des Abg. Brosz –: Keine persönliche Erwiderung bedeutet Bestätigung!)

13.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schasching. – Bitte.

13.09

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich bedauere es, dass es hier zu keiner Vier-Parteien-Einigung gekommen ist – die Gründe dafür wird mein Kollege Maier noch ausführen –, denn ich meine,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 82

dass es für die Bundesregierung und für uns alle hier im Hohen Haus ein Anliegen sein muss, auch Großsportveranstaltungen zu unterstützen. Wir haben die entsprechenden Voraussetzungen dafür zu schaffen und mit breitestem Konsens diese Olympia-Bewerbung zu tragen.

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang beim Kollegen Maier und bei allen, die sich bemüht haben, die Verhandlungen darüber zu führen und die Präsentation in das Hohe Haus zu bringen, die wir am 16. April hier bewundern und an der wir teilnehmen konnten, bedanken, denn sie hat eindrücklich gezeigt, wie wichtig und wie wertvoll es nicht nur für die betreffende Region, sondern für unser ganzes schönes Land sein wird, Olympia nach Österreich zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Olympische Winterspiele in Österreich zu haben, das bedeutet natürlich Impulse für die Wirtschaft, bedeutet einen hohen touristischen Werbewert und bedeutet auch Werbeeinnahmen aus Fernseh- und Marketingrechten. Impulse für den Wintersport in Österreich und für die Sport treibende Bevölkerung zu setzen, sehe ich als einen wichtigen Auftrag, den wir hier zu erfüllen haben. Es muss uns allen ein Anliegen sein, sportliche Betätigungen zu unterstützen und zu fördern, und zwar auch an den Schulen, wo Sport einen Schwerpunkt darstellen soll. In diesem Bereich leisten die Schulen wertvolle Arbeit, die wir zu fördern haben.

Ich kann Ihnen nicht ersparen, darauf hinzuweisen, dass uns die Sparwut der Bundesregierung in der Bildungspolitik auch in diesem Bereich Schwierigkeiten bereitet. So kommt es etwa an den Sportschwerpunkt-Schulen zu Stundenreduzierungen, und wir sollten darüber nachdenken, ob das tatsächlich notwendig ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei Olympischen Spielen bedarf es einer jahrelangen entsprechenden Vorbereitungsarbeit. Es geht da aber nicht nur um die Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2010, sondern auch darum, dass es, um einem Olympiasieger Medaillen umhängen zu können, mindestens sechs bis sieben Jahre sportlicher Vorarbeit bedarf. Das heißt, dass wir eine Vereinsstruktur brauchen, die das trägt, dass wir Trainer brauchen, dass wir Trainingslager brauchen, die organisiert werden müssen, dass wir Sportstätten brauchen, die erhalten und geführt werden müssen, und dass Wettkämpfe organisiert und ausgetragen werden müssen. Ein enormer Einsatz der Ehrenamtlichen ist also gefordert, um dann tatsächlich einen Olympiasieger am Stockerl zu haben. Dafür sich einzusetzen, dafür ein herzliches Dankeschön zu sagen, das ist uns allen ein großer Auftrag. (Beifall bei der SPÖ.)

Die direkte Arbeit bei den Olympischen Spielen findet erst dann als kleinster Teil statt. Neun Zehntel der Arbeit geschehen, wie Sie sicherlich alle wissen, im Vorfeld. Den Dank den Funktionärinnen und Funktionären, die das machen, auszusprechen ist ganz sicher einer unserer wichtigsten Aufträge.

Die Bundesregierung hat allerdings im "Jahr des Ehrenamtes" den Funktionären nicht nur den Dank ausgesprochen, sondern ihnen auch noch ein neues Vereinsgesetz auf den Weg mitgegeben. Sie können mir glauben, dass es mir ein wichtiges Anliegen ist, diese Funktionäre zu unterstützen. Es mussten nämlich gestern bei einer Enquete der BSO Vertreterinnen und Vertreter des Justizministeriums und des Innenministeriums im Gespräch mit den dort anwesenden Experten und hochrangigen Funktionären zugeben, dass es in diesem Bereich ein Gesetz gibt, das in einzelnen Teilen dringend reparaturbedürftig ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich ersuche Sie, das noch einmal zu überdenken und die Mängel, die jetzt im Vereinsgesetz festgestellt wurden, zu beseitigen. Ein Beispiel dafür: Wenn ab 3 Millionen € ein Wirtschaftsprüfer tätig werden muss, der logischerweise auch von den Subventionsgeldern im Sportbereich bezahlt werden muss, dann fehlt dieses Geld dem Sport. Solche Dinge müssen im Gesetz repariert werden. Ich bitte sehr darum, das noch einmal zu überdenken und Nachbesserungen durchzuführen, die dringend notwendig sind. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 83

Frau Vizekanzlerin! Einer der wichtigsten und brennendsten Punkte, die jetzt anstehen – ich habe es im Ausschuss schon angesprochen –, ist, die Regelung der besonderen Bundessportfördermittel in eine neue Gesetzesvorlage zu kleiden.

Frau Bundesministerin! Ich appelliere an Sie, hier tätig zu werden. Das ist eine dringend notwendige, ja momentan die wichtigste Voraussetzung für den autonomen Sport in Österreich. Da müssen wir zu einer baldigen Einigung kommen. Ich ersuche Sie, mit Finanzminister Grasser die Geldmittel für den autonomen Sport, die so dringend notwendig sind, auszuverhandeln. Ich ersuche Sie weiters, gemeinsam mit der BSO all das, was der autonome Sport in Österreich zur Sicherung seiner Arbeit und zur Sicherung des Sports in Österreich dringendst braucht, auszuverhandeln.

Die Funktionärinnen und Funktionäre warten darauf, denn von uns und von Ihnen allen wird mit Sicherheit immer mehr Professionalität verlangt. Ich habe es Ihnen schon gesagt – ich stehe dazu –: Diese erhöhte Professionalität ist notwendig, ist ein Zug der Zeit, dem wollen wir uns nicht verschließen. Aber wenn wir professionelle Budgets erstellen sollen, dann müssen wir, Frau Vizekanzlerin, zeitgerecht wissen, mit welchem Budget wir zu rechnen haben. Das müssten wir noch vor September/Oktober wissen, denn dann ist, wie auch Sie alle wissen, der Zeitpunkt da, zu welchem die BSO nach einem Plan, den es seit 1973 gibt, nach einem Aufteilungsschlüssel die Gelder zuweist.

Mein dringender Appell lautet, hier tätig zu werden und gemeinsam für den Sport zu agieren. (Abg. Dr. Grollitsch: Neuen Schlüssel vorlegen, Frau Kollegin!)  – Ja, Herr Kollege Grollitsch, diskutieren wir das nachher!

Die Verbände müssen wissen, welche Gelder für sie vorhanden sind, um professionell arbeiten zu können, um die Olympiasieger der Zukunft ausbilden zu können. Wenn wir jetzt über die Olympischen Winterspiele 2010 diskutieren, dann brauchen wir jetzt schon die finanziellen Mittel, um die Vorarbeit leisten zu können. Sie wissen, dass die wichtigste Arbeit im Vorfeld bei den Funktionären in den Vereinen, in den Verbänden passiert.

Abschließend möchte ich sagen: Ich wünsche uns allen ein Verhandlungsergebnis, das den autonomen Sport und die Geldmittel dafür sichert, und eine gemeinsame, gute und erfolgreiche Bewerbungsphase für die Olympischen Winterspiele 2010, die die Entscheidung am 2. Juli 2003 hoffentlich für Österreich, für den österreichischen Sport und für österreichische Sportler ausgehen lässt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

13.16

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin und Sportministerin! Eingangs meiner Ausführungen darf ich folgenden Zusatzantrag einbringen:

Zusatzantrag

der Abgeordneten Böhacker, Haubner, Mag. Maier, Dr. Grollitsch, Lexer, Schasching und Kollegen betreffend die Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der dem Ausschussbericht 1120 der Beilagen beigedruckten Entschließung mit dem Wortlaut "Die Bundesregierung wird ersucht, die Bewerbung der Stadt Salzburg gemeinsam mit den Bundesländern Salzburg und Tirol um die Austragung der Olympischen Winterspiele 2010 geeignet zu unterstützen, damit eine erfolgreiche Bewerbungsphase bis zur internationalen Entscheidung am 2. Juli 2003 ermöglicht wird," werden folgende Absätze angefügt:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 84

Diese Unterstützung umfasst insbesondere die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen, die Mitwirkung an der Einhaltung ökologischer Ziele und Kriterien, die Erstellung eines optimalen Nahverkehrskonzeptes (wobei dem öffentlichen Verkehr besonderes Augenmerk gewidmet wird) als integrativer Bestandteil des Generalverkehrsplanes sowie die Mitfinanzierung der erforderlichen Sportinfrastruktur auf Grundlage von entsprechenden Nachnutzungskonzepten für diese Sportstätten.

Seitens der Bewerberstadt Salzburg und den Bundesländern Salzburg und Tirol sollte auf der Grundlage eines umfassenden Bewerbungskonzeptes eine Gesamtkostenabschätzung und eine Abschätzung der volkswirtschaftlichen Effekte der Olympischen Winterspiele 2010 erstellt werden.

Die Bundesregierung wird weiters ersucht, ebenso die Durchführung der Paralympics 2010 im Anschluss an die Olympischen Winterspiele entsprechend zu unterstützen.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem jene von den Grünen! Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Sie den Drei-Parteien-Antrag nicht unterstützen werden und sich damit eigentlich außerhalb des rot-weiß-roten Konsenses für die Bewerbung der Olympischen Winterspiele 2010 stellen.

Ich verhehle aber nicht, dass ich es begrüße, dass Sie ein grundsätzliches Ja zu dieser Bewerbung sagen, wenn auch mit anderen Zugängen. Aber inhaltlich ist das, was wir hier mit diesem Zusatzantrag vorlegen, nahezu deckungsgleich mit den Anliegen der Grünen.

Meine Damen und Herren! Die positiven sportlichen und volksverbindenden Dimensionen von Olympischen Spielen sind allgemein anerkannt und stehen im Vordergrund. Trotzdem sollte man die wirtschaftliche Komponente von derartigen Großereignissen nicht aus den Augen verlieren und sich damit entsprechend beschäftigen. Schon allein die Bewerbung um Olympische Winterspiele bringt für die betreffenden Regionen, ja für ganz Österreich einen massiven Imagegewinn und damit einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.

Aber ich sage eindeutig dazu: Das gelingt uns nur dann, wenn wir gemeinsam im Sinne des olympischen Gedankens an einem Strang in dieselbe Richtung ziehen. Der Vergleich macht uns sicher!

Ich darf ein paar Zahlen von den letzten Olympischen Winterspielen in Salt Lake City hier zur Kenntnis bringen: 78 Bewerbe, 3 500 Athleten und Betreuer. 10 000 Medienberichterstatter haben sich tagtäglich ihre Finger wundgeschrieben, haben via elektronische Medien in die ganze Welt über diese Veranstaltung berichtet. Eine Million Zuseher vor Ort, an den Sportstätten, haben für Begeisterung bei den Bewerben gesorgt, und mehr als eine Milliarde Menschen haben sich via TV, via elektronische Medien diese Olympischen Spiele ins wohl temperierte Wohnzimmer geholt und waren begeistert davon.

Der Werbewert dieser Medienarbeit ist praktisch unbezahlbar, und es wäre daher grob fahrlässig, wenn die Republik Österreich, wenn Salzburg und Tirol, wenn die betreffenden Regionen diese Chance nicht ergreifen würden, um Ähnliches für unsere Heimat zu erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir sollten uns daher gemeinsam mit ganzer Kraft bemühen, die Olympischen Winterspiele 2010 nach Österreich zu bringen. Wir wollen einfache, aber charmante Spiele mit Herz ausrichten, ohne jegliches finanzielles Experiment, mit einer klaren Absage an Gigantomanie und Protzerei à la Hollywood.

Wir wollen nicht nur die Herzen der Sportler erobern, sondern auch all jene Menschen, die vor Ort oder via Medien an diesen Olympischen Spielen teilnehmen, für die Schönheit unseres


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 85

Landes, für die kulturelle Vielfalt unserer Regionen und für die Gastfreundschaft und für die Herzlichkeit unserer Bürger begeistern, damit sie auch als Touristen nach Österreich kommen.

Wir wollen bei diesen Olympischen Spielen natürlich einen schonenden Umgang mit der Umwelt in den Vordergrund rücken, aber wir haben es relativ leicht, weil der Großteil der Sportstätten für die alpinen und nordischen Bewerbe bereits vorhanden ist und es zu keinen nachhaltigen Eingriffen in die Natur wird kommen müssen.

Wir wollen mit diesen Olympischen Spielen kurzfristig 2 000 neue Arbeitsplätze schaffen, langfristig 500 neue Arbeitsplätze qualifizierter Art sichern und schaffen. Das ist gerade in einer Zeit schwieriger Arbeitsmarktsituation ein durchaus ambitioniertes Vorhaben.

Natürlich gibt es da und dort, wie bei allen Großereignissen, Zögerer, Zauderer, Zweifler. Wir sollten die Sorgen dieser Menschen wirklich ernst nehmen, wir sollten uns damit auseinander setzen und gleichzeitig gemeinsam versuchen, diese Menschen von der Sinnhaftigkeit, von der nachhaltigen wirtschaftlichen Wirkung dieser Olympischen Spiele zu überzeugen und zu begeistern.

Da gibt es auch die Aussage, selbst die Bewerbung mache keinen Sinn, weil wir ohnehin keine Chance hätten. All diesen Zweiflern, Zögerern und Zauderern rufe ich zu und lade sie ein, gemeinsam im Geiste des Olympischen Eides, den die Athleten bei den Special Olympics leisten, zu handeln: Lasst uns gewinnen, und wenn wir nicht gewinnen können, so lasst es uns zumindest mutig versuchen! Gemeinsam schaffen wir es! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der vom Abgeordneten Böhacker vorgetragene Zusatzantrag ausreichend unterstützt ist, in einem sachlichen Zusammenhang steht und damit auch mit zur Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte.

13.23

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich als Wintersportland Nummer eins ist geradezu prädestiniert dazu, Olympische Winterspiele durchzuführen. Deshalb hat auch das Österreichische Olympische Comité die Stadt Salzburg als so genannten Host-City-Kandidaten in das Rennen um das größte Sportereignis der Welt geschickt. Die Kombination der Kulturweltstadt Salzburg mit den Wintersportregionen um Kitzbühel und den Austragungsregionen Skiverbund Amadé ist ein bestechendes Argument für die Spiele in unserer Heimat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen. Viele Unterstützungen haben wir bereits erhalten. Vor einigen Jahren haben fast 80 Prozent der Salzburger Bevölkerung ja zu Olympia gesagt. Die Tiroler und die Salzburger Landesregierung haben unser Vorhaben unterstützt, und die Stadt Salzburg hat vor kurzem mit großer Mehrheit den Beschluss gefasst, sich für die Olympischen Winterspiele 2010 zu bewerben.

Viele Sponsoren sind dem Projekt beigetreten, was zeigt, dass auch die Wirtschaft großes Interesse an diesem Vorhaben hat. Hier im Parlament erhalten wir heute eine Unterstützung, die sehr wichtig ist, um internationalen Wind für unsere Bewerbung zu bekommen. Momentan ist Salzburg so genannte applicant city, Anwärterstadt auf eine Olympiabewerbung. Diese heutige Unterstützung ist sehr wichtig, damit Salzburg auch Kandidatenstadt wird. Die Entscheidung darüber fällt Ende August, und dann sind wir erst so richtig im internationalen Rennen.

Was gibt es Schöneres, als Olympiasieger zu werden? Jeder Sportler wünscht sich, dieses Ziel zu erreichen. Das Schönste ist es sicher, Olympiasieger in der eigenen Heimat zu werden, und das wird viel Motivation für unsere jungen Sportler in unserem Land auslösen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 86

Unsere Bewerbung hat viele Stärken: kompakt und konzentriert die 78 Bewerbe in nur drei Regionen mit kurzen Wegen, die einmalige Verbindung zwischen Sport und Kultur, eine vom IOC seit vielen Jahrzehnten geforderte Symbiose, die keiner so gut erfüllen kann wie Salzburg, dann noch die langjährige Erfahrung bei der Durchführung von Sportgroßveranstaltungen wie Weltmeisterschaften und Weltcuprennen in Ski Alpin und Ski Nordisch, in Snowboard, Freestyle und in vielen anderen Bewerben und damit gegeben die professionelle Infrastruktur der Sportstätten, die einen schonenden Umgang mit der Natur gewährleistet, da vieles schon vorhanden ist.

Weitere Trümpfe unserer Bewerbung sind die baulichen Einrichtungen, wie zum Beispiel ein Medienzentrum, das im Salzburger Messezentrum untergebracht werden kann, das Olympische Dorf, das in der Schwarzenbergkaserne in Salzburg ausgebaut werden und eine Nachnutzung für die Bevölkerung erhalten soll, die touristische Infrastruktur mit weit über 200 000 Betten in der Region, die es gewährleisten, dass alle Gäste und die olympische Familie qualifiziert Platz finden, und Erfahrung bei der Durchführung von Behindertenspielen, womit auch garantiert ist, dass die Paralympics im Anschluss an die Olympischen Winterspiele in Salzburg stattfinden können.

Ein wesentlicher Teil sind die gesteigerten Anforderungen an die Sicherheitsbestimmungen des Internationalen Olympischen Komitees. Da ist gerade unsere Exekutive Garant dafür, dass diese Spiele ohne Probleme in Salzburg und Umgebung durchgeführt werden können. Positive Beispiele wie der Weltwirtschaftsgipfel im letzten Jahr haben gezeigt, dass wir da die beste Arbeit leisten können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gerade die sympathischen Spiele von Lillehammer haben gezeigt, dass die Weltbevölkerung in einen Ort schauen kann, weil dort etwas Positives passiert: Dort sind 50 neue Betriebe gegründet worden, 6 200 neue Gästebetten entstanden, und vor allem kam es zu einer Beschleunigung der infrastrukturellen Maßnahmen. Der Bürgermeister von Lillehammer hat vor kurzem in Salzburg gesagt, dass sich der Tourismus in seinem Land beziehungsweise in dieser Region dort in den letzten acht Jahren verdoppelt hat. Man sieht also auch da die positiven Auswirkungen der Olympischen Spiele.

Meine Damen und Herren! Um erfolgreich sein zu können, ist der heutige Beschluss ein wichtiger Beitrag – für Österreich, für das Österreichische Olympische Comité und für die Stadt Salzburg und vor allem für den Sport. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste spricht Frau Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. – Bitte.

13.27

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Olympische Spiele sind die bedeutendsten Sportereignisse der Welt, und die olympische Bewegung vermittelt Werte, wie das Herr Kollege Böhacker schon gesagt hat, die weit über die Welt des Sports hinaus wirken und eine friedliche Begegnung von Menschen, unabhängig von ihrer geographischen, sozialen oder kulturellen Herkunft, ermöglichen. Österreich hat am olympischen Gedanken immer großen Anteil genommen und den Wert dieser Idee stets auch aktiv mitgetragen.

Die Austragung der Olympischen Winterspiele im Jahr 2010 bietet für ganz Österreich die einmalige Chance, sich der Welt zu präsentieren und auch die Leistungen unserer Wintersportler entsprechend darzustellen. Selbstverständlich bewegt der Sport auch wirtschaftlich enorm viel, und natürlich hat die Austragung von Olympischen Winterspielen auch eine wirtschaftliche Komponente, eine große Bedeutung für den österreichischen Tourismus, insbesondere für die Regionen um Kitzbühel und Salzburg, und einen entsprechenden Werbewert, der daraus resultiert.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 87

Olympische Winterspiele und die Austragung und Organisation einer solchen Großveranstaltung schaffen aber auch Arbeitsplätze, und zwar Tausende Arbeitsplätze, und bedeuten damit auch eine Steigerung des wirtschaftlichen Wachstums. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es hat lange Zeit keine Berechnungen über den wirtschaftlichen Stellenwert des Sports und über die Wertschöpfung durch den Sport gegeben, aber vor einigen Jahren ist eine sehr umfassende Studie darüber erstellt worden. Diese geht in Österreich von einer Wertschöpfung durch den Sport von ungefähr jährlich einer Milliarde Schilling aus. Experten sagen, dass bei Olympischen Winterspielen – und die Winterspiele der letzten Jahre haben das gezeigt; Lillehammer ist zum Beispiel erwähnt worden – Einnahmen in Milliardenhöhe erzielt wurden und dass sich Winterspiele bei guter und effizienter Abwicklung auch selbst finanzieren.

Genauso wichtig sind aber auch die Freude der Sportler an der sportlichen Betätigung und die Emotion und Begeisterung, Menschen aus anderen Kulturen sportlich zu begegnen. Sportveranstaltungen, insbesondere Olympische Spiele, sind Impulsgeber für die Jugend. Viele Jugendliche werden dadurch zum Sport motiviert, und das ist in mehrfacher Hinsicht wichtig, zum Beispiel für die Volksgesundheit. Die Studie "Sport und Gesundheit" , die Ihnen sicherlich bekannt ist, brauche ich in ihren Ergebnissen nicht im Einzelnen darzustellen, denn Sie wissen um die hohe Bedeutung in diesem Zusammenhang.

Österreich hat viel Erfahrung bei der Organisation von Sportgroßveranstaltungen. Wir waren schon zweimal Austragungsort von Olympischen Winterspielen, wir haben aber auch andere Veranstaltungen im Bereich des Wintersports in den letzten Jahren sehr erfolgreich ausgerichtet: die Nordische Weltmeisterschaft in der Ramsau im Jahre 1998, die Alpine Ski-WM in St. Anton im Jahre 2001, aber auch die Leichtathletik-Europameisterschaft in Wien in diesem Jahr. Selbstverständlich unterstützt die Bundesregierung diese Olympia-Bewerbung, und sie wird sich genauso wie auch bei der Fußballeuropameisterschafts-Bewerbung für 2008 verpflichten, alle notwendigen Voraussetzungen für die Austragung zu schaffen, und zwar gemeinsam mit den Gebietskörperschaften. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie des Abg. Mag. Maier. )

Der Erfolg einer solchen Bewerbung hängt jedoch sehr entscheidend davon ab, dass alle an einem Strang ziehen und dass ganz Österreich geschlossen hinter einer solchen Bewerbung steht. Das möchte ich doppelt unterstreichen, weil wir gerade in Tirol in den letzten Jahren zweimal die bittere Erfahrung gemacht haben, dass eine solche Bewerbung natürlich von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, wenn es parteipolitische oder sonstige Auseinandersetzungen über ein solches Projekt gibt. Ich möchte mich daher bei allen, bei den Regierungsparteien, aber auch bei der SPÖ, dafür bedanken, dass der heute hier im Parlament vorliegende Entschließungsantrag mit so großer Mehrheit unterstützt wird.

Ich bedauere, dass es Kollegem Brosz nicht möglich war, auch für die Grünen die Zustimmung zu geben, weil ich glaube, dass es inhaltlich eigentlich überhaupt keine Unterschiede gab. Wir haben ja in der letzten Sitzung des Sportausschusses auch sehr intensiv darüber diskutiert, sodass ein gemeinsamer Antrag, so wie wir ihn schon entworfen hatten, eigentlich möglich gewesen wäre. Ich vermute, dass der Hintergrund eher auf der lokalen Salzburger Ebene zu suchen ist, was ich wirklich bedauere. Ich glaube aber, dass wir heute mit diesem Antrag trotzdem ein ganz starkes Zeichen dafür geben, dass Österreich, und zwar ganz Österreich, hinter dieser Olympia-Bewerbung steht! (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich erwarte mir von den Bewerbern ein perfektes Bewerbungskonzept sowie eine solide und verlässliche Partnerschaft zwischen den beiden Austragungsorten. Besonderen Wert müssen wir natürlich auf den sparsamen Umgang mit öffentlichen Geldern legen. Für uns war es daher wichtig, und das war auch ein Ersuchen des Bundes, dass wir einen Controlling-Beirat einrichten, der sich den vielen finanziellen Fragen gewissenhaft widmet. Wir wenden diese Vorgangsweise im Übrigen, seit ich diese Ressortverantwortung innehabe, bei allen großen Infrastrukturprojekten an, bei allen Projekten, die wir mit Mitteln der Bundessportförderung


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 88

unterstützen. Wir haben das zum Beispiel auch beim Stadion in Salzburg gemacht – mit einem Erfolg für alle Beteiligten, wie ich glaube –, wo wir durch eine sehr viel sorgfältigere Planung auch die Kosten minimieren konnten.

Die Bewerbergesellschaft war vor zwei Tagen in meinem Ministerium und hat uns das Konzept für 2010 präsentiert und damit auch den Startschuss für eine Top-Bewerbung gegeben. Ich kann nur alle Beteiligten ersuchen, sich mit dem notwendigen Engagement und mit großer Kompetenz einzubringen, damit wir diese große Chance für Österreich realisieren können.

Auf Basis dieses Konzepts, das uns jetzt vorliegt, werden wir auch die Höhe der Beteiligung des Bundes und der anderen Gebietskörperschaften prüfen und entscheiden. Es geht hier um eine ganze Reihe von Projekten, die nicht nur mein Ressort betreffen, sondern es geht auch um Infrastrukturprojekte, die mit dem Infrastrukturministerium zu besprechen sein werden. Aber auch das Wirtschaftsministerium und andere Ressorts sind hier natürlich in enger Kooperation eingebunden.

Ich gehe davon aus, dass Uneinigkeiten und persönliche Interessen und Streitigkeiten, die es in den letzten Wochen vereinzelt gegeben hat, nun im Hintergrund stehen werden und sich alle Beteiligten auch mit voller Kraft einer optimalen Bewerbung widmen. Eine solche Olympia-Bewerbung ist keine parteipolitische Angelegenheit, sondern eine Angelegenheit für ganz Österreich, und daher müssen wir auch alle gemeinsam an einem Strang ziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP und der SPÖ.)

Österreich wird – und das möchte ich in seiner Bedeutung unterstreichen –, wenn wir Austragungsort für die Olympischen Winterspiele 2010 sein werden, auch Gastgeber für die Paralympischen Spiele sein. Wir können dabei auch zeigen, welchen Stellenwert der Behindertensport in Österreich einnimmt, und wir haben das auch in den letzten zwei Jahren sehr intensiv unterstrichen: Wir haben Prämien für die Sportler, für die Medaillengewinner von Sydney und Salt Lake City bei den Paralympischen Spielen ausgelobt, in einer Höhe, in der es das in Österreich noch nie gegeben hat, weil ich glaube, dass anerkannt werden muss, dass auch diese Sportler sportliche Höchstleistungen und Spitzenleistungen erbringen. Daher auch die Einbindung in "Top Sport Austria" und erstmals auch die Möglichkeit für Behindertensportler, "Top Sport"-Mittel, Spitzensportförderungsmittel in Anspruch nehmen zu können. Wir haben jetzt gerade eine Rubbellosaktion zugunsten des Behindertensports laufen, die Franz Klammer promotet und die dem Behindertensport auch entsprechende Mittel bringen wird. Wir haben sportwissenschaftliche Betreuung für Behindertensportler durch das IMSB, und ich hoffe auch sehr, dass die BSO ihre Zusage wahr machen wird – und das ist eine Forderung, die wir seit vielen Jahren stellen –, den Behindertensportverband nicht nur als Mitglied ohne Mittel, sondern als vollwertiges, gleichberechtigtes Mitglied auch mit finanziellen Zuwendungen der BSO aufzunehmen. Ich hoffe sehr, dass das im heurigen Jahr noch umgesetzt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist vorher die finanzielle Ausstattung des Sports angesprochen worden. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir natürlich auch in der Vorbereitung dieser Olympischen Spiele die sportliche Vorbereitung in den Mittelpunkt stellen, genauso wie wir auch bei der Fußballeuropameisterschaft mit dem Projekt "Challenge 2008" gemeinsam mit dem ÖFB die sportliche Vorbereitung auf dieses Großereignis entsprechend unterstützen und finanzieren.

Was die Lotto-Toto-Mittel betrifft, so ist es richtig, dass die gesetzliche Grundlage Ende dieses Jahres ausläuft und dass das natürlich in den Verhandlungen mit dem Finanzministerium ein ganz entscheidender Punkt sein wird. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass wir hier vielleicht auch neue Wege gehen müssen, denn hätte die BSO vor einigen Jahren dem Angebot des damaligen Bundeskanzlers Klima zugestimmt, der angeboten hat, für die Lotto-Toto-Mittel keine Ober- und Untergrenzen, sondern eben einen Prozentsatz festzulegen, dann hätte der Sport in den letzten drei Jahren um 200 Millionen Schilling mehr aus diesen Mitteln lukrieren können als mit der derzeitigen Regelung.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 89

Ich glaube, wir müssen uns bewusst machen, dass es nicht so einfach ist, dass wir nur zu sagen brauchen, wir erhöhen jetzt diesen Betrag um die Summe x und verteilen das so wie bisher mit der Gießkanne, sondern wenn wir Impulse im Sport setzen wollen, dann müssen wir Schwerpunkte setzen. Meine Zielsetzung wird daher auch sein, zusätzliche Mittel zu lukrieren, aber sie schwerpunktmäßig einzusetzen für die Nachwuchsarbeit, für die professionelle Trainerausbildung in diesem Bereich, um hier auch die Effizienz des Mitteleinsatzes sicherstellen zu können. Ich habe sehr bedauert, dass die Verbände nicht sehr kooperativ waren, was die Einsicht in die Gebarung betroffen hat, damit auch festgestellt werden kann, ob diese Mittel in der Vergangenheit wirksam eingesetzt wurden.

Ich bekenne mich also klar und deutlich zu mehr Mitteln für den Sport, ich sage aber auch dazu, dass das System der Gießkanne meiner Meinung nach nicht das Richtige ist, sondern dass wir mit diesen Mitteln auch Schwerpunkte und Zweckwidmungen verbinden werden, um die Nachwuchsausbildung, die Trainerausbildung, die verbesserte Nachwuchsarbeit in diesem Bereich entsprechend unterstützen zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben mit einer solchen Bewerbung natürlich auch die Möglichkeit, die Sportanlagen einem Modernisierungsschub zu unterziehen, das heißt, im Sportinfrastrukturbereich entsprechende Investitionen zu tätigen. Wenn man zum Beispiel Barcelona vor den Olympischen Spielen gekannt hat und sich diese Stadt nachher angeschaut hat, dann weiß man, was in einer Stadt mit Investitionen in diesem Bereich erreicht werden kann. Wir wollen auch entsprechende moderne Trainings- und Wettkampfstätten schaffen. Ich glaube aber, dass wir das nicht isoliert von den sportpolitischen Zielsetzungen sehen können. Wenn man sich vor Augen hält, dass wir in den letzten zehn bis 15 Jahren Eishallen um viele Millionen Schilling in ganz Österreich gebaut haben, aber es gleichzeitig verabsäumt haben, eine österreichische Eislaufszene auf Topniveau zu entwickeln, dann muss man sagen, dass wir diese Investitionen den Bürgern schlecht erklären werden können. Das heißt, wir müssen bei allen Sportstätten-Infrastrukturinvestitionen auch entsprechende Schwerpunkte setzen und sportpolitische Ziele damit verbinden.

Wir haben zum Beispiel jetzt gerade ein sehr interessantes Projekt, was das Rodeln betrifft, in Diskussion, nämlich ein Bundesnachwuchszentrum in Innsbruck. Markus Prock, unser Rodel-Olympiamedaillen-Gewinner, hat diese Idee gehabt. Ich glaube, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir ohne eine entscheidende Nachwuchsarbeit in diesem Bereich mit den schönsten Sportstätten nichts ausrichten werden können, wenn wir nicht mehr die Sportler haben, die darin auch erfolgreich ihrem Wettkampf nachgehen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Gedanke der Fairness steht im Mittelpunkt des Sports, ganz besonders auch bei Olympischen Spielen. Deswegen ist es auch wichtig, dabei zu erwähnen, dass Doping diesem Gedanken zutiefst widerspricht und dass wir alle gemeinsam die Verantwortung haben, strenge Doping-Kriterien und -Kontrollen bei großen Sportveranstaltungen wie auch bei Olympischen Spielen mit den Wettkämpfen zu verknüpfen. Wir haben jetzt gerade – ich glaube, vor zwei Wochen – ein Bundes-Sportförderungsgesetz in Begutachtung geschickt, in dem die Anti-Doping-Bestimmungen der europäischen Anti-Doping-Konvention gesetzlich verankert werden. Das heißt, dass bei Verletzung dieser Bestimmungen auch Förderungen außer Kraft gesetzt werden und zurückgezahlt werden müssen. Zur Vollziehung werden wir eine §-8-Kommission einrichten, die sich neben Vertretern meines Ressorts aus je einem Vertreter des Sozial- und Gesundheitsministeriums, des Finanzministeriums, des BMVIT und des Innenministeriums zusammensetzen wird. Die Kommission wird demnächst auch ihre Arbeit aufnehmen.

Das ist der zweite Schritt nach der Änderung des Arzneimittelgesetzes und der Reform in diesem Bereich, wonach Dopingvergehen nicht nur Verwaltungsstrafen nach sich ziehen, sondern auch strafrechtlich geahndet werden. Ich glaube, dass das im Interesse des Sports auch tatsächlich notwendig ist und dass wir daher in diesem Bereich die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen für faire Wettkämpfe geschaffen haben.

Wir müssen auch erkennen, dass der Sport eine besondere Bedeutung bei der Drogenprävention für Jugendliche und Kinder hat. Das ist ein Problem, mit dem wir alle in letzter Zeit vermehrt


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 90

konfrontiert wurden. Dem Sport kommt hier also eine ganz entscheidende Rolle zu. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben gerade ein Pilotprojekt in Angriff genommen, nachdem zwei Vertreterinnen der Drogenberatungsstelle Kolping bei uns waren und uns von den Erfolgen berichtet haben, die sie bei ehemaligen drogensüchtigen Jugendlichen im Entzug auch mit dem Sport erreichen konnten, indem es möglich wurde, ihnen einen neuen Lebenssinn und eine neue Motivation zu geben. Im Rahmen dieses Pilotprojekts werden diese Sportaktivitäten gefördert und wird dafür Sorge getragen, dass Jugendliche die Bundessport- und Freizeitzentren für ein Trainingslager nutzen können, dass es Schnupperkurse für Karate, Judo und auch andere Sportarten gibt, dass dieses Projekt von professionellen Trainern betreut wird und dass damit auch neue Lebensperspektiven für Jugendliche geschaffen werden.

Wir wollen darüber hinaus – und dafür bitte ich auch dieses Haus um Unterstützung – eine Enquete zu diesem Thema, wie wir mit Sport Drogenprävention und Alkoholprävention bei Jugendlichen umsetzen können, mit NGOs, Regierungsstellen und den Parlamentariern starten, zu der ich herzlich einlade und für die ich auch um die notwendige Unterstützung in diesem Bereich bitte.

Ich glaube, dass wir in diesem Sinne die Olympischen Winterspiele 2010 nicht nur unter dem wirtschaftlichen und unter dem sportlichen Gesichtspunkt, sondern unter dem Gesichtspunkt der Gesamtbedeutung für Österreich sehen sollten und dass wir, wenn wir uns, wie Herr Abgeordneter Böhacker schon gesagt hat, alle gemeinsam anstrengen, wenn alle wirklich hinter diesem Projekt stehen und wenn wir auch die Mitbewerber kennen, realistische und sehr gute Chancen haben, diese Olympischen Spiele nach Österreich zu holen. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

13.43

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Vizekanzlerin, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre klaren Worte, dass eine Bewerbung für die Olympischen Winterspiele keine Angelegenheit der Parteipolitik sein darf. Sie muss ein gemeinsames österreichweites Anliegen sein, und daher ist es auch zu dem heute hier vorliegenden Entschließungsantrag gekommen.

Ich bedauere es, dass es nicht zu einer Einigung mit der grünen Fraktion gekommen ist – Kollege Brosz hat ja bereits darauf hingewiesen: Uns trennte nicht viel. Es ging um Formulierungen und Festlegungen. Ich möchte das zur Klarstellung auch ein wenig deutlich machen:

Natürlich sind auch wir dafür, dass ökologische Kriterien erstellt werden. Kollege Brosz weiß es auch. Ich darf berichten: Der im Zusammenhang mit der Bewerbung von Salzburg um die Olympischen Winterspiele 2010 gebildete Arbeitskreis Umwelt unter Führung der Salzburger Umweltanwaltschaft und des Ökologieinstituts legt in seinen Sitzungen einen Kriterienkatalog fest, der für die anderen Arbeitskreise sowie für die Detailplanung der Olympischen Winterspiele nach positivem Zuschlag für die Region Salzburg verbindlich ist. (Ruf bei den Freiheitlichen: Bravo! Das ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte das mit aller Deutlichkeit sagen: Dieser Kriterienkatalog, der vom Öko-Institut und der Salzburger Umweltanwaltschaft erstellt wird, ist für Planung und Ausführung verbindlich, und wir bekennen uns auch dazu! (Beifall bei der SPÖ, den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In unserem Konzept ist eine ökologische Bauweise, ist die Nachhaltigkeit der Anlagen und der Errichtung vorgesehen, und es ist vorgesehen, eine Umweltprüfung durchzuführen, und zwar über die gesetzlichen Grundlagen hinaus: Es gibt das Projekt, die Olympischen Winterspiele 2010 einer freiwilligen Umweltprüfung nach der EU-Richtlinie zu unterziehen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 91

Im Bereich Verkehr liegt der besondere Schwerpunkt im Ausbau des öffentlichen Verkehrs, insbesondere des Schienenverkehrs. Ich denke hier an die Region Pongau und Ennstal. Auch das ist vorgesehen.

Ich glaube daher, dass wir es vielleicht geschafft hätten. Aber ich bedanke mich auch – das sage ich ganz offen – bei der grünen Fraktion für eines: Auch die grüne Fraktion bekennt sich zur Unterstützung Salzburgs für die Olympischen Winterspiele 2010. Das Hohe Haus sollte daher zur Kenntnis nehmen: Alle vier Parteien bekennen sich zu dieser österreichischen Bewerbung – und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat es in Österreich noch nie gegeben. Daher mein Dank auch an die grüne Fraktion! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man über die Bewerbung für Olympische Winterspiele diskutiert, dann geht es natürlich um Infrastrukturmaßnahmen, dann geht es natürlich um den Sport, und dann geht es – Frau Vizekanzlerin, da gebe ich Ihnen vollkommen Recht – auch darum, dopingfreie Spiele zu garantieren. Wir müssen garantieren, dass es die Null-Toleranz für Doping gibt! Das ist auch ein Anliegen der Europäischen Union.

Ich möchte in diesem Zusammenhang hier auch folgendes Anliegen zum Ausdruck bringen – ich habe es auch im Sportausschuss bereits erwähnt –: Es gibt noch mehrere Probleme im Dopingbereich. Durch die Änderung des Bundes-Sportförderungsgesetzes werden nicht alle Probleme gelöst, sondern nur für jene Sportarten, die in der BSO vertreten sind beziehungsweise die Bundesmittel erhalten. Wir haben aber auch noch andere Sportarten, bei denen dies nicht der Fall ist. Ich denke da beispielsweise an den Trabrennsport und halte fest, dass der Pferdesport (Abg. Böhacker: ... in eigener Sache!) auch durch diese Regelungen nicht erfasst ist. (Abg. Schwarzenberger: Betrifft seinen Bruder!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch das Parlament wird im Zusammenhang mit dieser Bewerbung noch einige Aufgaben wahrnehmen müssen. Wir Salzburger Abgeordneten stellen uns beispielsweise vor, auch die parlamentarischen Freundschaftsgruppen einzubeziehen, um diese Bewerbung zu unterstützen. Helfen Sie daher mit, dass diese Bewerbung erfolgreich wird, sodass es am 2. Juli 2003 heißt: Salzburg ist Ausrichter der Olympischen Winterspiele 2010! (Beifall bei der SPÖ, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Pumberger: Der Jacky hätte Erstredner sein sollen!)

13.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

13.49

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der gegenständliche Antrag ist aus einem Gespräch meiner Wenigkeit mit Dr. Leo Wallner, dem österreichischen Vertreter im IOC, entstanden, und ich habe über einen längeren Zeitraum den ehrlichen Versuch unternommen, zu einer Allparteieneinigung, zu einem Allparteienantrag zu kommen.

Herr Kollege Brosz hat mir unterstellt, dass ich gestern die Gespräche abgebrochen hätte, und hat auch die Begründung dazu vorgebracht. Ich habe das in meiner tatsächlichen Berichtigung bereits klargestellt. – Kollege Brosz, bitte, der Fairness halber: Ich bin sechsmal in Bezug auf dieses Thema auf Sie zugekommen – sechsmal! Kein einziger Versuch Ihrerseits, auf mich zuzukommen, ist dem entgegenzustellen.

Nichtsdestoweniger hat Kollege Maier lobend darauf hingewiesen, dass wir letztendlich doch einen gemeinsamen Nenner gefunden haben und dass wir alle ja zu Olympia 2010 in Salzburg sagen.

Dass dieses gemeinsame Ja zustande gekommen ist, liegt in erster Linie auch an der Kompetenz unserer Frau Vizekanzlerin und Sportministerin. – Liebe Frau Vizekanzlerin! Ich habe zwei Jahre lang als Sportsprecher unserer Fraktion miterlebt, wie das rot-schwarze


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 92

Hickhack letztendlich zu einem Misslingen der Bewerbung für 2006 geführt hat. (Abg. Schwemlein: Das ist aber eine selektive Wahrnehmung!) Es gab damals eben keinen Sportminister, der eindeutig Stellung bezogen hat. Es gab keinen Sportminister – weder Vranitzky noch in der Folge Klima –, der sich jemals in einem Sportausschuss der Debatte gestellt hätte, geschweige denn im Parlament seinen Beitrag zu einer gemeinsamen Unterstützung geleistet hätte. – Wie initiativ dagegen Ihre Sportpolitik ist, Frau Vizekanzlerin, das konnten nicht einmal die Oppositionsparteien im letzten Sportausschuss in Abrede stellen, sondern ganz im Gegenteil: Sie wurden von allen Parteien für Ihr Engagement und für die endlich in diesem Lande existierende Sportpolitik gelobt! – Danke dafür von meiner Seite! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt ja viele parlamentarische Vorhaben im Zusammenhang mit dem Berufssportgesetz, aber Sie werden nicht wissen, dass es in absehbarer Zeit eine Menge von Weltmeisterschaften geben wird, die in Vorbereitung sind. Schon in allernächster Zeit findet die Mountainbike-WM in Kaprun statt, im nächsten Jahr übrigens die Mountainbike-EM in Graz – Veranstaltungen, die Signalwirkung dafür haben, dass Österreich auch am Sektor Mountainbike-Sport seine Möglichkeiten hat. Wir haben ja in diesem Haus sehr lange, sehr breit und sehr oft zu dieser Thematik gestritten. Es hat sich bei dieser Auseinandersetzung letztlich die konstruktive Form, nämlich den Mountainbike-Sport sukzessive wachsen zu lassen, als erfolgreich herausgestellt. Diese beiden Veranstaltungen signalisieren das.

Es findet im nächsten Jahr die Snowboard-WM statt, wir haben die Eis- und Stocksport-WM in Graz – die Steiermark tut sich hier als Sportveranstalter wieder einmal hervor –, wir haben weiters die Biathlon-WM in Hochfilzen, und wir haben die Eishockey-A-Gruppen-WM nach Innsbruck und Wien geholt.

Österreich etabliert sich also als zentraler Veranstalter für Großsportereignisse, und das hat nicht zuletzt auch mit der Aufgeschlossenheit dieser Reformregierung zu tun.

Wir bereiten, wie erwähnt, die Fußballeuropameisterschaft für Österreich und die Schweiz für das Jahr 2008 vor. Es wird im August Besuch seitens der UEFA zu uns kommen, und im Dezember wird die Entscheidung über diese Zuteilung erfolgen. Ich darf Sie alle einladen, in Ihren Bereichen, in den Regionen, in den Sportvereinigungen für diese Veranstaltung Lobbying zu betreiben. Wir können hier die Unterstützung auf allen Ebenen benötigen. Es geht dabei vor allem um die Ausstattung der Fußballstadien, der Sportanlagen. Salzburg ist ja in Bau, Klagenfurt in Planung, aber auch das Nachrüsten in Innsbruck und Wien wäre ein Erfolg oder ein Ergebnis dieser Bewerbung.

Ich bitte Sie also, auch diese Bewerbung für die Fußball-EM 2008, die wir gemeinsam mit der Schweiz austragen wollen, rundherum zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

13.54

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil zwei Bemerkungen gefallen sind, die ich so nicht stehen lassen kann.

Erstens haben Sie, Frau Vizekanzlerin, gesagt, dass unsere Haltung gegenüber dem Antrag offenbar lokale Gründe hatte. – Das war so nicht der Fall, denn der Antrag, den wir als eigenen Entwurf eingebracht haben, war mit Salzburg auch akkordiert und war gemeinsam abgestimmt.

Ich verstehe in der Analyse all dessen nur eines nicht: Kollege Maier hat soeben klargestellt, dass genau jener ökologische Kriterienkatalog, dessen verbindliche Übernahme wir als zentralen Punkt genannt haben, sogar in Salzburg beschlossen ist. Ich verstehe daher nicht, warum es nicht möglich ist, so etwas in den gemeinsamen Antrag hier hineinzuschreiben! – Vielleicht könnte man das erklären, warum das als der Knackpunkt nicht ... (Abg. Böhacker: ... semantisch! Inhaltlich steht es drinnen!)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 93

Nein, von der verbindlichen Übernahme steht nichts drinnen – Sie können es nachlesen. Genau das war der Punkt! Da steht, dass Experten eingebunden werden, aber es steht nicht drinnen, dass das, was erarbeitet wird, verbindlich zu übernehmen ist. Kollege Maier hat soeben erklärt: In Salzburg ist das klar, in Salzburg ist das auch beschlossen. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: ... nicht einen Vertrag zu Lasten Dritter ...!)

Das kann sein, aber es wäre ja in der Formulierung darum gegangen, dass man darum ersucht, das sicherzustellen. Auch das wäre möglich gewesen. An all dem kann es also nicht scheitern. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Sie können nicht einen Vertrag zu Lasten Dritter ...!)

Das wäre doch möglich, weil eine Drittel-Finanzierung des Bundes auch ermöglichen würde, Kriterien zu benennen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich komme noch einmal auf Kollegen Grollitsch zurück. – Ich weiß zwar nicht, wann Sie mit mir sechsmal Kontakt aufgenommen haben, aber der Punkt war: Es war ein Procedere vereinbart. Wir haben unseren Teil auch schon vor dem Ausschuss geliefert. Wir haben einen Antrag eingebracht, und es gab dann die Vereinbarung, dass man versuchen wird, einen gemeinsamen Entwurf zu erstellen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Den gibt es bis jetzt nicht!)

Was heißt "bis jetzt nicht"? – Der Antrag war im Ausschuss bereits vorgelegt, und auf Basis dieses Antrages hat Kollege Pelousek versucht, einen gemeinsamen Antrag zu entwerfen – und Sie sagen, wir haben keinen vorgelegt! Das geht ja an der Realität vorbei! Der Punkt war, dass das, was dann gekommen ist, uns vorgelegt wurde und dass es daraufhin geheißen hat: Entweder – das haben Sie mir gestern gesagt – so, wie es vorgelegt wird, oder es geht eben nicht!

Verhandlungen über einen gemeinsamen Antrag stelle ich mir etwas anders vor. Wir hätten ja darüber reden können, ob wir vielleicht noch zu einer Einigung kommen! Vor allem, und das ist das, was für mich bemerkenswert ist, es war inhaltlich – da gebe ich Ihnen Recht – ... (Abg. Böhacker: Aber ein Kompromiss kann keine Einbahnstraße sein!)  – Es war auch keine Einbahnstraße, überhaupt nicht, weil sehr vieles von dem, was drinnen gestanden ist, auch gemeinsam zu tragen gewesen wäre. Nur: Wenn wir von Anfang an sagen, die verbindliche Übernahme ist unser zentraler Punkt, den wollen wir drinnen haben (Abg. Dr. Grollitsch: Das waren Scheinverhandlungen! Scheinverhandlungen haben Sie geführt! Das Volk weiß schon, was ...!), und Sie sagen dann, dieser Punkt ist sowieso drinnen, nehmen ihn aber nicht hinein, dann ist das für mich nicht nachvollziehbar! (Beifall bei den Grünen.)

13.56

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lexer. – Bitte.

13.57

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Sonntag, 14. Februar 2010: Olympia-Abfahrt am Hahnenkamm. Der ORF überträgt in bekannter Qualität seit einer halben Stunde die schönsten Bilder aus der Region Kitzbühel. Millionen aus aller Welt sitzen vor den Fernsehgeräten oder hängen an ihren digitalen TV-Handys, und Österreich zeigt sich von seiner schönsten Seite.

Eine Woche später: Beginn der Olympia-Langlaufbewerbe in der Sportwelt Amadé und Finale des Eishockey-Bewerbes aus der zum Großteil mit dem Baustoff Holz errichteten Olympia-Eishalle. Der ORF präsentiert, ebenfalls in bester Weise, im Vorspann die Kulturstadt Salzburg und rückt das kulturreiche Österreich ins Zentrum des Weltgeschehens.

14 Tage lang gehen Bilder einer wunderschönen Landschaft mit hoch technisierten und umweltgerechten Wintersportanlagen rund um den Globus. Der Sohn und/oder die Tochter von Roswitha Stadlober-Steiner gewinnt den Langlaufwettbewerb und Janko Zwitter aus Achomitz in Kärnten die Goldmedaille auf der Naturschanze in Bischofshofen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 94

Österreich liegt im Olympia-Fieber und nützt touristisch und sportlich den Heimvorteil. Einen wahren Medaillenregen gibt es für Österreichs Wintersportler auch bei den Paralympics, die im Anschluss daran stattfinden.

Große Ideen – und Olympia ist eine solche – müssen herzhaft und mit Entschlossenheit angegangen werden, und daher ist diese zaudernde, kleinliche Herumtaktiererei der Grünen aus meiner Sicht nicht angebracht, zumal wir wissen, dass sie im Grunde ohnedies dafür wären. Man kann das Ganze nämlich auch umdrehen und sagen: Wenn in Salzburg ohnedies schon alles feststeht, dann brauchen wir es hier nicht extra noch zu beschließen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: ... steht in unserem Antrag!)

Ich glaube, dass bei einer solchen Bewerbung auch bereits in der Projektphase eines sehr wichtig ist, und das ist, dass Vertrauen – Vertrauen, dass alle positiv dieses Projekt entwickeln – zwischen der Stadt Salzburg, dem Land Salzburg und dem Land Tirol und dem Nationalrat und der Bundesregierung hergestellt wird. Es ist völlig klar, dass in ökologischer und verkehrspolitischer Hinsicht alle neuen Erkenntnisse in das Projekt Eingang finden müssen, und es ist logisch, dass sich alle Beteiligten auch nach Maßgabe der jeweiligen Möglichkeiten und der zu erwartenden Profite finanziell engagieren.

Diese Bewerbung kann nur erfolgreich sein, wenn alle am olympischen Strang mitziehen, und daher glaube ich, dass wir, die wir das heute hier beschließen, schon heute auf der Siegerstraße sind. Ich danke daher auch der SPÖ und all jenen, die diese Bewerbung unterstützt haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prähauser. – Bitte.

14.00

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Ich bin den Initiatoren des gegenständlichen Antrages sehr dankbar, haben wir doch dadurch heute die Gelegenheit, hier im Nationalrat größtmögliche Geschlossenheit für das Vorhaben zu zeigen, Olympia nach Salzburg zu bringen – ein Vorhaben, das in Österreich schon zwei Mal verwirklicht werden konnte –, hier eben darüber zu diskutieren und, was die Zukunft betrifft, mit gleicher Zunge zu sprechen, was ja in der Vergangenheit nicht immer so war.

Salzburg hat ja, wie wir wissen, den Anlauf, Austragungsort der Olympischen Spiele zu werden, bereits ein Mal genommen, aber die Querelen innerparteilich beziehungsweise in dieser Region selbst haben damals dazu geführt, dass wir uns diesbezüglich nicht einmal in Österreich durchsetzen konnten.

Über diese "Klippe" sind wir also jetzt hinweggekommen, und daher bin ich sehr optimistisch, dass das gelingen wird, wenn eben auch die Politik in Salzburg zu diesbezüglicher Einheit findet – was ja jetzt tatsächlich so aussieht; in der Vergangenheit war ja ein bisschen etwas anderes darüber zu lesen.

Ich möchte hier im Hohen Hause diesen Eindruck von etwas "Zerrissenheit" zwar jetzt noch einmal darlegen, jedoch versichern, dass es darüber in letzter Zeit einen wirklichen Schulterschluss gegeben hat.

Zu diesem Thema konnten wir ja bereits verschiedenste Dinge hören, daher nur ganz kurz: Wir haben das Problem, aber auch das Glück, zwei tragende Politiker in unserem Land Salzburg zu haben, die für sich selbst und für das Land Berge versetzen würden, eben der Landeshauptmann und der Bürgermeister der Stadt Salzburg. Ich brauche jetzt auch gar nicht die Namen zu nennen, denn jeder hier weiß Bescheid. Beim "Berg Olympia" haben sich die beiden allerdings ein bisschen schwer getan, weil sie nicht wussten, wie sie dem jeweils anderen sozusagen auf die Zehen steigen könnten, um vielleicht selbst als der jeweils "bessere Olympionike" dazustehen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 95

Glücklicherweise hat sich aber doch die Einsicht durchgesetzt, dass man gemeinsam wesentlich mehr bewegen kann, und daher bin ich jetzt wirklich sehr optimistisch – aber auch, wie gesagt, dankbar dafür, dass wir das jetzt hier diskutieren können, dass wir eben sozusagen unter der Obhut des Bundes letztendlich eine Bewerbung zustande bringen, die Aussicht auf Erfolg hat.

Unsere Jugend braucht einen klaren Blick in die Zukunft, und wir alle sollten erkennen, dass Sport eine gewaltige Bereicherung des gesellschaftlichen Lebens darstellt – und das nicht nur, weil ein Sportler nicht zur Droge greift oder nicht im Gasthaus sitzt, das ist leider nicht ganz so, sondern weil man durch Sport solche Probleme in den Griff bekommen beziehungsweise dazu beitragen kann, einer solchen Versuchung erst gar nicht zu erliegen.

Gemeinsam sollten wir alles daransetzen, diesen Weg zu erreichen, aber letztendlich sollten wir uns alle darüber im Klaren sein, was uns die große Chance Olympia alles bieten würde: ökonomische und ökologische Vorteile, ebenso sozialpolitische, die wir nicht brachliegen lassen dürfen.

Wir haben aber auch die Verpflichtung, alles dafür zu tun, dass unsere jungen Sportler in die Lage versetzt werden, bei dieser Olympiade bestehen zu können. Was die Schifahrer, Schispringer oder Langläufer betrifft, mache ich mir keine Sorgen. Auch die österreichischen Rodler – das haben wir ja schon in der Vergangenheit gesehen – waren und sind stark genug, Medaillen zu erringen.

In diesem Zusammenhang denke ich vielmehr an die kleinen "Rand-Sportarten", an jene Sportarten, die die Fülle an Sportbetätigung ausmachen, für die aber auch eine gewisse Grundlage geschaffen werden muss. Es kann doch nicht so sein, dass dann, wenn Bund, Land oder die Gemeinde nichts zahlen, Vereine nicht einmal in der Lage sind, an Meisterschaften teilzunehmen oder Bewerbe durchzuführen!

Meiner Ansicht nach – daher möchte ich meinen Vorschlag, den ich bereits in einer Sitzung des Sportausschusses gemacht habe, hier wiederholen – sollten wir die Chance ergreifen, den Fachverbänden jene Bewegungsfreiheit zu geben, damit diese für sich Mittel, die privat, die durch Sponsoren zu erreichen sind, lukrieren können. Wir müssen ihnen die Chance geben, eine Plattform zu finden, damit jene Sponsoren, die bereit sind, finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, davon auch einen Nutzen haben. Mein konkreter Vorschlag dazu: via "TW 1" einen Sportkanal zu installieren, damit sich die Fachverbände, die ja verpflichtet sind, nationale sowie internationale Bewerbe auszuschreiben, um dann bei Europa- oder Weltmeisterschaften mitmachen zu können, bei diesem nationalen Bewerb in Österreich positionieren können.

Ein Beispiel aus der Vergangenheit, als es für den Ringer-Verband den "Großen Preis von Österreich" auszuschreiben galt: Das größte Problem war, wie man das finanzieren soll. Sage und schreibe 150 000 S stellten da wirklich eine Existenzfrage für den österreichischen Verband dar und entschieden darüber, ob Sportler aus 15 verschiedenen Nationen zu uns zu einem sportlichen Wettbewerb kommen können.

Rund um diesen Themenkomplex haben wir ja immer wieder verständnisvolle Beamte im Bundesministerium angetroffen, aber so kann es doch in dieser Sache nicht weitergehen! Vielmehr sollte in Zukunft das Engagement der Vereine unterstützt und gestärkt werden.

Ich bitte also nochmals, alles daranzusetzen, dass Vereinen und Verbänden die Möglichkeit gegeben wird, Gelder lukrieren zu können. Umgekehrt sollten aber auch jene, die finanzielle Mittel dafür zur Verfügung stellen, etwas davon haben – und das, ohne dass die öffentliche Hand belastet wird.

Meine Damen und Herren! Wenn es in Zukunft gelingt, Jugendlichen zu ermöglichen, jene Sportart auszuüben, für die sie jeweils prädestiniert sind, werden wir eine Gesellschaft haben, auf die wir für die Zukunft bauen können.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 96

Jeder von uns hier – das konnte man ja den verschiedenen Debattenbeiträgen entnehmen – steht hinter der Idee "Olympia für Salzburg/Tirol"! – Kollege Haubner hat ja bereits über die Stadt Salzburg gesprochen, ich möchte jetzt auch noch das Land Salzburg anführen, weil wir in dieser Sache wirklich mit gemeinsamer Zunge sprechen wollen. Gott sei Dank wurden jetzt innersalzburger Konflikte wie etwa Pongau gegen Pinzgau nicht ausgespielt; da sind wir wirklich alle gescheiter geworden.

Daher noch einmal auch hier im Nationalrat die Bitte: Unterstützen Sie uns! Dürften wir Olympia-Austragungsregion werden, so würde uns das selbstverständlich alle sehr, sehr freuen. Gutes Gelingen könnten wir jedenfalls jetzt schon garantieren! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Freiheitlichen.)

14.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sevignani. – Bitte.

14.05

Abgeordneter Hans Sevignani (Freiheitliche): Geschätzte Frau Vizekanzler! Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Olympische Winterspiele 2010   – eine Riesenchance für das sportbegeisterte Österreich; sowohl touristisch als auch wirtschaftlich eine Herausforderung! Zwei Bundesländer, das Land Salzburg mit seiner Sportwelt Amadé und das Land Tirol mit seiner zweimaligen Olympiaerfahrung, mit der Stadt Salzburg und ihrer Tradition von Musik und Kultur und der Hahnenkamm-Stadt Kitzbühel: Die Bekanntheit dieser beiden Städte und ihr Ruf, meine Damen und Herren, werden sich bei dieser Bewerbung sicherlich als positiv erweisen; einerseits eben die Festspiel-Stadt Salzburg und andererseits die weltbekannte Stadt Kitzbühel mit ihrer Erfahrung in Sportgroßveranstaltungen. ATP-Tennisturnier und Rad-WM der Senioren im Sommer – und im Winter ruft der klassisch berüchtigte Hahnenkamm. Kitzbühel mit seinem Ehrenbürger Toni Sailer, dieser einmaligen Ski-Legende, auch "Sportler des Jahrhunderts", der ein Verfechter dieser Olympischen Spiele ist, ein Bekenner generell für Olympia.

Meine Damen und Herren, denken Sie daran: Kitzbühel mit seinem Flair und seinem Ruf als Ski-Metropole; Salzburg und Kitzbühel, ein gutes Gespann also in der Tourismusregion Amadé und in den Kitzbühler Alpen!

Zu begrüßen ist dieser Drei-Parteien-Antrag. Schade, dass sich die Grünen offensichtlich nicht dazu durchringen können, bei diesem Antrag mitzugehen. Ich schaue mir an, wie die Grünen das in Tirol begründen werden, wenn sie hier im Nationalrat nicht mitstimmen.

Nunmehr geht es um die Unterstützung für die Olympia-Bewerbung 2010, und zwar fernab aller Parteigrenzen. Es geht um Österreich, um Österreichs Sportler, um unsere sportliche Jugend, um den Tourismus sowie um unsere Freizeitwirtschaft. Der olympische Gedanke Gemeinsamkeit ist angesagt, damit Olympia 2010 in unserem Lande stattfinden kann. Glück auf! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.08

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweisgut. – Bitte.

14.08

Abgeordneter Johannes Schweisgut (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Als Tourismussprecher der ÖVP möchte ich jetzt ein bisschen mehr auf den rein touristischen Aspekt von Winterspielen eingehen. Wir haben ja bereits sehr viel über Sport, über sportliche Leistungen oder auch über den Anreiz für möglichst viele Medaillen gehört, ich meine jedoch, dass insbesondere Olympische Spiele auch dazu da sind, ein Land für eine bestimmte touristische Attraktion bekannt zu machen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 97

Zwei Mal Olympische Winterspiele in Innsbruck haben, wie ich meine, Österreich als Wintersportland Nummer eins positioniert; auch heute profitieren wir noch von Olympischen Spielen, die vor 25 Jahren in unserem Lande stattgefunden haben.

Ich erinnere mich beispielsweise daran, wie ich damals als Jugendlicher in der Eishalle in Innsbruck war und mir mit rund 20 Zusehern ein Eishockeyspiel angeschaut habe. Heute verfolgen ein Eishockeyspiel 10 000 Zuschauer. Damals gab es darüber einen Bericht von einigen wenigen Minuten Länge im Fernsehen – heute gibt es stunden-, ja tagelange Live-Übertragungen. Über die letzten Olympischen Winterspiele wurde in über 160 Staaten der Welt berichtet; das ist eine Reichweite von über 80 Prozent aller Staaten dieser Welt, in denen über die Olympischen Winterspiele berichtet wurde. Allein diese Zahlen zeigen, wie sehr wir auch gerade aus touristischer Sicht unser Land wiederum in den Mittelpunkt stellen sollten.

Salzburg und Tirol bieten sich geradezu ideal an, Olympische Winterspiele zu veranstalten; ebenso diese Kombination von Kultur und Gastlichkeit sowie die bereits bestehende Infrastruktur. Man muss bedenken, dass Österreich schon jetzt als europäisches Wintersportland Nummer eins über eine hohe Dichte an verschiedenen Veranstaltungsstätten verfügt und daher dann wirklich nur mehr minimale Eingriffe in die Natur erforderlich wären.

Man sieht also, meine Damen und Herren, Österreich ist mit Wintersportveranstaltungen auch in den letzten Jahren sehr gut gefahren. Denken wir doch etwa nur an die Region Arlberg, in der vergangenes Jahr Weltmeisterschaften im alpinen Skilauf abgehalten wurden. In dieser Region ist im heurigen Jahr – trotz bereits sehr hoher Nächtigungszahlen in der Vergangenheit – noch einmal eine Steigerung der Nächtigungszahlen um 15 Prozent zu verzeichnen, woran man also klar erkennen kann, welche Bedeutung derartige Veranstaltungen haben.

In der Tourismusbranche müssen wir uns in den nächsten Jahren, und zwar auf Grund rückläufiger Nächtigungszahlen im Sommer, eben gerade auch für diese Jahreszeit etwas überlegen und uns ganz speziell darauf konzentrieren. Winterspiele bieten uns für den Winter die Gelegenheit, entsprechende Nächtigungszahlen zu erreichen und vielleicht frei werdende Mittel vermehrt in den Sommertourismus zu stecken. Natürlich müssen wir aber auch für das Sommer-Urlaubsland Österreich auch im Winter Werbung machen.

Auch wenn es hiefür breite Befürwortung gibt, ist es doch so, dass – was mir sehr Leid tut – die grüne Fraktion da heute nicht mitgeht. Ich glaube aber, dass wir nur dann echte Erfolgsaussichten auf Austragung der Olympischen Winterspiele 2010 in unserem Lande haben, wenn die gesamte Bevölkerung – und dazu zähle ich in erster Linie auch die Volksvertretung, den Nationalrat als beispielgebend – ohne größere Einschränkungen hinter dieser Aktion steht. Wir müssen, um Erfolg zu haben, wirklich gemeinsam an diesem Ziel arbeiten, worum ich hiemit auch alle bitten darf.

Die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen möchte ich ersuchen, sich doch eines anderen zu besinnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte.

14.11

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Kollege Schweisgut hatte vollkommen Recht, als er soeben die Abhaltung von Olympischen Spielen in unserem Lande mit der großen Bedeutung derselben für die Freizeit- und Tourismuswirtschaft Österreichs gleichgesetzt hat.

Ich habe allen meinen Vorrednerinnen und Vorrednern sehr genau zugehört, und ich möchte daher sagen: Wichtig ist es, dass nicht nur wir hier herinnen die Appelle zu gemeinsamer Vorgangsweise hören und mitnehmen, sondern dass wir diesen Appell zu einer gemeinsamen Vorgangsweise auch hinaustragen, denn ganz werde ich das Gefühl nicht los, dass nach wie vor die Olympia-Bewerbung Salzburgs für 2010 ein bisschen als "Ersatzparkett" für politische


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 98

Eitelkeiten herhalten soll. Und dazu ist dieses Anliegen doch viel zu schade, und zwar deshalb, weil Österreich dadurch die große Chance und Möglichkeit hat, seine einmaligen Ressourcen nicht nur für den Sport zur Verfügung zu stellen, sondern diese einmaligen Ressourcen mit einem solchen Ereignis auch weltweit bekannt zu machen.

Tatsache ist, dass es gerade im Bereich der Freizeit- und Tourismuswirtschaft in den nächsten Jahren zu sehr großen Veränderungen kommen wird, dass die Besucherströme eine gewaltige Veränderung erfahren. Und Tatsache ist weiters, dass Österreich in den vergangenen Jahren Verluste auf dem Tourismusmarkt zu verzeichnen hatte. Unser aller Aufgabe muss es daher sein, diesen negativen Trend zu stoppen.

Egal, ob Österreich, ob Salzburg den Zuschlag bekommt oder nicht – das sage ich ganz offen –: Unsere erste und wichtigste Chance beziehungsweise Aufgabe ist eine professionelle, weltweite Bewerbung. (Allgemeiner Beifall.)

Die "Marke Österreich", die "Marke Salzburg, Kitzbühel, Tirol" in die Welt hinauszutragen und bekannt zu machen, die Einzigartigkeit dieser Region vorzustellen, ist unsere große Chance und Herausforderung. Daher ist es sinnvoll und wichtig, dass die Politik Rahmenbedingungen schafft, ist es notwendig, die gesetzlichen Grundlagen hiefür zu beschließen, aber den "Rest", alles andere – ich denke, da sollten wir einer Meinung sein – sollten Profis machen. Die Profis der Tourismuswirtschaft, die Profis für Infrastruktur, all das, was man eben braucht, sollen das Weitere übernehmen, denn nur sie kennen die Besonderheiten des Marktes, kennen die Notwendigkeiten, wie Österreich erfolgreich dargestellt werden kann. Mir blutet nach wie vor das Herz, wenn ich daran denke, dass die Bewerbung für das Jahr 2006 – 250 Jahre Mozart und Olympia! – nicht funktioniert hat, denn das hätte eine Einmaligkeit dargestellt, die es bei Olympischen Spielen wirklich noch nie gegeben hätte.

Was ich mir erhoffe und erwarte, ist, dass aber die Bewerbung für 2010 – die Frau Vizekanzlerin hat das bereits angesprochen – auch dazu genutzt wird, die Kultur Österreichs und den Sport in enger Verbindung darzustellen, denn das sind unsere Stärken, und diese müssen wir noch mehr hervorkehren und unterstreichen.

Meine Damen und Herren! Es genügt nicht, wenn wir wissen, welche Qualität unser Land da hat, sondern das muss allen Menschen dieser Erde bewusst gemacht und vor Augen geführt werden, sodass eben alle neugierig werden und sich sagen: Wir reisen nach Österreich!

Die erste Reaktion auf diese Bewerbung war, meine Damen und Herren, gleich ein Streit innerhalb der Bezirke Salzburgs, wer was bekommt beziehungsweise eben nicht. Ich habe mich damals ganz bewusst aus dieser Diskussion herausgehalten, und zwar deshalb, weil ich mir gesagt habe: Ob ein Veranstaltungsort im Bezirk St. Johann, ist gleich Pongau, liegt – oder im Pinzgau, ist doch relativ gleich; das ist einem Japaner oder Amerikaner doch völlig egal!

Das Entscheidende ist doch, dass wir die Olympischen Spiele 2010 bekommen, und das Entscheidende ist, dass wir Olympische Spiele sportlich, gesellschaftlich und wirtschaftlich bestmöglich nutzen. Zur Zusammenarbeit dazu lade ich Sie alle ein, meine Damen und Herren, damit unsere Bewerbung letztendlich zum Erfolg führt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Freiheitlichen.)

14.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

14.17

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Von Vorrednern wurde ja bereits ausführlich darauf hingewiesen, welche Bedeutung Großveranstaltungen im Sport eben gerade für den Sport in einem Land haben: als Vorbildwirkung, als Animation auch für andere Sporttreibende beziehungsweise Noch-nicht-Sporttreibende. Vereinzelt wurde hier auch angesprochen, welche Bedeutung Großveranstaltungen auch für das wirtschaftliche Umfeld rund um diese Veranstaltungen, aber auch weit darüber hinaus haben.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 99

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass sich Österreich neben der Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2010 in Salzburg und Kitzbühel auch für das Jahr 2008 gemeinsam mit der Schweiz um die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft bewirbt. Die Wirtschaftskammer hat – gemeinsam mit dem Österreichischen Fußballbund – eine Untersuchung darüber anstellen lassen, welche Auswirkungen eine solche Veranstaltung auf Arbeitsplätze, auf den Markt, auf die Wirtschaft und auf das wirtschaftliche Umfeld hat. Diese Zahlen sind recht beeindruckend, und ich meine, sie sind, wenn schon nicht eins zu eins, so doch übertragbar auf Auswirkungen im Zusammenhang mit der Durchführung Olympischer Spiele.

Am Beispiel dieser Studie für die Fußball-EM 2008 zeigt sich, dass beispielsweise durch diese Veranstaltung alleine in Österreich 6 600 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen würden: davon 2 200 in der Baubranche und 4 400 im Tourismus. Das würde aber auch Effekte für die Werbebranche nach sich ziehen, und zwar in Höhe von rund 100 Millionen €. Aus diesem Titel heraus würde auch das Steueraufkommen um etwa 50 Millionen € steigen; ebenso sind in diesem Zusammenhang Investitionen plus Tourismusausgaben anzuführen.

Einen Satz aus dieser Studie möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, in dem der Verfasser dieser Studie sagt, dass vor allem die Imageverbesserung der Tourismus-Destination Österreich einen wirtschaftlichen Impuls erfahren würde, der weit über das Jahr 2008 – umgelegt auf die Olympischen Spiele: weit über das Jahr 2010 – hinaus reichen würde.

All das sind Argumente dafür, dass es sich hiebei nicht nur – auch wenn das im Vordergrund stehen soll – um eine sportliche Veranstaltung handelt, sondern sehr wohl auch um eine Veranstaltung, die für unser Land, für die Wirtschaft unseres Landes, für das Image unseres Landes große Bedeutung hätte. Ich meine, es lohnt sich daher auch aus dieser Überlegung heraus für uns alle, dass wir uns für diese Veranstaltungen sowie für die Bewerbungen um deren Austragung in unserem Land einsetzen.

Frau Vizekanzlerin! Ich möchte auch Ihnen sehr herzlich dafür danken, dass Sie sich in ganz besonderem Maße – gemeinsam mit den nationalen Verbänden – für diese beiden Großveranstaltungen und für die Bewerbung dazu einsetzen. Ich glaube, es wäre gut und richtig – und ich freue mich darauf, dass das geschehen wird –, dass zumindest die drei großen Fraktionen dieses Hauses mit diesem Entschließungsantrag ein deutliches Bekenntnis zu dieser Veranstaltung, in diesem Fall Olympische Spiele Salzburg/Kitzbühel im Jahr 2010, abgeben. Ich bedanke mich jetzt schon recht herzlich dafür. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Schwemlein. )

14.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Mag. Langreiter ist der nächste Redner. – Bitte.

14.21

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Heute ist naturgemäß ein olympischer Wettkampf-Großtag der Tiroler und Salzburger Abgeordneten. Aber die Idee spricht für sich. Die Idee Olympia, die Sport, Kultur, Jugend, Behindertensport und Wirtschaft verbindet, ist es natürlich wert, dass darüber debattiert wird. Ich spreche nicht nur von der "Host-City" Salzburg und von Kitzbühel, von diesen zwei weltberühmten Städten, sondern vor allem auch von den Austragungsorten in der ländlichen Region im Bezirk Pongau.

Die Vorbereitungen in der Bewerbungsphase für Olympische Spiele bestehen nicht nur in der Erstellung von Kriterienkatalogen, Konzepten und Unterlagen, sondern vor allem auch darin, dass man in der Bevölkerung und bei den Menschen vor Ort verstärkt Bewusstseinsbildung fördert und Überzeugungsarbeit leistet. Dazu bedarf es auch eines Beschlusses oder zumindest einer Debatte im Nationalrat und einer gemeinsamen Vorgangsweise, weil das Hohe Haus stellvertretend für die Österreicherinnen und Österreicher spricht.

Unsere Aufgabe in dieser heutigen Debatte ist es vor allem, Bereitschaft für diese großartige Idee, für die Olympischen Winterspiele im Jahre 2010, zu signalisieren. Reklamieren wir dabei nicht Dinge hinein – das ist meine Bitte –, die ohnedies die Experten, die Touristiker und Event-


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 100

Manager sowie vor allem die Menschen vor Ort erledigen! Lassen wir – das ist vielleicht die Botschaft in meinem kurzen Beitrag – ein wenig die Spielregeln der Subsidiarität gelten! Ich glaube, das ist wichtig, weil letztendlich die Menschen vor Ort wissen, wie es um ihre Region steht, was sie dort machen und umsetzen wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir brauchen zuerst die Spiele im Kopf und im Herzen, dann können wir sie auch entsprechend umsetzen. Das ist ganz besonders wichtig. Befürchtungen, dass es sich künftig um ein ökologisches Desaster handeln könnte, sind meiner Ansicht nach ausgeräumt, die Richtlinien und der Kriterienkatalog für das ökologische Werden dieser Olympischen Winterspiele sind vorhanden. Allein schon die Bewerbungsphase bis zum 2. März 2006 ist für die Tourismuswirtschaft in unserer Region ein ungemein wichtiger Aspekt. Das sind nicht nur Spiele für Tirol und für Salzburg, sondern das sind Spiele für das ganze Land, für unsere wunderschöne Republik!

Allen Skeptikern möchte ich, vor allen Dingen in Richtung der grünen Fraktion, folgenden Rat geben: Meine sehr verehrten Damen und Herren von der grünen Fraktion, besuchen Sie unsere Region! Sprechen Sie mit den Menschen vor Ort, und Sie werden unter Umständen ein ganz anderes Bild bekommen! (Beifall bei der ÖVP.)

Trotzdem möchte ich mein Dankeschön dafür zum Ausdruck bringen, dass dieser Antrag oder zumindest die Olympischen Winterspiele von allen Fraktionen entsprechend vertreten werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1120 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Dazu haben die Abgeordneten Böhacker, Haubner, Mag. Maier, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über die dem Ausschussbericht 1120 der Beilagen beigedruckte Entschließung in der Fassung des Zusatzantrages der Abgeordneten Böhacker, Haubner, Mag. Maier, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 134.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010. (Abg. Auer: Ach so, das ist eine besondere Logik!)

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

3. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1067 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (1100 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1068 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 und die Verordnung betreffend Regelung der Ausbildung zum Zahnarzt geändert werden (1101 der Beilagen)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 101

5. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1069 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Rezeptpflichtgesetz geändert werden (1102 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (950 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung aufgehoben wird (1103 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lackner. Ich erteile es ihm.

14.27

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Lassen Sie mich kurz zu den vier nunmehr zur Diskussion und Beschlussfassung vorliegenden Gesetzesmaterien Stellung nehmen.

Mit der KAG-Novelle werden einige Bereiche geregelt, die durchaus auch unsere Zustimmung finden, Herr Dr. Pumberger. Es handelt sich hier um die Aufnahme eines Vertreters von Behindertenorganisationen in die Ethikkommission, was durchaus auch für uns akzeptabel und in Ordnung ist. Ein weiterer Punkt, dem wir ebenfalls unsere Zustimmung erteilen können, ist die Installierung von Arzneimittelkommissionen in Krankenanstalten, weil auch das von uns begrüßt wird und durchaus ein Beitrag ist, um die Medikamentenkosten künftig vielleicht doch etwas besser in den Griff zu bekommen.

Nicht unsere Zustimmung wird die Ausweitung des Behandlungsbeitrages auf Sonderklassepatienten finden, weil diese Anpassung die Bestimmung an sich nicht besser macht. Ich habe mich bei verschiedenen Anlässen schon mehrmals dazu geäußert, dass dieser Beitrag alles andere als ein Beitrag zur konstruktiven Bewältigung dieses Problems ist. Das kommt mir nämlich ungefähr so vor, Herr Dr. Pumberger, als wenn ich mich für die Eventualität, auf dem Gehsteig angefahren zu werden, versichern lassen muss. Daher ist diese Regelung lediglich die zweit-, wenn nicht sogar drittbeste Lösung. Ich befinde mich mit dieser Meinung in bester Gesellschaft, weil niemand Geringerer als der Herr Staatssekretär mir darin beigepflichtet hat, dass diese Lösung bestenfalls als Zwischenlösung betrachtet werden kann, aber sicherlich nicht endgültig sein wird. (Abg. Böhacker: Besser eine Zwischenlösung als gar keine!)

Herr Kollege Böhacker! Ich glaube, Sie sollten sich eher Finanzvorlagen zuwenden, weil ich glaube, von diesem Bereich ... (Abg. Böhacker: Danke! Da kenne ich mich auch aus!)  – Genau richtig, das wollte ich damit sagen.

Ebenfalls nicht unsere Zustimmung findet die Ausnahme der Privatkrankenanstalten von der ökonomischen Verschreibweise, weil das sicherlich niemandem erklärbar ist, noch dazu jetzt, nachdem wir vor kurzem ein Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetz beschlossen haben, wodurch auch jenen Krankenanstalten öffentliche Gelder zur Verfügung gestellt werden.

Wir werden daher in zweiter Lesung eine getrennte Abstimmung verlangen und in dritter Lesung dieser KAG-Novelle unsere Zustimmung nicht erteilen.

Sehr geehrter Herr Minister! Mehr oder weniger zufällig habe ich diesen Spitalführer für den Bereich Wien und Niederösterreich, "Spitäler 2002", in die Hand bekommen. Meine – wenn Sie so wollen: sprichwörtliche – Neugierde wurde geweckt, weil an und für sich nichts dagegen einzuwenden ist, wenn Sinnvolles in der Öffentlichkeit verbreitet wird. Ich habe dann versucht,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 102

meinen Wissensdurst zu befriedigen, und habe mir diese Broschüre näher zu Gemüte geführt. Mein Interesse wurde endgültig geweckt, als ich das Inhaltsverzeichnis durchgeblättert und festgestellt habe, dass auch der Herr Staatssekretär für Gesundheit Wesentliches von sich gegeben haben soll.

Ich habe das weiter durchgesehen und mir gedacht: Wenn der Herr Staatssekretär für Gesundheit sich schon einmal die Ehre gibt, Wesentliches zum Thema Gesundheit von sich zu geben, dann sollte man wenigstens den Versuch machen, dies auch zu lesen. Es kommt ja nicht sehr oft vor, dass er etwas von sich gibt, was wirklich bemerkenswert ist.

Ich denke, ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass meine böse Vorahnung – wenn man so will – nicht enttäuscht worden ist, was diesen Beitrag betrifft, denn dieser Beitrag ist eine einzige Bankrotterklärung Ihrer Gesundheitspolitik und eine einzige Offenbarung. Die politische Agitation, die darin stattfindet – noch dazu öffentlich finanziert, meine Damen und Herren! –, ist wirklich eine Anfrage wert. Wir haben daher zu diesem Bereich eine Anfrage an den zuständigen Minister gerichtet.

Aber lassen Sie mich nunmehr zu diesem – Pamphlet, hätte ich fast gesagt, kommen. Anders ist dieses Werk nicht zu bezeichnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Darin wird zunächst einmal die verschuldensunabhängige Patientenversicherung in den höchsten Tönen gelobt. Ich habe bereits mitgeteilt, dass diese Lösung nur die zweit-, wenn nicht sogar drittbeste Lösung sein kann. Selbst der Herr Staatssekretär ist dieser Ansicht, und es wundert mich, dass er dies nicht auch zum Besten gegeben hat und mit keinem Wort erwähnt, dass er daran denkt, irgendwann einmal – wahrscheinlich wird er dazu gar nicht mehr in die Lage versetzt werden – der staunenden Öffentlichkeit noch eine bessere Lösung zu präsentieren. (Zwischenruf der Abg. Wochesländer. ) Nein, der Herr Staatssekretär wird sie nicht mehr präsentieren können, weil er dann nicht mehr in der Regierung sein wird, Frau Kollegin, das wird das große Problem sein. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Jedenfalls ist diese Lösung bestenfalls die zweitbeste Lösung. (Abg. Wochesländer: ... sagen wollen! Ich höre immer nur ...!)  – Ich weiß nicht, warum Sie so lachen. Die Zukunft wird es weisen, und ich denke, wir sind auf dem besten Weg.

Das Nächste war der Beitrag zur Ambulanzgebühr. Dieser ist bestenfalls eine Prolongierung Ihrer Rechtfertigungsstrategie, aber kein konstruktiver Beitrag zur endgültigen Beseitigung dieser unsozialen Krankenstrafsteuer.

Meine Damen und Herren! All das, was hier sonst noch angeführt worden ist, einmal mehr näher zu erläutern, würde den Rahmen der heutigen Sitzung sprengen. (Abg. Wochesländer: Wer hat das eingeführt, Herr Kollege? Wer war das?) Die Milchmädchenrechnung des Herrn Staatssekretärs eignet sich bestenfalls für den FPÖ-Stammtisch. (Abg. Böhacker: Na!) Aber einer wirklich objektiven Bewertung und Überprüfung hält diese Milchmädchenrechnung wohl nicht stand, meine Damen und Herren! (Abg. Böhacker: ... den SPÖ-Stammtisch in Vorarlberg! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Da sich der Herr Staatssekretär so sehr dafür rühmt, was alles ausgenommen ist und dass von ihm sozusagen mehr oder weniger ohnehin die heile Welt verkauft wird, darf ich ihm mitteilen, dass es doch noch einige Bereiche gibt – zum Beispiel die Österreichische Krebsliga, die Problematik der Nachsorge von Patienten oder die Gehörlosenproblematik –, die ihm offensichtlich entgangen sein dürften. Herr Kollege Rasinger schaut ganz erstaunt. Aber aus einer Meldung unter dem Titel "Salzburger Landesrätin: Keine Ambulanzgebühr für Hörbehinderte" ist zu schließen, dass sich das mittlerweile doch zumindest bis zu Ihren Landesräten durchgesprochen haben dürfte, denn ... (Abg. Böhacker: Die Zeit ist abgelaufen!)

Das macht nichts. Ich habe eine freiwillige Redezeitbeschränkung, Herr Kollege (Abg. Böhacker: Ach so!), und kann auch ein bisschen ... (Abg. Böhacker: Ich bin sehr genau bei den Zahlen!)  – Ja, das weiß ich. Aber das hilft dann oft nichts, und das ist das Schlechte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 103

Meine Damen und Herren! Auf jeden Fall findet sich auch da, wie gesagt, nichts Wesentliches. Zum Schluss folgt der Artikel "Die Krankenkassen sind saniert". Dazu dürfte der Herr Staatssekretär von den Gebrüdern Grimm inspiriert worden sein. Allerdings – und das sei dazugesagt – scheint er besser daran zu tun, dies künftig Berufenen zu überlassen, weil das Schreiben von Märchen offensichtlich nicht zu seinen Stärken zählt.

Zum Schluss dieser Ausführungen richtet er auch eine Aufforderung an die Opposition, parteipolitische Interessen hintanzuhalten. Das dürfte offensichtlich ein Appell an die eigene Adresse gewesen sein, denn bisher ist von Ihrer Seite mehr oder weniger nichts Wesentliches zum Thema Gesundheitspolitik vorgelegt worden. Wenn da überhaupt etwas geschieht, meine Damen und Herren, sind es Anträge von der Opposition, die Sie dann in fundamentaler Opposition zur Opposition meistens ablehnen!

Meine Damen und Herren! Zum Schluss möchte ich Ihnen ganz kurz einen Ausschnitt aus einem Artikel in den "Salzburger Nachrichten" unter dem Titel "Einen Miraculix für den Patienten Gesundheitssystem!" präsentieren. Darin schreibt Frau Sylvia Wörgetter ganz nett Folgendes:

"Ganz so wie dem armen Comic-Patienten geht es dem Gesundheitssystem in Österreich. Es wird zunehmend zum Spielball von politischen, regionalen und lobbyistischen Partikularinteressen. Und kein Sozialminister, kein Gesundheitsstaatssekretär, der ein in sich schlüssiges Konzept hätte, wie es weitergehen soll. Gottlob ist Österreichs Gesundheitssystem noch in weit besserem Zustand als der bemitleidenswerte Claudius Incorruptus. Doch ewig hält" auch dieses Gesundheitssystem Ihre Politik nicht aus.

Herr Minister! Der Herr Staatssekretär ist der Fahnenträger dieser Politik. Ich darf nur erwähnen: Das Einzige, was bei Ihnen funktioniert, ist das Vergeben von Jobs; das funktioniert natürlich gut. (Abg. Wochesländer: Hahaha, das traut sich ein SPÖler zu sagen! Das ist unglaublich!) Wir haben heute wieder darüber gesprochen: Kollege Gaugg steht kurz vor einem Karrieresprung, Kollege Hrabcik, Herr Günther und so weiter – diese Liste ließe sich x-beliebig und lange fortsetzen. (Abg. Wochesländer: Der Witz des Jahres, dass ein SPÖ-Abgeordneter ...!)  – Ich weiß gar nicht, was Sie da zu lachen haben! Es ist einfach so. Sie haben eine unheimliche Verdrängung. Sie schaffen das, wofür andere wesentlich länger gebraucht haben oder was sie überhaupt nie erreicht haben, in zwei Jahren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Abschließend schreibt Frau Wörgetter:

"Den eingangs erwähnten ‚Claudius Incorruptus‘ hat schließlich der gallische Druide Miraculix gerettet. Ein Wunderdoktor fehlt nur leider hierzulande."

Da muss ich Frau Wörgetter Recht geben, denn klar ist: Sie werden diesen Wunderdoktor nicht mehr stellen. Sie hatten genug Zeit, und Sie haben im Bereich der Gesundheitspolitik schlicht und ergreifend versagt! (Abg. Dr. Rasinger: Du bist aber auch nicht der Wunderdoktor!)  – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

14.37

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Lackner, seien Sie froh, dass es mich gibt! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Sonst hätte Ihnen heute nämlich überhaupt niemand zugehört. Ihre gesamte Fraktion war mit sich selbst beschäftigt, während Sie sich hier in einer Vorwahlkampfrede erprobt haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben, damit Sie berechtigt sind, Erstredner zu sein, ein Härchen in der Suppe gefunden und haben die verschuldensunabhängige Patientenversicherung kritisiert, die jetzt wieder verbessert worden ist. (Abg. Dr. Jarolim: Wo sind die Pumberger-Patienten? Zeigen Sie uns die!) Sie haben in 30 Jahren Sozialpolitik mit Ihren Gesundheits- und Sozialministern überhaupt nichts zustande gebracht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 104

Wir haben für die Patientenrechte schon sehr viel weitergebracht. Nahezu alle Bundesländer haben mittlerweile die Patientencharta unterzeichnet. Es bestand bis jetzt eine Ungerechtigkeit darin – das gebe ich zu –, dass die Sonderklasse-Patienten den Beitrag von 10 S oder 0,73 € nicht bezahlen mussten. Das wird jetzt beseitigt, aber das haben Sie heute zum Anlass genommen, hier herunterzugehen und Ihre Fundamentalopposition, die Sie heute Vormittag schon bei der Debatte zum Thema Sterbebegleitung gezeigt haben, fortzusetzen. Sachlich können Sie der Regierungsarbeit nichts entgegenhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ganze gesundheitspolitische Paket, das heute hier verabschiedet wird, ist ein hervorragendes Paket. Es hat einer Riesenarbeit bedurft, dass es so weit gekommen ist, dass wir uns hier im Plenum einen ganzen Tag lang der Gesundheitspolitik widmen können! Auch die Sterbebegleitung ist in wesentlichen Teilen Gesundheits- und Sozialpolitik. Auch die Sportpolitik – sehr wichtig, wie die Frau Vizekanzlerin gesagt hat! – spielt groß in den Gesundheitsbereich hinein: Drogen, Antidoping und vieles andere mehr. Jetzt haben wir einen Punkt nach dem anderen, bis in die späte Nacht hinein – unterbrochen nur durch eine unnötige Dringliche Anfrage –, zum Thema Gesundheitspolitik: kreative Gesetze, die zur Verbesserung führen, und zwar in jenem Gesundheitswesen, das Sie uns in einem maroden Zustand übergeben haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Heute werden nicht nur das Krankenanstaltengesetz und das Ärztegesetz, sondern auch das Hebammengesetz geändert. Es wird außerdem gegen die Gesetzesflut vorgegangen und ein Gesetz aufgehoben. Das Polioimpfgesetz wird aufgehoben, weil wir in der Impfproblematik viel bessere Lösungen gefunden haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Novelle zum Krankenanstaltengesetz. Einer der darin enthaltenen Punkte betrifft die Behinderten. Wir haben heute schon einmal über Behinderte diskutiert, Herr Kollege Grünewald, und Sie haben, wie ich jetzt weiß, nicht so viel Verständnis für Behinderte, wie ich angenommen habe. (Heiterkeit des Abg. Schwemlein.  – Abg. Dr. Grünewald: Was?) Wir haben jetzt dafür gesorgt, dass in die Ethikkommissionen in den Spitälern jeweils auch ein – von den Behindertenorganisationen schon lange gewünschter – Behindertenvertreter entsandt wird. Das ist sehr wichtig und trägt zur Respektierung der Interessen der Behinderten bei. Ich glaube, dass das sehr gut ist.

Zur verschuldensunabhängigen Patientenentschädigung. – Kollege Lackner ist jetzt draußen; man sieht ihn auch sonst nur selten, und jetzt ist er wirklich draußen. Es war ohnehin egal, weil sich, auch während er gesprochen hat, niemand um ihn gekümmert hat. Es kann daher so bleiben, er soll hier die Veranstaltung und die Reden von draußen beobachten. Das wird niemandem schaden.

Im Spital wird jetzt, weil wir auch im Spitalswesen die Arzneimittelkosten zu senken trachten, eine Arzneimittelkommission eingesetzt. Darüber wird Frau Kollegin Hartinger noch genauer berichten. Es ist sehr wichtig, dass auch im Spital danach getrachtet wird, dass bei gleich guter Versorgung mit Medikamenten zu billigeren, ökonomischeren Alternativen gegriffen wird, dass das von einer Kommission beurteilt wird und somit indirekt auch im extramuralen Bereich Arzneimittelkosten gespart werden können, weil im Arztbrief Empfehlungen stehen, die für die niedergelassenen Ärzte zur Weiterbehandlung Ziele vorgeben, sodass auch dort billiger verordnet werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Ärztegesetz gibt es eine Übergangsregelung, die jetzt ausläuft. Zahnärztestudium hatten wir früher kein eigenes, von jetzt an wird auch das der Fall sein. Dabei handelt es sich um eine Anpassung an EU-Recht. Das ist eine gute Sache und unbedingt notwendig.

Das Hebammengesetz hat als typischer Fall gezeigt, wie eine ganze Berufsgruppe – in diesem Fall meine Berufsgruppe – durch Fehlinformation der Opposition aufgewiegelt wurde. Gynäkologen, Spitäler und ganze Ärztekammern von Bundesländern haben uns Protestbriefe noch und nöcher geschrieben, in denen es hieß: Man kann doch nicht zulassen, dass Hebammen die Rezepturbefugnis bekommen!


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 105

Meine Damen und Herren! Hebammen verwenden Medikamente, die sie kraft ihrer Ausbildung verwenden dürfen. Sie haben dies bisher von einem Arzt rezeptieren lassen müssen und mussten dafür zu einem Arzt pilgern. Der Arzt kannte meistens nicht einmal die Hebamme und schon gar nicht die werdende Mutter oder das Kind, das auf die Welt kommen sollte, und sollte Medikamente verordnen, die er teilweise gar nicht kannte, weil sie die Hebamme von sich aus verwendet hat. – Da hatten Sie schon wieder Sorge wegen der Rezepturbefugnis für Hebammen!

Wir haben das elegant gelöst. Die Hebammen dürfen sich jetzt – und das ist ein Anliegen der Hebammen, das wir erfüllen konnten – die für ihre Berufsausübung notwendigen Medikamente in den Apotheken besorgen. Das ist gut so, und da hat niemand einen Geschäftsneid zu haben! Das steht den Hebammen zu, und das ist, glaube ich, für die Hebammen eine gute Sache. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Polioimpfung ist jetzt in einer so genannten Sechsfachimpfung integriert. Wir haben auch dafür gesorgt, dass Sechsfachimpfungen – Diphtherie-, Tetanus-, Keuchhusten-, Hepatitis-B-, Haemophilus- und Polioimpfung – flächendeckend in ganz Österreich kostenlos durchgeführt werden. Darin ist auch die Kinderlähmungsimpfung enthalten.

Es wäre nur wichtig, dass wir die Durchimpfungsrate in Österreich, insbesondere was einzelne Kinderkrankheiten anbelangt, noch weiter anheben. Ich erinnere hier an die Masernimpfung. Da gibt es Strömungen insbesondere von Seiten der Grünen, die immer wieder Impfskepsis verbreiten und die Bevölkerung verunsichern. Ich bitte Sie: Nehmen Sie davon Abstand! Kollege Grünewald wird Sie in Ihrer Fraktion unterstützen. (Abg. Dr. Grünewald: Ich bin geimpft! – Abg. Mag. Stoisits: Wir sind alle geimpft, Herr Dr. Pumberger! Vor allem gegen Sie!)

Sorgen Sie dafür, dass auch von dieser Seite her der Impfwille gefestigt und gestärkt wird und dass wir damit einen Beitrag zu einer besseren gesundheitlichen Versorgung unserer Kinder leisten können. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

14.45

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Lieber Kollege Pumberger, Sie bringen in diese Sitzung eigentlich mehr Dramatik, als die Tagesordnung hergibt. Vielleicht nur einen Satz dazu: Wenn Sie meinen, Sie hätten heute irgendwo herausgehört, dass ich kein Freund der Behinderten bin, muss ich sagen, dass Ihre Zunge spitzer ist als der Ort, aus dem Ihre Gedanken stammen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Schwemlein. ) Das war wirklich nicht der Fall. Da bin ich etwas empfindlich, weil man mit Wahrheit vorsichtig umgehen soll. – Aber gut.

Worum dreht es sich heute? – Es sind Veränderungen, die Pumberger angesprochen hat. Erstens – damit auch die Zuhörer wissen, worüber man da spricht – hat eine Ausbildungsänderung bei Zahnärztinnen und Zahnärzten stattgefunden, weil es das Gemeinschaftsrecht der EU so verlangt. Nicht geregelt wurden vorläufig standespolitische, berufspolitische Belange. Aber okay, dagegen ist nichts einzuwenden.

Es ist sicherlich viel Arbeit notwendig gewesen, das gebe ich auch zu. Dafür muss man den Beamtinnen und Beamten Dank sagen. Aber es ist nicht spektakulär. Dem kann man natürlich auch zustimmen.

Dass im Hebammengesetz beschlossen wird, dass sich Hebammen notwendige Medikamente, von denen man genau überprüft hat, ob sie auch in die Hand von Nichtärztinnen und -ärzten gelangen können, und die sie im täglichen Berufsleben immer wieder brauchen, auch selbst verschreiben dürfen und nicht extra zu einem Arzt gehen müssen, der ihnen ein Rezept ausstellt, ist auch nichts Ungewöhnliches. Es ist vernünftig. Nur eine einzige Einschränkung ist


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 106

zu machen: Die Hebammen haben das nicht der Freundschaft des Kollegen Pumberger zu verdanken, sondern auch der Vernunft von vielen anderen. Dass die Ärztekammer hier zuerst einmal aufgeschrien hat, gehört zu den Phänomenen, denen man immer wieder begegnet. Aber Sie dürfen mich auch nicht mit einem Funktionär der Ärztekammer verwechseln.

Auch die dritte Regelung, die heute zur Abstimmung ansteht, ist nicht spektakulär. Es wurde ein Gesetz aus den Bundesgesetzblättern genommen, das die Regelungen über die Schluckimpfung bei Kinderlähmung zum Inhalt hatte. Da es hier medizinische Fortschritte gegeben hat und eine bessere Impfung möglich geworden ist, ist es nur logisch, dass man dieses Gesetz streicht. Das ist also auch nicht spektakulär und natürlich auch kein Gegenstand der Kritik.

Jetzt kommen wir aber zu anderen gesetzlichen Initiativen. Das sind die Änderungen des Bundeskrankenanstaltengesetzes, sozusagen die letzte kleine und leider immer noch etwas schwache Domäne der Gesundheitspolitik des Bundes, weil sehr viel auf Länderebene abgegeben wurde, sodass hier der Handlungsspielraum – das muss ich zugestehen, und zwar so wie manch andere auch zähneknirschend –, die Gestaltungsmöglichkeit der Politik im Parlament und auch im Ministerium nicht gigantisch ist. Das sei gelegentlich zur Entschuldigung angeführt.

Bei diesen Änderungen des Bundeskrankenanstaltengesetzes steht etwas zur Debatte, was von der Regierung relativ hopp-tropp und relativ salopp eingeführt wurde, und zwar – das ist sehr spannend für alle Zuhörer – eine Regelung, wie sich Patienten selbst durch finanzielle Beiträge für den Fall absichern, dass ihnen durch Ärztinnen, Ärzte, Krankenhäuser, Krankenanstaltenträger, durch Angehörige der Gesundheitsberufe im stationären Bereich der Behandlung Schäden entstehen – so genannte Kunstfehler, salopp gesagt.

Jetzt wundern sich viele – und nicht nur ich – darüber, dass man zu solch einer Regelung kommt. Stellen Sie sich vor, Sie lösen auf einem Bahnhof eine Fahrkarte, und man sagt dort: Gut, das kostet 50 €, aber es macht leider 52 € aus, weil heute vielleicht der Lokführer nicht gut drauf sein könnte, oder vielleicht ist einmal eine Weiche falsch gestellt, und für den Fall, dass Ihnen da etwas passieren sollte, zahlen Sie lieber gleich bei uns ein; wir werden das dann schon irgendwie ausgleichen – zwar ohne Rechtsanspruch, aber wir werden dann schon schauen, vielleicht lässt sich da etwas machen.

Da würde jeder sagen: Irgendwo würde ich mir schon erwarten, dass man versucht, diese Fehler zu minimieren, und dass, wenn es dazu kommen sollte, diejenigen für Fehler haften und aufkommen, die sie verursacht haben, nicht jedoch der Patient. – Weit gefehlt, Sie irren sich: Man hat das anders gelöst!

Daher kann ich jedenfalls diesem Teil des KAG nicht zustimmen, weil ich eine andere Konzeption von Patientenentschädigung und Medizinhaftung verfolge, bei der die Patientinnen und Patienten endlich am längeren und nicht am kürzeren Ast sitzen. (Abg. Wochesländer: Erklären Sie uns das mit dem längeren Ast!) Das habe ich Ihnen schon oft erklärt. Wir haben von einer verschuldensunabhängigen Medizinhaftung gesprochen, das wurde immer wieder debattiert, und auch Staatssekretär Waneck hat das begrüßt. (Abg. Dr. Pumberger: Sie vergessen auch schon manches!)  – Nein, ich vergesse nicht manches, ich habe mir ja nicht Sie zum Vorbild genommen. Aber halten Sie mich bitte jetzt nicht auf! (Abg. Wochesländer: Das zu erklären wäre zu schwierig, was?) Man kann also nur dagegen sein, weil es einer anderen Regelung bedarf. (Abg. Wochesländer: Das hab ich gern: Etwas andeuten – und dann nichts dazu sagen!)

Änderungen in den Ethikkommissionen, wodurch Betroffene aus dem Kreis der Behinderten zu ständigen Mitgliedern werden, sind günstig. Was haben Ethikkommissionen zu tun? Sie haben in Krankenanstalten dafür Sorge zu tragen, dass medizinische Versuche mit neuen Medikamenten am Menschen bestimmten ethischen Normen entsprechen und Sicherheitsbedürfnisse der Patienten gewährleistet sind. Das ist in Ordnung. (Beifall bei den Grünen. )


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 107

Trotzdem würde ich um etwas bitten: Ethikkommissionen, wie sie im Gesetz verankert sind, erfüllen nur so genannte Minimalanforderungen bezüglich der Zusammensetzung aus Fachfrauen und -männern, die in diesen Ethikkommissionen drinnen sein müssen. Da wäre noch etwas zu tun. Man sollte einmal bundesweite Mindeststandards, Verfahrensweisen oder -regeln andenken, damit Firmen und Forscher nicht sozusagen auf die bequemste, einfachste und großzügigste Ethikkommission in Österreich ausweichen können, was derzeit theoretisch denkbar ist.

Zum Abschluss – das Lämpchen leuchtet schon in einer der Farben der Opposition – (Abg. Wenitsch: Das "ewige Licht"!): Ich würde gerne sehen, dass man im Ausschuss für Gesundheit nicht zehn Themen ohne große Diskussion runterhudeln muss, wobei dann auch solche Fehler passieren, sondern dass man sich einfach Zeit nimmt, das breiter zu diskutieren. Das wäre gut, denn dann würden viele weniger vergessen, hätten viele mehr Gelegenheit, darüber nachzudenken, worüber sie abstimmen, damit nicht solche Gesetzesfehler passieren, wie man sie heute für die Regierung korrigieren muss, Herr Pumberger! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

14.53

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Abgeordneter Lackner, was Sie heute abgeliefert haben, war ja wirklich ein Kunststück. Wie kann man gegen das sein, was wir heute vorschlagen? Wie kann man gegen das neue Impfschadengesetz sein? Wie kann man gegen das Hebammengesetz sein? Wie kann man gegen die Regelungen im Krankenanstaltengesetz sein? Sie haben wirklich das Kunststück geschafft, am Thema völlig vorbeizureden. Sie haben sich das Nichtgenügend wirklich mühsam erredet, kann ich Ihnen nur sagen. (Abg. Dr. Pumberger: Das stimmt!)

Herr Abgeordneter Pumberger hat es schon gesagt: Nicht einmal Ihre eigene Fraktion hat Ihnen mehr zugehört. Wie Sie als Gesundheitssprecher der SPÖ es schaffen, zu begründen, dass es unsinnig sei, wenn wir auch von Privatpatienten 10 S für die Patientenentschädigung einheben, das müssen Sie mir einmal erklären. Erklären Sie mir einmal, wie Patienten dazukommen, dass sie nichts kriegen, während die anderen sehr wohl etwas bekommen aber nichts dafür zahlen. Erklären Sie mir das einmal! (Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic. )

Ich habe einen ganz anderen Verdacht: Sie haben die heutige Rede nur dazu benützt, um überhaupt einen Punkt dagegen zu finden. In Ihrer ganzen Rede war außer Jammern kein einziger positiver Vorschlag enthalten. Und am Schluss war der Höhepunkt Ihrer Rede, dass Sie aus den "Salzburger Nachrichten" über einen Wunderdoktor vorgelesen haben. Ich kann Ihnen sagen: Sie sind sicherlich nicht der Wunderdoktor, der das österreichische Gesundheitswesen reformieren wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich verstehe überhaupt nicht, dass man positive Dinge nicht positiv darstellen kann. Welcher Stein fällt Ihnen denn aus der Krone, wenn Sie sagen, es ist positiv, dass die Hebammen in Zukunft Hausgeburten besser betreuen können, weil sie einen leichteren Zugang zu Medikamenten haben? Ich verstehe überhaupt nicht, wie man dagegen sein kann, dass man die Polioimpfung noch sicherer macht. Früher kam auf 900 000 Impffälle ein Impfschaden, durch den eine Lähmung aufgetreten ist. Künftig wird weniger geimpft, weil es ein Sechsfachimpfstoff ist, die Kinder müssen weniger oft gestochen werden, und wir schützen mehr Leute, mehr Kinder, mehr Erwachsene. Wie man da als Gesundheitssprecher dagegen sein kann, das müssen Sie mir einmal erklären. Sie haben eine erhöhte Verantwortung zu tragen.

Alle, die hier zuhören, haben das Recht, zu wissen, was im Gesundheitswesen überhaupt vor sich geht. Nur alles krankzureden, ist sicher zu wenig.

Was soll schlecht daran sein, wenn die Ärzte im Spital bei den Medikamenten auch ein bisschen auf die Ökonomie schauen? Wir Ärzte im niedergelassenen Bereich – und ich bin ein


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 108

Arzt, der im niedergelassenen Bereich arbeitet – müssen uns sehr wohl überlegen, ob wir nicht da oder dort ein Generikum verwenden könnten. Bei gleicher Qualität, versteht sich, das ist ja das Entscheidende!

Und dass nunmehr ein Behindertenvertreter in der Ethikkommission ist, das ist doch positiv, da kann man doch nicht dagegen sein.

Wie gesagt: Wenn man Haarspalterei betreiben will, wird man immer etwas finden. Lieber die Patienten jahrelang ohne Geld prozessieren lassen, als 10 S einzuheben!

Wir von der ÖVP sind der Meinung: Auch kleine Schritte sind Schritte, die erwähnenswert sind, und wer schnell hilft, der hilft doppelt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

14.57

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte die noch verbleibende kurze Zeit dazu nützen, in der Debatte über die vier Gesetzesmaterien kurz den Standpunkt meines Ministeriums mitzuteilen.

Herr Kollege Lackner, da Sie selbst in der Verwaltung eines öffentlichen Krankenhauses im Bundesland Vorarlberg tätig sind, kann es selbstverständlich nicht verwundern, dass Sie mit entsprechend großem Interesse die Aussendungen meines Hauses zur Gesundheitspolitik lesen. Es hätte mich überrascht, wenn Sie die Meinung des Herrn Staatssekretärs auf Punkt und Beistrich unterstützt hätten. Das wäre mit Ihrer Rolle als Oppositionssprecher im Bereich Gesundheitspolitik nicht kompatibel gewesen.

Dennoch meine ich, dass der Herr Staatssekretär mit seinen Feststellungen in beiden Artikeln Recht hat, beispielsweise damit, dass mit der verschuldensunabhängigen Patientenentschädigung endlich eine Gesetzeslücke im Interesse der Patienten geschlossen werden konnte, wobei die derzeitige Lösung – und da gebe ich Herrn Professor Grünewald durchaus Recht – noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. All das muss sich erst in der Praxis bewähren, und man kann selbstverständlich auf Wegen, die einmal begonnenen worden sind, weitere Überlegungen und Maßnahmen folgen lassen.

Dazu, dass Herr Professor Grünewald gemeint hat, dass es keine spektakulären Schritte seien, möchte ich Ihnen aber schon auch noch etwas sagen: Die nicht-spektakulären Schritte dieser Bundesregierung haben immerhin etwa gemäß Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis aus 1995 dazu geführt, dass Gruppenpraxen nunmehr auch einen behindertengerechten Zugang haben müssen, dass endlich Qualitätskriterien der medizinischen Behandlung, wie in allen anderen Bereichen des Lebens auch, im Gesetz enthalten sind und man damit in die Umsetzungsphase eintritt. Das sind zumindest Schritte im Interesse der Patienten und der Qualitätssicherung, die die vorangegangene Bundesregierung in diesem Bereich nicht zustande gebracht hat.

Was die kleine Änderung im Hebammengesetz betrifft, gemäß der die Hebammen, die seit 1995 Oxytocin und andere Medikamente zur Geburtseinleitung im eigenen Bereich verwenden durften, nunmehr auch die Rezeptur selbst machen dürfen, so mag man das als kleinen Schritt ansehen, aber wenn man sich die Reaktionen der Interessenvertretungen, die beteiligt sind, angehört hat, weiß man, welch großer Schritt das war. Wenn ich mir die Diskussion hiezu in Erinnerung rufe – und Sie, Herr Kollege Lackner, als Gesundheitssprecher Ihrer Fraktion werden ähnliche Schreiben erhalten haben –, dann muss ich sagen, dass da der Eindruck erweckt wurde, es würde mit dieser Regelung geradezu der Rubikon überschritten, nämlich dahin gehend, dass man die ärztliche Kunst in Österreich nunmehr nachrangig behandeln würde. Ich bin nicht dieser Meinung und befinde mich damit in Übereinstimmung mit dem Vorsitzenden des Obersten Sanitätsrates, der in einem privaten Gespräch gemeint hat, dass das, was man seit 1995 darf und was nur mit der "Krücke" von Medikamentenverschreibungen im Nachhinein für


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 109

Patienten, die der Arzt nie gesehen hat, möglich war, nunmehr im Interesse der Praxis vernünftig geregelt ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, dass die Regelungen für alle Gesetzesmaterien, bis hin zu den Regelungen für Privatkrankenanstalten, richtig sind. Herr Kollege Lackner, Sie wissen so gut wie ich, dass die privaten Krankenanstalten etwa zehn Prozent der Gesundheitsbasisversorgung in Österreich erbringen, und daher halte ich es auch für gerechtfertigt, dass diesem Bereich unter diesem Titel eine Milliarde Schilling zugemittelt worden ist, die dann endlich auch nach dem LKF-System, also nach einem objektiven System abgerechnet wird. Sie wissen so gut wie ich und auch alle anderen, die in den Strukturfonds der Länder sitzen, dass wir in der Krankenanstaltenlandschaft endlich einen Harmonisierungsschritt gesetzt haben, und zwar hin zu dem, was noch Ihre Fraktion federführend in diesem Hause eingeführt hat, nämlich eine LKF-Abrechnung für nahezu alle Krankenanstalten Österreichs. Drei fehlen uns noch, die Universitätskliniken, aber das wird vielleicht auch noch einmal möglich sein. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.01

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Ich darf nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 3 bis 6 der heutigen Tagesordnung unterbrechen, damit die verlangte Behandlung der Dringlichen Anfrage stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend völliges Versagen der Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik (3933/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 3933/J. Da diese inzwischen vervielfältigt und verteilt wurde, erübrigt sich eine Verlesung durch einen Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

40 000 Arbeitslose mehr als vor einem Jahr und das Monat für Monat sollten für diese blau-schwarze Regierung endlich ein Grund sein zu handeln. Ein großer Teil dieses Arbeitslosenanstiegs ist hausgemacht. Das überfallsartige Hinaufsetzen des Pensionsalters treibt so genannte Ältere in die Arbeitslosigkeit und versperrt den Zugang für die Jungen auf den Arbeitsmarkt, der Aufnahmestopp des Bundes führte zu zusätzlichen Arbeitslosen, die Belastungspakete der Regierung haben die Kaufkraft geschwächt und dadurch zu weniger Nachfrage in vielen Wirtschaftsbereichen geführt.

Ende April 2002 lag die Zahl der unselbstständig Beschäftigten (ohne geringfügige Beschäftigungsverhältnisse) mit 3 128 691 (Männer: 1 727 796; Frauen: 1 400 895) um -1 410 (-0,05 Prozent) unter dem Vorjahreswert. Gleichzeitig waren in Österreich Ende April 231 167 Personen als arbeitslos vorgemerkt, das ist gegenüber Ende April des Vorjahres ein Anstieg um 20,8 Prozent oder +39 776 Personen.

Diese Bundesregierung schweigt diese katastrophalen Zustände tot, anstatt etwas zu unternehmen. Die Haider-Schüssel-Koalition hat die weltweite Rezession, die auch Österreich in hohem Ausmaß betroffen hat, monatelang geleugnet und keinerlei Konzepte vorgelegt, geschweige denn Gegenmaßnahmen eingeleitet. Im Gegenteil: Blau-schwarz hat die Arbeitslosenversicherung ausgeräumt und verwendet die Überschüsse zum Stopfen ihrer Budgetlöcher.

Die Arbeitslosenzahlen explodieren und was tut diese Regierung, sie will arbeitslose Menschen noch stärker bestrafen. Diese Bundesregierung nimmt dem AMS in dieser bedenklichen Situation Mittel weg. Es werden in den Jahren 2000 bis 2002 nahezu € 2,69 Mia. (37 Mia. Schilling) aus der Arbeitslosenversicherung abgeschöpft. Diese Eingriffe tragen die Hauptschuld an der sich abzeichnenden dramatischen Budgetentwicklung im AMS.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 110

Für 2001 ist der Abgang rund € 290,7 Mio. (4 Mia. Schilling) für das Jahr 2002 wird ein Abgang von mehr als € 290,7 Mio. (4 Mia. Schilling) erwartet. Obwohl die Arbeitsmarktrücklage für das Jahr 2001 mit € 109 Mio. (1,5 Mia. Schilling) sofort verfügbaren Barmitteln dotiert ist und die Arbeitslosenzahlen explodieren, will diese Bundesregierung damit das Nulldefizit besichern und die Mittel für Arbeitsmarktprojekte nicht erhöhen.

Damit werden sämtliche Spielräume für arbeitsmarktpolitisches Agieren aufgegeben. Die Folge: Steigende Arbeitslosigkeit wird einfach in Kauf genommen, Arbeitslose werden für ihr Schicksal selbst verantwortlich gemacht und wieder als arbeitsunwillige Ausnützer des Sozialsystems diffamiert und bestraft. Sie wollen das AMS völlig privatisieren, die Arbeitslosenversicherung und den Arbeitsmarkt finanziell auszuhungern, um dann den Arbeitslosenversicherungsbeitrag für Unternehmer einseitig zu senken.

Es geht nicht an, dass diese Bundesregierung nichts für Wachstum und Beschäftigung tut, aber sehr viel Geld für Abfangjäger und für Werbekampagnen verschwendet. 230 000 Arbeitslose zahlen die Zeche für dieses Unvermögen!

Trotz der 230 000 Arbeitslosen klagen Österreichs Betriebe über Probleme, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Auch der Fachkräftemangel in Österreichs Wirtschaft macht das Versagen dieser Haider-Schüssel-Koalition in der Arbeitsmarktpolitik deutlich. Die zentrale Herausforderung ist daher grundsätzlich die Höherqualifizierung der Arbeitskräfte. Nur so ist die Diskrepanz zwischen bestehenden offenen Stellen und den arbeitslosen Menschen in unserem Land zu verringern. In der Ausbildung liegt die Zukunft auch für ältere Arbeitnehmer.

Die Regierung hat bereits im Vorjahr 32 000 Bewilligungen für Saisonniers erteilt, die Folge war eine steigende Arbeitslosigkeit im Tourismus. Jetzt will die Regierung das Saisonniermodell auf alle Branchen ausweiten. Das wird zu einem massiven Verdrängungswettbewerb am Arbeitsmarkt führen und gefährdet tausende Arbeitsplätze. In der Schweiz sind die negativen sozialen Auswirkungen des Saisonniermodells deutlich zu sehen. Deshalb rückt die Schweiz bereits von diesem Modell ab. In Österreich will die Regierung aber noch mehr Billigarbeitskräfte ins Land holen, weil die Wirtschaft das verlangt.

Die Frauenarbeitslosigkeit ist im Vergleich zum Vorjahr um über 17 Prozent angestiegen. Auch hier sieht die Bundesregierung untätig zu und nimmt vielen Frauen die Zukunftsperspektive. Erst vor wenigen Tagen hat Bundeskanzler großmundig angekündigt, die Frauenerwerbsquote bis 2005 auf 65 Prozent zu erhöhen und bezeichnete die Frauen als die "Hoffnungschancen am österreichischen Arbeitsmarkt".

Diese Aussagen sind ein Hohn für all jene Frauen, die Beruf und Familie, Kind und Karriere, Karenz und Qualifikation vereinbaren wollen. Denn die Regierung hat bisher die Weichen in eine völlig falsche Richtung gestellt. Anstatt jungen Frauen den Einstieg, Umstieg und Wiedereinstieg am Arbeitsmarkt zu erleichtern, wurden sämtliche Aktivitäten für die Schaffung zusätzlicher Kinderbetreuungseinrichtungen eingestellt.

Besonders dramatisch ist der Zuwachs der Jugendarbeitslosigkeit. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Österreich neuerlich stärker gestiegen als die Gesamtarbeitslosigkeit. Immer mehr junge Menschen finden in Österreich keinen Einstieg ins Berufsleben. Es ist eine Katastrophe, wenn junge Menschen nicht wissen, wie sie sich eine Existenzgrundlage schaffen sollen. Für das Schicksal dieser jungen Menschen trägt die Haider-Schüssel-Koalition die Verantwortung.

41 000 junge Menschen im Alter zwischen 15 und 25 sind arbeitslos und bezahlen für das Nichtstun dieser Bundesregierung. In der Altersgruppe der 19- bis 24-Jährigen ist die Arbeitslosigkeit sogar um 28 Prozent gestiegen.

Auch die Situation am Lehrstellenmarkt in Österreich ist besonders angespannt. Derzeit suchen 3 400 junge Menschen eine Lehrstelle – ein Drittel mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig ist die Zahl der gemeldeten offenen Lehrstellen um 6 Prozent zurückgegangen. Wirtschaftsminister Bartenstein hat Anfang Februar versprochen, dass jeder Jugendliche zumindest eine Lehrstelle be


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 111

kommt. Seither ist nichts passiert! Diese blau-schwarze Bundesregierung raubt den jungen Menschen in Österreich ihre Zukunft. Hier ist dringender Handlungsbedarf gefordert.

Auch die Arbeitslosigkeit der über 50-Jährigen steigt weiter an – 17 Prozent mehr ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind im Vergleich zum Vorjahr arbeitslos. Besonders dramatisch ist der Anstieg bei den über 60-Jährigen um 60 Prozent. Dieser Anstieg ist hauptsächlich durch die überfallsartige Anhebung des Pensionsalters verursacht.

Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben häufig bereits vor Erreichen des Pensionsalters keine Chance mehr am Arbeitsmarkt. Diese Bundesregierung verschärft diese angespannte Situation noch. Überfallsartig wurde das Pensionsantrittalter angehoben. Die Folge: Der Trend zur Arbeitslosigkeit im Alter nimmt dramatisch zu.

Statt permanent Horrorszenarien bezüglich unseres Generationenvertrags an die Wand zu malen, soll Bundeskanzler Schüssel endlich Beschäftigungsprogramme für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer starten und jenen Unternehmen Anreize bieten, die ältere Menschen eine Beschäftigung bieten bzw. in Beschäftigung halten.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern den Bundeskanzler dringend zum Handeln auf. Aktives Eingreifen der Politik ist das Gebot der Stunde. Wir wollen eine moderne Wirtschaftspolitik und eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Uns liegen die Menschen in diesem Land am Herzen. Wir kümmern uns um sichere und zukunftsorientierte Arbeitsplätze. Wir forcieren eine Wirtschaftspolitik, die für hoch qualifizierte Arbeitsplätze sorgt und allen Menschen eine Chance zur Qualifikation bietet.

Aus diesem Grund fordern wir 10 Schritte für mehr Beschäftigung und mehr Arbeitsplätze:

1. Modernisierung der österreichischen Arbeitsmarktpolitik

Sicherung der Finanzierungsgrundlagen für ambitionierte Arbeitsmarktpolitik insbesondere für Existenzsicherung und Qualifizierung angesichts der aktuellen Herausforderungen durch den Konjunkturabschwung, den mittelfristigen Anforderungen aus der EU-Erweiterung, der demographischen Alterung der Erwerbsbevölkerung und der weiter zunehmenden Flexibilisierung und Dynamisierung der Arbeitsmärkte

Aktive Arbeitsmarktpolitik zur Prävention von Arbeitslosigkeit: Auf- und Ausbau arbeitsmarktpolitischer Instrumente zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit; nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktchancen für Arbeit Suchende durch entsprechende Qualifikationsmaßnahmen (Stabilisierung häufig durchbrochener Erwerbsverläufe)

Aktive Arbeitsmarktpolitik als Element (regionaler) Wirtschaftsentwicklung: gezielte Unterstützung der (regionalen) Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklung durch einen Beitrag zur Beseitigung von Qualifikationsengpässen

Aktive Arbeitsmarktpolitik zur Sicherung des Zuganges zum Arbeitsmarkt für alle Personengruppen (Langzeitarbeitslose, sozial ausgegrenzte Menschen, MigrantInnen, Ältere, Frauen, Jugendliche, behinderte Menschen)

Erhöhte KundInnenorientierung bei der Umsetzung von Arbeitsmarktpolitik (Verbesserung der Betreuungs- und Beratungsmöglichkeiten für Arbeit Suchende und Betriebe; konsequente Ausrichtung aller Maßnahmen und Geschäftsprozesse an den Bedürfnissen der AdressatInnen der Arbeitsmarktpolitik)

Existenzsicherung bei Arbeitslosigkeit und Armutsvermeidung (Erhöhung der Leistungsniveaus; Beseitigung der sozialen Unausgewogenheit des Notstandshilferechts v.a. der Benachteiligung der Frauen; Zugang zur Arbeitslosenversicherung für atypisch Beschäftigte)

Existenzsicherung bei Arbeitslosigkeit und Förderung der Beschäftigungsfähigkeit: Ausgestaltung des Leistungsrechtes der Arbeitslosenversicherung zu einem Instrument zur Förderung


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 112

der Beschäftigungsfähigkeit (nachhaltige Erhöhung des Qualifikationsniveaus Arbeit suchender ArbeitnehmerInnen)

2. Verbesserung der Jugendbeschäftigung – Ausbildungsgarantie für Jugendliche

Während die Arbeitslosigkeit der 15- bis 18-jährigen Jugendlichen im April dieses Jahres mit 4 244 um 616 oder 17,0 Prozent anstieg, entfiel der überwiegende Teil der Zunahme auf die 19- bis 24-Jährigen und zwar +7 136 bzw. +28,8 Prozent auf 31 941 Ende April.

Wir brauchen daher dringend eine Offensive zur Verbesserung der Jugendbeschäftigung. Wir fordern einen Jugendbeschäftigungsgipfel, der einen rasch umzusetzenden Maßnahmenkatalog ausarbeiten soll.

Weiters fordern wir

die uneingeschränkte Fortführung der Maßnahmen des "Auffangnetzes für Jugendliche" nach dem Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz

ein Ende der Sparpolitik im Bildungsbereich: es ist untragbar, dass berufsbildende Höhere Schulen junge Menschen abweisen müssen, weil sie nicht genug Geld zur Verfügung haben.

die Einführung des Pflichtfachs "Berufsorientierung" in den Mittelstufen.

Zusätzlich fordert die SPÖ eine verbesserte Ausbildung für Lehrlinge und FacharbeiterInnen. Ein Lehrlingsfonds soll die beste Ausbildung für junge Menschen in den Betrieben sichern. Betriebe, die zwar keine Lehrlinge ausbilden, aber von gut ausgebildeten Fachkräften profitieren, sollen einen angemessenen Beitrag in den Fonds einzahlen. Dieses Geld soll dann jenen Betrieben zugute kommen, die Lehrlinge ausbilden. Damit wäre für mehr Wettbewerbsgerechtigkeit in der Wirtschaft gesorgt.

Das duale Ausbildungssystem garantiert den hohen Standard von Österreichs Lehrlingen und sichert damit langfristig unsere Position im Standortwettbewerb. Die SPÖ will daher die duale Ausbildung ausbauen.

3. Frauen die Teilnahme am Arbeitsmarkt ermöglichen

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden jungen Frauen die volle Teilnahme am Arbeitsmarkt ermöglichen. Keine junge Frau in Österreich soll sich um das Wohl ihrer Kinder sorgen müssen, wenn sie arbeiten gehen will.

Der Wiedereinstieg ins Berufsleben ist für Frauen nach der Karenz mit vielen Hürden verbunden. Gerade in Zeiten einer angespannten Arbeitsmarktsituation braucht es mehr Unterstützung für Frauen. Die SPÖ fordert daher verstärkt Wiedereinstiegshilfen auch bereits während der Karenz und flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen.

Im April 2002 waren 104 065 Frauen arbeitslos, davon waren 16 375 unter 25 Jahre alt. Obwohl der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen bekannt und die aktuellen Arbeitslosenzahlen alarmierend sind, tut die blau-schwarze Regierung nichts. Im Gegenteil: Durch das Abziehen von AMS-Geldern ins reguläre Budget vergrößert Kanzler Schüssel das Problem sogar noch.

Frauen, die ihre Berufstätigkeit für die Kinderbetreuung unterbrechen und anschließend in den Beruf zurückkehren wollen, haben ein Recht auf Unterstützung beim Wiedereinstieg. Schulungsmaßnahmen und individuelle Beratung sind wichtige Starthilfen. Sie müssen auf die Bedürfnisse der Frauen abgestimmt sein und ein Sprungbrett ins Berufsleben bieten. Ebenso entscheidend sind flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen, auch für Kinder unter drei Jahren.

Damit der Wiedereinstieg klappt, brauchen Frauen eine zweite Chance. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten machen den Frauen in Österreich ein Angebot:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 113

Je länger die Berufsunterbrechung zur Kinderbetreuung dauert, desto schwieriger wird die Rückkehr ins Berufsleben. Die SPÖ setzt sich daher für umfassende Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen für Frauen ein, um den Wiedereinstieg zu erleichtern. Notwendig sind Schulungen zur Weiterqualifikation, aber auch Umschulungen in neue Berufsfelder.

Besonders wichtig dabei ist eine umfassende persönliche und individuelle Beratung, um sich nach längerer Berufsunterbrechung am Arbeitsmarkt neu orientieren zu können. Nur eine gute Mischung aus Weiterbildung und persönlicher Beratung kann eine hohe Erfolgsquote beim Wiedereinstieg garantieren.

Die SPÖ setzt sich weiters für Online-Kurse als wichtiges Zusatzangebot ein, die von zu Hause absolviert werden können. Lernen über das Internet ermöglicht den Frauen, sich bereits frühzeitig in der Karenz weiterzubilden und sich die Zeit dafür frei einzuteilen. Diese Online-Kurse könnten von Betrieben aber auch von Weiterbildungseinrichtungen angeboten werden.

Die SPÖ fordert, dass Frauen bereits während der Karenz die Möglichkeit haben, an innerbetrieblichen Schulungen teilzunehmen. Die Betriebe sind gefordert, sich um die Schulung ihrer Mitarbeiterinnen auch während der Karenz zu kümmern. Der Vorteil liegt für beide Seiten klar auf der Hand: Die Frauen bleiben mit den Firmenabläufen vertraut und verlieren nicht den Kontakt zu den KollegInnen. Die Unternehmen gewinnen nach dem Wiedereinstieg eine Mitarbeiterin zurück, die ihre Aufgaben ohne weitere Einschulung sofort wieder übernehmen kann.

Die SPÖ setzt sich für flächendeckende, qualitativ hochwertige Kinderbetreuungseinrichtungen in ganz Österreich ein. Besonderes Augenmerk ist auf den Ausbau der Betreuung von unter 3-Jährigen zu legen. Für 240 000 Kinder unter drei Jahren gibt es in Österreich derzeit nur 18 500 Betreuungsplätze.

Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen an die Arbeitszeiten der Eltern angepasst werden. In Zukunft soll sich keine junge Frau in Österreich mehr um das Wohl ihrer Kinder sorgen müssen, wenn sie arbeiten gehen will.

Das von der blau-schwarzen Bundesregierung eingeführte Kindergeld setzt Anreize für längere Berufsunterbrechungen. Ohne umfassenden Kündigungsschutz wird das Kindergeld allerdings zu einem Schleudersitz ohne Fallschirm. Daher setzt sich die SPÖ dafür ein, dass der Kündigungsschutz an die Bezugsdauer des Kindergeldes angepasst wird (30 Monate), um den Frauen das Rückkehrrecht auf den Arbeitsplatz zu garantieren.

Mitbestimmung bei der Arbeitszeit ist laut einer Erhebung der Bundesarbeiterkammer die wichtigste Forderung von Frauen mit Betreuungspflichten. Die Erfahrung zeigt: Dienstpläne, die in enger Zusammenarbeit mit den MitarbeiterInnen entstehen, führen zu höherer Motivation und Arbeitszufriedenheit.

Das Recht auf Teilzeit bis zum Schuleintritt des Kindes muss gesetzlich festgeschrieben werden. Gleichzeitig muss aber ein Rückkehrrecht auf einen Vollzeitarbeitsplatz vorgesehen sein. Die SPÖ spricht sich für ein partnerschaftliches Modell in der Erziehungsarbeit aus. Dieser Rechtsanspruch soll nicht nur geblockt, sondern nach Bedarf in Anspruch genommen werden können.

Frauen wollen Familie und Beruf unter einen Hut bringen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind so zu gestalten, dass dies möglich ist. Die SPÖ wird dafür sorgen, dass Kind und Karriere vereinbar sind. Das muss in unserer Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit sein.

4. Verbesserung der beruflichen Qualifikation

Spätestens ab dem 40. Lebensjahr muss in das berufliche Wissen und Können von ArbeitnehmerInnen investiert werden, damit diese ihre Beschäftigungsfähigkeit im Alter nicht aus Gründen veralteter Qualifikation verlieren. Die Verlängerung des Verbleibes im Erwerbsleben zählt zu den zentralen sozial- und arbeitsmarktpolitischen Anforderungen der EU, der Europäische Rat von Stockholm hat den Mitgliedstaaten das Ziel vorgegeben die Erwerbsquote der


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 114

älteren Menschen bis 2010 auf 50 Prozent der generellen Erwerbsquote zu erhöhen. Daher ist ein Programm notwendig, das sich an beschäftigte ArbeitnehmerInnen ab dem 40. Lebensjahr wendet und diese bei der Finanzierung von beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen (Umschulung, Höherqualifizierung) unterstützt (Kofinanzierungsmodell unter Berücksichtigung des Einkommens) und auf erkannte Qualifikationsdefizite auf dem Arbeitsmarkt ausgerichtet ist.

5. Rechtsanspruch auf berufliche Qualifikation für arbeitslose ArbeitnehmerInnen

Moderne, zukunftsgerichtete Arbeitsmarktpolitik begreift das Leistungsrecht der Arbeitslosenversicherung nicht als Sanktionsinstrument für Arbeitslose, sondern nutzt es für möglichst nachhaltige Reintegration in den Arbeitsmarkt.

Mehr als 80 Prozent der rund 750 000 beim AMS pro Jahr vorgemerkten Arbeit Suchenden sind binnen drei Monaten vermittelt. Die restlichen 20 Prozent brauchen intensivere Hilfe und Unterstützung, um wieder eine Beschäftigung zu finden, die ihren Lebensumständen entspricht. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Qualifikationsdefizite, die diese Menschen alleine nicht im Stande sind zu beheben.

Aus diesen Gründen ist es notwendig, dass Arbeit Suchende ohne so genannte "Wiedereinstellungszusage" (also der Vereinbarung des Wiederantrittes der Beschäftigung beim vorigen Arbeitgeber) ab dem dritten Monat ihrer Arbeitslosigkeit

einen Rechtsanspruch auf die Förderung einer Aus- und Weiterbildungsmaßnahme

auf Basis zwischen AMS und der betreffenden Person vereinbarten und für beide Seiten verbindlichen Beratungs- und Betreuungsplanes zur Stabilisierung der Beschäftigungslaufbahn eingeräumt erhalten.

6. Qualifizierungsoffensive für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Die Einführung eines Bildungsprämienmodells soll dazu führen, dass die enorme Lücke geschlossen wird, die es im Weiterbildungsbereich in Österreich gibt. Und zwar nicht durch ein zentralisiertes System der Weiterbildung, sondern durch verbesserte Chancen für jeden Einzelnen, zu dieser Weiterbildung zu kommen.

Es müssen natürlich auch die erforderlichen Bildungskarenzen zur Verfügung gestellt werden, damit die Menschen auch die Möglichkeit haben, diese Weiterbildungsformen zu konsumieren und zu absolvieren, wobei diese Bildungskarenzen bedeutend flexibler gehandhabt werden sollten, unter anderem weil viele dieser Ausbildungsformen auch während weiterer beruflicher Tätigkeit absolviert werden können.

7. Steuererleichterungen für Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen

Die SPÖ will die Steuerlast der Klein- und Mittelbetriebe um eine Milliarde Euro senken. UnternehmerInnen, die bereit sind zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen, sollen entlastet werden. Damit werden der österreichischen Wirtschaft echte Wachstumsimpulse gegeben.

Konkret soll ein "Investitionsfreibetrag NEU" von 30 Prozent den österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmern Neuinvestitionen in ihre Betriebe erleichtern und so die österreichische Wirtschaft stärken. 30 Prozent jener Neuinvestitionen, die den Durchschnitt der Investitionen der letzten drei Jahre übersteigen, sollen steuerlich frei bleiben. Das erleichtert auch die betriebswirtschaftliche Kalkulation.

Ein Stabilitätsfonds soll die Existenz der KMU absichern. Dieser Stabilitätsfonds, etwa im Rahmen der Finanzierungsgarantiegesellschaft, soll im Wege von Haftungen Bankkredite zu Bestkonditionen bereitstellen und damit den UnternehmerInnen wirksam, rasch und unbürokratisch unter die Arme greifen. Durch die Bestimmungen des Basel-II-Abkommens verteuern sich vor allem Kredite für kleine Familienbetriebe. Gerade sie sind aber der Lebensnerv unserer


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 115

Wirtschaft. Wir werden dafür sorgen, dass diese Unternehmen nicht zusperren müssen, nur weil sie für Großbanken nicht kreditwürdig genug sind.

Die SPÖ will die Chancen der EU-Erweiterung nutzen, aber auch eine gute Vorbereitung sicherstellen: Flexible Übergangsfristen im Dienstleistungsbereich, ähnlich wie bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit, sollen unseren UnternehmerInnen die Möglichkeit bieten, sich auf die Erweiterung optimal vorzubereiten. Die SPÖ ist davon überzeugt, dass ein vereintes Europa für die Österreicherinnen und Österreicher viele Vorteile bringt. Neue Märkte bieten neue Chancen und Investitionsanreize. Mit ihrem großen Know-how- und ihren hohen Qualitätsstandards werden besonders KMU von der EU-Erweiterung profitieren.

8. Steuerentlastung für kleine und mittlere Einkommen

Um die Situation am österreichischen Arbeitsmarkt zu entschärfen, die Konjunktur anzukurbeln und neue Arbeitsplätze zu schaffen, schlägt die SPÖ eine Steuerreform vor, die vor allem kleine und mittlere Einkommen stark entlastet. Damit wird die Kaufkraft der Österreicherinnen und Österreicher gestärkt.

Sozial gerecht ist das SPÖ-Steuerreformmodell, weil damit die kleinen und mittleren Einkommen um jeweils 1 Milliarde Euro entlastet würden. Nach unseren Vorstellungen sollen die Einkommensschwächsten im Ausmaß von 850 Euro jährlich (zirka 11 700 Schilling) profitieren, die etwas höheren Einkommen sollen jährlich um 430 Euro (5 917 Schilling) entlastet werden. Weiters ist mit diesem Modell nicht nur eine Reduktion der Steuerbelastung, sondern auch eine Anhebung der Negativsteuer geplant. So sollen BezieherInnen von Niedrigsteinkommen, die bereits heute keine Steuern zahlen, jährlich um bis zu 110 Euro mehr erhalten.

Wirtschaftlich sinnvoll ist dieses Modell, weil mit der Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen die Kaufkraft gestärkt wird und damit Wachstumsimpulse der heimischen Volkswirtschaft unterstützt werden.

Die Steuerreform, mit der ein zusätzlicher Wachstumsimpuls von bis zu 700 Millionen Euro durch die Entlastungen zu erwarten ist, ist durch den Verzicht auf den Ankauf von Abfangjägern, der Umsetzung der SPÖ-Vorschläge zur Bekämpfung des Schwarzunternehmertums, den Verzicht auf die Lohnnebenkostensenkung sowie Verzicht auf zusätzliche Förderungen in der Landwirtschaft und der Ausweitung des Verteidigungsbudgets und zu durch erwartende Einsparungen durch die Verwaltungsreform voll finanzierbar. In letzterer Angelegenheit hat die Vizekanzlerin 500 Millionen Euro angekündigt.

9. Investitionen in die Infrastruktur

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern seit Monaten Investitionen in die Infrastruktur, um Beschäftigung und Arbeitsplätze zu schaffen. Aber Blau-Schwarz stellt sich taub.

Derzeit sind Straßen- und Schienenprojekte im Umfang von € 3,3 Mrd. baureif. Diese Projekte müssen sofort umgesetzt werden!

Besonders vordringlich sind angesichts der bevorstehenden EU-Erweiterung Investitionen in die Westbahn und die West-Autobahn. Weiters ist der Ausbau und die Generalsanierung jener Bahnhöfe vorzunehmen, die bereits projektiert sind. Die Investitionen sind über eine verursachergerechte LKW-Maut zu finanzieren.

10. Bekämpfung von organisiertem Sozial- und Steuerbetrug

Durch organisierte illegale Beschäftigung tritt ein bedeutender volkswirtschaftlicher Schaden ein. Das Volumen der Wertschöpfung aus Schwarzarbeit wird mit Milliardenbeträgen veranschlagt. All dies ist begleitet von einer Verdrängung legaler, sozial- und arbeitsrechtlich abgesicherter Arbeitsverhältnisse in den Schwarzmarkt und begründet Lohndumping durch illegale Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Dies muß durch effiziente Maßnahmen bekämpft werden.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 116

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundeskanzler nachfolgende

Anfrage:

1. Wie wird sich die Gebarung der Arbeitsmarktpolitik 2002 und 2003 entwickeln?

2. Wird die Bundesregierung die Ankündigung der Absenkung des ALV-Beitrages um 0,5 Prozent vornehmen?

3. Werden Sie darauf hinwirken, dass der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft die Auflösung der Arbeitsmarktrücklage von € 109 Mio. für aktive Arbeitsmarktpolitik vornimmt?

4. Der Verwaltungskostenersatz des Bundes an das Arbeitsmarktservice ist mit rund € 210 Mio. gedeckelt. Davon können schon jetzt Personalkosten nicht bezahlt werden, daher werden bislang Rücklagen im AMS aufgelöst. Diese Möglichkeit besteht jedoch letztmalig im Jahr 2002. Wird die Bundesregierung dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage übermitteln, in der eine Aufstockung des Verwaltungskostenersatzes geplant ist?

a) wenn ja, wie hoch wird aufgestockt?

b) wenn nein, nehmen Sie den notwendigerweise folgenden Personalabbau im AMS einfach zu Kenntnis?

5. Werden Sie darauf hinwirken, das der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit heuer und im nächsten Jahr Maßnahmen für die von der aktuellen Arbeitsmarktentwicklung besonders betroffenen Gruppe der Arbeitnehmer mit lediglich Pflichtschulausbildung vornimmt?

6. Warum reagiert die Bundesregierung nicht auf den regionalen und sektoralen Arbeitskräftemangel bei gleichzeitig steigender Arbeitslosigkeit?

7. Warum setzt diese Bundesregierung keine Maßnahmen berufsbezogener Erwachsenenbildung um allfällige Qualifikationsdefizite auf dem Arbeitmarkt zu beseitigen?

8. Wie hat sich die Altersteilzeit entwickelt?

9. Welche finanziellen Folgen resultieren daraus für die Gebarung der Arbeitsmarktpolitik heuer und in den Folgejahren?

10. Wie wird die Bundesregierung ihre Finanzierung sichern?

11. Plant die Bundesregierung die Altersteilzeit fortzuführen?

a) wenn ja, unter welchen Bedingungen?

b) wenn nein, was plant die Bundesregierung an ihre Stelle zur Sicherung der Beschäftigung Älterer?

12. Welche Maßnahmen und welche Zeitvorgaben setzt sich die Bundesregierung um die ehrgeizigen Zielvorgaben der Europäischen Räte von Lissabon und Stockholm (Anhebung des Pensionsantrittsalters, Beschäftigungsquote der 50-65-jährigen auf 50% anheben) in Österreich zu realisieren?

13. Welche Zwischenziele werden dabei verfolgt?

14. Plant die Bundesregierung in diesem Zusammenhang einen Qualifikationsschwerpunkt für die heute 40 - 45-Jährigen?

a) wenn ja, welche finanziellen Mittel wird die Bundesregierung dafür bereitstellen?

b) wie viele Personen in dieser Altersgruppe sollen erreicht werden?


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 117

15. Warum hat die Bundesregierung bisher keinerlei Maßnahmen gesetzt, um den Berufseintritt des Schulentlassjahrganges 2002 zu sichern?

16. Werden Sie darauf hinwirken, dass eine Sonderfinanzierung für das AMS zur Umsetzung des JASG im Herbst 2002 über die für heuer dafür dem AMS zur Verfügung gestellten ungenügenden € 7,27 Mio. (ATS 100 Mio.) hinaus zur Verfügung gestellt werden?

17. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Sicherung einer Lehrausbildung für alle Lehrstellensuchenden im Jahr 2003?

18. Wie wird die Finanzierung dafür erfolgen?

19. Werden Sie sich in diesem Fall dafür einsetzten, dass das AMS eine Sonderfinanzierung für das Jahr 2003 erhält?

20. Welche eigenständigen Maßnahmen plant die Bundesregierung um die Investitionen der Länder im Hinblick auf die Bereitstellung flächendeckender Kinderbetreuungseinrichtungen mit bedarfsgerechten Öffnungszeiten anzukurbeln?

21. Werden Sie sich dafür einsetzten, dass ein Recht auf Teilzeitarbeit bis zum Schuleintritt des Kindes sowie ein Rückkehrrecht zu einem Vollzeitarbeitsplatz normiert wird?

22. Werden Sie darauf hinwirken, dass der Kündigungsschutz der Dauer des Bezuges von Kindergeld angepasst wird?

23. Warum setzt diese Bundesregierung keine entsprechenden Maßnahmen um Frauen bzw. Mädchen auch in technischen und besser bezahlten Berufen zu etablieren?

24. Ist die Steigerung der Steuer- und Abgabenquote auf (laut EU-Statistik) 47 Prozent des BIP und damit auf einen historischen Höchststand für Sie ein Beweis dafür, dass das "Null-Defizit" – wie von Ihnen mehrfach angekündigt – überwiegend durch ausgabenseitige Sparmaßnahmen erzielt wurde?

25. In welchem Ausmaß wird die Bundesregierung eine Steuerreform 2003 durch zusätzliche Staatsschulden finanzieren?

26. Werden Sie sich dafür einsetzen, das bei der geplanten Steuerreform 2003 die Verteilung der Entlastungseffekte auf Unselbständige und Selbständige deren entsprechenden Anteilen am Volkseinkommen (2:1) entsprechen?

27. Werden Sie darauf hinwirken, dass nicht nur entnommene Gewinne, sondern auch zusätzliche Investitionen steuerlich begünstigt werden?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG-NR dringlich zu behandeln.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Erster Anfragesteller ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer, und ich darf ihm daher nach § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung das Wort erteilen. Die Redezeit für die Begründung einer Dringlichen Anfrage beträgt 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Großruck  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Gusenbauer –: Das wird ein aufgelegter Elfer! – Abg. Auer: Drei werden das!)

15.02

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Mit Ende April sind 230 000 Menschen in Österreich arbeitslos, und was das besonders Bedrückende daran ist, ist der Umstand, dass es um 40 000 Österreicherinnen und Österreicher mehr sind als im vergangenen Jahr. Das ist ein Anstieg der Arbeitslosigkeit


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 118

um 20 Prozent, und das ist daher leider einer der steilsten Anstiege der Arbeitslosigkeit, die wir in den letzten Jahren zu verzeichnen hatten. (Abg. Dr. Cap: Ein Wahnsinn!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist eine große Krise auf dem österreichischen Arbeitsmarkt, eine Krise, die man nicht unkommentiert und undiskutiert vorbeigehen lassen darf, weil die Betroffenen 230 000 Österreicherinnen und Österreicher sich von der Politik Antworten erwarten, und sie erwarten sich diese Antworten zu Recht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Bundesregierung, Herr Bundeskanzler, hat im vergangenen Jahr die Eintrübung der Konjunktur monatelang geleugnet. Sie haben gesagt, es sei nicht notwendig, irgendwelche Gegenmaßnahmen zu setzen, und Sie setzen sich auch mit der gegenwärtigen Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht auseinander. Ganz im Gegenteil: Wortreich wird zu allem Möglichen Stellung genommen, aber nicht zu den dringendsten Problemen der Österreicherinnen und Österreicher. Die Gegenmaßnahmen, die man in Bezug auf den Arbeitsmarkt braucht, liegen klar auf dem Tisch, was die Mängel der bisherigen Politik betrifft.

Die Nervosität der FPÖ in dieser Frage ist wie immer völlig einsichtig. Die ehemalige Partei der "kleinen Leute" tut absolut nichts, um die Situation der Arbeitslosen in Österreich zu verbessern. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz im Gegenteil: Für die Menschen, die arbeitslos sind, braucht man dringend Maßnahmen zur Qualifikation, Maßnahmen zur Weiterbildung, damit diese wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Die Mittel dafür werden von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern in unserem Land in der Arbeitslosenversicherung aufgebracht. Aber was geschieht mit diesen Mitteln? – Diese Mittel kommen nicht zur Gänze zum Arbeitsmarktservice, sie kommen nicht denjenigen zugute, die sie dringend brauchen, sondern der Finanzminister holt sich das ab, um seine Budgetlöcher zu stopfen, und lässt die Arbeitslosen in Österreich mit ihrem Schicksal völlig allein. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Arbeitslosenversicherungsgelder sind keine Steuergelder. Es sind, wie es richtig heißt, Versicherungsbeiträge, und durch diese Versicherung sollen Arbeitslose die Möglichkeit erhalten, ihre Existenz zu sichern, während sie arbeitslos sind, und zum Zweiten müssen damit jene Maßnahmen finanziert werden, die Arbeitslosen die Möglichkeit geben, wieder in den Arbeitsprozess integriert zu werden. Daher sind Arbeitsmarktmaßnahmen, offensive Arbeitsmarktpolitik nicht Almosen, sondern ein Rechtsanspruch aller österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber wie immer ist das Schicksal der Betroffenen dieser Regierung völlig egal, und – ich warte ja schon darauf – der Herr Bundeskanzler wird wieder wortreich auf internationale Vergleiche und Statistiken hinweisen. (Abg. Dr. Khol: Er kennt sein Schicksal! – Abg. Mag. Schweitzer: Was machst denn du jetzt? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich weiß, Herr Abgeordneter Khol, Ihre gespielte Heiterkeit drückt nur die Herzlosigkeit und Arroganz dieser Bundesregierung aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Verweis darauf, dass es auch in anderen Ländern Arbeitslosigkeit gibt, dass es auch in anderen Staaten wirtschaftliche Probleme gibt, nützt den österreichischen Arbeitslosen, den österreichischen Arbeitnehmern überhaupt nichts, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe und allgemeine Unruhe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Was die FPÖ gerne beantworten wird, ist folgende Frage (demonstrative Heiterkeit der Abg. Wochesländer ): In Österreich befinden sich 15 Prozent der Arbeitslosen in einer Weiterbildungsmaßnahme, insgesamt also nicht einmal 35 000 Menschen. Gleichzeitig holt diese Bundesregierung 80 000 Saisonniers, also Arbeitnehmer zweiter Klasse, in unser Land. Für die Aus- und Weiterbildung der Österreicherinnen und Österreicher wird nichts gemacht, aber billige Arbeitskräfte aus dem Ausland zu holen, dafür ist diese Bundesregierung gut, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Skandal! – Abg.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 119

Ing. Westenthaler  – eine Tafel in die Höhe haltend –: Und was fordern Sie? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wie es ja überhaupt ziemlich einfach ist: Auf der einen Seite ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Gusenbauer, einen Moment! – Meine Damen und Herren! Der nächste Redner wird der Herr Bundeskanzler sein, und ich bin dafür, dass der Obmann der größten Oppositionspartei und der Regierungschef ihre Argumente in Ruhe austauschen können. Ich werde dem Bundeskanzler Ruhe und Aufmerksamkeit verschaffen, aber in einem demokratischen Parlament gilt das auch für den Obmann einer Oppositionspartei! Ich denke, darauf können wir uns einigen, und ich bitte Sie darum.

Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer, setzen Sie fort.

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (fortsetzend): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aufregung ist ja verständlich! Auf der einen Seite ruft die österreichische Wirtschaft täglich nach neuen Facharbeitern und Fachkräften, die sie zusätzlich braucht. Gleichzeitig wird die Zahl der Lehrstellen, die in Österreich zur Verfügung gestellt werden, immer geringer. Zugleich wird immer weniger für die Requalifikation der Arbeitslosen gemacht. Die Schlussfolgerung, die die Regierung daraus zieht, ist nicht, dass man die Anstrengungen im Bereich der Weiterbildung verstärkt, die Konsequenz daraus ist nicht, dass man den Österreicherinnen und Österreichern mehr Chancen bietet, sondern die Lösung, die vielleicht für die Wirtschaft tauglich ist, aber für die Arbeitnehmer nicht, besteht darin, dass 80 000 Saisonniers ins Land geholt werden. Das ist keine gute Arbeitsmarktpolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie schaut konkret die Praxis in Österreich aus? – Auf Grund der begrenzten Mittel für das Arbeitsmarktservice bekommen unter Umständen Menschen bis zum 40. Lebensjahr die Möglichkeit zur Aus- und Weiterbildung. Diejenigen, die zwischen 40 und 50 sind, bekommen diese Möglichkeit nur mehr dann, wenn Geld übrig ist, und über 50-Jährige haben in Anbetracht der begrenzten Mittel, die hiefür vorhanden sind, nahezu überhaupt keine Chance auf Aus- und Weiterbildung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleichzeitig sagt man aber auch, dass die Menschen in Österreich länger arbeiten sollen. Da frage ich mich: Wie sollen die Menschen in Österreich länger eine Beschäftigung haben, wenn in 50-Jährige in unserem Land nicht mehr investiert wird?

Wir Sozialdemokraten akzeptieren es nicht, dass nach dieser Regierung jeder, der arbeitslos ist, gleichzeitig auch chancenlos ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Allerschlimmste ist, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich enorm angestiegen ist. Es sind bei den 15- bis 25-Jährigen ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )  – Man möge sich nur den Kollegen Pumberger anschauen, der sich über das Schicksal der jungen Arbeitslosen in Österreich lustig macht! Das charakterisiert die Herzlosigkeit dieser Partei! (Beifall bei der SPÖ.)

41 000 junge Menschen im Alter von 15 bis 25 Jahren sind in Österreich arbeitslos, das ist um ein Drittel mehr als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Gleichzeitig suchen 3 400 junge Österreicherinnen und Österreicher eine Lehrstelle. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle Ihnen die Frage ... (Abg. Ing. Westenthaler: Da hat es einmal eine Garantie des Herrn Klima gegeben! Klimas "Lehrlingsgarantie" war das!) – Herr Westenthaler, dass Sie die Probleme der Menschen nicht interessieren, das ist in Österreich weithin bekannt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Die "Lehrlingsgarantie" der SPÖ wird heute in Argentinien durchgeführt!)

Aber was Schlimmeres kann es für eine Gesellschaft geben, als dass 41 000 junge Menschen auf der Straße stehen, keinen Arbeitsplatz haben? Wie soll diesen Menschen eine Perspektive


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 120

(Zwischenruf des Abg. Jung ), Hoffnung und eine Chance für die Zukunft gegeben werden? Es gibt nichts Schlimmeres als die Jugendarbeitslosigkeit. Die österreichischen Bundesregierungen der Vergangenheit haben es drei Jahrzehnte hindurch geschafft, dass Jugendarbeitslosigkeit in Österreich kein Problem war. (Abg. Mag. Schweitzer: "Euroteam" ist uns ein Begriff!) Dieses Problem gibt es erst, seit Schweitzer, Westenthaler und Co in diesem Land das Sagen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.  – Abg. Ing. Westenthaler: "Euroteam"! "Euroteam" – abkassiert habt ihr bei den Lehrlingen!)

Herr Arbeitsminister Bartenstein, da Sie dieser Debatte beiwohnen, muss ich gleich eine Frage an Sie richten. Mich würde interessieren, wie Sie Ihr Versprechen vom Beginn dieses Jahres, das ich für richtig halte, nämlich dass jeder Jugendliche, der keine Lehrstelle findet, zumindest einen Ausbildungsplatz bekommt (Abg. Ing. Westenthaler: Das kennen Sie vom Klima noch, gell? Das hat aber nicht gehalten!), in Bezug auf all die Lehrstellensuchenden in Österreich einlösen werden. Sie haben unsere Unterstützung, wenn Sie Konzepte dazu vorlegen. Für den Fall, dass Sie keine haben: In unserer Dringlichen Anfrage finden Sie ein 10-Punkte-Programm (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), das zeigt, wie man die Situation auf dem österreichischen Arbeitsmarkt deutlich verbessern kann, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ.)

Eine dritte Gruppe von Österreicherinnen ist auf dem Arbeitsmarkt schwer betroffen: Immer schlimmer wird die Problematik jener Frauen, die nach einer Babypause in den Beruf zurückkehren wollen. Es fehlt in Österreich an Kinderbetreuungseinrichtungen, und natürlich haben diese Frauen den dringendsten Bedarf an Aus- und Weiterbildungsplätzen; in diesem Bereich ist der Mangel am allergrößten.

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie die Verpflichtungen der Europäischen Union mit unterstützt haben und wenn wir in Österreich gemeinsam die Frauenbeschäftigungsquote auf 65 Prozent erhöhen wollen, dann ist es doch das Dringendste, die Möglichkeit zu schaffen, Kind und Beruf miteinander zu vereinbaren, dann ist es doch das Dringendste, in Österreich die erforderlichen 100 000 Kinderbetreuungsplätze zu schaffen, damit die Frauen die Chance haben, Kind und Beruf miteinander zu vereinbaren, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Aber es geht nicht nur um die Kinderbetreuungsplätze. Wenn man über die Lebensrealität der österreichischen Mütter, der österreichischen Frauen redet, mit ihnen darüber redet – ich konnte das bei den vielen Diskussionen, die ich in den letzten Monaten geführt habe, feststellen –, dann kommen immer wieder die gleichen Wünsche: ein Kinderbetreuungsplatz; das Recht auf Teilzeit bis zum 6. Lebensjahr des Kindes, damit man bei Problemen mit kleineren Kindern die Möglichkeit hat, geblockt zu Hause zu bleiben. Weiters kommt immer wieder der starke Wunsch nach Weiterbildungsmaßnahmen, die entweder die Rückkehr in den gleichen Beruf oder den Einstieg in einen neuen Beruf ermöglichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Ihnen die österreichischen Kinder, die österreichischen Frauen und die Beschäftigung der Frauen am Herzen liegen, dann stimmen Sie unserem Frauenförderungsprogramm zu, das den Frauen in Österreich eine Chance gibt! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Regierung beschäftigt sich weniger mit den konkreten Fragestellungen der Menschen in Österreich, sie ist aber dann ganz penibel, wenn es um Postenschacher geht. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Da setzt man sich in Hinterzimmern zusammen und versucht zum Beispiel, in der Pensionsversicherungsanstalt bis ins kleinste Detail, bis hinunter zu den leitenden Ärzten die Posten zu verteilen. Bei der Machtaufteilung, beim Postenschacher, beim Einfluss und bei den Privilegien, da ist diese Regierung genau – um die Menschen in unserem Land kümmert sie sich nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Wochesländer. )

Die Frau Abgeordnete wird besonders nervös, denn ein anderes Charakteristikum dieser Regierung ist, dass sie angetreten ist mit dem Anspruch, Vollbeschäftigung in Österreich zu


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 121

realisieren. Die Realität sieht so aus, dass wir in Österreich um 40 000 Arbeitslose mehr haben. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Regierung ist angetreten mit der Ankündigung, die Zukunft werde schuldenfrei sein. – Gut, dass Sie mir dieses Stichwort liefern. Wissen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, wofür diese Regierung Schulden macht? – Sie macht sie nicht, um Arbeitslosen zu helfen, nicht, um zu investieren, nicht, um das Land nach vorne zu bringen, sondern das Einzige, wofür sie bereit ist, Schulden zu machen, ist der Ankauf von Abfangjägern. Das charakterisiert die Arbeit dieser Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher haben wir als sozialdemokratische Parlamentsfraktion, die den Großteil der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertritt, die Verantwortung, hier Vorschläge zu machen, die die Lebenssituation und die Chancen der Bevölkerung wirklich verbessern. Wir schlagen vor: Verdoppeln wir die Zahl jener Menschen, die im Rahmen von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen geschult werden, denn das würde bedeuten, dass 35 000 Menschen mehr in Österreich eine Chance haben. Das wäre ein konkreter Beitrag, den wir gemeinsam leisten könnten! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir schlagen vor, dass in den nächsten fünf Jahren die fehlenden 100 000 Kinderbetreuungsplätze in Österreich geschaffen werden, auch für Kinder unter drei Jahren (Abg. Dr. Ofner  – in Richtung SPÖ –: Warum habt ihr das nicht gemacht?), damit Kind und Beruf, Karriere und Muttersein miteinander vereinbar sein können, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir schlagen vor, dass auch die Wirtschaft ihre Verantwortung wahrnimmt; die Wirtschaft, die mit Recht darauf pocht, dass man in Österreich Fachkräfte braucht, die aber nur in einem geringeren Ausmaß bereit ist, wie sie gestern selbst festgestellt hat, diese Fachkräfte auszubilden.

Wir sind für Gerechtigkeit und Solidarität. Wieso soll nur ein Teil der Betriebe die Ausbildung in Österreich leisten, während der andere Teil der Betriebe davon nur profitiert? Daher schlagen wir vor, dass es einen Lehrlingsfonds geben soll, mit dem die Ausbildung der Lehrlinge in unserem Land finanziert wird. Das ist keine Strafsteuer, sondern Solidarität, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: ... der Sohn vom Klima verwalten! – Heiterkeit.)

Passen Sie ganz genau auf: Zur Abwechslung ist Abgeordneter Ofner im Haus, mit einer sehr "sinnstiftenden" Wortmeldung, die die österreichischen Arbeitslosen nicht weiterbringen wird, wie man gerade gemerkt hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Vielleicht könnte der Sohn vom Klima ...!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist auch notwendig, neben den konkreten Maßnahmen eine Steuerpolitik zu machen, die dazu führt, dass in Österreich investiert und ein Beitrag zum Wachstum geleistet wird. Das Wichtigste in diesem Bereich ist, die österreichischen Arbeitnehmer, die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen, die durch die schwarz-blaue Regierung massiv be lastet worden sind, mit einer sozial gerechten Steuerreform zu ent lasten. Das bringt soziale Gerechtigkeit, Kaufkraft und Investitionen in unserem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch notwendig, dass jene Betriebe, die in Arbeitsplätze investieren, die neue Investitionen schaffen, dazu motiviert werden. Daher plädieren wir Sozialdemokraten dafür, dass der Investitionsfreibetrag, der von der schwarz-blauen Regierung abgeschafft wurde, in einer neuen Form wieder eingeführt wird, damit in Österreich wieder investiert wird und man nach vorne blicken kann, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit einer Politik der Herzlosigkeit und der Arroganz lassen sich die Probleme der Österreicherinnen und Österreicher nicht lösen. Mit dem Verweis auf internationale Vergleiche wird kein einziger Arbeitsplatz in Österreich geschaffen. Mit Ihrem "Ausräumen" des Arbeitsmarktservice machen Sie eine Politik, die bedeutet: Arbeitslos ist gleich chancenlos!


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 122

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist keine soziale Perspektive für unser Land. Es ist daher dringend notwendig, dass ein Kurswechsel stattfindet, damit alle Österreicherinnen und Österreicher, die arbeiten können und wollen, auch tatsächlich einen Arbeitsplatz finden. Das muss unser gemeinsamer Anspruch sein! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Abg. Mag. Kogler. )

15.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hohes Haus! Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage gelangt der Herr Bundeskanzler zu Wort. Seine Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.22

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst wiederum herzlichen Dank für diese wichtige Dringliche Anfrage, die uns die Chance gibt, die Erfolge in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik Österreichs objektiv und ausgewogen darzustellen. (Abg. Parnigoni: Da werden Sie sich jetzt schwer tun!)

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Es sind Ihnen einige Maßnahmen dieser rot-weiß-roten Regierung entgangen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Parnigoni: Was ist da "rot-weiß-rot"?) Wir haben nach dem 11. September sofort die Sozialpartner und Wirtschaftsforscher zusammengeholt, um an einem Konjunkturbelebungsprogramm zu arbeiten. (Abg. Parnigoni: Schwarz bis in den Tod!) Es war bereits im Dezember fertig, ist vom Hohen Haus bereits beschlossen und enthält einige sehr wichtige Weichenstellungen für die Zukunft.

1,5 Milliarden € an steuerlichen Anreizen für die Betriebe – genau in dem Sinn, wie Sie es vorhin eingemahnt haben – sind längst beschlossen, nämlich: die Einführung eines neuen Forschungsfreibetrages von 10 Prozent zusätzlich zu dem jetzt schon bestehenden Forschungsfreibetrag von 25 Prozent; eine Klein- und Mittelbetriebsprämie von 3 Prozent an Forschungen, die vom Freibetrag nicht profitieren; Anhebung des Bildungs-, Ausbildungsfreibetrages von 9 auf 20 Prozent, alternativ eine 6-prozentige Prämie; die vorzeitige Abschreibung in der Höhe von 7 Prozent, um im Jahr 2002 die Bauwirtschaft zu stimulieren; eine unbefristete Verlängerung des Betriebsneugründungsgesetzes und die Ausweitung auf Betriebsübernahmen; dazu noch 20 Milliarden € für vorgezogene Infrastrukturmaßnahmen, die bereits in diesen Wochen und Monaten vergeben werden.

Ich denke, dass wir damit Maßnahmen gesetzt haben, die langfristig sehr wichtige und positive Impulse für den Arbeitsmarkt bringen werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie sagen, wir würden uns nicht mit den wichtigen Themen beschäftigen, wir würden quasi nichts arbeiten. Ich darf Ihnen ein wenig auf die Sprünge helfen: Seit der letzten Plenarsitzung vor einem Monat hat diese rot-weiß-rote Regierung, natürlich mit Unterstützung unserer Regierungsfraktionen, Folgendes auf die Reise geschickt: Statt dass 15 Prozent der Arbeitnehmer eine Abfertigung bekommen, sollen 100 Prozent eine Mitarbeitervorsorge erhalten. – Ein Jahrhundertgesetz! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  

Die Ihnen jetzt vorliegende Universitätsreform soll dazu beitragen, dass unsere Universitäten und Hochschulen erstklassige Ausbildungsstätten mit Weltklasseniveau für die Jugend von heute und von morgen darstellen, weil dies den Standort und die Arbeitsplätze in Österreich nachhaltiger und viel besser abzusichern hilft als Ihre Rhetorik hier am Rednerpult. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dazu kommt ein modernes Unternehmerrecht, die neue Gewerbeordnung mit den Liberalisierungen bei der Gas-Reform. Wir wollen damit heuer schon einen Unternehmensgründungsrekord von 30 000 Jungunternehmern erreichen; eine Zahl, die früher undenkbar gewesen ist. Jeder Jungunternehmer schafft im Durchschnitt drei bis vier neue Arbeitsplätze. Das ist aktive und angewandte Arbeitsplatzpolitik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 123

Dazu kommt erstmals seit vielen Jahrzehnten eine Förderreform, damit die 25 verschiedenen Töpfe wirklich koordiniert und auf zwei Grundstrukturen geclustert werden. Bei dieser Gelegenheit möchte ich den Ministern Martin Bartenstein, Mathias Reichhold und Karl-Heinz Grasser sehr herzlich danken, weil sie hier über alle Ressort-Egoismen drübergesprungen sind und ein nachhaltiges, zukunftsorientiertes Hilfsinstrument für die österreichische Wirtschaftsförderung geschaffen haben.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch für die einstimmige Beschlussfassung in dritter Lesung bei der Familienhospizkarenz bedanken, weil sie aus meiner Sicht tatsächlich ein sozialpolitischer Meilenstein ist, der ganz bewusst eine gesellschaftspolitische Alternative zum belgischen oder zum holländischen Modell der Sterbehilfe vorsieht. Ich danke Ihnen für diese grundsatzorientierte Haltung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Weiters wird in diesen Tagen mit der Vergabe des Road-Pricing-Auftrags die Grundvoraussetzung dafür geschaffen, dass es zu einer besseren Kostenwahrheit kommt und dass wir ... (Abg. Parnigoni: Seit 1996 haben Sie es verhindert!)  – Gut, Sie haben davon geredet, Herr Abgeordneter, wir machen es, und das ist eben der große Unterschied zwischen Ihnen und uns! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Sie haben es verhindert!)

Wenn wir schon beim beliebten Thema, wer mehr Herz, wer mehr Wärme und wer mehr Kälte hat, sind: Herr Abgeordneter Gusenbauer, Sie haben einige Besuche erwähnt, die Sie in den letzten Wochen gemacht haben. Sie dürften aber nicht in Wien und nicht in Niederösterreich gewesen sein, denn sonst würden Sie hier etwas anderes sagen. Ich bringe Ihnen jetzt ein Beispiel, das ich selbst gehört habe und das ganz deutlich beweist, wer Herz und soziale Wärme in der Politik hat.

Ein Vergleich der Kinderbetreuung – übrigens ein wichtiges Thema, da haben Sie 100-prozentig Recht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Hören Sie zu, und dann argumentieren Sie, ich freue mich schon darauf!

In Niederösterreich, wo bekanntlich kein sozialdemokratischer Landeshauptmann das Sagen hat (Abg. Dr. Stummvoll: Gott sei Dank!), ist ein Kindergartenplatz bis 12 Uhr Mittag völlig kostenfrei (Abg. Parnigoni: Bis 13 Uhr! Das ist falsch!), nachmittags kostet er 70 €. Jetzt zum Vergleich in Bezug auf die soziale Wärme, wer mehr Herz hat: In Wien kostete ein Ganztagskindergartenplatz früher 183 € (Rufe bei der ÖVP: Oh!), und gerade erst hat Michael Häupl das von 183 € auf 196 € erhöht (Rufe bei der ÖVP: Da schau!), aber da ist noch nicht einmal das Mittagessen für das Kind inbegriffen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Kinder brauchen ja vielleicht nicht zu essen. Wenn man aber essen will, dann kostet ein Platz im Monat 253 €. (Rufe bei der ÖVP: Oh! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist, bitte, ein Vollzahlerpreis bei einem Haushaltseinkommen, wenn beide Elternteile berufstätig sind, von 2 170 €.

Herr Abgeordneter Gusenbauer, gehen Sie nach Wien, reden Sie mit den Betroffenen, und dann beantworten wir die Frage, wer mehr Herz und wer vor allem mehr soziale Kompetenz hat! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Prammer: Gehen Sie nach Niederösterreich, und fragen Sie, wie die Nachmittagsbetreuung ist!)

Ich bringe ein zweites Beispiel, und zwar hinsichtlich der Kompetenz, der Arbeitsplatzkompetenz, die natürlich wichtig ist, gar keine Frage – die Basis des gesamten wirtschaftlichen Erfolges rankt sich an den Arbeitsplätzen empor –: Sie haben Recht, wir hatten einen international bedingten Konjunktureinbruch. Wir haben gegenzusteuern versucht, trotzdem sind die Arbeitslosen daten höher als im vorigen Jahr, wenngleich die Arbeitsplatz daten höher sind als im vorigen Jahr.

Wir haben bereits eine leichte Trendumkehr. Es ist nicht mehr so, wie Sie gesagt haben, nämlich dass es 40 000 mehr Arbeitslose als vor einem Jahr sind. Das waren noch die letztmonatigen Daten, mittlerweile ist es schon etwas besser geworden, es sind nämlich etwa 34 000. Dennoch ist es ein Problem.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 124

Schauen wir uns an, woher die Arbeitslosen kommen. Es kommt heraus, dass Wien das absolute österreichische Schlusslicht bei den Arbeitsmarktdaten ist. (Rufe bei der ÖVP: Geh!  – Abg. Ing. Westenthaler: Wer ist denn dort Bürgermeister? Heißt der Häupl?) Regional ist der größte Rückgang der Beschäftigten in Wien zu verzeichnen. Wien hat sage und schreibe 12 000 Arbeitsplätze weniger als im Vorjahr! In ganz Österreich betrug der Rückgang gerade 1 400. – Das ist die Wahrheit, Herr Abgeordneter Gusenbauer! Es ist die bittere Wahrheit, dass Wien die gesamte österreichische Statistik nach unten verzerrt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da Sie die Frauen erwähnt haben, sage ich Ihnen: Wien ist das einzige Bundesland, das eine rückläufige Beschäftigung bei den Frauen aufweist. (Abg. Dr. Khol: Ungeheuer! Furchtbar!) Alle anderen acht Bundesländer haben steigende Arbeitsplatzdaten bei Frauen. Ich würde Ihnen an dieser Stelle einmal dringlich empfehlen (Abg. Mag. Prammer: ... die niedrigste Erwerbsquote hat Oberösterreich! – weitere Zwischenrufe – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), Ihr Augenmerk ein wenig in diese Richtung zu schärfen. – Mit Mikrophon bin ich lauter als Sie, Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben richtigerweise auf die Notwendigkeit von Schulungen hingewiesen. Das ist ein absolut richtiger Punkt. (Abg. Parnigoni: Nur weiter so überheblich, Herr Bundeskanzler!)  – Nein, das ist nicht überheblich, das sind Fakten, Herr Abgeordneter! Hören Sie sich doch die Fakten an, und dann diskutieren wir darüber! (Abg. Parnigoni  – auf die Galerie blickend –: Die da oben sehen alle, wie überheblich Sie sind, wie Sie mit Abgeordneten umgehen!)

Sie sagen mit Recht, man müsse mehr schulen. – Richtig! Der Arbeitsminister hat die aktive Arbeitsmarktförderung nicht um einen einzigen Euro gekürzt. (Abg. Parnigoni: Sie reden von Herz – Sie haben nicht einmal Achtung vor Menschen!) Ich frage Sie aber jetzt: Warum sind die Schulungen in Wien gegenüber ihrem Wert vom Vorjahr um 27 Prozent reduziert worden? – Meine Herren von der SPÖ! Herr Abgeordneter Gusenbauer! Sie brauchen nicht eine Dringliche Anfrage an den Bundeskanzler zu richten, Sie sollten einmal eine dringliche Debatte im SPÖ-Parteivorstand darüber abwickeln, wie das mit Wien und den Arbeitsplatzzahlen so ist! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage es ja nur deshalb, weil derzeit eine Gewerkschaftsbund-Kampagne gegen die Senkung der Lohnnebenkosten läuft und Sie es ja auch in der Anfrage hier angesprochen haben. Erklären Sie mir, wieso dann eigentlich im Jänner dieses Jahres, am 18. Jänner, Ihr stellvertretender Parteivorsitzender Michael Häupl wörtlich erklärt hat, zur Senkung – ich betone: Senkung! – der Lohnnebenkosten hätte man die Arbeitslosenversicherung kürzen können!

Ja was gilt jetzt eigentlich? Was wollen Sie eigentlich? Sie sagen das, Ihr Stellvertreter jenes! Sie beklagen die österreichischen Arbeitsmarktdaten, die unter anderem deswegen so schlecht sind, weil in Wien die Situation genau ins Gegenteil verkehrt wird. Wir machen Dinge, die Sie in Wien untergraben, und das bedauere ich zutiefst!

Diskutieren Sie daher, bitte, wirklich einmal im eigenen Kreis diese Fragen, denn letztlich sitzen wir alle ja gemeinsam in einem Boot und sollten daher zusammenarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das, was uns stolz macht, meine Damen und Herren, ist, dass sich in der Zeit dieser rot-weiß-roten Bundesregierung die Standortkriterien für Österreich nachhaltig und kontinuierlich Jahr für Jahr verbessert haben. Wir haben uns vorgearbeitet im Standort-Ranking: 1998: Platz 24, 1999: Platz 18, dann 15, 14, 13. Wir haben im heurigen Jahr bereits die Bundesrepublik Deutschland – bekanntlich mit rot-grüner Regierung – überholt, wo es in diesem Bereich jedes Jahr schlechter wurde. – Das ist der große Unterschied, und auf den können wir zu Recht stolz sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber nicht nur bei den Standortkriterien sind wir besser geworden. Wir sind dank der Ärzte, Schwestern, des gesamten medizinischen Personals auf Platz 1 in der Gesundheitsversorgung, und darauf kann man auch stolz sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 125

Bei der inneren Sicherheit, der persönlichen Sicherheit von Bürgern, Touristen, Gästen in Österreich, sind wir auf Platz 1 der Weltrangliste, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Wozu dann die Bürgerwehr?)

Genauso sind wir hinsichtlich der Luftverschmutzung an niedrigster Stelle, also das beste Land, was die Luft- und die Lebensqualität betrifft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir brauchen uns daher nicht in eine Krise reden zu lassen, Herr Abgeordneter, denn Österreich ist gut unterwegs und bleibt es auch, und solange wir regieren, wird sich dies auch nicht ändern. Da braucht es keine Wende zurück! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben Recht: Die internationalen Vergleiche sind nur eine Seite und bei Gott nicht das ganze Bild. Viel wichtiger für uns ist, wie es mit den Investitionen ausschaut. Die Austrian Business Agency hat in den ersten zwei Jahren bereits 70 Prozent mehr Investitionen nach Österreich geholt als in den gesamten vier Jahren der letzten Legislaturperiode; und da sind jetzt die Großinvestitionen nicht eingerechnet. Ich möchte daher Martin Bartenstein als dem Arbeitsminister und Wirtschaftsminister wirklich sehr danken.

BMW, siebente Ausbaustufe, Hunderte Millionen €; General Motors ist dank eines kreativen Förderungspaketes in Österreich auch gesichert; eine Magna-Großinvestition in Graz; ein Großauftrag von Baxter in Niederösterreich – gefördert von Niederösterreich und dem Bund –, und in Wien ist eine zweite Ebene, die genauso wichtig ist, die wir mit dem Land Wien gemacht haben. Das sind die ganz konkreten Dinge, die meilenweit von der Rhetorik weg sind, die Sie hier am Rednerpult gepflogen haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie sagen, ich solle aufhören, Horrorszenarien über den Generationenvertrag an die Wand zu malen. – Ich bin der Letzte, der Horrorszenarien an die Wand malt, aber ich spreche die Wahrheit aus, Herr Abgeordneter. Mich würde schon auch interessieren, wie eigentlich das Konzept der Sozialdemokraten oder der Opposition aussieht. (Abg. Dr. Khol: Die haben ja keines! – Abg. Ing. Westenthaler: Das Konzept gibt es nicht!)

Immerhin sagt der Internationale Währungsfonds in einer beachtlichen Studie auch über Österreich, dass Österreich in den nächsten Jahren, falls sich demographisch nichts ändert, 5 bis 10 Prozentpunkte seines Volkseinkommens für den Status quo seines Generationenvertrags zusätzlich wird aufwenden müssen.

Die Lösungsansätze des Internationalen Währungsfonds sind, entweder länger zu arbeiten, das Pensionsantrittsalter hinaufzusetzen, oder die "pension benefits", also die Höhe der Pensionen, zu kürzen. "The biggest risk is doing nothing!" – Das größte Risiko wäre es, nichts zu tun. Diese rot-weiß-rote Regierung, unterstützt von den Parlamentsfraktionen, hat daher gehandelt.

Ich halte es für sehr wichtig, dass wir nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern den Menschen rechtzeitig die Wahrheit sagen (Beifall des Abg. Dr. Khol ): Längere Lebenserwartung, sichere Pensionen erfordern auch rechtzeitiges Handeln – und das tun wir, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In Barcelona ist – übrigens unterstützt von Ihrem Parteivorsitzenden – beschlossen worden (Abg. Parnigoni: Am besten, Sie heben das Pensionsalter an! Sagen Sie das denen da oben allen!)  – sie haben es ja gerade gehört! –, dass die Erwerbsarbeit längerfristig um fünf Jahre verlängert werden soll. Das ist das gemeinsame Ziel der Europäischen Union.

Es ist auch eine ehrliche Antwort, zu sagen, dass die Frühpensionen nicht die Lösung sein können. Wir haben ein gesetzliches Pensionsantrittsalter, und das muss die Basis sein, um die sich alles dreht. Alles andere ist Schaumschlägerei und heißt, den Menschen nicht die Wahrheit zu sagen. Das kann nicht unser Prinzip sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zu den Fragen im Einzelnen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 126

Zur Frage 1:

Wir rechnen im heurigen Jahr mit Mehrausgaben von rund 418 Millionen € im Vergleich zum Bundesvoranschlag. Das ist bedeckt, das werden wir tun. Für das Jahr 2003 laufen die Budgetverhandlungen im Sommer, wobei wir selbstverständlich davon ausgehen, dass die Gebarung Arbeitsmarktpolitik ausgeglichen bilanzieren wird.

Zur Frage 2:

Die Lohnnebenkostensenkung, wie schon erwähnt, dient der Sicherung der Arbeitsplätze. Ein Teil ist bereits umgesetzt, ein weiterer Teil wird über den Sommer verhandelt und Ihnen im Herbst mit dem Budget vorgelegt werden.

Zur Frage 3:

Die Arbeitsmarktrücklage ist die eiserne Reserve, und ich würde sehr davor warnen, die eiserne Reserve der Arbeitsmarktrücklage anzutasten. Die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik sind völlig unverändert. Es hat noch nie mehr Geld dafür gegeben, auch nicht zur Zeit sozialdemokratischer Arbeitsminister. Jetzt haben wir über 800 Millionen € zur Verfügung – und damit kommen wir aus.

Zur Frage 4:

Da geht es um die Verwaltungskosten innerhalb des Arbeitsmarktservices. Ich sage Ihnen ganz offen: Unser Ziel muss es sein, die Verwaltungskosten insgesamt niedrig zu halten, dafür aber die Leistungen für die Betroffenen aufrechtzuerhalten. Diese 210 Millionen € sind gedeckelt, sie sind ausschließlich für die Verwaltung gedacht.

Ich möchte sehr lobend hervorheben, dass innere und organisatorische Reformen etwa dazu geführt haben, dass derzeit in Wien die Arbeitslosen nicht quer durch Wien zu ihrem nach Gewerkschaftsstrukturen organisierten Facharbeitsamt fahren müssen, sondern zu ihrer regionalen Geschäftsstelle im Bezirk gehen können. Wir haben auch die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass forciert private Arbeitsvermittler tätig und überholte Meldeverpflichtungen abgeschafft werden. Insgesamt ist das ein absolut richtiger Weg, der hier von Martin Bartenstein und seinem Team gegangen wurde und wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 5:

Die arbeitslosen Pflichtschulabsolventen sind tatsächlich die erste Zielgruppe für Qualifikation. Die Zahl der in Schulung befindlichen Personen lag im April bei 35 000 und ist damit um fast 2 000 höher, um 5 Prozent höher, als der schon sehr hohe Vorjahreswert, wobei sich die Schulungsteilnehmer schwerpunktmäßig aus den Berufsgruppen Hilfsberufe, Handel, Metall und Elektroberufe rekrutieren.

Zur Frage 6:

Herr Abgeordneter Gusenbauer, ich würde Ihnen sehr empfehlen – schon aus intellektueller Redlichkeit; wenn Sie erlauben, dass ich Sie hier aufklären darf –, nicht mit diesen Tourismus-Saisonnierzahlen zu operieren. Damit erweisen Sie sich wirklich keinen guten Dienst. Von 80 000 Saisonniers im Jahr zu reden ist absurd. Ich habe nachgerechnet, wie Sie darauf gekommen sind. Sie haben jedes Monat addiert: Jänner plus Februar plus März bis hin zum Dezember. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Herr Abgeordneter! Das ist Ihrer nicht würdig. So kommen Sie nämlich auf 80 000 – und das kann es nicht sein. Bitte um Vergebung, aber das kann es nicht sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im vorigen Jahr – und das ist eine überprüfbare Zahl, Sie können das ja jederzeit tun – sind, was die Tourismus-Saisonniers betrifft, in keinem Monat die erlaubten 8 000 überhaupt auch nur annähernd ausgeschöpft worden. Es wurde zusammen mit den Erntehelfern in der Land- und Forstwirtschaft in zwei Monaten, so glaube ich, die Zahl von 8 000 überschritten. Sie haben


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 127

eines gemacht: von Jänner bis Dezember alles addiert! – Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein!

Wir reagieren gezielt auf regionale Notwendigkeiten und haben dazu die Zustimmung der regionalen Sozialpartner. Wir gehen sehr behutsam und vorsichtig mit diesem wichtigen Instrument um.

Zur Frage 7:

Hier wird die Erwachsenenbildung richtigerweise angesprochen. Diese ist ein Schwerpunkt für uns. Wir haben derzeit eine sehr enge Kooperation zwischen dem Arbeitsmarktservice, dem bfi und dem Wifi. Im Wifi sind 7 400, im bfi 38 000 Menschen in Arbeit und Schulung. Zusammen werden dafür immerhin 72 Millionen € aufgewendet.

Zu den Fragen 8 bis 11:

Da geht es um die Altersteilzeit, die in der jetzigen Form als Begleitmaßnahme zur Pensionsreform 2000 eingeführt wurde. Wir haben in Österreich derzeit ungefähr 14 000 Personen in Altersteilzeit. Das ist sehr vernünftig, das wird quer durch alle Branchen zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern vereinbart und dient in den Saisonberufen als Mittel, Arbeitslosigkeit in den Wintermonaten für ältere Bauarbeiter oder Kellner zu verhindern. Das führt zu einem Jahresblockmodell. Wir wollen das natürlich nicht abschaffen, um dies hier einmal sehr klar auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber es gibt einige eklatante Missbrauchsfälle. Ich bin sicher, dass Sie das auch nicht wollen. Ich möchte nicht haben, dass ein Betrieb die Altersteilzeit in Anspruch nimmt und gleichzeitig einem Mitarbeiter sagt: Aber auf deine Arbeitsleistung verzichten wir! – Das ist nicht das, was wir wollten. Wir wollen, dass Menschen, die arbeiten wollen, auch die Möglichkeit haben, einen bestimmten Teil ihrer Zeit in einem Arbeitsverhältnis zu verbringen.

Ein zweiter offensichtlicher Missbrauch ist, dass ein bereits Teilzeit arbeitender Arbeitnehmer kurzfristig, etwa einen Monat lang, in ein Vollzeitarbeitsverhältnis aufgenommen wird, damit natürlich einen höheren Level hat, dann wiederum auf die Altersteilzeit zurückgestuft wird, nur damit vom Betrieb vom AMS Geld genommen werden kann. Ich glaube – Herr Präsident Verzetnitsch nickt –, dass wir da gemeinsam mit den Sozialpartnern und mit den Fraktionen nach einem vernünftigen Modell Ausschau halten müssen, das natürlich die bewährten Elemente weiter absichern soll. Wir haben im Jahr 2001 rund 70 Millionen € dafür aufgewendet.

Zu den Fragen 12 bis 14:

Bis 2005 sollen die Erwerbsquoten in der EU auf 67 Prozent insgesamt, jene der Frauen auf 57 Prozent angehoben werden. In Österreich haben wir dieses Ziel ohnehin schon beinahe erreicht. Daher setzen wir uns ein weiter reichendes, engagierteres Ziel: Wir wollen die Frauenerwerbsquote auf 65 Prozent anheben, was bedeutet, dass 70 000 bis 80 000 Frauen zusätzlich erstmals einer Beschäftigung nachgehen sollen. Ich glaube, dass das auch absolut möglich ist.

Wir haben weiters für Personen über 45 die Bildungskarenz attraktiver gemacht. Arbeitnehmer, die eine solche Karenz vereinbaren, bekommen ein Weiterbildungsgeld in der Höhe ihres durchschnittlichen Arbeitslosengeldes, und zwar in der Höhe von 735 €; früher waren dies 410 €. – Das ist wieder ein Beispiel für angewandte soziale Kompetenz und wirtschaftliche Vernunft, Herr Abgeordneter Gusenbauer!

Zu den Fragen 15 bis 19:

Bei den jugendlichen Arbeitnehmern von 15 bis 18 gab es einen Anstieg der Arbeitslosen um 616 Personen. Das sind um 616 zu viel – das ist schon richtig –, aber ich glaube, dass wir auch im Vergleich mit anderen Ländern beweisen können, dass wir diese Situation sehr gut im Griff haben. Wir haben für jetzt folgendes Zielgruppenprogramm: weitere 500 zusätzliche Plätze im


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 128

Bereich der Facharbeiter-Intensivausbildung, zusätzliche Ausbildungskurse im höherwertigen IT-Bereich, zusätzliche Kurse für Lehrabbrecher mit absolvierter Teillehre und weitere Aktivierungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose unter 25.

Geld steht dafür zur Verfügung – kein Problem –, und zwar 7 Millionen €. Damit nimmt Österreich international den ausgezeichneten zweiten Platz hinter den Niederlanden ein, auf den wir, so meine ich, wieder gemeinsam mit den Betrieben und den Sozialpartnern stolz sein können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben im Augenblick eine Lehrstellenlücke von 446, dazu kommen aber 1 600 Personen, die sich in einem Lehrgang befinden. Wir haben über 15 Millionen € im Rahmen des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes zur Verfügung gestellt, womit wir beinahe 2 000 Lehrgangsplätze abdecken können. Die Lücke ist also gedeckt! Sie brauchen sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen, Martin Bartenstein hat das ausgezeichnet im Griff. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 20:

Das fällt in die Kompetenz der Länder. Die Länder unternehmen auf diesem Gebiet auch sehr große Anstrengungen. Das wird von uns auch nachhaltig unterstützt und begrüßt.

Zur Frage 21:

Ein Rechtsanspruch widerspricht dem Grundsatz der Privatautonomie zwischen den Vertragspartnern Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Im Übrigen glauben wir, dass wir durch das Kinderbetreuungsgeld und durch die echte Wahlfreiheit zum ersten Mal tatsächlich in diesem Bereich einen Meilenstein gesetzt haben und sich vor allem Mütter und Väter freier auf dem Arbeitsmarkt bewegen können.

Zur Frage 22:

Da gilt Ähnliches. Der Kündigungsschutz entspricht in seiner Dauer genau der Regelung vor Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, ist telquel mit übernommen worden. Dazu kommt, dass eine Kündigung während des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes, bei Vorliegen einer entsprechenden Karenzvereinbarung, absolut sittenwidrig ist. Das sollten Sie nicht vergessen!

Zur Frage 23:

Da geht es um Schulungen und um Aufwendungen für weibliche Arbeitslose. Die durchschnittliche Frauenarbeitslosigkeit liegt um 20 000 unter jener der Männer. Trotzdem wenden wir 54 Prozent der AMS-Mittel für arbeitslose Frauen auf. Zusätzlich gibt es noch Förderungsmaßnahmen wie etwa "Mädchen in Technik", "Frauen in Technik" und Ähnliches mehr.

Zur Frage 24:

Da geht es um die Höhe der Steuer- und Abgabenquote. – Richtig, wir hatten im Jahr 2001 einen Hochstand in der Steuer- und Abgabenquote von 45,9 Prozent. Mit großer Freude darf ich Ihnen heute schon mitteilen: Wir werden heuer auf 45 Prozent kommen, und wir werden nächstes Jahr – ohne eine entsprechende Steuersenkung oder Lohnnebenkostensenkung – bereits auf 44,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes kommen.

Zur Frage 25:

Wir wollen diesbezüglich weiter gehen; das Ziel ist, auf etwa 40 Prozent des BIP zu kommen, wobei wir, die Sozialpartner und die Bundesregierung, vereinbart haben – ich will das hier nur berichten –, dass eine allfällige Bewertung der Mitarbeitervorsorge im Rahmen der EU-Berechnung für die Abgabenquote nicht in diese Rechnung mit einbezogen werden kann, weil wir der Meinung sind, dass das Lohnbestandteil ist und nichts, was vom Staat angeschafft wurde.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 129

Ich glaube daher, dass wir mehrere Etappen der Entlastung brauchen. Das kann nicht in einem Wurf gemacht werden. Die erste Etappe wird von uns gemeinsam ab dem Jänner 2003 angestrebt. Wir warten natürlich die Konjunkturprognose im Juni ab, erarbeiten dann über den Sommer konkrete Inhalte, ohne wiederum aufs Neue in die alte Schuldenfalle zu tappen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 26:

Da werden wir uns sicher nicht in Klassenkampfüberlegungen einspannen lassen. Unser Ziel ist es, Maßnahmen zu setzen, um die Arbeitnehmer qualifiziert und den Wirtschaftsstandort Österreich wirklich attraktiv zu halten.

Mein Schlusswort: Meine Damen und Herren! Die Bilanz dieser rot-weiß-roten Regierung ist beachtlich: Selbst in der gegenwärtigen Konjunkturknicksituation haben wir 53 000 Arbeitsplätze mehr und 314 Arbeitslose weniger als unter dem letzten SPÖ-Kanzler oder dem letzten SPÖ-Arbeitsminister. – Darauf können wir gemeinsam mit Zufriedenheit blicken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir werden uns aber weiter anstrengen. Was uns Mut macht, ist, dass unser sehr innovatives und erstmaliges Modell, Wirtschaft und Arbeit in einem Ressort zu bündeln, Schule macht. Der Kanzlerkandidat der CDU/CSU, Edmund Stoiber, hat sich genau dieses Modell von Österreich abgeschaut und will es jetzt – wenn er gewinnt, und davon bin ich durchaus überzeugt – erfolgreich nach Deutschland importieren.

Ich bedanke mich daher für diese Dringliche Anfrage: Es war mir ein Vergnügen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.  – Abg. Auer: Fünf zu null!  – Abg. Dr. Khol: Sechs zu null! Schon wieder verloren, lieber Cap!  – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Dr. Cap –: Josef, schlecht beraten!)

15.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache wie immer darauf aufmerksam, dass jede Parlamentsfraktion eine Redezeit von je 25 Minuten zur Verfügung hat und dass kein Redner mehr als 10 Minuten sprechen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. Eine Überschreitung von 3 Minuten ist möglich. – Bitte.

15.52

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, es tut mir Leid: Für die hier anwesenden Arbeitslosen – ich bin darüber informiert, dass auf der Zuschauergalerie auch Arbeitslose sitzen – war es kein Vergnügen, Ihren Ausführungen zu lauschen (Abg. Mag. Kukacka: Die gehen jetzt alle!), zumal Sie jenen 231 000, die zurzeit arbeitslos sind, keine Hilfe angeboten haben. Hier sollte man Klartext reden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.  – Abg. Dr. Khol verlässt seinen Platz und blickt in Richtung Galerie.)

Sie haben einen sehr großen Teil Ihrer Ausführungen der Betrachtung der Situation in Wien gewidmet. Ich möchte ein paar Punkte klarstellen, was die Situation in Wien anbelangt: Jeder vierte Arbeitsplatz in Österreich befindet sich in Wien. Wenn man die 130 000 Pendler, die täglich nach Wien fahren, wegrechnet, dann hat Wien die exzellenteste Arbeitsmarktsituation des gesamten Bundesgebietes. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Wir haben in Wien mehr in die Qualifikation und in die Wirtschaftsförderung investiert. (Abg. Mag. Schweitzer: Es werden doch nicht alle BAWAG-Direktoren Maurer werden!) Herr Bundeskanzler! Sie selbst sind derjenige, der erst vor kurzem in Wien-Aspern anwesend war, wo durch Initiativen der Stadt Wien – mit Unterstützung des Bundes, das will ich gar nicht ableugnen, aber auf Initiative der Stadt Wien – zusätzliche Arbeitsplätze für die Zukunft geschaffen werden. Seit dem Jahre 2000 hat mehr als die Hälfte der ausländischen Unter


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 130

nehmen, die in Österreich investieren, diese Investition in Wien und nirgendwo anders getätigt! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben die Frauenbeschäftigung angesprochen: Von 100 Frauen sind 72 in Wien beschäftigt, im Bundesdurchschnitt 55. – Wer hat jetzt die bessere Arbeitsmarktsituation für Frauen: der Bund oder Wien? (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie den Rückgang bei den Arbeitsplätzen in Wien ansprechen, dann sollten Sie nicht vergessen, dessen Ursache zu erwähnen: Wer hat denn Personaleinsparungspläne beim Bund, bei der Bahn, bei der Post, bei allen verstaatlichten Unternehmen vorgenommen: Wien oder diese Bundesregierung? (Abg. Parnigoni: Die Ursache?  – Der Herr Schüssel!) Die schwarz-blaue Bundesregierung war es! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben hier verlauten lassen, dass eine Konjunkturbelebung stattfinden wird. Am Schluss Ihrer Rede haben Sie jedoch gemeint, dass es einen Konjunkturknick gebe. Seit dem Vorjahr ist tatsächlich ein Konjunkturknick feststellbar. Am 12. September des vorigen Jahres fand jene Sitzung statt, in der wir bei Ihnen mit den Wirtschaftsforschern zusammengesessen sind und bei der festgestellt wurde, dass ein Gegensteuern mehr denn je erforderlich ist.

Zu diesem Zeitpunkt wurde von Ihnen jedoch noch geleugnet, dass es einen Konjunktureinbruch gibt. (Abg. Dr. Cap: So war es!  – Abg. Dr. Khol: Die Rezession hat es nicht gegeben!) Unsere Meinung hat sich leider  – ich betone: leider!  – bewahrheitet. Es geht nun meiner Meinung nach darum, Gegenmaßnahmen zu setzen.

Der Präsident der Wirtschaftskammer hat das erkannt. Er hat erst vorgestern oder gestern gesagt, dass man mehr in die Ausbildung investieren muss.

Es ist ja interessant, dass jene Gruppe, die sich jahrelang dagegen gewehrt hat, gerade in die Jugendausbildung – auch im Zuge staatlicher Unterstützungen – zu investieren, jetzt gerade dieses Thema anspricht. Herr Leitl hat Recht: Es muss mehr für die Ausbildung von Jugendlichen getan werden, als nur nach 20 000 zusätzlichen Fachkräften zu rufen, was gleichzeitig mit dem Schließen von Lehrwerkstätten oder dem Entlassen von Ausbildnern erfolgt. (Abg. Dolinschek: Da hat er vollkommen Recht!)  – Das kann nicht das Ziel sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben die Abfertigung angesprochen – sicherlich ein Jahrhundertprojekt. Ich bin froh, dass es hier wahrscheinlich gelingen wird, eine gemeinsame Lösung zu finden. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber erst in der neuen Regierung!) Einen Ansatz möchte ich aber gleich hinzufügen, da Sie von Verwaltungskostenreform gesprochen haben: Ich bin nur froh, dass nicht das gekommen ist, was in der Regierungserklärung steht, denn das wäre nicht die optimale Lösung gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben die Verwaltungskosten angesprochen. Herr Bundeskanzler, tragen Sie mit dazu bei, dass die Verwaltungskosten bei den Mitarbeitervorsorgekassen nicht 3,5 Prozent und mit den Barauslagen sogar mehr betragen, sondern dass so wie bei den Krankenkassen ein wirklich einschränkendes Konzept vollzogen wird, denn das sichert den Leuten in Wirklichkeit einen höheren Ertrag, als er jetzt in diesem Konzept vorgesehen ist.

Wir erleben Kündigungen und den Wegfall von Arbeitsplätzen. Denken Sie an Semperit! In wenigen Tagen werden sich mehr als 1 000 Beschäftigte von Semperit die Frage stellen: Wo ist mein zukünftiger Arbeitsplatz? (Abg. Jung: Wer hat denn das angefangen? – Abg. Ing. Westenthaler: Wer hat denn Semperit verkauft?) Was tun Sie dagegen, außer Zahlen zu zitieren? – Schaffen Sie Arbeit in diesem Bereich, dann haben Sie das Recht, zu kritisieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben die Bauwirtschaft angesprochen: Wie schaut es denn mit den Bemühungen bei der Bauwirtschaft aus, die Arbeitsstiftungen Wirklichkeit werden zu lassen? Wie hoch ist denn die Arbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft? Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin über


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 131

zeugt davon, dass es für die Arbeitslosen keinen Sinn macht, auf die "absolut gute" Beschäftigungslage hinzuweisen. Sinn macht es, diesen Menschen Chancen für die Zukunft zu geben.

Gestern sagte Herr Abgeordneter Stummvoll, das wichtigste Kapital sei das Humankapital. – Es mag ja besonders seltsam erscheinen, wenn einer, der in Wirklichkeit das Kapital vertritt, dies hier meint. – Ihre Worte gestern! Das stimmt völlig! Aber was tun wir, um dieses Humankapital in Arbeit zu bringen? (Abg. Dr. Stummvoll: Sie haben nicht zugehört!)  – Das ist die Frage, die Sie beantworten müssen! Ich bin überzeugt davon, dass es in Zukunft mehr denn je um diese Frage gehen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie operieren hier mit Schlagworten, wie zum Beispiel, dass wir 20 000 Fachkräfte aus dem Ausland mehr brauchen, während es gleichzeitig 231 000 Arbeitslose im Inland gibt. – Die Industriellenvereinigung hat das verlangt. Sie wissen das ganz genau. (Abg. Ing. Westenthaler: Die Industriellenvereinigung regiert zum Glück nicht in Österreich!) Da muss man meiner Meinung nach eine andere Antwort geben: Ausbildung für die Jungen, Ausbildung, um jeden Arbeitsplatz auch zukunftsfähig zu machen, das heißt auch Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer.

Wenn diese Bundesregierung hier antritt und sagt, man müsse die Leute länger beschäftigen, was macht uns denn dann Sorge? – Sorge macht uns die Arbeitslosenentwicklung bei den über 60-Jährigen. Welche Antwort geben Sie diesen Leuten? Sagen Sie ihnen vielleicht: Ihr seid zu alt für die Arbeit und zu jung für die Pension!? – Diese Menschen brauchen Weiterbildung und Arbeitsplätze und keine zynischen Faktendarstellungen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir sollten meiner Meinung nach noch einen für die österreichische Wirtschaft ganz wesentlichen Punkt nicht vergessen, und das gilt im Übrigen für weite Teile Europas. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Wirtschaftsforscher sagen unisono: Es geht um die Binnennachfrage. Da frage ich: Wie erhöht man die Binnennachfrage? – Erhöht man sie etwa dadurch, indem Sie zum Beispiel darangehen, jenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die unter erschwerten Bedingungen arbeiten, im Zuge der Steuerreform die Überstundenzuschläge und die Zulagen voll zu besteuern? Sie wollen jenen Arbeitnehmern, die unter erschwerten Bedingungen arbeiten, etwas wegnehmen, damit Sie die Lohnnebenkosten senken können! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie können es schon vergessen!) Das ist nicht unser Konzept, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.  – Abg. Ing. Westenthaler: Ich weiß nicht, woher Sie das immer haben!)

Herr Bundeskanzler! Zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich gerne die heutige Ausgabe der "Salzburger Nachrichten" zitieren. Da heißt es:

"So wie die Wirtschaft wird auch die Regierung über ihren Schatten springen und zusätzliche Mittel lockermachen müssen."

Unser Konzept der zehn Punkte ist ein guter Ansatz dafür. (Beifall bei der SPÖ.)

16.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. Bitte den zu berichtigenden Sachverhalt dem tatsächlichen Sachverhalt gegenüberzustellen! – Bitte.

16.00

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Der Herr Bundeskanzler hat behauptet, dass die angenommene oder dargestellte Zahl von 80 000 Saisonniers die Summe aller Monate wäre – also pro Monat rund 6 000.

Die Wahrheit ist, dass es im vergangenen Jahr 32 000 waren. Heuer können im Unterschied zum vergangenen Jahr nicht nur zwei Sparten Saisonniers haben, sondern alle Sparten, und diese 80 000 entsprechen dem Anmeldungsstand für Saisonniers zum heutigen Tag. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das stimmt doch nicht, Herr Gusenbauer!  – Abg. Großruck:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 132

Falsch!  – Bundeskanzler Dr. Schüssel hält eine Balkengraphik, die die Saisonnierbeschäftigung darstellt, in die Höhe.)

Zweiter Punkt: Der Herr Bundeskanzler hat behauptet: Die Bundesregierung will das gesetzliche Pensionsalter von 65 Jahren für alle.

Die Wahrheit ist: Beamte werden zwangsweise mit 55 in Pension geschickt. (Beifall bei der SPÖ.)

16.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Gaugg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Gaugg –: Kann man schon "Generaldirektor" sagen? Ist das die letzte Rede?)

Da Herr Abgeordneter Gaugg auch Gefahr läuft, häufig unterbrochen zu werden, gilt dasselbe, was ich bei der Rede von Herrn Abgeordnetem Dr. Gusenbauer gesagt habe. – Bitte.

16.01

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Geschätzte Abgeordnete! Die Frage der Wirtschaftskompetenz innerhalb der SPÖ ist immer etwas kritisch durchleuchtet worden, seit Herr Gusenbauer Bundesparteivorsitzender ist. Wenn er versucht, sein Zahlenkonglomerat hier in einer Richtigstellung darzulegen, dann erstaunt es umso mehr, wenn ich seine Dringliche Anfrage von heute, die sich mit der Bundesregierung und der Arbeitsmarktpolitik befasst, zur Hand nehme, dass unter der Frage 27 gerade Herr Gusenbauer und seine SPÖ folgende Frage an den Bundeskanzler richten:

"Werden Sie darauf hinwirken, dass nicht nur entnommene Gewinne, sondern auch zusätzliche Investitionen steuerlich begünstigt werden?" – Das ist eine Sensation wie seinerzeit bei den Steuererhöhungen! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Gusenbauer tritt also dafür ein, dass entnommene Gewinne steuerlich begünstigt werden (Abg. Dr. Khol: Kapitalistisch!): Wahrscheinlich für Urlaubsreisen ins Ausland für seine sozialistischen Freunde, die in den Unternehmen tätig sind. – Das ist wirklich eine "solide" Vorbereitung durch eine Oppositionspartei. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Eintreten für Steuerbegünstigungen für entnommene Gewinne ist eine neue Qualität in der Wirtschaftspolitik der SPÖ, aber nicht umsonst führt der "Boss der Genossen", wie er im letzten "profil" bezeichnet wurde, eine Umfrage von hinten an: In der Frage der Wirtschaftskompetenz erreicht er nicht einmal die Hälfte der Werte von Finanzminister Grasser, Bundeskanzler Schüssel oder Vizekanzlerin Riess-Passer. – So viel zur wirtschaftlichen Kompetenz dieser SPÖ.

Ich teile viele Aussagen von Herrn Kollegen Verzetnitsch. In der Frage der Jugendausbildung und in anderen Bereichen kann es nicht so sein, dass nach ausländischen Fachkräften gerufen wird, wenn gleichzeitig Lehrwerkstätten nicht in entsprechender Form gefördert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In der Frage Semperit sitzen die Schuldigen jedoch woanders. Der Ausverkauf hat vor Jahren begonnen. (Abg. Verzetnitsch: Das wird fortgeführt!)  – Das ist schlecht. Das ist ein Beispiel dafür, wie es nicht sein soll.

Aber zurück zur Jugendbeschäftigung (Abg. Mag. Kogler: So ein Glück, dass der Prinzhorn nicht da ist!): Herr Kollege Gusenbauer hat gemeint, ein Vergleich helfe den heimischen Arbeitslosen nicht. – Das mag schon sein, aber ein Vergleich macht Sie sicher, nämlich ein Vergleich zwischen Wien und Kärnten.

Gerade Herr Kollege Verzetnitsch weiß, dass Kärnten beispielhaft in der finanziellen Unterstützung der Lehrwerkstätten vorangeht, insbesondere auch der ÖGB-Lehrwerkstätte in Krumpen


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 133

dorf. Es sei hier einmal erwähnt, dass es eine sozialpartnerschaftliche Zusammenarbeit auch mit den Freiheitlichen geben kann, unter einem freiheitlichen Landeshauptmann und mit sozialdemokratischen Verantwortlichen. Lehrlingsfonds und Ähnliches können nur dann nicht funktionieren, wenn dubiose Figuren das Sagen haben. Wir alle haben erlebt, was bei "Euroteam" passiert ist: Zig Millionen Schilling wurden falsch verwendet, und es gibt gerichtsanhängige Verfahren.

Viele der Fragen der sozial gerechten Steuerreform sind notwendig – das ist überhaupt keine Frage –, insbesondere die Entlastung der Arbeitseinkommen in Österreich. Wenn aber bereits wieder im Vorhinein etwas kolportiert wird, das von niemandem ernsthaft angedacht wird, nämlich dass die Besteuerung von Erschwerniszulagen und so weiter kommen soll, dann würde ich um etwas mehr Seriosität bitten, die wir ja in der Vergangenheit durchaus auch erlebt haben.

Es freut mich außerordentlich, dass es gelungen ist, nach monatelanger intensiver Arbeit, nach Diskussionen und Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Sozialpartnern in diesem Land die "Abfertigung neu" für die österreichischen Arbeitnehmer ins Leben zu rufen. Es sollte uns auch gelingen, in der Frage der Beschäftigung mehr Gemeinsamkeiten zu finden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mit dem Beitritt zur EU haben wir uns genauso wie Deutschland und alle anderen EU-Staaten denselben Kriterien unterworfen, nämlich den Kriterien von Maastricht. Dieser Vergleich macht uns wieder sicher: Rot-weiß-rot ist besser als Rot-Grün. Die Beweise liegen auf der Hand. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Arbeitslosigkeit beträgt im Jahr 2002 in Deutschland 8,2 Prozent, in Österreich 3,9 Prozent – noch immer zu viel. Es hat aber noch keine Bundesregierung gegeben, die so viele Maßnahmen zur Beschäftigung getroffen hat wie die derzeitige. Ich darf an das Konjunkturbelebungsgesetz erinnern, in dem viele Maßnahmen für Forschung und Entwicklung, zur Beschäftigung und zum Ausbau der Arbeitsplätze getroffen wurden. Deutschland ist durch die "Riester-Rente" bekannt geworden, die vor sich hinfault. Das ist alles, was dabei herausgekommen ist – das und eine Neuverschuldung.

In Österreich haben wir das Kinderbetreuungsgeld, das nunmehr zu greifen beginnt. (Abg. Parfuss: Wo greift das, bitte?) Es gibt das Pflegegeld ab der Geburt. Es wurde heute die Familienhospizkarenz beschlossen, bedauerlicherweise ohne Zustimmung der Sozialdemokraten; das werden Sie öffentlich auch noch erklären müssen. (Abg. Verzetnitsch: Stimmt ja gar nicht! Der war ja nicht da! – Rufe bei der SPÖ: Das stimmt ja nicht!)  – Okay, passt. Aber die ständige Kritik in der Frage der Finanzierung. – Man lernt dazu.

Die Frage der arbeitsrechtlichen Angleichung von Arbeitern und Angestellten ist im Interesse der Arbeitnehmer über die Bühne gegangen, ebenso wie weitere Maßnahmen. (Abg. Verzetnitsch: Wer zahlt es? Wer zahlt die Angleichung? 2,3 Milliarden Schilling Entgeltfortzahlung! Hast du dir darüber schon einmal Gedanken gemacht?)  – Die Entgeltfortzahlung war allen politischen Fraktionen in der Wirtschaftskammer ein Anliegen, wie wir wissen.

Dass diese Maßnahmen dazu geführt haben, dass vielfach Mitarbeiter in Klein- und Mittelbetrieben im Krankheitsfalle gekündigt wurden, wissen wir auch. Daher sollten wir auch wieder gemeinsam – Regierung, Parlament und Sozialpartner – eine Lösung im Interesse der Beschäftigten in Österreich finden. (Abg. Gradwohl: Aber wer hat denn das gemacht?)  – Da werden wir uns finden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bin überzeugt davon, dass wir, wenn in der Frage der Beschäftigung auch bei den Sozialpartnern mehr Ernsthaftigkeit herrscht (Abg. Gradwohl: Das fängt bei dir an!), keine Willkommenspakete für ausländische Arbeitnehmer in Wien und Ähnliches mehr brauchen, um das auch noch klarzustellen, sondern das, was wir brauchen, sind dauerhaft gesunde Arbeitsplätze in einer funktionierenden Wirtschaft. Dann werden wir auch jene Ziele erreichen, die sich die


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 134

Bundesregierung, das Parlament und die Sozialpartner setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Ich erteile es ihm.

16.08

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es wäre zu verlockend, auf die Oberflächlichkeiten, Rechenkunststücke und Rechenfehler in dieser Dringlichen Anfrage einzugehen. (Abg. Dr.  Khol: Ein bisschen muss man! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich möchte diese Debatte seriös führen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ  – Abg. Gradwohl: Sie und seriös?), weil für uns Arbeit für jeden, der arbeiten will und arbeiten kann, das Wichtigste an der Sozial- und Wirtschaftspolitik ist (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), weil Arbeit nach unserem Menschenbild untrennbar mit der Entfaltung des Menschen und seiner Würde verbunden ist.

Aus diesem Grund hatte diese Bundesregierung als erste den Mut, die Frage Vollbeschäftigung ohne Neuverschuldung zum politischen Ziel zu erklären. (Abg. Parnigoni: Wer hält Sie denn auf?  – Abg. Gradwohl: Jetzt erklären Sie, wie Sie das erreichen, Herr Tancsits!) Wenn es Ihnen auch schwer fällt, einige Zahlen werde ich Ihnen nicht ersparen können. Ich werde Ihnen auch beweisen, dass dieses Ziel nach wie vor erreichbar ist.

Wir haben im Jahre 2001, das bekanntlich durch einen internationalen Konjunktureinbruch gekennzeichnet war, noch immer mehr Beschäftigte – und zwar um rund 100 000 mehr – als durchschnittlich in den zehn Jahren zuvor unter sozialistischen Bundeskanzlern, Finanzministern und Sozialministern und – wie der Herr Bundeskanzler ausgeführt hat – noch immer weniger Arbeitslose. (Abg. Gradwohl: Haben Sie nicht angekündigt, seriös zu sein? Dann halten Sie sich an Ihre Ankündigungen!)  – Herr Kollege! Das sind seriöse Zahlen! Es gibt eine Jahresdurchschnittsbeschäftigung von 3,1 Millionen.

Würde ich nämlich die Rechengrundlagen Ihres Parteivorsitzenden hernehmen und die Monate zusammenzählen, dann käme ich auf 37 Millionen Beschäftigte, so wie Sie auf 80 000 Saisonniers. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) – Wir haben seriöse Grundlagen.

Es wäre auch zu billig, darauf hinzuweisen, dass angesichts des Beschäftigungsrekordes im Jahre 2001 natürlich jede Erhöhung als eine besonders starke erscheint. Daher ist es unseriös, im Jahre 2001 eine Debatte über Arbeitsmarktfragen zu verweigern – Arbeitsmarktpolitik ist bei Ihnen bis zum Juni 2001 überhaupt nicht vorgekommen –, schlicht und einfach weil Sie den Beschäftigungsrekord des Vorjahres nicht ansprechen und nicht in den Mund nehmen wollten.

Aber auch zu den einzelnen Maßnahmen: Ich kann mich noch gut daran erinnern, welch hinhaltenden Widerstand das Sozialministerium, der ÖGB und die Arbeiterkammern gegen die von uns kommende Idee der Altersteilzeit geleistet haben. – Zweieinhalb Jahre zähe Verhandlungen, und dann war es möglich, ohne Rechtsanspruch und mit Ersatzarbeitskräften etwas ins Gesetz zu bekommen, was wir dann mit dem Jahr 2000 rechtsverbindlich als Erfolgsrezept zur Bekämpfung der Altersarbeitslosigkeit umsetzen konnten.

Ich erinnere mich noch daran, als Sie im Februar und März 2000 hier in diesem Nationalrat das Programm zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit als Zwangsarbeitsprogramm zu denunzieren versucht haben. 36 Millionen Notstandshilfetagen im Jahre 1998 stehen heute, 2001, 26 Millionen solcher Notstandshilfetage gegenüber. Ich glaube, das war das erfolgreichste Programm zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit, zur Bekämpfung des Abrutschens von Menschen in Armut, weil sie überhaupt keine Arbeit mehr finden, das je in diesem Land gestartet wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Vormerkdauer der Arbeitslosen ist von 133 Tagen im Jahre 1999 über 121 Tage im Jahre 2000 auf 114 Tage im April 2002 gesunken. Das heißt, in einer dynamischen Wirtschaft


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 135

sind genauso viele – da bin ich bei Ihnen – von Arbeitslosigkeit betroffen, aber die Vermittlung wird zunehmend schneller. Ich bin überzeugt davon, mit der ins Auge gefassten Reform des AMS auch einen Wert von deutlich unter 100 Tagen Vormerkdauer erreichen zu können.

Ich habe gesagt, mir ist jeder einzelne Arbeitslose zu viel, auch jene 20 Prozent, die schon wiederum eine fixe Einstellungszusage haben. Es ist jeder zu viel. Auch hier könnte man etwas machen. Daher muss man sich die Lücken und Probleme genau und seriös und ohne parteipolitische Brille ansehen.

Ich kann es Ihnen aber nicht ersparen, bei diesen Lücken noch einmal auf das Problem Wien zu sprechen zu kommen. Ich habe einen Verdacht, Herr Abgeordneter Gusenbauer, auf Grund Ihrer heute und bei ähnlichen Anfragen in letzter Zeit gemachten Äußerungen: Sie wollen eigentlich auf diese Lücke Wien kommen. Sie stellen ganz bewusst auf dem Rücken der Arbeitslosen diese Dringlichen Anfragen zum Arbeitsmarkt, um mit der Präsentation der Fakten Ihren innerparteilichen Konkurrenten Michael Häupl auf dem Umweg über uns in die Schranken weisen zu können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es muss Ihnen ja bewusst sein, dass Wien mit 20 Prozent der Bevölkerung 30 Prozent der Arbeitslosen Österreichs, 40 Prozent der Notstandshilfebezieher und nur 15 Prozent der Lehrplätze hat. Ich nenne Ihnen aber nicht nur Zahlen aus der Statistik. Wohin auch immer ich in Österreich als Generalsekretär des ÖAAB komme, habe ich das Gefühl, für die jeweilige Landesregierung und den Landeshauptmann ist es eine wichtige, die wichtigste politische Aufgabe, für Soziales, für Arbeit, für die Menschen zu sorgen.

Dazu gehört mehr, als am 1. Mai mit einem roten Taschentuch zu winken oder mit dem einen oder anderen Wirtschaftsfunktionär im Elektroboot herumzufahren. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Meine Damen und Herren! Da gehört es dazu, sich darum zu kümmern, dass man in schwierigen Branchen wie im Tourismus Fachkräfte bekommt, wie in Vorarlberg oder Tirol. Da gehört es dazu, dass man neue innovative Firmen bekommt, wie in Niederösterreich, wie in Oberösterreich, wie im steirischen Autocluster.

Bürgermeister Häupl tut hier nichts. Und das liegt nicht an dieser Bundesregierung! Die zehnjährige Bilanz der Beschäftigung zeigt es eindeutig (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm ): Vorarlberg plus 3 900 Arbeitsplätze, Tirol 17 000, Salzburg 4 000, Kärnten 3 700, Steiermark 22 000, Oberösterreich 26 000, Burgenland 7 000, Niederösterreich 31 000, und Wien betreibt als einziges österreichisches Bundesland mit minus 24 550 Arbeitsplätzen die erfolgloseste Arbeitsmarktpolitik aller österreichischen Bundesländer.

Mein Appell an Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, und an meine Wiener Kollegen: Versuchen wir, der Wiener Landesregierung auf die Sprünge zu helfen, damit sie genauso wie diese Bundesregierung (Abg. Edlinger: Entsetzlich!) Vollbeschäftigung und Arbeitsmarktpolitik als Nummer eins ihrer politischen Zielsetzungen verfolgt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Redezeit: 10 Minuten oder jedenfalls nicht mehr als 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Wochesländer: Sollen wir einmal schauen, dass wir ein Hemd und eine Krawatte für Herrn Öllinger besorgen?)

16.17

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Pumberger: Was sagen Sie zu Herrn Häupls Arbeitsmarktpolitik?) – Herr Pumberger! Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann gehen Sie heraus und sprechen Sie! Das Problem ist, dass dabei oft nichts herauskommt. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte nämlich zum Unterschied von Ihnen zur Sache sprechen, und das ist unheimlich schwierig in einer Debatte wie dieser, in der man – wir führen sie ja nicht zum ersten Mal –


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 136

immer wieder das Gefühl hat, da wird das eine mit dem anderen auf- oder abgerechnet, da werden die Wunden aus der Vergangenheit jenen aus der Gegenwart gegenübergestellt, aber um die Sache, um die Schaffung von Arbeitsplätzen geht es Ihnen nicht.

Ich komme auf einige der Argumente, die Sie vorgebracht haben, zu sprechen. Meine Damen und Herren! Was bringt es in der Sache, wenn Sie das Bundesland Wien mit dem Rest von Österreich auf- oder abrechnen? – Sei’s drum, dass möglicherweise Wien derzeit eine größere Arbeitslosigkeit hat als die übrigen Bundesländer – was man auch erklären kann, und zwar nicht so, wie Sie das tun. Sei’s drum! Sollten Sie als Mitglieder von Regierungsparteien das nicht zum Anlass nehmen, um hier zu sagen und zu erklären: Wir wollen, dass auch Wien in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Fortschritte macht (Abg. Dr. Pumberger: Nach der nächsten Wahl können wir das machen!), und darum machen wir erstens, zweitens, drittens, viertens, um Wien und auch Kärnten – Kärnten bitte nicht zu vergessen (Abg. Dr. Pumberger: Beste Zahlen! Nur 7 Prozent!)  – nach vorne zu bringen!? Das würde ich mir wünschen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Was ich gehört habe, ist nur: Nicht sie – die Sozialdemokraten –, sondern nur wir – ÖVP und FPÖ – haben die Arbeitsplatzkompetenz. Herr Bundeskanzler! Mir geht es so wie Herrn Abgeordnetem Tancsits. (Rufe bei den Grünen: Oje! Oje!) Ich kann mich auch noch an das erinnern, was Sie im Februar, März 2000 gesagt haben. Aber nur in diesem einen Punkt geht es mir so wie Kollegem Tancsits. (Abg. Mag. Tancsits: Das wollen wir hoffen!) Ich kann mich nämlich daran erinnern, dass der Herr Bundeskanzler damals, im März 2000, hier von diesem Podium aus gesagt hat: Ich habe mit Clyde Tuggle von Coca-Cola gesprochen. Coca-Cola wird zur Firmenzentrale für Osteuropa ausgebaut. Hunderte Arbeitsplätze werden geschaffen. – Das an dem Tag, an dem Coca-Cola gerade Arbeitsplätze gestrichen hat!

Der Herr Bundeskanzler hat auch noch einige andere Firmen genannt: Philips – Arbeitsplätze gestrichen, nicht nur in der Steiermark, sondern auch in Wien. Der Herr Bundeskanzler hat von Steyr Oberösterreich gesprochen – auch dort inzwischen Arbeitsplätze gestrichen. Der Herr Bundeskanzler hat noch etliche andere Beispiele gebracht. Fast bei all diesen Beispielen, bei denen Bundeskanzler Schüssel damals noch aufgetreten ist und gesagt hat, er habe mit den kompetenten Menschen dort gesprochen und sie hätten erreicht, dass zusätzliche Arbeitsplätze entwickelt werden, sind inzwischen Arbeitsplätze abgebaut worden.

Herr Bundeskanzler! Ich mache nicht den Fehler, jetzt Sie persönlich dafür verantwortlich zu machen, aber mir geht es darum: Regierungsparteien treten inzwischen auf und sagen, unsere Kompetenz als Politik, als Regierung ist es nicht mehr, in der Wirtschaft für Arbeitsplätze zu sorgen. – Wenn Sie mit diesem Anspruch auftreten – inzwischen tun Sie das –, dann dürfen Sie auch nicht die vermeintlichen Lorbeeren ernten, auch wenn sich herausstellt – oder gerade dann, wenn sich herausstellt –, dass das eigentlich ziemlich faule Eier waren, die Sie hier verkauft haben.

Das will ich damit sagen. Mir und den Grünen ist nicht damit gedient, dass Sie sich hier herstellen und einige Zahlen herunterlesen, mit denen Sie glauben, die Kompetenz der Bundesregierung beweisen zu können. Ich lese Ihnen auch Zahlen vor, und zwar in Bezug auf die Entwicklung der Arbeitslosenquote in Europa. Nehmen wir das letzte Jahr her! Da hat die Regierung eine Verantwortung zu tragen – nicht nur sie, sondern auch die Wirtschaft –, klar!

Es gibt zwei Länder in Europa, in denen der Anstieg der Arbeitslosigkeit zwischen März 2001 und März 2002 besonders hoch ist: Österreich mit 0,6 Prozent und Irland mit 0,7 Prozent. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Absolut-Niveaus!)  – Kommen Sie mir nicht mit den absoluten Niveaus, ich rede vom Anstieg.

Herr Bundesminister Bartenstein! Sie werden doch nicht glauben, dass Sie in diesen eineinhalb, zwei Jahren dafür verantwortlich gemacht werden können, dass der Anstieg nicht noch höher oder noch geringer ausgefallen ist! (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Irland ist ein super Land!) Wir hatten bis zum Jahr 2000 den Spitzenreiterplatz bei der Arbeitslosigkeit im positiven Sinn. Wir


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 137

haben den Spitzenreiterplatz verloren. Das wissen Sie. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. ) – Mit Luxemburg gemeinsam.

Wir sind nicht mehr Spitzenreiter, und wir sind, gleich wie Irland, jenes Land, das den höchsten Anstieg in der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen hat, während es immerhin sechs Ländern in der Europäischen Union gelungen ist, die Arbeitslosigkeit in diesem einen Jahr zu senken. Und diese Länder waren ebenso wie Österreich auch alle von den Umständen der Weltwirtschaft erfasst.

Mich würde Ihre Antwort darauf interessieren, weshalb diesen Ländern etwas gelingt, was uns nicht gelingt. Das wäre die spannende Frage. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Mich würde interessieren, weshalb Österreich, gleich wie Irland, in diesem einen Jahr den höchsten Anstieg in der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen hat.

Da werden Sie wohl auch um Antworten nicht verlegen sein, wenn Sie im Zitieren von Zahlen schon so gut sind. Sie haben keine Antwort. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Deutschland!)  – Kommen Sie mir nicht mit Deutschland! Sie legen mir den Ball auf, Herr Bundesminister! In der Bundesrepublik hat der Anstieg in diesem einen Jahr 0,3 Prozent, in Österreich 0,6 Prozent ausgemacht. Schauen Sie es sich an! Ich kann Ihnen die Zahlen gerne geben. (Abg. Böhacker: Von welchem Niveau?)

Ich halte das gegenseitige Aufrechnen für falsch, um das noch einmal zu erklären (Abg. Böhacker: Sie rechnen gerade auf!), aber was ich bei der Betrachtung für wichtig halte, ist, die Antwort auf die Frage herauszuarbeiten, was in einem Land passiert, das den höchsten Anstieg zu verzeichnen hat und dessen Regierung sich dann hinstellt und sagt: Wir haben etwas zu feiern. Wir haben Arbeitsplatzkompetenz. – Was ist denn los mit dieser Bundesregierung? – Nichts haben Sie an Arbeitsplatzkompetenz! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Dort, wo Sie konkrete Beispiele genannt haben, hat sich leider herausgestellt: Es war nicht so, es war anders, es war schlechter!

Meinetwegen brauchen Sie dafür nicht die Verantwortung zu übernehmen, aber dann dürfen Sie sich nicht hier herstellen! Dort, wo es um die Zahlen geht, liefern Sie nichts, was irgendwie auf Arbeitsplatzkompetenz hinweisen würde. Die EU, auch die OECD weisen darauf hin, dass wir in Österreich einen Anstieg an Arbeitslosigkeit zu verzeichnen haben. Sie weisen warnend darauf hin, weil es andere Länder gibt, denen es gelungen ist, entweder den Anstieg zum Stillstand zu bringen oder in positive Beschäftigungszahlen und in einen Rückgang von Arbeitslosigkeit umzuwandeln. Das ist Österreich in diesen zwei Jahren, seit Sie regieren, leider nicht gelungen. Das wird man wohl auch als Bilanz für Ihre Tätigkeit hernehmen und zur Beurteilung heranziehen müssen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesregierung und ihre Vertreter auftreten und sagen: Wir haben ein Konzept für die Kinderbetreuung. Wir haben ein Konzept für ganztägige Schulformen, weil das wichtig ist. Wir haben ein Konzept für Altenbetreuung, und wir setzen das in drei, vier oder fünf Jahren um. – Wo sind diese Konzepte? Nichts haben Sie gesagt, nichts, was auch nur irgendwie darauf hinweisen würde, dass diese Bundesregierung die Verantwortung für Beschäftigung auch mit übernimmt und dass sie dort, wo sie selbst diese Beschäftigung nicht schaffen kann, positiv auf die Wirtschaft einwirkt, um die Wirtschaft dazu zu bringen, diese Beschäftigung zu schaffen! Nichts haben Sie in dieser Richtung getan. Nichts haben Sie uns vorgestellt. Eine billige Polemik haben Sie geliefert – und das, muss ich sagen, reicht mir!

Jeder, der dieser Debatte hier zuhören müsste, würde sich fragen: Was wird denn da für uns getan? Wo sind denn die Antworten? – Die Leute draußen und auch die wenigen Zuhörerinnen und Zuhörer genauso wie die Abgeordneten hier herinnen haben das Recht, von Ihnen Konzepte vorgelegt zu bekommen, denn die Zahlen sind nicht beglückend. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die wollen die Polemik nicht hören!) Sie sind nicht berauschend, sondern sie sind – im Gegenteil! – negativ. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 138

Meine Damen und Herren! Ich nenne noch eine Zahl. Der Herr Bundeskanzler hat von 35 000 Personen gesprochen, die derzeit auf Schulung sind. Herr Bundeskanzler! Sie wissen genau, dass diese 35 000 Personen nicht jene 20 Prozent ausmachen, die Sie nach dem NAP in Maßnahmen bringen müssten. Das sind weniger als diese 20 Prozent. Sie sagen das nicht, sondern Sie sagen 35 000, und Sie verschweigen, dass Sie nicht einmal den Anforderungen des NAP, der für Sie ohnehin geringe Bedeutung hat, gerecht werden.

Es sind weniger als diese 20 Prozent, die Sie in Beschäftigung oder in Maßnahmen bringen müssten. Deshalb bringe ich einen Entschließungsantrag ein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Öllinger, das geht leider nicht mehr. Das muss Frau Abgeordnete Dr. Petrovic machen. Man kann nicht mit der Einbringung anfangen, wenn die Redezeit schon abgelaufen ist. Ich bitte Sie um einen kurzen Schlusssatz. (Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung des Abg. Öllinger –: Auf Wiedersehen!)

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Der kurze Schlusssatz lautet: Machen Sie etwas für Beschäftigung und für die Arbeitslosen in diesem Land – und reden Sie nicht nur! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. In der Debatte zur Dringlichen Anfrage darf kein Redner länger als 10 Minuten reden. – Bitte, Herr Bundesminister.

16.28

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Einleitend möchte ich zweimal danke sagen; zum einen, weil es mir und uns allen eine Herzensangelegenheit war, dass die Familienhospizkarenz auf breite Zustimmung im Hohen Haus stößt. Das ist letztlich gelungen. Danke an alle, die ihren Beitrag dazu geleistet haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Zweiten gilt mein Dank dem Präsidenten Verzetnitsch, denn das ist gelebte Sozialpartnerschaft, wenn Sie auch in dieser Debatte – von der Sache aus meiner Sicht völlig richtig – "Mitarbeitervorsorge" zur "Abfertigung neu" sagen. Das ist ein Jahrhundertprojekt, und ich bin sicher, dass wir das gemeinsam im restlichen parlamentarischen Verlauf gut bewältigen werden, Herr Präsident Verzetnitsch! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt zu einigen Rednern von der Opposition kommen, die einfach von den Fakten her danebengelegen sind, das Falsche gesagt haben. Wenn man über Coca-Cola spricht, Herr Abgeordneter Öllinger, dann muss man einfach wissen: Coca-Cola in Wien ist eines von ungefähr 20 Regional Headquarters weltweit. Von Wien bis Wladiwostok und weit in den Nahen Osten hin ist man von Wien aus verantwortlich. Coca-Cola hat eines von 1 000 Headquarters, die aus aller Welt in Wien angesiedelt worden sind und in denen von Wien aus, von Österreich aus, auf Grund der gegebenen Standortqualität dieser Stadt und dieses Landes, Mittel- und Osteuropa versorgend bearbeitet werden. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Ich darf Sie darüber informieren, dass gerade vor einigen Tagen JVC, der bedeutende japanische Unterhaltungselektronikhersteller, bewusst sein Regional Headquarter für Mittel- und Osteuropa von London nach Wien verlegt hat. Das sind Standortqualitätsbeweise, wie wir sie uns wünschen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich kann Ihnen einen Wunsch nicht erfüllen, nämlich Ihnen nicht mit Europa zu kommen. Ich komme Ihnen mit Europa, ich bringe den Vergleich der europäischen Arbeitslosigkeit, ich bringe letztlich auch einen Vergleich innerhalb Österreichs, denn einem Benchmarking müssen wir uns stellen: als Mitglied der Europäischen Union innerhalb Europas und als Österreicher natürlich auch einem Benchmarking innerhalb der Standorte und der Bundesländer Österreichs.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 139

Warum sollen wir denn nicht die Bundesländer miteinander in ein Benchmarking bringen? – Da tanzt Wien im Moment und zurzeit eben – ich bedauere das zutiefst – in vielerlei Beziehung aus der Reihe. Sie sagen, die Zahl der Menschen in Schulung gehört erhöht. Wenn auf Grund der Umstrukturierung im AMS Wien – da sind die Sozialpartner wesentlich mitverantwortlich –, die von der Sache her richtig ist – der Herr Bundeskanzler hat das in seiner Anfragebeantwortung gesagt –, da die alten gewerkschaftlichen Strukturen in den Fachbereichsarbeitsämtern aufgehoben werden, einige tausend Arbeitslose in Wien zurzeit weniger in Schulung sind als noch vor einem Jahr, so muss das angemerkt werden. Das sind harte Fakten. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Öllinger meint zwar, bei Semperit und auch bei einigen anderen Unternehmen, auch in Steyr, sind Arbeitsplätze verloren gegangen, aber ich muss sagen, das ist falsch! Das Gegenteil ist richtig. Durch eine Megainvestition wird nicht nur der Standort abgesichert, noch mehr BMW-Motorenkompetenz nach Steyr verlagert, sondern es werden damit auch Arbeitsplätze geschaffen. Das müssen auch Sie, sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger, zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Präsident Verzetnitsch hat gesagt, er habe davon Kenntnis, dass uns auf der Galerie auch arbeitslose Menschen zuhören (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch )  – jetzt sind sie nicht mehr im Saal –, und es wurde die Frage gestellt: Was hilft es ihnen denn, Aussagen über Steigungsraten und Ähnliches zu hören? – Für sie ist doch wesentlich, wie viele Arbeitsplätze und wie viele Beschäftigungslose es in Österreich gibt! Diese 230 000 per Ende April sind uns allen zu viel, das steht völlig außer Frage. Aber einem EU-Benchmarking sollten wir uns schon stellen. Da sehr gekünstelt darzustellen, dass die Steigerung in Österreich anders ist – nun ja, wir haben eben eine der niedrigsten Arbeitslosenraten unter diesen Ländern, und da fällt manches höher ins Gewicht.

Lassen Sie mich festhalten: Wir sind hinter den Luxemburgern und Holländern die Nummer drei in Bezug auf die niedrige Arbeitslosigkeit. Das sind wir schon seit langem. (Abg. Dr. Petrovic: Wir waren einmal Nummer eins!) Es ist leider nicht richtig, dass wir irgendwann einmal Spitzenreiter in Europa gewesen wären. Seien wir froh, dass wir – da schließe ich das AMS durchaus mit ein – in vielen anderen Substrukturfragen, in Sachen Jugendarbeitslosigkeit, in Sachen ältere Arbeitnehmer, in Sachen Frauenbeschäftigung, in Sachen Rückgang der Langzeitarbeitslosen eine gute Politik machen, denn da ist der Arbeitsmarkt strukturell auf dem Weg der weiteren Verbesserung, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer, gestatten Sie mir, weil Sie den Weg einer tatsächlichen Berichtigung in Sachen Saisonniers gewählt haben, dass ich Ihre tatsächliche Berichtigung noch einmal tatsächlich richtig stelle. Tatsächlich richtig ist in Sachen Saisonniers, dass wir im gewichteten Jahresdurchschnitt des Jahres 2001 7 743 Saisonniers in Österreich hatten – im gewichteten Jahresdurchschnitt. Alles andere kann nur einer wilden politischen Phantasie oder einfach einem Rechenfehler entspringen – ganz egal, ob Sie einmal 80 000 oder ein anderes Mal 32 000 sagen. (Abg. Dr. Stummvoll: Das schreit nach einem Mitarbeiterwechsel! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ebenfalls leicht nachvollziehbar ist, Herr Abgeordneter Gusenbauer, dass es keinesfalls denkbar ist, dass zurzeit alle Branchen Saisonniers beschäftigen. Herr Abgeordneter Gusenbauer, wenn Sie mir kurz noch das Ohr schenken wollen, damit Sie es dann für die Zukunft wissen: Saisonniers kann ich als Arbeitsminister für den Bereich der Landwirtschaft und für den Bereich des Tourismus genehmigen. Sie haben das wahrscheinlich mit einem Begutachtungsentwurf verwechselt, der zurzeit gerade in Bearbeitung ist – aber Gesetz ist zurzeit etwas anderes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich damit zum Schluss kommen und zu dem Benchmarking, dem ich mich auch sehr gerne stelle, auch durchaus selbstkritisch, und zu dem, was der Bundeskanzler gesagt hat, noch das eine oder andere hinzufügen. Seien wir


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 140

doch stolz darauf, dass wir zurzeit – das ist letztlich auch die Leistung des Handels in diesem Land – Inflationseuropameister sind in den ersten Monaten, in diesen kritischen Monaten nach der Euro-Einführung, die so großartig geklappt hat – eine weitere nationale Kraftanstrengung, die gezeigt hat, dass uns Österreichern dann, wenn wir zusammenhalten, diese Dinge gelingen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In diesen kritischen Monaten gab es in keinem Land Europas eine niedrigere Inflationsrate als in Österreich. Wie gesagt, Dank an alle Beteiligten! Diese gefühlte Inflation, von denen in Deutschland manche jetzt sprechen wollen, gibt es bei uns so nicht, diese fühlt niemand. Ich will gar nicht verhehlen, dass auch manch kritisches Wort der Konsumentenschützer in der AK hier seinen Beitrag geleistet haben mag, ebenso wie die Aufrufe zu Disziplin der Anbieter durch den Bundeskanzler und den Präsidenten der Wirtschaftskammer.

Lassen Sie mich auch – damit schließe ich – Folgendes sagen: Wir haben uns in der Vergangenheit oftmals mit Deutschland verglichen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland als unser bei weitem wichtigster Handelspartner – auch heute, trotz EU-Mitgliedschaft; etwa ein gutes Drittel unserer Außenwirtschaft läuft mit und über Deutschland – war für uns Vorbild, war die Lokomotive in Sachen Konjunktur für uns in Europa. Ich will das jetzt gar nicht ausschließlich der rot-grünen Regierung zuschreiben, aber ein bisserl etwas wird sie schon damit zu tun haben, dass aus dieser Konjunkturlokomotive jetzt in Europa der Waggon mit der roten Laterne geworden ist und dass Deutschland in fast keiner Beziehung mehr Vorbild für uns ist, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wenn ich mir vor Augen halte, dass wir zwar 230 000 Arbeitslose zu viel haben, aber bei den Deutschen diese Zahl bei über 4 Millionen liegt, wenn ich mir vor Augen halte, dass wir mit Finanzminister Grasser ein ausgeglichenes Budget im Jahr 2001 darstellen konnten, die Deutschen aber blaue Briefe abwehren müssen und fast 3 Prozent Budgetdefizit haben, wenn ich mir vor Augen halten muss, dass auch das Wachstum in Deutschland ein entsetzlich niedriges ist, wir zwar auch nicht besonders glänzend dastehen, aber immerhin um 0,4 oder 0,5 Prozentpunkte darüber liegen, dann, glaube ich, sollte man auch dieses innereuropäische Benchmarking einmal offen aussprechen und sagen: Die Strukturdaten in Österreich stimmen, die Strukturpolitik der Bundesregierung – auch im Rahmen des Konjunkturbelebungspaketes – war richtig. Es war richtig, nicht Geld hinauszuwerfen, neue Schulden zu machen, die dann unsere Kinder wieder belasten, sondern in Forschung und Entwicklung, in die Bildung zu investieren. Das waren vollkommen richtige Maßnahmen.

Es zeigt sich auch schon. Selbst Wifo und IAS sagen, dass allein im dritten und vierten Quartal die Konjunktur so anziehen sollte, dass auch da schon deutlich höhere Wachstumsraten als 1 Prozent erzielbar sein sollten. Im Jahr 2003 sollte es dann doch deutlich über 2 Prozent gehen; die Wirtschaftsforscher sagen uns knapp 3 Prozent voraus. Auf diese Zeit freue ich mich naturgemäß schon sehr, denn dann macht es natürlich wiederum noch deutlich mehr Freude, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik zu betreiben. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Bures. – Bitte. (Rufe bei der ÖVP: Soziale Kälte! Soziale Kälte!)

16.38

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme an, Sie wissen, weshalb Sie von sozialer Kälte reden. (Abg. Schwarzenberger: In Wien! – Weitere Rufe bei der ÖVP: In Wien!) Es ist nämlich jene, die auf Grund der Politik, die diese Bundesregierung macht, durch das Land zieht. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Sie haben heute wieder bewiesen: Sie sind Meister im Schönreden, und Sie sind Meister im Abschieben von Verantwortung. Darin begründet sich offensichtlich auch die Notwendigkeit für Ihre Werbekampagne, in der Sie von Verantwortung reden, denn tagtäglich kann man miterleben – auch heute wieder jene, die Sie gehört haben –,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 141

wie verantwortungslos Sie mit dem Problem Arbeitslosigkeit und den davon betroffenen Menschen umgehen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Arbeitslosigkeit steigt in Österreich dramatisch an, und Sie gehen arrogant damit um. Kollege Tancsits stellt sich hierher und sagt: Wir setzen unseren Kurs der Vollbeschäftigung fort! – 230 000 Menschen haben keine Arbeit, um 40 000 Menschen mehr als im Vorjahr, und daher sind Ihre Wortmeldungen, die Sie hier abgegeben haben, arrogant! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Was ist das für ein Ton, Frau Kollegin Bures?)

Wirklich bedauerlich ist nicht nur, dass Sie nicht gegensteuern, was eigentlich Aufgabe von verantwortungsvoller Politik wäre, sondern dass Sie das Gegenteil machen. Sie belasten zusätzlich jene Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, indem Sie Arbeitslosengeld kürzen, indem Sie jenen arbeitslosen Menschen, die auch noch Kinder zu versorgen haben, das Kindergeld, den Kinderzuschuss kürzen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Tancsits. ) Sie nehmen die Mittel aus der aktiven Arbeitsmarktförderung, schöpfen sie ab und reduzieren damit die Chance auf Qualifikation und Wiedereinstieg nach der Kinderpause. Das ist die fatale Politik, die Sie machen! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist auch der Beweis dafür, dass Ihnen diese Menschen völlig egal sind: dass Sie Arbeitslosigkeit schlicht und einfach in Kauf nehmen. Sie nehmen diese Arbeitslosigkeit in Kauf und sagen so quasi, diese arbeitslosen Menschen seien selbst für ihr Schicksal verantwortlich. Aber es ist Ihre Politik, die Menschen arbeitslos macht! Ich möchte im Folgenden ein Beispiel anführen:

Wenn der Anstieg der Zahl arbeitsloser Menschen bei den über 60-Jährigen etwa 60 Prozent beträgt, dann ist daran Ihre Politik schuld, eine Politik, die Menschen nach einem oft sehr langen und sehr mühsamen Erwerbs- und Arbeitsleben in die Arbeitslosigkeit drängt, weil Sie, was die vorzeitige Alterspension betrifft, schlicht und einfach drüberfahren. – Aber der OGH hat das aufgehoben, und das ist auch gut so! (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz besonders zynisch finde ich es, wenn Sie sich über die Arbeitslosigkeit in einzelnen Bundesländern ereifern. Ich finde es besonders zynisch, über die Situation in Wien zu reden, aber außer Verschlechterungen festzustellen, was den Arbeitsmarkt betrifft, nicht einen einzigen Vorschlag zu machen. – Sie sind dafür verantwortlich, wie sich die Arbeits- und Beschäftigungssituation in Österreich gestaltet!

Herr Bundesminister Bartenstein! Sie sind für den Arbeitsmarkt verantwortlich! Schauen Sie daher bitte, wenn die Arbeitslosigkeit steigt, nicht zynisch auf einzelne Bundesländer, sondern setzen Sie Maßnahmen in Richtung Beschäftigung und Investitionen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Habt’s ihr ein Problem in Wien?)

Sie haben auch diese Verantwortung, Herr Bundesminister. Da fand ich in der ganz aktuellen Zeitung des Gemeindebundes – Sie werden ihn kennen; drei Viertel des Gemeindebundes sind der ÖVP zuzurechnen – eine große Schlagzeile: Aus Geldmangel ... (Abg. Mag. Schweitzer  – sich dem Rednerpult nähernd –: Nur einen Meter von mir weg sind Sie gestanden, mit fünf anderen Cheerleaderinnen! – Sie war eine von fünf Mädels da!) Herr Präsident, darf ich bitten? – (Abg. Mag. Schweitzer: Fünf Mädels waren da! Vor mir sind sie gestanden!) Wollen Sie reden? (Abg. Parnigoni  – in Richtung des Abg. Mag. Schweitzer –: Bist du ang’soff’n oder was?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Frau Abgeordnete Bures, und den Kollegen Schweitzer bitte ich, friedlich seinen Platz einzunehmen! (Abg. Mag. Schweitzer  – auf Abg. Parnigoni weisend –: Herr Präsident! Der Herr Abgeordnete Parnigoni ...! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Präsident! Warum rügen Sie nicht den Herrn Parnigoni?)

Ich bitte Frau Kollegin Bures, ihre Rede fortzusetzen!

Abgeordnete Doris Bures (fortsetzend): Herr Schweitzer! Ich muss ehrlich sagen, ich fühle mich auch als Frau, als Abgeordnete dieses Hauses von Ihnen sehr bedrängt, wenn Sie in


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 142

dieser aggressiven Art – und das tun Sie jedes Mal, wenn eine Kollegin hier spricht – auf mich zugehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn Sie nicht mehr aushalten als den Abgeordneten Schweitzer, dann tun Sie mir Leid! – Abg. Mag. Schweitzer: Können Sie sich erinnern, als ...?) Das ist der Würde dieses Hauses nicht angemessen! Benehmen Sie sich bitte nicht wie ein Flegel, Herr Kollege!

Ich möchte einen Punkt ansprechen, weil er mir sehr wichtig ist: den Geldmangel der Gemeinden. Alle Bürgermeister hier wissen es: Dafür hat die Bundesregierung die Verantwortung zu tragen. In Wien bedeutet das, 5 Milliarden Schilling weniger Geld zu haben. – Schieben Sie die Verantwortung nicht ab, sondern übernehmen Sie sie!

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie hier die Situation der Kinderbetreuungseinrichtungen in Wien ansprechen und dabei fast eine Krokodilsträne vergießen, muss ich sagen: Es ist äußerst unglaubwürdig, was Sie hier tun, denn alle Frauen, die in Wien leben, hier erwerbstätig sind und Kinder zu versorgen haben, kennen die Situation in Wien. In Wien gibt es bei Kinderbetreuungseinrichtungen einen Deckungsgrad von 98 Prozent. Und ein Drittel dieser Kinder zahlt keinen Schilling! (Abg. Dr. Spindelegger: 250 € im Monat!)

Nicht 250 €! Die zahlen keinen Schilling, weil der Kindergarten sozial gestaffelt ist, und das ist auch gut so. Wir machen Politik nicht mit der Gießkanne, sondern die, die das Geld brauchen, zahlen auch nichts für den Kindergarten. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie reden auch immer von rot-weiß-roter Politik. Ich habe fast den Eindruck, Sie schämen sich auch schon für diese blau-schwarze unsoziale Politik, die Sie tagtäglich machen, eine Politik, die auf die Menschen überhaupt keine Rücksicht nimmt. Und es ist auch richtig, dass Sie sich dafür schämen! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Achten Sie auf Ihre Gesundheit!)

Rot-weiß-rote Politik ist das nicht, denn Sie tun nichts für die Betroffenen. Und die Diskussion heute hat gezeigt: Dieses Land braucht einen Kurswechsel. (Beifall bei der SPÖ.)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Redezeit: 7 Minuten. (Abg. Mag. Schweitzer: Herr Präsident! Parnigoni! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Präsident! Der Abgeordnete Parnigoni hat gesagt, der Abgeordnete Schweitzer ist besoffen!)

Der nächste Redner ist nicht Abgeordneter Parnigoni, sondern Abgeordneter Dolinschek, und der hat jetzt das Wort!

16.45

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Kollegin Bures, ich bin auch dagegen, dass Leute hier vor den Bänken stehen und dreinreden, wenn jemand am Rednerpult ist, aber ich erinnere Sie daran, wie Sie mit Ihren Kolleginnen hier gestanden sind und blöd herumhantiert haben, als Kollege Schweitzer gesprochen hat. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber wie!) Also gleiches Recht für alle Abgeordneten, Frau Kollegin! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Prammer: Können Sie sich vielleicht auch noch erinnern, warum das so war? Wissen Sie das noch?)

Frau Kollegin Bures, Sie haben einen Kurswechsel angesprochen, einen Kurswechsel, den die Bundesregierung vollziehen sollte. Dieser Kurswechsel wurde vor genau zweieinhalb Jahren vollzogen, als diese Bundesregierung angetreten ist. Das war ein Kurswechsel, der erfolgreich war, denn die Politik, die von Seiten der SPÖ während der letzten 30 Jahre betrieben worden ist, hat nämlich genau diese Auswüchse hervorgebracht, die Sie jetzt bekritteln.

Es sind viele Vorschläge in dieser Dringlichen Anfrage enthalten, die total überzogen sind, die einer Dramaturgie ähneln. Es gibt aber auch Vorschläge, denen ich mich vollinhaltlich an


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 143

schließe, so wie sicherlich viele hier, aber wir sind auf dem besten Weg, auch diese Dinge umzusetzen.

Dass man jetzt eine Hinaufsetzung des Pensionsantrittsalters fordert, dazu ist zu sagen: Das Pensionsantrittsalter ist in Österreich für Männer 65 Jahre, für Frauen 60 Jahre. Daran hat sich überhaupt nichts geändert! Das Einzige, das sich geändert hat: Bei uns werden die Menschen nicht in die Frühpension geschickt. Unter Ihrer Regierung war Österreich das Land der Frühpensionisten.

Auch Ihr Pensionsexperte und Berater, Professor Bernd Marin, der auf Ihrer Gehaltsliste steht, hat immer wieder gepredigt, als Sie noch die Hauptverantwortung in diesem Haus getragen haben: Wir müssen länger arbeiten oder weniger Pension bekommen – oder wir müssen höhere Beiträge zahlen. Auch die Nettoanpassung haben Sie eingeführt. – Das kennen wir bereits alles; wir kennen die Quadratur des Kreises. (Abg. Verzetnitsch: Auf wessen Gehaltsliste steht der?)  – Auf der SPÖ-Gehaltsliste selbstverständlich! Das war doch immer Ihr Berater. Selbstverständlich! Den haben Sie doch bei allen Enqueten hier gehabt, damit er uns das eingebläut hat.

Herr Präsident Verzetnitsch! Sie haben ... (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Verzetnitsch. )

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Kollege Verzetnitsch, am Wort ist der Redner!

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (fortsetzend): Sie haben sehr interessante Dinge angesprochen in Ihren Ausführungen, Dinge, an die ich Sie in Zukunft noch erinnern werde. Gewisse Dinge werden wir sicher noch umsetzen, und dann werde ich Sie daran erinnern, damit Sie dann auch mitstimmen.

Die Belastungspakete sind ebenfalls angesprochen worden. Ich erinnere die SPÖ an die Belastungspakete von 1996 und 1997. Diese haben eine ganze Reihe von Belastungen gebracht, und dadurch wurde die Kaufkraft der Österreicher enorm geschwächt. Sie haben die Lohn- und Einkommensteuer erhöht, Sie haben die Körperschaftsteuer erhöht, Sie haben die Kapitalertragsteuer erhöht, Sie haben die Tabaksteuer, die Umsatzsteuer und die Versicherungssteuer erhöht.

Die Gebühren und Abgaben wurden ebenfalls erhöht: beim Rundfunk, bei den Rezepten und so weiter. Jedes Jahr ist irgendetwas erhöht worden. Die Höchstbeitragsgrundlage wurde angehoben, gleichzeitig wurden die Normverbrauchsabgabe, die Energieabgabe auf Strom und Gas und die Stempelgebühren erhöht. – Das alles in der Zeit, als Sie die Hauptverantwortung getragen haben!

Und was seit 1996 alles gekürzt worden ist – das ist eine ganze Litanei: das Karenzgeld in Dauer und Höhe; es wurde von uns wieder verlängert. Weiters: Pflegegeld, Bausparen, allgemeiner Absetzbetrag, Absetzbarkeit von Sonderausgaben, Steuerfreiheit von Überstunden, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Das alles wurde gekürzt in der Zeit, als Sie die Hauptverantwortung getragen haben, und jetzt kritisieren Sie diese Bundesregierung!

Unter SPÖ-Regierungsverantwortung wurden seit 1996 gestrichen: die Geburtenbeihilfe, die Studentenfreifahrt, die Schülerfreifahrt. – Und dann kritisiert man diese Bundesregierung, die jetzt auf dem besten Wege ist, alles besser zu machen? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich gebe den Rednern von der Opposition Recht, die gemeint haben, dass es eine weltweite Rezession gibt und Österreich davon nicht verschont geblieben ist. Aber diese Bundesregierung hat das Beste daraus gemacht, denn im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten und auch zur übrigen Welt stehen wir sehr, sehr gut da.

So haben wir beispielsweise die niedrigsten Arbeitslosenzahlen. Ähnlich gut ist es in Europa nur in Luxemburg und den Niederlanden. Sie aber sagen: Die Arbeitslosenzahlen explodieren! –


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 144

Wo explodieren sie denn! Wo denn? – In der Zeit, als Sie die Verantwortung getragen haben, sind sie explodiert.

Im Übrigen: Schauen Sie ein bisschen zu unserem Nachbarn, in die Bundesrepublik Deutschland! Dort hat Rot-Grün die Verantwortung, und dort explodieren die Arbeitslosenzahlen. Dort explodieren sie wirklich!

Eine Beschäftigungsoffensive wird eingefordert. – Eine Beschäftigungsoffensive hat diese Bundesregierung bereits im Jahr 2001 gestartet. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Es wurde die Behindertenmilliarde eingeführt. 43 000 Menschen, behinderte Arbeitslose, haben dadurch eine Arbeitsstelle gefunden. Sie werden im Arbeitsprozess begleitet, beim Übergang von der Schule ins Berufsleben gibt es eine Begleitung, und es werden Schwerpunkte für Jugendliche und für Ältere gesetzt.

Fachkräftemangel. – Herr Präsident Verzetnitsch: Keine Frage, da muss die Wirtschaft handeln. Die Wirtschaft fordert selbstverständlich Fachkräfte, und es ist sicher notwendig, der von Ihnen angesprochenen Tendenz gegenzusteuern.

Jeder Arbeitslose ist auch mir einer zu viel, aber wir sind uns doch darüber einig, dass wir im internationalen Vergleich eine relativ geringe Arbeitslosenrate haben. Dennoch wird gegengesteuert, und zwar durch das Konjunkturbelebungsprogramm, durch die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung.

Es sind auch die Saisonniers angesprochen worden. – Jawohl, 8 000 Saisonniers können für alle Branchen zur selben Zeit in Österreich eingesetzt werden. 8 000 – und nicht mehr. Wie Sie, Herr Klubobmann von der SPÖ, auf 80 000 kommen, ist mir nicht klar. Eine Null ist an sich nur eine Null, aber wenn man damit aus 8 000 die Zahl 80 000 macht, dann bedeutet das eine Differenz von 72 000, und das stimmt nicht!

Diese 8 000 Saisonniers werden auch vom Arbeitsmarktservice dahin gehend überwacht, dass sie auch richtig eingesetzt werden. Es gibt zur Belebung dort zusätzlich noch private Arbeitsvermittler, die dadurch aufgewertet werden. (Abg. Dr. Pumberger: Eine Kommastelle macht dem Gusenbauer nichts aus!) Die macht ihm nichts aus, nein.

Beruf und Familie, Kind und Karriere – auch diese Thematik wurde angesprochen, ebenso der Wiedereinstieg am Arbeitsmarkt und die Jugendarbeitslosigkeit. Die Jugendarbeitslosigkeit ist bei uns ebenfalls am geringsten in ganz Europa; daran möchte ich Sie nur erinnern.

Die Ausbildung der Lehrlinge und der Facharbeiter. – Wir haben so einen Fonds gehabt. Ein Lehrlingsfonds wird eingerichtet. Da sind Sie mit mir ungefähr auf einer Wellenlänge, denn ich habe auch immer die Meinung vertreten, dass jene Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, zusätzlich gefördert werden sollten, und jene, die keine ausbilden, etwas dafür bezahlen sollten. Keine Frage. Der öffentlichen Hand muss das auch etwas wert sein, denn jeder Schüler, jeder Student ist der öffentlichen Hand etwas wert, aber der Lehrling eben weniger.

Einen solchen Fonds haben wir mit dem "Euroteam" gehabt. Was dort passiert ist, haben wir alle gesehen, und solche Dinge wollen wir vermeiden. Wir gehen daher andere Wege: Es sind neue Lehrberufe geschaffen worden, es gibt neue Modelle, im Rahmen derer man die Matura mit einer Lehrabschlussprüfung machen kann, wie zum Beispiel für IT-Berufe in Althofen in Kärnten, ein Modell, das der Landeshauptmann von Kärnten, Dr. Jörg Haider, dort eingeführt hat. Zukunftsweisend ist auch eine Teillehre für jene, die nicht in der Lage sind, eine Lehre so abzuschließen, wie wir es gewohnt sind.

Wir wollen auf unsere Jugend setzen, denn die Jugend muss ausgebildet und die Jugend muss beschäftigt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Jawohl!)

Umfassende Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen für Frauen werden ebenfalls gefordert. Online-Kurse als wichtiges Zusatzangebot werden angeregt. Da bin ich auch Ihrer Meinung; das ist in Ordnung. Aber wer kann das? Kann das jede Frau, die in Karenz ist und


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 145

wieder in den Beruf einsteigen will? Das ist nur für eine gewisse Klientel, die sich einen PC leisten kann, die zu Hause einen Anschluss hat, die die Zeit dazu findet. Jede Frau kann das nicht. Die Kassiererin an der Registrierkasse wird sich das nicht leisten können. Das wird nicht gehen. (Abg. Sophie Bauer: Hospiz!)

Bei der Familienhospizkarenz ist es ähnlich, aber dort kann es sich jeder leisten, weil er vom Familienhärteausgleichsfonds Geld bekommt, wenn er das in Anspruch nimmt.

Dass Frauen während der Karenz die Möglichkeit haben, an innerbetrieblichen Schulungen teilzunehmen: Da erinnere ich Sie, Frau Huber, daran ... (Abg. Sophie Bauer: Ich bin nicht die Frau Huber, ich bin die Frau Bauer!) Bitte um Entschuldigung! Frau Bauer.

Wenn wir diese Möglichkeit – während der Karenz innerbetriebliche Schulungen durchzuführen – einführen, werden Sie die Erste sein, die sagt: Um Gottes willen, jetzt muss die Frau, die in Karenz ist, in ihrer Freizeit Umschulungen im Betrieb machen, jetzt wird sie dazu verdonnert! (Abg. Sophie Bauer: Sie wollen ja, dass die Frauen so lange als möglich bei ihrem Kind zu Hause bleiben! – Abg. Achatz: Was ist daran schlecht?)

Richtig! Das ist ja auch in unserem Interesse. Nur, wenn wir das vorschlagen würden, würden Sie sagen, das ist Ausbeutung der Frauen, Aushöhlen der Karenzzeit und Sozialabbau. Das würden Sie sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wird zusätzlich gefordert, dass Kinderbetreuungseinrichtungen flächendeckend in ganz Österreich geschaffen werden, vor allem für Kinder bis zu drei Jahren. Diese Bundesregierung hat das Kinderbetreuungsgeld eingeführt. – Sie waren dagegen! Das Kinderbetreuungsgeld ist ein sozialpolitischer Meilenstein, weil jede Frau flexibel entscheiden kann, ob sie das Kind selbst aufzieht, ob sie es in eine Betreuung gibt, ob sie es in einen Kindergarten, in eine Kinderkrippe gibt, ob sie es zu einer Tagesmutter gibt und so weiter. Sie waren dagegen!

Die Öffnungszeiten bei den Kinderbetreuungseinrichtungen. – Soll das rund um die Uhr sein? Wie soll das sein? Das ist alles eine Frage des Preises. In Wien, haben wir gehört, gibt es gestaffelte Kindergartenpreise. Wenn ein Kindergarten von sechs Uhr oder fünf Uhr in der Früh an offen hat, wenn Sie das haben wollen, oder wenn er bis 20 Uhr offen haben soll, wird es halt ein bisschen teurer sein. Das ist ja keine Frage. Wer aber kann sich das leisten? Wer kann sich das leisten? – Nur die Wohlhabenden, die Durchschnittsverdiener nicht.

Außerdem sind 76 Prozent der ÖsterreicherInnen mit den Öffnungszeiten zufrieden. Nur 24 Prozent wünschen sich ein längeres Offenhalten auch während der Ferien – das ist auch notwendig –, und jede zehnte Familie mit Kindern ...

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (fortsetzend): Jawohl, Herr Bundespräsident! (Lebhafte Heiterkeit.) – Herr Präsident! Bundespräsident sind Sie noch nicht. Das soll auch keine Aufforderung sein. Bitte um Entschuldigung!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um nichts anderes als um den Schlusssatz! (Neuerliche Heiterkeit.)

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (fortsetzend): Herr Präsident! Ich komme zum Schluss: Von dieser Regierung gehen zahlreiche Impulse aus. Die Bildungsoffensive ist umgesetzt worden, ebenso das Kinderbetreuungsgeld, die Familienhospizkarenz, die Konjunkturbelebung, die "Abfertigung neu" wird noch in Angriff genommen, ebenso die Gewerbereform und die Steuerreform. Sie reden nur darüber – diese Regierung handelt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich Folgendes sagen:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 146

Herr Abgeordneter Parnigoni hat mir in einem persönlichen Gespräch – ich verfüge noch nicht über das Protokoll – gesagt, dass er den Ausdruck "Bist ang’soff’n?" verwendet hat. Ich habe für diesen Ausdruck vor vier oder fünf Jahren einmal einem Abgeordneten einer anderen Fraktion einen Ordnungsruf erteilt. Ich werde selbstverständlich nicht mit zweierlei Maß messen und erteile auch Ihnen, Herr Abgeordneter Parnigoni, einen Ordnungsruf.

Ich füge aber hinzu, dass die Szene, die dem vorangegangen ist, nämlich dass sich eine Abgeordnete durch sehr aggressive Zwischenrufe sehr irritiert gefühlt hat und dann der betreffende Abgeordnete noch auf sie zugegangen ist, etwas ist, was mir auch andere weibliche Abgeordnete, auch anderer Fraktionen, schon mehrere Male geschildert haben. Ich bitte, das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen oder als spaßhaft zu betrachten. Ich würde ersuchen, dass man auch in dieser Beziehung – da kann ich nicht gleich einen Ordnungsruf erteilen – ein bisschen sensibler ist. Das wird jedenfalls dem Klima im Haus gut tun.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

16.59

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man die heutige Dringliche Anfrage verfolgt, könnte man sagen: Und er lernt nichts dazu, der Herr Gusenbauer. Wie weiland Don Quijote reitet er einen Angriff nach dem anderen gegen den Bundeskanzler, der seine Windmühlen in Form von tollen Leistungen entgegensetzt, und immer wieder bricht er ermattet zusammen. Und das Parlament fragt sich: Wie lange wird er das noch aushalten, der Herr Gusenbauer? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf Sie ermuntern: Machen Sie so weiter! Jeder Versuch wird den letzten Österreicher sicher machen. Ich danke Ihnen für jede dieser parlamentarischer Anfragen.

Jetzt zur Sache: Ja, es stimmt, der Konjunktureinbruch hat auch vor Österreichs Grenzen nicht Halt gemacht, und nach einer Rekordbeschäftigung im Jahre 2001 haben wir seit Jahresende auch erhöhte Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen. – Das freut niemanden in diesem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Nur: Wer allen Ernstes behauptet, dass diese Rückgänge hausgemacht sind, darf nicht erwarten, ernst genommen zu werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

In Anbetracht der Exportabhängigkeit der österreichischen Wirtschaft weiß jeder, dass wirtschaftliche Rückschläge unserer Handelspartner natürlich direkt Einfluss auf unsere eigene Konjunktur haben – und das zeigt sich besonders bei jenen Betrieben, die eingebettet sind in internationale Konzernverbände. Diese Dramatik mussten wir beispielsweise in der Steiermark bei Philips/Lebring zur Kenntnis nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Trotzdem steht Österreich im internationalen Vergleich immer noch besser da als viele unserer europäischen Partner; die Zahlen sprechen ja für sich. Jeder nennt da eine andere Statistik, Herr Öllinger (Abg. Öllinger: Ich habe die besseren!), aber wenn Sie sich diese Zahlen wirklich genau anschauen, können Sie, was die Arbeitslosenzahlen im EU-Raum betrifft, erkennen: März 2002: Österreich 4 Prozent, Deutschland 8,1 Prozent, Frankreich 9 Prozent, Schweden 5,2 Prozent Arbeitslose. Erkennen kann man auch, dass es vor allem sozialistisch regierte Länder in Europa sind, die gerade diesbezüglich besonders schlechte Daten aufzuweisen haben. – Also auch da: Der Vergleich macht Sie sicher! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir können stolz darauf sein, das Richtige rechtzeitig getan zu haben. Ebenso können wir stolz sein auf Daten, die aus verschiedenen österreichischen Bundesländern kommen. Als Steirer möchte ich besonders darauf hinweisen, dass es uns in unserem Bundesland gelungen ist, im automotiven Bereich internationale Bedeutung zu erlangen. Und das ist kein Zufall, das kommt nicht von irgendwo, sondern dahinter steckt bein


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 147

harte Arbeit! Das zeigt auch, was initiative, von ÖVP-Landesräten gemachte Ansiedlungspolitik zu bewegen in der Lage ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Und das zeigt ebenso, was kreative Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Bildung und Forschung tatsächlich vermag. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich unserer Bundesministerin Gehrer herzlich danken (Zwischenrufe des Abg. Mag. Kogler ), der es gelungen ist, jeden siebenten Budget-Euro für den Bildungsbereich sicherzustellen, denn das ist die beste Investition für die Zukunft unseres Landes. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn es darum geht, Arbeitslose zu vermitteln, kommt dem AMS besonders Bedeutung zu. Die Devise muss aber lauten: Vermitteln – nicht Arbeitslose verwalten! Stolz bin ich darauf, dass wir im Zusammenhang mit dem Konjunkturbelebungsgesetz für die privaten Arbeitsvermittler bessere Bedingungen schaffen konnten, denn ich bin der Meinung, dass kreativer Wettbewerb auch das AMS dazu bringen wird, selbst kreativ zu sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Angeblich fehlende finanzielle Mittel, die hier von den Oppositionsparteien beklagt werden, können es nicht sein, wenn es um Kreativität auch in diesem Bereich geht. Und wenn man sich die Statistik anschaut, sieht man ja klar, Herr Abgeordneter Gusenbauer, dass es nicht richtig ist, dass dem AMS weniger Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik als in den letzten Jahren zur Verfügung stehen. Ich könnte Ihnen all diese Zahlen vorlesen. Diese Ihre Behauptung stimmt einfach nicht! Heuer, im Jahre 2002, haben wir mit 8,34 Milliarden Schilling den höchsten Betrag, der jemals für aktive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben wurde. Kreativität ist gefragt – auch seitens des AMS.

Da Frau Kollegin Bures hier behauptet hat, es gebe keine regionalen Unterschiede, möchte ich Ihnen sagen: Überall dort, wo Sozialisten das Sagen haben – egal, ob national oder international –, geht es mit der Zahl der Arbeitsplätze bergab!

Nur Betriebe schaffen Arbeitsplätze, und daher begrüßen wir die Initiative der Bundesregierung, in die Infrastruktur zu investieren, denn nur wenn man der Wirtschaft Aufträge gibt, kann diese auch Arbeitsplätze schaffen.

Gewährleistet sein muss aber auch, dass das Ziel dieser Bundesregierung, noch in dieser Legislaturperiode die Lohnnebenkosten zu senken, tatsächlich umgesetzt wird, denn eine Senkung der Lohnnebenkosten kommt allen zugute, meine sehr geehrten Damen und Herren.

In diesem Zusammenhang noch ein Zitat aus einer Wifo-Studie: Die Senkung der Lohnnebenkosten um 1 Prozent bringt – übertragen auf das Volumen der gesamten Lohnnebenkostensenkung – in etwa 30 000 zusätzliche Beschäftigte, meine Damen und Herren.

Willst du "kosten" von gesenkten Lohnnebenkosten, Herr Präsident Verzetnitsch? – Wenn ja, dann hören Sie bitte auf mit Ihren unsinnigen Werbeeinschaltungen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dazu gäbe es noch viel zu sagen, ich möchte aber in aller Kürze nur noch Folgendes anbringen: Herr Kollege Gusenbauer hat hier allen Ernstes behauptet, das Problem Jugendarbeitslosigkeit sei erst in dieser Regierung aufgetaucht. – Haben Sie vergessen, Herr Kollege Gusenbauer, Frau Kollegin Prammer, dass es eine "Euroteam"-Affäre in unserem Lande gab?! Können Sie das wirklich vergessen?!

Der damalige Bundeskanzler Klima hat doch diese "grandiose" Lehrlingsoffensive ins Leben gerufen! Es kann doch nicht so sein, dass Millionen Schilling an "Euroteam" gingen und dort lediglich verschleudert wurden! Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, erinnern Sie sich doch bitte an Ihre eigene Geschichte!

Sie von der SPÖ sprechen von einem Versagen dieser Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik. – Ich darf Ihnen dazu sagen: Diese Bundesregierung unter Bundeskanzler Wolfgang


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 148

Schüssel hat zahlreiche mutige Reformschritte gesetzt, die die Grundlage dafür bilden, dass auch in Zukunft die Arbeitsplätze in Österreich gesichert sind.

Und zu Ihnen, Frau Kollegin Bures: Unser Land braucht keinen Kurswechsel, denn es befindet sich bereits auf dem richtigen Kurs! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

17.07

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bringe zunächst folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik unter Mobilisierung der Rücklagen des AMS

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere jedoch die Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit sowie für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Gesetzesvorschlag zur Mobilisierung der Arbeitsmarktreserve des AMS vorzulegen.

Die zusätzlichen Mittel aus der Arbeitsmarktreserve dienen der Verstärkung der Bemühungen im Bereich aktive Arbeitsmarktpolitik und in diesem Rahmen ausschließlich der Aus- und Weiterbildung von arbeitslosen Menschen.

Die Mobilisierung dieser Mittel erfolgt zusätzlich zu den bereits vorgesehenen Budgetmitteln und führt zu keiner Reduktion des AMS-Budgets für 2002 oder den Folgejahren.

*****

Meine Damen und Herren! Als Herr Bundeskanzler Schüssel die Anfrage beantwortet hat, habe ich mich zurückversetzt gefühlt in die Schlussphase der rot-schwarzen Koalition, als damals nur mehr aufgerechnet wurde, welche Fehler der andere begangen hat und wo am meisten Kritik geübt werden kann. Ich glaube aber, Herr Bundeskanzler, das bringt uns keinen Millimeter weiter. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. ) – Ja, das stimmt, und ich werde auch noch auf das Beispiel Wien zu sprechen kommen, weil es dort viel gibt, was man auch kritisieren kann, aber ich verstehe nicht ganz, was diese Ätsch-Politik und das Mit-dem-Finger-auf-Wien-Zeigen eigentlich sollen, da Sie, Herr Bundeskanzler, hier immer wieder betonen, ein rot-weiß-roter Bundeskanzler sein zu wollen. Und dann kommt irgendjemand hier heraus und sagt: In Kärnten ist es aber noch schlechter – oder noch besser, je nachdem.

In Wirklichkeit ist es doch so: Das Einzige, was dadurch erreicht wird, ist eine Aufrechnung der Versäumnisse – und letztlich eigentlich ein Proporz der Fehler und Versäumnisse. Und das ist, wie gesagt, keine Politik, die auch nur irgendjemanden weiterbringen würde. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben gesagt, dass die Erwerbsbeteiligung der Frauen in Österreich steigt. Ja, das stimmt, das ist sehr erfreulich. Sie haben allerdings einen wichtigen Umstand nicht dazugesagt, nämlich dass die Qualität dieser Arbeitsplätze sehr zu wünschen übrig lässt, dass es – und da lasse ich die geringfügig Beschäftigten weg – ein Anwachsen von nicht mehr existenzsichernder Teilzeitbeschäftigung gibt, working poor, dass davon ganz überwiegend Frauen betroffen sind und dass eine Tendenz der EU dahin geht, die Qualität der Arbeit zu


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 149

hinterfragen, zu fragen, ob diese Arbeit existenzsichernd ist, wie es mit den Arbeitszeiten ausschaut, ob sie zusammenhängen oder ob Menschen, insbesondere Frauen, sich auf Abruf bereithalten müssen, wie es mit der sozialen Infrastruktur ausschaut, ob die Kinderbetreuungseinrichtungen und das öffentliche Verkehrsangebot zu den Arbeitsplätzen passen oder nicht. – Das alles bleibt offen, und darüber sollten wir reden.

Herr Bundeskanzler, wirklich in aller Form, ich habe den Eindruck, dass diesbezüglich – nicht in allen Bereichen, aber in vielen Bereichen – eine Verschlechterung eintritt, dass die Flexibilisierung, wie sie jetzt verlangt wird, nur mehr arbeitgeberseitig betrachtet wird und dass von den ArbeitnehmerInnen erwartet wird, dass sie sich irgendwie darauf einstellen und anpassen. Das führt in vielen Fällen dazu, dass Familien, dass Frauen, dass AlleinerzieherInnen buchstäblich – obwohl sie Arbeit haben – verarmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da auch Sie, Herr Bundeskanzler, so stark Bezug genommen haben auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, möchte ich sagen: Ich halte das auch für wichtig. Ich halte dieses Thema für eine ganz, ganz wichtige Frage für die Betroffenen – vor allem für Frauen –, aber auch für die österreichische Wirtschaft. Und es kann nicht so sein, dass dieses Thema eigentlich nur polemisch in Richtung Wien und Wiener Landesregierung verwendet wird und sonst von Ihnen ausgeklammert wird.

Sie haben am 17. Mai dieses Jahres auf eine Anfrage von Frau Dr. Mertel geantwortet, dass Sie in Sachen Kinderbetreuungseinrichtungen nicht zuständig sind und dass Sie dazu nichts sagen können. – Bitte, Herr Bundeskanzler, wenn Sie dazu nichts sagen können, dann, glaube ich, ist es auch nicht fair, dieses Thema nur zum Gegenstand von Polemik zu machen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, ich meine, Sie sollten etwas dazu sagen. Ich stelle Ihnen schon die Frage: Wenn Sie mit Wien in diesem Bereich unzufrieden sind, warum sind Sie dann nie auf Vorschläge der Grünen und andere Vorschläge eingegangen, eine Rahmenkompetenz des Bundes in Sachen Kinderbetreuung zu schaffen, eine Mindestausstattung anzustreben, was die Zahl der Plätze betrifft, aber auch die Qualität? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Sie ziehen sich zurück und sagen: Ist nicht meine Zuständigkeit, aber ich picke mir die aus meinem Blickwinkel schlechten Beispiele heraus und zeige mit dem Finger darauf.

Wenn wir wollen, dass Frauen in Zukunft gleichberechtigt am Arbeitsmarkt teilnehmen, wenn wir wollen, dass Beruf und Familie für Frauen und Männer vereinbar werden, dann müssen sich gerade die Bundesorgane dieser Problematik stellen und können nicht sagen: Ich verweise auf die Landespolitik, und wo es mir passt, kritisiere ich sie.

Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt, Niederösterreich ist positiv, Wien hinkt hintennach. – Ganz so ist es nicht, Herr Bundeskanzler! (Abg. Marizzi: Aber überhaupt nicht!) Es stimmt, die Kinderbetreuung am Vormittag ist in Niederösterreich unentgeltlich. Das finde ich sehr, sehr positiv; ich sehe das als einen Teil eines Grundeinkommens von Kindern: qualitativ hochwertige Sachleistungen, die angeboten werden, die bereitgestellt werden, meiner Meinung nach, vom Kindergarten bis zur Universität. Aber schauen Sie sich an, wie viele Plätze es gibt. In Niederösterreich – riesiges Bundesland, flächengrößtes Bundesland – sind ein bisschen mehr als 51 000 Kinder in Betreuung, Personal: 5 319, davon Qualifizierte: 2 430. Wien: 64 421 betreute Kinder mit über 9 000 Beschäftigten. – Das heißt, es geschieht hier mehr. Ich meine, dass in Niederösterreich, in einem flächenmäßig so großen Bundesland mit teilweise kleinen Gemeinden, auch die Kinder in kleinen Gemeinden, auch wenn es nur kleine Gruppen sind, ein Recht auf Betreuung, ein Recht auf Pädagogik und Förderung haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das heißt, eigentlich sollte es in Niederösterreich relativ viel mehr Kindergruppen geben und nicht wesentlich weniger. Aber da schwingt natürlich die Ideologie durch, dass das eigentlich keine öffentliche Aufgabe ist.

Und noch etwas kommt dazu: Die Wünsche der Eltern werden konstant ignoriert. Es war das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft mit dem Wifi, das knapp 5 000 Frauen befragt hat: Was wollt ihr denn? Wenn ihr Gesetzgeber wäret, was würdet ihr machen? – Drei Viertel haben


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 150

geantwortet: Wir wollen eine Arbeitswelt, die auf Betreuungspflichten Bedacht nimmt, flexible, und zwar für die ArbeitnehmerInnen flexible Arbeitszeiten, wir wollen Teamarbeits-Modelle, wir wollen erschwingliche und gute Betreuungseinrichtungen – aber es kam nicht der Wunsch nach dem Kinderbetreuungsgeld. Das heißt, da wird viel öffentliches Geld ausgegeben, aber es werden die Wünsche der Eltern nicht erfüllt. Das ist sehr schade. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die Zahl der Kinderbetreuungsplätze insgesamt stagniert, seit sich der Bund aus der Kinderbetreuungsmilliarde zurückgezogen hat; Stagnation, und zwar nicht auf hohem Niveau, Herr Bundeskanzler, sondern auf einem von der EU kritisierten, viel zu niedrigen Niveau. Das heißt, es steht schlecht um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, es steht schlecht um die Einkommenschancen der Frauen, es steht schlecht um die Bildungschancen der Frauen. 43 Prozent der Frauen haben gerade einmal einen Pflichtschulabschluss und entsprechend schlechte Arbeitsmarktchancen.

Es bringt nichts, wenn Sie jetzt einzelne Bundesländer oder einzelne Gemeinden herausgreifen und sagen: Dieser Punkt in einer roten Stadt oder in einer roten Gemeinde oder in einem roten Bundesland ist auch nicht in Ordnung. Das Aufrechnen von Unzulänglichkeiten bringt uns arbeitsmarktpolitisch keinen Millimeter voran, und diese quasi noch altkoalitionäre Politik: Ich sage dir deine Fehler, und meine kaschiere ich tunlichst!, ist etwas, von dem ich gedacht hatte, wir sollten schon einen Schritt weiter sein. Aber ich stelle fest, Sie haben sich keinen Millimeter bewegt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Frau Abgeordneter Dr. Petrovic eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Csörgits. – Bitte.

17.17

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Bevor ich zu meinen eigentlichen Ausführungen komme, möchte ich eine Erklärung für das Protokoll abgeben:

Uns ist bei der Frage 27 der Dringlichen Anfrage ein "nicht" abhanden gekommen. Ich möchte daher den richtigen Text verlesen:

"27. Werden Sie darauf hinwirken, dass nicht nur nicht entnommene Gewinne, sondern auch zusätzliche Investitionen steuerlich begünstigt werden?" – Das zu meiner Protokollerklärung.

Jetzt zu meinen eigentlichen Ausführungen.

Herr Bundeskanzler! Sie haben vor einigen Tagen und auch jetzt festgestellt, dass Sie die Frauenerwerbsquote in Österreich bis zum Jahre 2005 auf 65 Prozent erhöhen wollen, und Sie bezeichneten heute und auch vor einigen Tagen die Frauen als die Hoffnungschance auf dem österreichischen Arbeitsmarkt. – Ich möchte hier feststellen, dass angesichts der Tatsache, dass die Frauenarbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent gestiegen ist, alle Frauen, die einen Arbeitsplatz suchen und ganz einfach keinen finden, diese Aussage wirklich als blanken Hohn empfinden müssen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Fasslabend: Wien ist das Problem!)

Noch dazu – und das muss hier auch ganz deutlich gesagt werden, es kann nämlich nicht oft genug gesagt werden – hat sich diese Bundesregierung von einer Frauenpolitik verabschiedet, die Chancengleichheit und Gleichbehandlung beinhaltet. Eine derartige Art von Frauenpolitik hat diese blau-schwarze Bundesregierung eingemottet, eingeeist, sie findet nicht mehr statt. (Beifall bei der SPÖ.)

Was stattfindet, das sind Maßnahmen, die es den berufstätigen Frauen immer schwerer machen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Mit April 2002 haben wir die Situation, dass mehr als


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 151

104 000 Frauen arbeitslos gemeldet sind. Und besonders erschreckend ist dabei, dass darunter mehr als 16 300 junge Frauen, nämlich Frauen unter 25 Jahren, sind. (Abg. Dr. Fasslabend: Alles Wien!)

Es zeigt sich auch schon, dass das von Ihnen so hoch gepriesene Kinderbetreuungsgeld extrem negative Auswirkungen hat. Dieses Gesetz wird nicht besser, auch wenn Sie es Tag für Tag loben. Es ist eine Mogelpackung, die einzig und allein die berufstätigen Frauen zurück an den Herd schickt! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nicht nur eine Mogelpackung, es ist auch ein so schwieriges Gesetz, dass es am besten ist, dass man jede junge Frau gleich einen Arbeitsrechtskurs machen lässt oder ihr eine Steuerberaterin zur Hand gibt, damit sie sich bei diesem Gesetz einigermaßen auskennt. Auch die Beamten des zuständigen Ministeriums sind damit ganz einfach überlastet, sie kennen sich auch nicht aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Was dieses Gesetz auch beinhaltet, ist der Umstand, dass die Frauen angereizt werden, länger zu Hause zu bleiben. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen ganz genau, was es bedeutet, wenn Frauen länger zu Hause bleiben müssen: Es wird immer schwieriger, wieder in den Beruf zurückzukehren. Und wenn sie versuchen, Wiedereinstellungsmaßnahmen, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu finden, und zum AMS gehen, dann stellen sie fest, dass nicht die notwendigen Maßnahmen getroffen werden können. Und warum können die notwendigen Maßnahmen nicht getroffen werden? – Weil diese blau-schwarze Bundesregierung Gelder aus dem AMS abgeschöpft hat, die notwendig wären, um den Frauen entsprechende Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu bieten. So schaut es aus in Österreich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Unter diesen Rahmenbedingungen trauen Sie sich wirklich zu sagen, dass Österreich die Frauen als die Hoffnungschance für den Arbeitsmarkt sieht? – Das ist doch wohl wirklich zynisch.

Lassen Sie mich noch zu einem zweiten Punkt kommen, der unmittelbar damit zusammenhängt. Wir wissen, dass Frauen Kind und Beruf vereinbaren wollen. Dafür sind aber Rahmenbedingungen, also Kinderbetreuungseinrichtungen, notwendig. Es ist aber so, dass diese Kinderbetreuungsmaßnahmen nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind. In Österreich gibt es derzeit 240 000 Kinder, denen 18 500 offene Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stehen.

Ich zeige Ihnen hier eine Statistik der OECD. (Die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe.) Österreich ist das Schlusslicht im Zusammenhang mit den Kinderbetreuungseinrichtungen. Österreich steht nicht an der Spitze, sondern ist dank einer blau-schwarzen Bundesregierung das Schlusslicht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn Sie meinen, dass die Situation in Wien so schlecht ist, dann darf ich Ihnen hier sagen: Wien hat einerseits, was die Kopfzahl und Anzahl betrifft, die meisten Kinderbetreuungseinrichtungen, Wien hat um 25 Prozent mehr, und in Wien gibt es auch die besseren Öffnungszeiten. (Abg. Dr. Pumberger: Wien ist anders!) Um gleich bei der Sache zu bleiben: Kärnten ist, meine Damen und Herren, das Schlusslicht. In Kärnten gibt es für 1 000 Einwohner nur 25 Kindergartenplätze, in Oberösterreich 32 und in Wien 40. So ist die Situation! Das verstehen Sie unter familienfreundlicher Politik. Nichts ist davon zu merken! (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir wollen und was Frauenpolitik bedeutet, ist: mehr Maßnahmen für den Wiedereinstieg, mehr Kinderbetreuungseinrichtungen, ein Recht auf Teilzeitbeschäftigung mit Rückkehrmöglichkeiten. So schaut eine zukunftsorientierte, emanzipierte Frauenpolitik aus! Ihre Frauenpolitik bringt die Frauen zurück an den Herd, zurück in die Armut und zurück in die Abhängigkeit, und das werden sich die Frauen in Österreich zweifellos nicht gefallen lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 152

17.24

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Vor allem Herr Abgeordneter Gusenbauer! Jetzt, so ziemlich am Ende dieser Diskussion über die Dringliche Anfrage könnte man diese Dringliche damit überschreiben: Wem die Argumente fehlen, der flüchtet sich in die Polemik. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da fällt mir ein altes Sprichwort ein, das lautet: Wer keinen Kalk hat, der muss mit Dreck mauern. Und das passt da wirklich, denn Sie haben keine Argumente. Zwei Drittel Ihrer Rede und auch jener Ihrer Epigonen haben sich ja nur mit Anschuldigungen befasst. Der Regierung soll es angeblich völlig egal sein, welches Schicksal die Arbeitslosen haben. (Abg. Dr. Gusenbauer: Stimmt!) Herzlos ist sie. (Abg. Dr. Gusenbauer: Stimmt!) Arrogant ist sie. (Abg. Dr. Gusenbauer: Stimmt!) Sie tut nichts. (Abg. Dr. Gusenbauer: Stimmt!) Sie ist am Schicksal der Menschen nicht interessiert. (Abg. Dr. Gusenbauer: Stimmt!) Sie kümmert sich nicht um die Menschen (Abg. Dr. Gusenbauer: Stimmt!), ist verantwortungslos (Abg. Dr. Gusenbauer: Stimmt!), hat zu wenig Kindergartenplätze geschaffen (Abg. Dr. Gusenbauer: Stimmt!) und so weiter. (Demonstrativer Beifall bei den Grünen.)

Frau Abgeordnete Petrovic – einmal möchte ich ihr Recht geben – hat gesagt, all diese Schuldzuweisungen bringen uns um keinen Millimeter weiter. Und da haben Sie völlig Recht. Und die Vergleiche, wie viele Kindergartenplätze es in Kärnten und wie viele es in Wien gibt, die bringen uns überhaupt nichts. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wie gesagt, Frau Petrovic, selten haben Sie Recht, aber damit haben Sie Recht.

Aber ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Sie selbst das alles glauben, was Sie da von sich geben. Ich kann mir nur vorstellen, dass Sie verunsichern wollen, wie das schon immer Ihre Art der Oppositionspolitik war. Und da möchte ich Sie schon fragen: Glauben Sie, dass das Verunsichern den Arbeitslosen hilft? (Abg. Dr. Cap: Schal!) – Herr Abgeordneter, bitte bedrängen Sie mich nicht. Ich fühle mich als Frau wirklich bedrängt, wenn Sie ständig auf meinen Schal hinweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie von der Opposition, von den Grünen und von den Roten, tun so, als ob ein einziger Regierungsakt genügen würde, um die Arbeitslosigkeit und dieses Problem plötzlich zum Verschwinden zu bringen. Wenn das so einfach wäre, dann hätte die Bundesrepublik Deutschland ja nicht 4 Millionen Arbeitslose. Es würde der Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht in einem derart hohen Ausmaß erfolgen, wenn es so leicht wäre.

Ich habe gestern oder vorgestern in einer wirklich erschütternden TV-Dokumentation aus Deutschland, und zwar aus Thüringen, gesehen, wie hoch dort die Arbeitslosigkeit ist. Selbst Arbeitslosenprogramme laufen nur ein Jahr, damit mehr Arbeitslose drankommen. Dort werden Versorgungsküchen eingerichtet, weil die Menschen so arm sind, weil sie eben keinen Arbeitsplatz haben. (Abg. Öllinger: Bei uns laufen Programme drei Monate!)

Ich triumphiere nicht darüber, obwohl dies zeigt, welche Politik von einer rot-grünen Regierung gemacht wird. Ich triumphiere nicht darüber, ich finde, es ist schrecklich. Diese Situation ist wirklich zu bedauern. (Abg. Öllinger: Wissen Sie, wie lange ein Programm bei uns dauert?)

Sie schreiben auch in Ihrer Dringlichen – und wir alle wissen es ja –, diese Arbeitslosigkeit beruht ja hauptsächlich darauf, dass die Konjunktur weltweit in einem Tief ist, dass es eben weltweit eine Wirtschaftskrise gibt. Und Österreich ist ja noch in der günstigen Lage, dass wir bezüglich Arbeitslosigkeit an der dritten Stelle in Europa liegen, dass wir nur 4 Prozent Arbeitslose haben im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland beispielsweise, wo die Arbeitslosigkeit 8,7 Prozent beträgt.

Aber durch diese internationale Verflechtung, wie wir sie heute haben, greifen nationale Initiativen eben nicht mehr in dem Maß, wie es wünschenswert wäre. Das wissen Sie ganz genau so, das weiß auch Herr Abgeordneter Öllinger, das ist ja allgemein bekannt. Aber wenn Sie der Regierung den Vorwurf machen, dass sie nichts tut, national auch nichts tut (Abg. Öllinger: Stimmt! – Abg. Mag. Kogler: Genau darum geht es!), dann muss ich sagen, nicht einmal den Vorwurf kann man der Regierung machen, denn es hat das Konjunkturbelebungsprogramm


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 153

gegeben, durch das 11 Milliarden Schilling zur Verfügung gestellt werden, um der Wirtschaft Impulse zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

7 Millionen € werden zur Verfügung gestellt, um die Jugendlichen so auszubilden, dass sie auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen haben. 1 Milliarde hat die Bundesregierung zur Verfügung gestellt, um Behinderten bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu bieten. Ich glaube, das sollten Sie schon zur Kenntnis nehmen, bevor Sie sagen, die Regierung tue nichts, sie sei interesselos, sie handle völlig herzlos gegenüber den Arbeitslosen. Ich glaube, Sie müssen schon respektieren, was die Regierung wirklich tut. (Abg. Mag. Kogler: Kurzfristig gar nichts, exakt null!)

Herr Abgeordneter Verzetnitsch, Sie haben zum Herrn Bundeskanzler gesagt: Schaffen Sie Arbeit! Der Herr Bundeskanzler – das wissen Sie ganz genau – kann keinen einzigen Arbeitsplatz schaffen, außer in seinem Kabinett. Nur die Wirtschaft kann Arbeitsplätze schaffen. Die Regierung hat mit dem Konjunkturbelebungsprogramm alles getan, um der Wirtschaft Impulse zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Interessant ist ja wieder: Sie bringen eine Dringliche Anfrage ein, es melden sich von Ihnen alle möglichen Abgeordneten, die mit diesem Ressort befasst sind, aber welches Rezept Sie zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit haben, das verschweigen Sie. Kein einziger konstruktiver Vorschlag ist von Ihnen gekommen. Warum legen Sie nicht wirklich ein wirkungsvolles Konzept auf den Tisch? Ich sage Ihnen, die Regierung würde jedes ernst zu nehmende Projekt mit Ihnen wirklich gerne besprechen und auch gerne beachten.

Die ganze Welt, inklusive Ihrer Genossen in der Bundesrepublik Deutschland, die ja schon eine große Wahlniederlage fürchten, wäre glücklich, wenn Sie endlich einmal Ihr positives Programm vorlegen würden. Aber das, was Sie machen, nur nörgeln, nur beschimpfen, das bringt uns, wie Frau Petrovic gesagt hat, keinen Millimeter weiter.

Ich glaube eher, Sie haben kein Programm. Deshalb ist ja Ihre Strategie nur die Polemik. (Abg. Sophie Bauer: Zuhören!) Es bleibt nach dieser Dringlichen Anfrage der unangenehme Eindruck, Sie spielen mit dem Schicksal der Arbeitslosen, Sie spielen damit, dass die Ängste vergrößert werden, dass die Verunsicherung gesteigert wird. Und das gefällt mir nicht. (Abg. Dr. Gusenbauer  – auf den Text der Dringlichen Anfrage zeigend –: Lesen!)

Dass Sie es mit der Seriosität nicht ernst nehmen, das hat man schon daran gesehen, dass es, als Kollege Tancsits – er war es, glaube ich – gesagt hat, er möchte das Thema seriös behandeln, enorme Lacher in Ihrer Riege gegeben hat. (Abg. Mag. Kogler: Um Gottes willen!) Wissen Sie, das gefällt mir auch nicht, denn Sie wollen nicht seriös diskutieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie reden immer und bei jeder Gelegenheit von Solidarität. (Abg. Sophie Bauer: Sie wissen ja nicht einmal, was Solidarität heißt!) Üben Sie doch einmal Solidarität, indem Sie mit der Regierung zusammenarbeiten, wenn es darum geht, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Ein Jammer!)

17.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gahr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

17.32

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die heutige Debatte zur Dringlichen Anfrage der SPÖ ist allemal ein Beitrag, um unsere Bevölkerung, aber vor allem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch die Betriebe unseres Landes zu verunsichern.

Zum Glück sind die wirtschaftliche Stimmung und das Klima in den Betrieben nicht so schlecht, wie Sie es heute hier zeichnen oder malen. (Abg. Dr. Cap: Wer hat den Text geschrieben?


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 154

Wollen Sie diesen Text wirklich vortragen?) Die Bundesregierung lässt sich nicht von solch durchsichtigen Manövern abhalten. Wir werden mit Konsequenz und Nachhaltigkeit auf die Veränderungen in der Arbeitswelt reagieren und Entwicklungen gegensteuern.

Wie sieht es im internationalen Vergleich aus? – Österreich liegt mit seiner Arbeitsmarktpolitik, ob es Ihnen gefällt oder nicht, im EU-Vergleich im absoluten Spitzenfeld. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit von 4 Prozent, sind auch bei der Inflation im Spitzenfeld und hinsichtlich der Jugendarbeitslosigkeit europäische Spitze.

Es waren internationale Turbulenzen und Ereignisse, welche Verunsicherungen und Druck auf die Weltwirtschaft brachten. Österreich als stabiles Land hat diese schwierige Phase gut, wenn man es mit Bescheidenheit behaupten darf, fast am besten überstanden und gemeistert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Seit drei Monaten erholt sich der Arbeitsmarkt wieder, wir haben die Talsohle überschritten. Eine Trendumkehr auf dem Arbeitsmarkt ist zum Glück spürbar. Mit Ausnahme von Wien sinken in allen Bundesländern die Arbeitslosenzahlen zum Teil enorm. Gerade in Wien ist die Jugendarbeitslosigkeit aber am höchsten.

Als Tiroler bin ich froh darüber, dass man weiß, dass wir es auch besser machen können. So haben im letzten Jahr Wirtschaftskammer, Gewerkschaft und AMS gemeinsam ein Saisonniersmodell geschaffen, welches zwar heftig kritisiert wurde, aber gerade im Tourismusbereich 18 Prozent mehr Beschäftigte brachte. Ich darf auch hier berichten, die Firma Swarovsky in Wattens hat in den Jahren 2000 und 2001 2 000 neue, gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen und eingerichtet.

Die konjunkturbedingt schwierige Phase als Vergleich heranzuziehen ist nicht fair und unredlich. Wir müssen mit den Jahren 1998, 1999 vergleichen oder einen durchschnittlichen Vergleich ziehen. Da sehen wir, dass gerade das Jahr 2001 als Hochkonjunkturjahr ein schlechtes Vergleichsjahr ist. Das hat natürlich seinen Grund: Im Budget 2002 werden 809 Millionen € für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen gesichert. Wie war es früher? – Im Jahre 1998 wurden lediglich 515 Millionen € für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen gesichert.

Der Vergleich macht uns sicher. Wir brauchen nur einen Blick nach Deutschland zu werfen: Nach nicht einmal vier Jahren zum europäischen Nachzügler geworden, vier Millionen Arbeitslose, die rote Karte der EU für die Budgetpolitik. Daher brauchen wir keine Panikmache, sondern Modelle und Strukturen, welche flexibel und verlässlich sind und dem Arbeitsmarkt dienen.

Diese Bundesregierung schafft kalkulierbare Rahmenbedingungen und ist Garant für einen stabilen und gesunden Arbeitsmarkt. Ich möchte hier drei Beispiele exemplarisch nennen: Die "Abfertigung neu", welche im letzten Ministerrat beschlossen wurde, als zukunftsweisendes Modell, welches für alle Menschen einen Abfertigungsanspruch bringt, auch für den Tourismusbereich. Ich bin froh darüber, denn gerade im Tourismusbereich gibt es einen ständigen Wechsel. Dies soll ein Anreiz dafür sein, dass Arbeitnehmer längerfristig bleiben.

Als zweites Beispiel darf ich das Jugendbeschäftigungsprogramm erwähnen. Auch im Jahre 2002 wird dieses wieder eingerichtet.

Als drittes Beispiel – und dies ist mir ein großes Anliegen – möchte ich die Behindertenmilliarde anführen. Sie bietet Menschen Chancen, die es besonders schwer im Leben und auf dem Arbeitsmarkt haben.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, hören Sie auf, ständig alles krankzujammern! Wir sind auf einem schwierigen, aber trotzdem zukunftsweisenden Weg. Weder SPÖ noch Grüne werden uns daran hindern. Machen Sie nicht Panik! Wir schaffen Arbeit. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.36


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 155

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Restliche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.37

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister, Sie haben gesagt, wenn das Wachstum wieder höher würde, so gegen die 3 Prozent, wie manche Prognosen vielleicht vermuten lassen, dann wird es auch wieder mehr Freude machen, Wirtschafts- und Arbeitsminister zu sein. Lassen wir das einmal so dahingestellt. Das wird sicher richtig sein. Ich werde darauf zurückkommen.

Tatsächlich geht es vielleicht darum, keine Panikmache zu betreiben. Ich möchte mich einmal an jene wenden, die in den Reihen der FPÖ und der ÖVP auch eine ökonomische Ausbildung angestrebt haben oder über sich ergehen haben lassen, je nachdem, und noch einmal kurz auf die Statistikfrage eingehen.

Hier wurde immer argumentiert das absolute Beschäftigtenniveau in Zahlen gegenüber den durchschnittlichen Zahlen der zehn Vorjahre. – Ich halte das für völlig daneben. Entscheidend ist die Beschäftigtenquote und sozusagen ihr Pendant, die Arbeitslosenquote. Das ist doch ganz logisch. Wenn die Bevölkerung wächst, wenn das Einkommen wächst, wenn die Nachfrage wächst, kann ich doch nicht die absoluten Beschäftigtenzahlen für irgendetwas heranziehen. Entscheidend sind die Quoten, also die Verhältniszahlen, im Falle der Arbeitslosenquote von jenen, die noch Arbeit suchen, zu der entsprechenden Bezugsgröße.

Wir sollten uns einmal darauf verständigen. Wenn wir uns darauf verständigt haben, dann können wir schauen, wie sich diese Quote verändert. (Zwischenruf des Abg. Dr. Fasslabend. ) Genau! Herr Präsident Fasslabend, ich sehe, Sie folgen mir bis hierher. Folgen Sie mir auch weiter!

Dann schauen wir uns die Veränderung der Quoten an. Da haben wir von März des Vorjahres auf März dieses Jahres in Österreich eben eine relativ negative Veränderung im Verhältnis zu anderen EU-Ländern und sind auch viel schlechter als das von Ihnen als so schlimm hingestellte Deutschland – das ist entscheidend –, weil die Niveaugröße der Arbeitslosenquote, auf die wir uns soeben verständigt haben, in Österreich relativ gut ist. Das stimmt. Aber die Niveaugröße ist von ihrer Ursächlichkeit her immer von langjährigen Maßnahmen davor bestimmt.

Ich bin zwar nicht der Pflichtanwalt der SPÖ, aber ich muss sagen, die Vergleiche, die Sie hier anstrengen, gehen völlig daneben. Entscheidend für das Markenzeichen und für das, was sich diese Bundesregierung vorhalten lassen muss, sind die Veränderungen der Arbeitslosenquoten in den letzten ein, zwei Jahren. Und da schauen wir einfach miserabel aus im Verhältnis zu anderen EU-Ländern. Das ist es. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber es passt ja ins Bild, dass Sie immer wieder Vergleiche anstellen, die am Schluss dazu führen, dass die Bundesregierung möglichst wenig Maßnahmen hier in Österreich in Sachen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik setzen muss.

So haben Sie völlig abgestritten, dass die Weltwirtschaft insgesamt und Österreich im Besonderen auf eine Rezession zusteuern. Ich möchte mich jetzt gar nicht lange damit aufhalten, aber Faktum ist, dass wir im Nachhinein sehr wohl das eine oder andere Quartal betreffend, etwa drittes, viertes Quartal des Vorjahres und erstes dieses Jahres, wirklich trefflich darüber streiten könnten, ob das nicht tatsächlich eine Rezession im engeren Sinn war. Aber darum ist es Ihnen ja gar nicht gegangen. Sie haben das deshalb ideologisch motiviert abgestritten, weil Sie, wiederum ideologisch motiviert, keine Maßnahmen zur kurzfristigen Beschäftigungs- und Arbeitsmarkt- oder, wenn Sie so wollen, auch Nachfragepolitik ergreifen wollten.

Dazu könnte man ja auch stehen. Ich würde es insoweit verstehen, als Sie genau dieser Wirtschaftsphilosophie anhängen. Es gibt ja diese Meinung, die sagt, der Staat soll auch kurzfristig nicht eingreifen. Ich würde meinen, dass Sie dieser Ideologie anhängen, aber dann bekennen


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 156

Sie sich doch dazu, und wischen Sie nicht immer die Fakten ideologisch motiviert vom Tisch! Das ist das Problem. Dann könnten wir hier wirtschaftspolitisch offener und ernst zu nehmender hier diskutieren. Das wäre ja mitunter ganz spannend. Das werfe ich Ihnen schon vor.

Ihr Konjunkturbelebungsprogramm ist ganz in diesem Sinne kein Konjunkturbelebungsprogramm gewesen, sondern beinhaltet Maßnahmen zur langfristigen Standortverbesserung. Das haben wir Ihnen damals auch zugestanden. Da ist es um Ausbildungsoffensiven und Ähnliches gegangen, aber nicht um kurzfristige Nachfragesteuerungen, nicht um kurzfristige Arbeitsmarktpolitik. Aber die ist deshalb so wichtig, weil wir, wie wir wissen, langfristig vielleicht sogar auf einen Arbeitskräftemangel zustreben. Jene, die jetzt aus dem Beschäftigungsprozess kippen und nicht aufgefangen werden, sind sehr schwer integrierbar. Sie werden dann zu verantworten haben, dass diese Maßnahmen versäumt wurden, dass wir später vielleicht sogar einen Arbeitskräftemangel haben werden und jene, die jetzt noch im Beschäftigungsprozess gehalten werden, mehr oder weniger mutwillig hinausgekippt wurden. Das ist ein schweres arbeitsmarktpolitisches Versäumnis. (Beifall bei den Grünen.)

17.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. Restliche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.42

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Im Zuge dieser Dringlichen Anfrage möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Andrea Kuntzl, Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung eines Jugendbeschäftigungsgipfels

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich einen Jugendbeschäftigungsgipfel einzuberufen, in dem ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Ausbildungssituation für Jugendliche geschnürt und entsprechend finanziell dotiert wird.

*****

Herr Bundeskanzler, erlauben Sie mir, dass ich Ihre 30-minütige Rede ein bisschen analysiere. Ich habe genau auf die Uhr geschaut: In den ersten zehn Minuten Ihrer Rede sind Sie in Eigenlob aufgegangen. Die Realität ist hingegen anders, das haben wir Ihnen eindrucksvoll bewiesen; sonst hätten wir diese Dringliche Anfrage nicht eingebracht, Herr Bundeskanzler. (Abg. Dr. Pumberger: Das ist aber kühn! – Abg. Ing. Westenthaler: Wieso haben Sie so viele Fehler in dieser Dringlichen?)

Herr Bundeskanzler! In den zweiten zehn Minuten haben Sie Wien schlecht gemacht und auf Wien geschimpft.

Ich möchte Ihnen nur einige Zahlen, Daten und Fakten zur Kenntnis bringen. Wien ist eines der wenigen Bundesländer, in denen die Zahl der offenen Lehrstellen zugenommen hat. Wien ist das Bundesland, in dem es im April 2002 um 862 arbeitslose Jugendliche weniger gab als noch im März 2002. So viel zur Jugendarbeitslosigkeit. Was die Gesamtarbeitslosigkeit betrifft, gibt es in Wien um fast 6 500 Arbeitslose weniger als noch im März. Aber es ist natürlich die Politik der Bundesregierung, es sind der Investitionsstopp und andere Belastungen, die Wien am stärksten treffen. Das ist wohl klar.

Herr Bundeskanzler! Zur Beschäftigung: Jeder vierte österreichische Arbeitsplatz befindet sich derzeit in Wien. Im April 2002 waren es um 4 800 mehr als noch im März. Das Beschäftigungswachstum in Wien war dreimal höher als im Bundesdurchschnitt. Das sind Tatsachen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 157

Auch bei den Betriebsgründungen und Betriebsansiedelungen ist Wien ganz vorne. 2001 war Wien die Nummer eins unter allen Bundesländern bei den Betriebsneugründungen, und Wien war 2001 auch die Nummer eins unter allen Bundesländern bei der Ansiedelung ausländischer Betriebe. Das nur zur Richtigstellung. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Die dritten zehn Minuten – das war schon Überzugszeit, aber das steht Ihnen natürlich zu – haben Sie dazu verwendet, um in nur zehn Minuten 27 Fragen zu beantworten, für die Sie sich meiner Ansicht nach viel zu wenig Zeit genommen haben. Aber machen Sie nur weiter so, das ist dann unser Vergnügen, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie schmücken sich gerne mit den Accessoires der Jugend, Herr Bundeskanzler. Das machen Sie sehr wortreich und sehr blumig, zuletzt in Ihrer Rede zur Lage der Nation. Sie haben das heute nicht getan. Wir wissen, warum. – Weil die Bundesregierung gegen Jugendarbeitslosigkeit viel zu wenig tut.

Als Sie Ihre Zahlen genannt haben, Herr Bundeskanzler, haben Sie eine beträchtliche Zahl von jungen Menschen vergessen, nämlich 4 189 junge Menschen, die sich derzeit in Übergangslösungen, wie zum Beispiel Berufsfindung, Berufsorientierung, Jobcoaching und so weiter, befinden. Die kommen zu den Lehrgangsteilnehmern – 1 400 sind es in etwa – und zu den 3 239 Jugendlichen, die jetzt eine Lehrstelle suchen, dazu. Dieser Zahl stehen 2 793 offene Lehrstellen gegenüber. Herr Bundeskanzler! Sie haben die Zahl 446 so dahingesagt, aber in Wirklichkeit ist das eine Differenz, die zehnmal höher ist als jene, die Sie genannt haben. Das hat auch Herr Wirtschaftskammerpräsident Leitl mittlerweile erkannt. Dieser hat gestern auch die Zahl 446 genannt, aber in Wahrheit sind es, wie gesagt, zehnmal so viele.

Leitl hat erkannt, dass dringend Handlungsbedarf gegeben ist, so, wie wir das seit dem Vorjahr – ich habe gestern versucht, Ihnen das näher zu bringen – immer wieder in Anträgen formuliert haben, dass nämlich die Maßnahmen des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes unbedingt verlängert gehören und zusätzliche Angebote für Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen geschaffen werden müssen. Aber Sie haben das bis jetzt ignoriert. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Einiges, was der Wirtschaftskammerpräsident vorschlägt, gibt es bereits – gut, ist in Ordnung. Einiges gehört sicherlich auch ausgebaut, aber einiges passt wirklich nicht zusammen. Der Wirtschaftskammerpräsident verlangt noch mehr Förderungen für die Wirtschaft. Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen gestern gesagt, seit 1997 gibt es Entlastungen für die Wirtschaft im Ausmaß von 6 Milliarden Schilling, damit sie lehrstellensuchende Jugendliche aufnimmt. Laut Ihrem Regierungsübereinkommen wollen Sie die Betriebe ab 2003 noch mehr entlasten, indem Sie ihnen 3 Milliarden Schilling als Ausgleich für die Zeit zukommen lassen, in der die Jugendlichen in der Berufsschule sind. Das soll in Form einer Lohnnebenkostensenkung geschehen.

Meine Damen und Herren! Dieses Ungleichgewicht gehört aufgezeigt. "Qualität" ist nämlich in der Presseaussendung des Herrn Wirtschaftskammerpräsidenten nicht vorgekommen. Qualität heißt nämlich auch Qualität auf beiden Seiten. Man muss auch an die jungen Menschen denken. Warum müssen Jugendliche ihre Beiträge selbst bezahlen, wenn es nicht im Kollektivvertrag geregelt ist, wenn sie im Internat sind? Warum müssen sie die Fahrt in die Berufsschule selbst bezahlen?

Um dieses Ungleichgewicht, meine Damen und Herren, zu besprechen und ein bisschen zu mildern, fordern wir Sie auf und laden wir Sie ein, diesen Lehrlingsbeschäftigungsgipfel mit uns abzuhalten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 158

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Egghart zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, die tatsächliche Berichtigung mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu beginnen.

17.48

Abgeordneter Robert Egghart (Freiheitliche): Hohes Haus! Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek hat erklärt, wie toll die Förderung für die Jugend in Wien ist.

Wahr ist vielmehr, dass die Wiener Wirtschaft durch eine drastische Kürzung der kommunalen Investitionen in der Größenordnung von 1,1 Milliarden € kaputtgespart wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

17.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik unter Mobilisierung der Rücklagen des AMS.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen ferner zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung eines Jugendbeschäftigungsgipfels.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen jetzt zur Kurzdebatte betreffend den Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Madeleine Petrovic, dem Innenausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 688/A (E) betreffend ein generelles Verbot von privaten Schusswaffen eine Frist bis 11. Juni 2002 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zum Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

17.50

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in diesem Hause bereits mehrfach über eine Aktualisierung des Waffenrechtes gesprochen – leider bislang ohne einen wirklichen Schritt in Richtung größerer Sicherheit. Mittlerweile titeln auch die auflagenstärksten Zeitungen morgen mit der Wirkungslosigkeit dieses Gesetzes. Ich denke, im Nachhinein werden sich vielleicht doch manche überlegen – vielleicht auch Herr Dr. Khol, der noch vor wenigen Jahren über das Waffenrecht gewitzelt hat –, ob ihre Polemik von damals angebracht war. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 159

Herr Dr. Khol hat im Frühjahr 1998 gesagt: Die Wahrscheinlichkeit, von einem Meteoriten am Kopf getroffen zu werden, ist in Österreich größer, als Opfer eines Schussattentats durch einen legalen Waffenbesitzer zu werden. (Abg. Brosz: Unglaublich!) Ja. Mittlerweile ist in diesem Land viel passiert. Wir hatten Schussattentate von Menschen, die offenbar in einer psychischen Ausnahmesituation waren. Wir haben erschossene Lehrkräfte, wir haben verletzte Personen, wir haben Delikte im Familienbereich, und wir hatten gerade in den letzten drei Tagen besonders tragische Fälle: ein kleines Mädchen, das Selbstmord verübt hat, weil eine legale Schusswaffe für das Kind griffbereit im Haus war. Und wir hatten den Fall einer Bedrohung mit einer Pumpgun im Familienkreis, die dem Betroffenen zwar kurzfristig weggenommen worden ist, für die er aber später wieder die entsprechenden Berechtigungen bekommen hat.

Wenn Sie sich nur die Fälle, die medial bekannt geworden sind, nicht die Fälle, wo vielleicht jemand – unter Anführungszeichen – "nur" bedroht wurde, wo es vielleicht "nur" zu einem Schusswechsel ohne Körperverletzung, ohne Todesfall kam, wenn Sie sich nur diese Spitze des Eisbergs vor Augen führen, dann, glaube ich, ist die Forderung, die die Grünen schon damals aufgestellt haben, nämlich keine Schusswaffen in Privathaushalten, mehr als berechtigt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich stelle daher den Antrag, dem Ausschuss eine Frist bis zur nächsten Plenarsitzung im Juni zu setzen. Ich glaube, es müsste reichen, um eine wirklich wirksame Veränderung des Waffenrechtes herbeizuführen. Wir wollen, dass in Österreich der Grundsatz gelten soll, dass Waffen nicht nur kein Spielzeug sind, sondern dass sie auch in privaten Haushalten nichts verloren haben. Wir wollen einige ganz wenige, taxativ im Gesetz anzuführende Ausnahmen für bestimmte Berufsgruppen, aber auch für diese muss gelten, dass die Waffe, wenn möglich, nicht daheim verwahrt wird, sondern in einem Sportverein, in einer öffentlichen Einrichtung. In jenen Fällen, wo es wirklich nicht anders geht, muss die Verwahrung in den privaten Räumlichkeiten so erfolgen, dass Unbefugte ganz sicher nicht an diese Waffe kommen können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Immer dann, wenn ein Katastrophenfall passiert wie damals in der Schule oder wie jetzt dieser schreckliche Selbstmord eines Kindes, treten die PsychologInnen zusammen, dann wird in den Medien diskutiert, was es denn gewesen sein könne, das zu dieser Verzweiflungstat geführt hat. Wahrscheinlich werden wir es in dem konkreten Fall nie genau wissen, aber eines kann man doch sagen: Wäre es nicht so leicht gewesen, an die Waffe zu gelangen, dann könnten einige Menschen in diesem Land, die vielleicht nur eine vorübergehende schlechte Phase hatten, über die sie hinwegkommen hätten können, noch leben. Ich denke, ein einziges Menschenleben würde eine wirksame Veränderung und Novellierung des Waffenrechtes bei weitem rechtfertigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie drehen und wenden die Argumente so, wie Sie es wollen. Wenn Sie einmal die Vereinigten Staaten von Amerika als Negativbeispiel wollen, dann zeigen Sie, auch auf Wahlplakaten, wie die Freiheitlichen das schon getan haben, auf Amerika, auf einzelne amerikanische Städte und warnen davor. Wenn es aber um Bereiche geht, wo Sie der Meinung sind, es handle sich um Ihre Klientel, dann scheint es Ihnen durchaus erträglich zu sein, bei einem Gesetz zu bleiben, unter dessen Geltung sich schon eine Fülle von menschlichen Katastrophen ereignet hat.

Es ist wahrscheinlich nicht möglich, jede Kurzschlusshandlung und jede derartige Katastrophe mit absoluter Sicherheit zu verhindern, aber die Zahl der in Privathaushalten aufbewahrten Waffen und die leichte Erreichbarkeit von Waffen sind mit Sicherheit ein Faktor, der dazu führt, dass solche Kurzschlusshandlungen, Verzweiflungstaten oder auch Verbrechen leichter möglich werden. Ich verstehe nicht, warum gerade Sie, die Sie immer wieder vor der Zunahme von Delikten, Bluttaten warnen, durch Nichthandeln im legistischen Bereich letztlich einen Beitrag dazu leisten, dass diese Delikte ein höheres Maß an Wahrscheinlichkeit haben. Handeln Sie jetzt und handeln Sie schnell! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie sollten sich auch jetzt, im Nachhinein, die Worte des damaligen jugendlichen Schützen von Zöbern in Erinnerung rufen. Er hat jetzt auf die Frage, was denn gewesen wäre, wenn er damals nicht so leicht zu einer Waffe gekommen wäre, ob er getrachtet hätte, sich auf einem


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 160

anderen Weg eine Waffe zu beschaffen, gegenüber den Medien gesagt, nein, sicher hätte er das nicht getan. – Gelegenheit macht Mörder! Gelegenheit macht Verbrechen!

Wieso schütteln Sie den Kopf? (Abg. Zweytick: Weil man das einfach nicht sagen kann! – Ruf bei der ÖVP: Weil es ein Unsinn ist!) – Das sagt ein Mensch, der einmal in seinem Leben einen ganz, ganz schweren Fehler gemacht hat. Er sagt es selbst: Es wäre damals anders gelaufen! – Welchen Grund haben wir, heute an den Worten dieses Schützen, der seine Tat von damals offenbar bereut, zu zweifeln? Wissen wir es besser? Ich glaube nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und was ist mit der Frage der Zuverlässigkeit? – Schauen Sie sich einmal Schätzungen an: 300 000 bis 350 000 legale Waffen. Es müssten pro Tag etwa 175 Personen in umfassender Weise auf ihre Zuverlässigkeit überprüft werden, um dem heutigen Gesetz Genüge zu tun. Glauben Sie wirklich, dass das möglich ist? Glauben Sie wirklich, dass in 175 Fällen pro Tag festgestellt werden kann, ob eine Krankheit eingetreten ist, ob psychische Störfaktoren vorhanden sind, ob irgendeine besondere Belastung im Familienleben aufgetreten ist? Das ist nicht möglich! Und ich glaube, die Behörde sollte auch nicht so weit in das Privatleben von Menschen hineinregieren.

Das einzige Prinzip in Bezug auf Waffen muss sein: Sie sollen im Normalfall nicht leicht greifbar sein. Sie sollen nur für bestimmte Berufsgruppen, etwa für die Exekutive, und auch dort nur nach eingehender Ausbildung und mit ständigem Training, zur Verfügung stehen. Und auch in diesem Fall sollte die Verwahrung an der Dienststätte oder eben am Einsatzort erfolgen und nicht in den privaten Haushalten.

Meine Damen und Herren! Warten Sie nicht die nächste Bluttat ab, sondern handeln Sie jetzt, und stimmen Sie dem Fristsetzungsantrag der Grünen zu! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Redezeit der nunmehr zu Wort kommenden Abgeordneten beträgt 5 Minuten.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

18.00

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Nach jeder einzelnen Tragödie, die passiert, stehen wir da und sagen: Es muss etwas geschehen; wir müssen über die Ursachen diskutieren! So haben auch jetzt wieder viele reagiert, die sich in die Richtung geäußert haben, es müsse ein Diskussionsprozess über die Ursachen von Gewalt stattfinden und wo man dagegen ansetzen könnte. – Keine Frage: Einen solchen Diskussionsprozess muss es geben, dieser muss weitergeführt werden, aber zu manchen Dingen führen wir einen solchen schon sehr, sehr lange, und bei manchen Punkten sind wir einfach dort angelangt, dass ganz klar ist, dass der Gesetzgeber, also wir, handeln müssen.

Vor einigen Monaten habe ich an den Innenminister – mittlerweile sind wieder einige Attentate passiert, hat es wieder Tote durch den Gebrauch von Schusswaffen im Privatbereich gegeben – die Anfrage gestellt, was er dagegen zu tun gedenke, ob er daran denke, etwa das Waffengesetz zu ändern. Der Herr Innenminister hat mir auf diese meine Anfrage im Jänner 2001 geantwortet, dass er nicht in die Freiheit hunderttausender ordentlicher Waffenbesitzer einzugreifen gedenke, und hat das damit begründet, dass man nicht einen einzelnen Vorfall zum Anlass nehmen solle, sofort nach dem Gesetzgeber zu rufen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Seit dem Jänner 2001 gab es nicht nur einen, sondern mehrere, und zwar viel zu viele, einzelne Anlassfälle. Ich frage Sie daher, Herr Innenminister: Wie viele einzelne Anlassfälle, wie viele persönliche Tragödien müssen noch passieren, bis auch Sie zu handeln bereit sind?


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 161

Ich meine, dass wir die Verantwortung haben, uns nicht resignativ zurückzulehnen, sondern umgehend und sofort diese Verantwortung wahrzunehmen haben, und daher fordere ich Sie auf, noch vor dem Sommer ein entsprechendes Gesetz zu beschließen. Das ist möglich und machbar, und deshalb habe ich einen Antrag eingebracht, nämlich den Antrag der Abgeordneten Dr. Cap, Mag. Kuntzl, Parnigoni und KollegInnen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem der Privatbesitz von Feuerwaffen verboten wird.

Es ist ein sehr detaillierter Antrag, den man noch vor dem Sommer umsetzen kann, in dem ganz klar festgeschrieben und skizziert ist, wie man das Waffengesetz ändern müsste, damit man eben nicht mehr so leicht wie bisher an Waffen herankommt.

In diesem unserem Antrag geht es um ein generelles Verbot von Waffen in Privatbesitz mit – wie vorhin bereits von der Kollegin der Grünen angesprochen – klar definierten Personengruppen, für die Ausnahmen gelten sollten.

Letztendlich geht es aber darum, mit einem derartigen Gesetz endlich anzuerkennen, dass mehr Waffen in Privatbesitz nicht mehr Sicherheit bedeuten – ganz im Gegenteil! –, sondern dass Waffen in Privatbesitz ein sehr hohes Gefahrenpotential darstellen, wissen wir doch, dass bei Schusswaffenverwendung im Familienkreis in zwei Drittel der Fälle zu legalen Waffen gegriffen wird! Also müssen wir gerade da ansetzen! – Das Argument, dabei handle es sich meist um illegale Waffen und daher könne man da nichts tun, stimmt einfach nicht!

Nochmals: Zu zwei Drittel handelt es sich dabei um legale Waffen – und in fast 90 Prozent der Fälle endet ein Einsatz dieser Waffen tödlich. – Das heißt, wir würden mit einer Änderung des Waffengesetzes viel erreichen.

Daher schlagen wir von der SPÖ vor, berechtigten Personen einen Waffenpass lediglich für zwei Jahre auszustellen; dann muss ein weiterer Nachweis erbracht werden. Des Weiteren schlagen wir vor, dass bis Ende 2002 nicht-legale Waffen zurückgegeben werden sollen und dass in diesem Fall die Behörde den Wert dieser Waffen ersetzen soll. Wir meinen, der Gesellschaft soll eine derartige Initiative, die viel mehr an Sicherheit bringen würde, auch etwas wert sein. Wer ab 1. August 2002 eine nicht-legale Waffe abgibt, soll sozusagen straffrei ausgehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir könnten bereits in der nächsten Sitzung des Innenausschusses diesen Antrag behandeln; bei anderen Gesetzesmaterien geht das ja auch sehr zügig. Ich meine, eine derartige Gesetzesmaterie wäre gleichfalls diese Zügigkeit wert. Behandeln wir das also in der nächsten Sitzung des Innenausschusses, und beschließen wir ein solch wichtiges Gesetz noch vor dem Sommer! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte.

18.06

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich gehe zunächst einmal auf die Ausführungen der Antragstellerin ein, die sagte: Schauen Sie sich doch nur die gegenwärtigen Fälle an! Sie verwies dabei auch auf jüngste Pressemitteilungen zu drei aktuellen Fällen. – Ich darf Ihnen dazu sagen: Von den drei aktuellen Fällen ist nach Ihrem Entschließungsantrag der Waffenbesitz in zwei Fällen vollkommen legal: bei diesem Bundesheer-Bediensteten auf der einen und bei dem Jäger auf der anderen Seite.

Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich sind diese Vorfälle in Schladming und vor allem auch in Pirka bei Graz sehr tragisch und sehr dramatisch. Ich bin aber der Ansicht, dass man als gesetzgebende Institution sehr wohl – auch wenn es diese furchtbaren Fälle gegeben hat – analytisch vorgehen und vor allem keine voreiligen und falschen Schlüsse ziehen sollte.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 162

Politik mit Verantwortung bedeutet nämlich auch, sich mit den Themen, wie ich bereits betont habe, analytisch auseinander zu setzen. Meine Damen und Herren! In Österreich haben wir ein sehr strenges und sehr gutes Waffengesetz; das wird auch international anerkannt. Waffenbesitz in Österreich ist nur nach einem waffenpsychologischen Gutachten möglich.

Zu Ihrem Antrag betreffend Waffenverbot: Mit Ihrem Entschließungsantrag misstrauen Sie offensichtlich den Psychologen und drücken damit aus, dass die Qualifikation dieser Psychologen nicht entsprechend sei. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Jetzt frage ich Sie – nur ein Vergleich –: Misstrauen Sie auch den Psychologen, die zum Beispiel im Strafvollzug Gutachten für eine bedingte Haftentlassung erstellen? Da müsste nämlich auch – analog zu Ihren Vorstellungen und zu Ihrem Misstrauen den Gutachten von Psychologen gegenüber – die bedingte Strafnachsicht sofort verboten werden.

Meine Damen und Herren! Es bringt überhaupt nichts, zu sagen, die psychologischen Gutachten sind schlecht, sind gefährlich, nicht geeignet, denn dann müsste man die bedingte Strafnachsicht auch sofort verbieten. – Sie sehen also hoffentlich, dass das der falsche Ansatz ist. Wenn es nach Ihnen ginge, würden Sie ja generell den Besitz verbieten – aber da sind wir wirklich anderer Meinung!

Aus unserer Sicht ist es in einem demokratischen Rechtsstaat unzulässig, einen privaten Bedarf in Frage zu stellen. Und diesen privaten Bedarf gibt es, sehr geehrte Damen und Herren! (Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Bürgerwehr! Bürgerwehr!) Ich weiß, dass Sie sich jetzt darüber alterieren. Der private Bedarf ist gegeben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Es gibt ein Grundbedürfnis an Schutz, ein Grundbedürfnis an Verteidigung – und ein Grundbedürfnis von Bürgern an persönlicher Sicherheit.

Meine Damen und Herren! Das subjektive Gefühl der Sicherheit wird für manche Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auch mit dem Besitz von Waffen gleichgesetzt. Das österreichische Waffengesetz – ich wiederhole das noch einmal – ist Gott sei Dank eines der schärfsten in Europa. (Abg. Öllinger: Das ist so absurd!)

Aber schauen wir doch einmal über die Grenzen, weil Sie von den Grünen sich jetzt gar so alterieren. Sogar Ihre grünen Freunde in Deutschland – man möchte es kaum glauben! – sind vernünftiger als Sie. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sag nicht "Freunde"!) Freunde der Grünen hier! – Angesichts der tragischen Ereignisse von Erfurt, die um die Welt gegangen sind, haben die deutschen Grünen verlangt, dass, was die Berechtigung zum Besitz von Waffen anlangt, die Altersgrenze von 18 auf 21 Jahre angehoben werden soll. Kein generelles Waffenverbot; überhaupt nicht! Die Grünen in Deutschland haben nur gesagt, man möchte diesen Zugang von 18 auf 21 Jahre anheben.

Auch die SPD äußerte sich dazu in diese Richtung; da könnten Sie sich ja auch einmal ein Beispiel nehmen. Der deutsche Innenminister Schily verlangte angesichts der tragischen Vorfälle von Erfurt nichts anderes als einen erschwerten Zugang zu Waffen für Jugendliche zwischen 18 und 21 Jahren. (Abg. Öllinger: Deutschland interessiert uns nicht so wie Sie!) In Österreich – nur zu Ihrer Information! – gibt es das Schutzalter 21 Jahre bereits, und das seit längerer Zeit. Ein gutes Gesetz also, das sich auch sehr bewährt hat! (Abg. Öllinger: Sie hängen so an Deutschland, wir nicht!)

Und noch etwas zum Thema Verbot von Waffen. Das Vorbild Großbritannien – das wird sicherlich kommen –, wo ein generelles Waffenverbot erlassen wurde, hat zwei Dinge aufzuzeigen: erstens einen sprunghaften Anstieg des illegalen Waffenbesitzes, des illegalen Waffenhandels, und zweitens wurden nur 160 000 Waffen abgegeben. Das bedeutet, dass ein Großteil der Waffen in die Illegalität gewandert ist. Es ist statistisch erwiesen, dass die Zahl der Verbrechen mit illegalen Waffen dramatisch zugenommen hat.

Ganz zuletzt: Eine Analyse der Täter, und man sollte da wirklich analytisch vorgehen, ergibt Folgendes: Der Selbstmord, der Suizid, wird aus psychologischer Sicht auf jeden Fall umgesetzt. Das ist auch im Fall des tragischen Todes des Kindes in Pirka so. Psychologen sind


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 163

einhellig der Ansicht, egal, mit welchen Mitteln, ein Waffenverbot ändert daran überhaupt nichts. Suizid wird auch in Krankenhäusern und Gefängnissen verübt, wo es keine Waffen gibt. Menschen mit hoher krimineller Energie finden auf jeden Fall ein geeignetes Werkzeug. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme zum Schluss, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Das österreichische Waffengesetz ist gut, es soll so bleiben. Bedenklich ist nur, dass Rot und Grün aus diesen tragischen Ereignissen politisches Kleingeld schlagen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp. – Abg. Öllinger: Jedes Wort eine Waffe! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieso können wir nicht sagen, was wir wollen? Ist das nicht erlaubt?)

18.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

18.11

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte vorweg einmal in eigener Sache klarstellen: Ich besitze keine Waffenbesitzkarte, ich bin nicht Besitzer eines Waffenpasses, ich bin damit also auch kein Lobbyist, für wen auch immer, sondern ich bin heute, wie jeder von uns ... (Zwischenrufe bei den Grünen.)  – Hören Sie mir doch bitte zu! Ich bin, wie jeder von uns, ein ehrlicher Makler in einer sensiblen Materie, und das Waffengesetz ist wohl eine der sensibelsten Materien, die wir in diesem Haus zu diskutieren haben. (Abg. Leikam: Kiss, du warst ein großer Lobbyist!)  – Das war ich nie, und ich möchte auch den Beweis führen.

Wenn unser Klubobmann Andreas Khol zum Beispiel manchmal den Philosophen Gelius zitiert und sagt, dass die "Wahrheit eine Tochter der Zeit" ist, dann möchte ich sagen, halten wir es doch einmal mit der Wahrheit, drehen wir das Rad der Zeit ein wenig zurück. Manche in diesem Haus waren noch nicht da, als wir am 12. Dezember des Jahres 1996 das heute geltende, moderne, strenge, in vielen Kriterien weit über EU-Normen hinaus gehende Waffengesetz beschlossen haben. Meine konkrete Frage an jene, die damals dabei waren, lautet ganz schlicht und einfach: Können Sie sich, werte Kolleginnen und Kollegen, noch daran erinnern, wie die Abstimmung damals gelaufen ist, wer der Innenminister gewesen ist, was die Vorlaufzeit zu diesem Waffengesetz-Beschluss überhaupt war?

Für jene, die es vergessen haben sollten: "Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit." Manche verdrängen, schieben ins Unterbewusste ab. Ich hole es wieder hervor, für Sie, zu Ihrer Erinnerung: Zwei Jahre lang hat unter einem sozialdemokratischen Innenminister Einem der Innenausschuss des österreichischen Parlaments eine Reihe von Expertenhearings mit nationalen und internationalen Experten veranstaltet, bis unter dem damaligen sozialdemokratischen Innenminister dieses Gesetz beschlossen wurde – mit den Stimmen der SPÖ, mit den Stimmen der Grünen, mit den Stimmen der Österreichischen Volkspartei. Einige Zitate aus der damaligen Sitzung habe ich mir aufgehoben, die hole ich jetzt wieder aus der Schublade heraus.

Kollege Toni Leikam, der damalige Sicherheitssprecher von der SPÖ, hat den Innenminister – wie ich auch – für dieses vorbildliche Gesetz gelobt und hat gesagt: Herr Bundesminister! Ich gratuliere dir zu diesem großen Wurf! (Abg. Parnigoni: War es ja auch damals!)

Der damalige Sicherheitssprecher von den Grünen – er hat sich "Friedenssprecher" genannt, Rudi Anschober hat er geheißen, er weilt nicht mehr unter uns, er scheint im Oberösterreichischen Landtag zu sein – hat damals – und ich habe es extra aus dem Protokoll herausgelesen – Einem mit folgenden Worten gelobt: Dieses Gesetz, Herr Bundesminister – und das zeigt, welchen liberalen Ansatz Sie haben –, ist das revolutionärste, epochalste Gesetz, das in diesem Haus zum Waffengesetz im europäischen Vergleich beschlossen wurde.

Damals war alles bestens, revolutionär, epochal, vorbildlich, und heute: Nein, stimmt nicht!? (Abg. Parnigoni: Sechs Jahre sind vergangen!) Vielleicht weil wir heute einen schwarzen Innenminister haben, weil wir eine schwarz-blaue Bundesregierung haben, weil Sie die Wahr


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 164

heit nicht mehr in Erinnerung haben, die Wahrheit, die ich jetzt für Sie aus der Erinnerung hervorgekramt habe, weil Sie ganz einfach negieren wollen, dass das, was einstens gut war, heute nicht gut sein darf? – Das ist mit uns nicht zu machen, Kolleginnen und Kollegen, dafür ist uns diese Materie viel zu ernst, viel zu sensibel und fernab jeglicher Polemik in der Sache nicht wert, hier als Anlassgesetzgebung diskutiert zu werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Antrag von den Grünen beinhaltet zwei Sätze, die ich kategorisch ablehne – ich zitiere –:

"Nicht der Waffenbesitzer ist gefährlich. Die Waffe ist gefährlich!" (Ruf bei den Freiheitlichen: Unsinn!)  – Ein völliger Unsinn! Das Objekt ist gefährlich?

Kollege Öllinger! Die Pflastersteine an sich sind also gefährlich? Die Eisenstangen sind gefährlich? Die Stöcke sind gefährlich? Das alles ist gefährlich? (Ruf bei den Freiheitlichen: Die Hand ist gefährlich!) Nein! Das Objekt an sich ist ungefährlich. Gefährlich wird dieses Objekt durch den Menschen, der es nützt. Das ist es, was ich Ihnen ins Stammbuch schreiben will. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Position der ÖVP zu diesem Gesetz war immer eindeutig, klar, nachvollziehbar. Wir weichen nicht davon ab, weil wir wissen, dass wir uns auch in diesem Thema im gesellschaftlichen Strom in der großen Mitte dieses Landes bewegen. (Abg. Öllinger: Sie sind wirklich im Strom, aber drinnen!) Wir stehen zu diesem Gesetz, das wir damals unter SPÖ-Innenminister Einem mitbeschlossen haben. Die Vorzeichen haben sich nicht geändert. Wir haben in diesem Paket zum Waffengesetz unter anderem dann auch moniert, dass wir zwei Schritte noch zusätzlich brauchen, und das auch eingebracht. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Ja, wir wollen die Gewaltdarstellungen in den Medien – ich komme zum Schluss, Herr Präsident – mituntersucht haben. Wir wollen auch den Aggressionsabbau in unserer Gesellschaft mitdiskutieren und mitdenken und sagen deshalb, weil dies mit Ihnen nicht möglich ist, nein zu Ihrem Vorstoß! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

18.17

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Petrovic hat Ihnen ja schon das Zitat von Herrn Klubobmann Professor Dr. Khol vorgelesen:

"Die Wahrscheinlichkeit, von einem Meteoriten am Kopf getroffen zu werden, ist in Österreich größer, als Opfer eines Schussattentats durch einen legalen Waffenbesitzer zu werden."

Ich habe jetzt den Verdacht, der Meteorit hat den Paul Kiss getroffen! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Lieber Pauli! So etwas von eine ernste Frage nicht verstehen – und jetzt sitzen wir schon sehr lange gemeinsam hier im österreichischen Nationalrat – habe ich bis jetzt noch nicht erlebt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation auch angesichts der geschilderten Fälle so zu verkennen wie Paul Kiss – auf die Ausführungen des Herrn Mainoni will ich gar nicht eingehen, kann ich ja gar nicht eingehen –, ist wirklich unglaublich. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Grünen und jetzt im speziellen Fall mir geht es um die Frage der Verfügbarkeit über Waffen. Die so tragischen Fälle, die sich in den letzten Tagen ereignet haben und die mit legalen Waffen passiert sind, führen uns doch zu der Frage der Verfügbarkeit. Eine Waffe, ob eine legale oder eine illegale, ist immer dann gefährlich, wenn sie in die Hände von Menschen kommt, die damit etwas anrichten wollen. Eine Waffe an sich – so viel zu diesem Satz in unserem Antrag – ist noch nicht gefährlich, aber dann, wenn die


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 165

Verfügbarkeit über diese Waffe nicht mehr unter Kontrolle ist, wird sie gefährlich. (Abg. Mag. Mainoni: Das steht aber nicht drin!)

Ich bin aus tiefstem Herzen davon überzeugt, dass das größte Gefahrenpotenzial, das wir bei Schusswaffen haben, darin liegt, dass Schusswaffen in privaten Haushalten gelagert werden. Daher dient diese Zielrichtung, die die Sozialdemokraten und die Grünen verfolgen, nämlich das generelle Verbot von Schusswaffen in privaten Haushalten – mit einigen Ausnahmen, die sehr streng reglementiert und geregelt sein müssen –, ausschließlich dem Zweck, die Sicherheit in Österreich zu erhöhen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Den Eltern des 10-jährigen Mädchens, das sich in Graz erschossen hat, gilt mein großes Mitgefühl. Diese Eltern sind nicht nur durch den Tod ihres Kindes betroffen, sondern sie sind auch betroffen durch eine Gesetzeslage, die es zugelassen hat, dass ein Vater – wofür?, frage ich mich; das muss ich rhetorisch fragen – eine Waffe haben kann. (Abg. Großruck: Weil er beim Bundesheer ist!)

Dieser Fall, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ebenso der Fall jenes Schülers, der vor einigen Jahren in der Hauptschule Zöbern seine Lehrerin erschossen hat, bringen es auf den Punkt: Es ist immer eine Frage der Verfügbarkeit über Schusswaffen. Die Lehrerin in Zöbern würde noch leben, wenn es nicht ein Waffengesetz gäbe, das privaten Leuten ohne großartige Begründung die Möglichkeit gibt, in ihrem privaten Haushalt Schusswaffen zu verwahren. – Das ist der Punkt, wo es anzusetzen gilt, wenn es um ein generelles Waffenverbot geht, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das ist der Punkt: Der private Bedarf ist zu hinterfragen – und der private Bedarf ist nicht gegeben!

Wenn Herr Mainoni mit einem Grundrecht auf Waffenbesitz argumentiert, dann muss ich sagen, da lacht ja das letzte Hendl in Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn eine Waffe in der Hand eines Menschen, der unkundig ist, ist die Gefahr schlechthin. Das zeigen nicht die Statistiken der Grünen oder die Statistiken der Stoisits, sondern das zeigen die Statistiken des Innenministeriums. Die Gewalttaten und Morde im Familienkreis werden zu zwei Drittel mit legalen Schusswaffen verübt – mit legalen Schusswaffen, die sich legal in privaten Haushalten befinden!

Aus diesem Grund ist uns diese Initiative auch so wichtig, aus diesem Grund ist uns dieses Signal der Abrüstung in Österreichs Haushalten das Wichtigste. Es geht um die Abrüstung in den Haushalten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Daher wollen wir ein generelles Verbot von Schusswaffen in Privathaushalten. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Die Regierung, die so manches nicht versteht, wiegt die österreichische Bevölkerung weiterhin in Unsicherheit, aber das wird sich rächen. Das nächste tragische Ereignis wird auch Ihnen auf den Kopf fallen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Innenausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 688/A (E) betreffend ein generelles Verbot von privaten Schusswaffen eine Frist bis 11. Juni 2002 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 166

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 3 bis 6 der Tagesordnung wieder auf.

Zum Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Silhavy. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.23

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir kommen wieder zur Verhandlung der Berichte des Gesundheitsausschusses, und ich möchte an die Rede des Kollegen Rasinger anschließen, der offensichtlich von Dingen gesprochen hat, über die er sich nicht mit uns beziehungsweise mit unserem Stimmverhalten auseinander gesetzt hat.

Herr Kollege Rasinger! Die Novellierung sowohl des Ärztegesetzes als auch des Hebammengesetzes als auch der Schutzimpfung wird unsere Zustimmung erhalten. Wir geben einer einzigen Vorlage nicht unsere Zustimmung, und den Grund dafür hat unser Kollege Manfred Lackner erklärt. Wir sind vor allem damit nicht einverstanden, dass es sozusagen für die Sonderkrankenanstalten wiederum eine eindeutige Ausnahmeregelung gibt. Weshalb sind diese nicht genau so wie die allgemeinen und öffentlichen Krankenanstalten dazu verpflichtet, die Verschreibungen nach der Wirtschaftlichkeit vorzunehmen? Das ist etwas, was Sie uns nicht erklären können.

Diese Krankenanstalten und Einrichtungen werden von Ihnen eindeutig bevorzugt, Sie geben ihnen eindeutig den Vorzug und ein Privileg. Wir haben Ihnen das auch schon im Ausschuss recht deutlich gesagt, und wir haben das auch ausführlich diskutiert. (Abg. Dr. Rasinger: Das ist ja unlogisch!) Das ist nicht unlogisch! Hat man nach wirtschaftlichen Kriterien vorzugehen, so gilt das für alle Bereiche, Herr Dr. Rasinger. Ich glaube, darin sind wir wohl einer Meinung. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweiter Punkt: Sie versuchen etwas zu reparieren, weil Sie offensichtlich auch befürchten, dass es verfassungsmäßig in der herkömmlichen Form nicht hält, nämlich den Beitrag für die Patientenentschädigung; auch darauf ist Kollege Lackner bereits deutlich eingegangen. Es ist doch irgendwie widersinnig, wenn ich als Patient dafür zahlen muss, dass ich dann, wenn ein Arzt einen medizinischen Fehler begeht, eine Entschädigung bekomme. Wir haben dieses Thema schon mehrmals behandelt. Sie selbst haben gesagt beziehungsweise wurde seitens des Herrn Bundesministers bestätigt, dass das nur eine vorübergehende Lösung, eine Zwischenlösung ist, Herr Kollege Rasinger. (Abg. Dr. Rasinger: Die Ministerin Hostasch wäre froh gewesen!)

Herr Kollege Rasinger! Genau das ist der springende Punkt: Ich soll für etwas bezahlen, das unter Umständen ein Fehler ist, den Ihre Berufsgruppe verursacht. Das ist doch wohl nicht das Verursacher-Prinzip, das Sie immer wieder andeuten und annehmen. Ich als Patient muss sozusagen für mich selbst im Vorhinein Schadenersatz zahlen. Das ist eine Regelung, mit der wir nicht einverstanden sind; das wissen Sie auch, das haben wir Ihnen deutlich gesagt. Wir haben Ihnen schon mehrmals Kompromissvorschläge angeboten, die aus unserer Sicht eine richtige Lösung wären.

Wir wollen Ihnen heute abermals die Chance bieten, diese Regelung zu überdenken und doch den richtigen Weg einzuschlagen.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die PatientInnenentschädigung nach Behandlungsfehlern,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 167

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage 1067 d. B.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird aufgefordert, dem Nationalrat bis Ende Juni 2002 einen Gesetzentwurf zuzuleiten, damit dem Anliegen einer optimalen PatientInnenentschädigung nach Behandlungsfehlern tatsächlich zum Durchbruch verholfen wird. Insbesondere sollen zwingende österreichweit geltende Vorgaben für die Tätigkeit und die Entscheidungen von ärztlichen Schiedsstellen normiert werden."

*****

Ein Antrag, den keiner, der sich von Chancengleichheit und von Vernunftgedanken tragen lässt, ablehnen kann, und daher rechne ich damit, dass wir doch auch die Zustimmung der Regierungsfraktionen bekommen.

Herr Staatssekretär! Da Sie schon hier sind, eine Frage an Sie; vielleicht möchten Sie diese Frage beantworten. Ich lese in einer Zeitung von heute, dass der Kassenwettbewerb nach Wahl wieder ein Thema ist. (Staatssekretär Dr. Waneck: Kein Thema!)  – Nein, ein Thema steht drin! (Staatssekretär Dr. Waneck: Kein Thema!) Dann würde ich Sie bitten, das richtig zu stellen, denn die Versicherten werden immer wieder durch Sie und Ihre Äußerungen verunsichert, wenn Sie von der solidarischen Versicherungsleistung abgehen wollen und immer wieder den Wettbewerb in den Vordergrund stellen.

Sie wissen ganz genau, Sie sind uns nach wie vor die Sanierung der Kassen schuldig. Damit sind wir bei einem weiteren wesentlichen Punkt des Gesundheitssystems. Wir haben immer stärker das Gefühl, dass Ihnen die Versicherten nicht am Herzen liegen, sondern dass es Ihnen einfach um eine ideologische Richtung geht und Sie nicht daran denken, entsprechende Beiträge und eine entsprechende Finanzgebarung im Gesundheitswesen auf die Beine zu stellen – zum Wohle der Menschen in Österreich. Das ist aber etwas, was wir legitimerweise von Ihnen einfordern.

Herr Minister Haupt! Sie haben heute gemeint, wenn auch zu einem anderen Tagesordnungspunkt, es sei das legitime Recht eines jeden Menschen, sich für Positionen zu bewerben. Dieses Recht sprechen wir auch niemandem ab, aber wenn bereits vorher hinter Türen gemauschelt wird und Verhandlungen geführt werden und eine Ausschreibung nur noch eine getürkte Sache ist, dann ist es wohl unser gutes Recht, das aufzuzeigen. Ich möchte Sie warnen, Herr Minister, Sie schlagen damit einen komplett falschen Weg ein. Sie gehen einen Weg, der Ihnen und dem gesamten Staat nicht gut tun wird. (Der Klubdirektor der Freiheitlichen, Dr. Moser, spricht mit dem auf der Regierungsbank sitzenden Staatssekretär Dr. Waneck. – Abg. Sophie Bauer: Die hören dir gar nicht zu! Das ist eine Zumutung!)

Kollegin Bauer, du brauchst dich nicht aufzuregen. Das ist kein Problem, das zeigt nur wieder einmal mehr die Missachtung dieses Hauses seitens der Regierungsbank, wenn der Staatssekretär andere Dinge zu besprechen hat, während er auf der Regierungsbank sitzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erwarte mir trotzdem eine Klarstellung von Ihnen, Herr Staatssekretär!

Ich möchte noch einmal festhalten: Wir stimmen nur dieser einen Vorlage nicht zu, den anderen Vorlagen stimmen wir zu. Daran sieht man, wie konsensbereit wir sind, wenn Sie uns Vorlagen bringen, die vernünftig und nachvollziehbar sind. Dass wir aber solchen Vorlagen, wie Sie sie da vorlegen, nicht zustimmen können, werden alle Menschen in Österreich nachvollziehen


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 168

können. Wenn Sie von den Regierungsparteien das nicht nachvollziehen können, kann ich Sie nur bedauern. (Beifall bei der SPÖ.)

18.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Frau Abgeordneter Silhavy verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte.

18.30

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Die meisten Menschen der EU erkranken zumindest einmal in ihrem Leben an einer Infektionskrankheit. Übertragbare Krankheiten machen nicht an Staatsgrenzen Halt und können sich blitzschnell ausbreiten, wenn sie nicht bekämpft werden. Ich zitiere aus dem Epidemiologie-Bericht der EU:

"Die Mobilität der Bevölkerung, die Migration und die Globalisierung sowie Umweltveränderungen begünstigen die rasche Ausbreitung von Krankheiten, die in der EU bis jetzt selten auftraten."

Schutzimpfungen, meine Damen und Herren, gehören zu den wichtigsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen. Im Regelfall werden alle Geimpften vor einer Krankheit geschützt. Außerdem können Krankheiten, die von Mensch zu Mensch übertragen werden, wie zum Beispiel Kinderlähmung, Hepatitis, Masern, Keuchhusten, bei einer anhaltenden und regelmäßigen Durchimpfung eliminiert werden. Besonders wichtig ist dabei aber, dass die Impfung bereits im Säuglingsalter als Grundimmunisierung beginnt. Impfkomplikationen stehen in keiner Relation zum Nutzen, der sich durch das Gar-nicht-Auftreten einer Infektion durch eine Grundimmunisierung, also eine Impfung im Säuglingsalter, ergibt.

Weltweit große Gefahren ergeben sich aber ganz im Gegensatz dazu durch das Wiederaufflackern von Epidemien oft schon totgeglaubter Krankheiten wie zum Beispiel der Pocken, der Tuberkulose – eine Zunahme ist vor allem in den Oststaaten zu verzeichnen – oder auch der Kinderlähmung, die noch immer nicht ausgerottet ist. Das Ziel des WHO-Programms, 2002 die Kinderlähmung ganz auszurotten, konnte nicht ganz erreicht werden, aber immerhin ist die Anzahl der Erkrankungen von 2 599 im Jahr 2000 auf unter 500  im Jahr 2001 zurückgegangen. Eine Weiterimpfung in diesem Bereich ist daher unbedingt notwendig.

Noch nicht so lange, aber noch sicherer wird nun geimpft mit dem Poliototimpfstoff IPV, der dazu verwendet wird. Der Vorteil dieses Totimpfstoffes gegenüber dem alten Impfstoff ist, dass er bei Kindern angewandt wird und gleich eine Sechsfachimpfung impliziert. Das heißt, Kinder können damit gegen Diphterie, Tetanus, Keuchhusten, Grippe, Hepatitis und Kinderlähmung geimpft werden.

Dieses Gesetz beziehungsweise dieses Weglassen eines veralteten Gesetzes ist eine Initiative gegen die Gesetzesflut. Das heißt, wir schaffen etwas ab, das nicht mehr notwendig ist, und wir wenden uns einer wichtigen und neuen Innovation gerade bei den Impfungen zu. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand dem nicht zustimmen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

18.33

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich bedanke mich bei meiner Vorrednerin dafür, dass sie uns ganz genau aufgelistet hat – weil das ja ihre Profession ist –, welche Maßnahmen, welche Veränderungen es im Impfbereich gibt. Natürlich stimmen wir dem zu. Ich wünschte, das wäre schon vor ein paar Jahren geschehen, dann hätte ich mir mit meinen Kindern einige anstrengende Arztbesuche


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 169

erspart. (Abg. Steibl: Das ist aber nicht bei uns gelegen! Das wäre im Sozialbereich der SPÖ gelegen!)  – Das ist die Forschung, die sich weiterentwickelt hat, sehr geehrte Frau Steibl!

Ich möchte aber jetzt auf die Gesundheitspolitik zu sprechen kommen und dieser auf den Zahn fühlen, zumal auch das Ärztegesetz für die Zahnärzte zur Verhandlung steht. Dem stimmen wir auch zu. Es ist ja nur eine EU-Angleichung, damit wir im Rahmen der EU gleiche Zugangsmöglichkeiten zu Ärzten haben.

In Bezug auf die Zahnärzte habe ich mich ein bisschen kundig gemacht über Zahnhygiene und Prophylaxe. Es ist so – und dafür möchte ich mich auch bei der Parlamentsdirektion bedanken, da ich eine der Ersten war, die mit den neuen Laptops ausgestattet wurden –, dass es mir möglich war, sehr intensiv zu recherchieren.

Wenn sich Karies weiter fortfrisst, entstehen Löcher, und das kann so weit gehen, dass Zähne gerissen werden müssen. Ich denke, so ähnlich kann man auch die Gesundheitspolitik in unserem Land betrachten. Die Bundesregierung verursacht derzeit sehr viele Löcher, sehr viele Karieslöcher in der Gesundheitsversorgung der Menschen, und diese Karieslöcher müssen bald gestopft werden, sonst sind nämlich die Zähne dran. Diese Regierung macht krank, und es wird großer Anstrengungen bedürfen, dem gegenzusteuern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Auf der einen Seite drehen sich die Diskussionen bei Vertretern der Regierungsparteien darum, wie Posten besetzt werden sollen. Vor allem die Gehaltsvorstellungen von jetzigen FPÖ-Abgeordneten korrelieren überhaupt nicht mit jenen in der Pensionsversicherungsanstalt. Ich denke, auch das ist wieder ein sehr krasses Beispiel und ein sehr großes "Kariesloch" in der Gesundheitspolitik. Das System wird missachtet, es wird auf die Effizienz des Systems überhaupt nicht hingewiesen, sondern das System wird madig gemacht. Ich meine, dass sich das Gesundheitssystem das nicht verdient hat.

Der Wiener Gebietskrankenkasse wurde im Rahmen einer Studie des IHS bestätigt, dass die Gesundheitsangebote im Wiener Bereich national und international beim Preis-Leistungs-Verhältnis im Spitzenfeld liegen. Dieses Spitzenfeld wollen wir uns bewahren, und wir werden mit allen Mitteln dagegen ankämpfen, dass noch weitere "Karieslöcher" in diesem Gesundheitssystem entstehen.

Zur Zahngesundheit. – Da heute schon sehr oft über Wien debattiert wurde und verschiedene Stellungnahmen abgegeben wurden, kann ich nur sagen: Wien macht es auch im Bereich Zahngesundheit besser. Es gibt nämlich ein Pilotprojekt für Kindergarten- und Volksschulkinder in vier Wiener Bezirken. Dieses Pilotprojekt wurde ausgeweitet, weil es nämlich interessanterweise so war, dass die soziale Herkunft der Kinder damit korreliert, wie die Zahngesundheit ausschaut. Die Vorsorge ist entscheidend – egal, wo Kinder wohnen. Diese soziale Gleichstellung zeigt Wien im Rahmen dieses Gesundheitsprogramms vor; Wien zeigt, wie es anders geht, wie es besser geht.

Eine Medizinpolitik mit der Brechstange gehört auch im zahnärztlichen Bereich der Vergangenheit an, und deswegen stimmen wir hier dieser EU-Angleichung des Ärztegesetzes zu. (Beifall bei der SPÖ.)

18.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Ihre Uhr ist wunschgemäß auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.38

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der Opposition, insbesondere der SPÖ! Kollegin Silhavy und Kollegin Bauer sind jetzt nicht im Sitzungssaal; ich möchte ihnen trotzdem in ein paar Sätzen auf ihre Ausführungen antworten.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 170

Sie sprechen immer wieder vom Sozialabbau, von sozialer Kälte insbesondere im Gesundheitsbereich. Meine Antwort: Diese Bundesregierung steht im Bereich der Gesundheitspolitik für fairen und gleichen Zugang zu medizinischen Leistungen für alle, für eine zeitgemäße Verwaltung und moderne Strukturen im Gesundheitssystem und für eine Stärkung der Leistungskraft unseres solidarischen Systems und insbesondere auch für eine Qualitätssicherung in unserem gesamten Gesundheitssystem, denn wir von der Regierung wissen, dass Gesundheit unser höchstes Gut ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir von der ÖVP nehmen die Sorgen und die Sehnsüchte der Menschen sehr wohl ernst, und wir tun in diesem Bereich auch einiges. Kollegin Lapp hat gemeint, das hätte man schon vor Jahren machen können. – Sie haben nur vergessen, Frau Kollegin, dass 30 Jahre lang das Sozial- und Gesundheitsministerium von der SPÖ geführt wurde.

Unser Gesundheitssystem bedarf aber wirklich der einen oder anderen Reform.

Ich möchte kurz auf die Neuregelungen im Hebammengesetz eingehen. Trotz sinkender Geburtenzahlen – leider wurden im Jahre 2001 in Österreich nur mehr 75 458 Babys zur Welt gebracht, im Jahr zuvor, im Jahr 2000, waren es noch fast 79 000 – kommt dem Hebammenberuf nach wie vor eine große Bedeutung zu. Es sind zirka 1 500 Hebammen in Österreich von dieser weiteren Neuregelung – wir haben vor ein paar Wochen mit der Blaulichtregelung schon einen Schritt gesetzt – betroffen. Nunmehr werden sie auch Arzneimittel, die sie für ihre Berufsausübung benötigen, selbst verschreiben können.

Ich denke, dass gerade das eine Stärkung für die Hebammen ist, für diesen so wichtigen Beruf. Wir haben heute den ganzen Vormittag intensivst über das Aus-dem-Leben-Begleiten debattiert. Aber genau so wichtig ist es auch, gut und intensiv den Start ins Leben zu begleiten, und das tun die Hebammen mit ihrem Beruf. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte hier nur noch anmerken, dass diese Novelle vielleicht auch ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Babies ist, weil das Kind zu Hause auf die Welt zu bringen bringt mehr Wärme als manchmal eine Geburt im Krankenhaus und kann vielleicht eine Erleichterung bedeuten. Das heißt nicht, dass die Mitarbeiter im Krankenhaus diesbezüglich nicht die beste Arbeit leisten, aber wir wollen auch in dieser Richtung einen wichtigen patientengerechten Schritt im Zuge der Gesundheitsvorsorge setzen. Ich hoffe, dass es hier darüber Einigkeit gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

18.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Csörgits. – Bitte.

18.41

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Es ist wirklich erfreulich, dass das alte Hebammengesetz nun der Praxis angepasst werden kann, und es sind sehr viele Veränderungen aufgenommen worden, die insbesondere auch im Interesse der Hebammen sind und vor allem auch den Wünschen der Hebammen entsprechen, denn ich bin der Auffassung, dass die Hebammen ihre berufliche Situation wohl am besten kennen.

Ich möchte auf drei ganz entscheidende Punkte eingehen. Der erste entscheidende Punkt ist, dass durch das neue Hebammengesetz Hebammen nun die Möglichkeit haben werden, auf Anforderung Medikamente, die sie für ihre Berufsausübung brauchen und benützen, selbst zu beziehen. Das heißt, sie brauchen dazu keinen Arzt mehr. Sie können die Medikamente selbst beziehen, und ich halte das deshalb für einen ganz wichtigen Schritt in die richtige Richtung, weil genau das eine Anerkennung der hervorragenden Berufsausbildung unserer Hebammen darstellt. Und das freut mich als Frauenvorsitzende des ÖGB natürlich ganz besonders, weil dadurch die Berufsqualifikation unserer Kolleginnen wirklich richtig eingeschätzt wird.

Zum zweiten sehr wichtigen Punkt. – Derzeit sollte ein Dienstgeber, wenn er eine Hebamme beschäftigt, den Gremialbeitrag einheben. In der Praxis war es aber dann immer so, dass das


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 171

wie bei den freiberuflichen Hebammen meistens vom österreichischen Hebammengremium gemacht worden ist. In Zukunft soll beides möglich sein, und das ist eine gute Flexibilisierung in die richtige Richtung.

Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist auch, dass mit dem vorliegenden Gesetzesvorschlag die gegenseitige Anrechnung und Anerkennung von schweizerischen und österreichischen Hebammenausbildungen und Berufszertifikaten sichergestellt wird. Auch das ist wichtig und ist ganz besonders für unsere Kolleginnen, die in den westlichen Bundesländern wohnen, von besonderer Bedeutung.

Die SPÖ begrüßt daher diesen Gesetzesvorschlag und hat auch ganz entscheidend an der Verwirklichung und am Zustandekommen dieser Vorlage mitgearbeitet. Wir sind für gute Vorschläge immer gute Partner. Ich muss aber sehr kritisch feststellen, dass es auf Grund des Umstandes, dass im Gesundheitsausschuss sehr viele gute Vorschläge, Anregungen und Anträge, die von der sozialdemokratischen Fraktion eingebracht werden, abgeschmettert werden (Abg. Dr. Pumberger: Vertagt!), bedauerlicherweise nicht oft die Chance gibt, hier einstimmig beziehungsweise mehrstimmig einen guten Gesetzesvorschlag im Sinne der Betroffenen hier im Hohen Haus zu verabschieden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. – Bitte.

18.44

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Als Krankenanstaltensprecherin freut es mich natürlich besonders, dass wir jetzt die gesetzlich geregelte Möglichkeit haben, eine Arzneimittelkommission in den einzelnen Krankenanstalten einzurichten. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass dadurch wirkliche Einsparungen möglich sind, nicht nur vom Einkauf her, sondern vor allem, was die Medikamentenvielfalt betrifft, was letztendlich auch den Patienten zugute kommt.

Ich denke in diesem Zusammenhang zum Beispiel an die Einschränkung bei den Antibiotika. Wir alle wissen, dass es zu Resistenzbildungen kommen kann, wenn wir zu viele verschiedene Antibiotika verwenden. Dadurch ergibt sich nicht nur ein Kosteneffekt, sondern auch ein Effekt für die Patienten, der positiv zu bewerten ist.

Ich möchte mich beim Herrn Minister und beim Herrn Staatssekretär dafür bedanken, dass sie das in das Krankenanstaltengesetz aufgenommen haben, und darf abschließend noch einen Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Hartinger, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Hebammengesetz und das Rezeptpflichtgesetz geändert werden (1102 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die oben bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

Artikel I (Änderung des Hebammengesetzes) wird wie folgt geändert:

Nach Z 7 werden folgende neue Z 7a bis 7c eingefügt:

7a. In § 54a Abs. 1 Z 4 wird die Wortfolge "§ 19 Abs. 2, 6 und 8" durch die Wortfolge "§ 19 Abs. 2 und 4" ersetzt. Art. 17 Z 7 des Verwaltungsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 65/2002, entfällt.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 172

7b. § 62 Abs. 5 lautet:

"(5) § 12 Abs. 6 bis 9, § 19 Abs. 2 bis 4 (§ 19 Abs. 6 bis 8 alt), § 40 Abs. 2 Z 3, § 53 Abs. 4 und § 61a in der Fassung des Verwaltungsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 65/2002, treten mit 1. Jänner 2003 in Kraft. Gleichzeitig tritt § 19 Abs. 2 bis 5 (alt) außer Kraft."

7c. § 62 Abs. 5 wird folgender Abs. 6 angefügt:

"(6) § 54 Abs. 1 Z 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2002 tritt mit 1. Jänner 2003 in Kraft."

*****

Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.47

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die vier in Verhandlung stehenden Vorlagen wurden durch meine Fraktionsvorredner bereits mehrfach erklärt, ebenso unser Stimmverhalten dazu, daher erspare ich Ihnen eine Wiederholung.

Erlauben Sie mir aber einen Hinweis auf den derzeit zweifellos brennendsten Missstand im österreichischen Gesundheitssystem, nämlich die unsoziale Krankenbesteuerung, die Ambulanzgebühr.

Herr Staatssekretär Dr. Waneck hat uns im Ausschuss erklärt, dass durch die Einführung dieser Ambulanzgebühr die Patientenzahl im niedergelassenen Bereich um 10 Prozent gestiegen ist. Das bedeutet 130 Millionen € pro Jahr Mehrkosten für die Krankenanstalten, und es wurde auch erklärt, dass die Einsprüche in diesem Zusammenhang die Verwaltungskosten um mehr als 10 Prozent steigen lassen werden.

Alleine an diesen Beispielen erkennen wir, dass die Ambulanzgebühr mehr kostet, als sie bringt. (Abg. Dr. Pumberger: Kaipel, das ist ein alter Hut!) Und Sie sind sich auch nicht zu schade dafür, genau jene Mittel, die Sie durch die Ambulanzgebühr einheben, für externe Beratungen und Werbung auszugeben. – Ich empfehle Ihnen, Herr Kollege: Machen Sie eine gescheitere Politik, dann brauchen Sie nicht dafür zu werben! Und ich empfehle Ihnen auch: Haben Sie mehr Vertrauen zu den exzellenten Experten in den jeweiligen Ressorts, dann ersparen Sie sich auch die externen Berater! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Ambulanzgebühr ist jedenfalls eine versteckte Beitragserhöhung auf Kosten der Arbeitnehmer. Sie ist eine Strafzahlung für alle, die keine andere Möglichkeit haben, als eine Ambulanz aufzusuchen. Und sie ist auch eine Diskriminierung für chronisch und schwer Kranke. Und wenn Sie immer darauf hinweisen, dass die Krebspatienten von der Ambulanzgebühr befreit sind, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Tatsache ist, dass Tausende Krebspatienten für die Nachbehandlung Ambulanzgebühren zu bezahlen haben.

Sie kennen wahrscheinlich die Schlussfolgerungen einer englischen Studie, in der ausgeführt wird, dass die Selbstbehalte wenig Effizienz im Gesundheitswesen bringen und auch eine Umverteilung von den Armen zu den Reichen bewirken.

Folgen Sie, Herr Bundesminister, Herr Staatssekretär, dem Beispiel der Niederlande! Sie haben die Gelegenheit, die Ambulanzgebühr abzuschaffen. Oder folgen Sie zumindest der Einsicht


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 173

Ihrer Abgeordneten-Kollegen, Ihrer Fraktionskollegen Gaugg und Hartinger, die gemeinsam der Meinung sind, dass diese Ambulanzgebühr ein soziales Unding ist, das weg muss. – Jawohl, wir können das nur bestätigen. Diese Ambulanzgebühr gehört weg, und wir unterstützen Sie dabei. (Beifall bei der SPÖ.)

18.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

18.50

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Wir haben in Österreich ein hervorragendes Gesundheitssystem, und ich finde, es braucht niemand hier in diesem Hohen Haus unser Gesundheitssystem mies zu machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch die heutigen Gesetzesänderungen, die zur Beschlussfassung anstehen, bringen eine wesentliche Verbesserung in großen Bereichen des Gesundheitssystems.

Ich möchte meine Ausführungen zunächst den Änderungen im Krankenanstaltengesetz widmen, und zwar etwa der Ethik-Kommission, die es in gewissem Umfang bereits gibt. Ich denke, einen Behindertenvertreter zusätzlich einzubringen, ist eine sehr vernünftige und gute Lösung, und zwar auch deshalb, weil Menschen mit besonderen Bedürfnissen häufig von neuen medizinischen Methoden oder neuen Medizinprodukten in ihren Interessen betroffen sein können.

Ferner haben die Ethik-Kommissionen in den Krankenanstalten eine wichtige Aufgabe der Kontrolle, besonders auch bei der sehr wichtigen medizinisch-klinischen Forschung, wobei durch die Einbindung von Behindertenvertretern in diesem Kontrollmechanismus eine breitere und umfassendere Sichtweise entsteht.

Ich finde es als verantwortlicher Kommunalpolitiker eines Schwerpunkt-Krankenhauses auch sehr erfreulich, dass die Installierung einer Arzneimittel-Kommission in den Krankenanstalten, die sich mit der Erstellung von Arzneimittel-Listen zu befassen hat, ein verstärktes Kostenbewusstsein mit sich bringen wird. Ich freue mich, dass diese Arzneimittel-Kommission eingeführt wird.

Gerade im medizinischen Bereich, im Arzneimittel-Bereich hat es in den letzten Jahren große Fortschritte gegeben, die aber auch mit gewaltigen Kostensteigerungen einher gegangen sind. Wenn man diese Kosten eindämmen kann, dann finde ich, dass das ein wichtiger und vernünftiger Schritt ist.

Eines kann ich nicht verstehen, nämlich dass es von Seiten der Opposition bei der verschuldensunabhängigen Patientenentschädigung keine Zustimmung gibt. Ich kann das insofern nicht verstehen, weil die Sonderklasse-Patienten bisher einen Anspruch auf diese Entschädigung hatten, aber bisher keinen Beitrag geleistet haben. Ich finde, es ist ganz wichtig, dass es da zu einer Gleichstellung bei den Patienten kommt.

Geschätzte Damen und Herren! Abschließend möchte ich betonen: Das Ziel der Bundesregierung ist es, eine umfassende, gute Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, die uns auch weiterhin im europäischen beziehungsweise internationalen Spitzenfeld bestehen lässt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

18.53

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte es kurz machen und nur auf den Beitrag meines Vorredners eingehen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 174

Ich bin – durch sehr viele temperamentvolle Zwischenrufe während meiner Rede – leider nicht dazu gekommen, einen Entschließungsantrag einzubringen. Er bezieht sich auf diese Medizinhaftung. Ich schildere nur ganz kurz, warum wir das tun: Weil es nicht einzusehen ist, dass Patienten für Schäden, die sie von anderen erlitten haben, zur Kasse gebeten werden. Das verstehe ich nicht unter einem fairen und gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen, wenn dieser Zugang darin besteht, dass der Patient sowohl die Leistungen als auch den Schaden bezahlt, den er durch andere erlitten hat.

Es wird dieses Unrecht auch nicht vernünftiger, wenn man das jetzt auch von Sonderklasse-Patienten abkassiert. So weit möchte ich den Klassenkampf nicht treiben! Unrecht bleibt Unrecht, und was zu lösen wäre, ist die Medizinhaftung in einem größeren Wurf, der sich nicht auf so kleine Sektoren zurückdrehen lässt.

Ich glaube, dass diesbezügliche Gespräche möglich sind – da bin ich Optimist –, weil Waneck hin und wieder erwähnt hat, dass das nur ein erster Schritt ist. – Dass das ein kleiner und wahrscheinlich auch verfassungsrechtlich bedenklicher oder sogar falscher Schritt war, ist eine andere Frage.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Grünewald, Haidlmayr, Freundinnen und Freunde betreffend Streichung der gleichheitswidrigen Haftungsregelung im Krankenanstaltengesetz und Schaffung einer verschuldensunabhängigen Medizinhaftung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, bis 31. 12. 2002 einen Gesetzentwurf für eine Änderung des Krankenanstaltengesetzes vorzulegen, der die ersatzlose Streichung des § 27a Abs. 5 und 6 beinhaltet.

Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, ebenso bis 31. 12. 2002 einen Gesetzentwurf für eine verschuldensunabhängige Medizinhaftung vorzulegen.

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Grünewald, Haidlmayr, Freundinnen und Freunde ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wochesländer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.56

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte mich zunächst bei den Kollegen Lackner, Gusenbauer und Nürnberger bedanken – ich betone: bedanken!  –, denn sie haben heute so häufig an der Thematik vorbei geredet, dass auch ich mir eine Abweichung erlauben kann, und zwar folgende: Ich bin nicht die Hüterin des Herrn Kollegen Kiss. Ich bin auch niemand, der ihn verteidigt, aber ich bin eine von jenen unserer Fraktion, die ihn ganz besonders schätzen. Und da möchte ich Frau Stoisits schon sagen: Wenn sie sagt, dass Herrn Kiss ein Meteor getroffen haben muss, dann muss ich sagen, bei ihren Äußerungen glaube ich, es gab eher einen Meteor-Regen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 175

Nun aber – ich liebe keine Abschweifungen – zur Thematik dieser Debatte, und zwar zur Abänderung im Krankenanstaltengesetz. Meine Damen und Herren! Wir wissen, was es heute heißt, ein Gesundheitssystem finanziell aufrechtzuerhalten. Wir wissen, was es kostet, Medikamente beizustellen, und dass gerade die Medikamente einer der größten Kostenpunkte im Gesundheitssystem sind.

Es ist schon seit Jahren so, dass die niedergelassenen Ärzte die Empfehlung haben, Generika zu verwenden, das heißt, Medikamente von gleicher Qualität, aber doch günstiger im Ankauf. Wie das vor sich geht, brauche ich Ihnen ja nicht detailliert zu erzählen. – Auf der anderen Seite muss diese Maßnahme natürlich auch gerade in den Spitälern eingeführt werden, denn gerade in den Spitälern wird naturgemäß ein sehr hoher Anteil an Arzneimitteln verwendet, und bei diesen Medikamenten muss natürlich gespart werden, und zwar aus den verschiedensten Gründen. Die beste Voraussetzung dafür ist natürlich eine Arzneimittel-Kommission, die die Richtlinien vorgibt und deren Anwendung sozusagen überwacht.

Wie sieht denn die Praxis aus? – Im Krankenhaus werden die Arzneimittel oft erstmals eingesetzt oder verordnet, und der Patient sagt dann, wenn er aus dem Krankenhaus entlassen wird und zum praktischen Arzt geht: Ich will genau dieses Präparat wieder haben und kein anderes! Ich habe es an mir selbst erlebt: Mein Arzt hat eine hohe Überredungskunst gebraucht, bis ich bereit war, etwas Billigeres zu verwenden.

In diesem Sinne ist dies also ein sehr wichtiges und gutes Gesetz, das sicherlich dazu beiträgt, zu sparen, meine Damen und Herren der SPÖ – was Sie nicht können –, aber trotzdem die Qualität beizubehalten. – Herr Lackner, jetzt haben Sie mich aber verstanden. Jetzt passt es! – Okay, gut. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gehen wir gleich weiter zur Änderung beim Krankenanstaltengesetz, und zwar bezüglich der verschuldensunabhängigen Entschädigung. Dabei darf ich auf den Beitrag des Herrn Dr. Grünewald zu sprechen kommen.

Der Terminus "verschuldensun abhängig" ist sozusagen das Zünglein an der Waage, denn wenn wir wissen, dass der Arzt dieses oder jenes verschuldet hat, dann hat der Patient ja ohnehin seine Sicherstellung, und dann bekommt der geschädigte Patient ... (Abg. Dr. Grünewald: Nein! Nein!)  – Natürlich! Aber bei der verschuldensun abhängigen Lösung ist keiner da, der zahlt! Wer ist denn da zuständig? Und bitte: 10 S am Tag – umgerechnet 0,73 Cent –, und das maximal für 28 Tage, das ist wirklich kein Problem.

Zweitens: Es geht hier ja nur um eine Gleichstellung der Sonderklasse-Patienten. Sie haben sich, so lange ich hier im Parlament bin, ständig darüber aufgeregt, dass die Sonderklasse-Patienten Extrawürste haben, und Sie reden von einer Zwei-Klassen-Medizin. – Jetzt endlich sind wir so weit, dass wir diese Patienten genau in das einbinden, was Sie immer vorschlagen, aber jetzt passt es Ihnen auch wieder nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Sinne darf ich noch folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Wochesländer, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Ärztegesetz 1998 und die Verordnung betreffend Regelung der Ausbildung zum Zahnarzt geändert werden (1101 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die oben bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

Artikel I (Änderung des Ärztegesetzes 1998) wird wie folgt geändert:


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 176

Nach Z 2 werden folgende neue Z 3 und 4 angefügt:

3. In § 214 Abs. 12 wird die Wendung "§§ 9, 10, 11," durch die Wendung "§§ 9, 10 Abs. 1 und 2 sowie 4 bis 12, 11 Abs. 1 und 2 sowie 4 bis 9," ersetzt und folgender Satz angefügt: "Die §§ 10 Abs. 3 und 11 Abs. 3 in der Fassung des Verwaltungsreformgesetzes 2001 treten mit 1. Jänner 2005 in Kraft."

4. § 214 Abs. 12 wird folgender Abs. 13 angefügt:

"(13) § 214 Abs. 12 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/2002 tritt mit 1. August 2002 in Kraft."

*****

Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Wochesländer, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Grünewald zu Wort gemeldet. – Beginnen Sie bitte mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und stellen Sie dieser den berichtigten Sachverhalt gegenüber!

19.01

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Wochesländer hat behauptet, eine verschuldensunabhängige Medizinhaftung sei deswegen Unsinn oder sei nicht vernünftig, weil bei klarem Verschulden des Arztes für den Patienten ohnehin alles klar sei.

Dem ist nicht so! Nur 10 Prozent der Haftungsfälle stehen im Zusammenhang mit grober Fahrlässigkeit, 90 Prozent aber mit leichter Fahrlässigkeit, und da ist nur über langwierige Gutachterverfahren zu einem Recht zu kommen. Circa 80 Prozent dieser Verfahren werden wegen Zeit- und Kostenrisiken für den Patienten eingestellt.  – Also das war falsch. (Beifall bei den Grünen.)

19.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

19.02

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! – Glaubwürdiger sind Sie durch diese tatsächliche Berichtigung nicht geworden, Herr Dr. Grünewald. Ich bin eher auf der Seite der Frau Abgeordneten Wochesländer – ganz eindeutig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Gerade ihre Argumentation hat bewiesen, dass wir diese Haftung unbedingt brauchen. Aber ich möchte nicht weiter dazu Stellung nehmen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Grundsätzlich meine ich, dass die vier Gesetze, die wir hier beschließen, trotz der Kritik, die von verschiedener Seite gekommen ist, gute Gesetze sind. Und ich meine vor allem, dass die Änderungen zum Krankenanstaltengesetz sehr wichtig sind. Herr Abgeordneter Kößl hat bereits auf die Bedeutung der Ethik-Kommission hingewiesen, in der auch Behinderte vertreten sind.

Lassen Sie mich aber noch ein paar Worte zum Ärztegesetz sagen. Wir haben am Ende der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses die Ausbildungsbestimmungen für Ärzte noch ein wenig verändert, und ich meine, dass das eine wichtige Änderung war. Wir waren leider nicht in der Lage, einen weiteren wichtigen Schritt zu setzen, der vor allem die jungen Ärztinnen und ein Problem betroffen hätte, mit dem sie wirklich in besonderer Weise konfrontiert sind.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 177

Meine Damen und Herren! Auch Sie haben sicherlich schon mit jüngeren Ärztinnen, die in Ausbildung sind, mit Turnusärztinnen, mit Fachärztinnen in Ausbildung gesprochen. Diese Frauen haben nicht die Möglichkeit, die Karenz in Anspruch zu nehmen, denn sie können die Ausbildung nicht zwei Jahre lang unterbrechen. Wenn sie das täten, dann hätten sie große Nachteile in der Ausbildung.

Ich möchte Ihnen daher aus einem Schreiben zitieren, das diese Ärztinnen an uns gerichtet haben – sicherlich an mehrere Abgeordnete hier im Hohen Haus –:

Wir sind eine kleine Gruppe von Ärztinnen mit kleinen Kindern und haben großes Interesse daran, unsere Ausbildung zu Ärztinnen für Allgemeinmedizin und zu Fachärztinnen in Teilzeit, bei entsprechender Verlängerung der Ausbildungszeit, machen zu dürfen. Unsere jüngsten Kinder sind alle noch nicht vier Jahre alt. Wir dürfen unsere Ausbildung zwar momentan in Teilzeit machen, würden dies aber auch gerne über das vierte Lebensjahr unserer Kinder hinaus tun. Wir sind der Ansicht, dass unsere Kinder ab dem vierten Lebensjahr nicht gezwungen sein sollten, bis zu 60 Stunden pro Woche, und dies mitunter auch während der Nacht, auf ihre Mütter zu verzichten. – Zitatende.

Ich möchte daher bitten und im Sinne dieses Anliegens der jungen Ärztinnen, dieser jungen Mütter darum ersuchen, bei der nächsten Behandlung einer Novelle zum Ärztegesetz – ich hoffe, dies wird noch im Jahre 2002 der Fall sein – abzuklären, welche Möglichkeiten für eine Erweiterung der Teilzeitarbeit für Turnusärztinnen und Fachärztinnen in Ausbildung zur Betreuung von Kindern über die derzeit geltende Rechtslage hinaus bestehen. Ich bitte darum, dass wir dieses Ersuchen noch in diesem Jahr erledigen.

Herr Minister! Herr Staatssekretär! Ich möchte Sie auch im Namen vieler anderer Abgeordneter dieses Hohen Hauses darum bitten, dass es vielleicht noch im Herbst dieses Jahres zu einer Lösung kommt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadler. – Bitte.

19.06

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Im Rahmen dieses Tagesordnungspunktes möchte ich mich den Änderungen zum Hebammengesetz widmen. Das bisherige Hebammengesetz entsprach in einigen Punkten nicht mehr den Bedürfnissen der Praxis. Gerade bei Hausgeburten oder bei Hausbetreuungen unmittelbar nach einer Entbindung war für die Hebammen die Medikamentenbevorratung bisher nur erschwert möglich.

Mit der vorliegenden Gesetzesänderung bekommen die Hebammen nun die Möglichkeit, die für eventuelle Komplikationen bei oder unmittelbar nach der Geburt notwendigen Medikamente direkt bei der Apotheke zu beziehen und diese Arzneimittel auch in Bevorratung zu nehmen. Diese Änderung ist einvernehmlich mit den Hebammen und Ärztevertretern entstanden und ist eine wichtige Maßnahme, um die Praxis der Hebammen in Zusammenarbeit mit den Ärzten bedarfsgerecht zu unterstützen.

Weiters beinhaltet die Regierungsvorlage die Regelung der Einhebung des Gremialbeitrages. Bei Hebammen, die in einem Dienstverhältnis stehen, wird in Zukunft dieser Beitrag vom jeweiligen Dienstgeber abgeführt werden.

Schließlich ist noch das Übereinkommen mit der Schweiz umgesetzt worden, das besagt, dass die gesamte Ausbildung der Hebammen in Österreich – sämtliche Diplome, Prüfungszeugnisse, Befähigungsnachweise und so weiter – auch in der Schweiz anerkannt wird, und umgekehrt wird die Ausbildung von Schweizer Hebammen auch in Österreich anerkannt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Änderung des Hebammengesetzes ist bedarfsgerecht, praxisorientiert und unterstützt unsere Hebammen, die sich ganz besonders dem Schutze des Lebens von Mutter und Kind rund um die Geburt verschrieben haben. Es ist auch


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 178

gelungen, einvernehmlich durch sinnvolle Maßnahmen zur Prävention von Geburtenkomplikationen beizutragen, ohne die Kernkompetenz der Ärzte zu verletzen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.08

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird, in 1100 der Beilagen.

Dazu hat Abgeordnetre Dr. Grünewald ein Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich Artikel 1 Ziffern 3 und 5 gestellt.

Ferner hat der Abgeordnete Lackner ein Verlangen auf getrennte Abstimmung betreffend dieselben Bestimmungen gestellt.

Ich werde zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen nunmehr zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 Ziffern 3 und 5 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die PatientInnenentschädigung nach Behandlungsfehlern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest: Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Streichung der gleichheitswidrigen Haftungsregelung im Krankenanstaltengesetz und Schaffung einer verschuldensunabhängigen Medizinhaftung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 und die Verordnung betreffend Regelung der Ausbildung zum Zahnarzt geändert werden, in 1101 der Beilagen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 179

Hiezu haben die Abgeordneten Wochesländer, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung neuer Ziffern 3 und 4 in Artikel I bezieht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, werde ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Zusatzantrages der Abgeordneten Wochesländer, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen abstimmen lassen.

Ich ersuche alle, die dafür sind, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte alle Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle neuerlich die einstimmige Annahme fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Rezeptpflichtgesetz geändert werden, in 1102 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Mag. Hartinger, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung neuer Ziffern 7a bis 7c in Artikel I eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, werde ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Zusatzantrages der Abgeordneten Mag. Hartinger, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen abstimmen lassen.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung aufgehoben wird, samt Titel und Eingang in 950 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für diesen Gesetzentwurf sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

7. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (967 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (1104 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 636/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Gentechnikgesetzes (1105 der Beilagen)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 180

9. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 455/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anordnung der Vernichtung von GVO-verunreinigten Anbauflächen (1106 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 bis 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.14

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Gleich zu Beginn, Herr Bundesminister, möchte ich Ihnen sagen: Es freut mich, dass Sie heute bei dieser Debatte anwesend sind, zumal wir im Ausschuss nur sehr selten die Gelegenheit haben, mit Ihnen zum Thema Gentechnik zu diskutieren. Ich möchte sogleich auf den Vier-Parteien-Antrag eingehen, der heute noch eingebracht wird. Ich sehe das als einen ersten positiven Schritt, einen Schritt in die richtige Richtung im Gentechnikbereich, auch wenn es nur ein kleiner Schritt ist. Unsere Vorstellungen beinhalteten wesentlich mehr. (Die Abgeordneten Mag. Schweitzer und Ing. Westenthaler sprechen miteinander und lachen dabei.)  – Es freut mich, dass sich die Herren von den Freiheitlichen in der ersten Reihe bei diesem Thema so erheitern können.

Der vorliegende Antrag beschäftigt sich mit den gentechnikfreien Zonen in Österreich und auch mit der Gesetzeslücke im Gentechnikgesetz. Ich bin froh darüber, dass es nun einen klaren Handlungsauftrag an die Bundesregierung gibt, im Gentechnikbereich aktiv zu werden, eine Machbarkeitsstudie für den Gentechnikbereich zu erstellen und eine Gesetzeslücke im Gentechnikgesetz zu schließen. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )

Herr Kollege Westenthaler! Wollen Sie beim Thema Gentechnik auch mitreden, oder was ist das Problem? (Abg. Ing. Westenthaler  – Bezug nehmend auf die weiße Kleidung der Rednerin –: Sie haben wenigstens noch eine weiße Weste!)  – Ich habe immer eine weiße Weste – im Gegensatz zu Ihnen! Sie habe ich noch nie mit einer weißen Weste gesehen! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Ich muss bemerken, dass die Begleitmusik zu diesem Thema "Gentechnik und gentechnikfreie Zonen", die vom Landwirtschaftsminister und die vor allem aus der ÖVP kommt, mich, ehrlich gesagt, ein wenig befremdet. Minister Molterer nützt eigentlich jede sich bietende Chance, um zu dem Projekt "gentechnikfreie Zone Österreich" auf Distanz zu gehen. So konnte man zum Beispiel gestern im "Mittagsjournal" hören, dass er nicht dafür sei, dass wir jetzt in eine Diskussion eintreten, die das Ergebnis "gentechnikfreie Zone Österreich" zum Ziel hat. Das kann ich, ehrlich gesagt, nicht ganz nachvollziehen, denn: Wann, wenn nicht jetzt, sollen wir über dieses Thema diskutieren?

Es gibt in den Bundesländern immer mehr Initiativen in diese Richtung. So gibt es zum Beispiel schon einen solchen Beschluss im Burgenland, es wird auch in Oberösterreich und auch in Kärnten derartige Beschlüsse geben. Die Bundesländer preschen im Gentechnikbereich offensichtlich vor, während man auf Bundesebene noch zuwarten will. Ich frage mich, worauf man noch warten will.

Heute Morgen haben wir in der Fragestunde von Herrn Minister Molterer vernehmen können, dass er zuerst einmal gerne wissen möchte, was eine gentechnikfreie Zone überhaupt ist, was damit gemeint ist – ein Argument, das Herr Kollege Schultes auch sehr oft vorgebracht hat. Ich finde das, ehrlich gesagt, etwas absurd, denn wir sind der Gesetzgeber, was bedeutet, dass wir festlegen können, was wir uns vorstellen, was wir erreichen wollen, wie eine gentechnikfreie Zone aussehen soll. Da frage ich mich schon: Auf wen warten wir denn noch, dass er kommt und uns mitteilt, wie diese gentechnikfreie Zone sein soll? – Ich habe immer mehr das Gefühl,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 181

dass das auf eine Verzögerungstaktik hinausläuft, und das finde ich eigentlich sehr schade. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Mich würde auch interessieren, was Sie, Herr Bundesminister Haupt, zu diesem Thema sagen. Was sagen Sie zu der Errichtung von gentechnikfreien Zonen? Wann werden Sie die diesbezügliche Studie in Auftrag geben?

Herr Staatssekretär! Sie selbst haben vor wenigen Wochen in Linz eine Studie zu diesem Thema vorgestellt. Das heißt, dass es offensichtlich doch gewisse Kräfte in der Bundesregierung gibt, die auf dieses Ziel hinarbeiten. Mich würde auch interessieren, wie aus Ihrer Sicht die Perspektive ist: Wann wird etwas umgesetzt, und wann wird es endlich auch auf Bundesebene konkrete Schritte in diese Richtung geben?

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Mich würde interessieren, wann Sie endlich die Gentechnikfreiheit in Österreich auch als Chance erkennen. Wie Sie wissen, sind 90 Prozent ... (Abg. Donabauer: Hören Sie auf zu träumen!)  – Herr Kollege Donabauer, ich träume nicht! Sie wissen offensichtlich nicht, dass es in der österreichischen Landwirtschaft eine sehr gute Grundvoraussetzung für diesen Bereich gibt. Wir hatten in Österreich noch keine Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen und auch keine Neuzulassung von gentechnisch veränderten Produkten. Unsere Konsumenten und auch unsere Bauern lehnen das ab. (Abg. Donabauer: Hören Sie auf zu träumen!) Wenn Sie das als Traum bezeichnen, dann kann ich nur sagen, dass diese Ihre Sicht völlig realitätsfremd ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich finde es sehr bedauerlich, dass Sie da noch zögern, weil das, wie ich meine, auch eine große Marktchance für die österreichischen Bauern sein kann. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Diese Weichenstellung müssen wir jetzt vornehmen, denn in ein, zwei, drei Jahren ist es vielleicht zu spät. Wir haben mit der Europäischen Union ein Umfeld, das eben nicht gentechnikfrei ist. Wir haben Probleme im Saatgutbereich, wir haben Probleme im Futtermittelbereich, und daher müssen wir uns, wenn wir die Gentechnikfreiheit in der österreichischen Landwirtschaft erhalten wollen, jetzt überlegen, wie wir die Weichen stellen wollen, sodass wir das auch in fünf Jahren noch haben.

Das betrifft genau das Problem mit dem Zuwarten, was mich an der Strategie der ÖVP ein bisschen ärgert. Wenn wir jetzt zuwarten, dann werden wir in zwei, drei Jahren vor vollendete Tatsachen gestellt sein. Wir werden die Gentechnik in allen Bereichen haben, und dann werden Sie uns mit Recht sagen: Na ja, jetzt können wir nichts mehr tun, jetzt ist es zu spät! Doch jetzt sagen Sie: Wir können noch nichts tun, weil wir zuerst Studien machen und das Ergebnis der Untersuchungen abwarten müssen. – Das ist eine Art Doppelmühle, die ich nicht ganz nachvollziehen kann.

Herr Minister Molterer sprach hier von Chancen, die die Gentechnik in Zukunft bringen kann. Dazu muss ich sagen: Diese Chancen sehe ich jetzt nicht am Horizont. Gehen wir einmal vom hypothetischen Fall aus, dass es so sein könnte, dann kann man sich nachher immer noch überlegen, wie man das einbaut. Aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, hier zu handeln, und der dauert nicht mehr lange, jetzt haben wir eine Chance und ... (Abg. Ing. Westenthaler: Ein Zeitpunkt ist immer sehr kurz!)  – Herr Kollege Westenthaler! Ich weiß nicht, aber offensichtlich erheitert Sie dieses Thema besonders; vielleicht sollten Sie dieses Thema ein bisschen ernster nehmen. Es gibt Gott sei Dank auch in Ihrer Fraktion ein paar Menschen, die in diese Richtung arbeiten wollen. Für Sie ist das offensichtlich nur eine lustige Unterhaltung nach 19.00 Uhr am Abend. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie müssen zugeben, dass ein Zeitpunkt nicht lange dauern kann!)

Eine gentechnikfreie Zone wird uns mit Sicherheit nicht in den Schoß fallen, dafür werden wir etwas tun müssen, dafür werden wir ein paar Weichen stellen müssen, und ich hoffe, dass es dazu noch weitere Anträge und einen weiteren Konsens geben wird, der über diesen Antrag, den wir heute hier beschließen und den ich wirklich nur als einen ersten Schritt und als einen Anfang sehen kann, hinausgeht.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 182

Ich kann Ihnen versichern: Ich werde bei diesem Thema nicht lockerlassen, und wir werden dieses Thema auch in den nächsten Monaten und Jahren hier im Hohen Hause noch ausführlich besprechen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Scheuch. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Öllinger in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Ing. Scheuch. – Abg. Ing. Scheuch  – an den Abg. Öllinger gewandt –: Gibt es ein Problem? – Abg. Öllinger  – auf Abg. Ing. Scheuch replizierend –: Sicher, mehrere! – Abg. Ing. Scheuch: Das glaube ich: Wenn ich mich für Dinge einsetze, die auch Sie wollen, ist es für Sie ein Problem; für mich nicht! – Abg. Öllinger: Wollen Sie ein Problem haben? – Abg. Ing. Scheuch: Sie können mir sicher keines machen, mein "Freund", mein "Genossenfreund"! Na wirklich nicht! So wichtig, wie Sie glauben, sind Sie nicht!)

19.21

Abgeordneter Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Minister! Herr Präsident! Ich bin sehr froh darüber, dass es eine breite Mehrheit in der österreichischen Bevölkerung gibt, die ganz klar sagt, dass sie gegen die Ausbringung von GVOs ist. Ich bin auch stolz darauf, dass hier alle vier Parteien einen Konsens dahin gehend finden konnten, in dieser Frage einen Schritt in die richtige Richtung zu setzen, auch wenn dieser Schritt nicht unbedingt ein Durchbruch ist und nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann, aber es ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, nämlich insofern, als Österreich in dieser Frage europaweit das ökologische Gewissen werden könnte und eine Führerschaft, wie zum Beispiel in der Anti-Atompolitik, einnehmen könnte.

Was sagt der vorliegende Entschließungsantrag aus? – In erster Linie sagt er aus, dass wir uns mit aller Kraft für die Verlängerung des Moratoriums betreffend Zulassung gentechnisch veränderten Pflanzen in der EU einsetzen werden und wollen, wie das der Herr Minister auch bis jetzt schon getan hat. Ich möchte hier durchaus nicht verschweigen, dass es da Gefahr in Verzug gibt, denn es könnten, was man ohne weiteres sagen kann, Länder wie Frankreich aus dieser Allianz ausscheiden und es könnte zur Aufweichung der diesbezüglichen Bestimmungen kommen, was natürlich katastrophale Auswirkungen für den Biolandbau, für die Landwirtschaft an sich hätte und was letztendlich auch den Plan, in Österreich eine gentechnikfreie Zone zu errichten, zunichte machen würde. Auf Grund dieser Umstände sind wir gefordert, zu handeln, und dazu brauchen wir entsprechende Unterlagen.

Damit komme ich zum zweiten Punkt dieses Antrages, zu der Forderung, dass Studien erstellt werden sollen, die gesundheitliche, technische, rechtliche und wirtschaftliche sowie ökologische Möglichkeiten ausloten, und – das ist mir auch wichtig, das haben wir gemeinsam verhandelt – dass Möglichkeiten zur Errichtung einer gentechnikfreien Region in Österreich oder überhaupt auf dem gesamten Bundesgebiet Österreichs zu evaluieren sind, um dann, wenn Gefahr in Verzug ist, Entscheidungsgrundlagen zu haben.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der mir am Herzen liegt und der auch in diesem Antrag festgeschrieben wurde, lautet, dass die Lücke, die in der Haftungsfrage auftritt, geschlossen wird. Das jetzige Gesetz macht nämlich praktisch keinen Unterschied zwischen unbeabsichtigter und absichtlicher Freisetzung. Dazu wird der Minister einen Entwurf bis Herbst vorlegen, womit dann diese Gesetzeslücke geschlossen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist unbestritten, dass das Aussetzen von GVOs ein Risiko in sich birgt. Wir müssen dafür sorgen, dass die Schadensfälle nach dem Verursacherprinzip abzuhandeln sind, und ich bin mir nicht ganz sicher, dass die Liquidität so manchen, wenn auch mächtigen Chemiekonzerns ausreichen wird, um Marktschäden mittels des Verursacherprinzips zu begleichen. Das heißt, es könnte wieder so weit kommen – wie es schon bei der BSE-Krise der Fall gewesen ist –, dass der Steuerzahler einerseits zuerst mit einem eigentlich minderwertigen Nahrungsmittel versorgt wird und andererseits mit seinem Steuergeld auch noch die Kosten für die Sanierungsmaßnahmen tragen muss. Das darf nicht sein!


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 183

Vor dem Hintergrund des von mir jetzt in aller Kürze ausgeleuchteten Szenarios ist eigentlich nur mehr zu sagen, dass Prävention der beste Schutz auf diesem Gebiet ist, dass Prävention wichtig ist, um einen ökologischen Super-GAU zu verhindern, und dass es einfach eine Verantwortung gegenüber unseren Kindern darstellt, so zu handeln, wie wir es heute mit diesen Entschließungsantrag tun. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Glawischnig, die eine weiße Jacke anhat –: Sie hat auch eine weiße Weste! – Abg. Dr. Glawischnig  – an das Rednerpult tretend, in Richtung der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Ing. Westenthaler, die miteinander reden und dabei lachen –: Soll ich am Anfang meiner Rede eine kleine Pause machen, damit sich die zwei Buben hier in der ersten Reihe auslachen können, oder? – Abg. Achatz: Das war aber rassistisch, wie Sie sich da geäußert haben! – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung der Abg. Achatz –: Alles okay! – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung der Rednerin –: Keine Unterbrechung! Fahren Sie fort!)

19.26

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte eingangs meiner Rede zur vorliegenden Novelle zum Gentechnikgesetz zwei kurze Sätze sagen und dann mit der allgemeinen Debatte zur Freisetzungsproblematik in Österreich fortsetzen.

Die vorliegende Novelle zum Gentechnikgesetz ist im Wesentlichen darauf gerichtet, EU-Recht umzusetzen. Es geht dabei um Deregulierungsbestimmungen und um raschere und flexiblere Verfahren, um Verfahrensvereinfachungen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes. Das sehen wir durchaus differenziert, das sehen wir in Einzelfällen auch positiv, allerdings sind einige Punkte darin enthalten, bezüglich welcher ich große Bedenken habe und die letztendlich ausschlaggebend dafür waren, dass wir dieser Novelle, wie sie uns jetzt vorliegt, nicht zustimmen können.

Ich denke, bei einer so riskanten Technologie wie der Gentechnologie ist es durchaus angebracht, die Verfahren möglichst transparent zu machen, eine möglichst große Beteiligung der Öffentlichkeit zu garantieren. Deshalb bedauere ich es, dass bei Verfahren für geschlossene Systeme die Anhörung de facto abgeschafft worden ist. Ich hätte mir gewünscht, dass das in diesem Ausmaß beibehalten wird.

Es sind auch wesentliche Deregulierungsschritte in der vorliegenden Novelle enthalten, Maßnahmen, die ich nicht nachvollziehen kann und die auch im Begutachtungsverfahren massiv kritisiert worden sind, wie zum Beispiel eine sehr weitgehende Verordnungsermächtigung, die bestimmte Arbeiten völlig von den Bestimmungen des Gentechnikgesetzes freistellt. Das sehe ich nicht ein, ich finde, dass das eine unnötige Deregulierung ist, denn gerade bei so einer Technologie sollte man anfangs noch vorsichtig sein.

Mit der Regelung bei der Therapiefrage, somatische Gentherapien, bin auch nicht ganz glücklich, ich finde es nicht gut, dass das von den Vorschriften der Abschnitte II und III völlig ausgenommen worden ist. Aber auch die Haftungsregelungen bedürfen meiner Meinung nach noch einer Überarbeitung, wo es einige Unschärfen gibt.

Im Großen und Ganzen kann man sagen: Dieses Gesetz ist in wesentlichen Bereichen – von einer einzigen Stellungnahme abgesehen, und zwar von der Stellungnahme der Industrie – fast wortidentisch übernommen worden. Es kommt ein Begriff vor, der "vernachlässigbares Risiko" lautet. Ich halte diese Formulierung für nicht gut und für misslungen. (Abg. Mag. Kogler: Das ist eine Bedrohung!) Ich frage mich: Was ist ein vernachlässigbares Risiko? Ist das ein kleines Risiko, ist das ein geringes Risiko oder ist das überhaupt ein Risiko? Was ist das eigentlich? – Ich meine, mit solchen Begriffen sollte man bei so einer Technologie nicht arbeiten. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 184

Was ich bei dieser Novelle nicht verstehe – gut, sie war jetzt de facto erzwungen, weil es im österreichischen Recht bereits eine große Umsetzungsverzögerung gibt –, ist Folgendes: Warum hat man die Änderung des Gentechnikgesetzes nicht gleich zum Anlass genommen, eine umfassende Novelle auszuarbeiten, die die Probleme, die es vor allem letztes Jahr im Bereich unbeabsichtigter Freisetzungen gab, löst und die die massiven gesetzlichen Lücken schließt? Das Problem existiert nicht erst seit vorgestern oder seit der letzten Woche, sondern das hatten wir schon letztes Jahr bei der Vernichtung von Saatgut, bei den Fragen, wer zuständig ist und wie man überhaupt bei dem so genannten gentechnisch verunreinigten Mais eingreifen kann. Dem es in keiner Weise Rechnung getragen worden. Ich glaube, dass es eigentlich ein Armutszeugnis ist, dass man Probleme so lange negiert und deren Lösung auf die lange Bank schiebt.

Herr Bundesminister! Ich hätte mir gewünscht, dass bereits in dieser Novelle die für alle sichtbare Gesetzeslücke geschlossen worden wäre, wobei es um folgende Fragen geht: Wer ist bei unbeabsichtigten Freisetzungen zuständig? Kommt das Gentechnikgesetz überhaupt zur Anwendung? Wer muss die Entschädigungen leisten? – Es ist dafür zu sorgen, dass man in solchen Fällen sehr rasch durchgreifen kann. Es gibt keine Garantie, dass das heuer nicht wieder passiert. (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Punkt: Wir stehen jetzt mit einem Moratorium in Österreich und einem Moratorium auf europäischer Ebene vor einer sehr problematischen Situation. In Österreich hat es vor fünf Jahren das Gentechnik-Volksbegehren gegeben, wo es ein sehr starkes Votum der österreichischen Bevölkerung dafür gab, dass man die Gentechnologie in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion nicht haben will. Auf europäischer Ebene gibt es jetzt mittlerweile seit vier Jahren einen freiwilligen Verzicht auf Freisetzungsgenehmigungen. Auch die österreichische Industrie hat sich dem angeschlossen. Es hat auch die österreichische Lebensmittelproduktionsindustrie mit dem Lebensmittelkodex einen sehr guten Schritt getan, indem sie gentechnikfreies Produzieren auch rechtlich verbindlich gemacht hat. All diese Vorarbeiten, all diese Bemühungen könnten in diesem Jahr zu einem Ende kommen, und daraus entsteht eine sehr ernste Situation.

Das Moratorium auf europäischer Ebene wird definitiv dieses Jahr fallen, und wenn wir nicht einen starken politischen Willen dahin gehend formulieren, dass wir die Gentechnik in der österreichischen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion dezidiert nicht angewandt haben wollen, dann haben wir nächstes Jahr garantiert gentechnisch verändertes Saatgut auf unseren Feldern.

Ich glaube, dass das aus drei Gründen sehr problematisch ist: Es kommen jetzt immer wieder neue Studien, die die ökonomische Sinnlosigkeit beziehungsweise das ökonomische Risiko des Einsatzes von Gentechnik vor allem in der Nähe von Biolandbau sehr deutlich beschreiben. Solche Studien gibt es sowohl von der Europäischen Umweltagentur als auch von österreichischer Seite, und zwar die oberösterreichische Studie, aus welcher sehr klar hervorgeht, dass diese Philosophie des Nebeneinander eigentlich nicht greifen kann.

Es ist juristisch nicht ganz einfach umzusetzen, aber ich und meine ganze Fraktion vertreten massiv die Überzeugung, dass eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Österreich jedenfalls gesichert werden muss und dass es dazu auch Wege gibt. Voraussetzung dafür ist allerdings ein politischer Wille. Diesen politischen Willen sehe ich bei drei Parteien in diesem Hohen Haus, und zwar auch bei den Freiheitlichen, ich sehe ihn aber nicht bei der Österreichischen Volkspartei!

Meine Damen und Herren von der ÖVP, ich appelliere an Sie, Ihren Widerstand gegen ein Konzept, das 80 Prozent der österreichischen Bevölkerung und drei Viertel der Mitglieder zum Nationalrat eigentlich wollen, aufzugeben und dazu beizutragen, dass wir hier zu einem Konsens dahin gehend kommen, dass wir Österreich dezidiert als gentechnikfreie Landwirtschaftszone etablieren und daraus auch ökonomische Vorteile lukrieren.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 185

Ich glaube, ich brauche nicht zu erwähnen, dass 700 Gemeinden, dass viele Bürgermeister, dass Umweltorganisationen, dass mehrere Landtage – ob das der Burgenländische, der Kärntner oder der Oberösterreichische Landtag ist – massives Interesse daran haben. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man noch weiter argumentieren kann, dass man einem solchen Konzept nicht folgen will. Die ÖVP steht mit ihrem Widerstand völlig isoliert da, und ich appelliere eindringlich an sie, ihre Haltung dazu zu überdenken.

Wenn Minister Molterer nachfragt, was eine gentechnikfreie Zone überhaupt ist (Abg. Mag. Kogler: Die ÖVP flüchtet vor der Verantwortung!), dann soll er sich – das darf ich ihm empfehlen – an den EU-Kommissar Fischler wenden, der das sehr genau ausgeführt hat und der mittlerweile auch die Philosophie vertritt, dass das Nebeneinander von Biolandbau und Gentechnik in der Landwirtschaft problematisch ist, dass jedenfalls gewährleistet sein muss, dass es große gentechnikfreie Zonen gibt.

Dem dringenden Bedürfnis der österreichischen Bevölkerung nach Errichtung einer gentechnikfreien Zone ist jedenfalls Rechnung zu tragen. Der Antrag, der heute hier beschlossen wird, ist ein erster Schritt dazu, reicht aber noch lange nicht aus. Wir Grüne werden nicht aufhören, dieses Konzept weiter zu verfolgen, und wir werden uns auch nicht davon abhalten lassen, weiterhin in diesem Hohen Hause darüber zu debattieren. (Beifall bei den Grünen.)

19.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

19.33

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist in Österreich verboten, mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigtes Saatgut auf Felder auszubringen. Wenn ich an die Aussendungen von gestern und von heute denke, so habe ich das Gefühl, dass so mancher es nicht lassen kann, bei dieser Materie Verunsicherung und Unsicherheit in die österreichische Bevölkerung zu bringen. Auf dem Rücken der Bauern populistische Politik zu machen, das ist meiner Meinung nach zutiefst unseriös. Wir alle sollten nämlich nicht vergessen, dass es genau die Bauern sind, die täglich jene guten Produkte auf den Tisch bringen, die wir essen.

Wenn wir über Gentechnik im Allgemeinen oder im Speziellen in der Landwirtschaft diskutieren, dann sollte allen Beteiligten die Tragweite dieser Diskussion bewusst sein. Es ist wichtig, dass dabei die Realität und die Wahrheit im Vordergrund stehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Weder das Erfinden von Krisenszenarien noch unsachliche Forderungen bringen uns bei diesem Thema ein Stück weiter. So kann zum Beispiel keine Rede davon sein, dass das Gentechnik-Moratorium der EU, dem sich auch Österreich angeschlossen hat, im Herbst ausläuft. Ganz im Gegenteil: Es muss alles unternommen werden – und es wird auch alles unternommen –, dass dieses Moratorium betreffend Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU entsprechend verlängert wird! Dies muss unser aller Anliegen sein. Es kann jeder von uns seine Kontakte in Richtung Politik auf geeignete Weise nutzen – im Interesse der Menschen in diesem Land!

Gerade bei der Gentechnik ist es Illusion, Österreich oder Teile Österreichs als gentechnikfreie Insel auf dem Reißbrett zu konstruieren. Das beweisen nicht nur hochwissenschaftliche Studien, sondern eigentlich sollte uns auch der Hausverstand sagen, dass es nichts bringt, bei uns ein gentechnikfreies Österreich zu konstruieren, wenn es gleichzeitig auf der anderen Seite der Grenze, in einem Nachbarland, möglich ist, mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigtes Saatgut anzubauen. Wir brauchen in diesem Bereich europaweite Lösungen, denn nur diese machen wirklich Sinn.

Ich komme nun zu einer weiteren wichtigen Frage, insbesondere für die Landwirtschaft wichtigen Frage, zur Frage der Haftung. Ich möchte hier ganz klar festhalten: Was auch immer an rechtlichen Haftungsbestimmungen möglich und notwendig ist, eines darf ganz sicher nicht passieren: dass die Bauern zum Handkuss kommen. Die Haftung muss auf jeden Fall beim Liefe


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 186

ranten liegen, und dieser hat dafür zu sorgen, dass das, was er kennzeichnet, auch im Detail stimmt. Ich bin mir sicher, dass es auf Grund des heutigen gemeinsamen Entschließungsantrages möglich sein wird, in dieser Frage vernünftige und einwandfreie Lösungen zu finden – im Interesse der Bauern und der Konsumenten.

Ich glaube, dass es auch wichtig ist, dass wir bei dieser Debatte die Augen vor der Realität nicht verschließen. Es ist Realität, dass die Gentechnik im medizinischen Bereich – und da vor allem in der Humanmedizin – von vielen sehr wohl begrüßt und auch geschätzt wird. Es ist weiters Realität, dass Forschung und Industrie mit der Gentechnik große Fortschritte für uns alle erwirtschaften. Wir dürfen daher nicht dazu übergehen, in der parlamentarischen Diskussion das Ganze über einen Kamm zu scheren. (Abg. Mag. Sima  – die so genannte Scheibenwischergeste machend –: Das machen wir ja nicht!)

Damit würde vor allem Folgendes erreicht werden: die Landwirtschaft, die Bauern zum Sündenbock zu machen. Das sollte auf keinen Fall passieren. Ich glaube, wenn es uns gelingt, das Gentechnik-Moratorium zu verlängern – was ja unser gemeinsames Ziel ist –, dann wird es uns auch gelingen, dass unser Essen das bleibt, was es ist, nämlich gut, gesund und gentechnikfrei. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Parfuss. – Bitte.

19.37

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte in dieselbe Kerbe wie meine Vorrednerinnen, Kollegin Mag. Sima und Kollegin Dr. Glawischnig, schlagen, die beide sehr kritische Worte gesprochen haben. Beide Abgeordnete wissen, wovon sie sprechen, denn im Gegensatz zu anderen sind sie wirklich Fachfrauen. Ich glaube, das muss man auch einmal betonen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Es wird zu diesem Thema sehr viel gesagt, auch von jenen, die nicht so viel davon verstehen.

Wir möchten uns der Kritik meiner Vorrednerin Dr. Glawischnig (Abg. Dr. Pumberger: Anschließen!) anschließen. – Danke vielmals! (Abg. Mag. Kogler  – in Richtung des Abg. Dr. Pumberger –: Ja, beim Anschluss kennt er sich aus! – Abg. Dr. Pumberger  – in Richtung des Abg. Mag. Kogler –: Etwas Blöderes fällt dir nicht ein!) Es stimmt, beim Gentechnikgesetz ist eine Gesetzeslücke nicht geschlossen worden, Herr Bundesminister, nämlich beim Punkt "unabsichtliche Freisetzungen". Dafür gibt es noch immer keine Regelung. Das sagen nicht nur wir, sondern das ist auch die Rechtsmeinung Ihres Ressorts. Die chaotischen Zustände vom vorigen Jahr – wir haben sie noch in Erinnerung – sind nicht beseitigt worden, das ist nicht repariert worden. Ich hoffe, dass da von Ihrer Seite noch etwas nachkommt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Genauso wie meine beiden Vorrednerinnen, die Fachfrauen, den gentechnisch veränderten Pflanzen und dem mit GVO verunreinigten Saatgut ablehnend gegenüberstehen – nämlich auch aus wissenschaftlichen Gründen –, so tut es auch die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher. Es haben nämlich 1,2 Millionen Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Unterschrift dezidiert ihre Ablehnung dazu zum Ausdruck gebracht. Ich höre immer wieder die Meinung sagen – vor allem die Freiheitlichen tun das –, dass das Volk der Souverän ist. Ich bin auch der Überzeugung, dass wir auf diese ganz massive Aktion entsprechend reagieren müssen.

Gefühle einer persönlichen Machtlosigkeit und des Ausgeliefertseins einer möglichen Gefahr erzeugen Angst – Angst frisst Seele auf, das wissen wir –, und es ist die Angst vor gentechnisch veränderten Produkten in der Bevölkerung stark zu spüren, interessanterweise vor allem bei älteren Menschen.

Es mehren sich auch die Studien, aus denen hervorgeht, dass die Risken nur unzureichend einschätzbar sind. Es stellt sich also die Frage: Werden wir die Geister, die wir rufen, wirklich wieder los? Können wir garantieren, dass wir sie loswerden? – Nein, das ist nicht möglich!


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 187

Ich möchte auch auf die Ausführungen von Herrn Abgeordnetem Prinz eingehen, der die großen Probleme in der Causa Gentechnik ja schon beschworen hat und sie auch erwartet, denn in seiner APA-Aussendung vom Vormittag – aus der hervorgeht, dass er am Vormittag schon gewusst hat, was wir jetzt diskutieren; das sind schon hellseherische Fähigkeiten! – hat er sich auch "strikt gegen ,populistische Politik‘" im Rahmen der Gentechnikdebatte im Plenum ausgesprochen.

Herr Abgeordneter Prinz – ich weiß nicht: ist er überhaupt noch da? –, Sie haben auch gesagt, bei der Frage der Haftungsbestimmungen sei für Sie klar, dass nicht "der Bauer zum Handkuss kommen" dürfe und dass man nicht "alles über einen Kamm scheren und immer nur die Landwirtschaft und die Bauern als Sündenböcke abstempeln" dürfe.

Entschuldigung, Herr Abgeordneter: Wenn Sie ohnedies wissen, dass es Probleme gibt, warum holen wir dann die Probleme ins Land? – Ich verstehe die ÖVP da nicht, die sagt: Wir wissen, dass etwas passiert. Wir fürchten um den Ruf der Bauern und dass sie zum Handkuss kommen. Und wir sagen: Ja, herein damit! – Da verstehe ich Ihre Reaktion wirklich nicht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber mit Abgeordnetem Prinz verbindet mich auch, dass wir beide Tierschutzsprecher sind, und ich nehme an, das Wohl der Tiere ist ihm sehr wichtig. Ihnen ist, glaube ich, so wie auch mir klar, dass die Bio-Bauern die beste Haltungsqualität für Nutztiere haben, aber bei diesem Gesetz und bei diesen Auswirkungen gibt es eine reelle Gefahr für die Bio-Bauern. Schon aus diesem Grund, Herr Abgeordneter Prinz, müssen Sie eigentlich gegen die Gentechnik sein. Ich denke, wir sind das dieser Berufsgruppe auch schuldig.

Gentechnikfreie Zonen in Europa werden ein Qualitätskriterium sein, meine Damen und Herren! Die Burgenländer, die Kärntner und, wie ich hoffe, bald auch die Steirer werden oder sind bereits in einer gentechnikfreien Zone. Setzen wir in Österreich Zeichen auch für Europa! Machen wir Österreich zum besten Tierschutzland, machen wir Österreich zum Feinkostland ohne Gentechnik! Wir profitieren alle davon. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte. (Abg. Dr. Glawischnig  – auf zum Teil leere Bankreihen der ÖVP-Fraktion weisend –: Wo ist die ÖVP?)

19.43

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! 1973 war das Geburtsjahr der Gentechnologie. In der Zwischenzeit hat sich diese Wissenschaft sprunghaft entwickelt, und es ist natürlich verständlich, wenn der oder die eine oder andere nicht im Detail Bescheid weiß. Aber ich kann Nachhilfe geben: Ich habe hier das "Kleine Wörterbuch der Gentechnologie" mitgebracht. (Der Redner hält ein Buch in die Höhe. – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)  – Frau Kollegin Parfuss, Sie können da einmal hineinschnüffeln, wenn Sie sich irgendwo nicht auskennen.

So unbestritten, wie es ist, dass wir in der Landwirtschaft und bei den Lebensmitteln auf die Gentechnologie verzichten können, so unbestritten ist auch der Nutzen der Gentechnologie in der Medizin. Ich erinnere nur an die Herstellung von wichtigen Medikamenten. Über 100 Medikamente werden derzeit schon gentechnologisch erzeugt. Das hat einen großen Vorteil: Sie sind reiner und besser verträglich. Ich erinnere etwa an Insulin, Blutgerinnungsfaktoren, Erythropoetin, Interferone und vieles andere mehr. (Abg. Dr. Glawischnig: Stimmt!) Wollen Sie diese Medikamente nicht haben, dann sagen Sie es mir klar! Sie wollen sie schon haben? – Der Meinung, dass Gentechnologie in jeder Form abzulehnen ist, sind also auch Sie nicht. Gut.

Es freut mich, dass mit dieser Novelle der rasanten Entwicklung der Wissenschaft und Technologie Rechnung getragen wird, indem die Sicherheitsstufen insofern abgeändert werden, als für die Sicherheitsstufen 1 und 2 Erleichterungen geschaffen werden, indem man hier Verfahrenserleichterungen mit kürzeren Verfahrensdauern beziehungsweise Verfahrensfristen einführt, während man bei den Stufen 3 und 4 eine strengere Regelung einführt, was die Genehmi


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 188

gungspflicht und Anmeldepflicht betrifft. Dies bedeutet ganz klar eine strengere Regelung im Bereich der Stufen 3 und 4. Dort, wo ein höheres Risiko besteht, wurden also jetzt strengere gesetzliche Normen geschaffen, und das ist gut an diesem Gesetz.

Abschließend möchte ich noch etwas zu Frau Kollegin Csörgits sagen. – Sie ist nicht mehr da. Wahrscheinlich ist sie schon bei der Gewerkschaft, wenn sie dort noch ein Amt hat. Sie weiß zwar nicht, was sie in der Gewerkschaft verdient, da ist sie nicht so genau informiert. – Sie ist auch nicht so genau darüber informiert, was mit Oppositionsanträgen im Gesundheitsausschuss passiert. Sie hat nämlich behauptet, wir schmettern sie alle ab. Ich kann Ihnen nur sagen, dass zwei Oppositionsanträge in diesem Themenbereich – einer von den Grünen und einer von Ihnen, Frau Kollegin Sima – bei der heutigen Gesetzeswerdung insofern Eingang finden, als in einem Vier-Parteien-Entschließungsantrag darauf Rücksicht genommen wurde, dass Teile Ihrer Vorhaben, die Sie in Anträgen einbringen wollten, berücksichtigt werden.

Das ist doch immerhin etwas! Ich erinnere mich noch zurück an Zeiten, in denen wir Freiheitlichen in der Opposition waren: Damals haben Sie uns selbst das nicht ermöglicht! Sie haben damals "Fundamentalregierung" betrieben, so wie Sie jetzt Fundamentalopposition betreiben! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

19.46

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Pumberger, einige klärende Worte zu Beginn: Sie haben vollkommen richtig gesagt: Im Bereich der "roten" Gentechnik, im Bereich der Medizin gibt es sehr wohl Anwendungen, die sinnvoll sind, vor allem im Bereich der Medikamentenerzeugung. – Aber im Bereich der "grünen" Gentechnik sind die Grünen für eine grüne Biotechnologie-Offensive ohne Anwendung der Gentechnik. Das ist ein wesentlicher Unterschied! (Beifall der Abg. Dr. Glawischnig. )

Ich werde Ihnen auch begründen, warum dieser Unterschied besteht. Wir müssen uns drei konkreten Fragen stellen, Herr Bundesminister, drei ganz einfachen Fragen: Was wollen die KonsumentInnen? Was wünschen die Bäuerinnen und Bauern? Was entwickelt sich auf dem Markt?

Wenn wir uns diesen drei Fragen widmen, dann sehen wir, dass es auf der einen Seite in Österreich und auch europaweit eine klare Aussage gibt, dass ein wachsender Anteil der Bevölkerung, der Konsumentinnen und Konsumenten ganz klar sagt: Wir wollen gesunde Lebensmittel, wir wollen biologische Lebensmittel, aber wir wollen kein Gentech-Essen auf unserem Teller haben! – Das ist eine klare Aussage, und die Politik hat die Aufgabe, diese Wünsche auch ernst zu nehmen.

Was wollen die Bäuerinnen und Bauern? – Auch das sehen wir ganz eindeutig. Greenpeace hat eine Umfrage – und zwar unter den konventionellen, nicht unter den Bio-Bäuerinnen und -Bauern – gemacht. Und was ist dabei herausgekommen? – Die Bäuerinnen und Bauern wollen gentechnikfreies Saatgut. Selbstverständlich! Auch sie wollen gute Qualität haben. Sie wollen solche Produkte auf ihren Feldern haben, die dann auch bei den Konsumenten erwünscht sind. – Ich verstehe die ÖVP in diesem Punkt überhaupt nicht, Herr Bundesminister.

Was passiert auf dem Markt? – Das ist eigentlich das Spannende. Hier dürfte die ÖVP in den letzten Monaten so etwas wie einen schwarzen Rollbalken heruntergelassen haben und nicht mehr wahrnehmen, was sich auf diesen Märkten – nämlich auf den Agrarmärkten – an spannenden Entwicklungen eingestellt hat.

Am 28. März dieses Jahres – der Herr Bundesminister hat mir das bei seiner Anfragebeantwortung auch beigelegt – hat die Raiffeisen Ware Österreich eine Presseaussendung gemacht, in der sie ganz klar und deutlich gesagt hat: Ja, wir sind für eine gentechnikfreie Maisproduktion in Österreich, weil wir sonst in einer erweiterten Union mit unseren Maisprodukten keine Chance


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 189

und keine Zukunft mehr haben. Daher spezialisieren wir uns und schaffen gentechnikfreie geschlossene Regionen um unsere Lagerhäuser.

Das hat die Raiffeisen Ware Österreich gesagt, meine Damen und Herren! Und die Vertreter der ÖVP, von denen man annehmen müsste, dass sie im Gespräch mit dieser Organisation stehen, stellen sich heute hierher und wollen das als Chimäre, als Unmöglichkeit, als übertriebene grüne Forderung abkanzeln. – Kollege Prinz! Sie stehen mit beiden Beinen nicht auf dem Boden! Das ist Ihr Problem! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ein zweites Beispiel: Im Saatgutbereich wurde heuer von Firmen eindeutig als GVO-frei gekennzeichneter Mais angeboten. Auch das ist ein Fortschritt.

Abschließend: Im Bereich der Vermarktung gibt es ein ganz ehrgeiziges Projekt der TirolMilch, die versucht – und im Jahr 2003 damit auch starten wird –, gentechnikfrei-gekennzeichnete Produkte auf den Markt zu bringen. Das heißt: gentechnikfrei im Sinne des österreichischen Lebensmittelkodex, Herr Bundesminister. Sie wissen, da geht es auch um die Betriebsmittel. So darf zum Beispiel in solchen landwirtschaftlichen Milchvieh-Betrieben nicht einmal gentechnisch verändertes Soja verfüttert werden.

Das also sind die Entwicklungen auf dem Markt, meine Damen und Herren. Daher bin ich wirklich erfreut und sehe das als ein gutes Signal, dass wir heute trotz aller offensichtlich unterschiedlichen Auffassung zumindest einen ersten kleinen Schritt in eine richtige Richtung getan haben. Sie, Herr Bundesminister, haben zu diesem ersten Schritt auch, meine ich, einen nicht unbedeutenden Anteil beigesteuert. Das möchte ich hier anerkennen und auch klar und deutlich zum Ausdruck bringen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Anfragebeantwortung von Ihnen vom März dieses Jahres zitieren, in der Sie dezidiert in Beantwortung einer der Fragen Folgendes schreiben:

"Ich trete auch für Maßnahmen ein, die die Errichtung von gentechnikfreien Anbaugebieten zum Ziele haben; in diesem Zusammenhang verweise ich auf ein laufendes Projekt mit dem Land Oberösterreich, das die möglichen Szenarien für die Einrichtung ,GVO-freier Gebiete‘ aufzeigen soll."

Herr Bundesminister! Diese Studie haben Sie, gemeinsam mit der Oberösterreichischen Landesregierung, veranlasst. Diese Studie liegt ja auch bereits vor, meine Damen und Herren, und wenn wir einen Blick in diese Studie werfen, dann werden wir auf viele Fragen, die Bundesminister Molterer heute in der Fragestunde aus meiner Sicht nicht zufrieden stellend beantworten konnte, eine Antwort finden.

In diesem Zusammenhang, Herr Bundesminister, möchte ich auf einen wesentlichen Aspekt und auf die Chance hinweisen – die jetzt wirklich in Ihrer Hand liegt –, in den nächsten Monaten gezielt für eine Lösung anstehender Probleme zu sorgen und in der nächsten Novelle zum Gentechnikgesetz vor allem eine Zielrichtung zu implementieren, nämlich Schutzziele zu definieren, damit auf Bundesländerebene, auf allen gesetzlichen Ebenen gentechnikfreie Anbaugebiete oder Bewirtschaftungsregionen praktisch möglich werden.

Ich werde Ihnen, Herr Bundesminister, einige dieser Schutzziele, die in dieser Studie nachzulesen sind, noch kurz vorstellen: Ein wesentlicher Faktor ist der biologische Landbau. Das haben wir hier auch schon mehrfach angerissen.

Ein weiterer ganz zentraler Bereich ist die Frage der Schutzwürdigkeit ökologisch sensibler Gebiete. Hier, Herr Bundesminister, wäre auch die Alpenkonvention heranzuziehen. Der gesamte Alpenraum ist gemäß dieser Konvention ein sensibles ökologisches Gebiet. Auch "Natura 2000"-Gebiete und Nationalparks sind mögliche Aspekte, die im Rahmen einer Schutzzielbestimmung für die Etablierung gentechnikfreier Bewirtschaftungsregionen herangezogen werden könnten.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 190

Abschließend möchte ich feststellen, dass aus meiner Sicht die Frage der Gentechnik – das haben meine Kollegen von der ÖVP noch nicht verstanden – die Kernfrage einer globalen Grundherausforderung ist: Wie werden wir die Lebensmittelproduktion, wie werden wir die Ernährung im neuen Jahrtausend organisieren? Wie sieht die Zukunft der Bäuerinnen und Bauern aus?

Meine Damen und Herren! Dieser Zukunftsfrage müssen wir uns stellen. Wir glauben, dass das Vorsorgeprinzip ein gutes Prinzip ist, Herr Bundesminister, und daher fordere ich Sie auf: Schaffen Sie die Voraussetzung dafür, dass Österreich zur ersten wirklich gentechnikfreien Zone Europas wird, und überzeugen Sie davon auch Ihren Koalitionspartner, der momentan noch blockiert! Versuchen Sie, diese Blockade zu brechen! – Auch wir werden unseren Beitrag in diesem Haus leisten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

19.54

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Mag. Sima und Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig haben gesagt, sie würden gerne von mir als Bundesminister meinen Standpunkt zur Frage der Gentechnik und zu der mit diesem Bereich verbundenen Problematik hören, weil ich zu diesem Thema allzu selten zur Verfügung stünde. Ich komme ihren Anregungen gerne nach.

Sie wissen, sehr geehrte Damen und Herren, dass mit dem vorliegenden Entwurf zum einen die Klage durch die Europäische Kommission abgewendet worden ist und dass zum Zweiten in meinem Hause das, was teilweise auch hier skizziert worden ist – der Lückenschluss, um das verkürzt darzustellen –, so wie es Gegenstand der Debatte war, in Vorbereitung ist. Ich habe mich soeben auch – für alle sichtbar – mit meiner zuständigen Fachbeamtin über den derzeitigen Stand unterhalten. Wir stimmen positiv darin überein, dass dieser Entwurf im Herbst dieses Jahres mit einer Begutachtung das Licht der Welt erblicken kann und dass wir ihn dann auch zum Gegenstand der parlamentarischen Diskussion mit den interessierten Kreisen machen sollen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beobachte mit Freude, dass sich in meinem Heimatbundesland, aber auch in anderen Bundesländern sehr viele Gemeinden von sich aus als gentechnikfreie Gemeinden deklarieren. Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass ich keinen Gegensatz zu den Ausführungen des Kollegen Prinz und zu Ihnen, Herr Kollege Pirklhuber, sehe. Ich sage auch das in aller Klarheit: Man hat als bäuerlicher Betrieb heute selbstverständlich nur in sehr geringem Ausmaß die Möglichkeit, bei den Betriebsmitteln, die man zur Verfügung gestellt bekommt, hundertprozentig genau zu wissen, dass das, was man selbst auf seinem Acker als Saatgut ausbringen will, tatsächlich zu hundert Prozent gentechnikfrei ist.

Ich glaube daher, dass es wichtig war, dass ich mit Kollegem Molterer gemeinsam dort, wo ich ein Mitspracherecht hatte, die Saatgutverordnung mit Grenzwerten in durch die heutigen Methoden der Wissenschaft sowohl qualitativ als auch quantitativ nachvollziehbaren Bereichen versehen habe, sodass der Bauer, der in seinem Betrieb auf vollbiologische Produktion oder auf nicht gentechnikverändertes Saatgut Wert legt, durch die Kennzeichnung und durch die Grenzwerte auch sicher sein kann, nicht der Gefahr von Manipulationen von Seiten der Lieferanten ausgesetzt zu sein.

Wichtig war auch, dass in der Frage der Haftung in diesem Zusammenhang diese klar dorthin verlegt worden ist, wo ich sie haben will, denn ich will auch nicht jedes Jahr mit Weltkonzernen, die mehr Umsatz tätigen und mehr Vermögen haben als die kleine Republik Österreich, über die Finanzprokuratur vor Gericht stehen, um das, was einzuklagen ist, einzuklagen, und mich auf diese Art und Weise ständig in Rechtsverfahren befinden.

Man sollte auch darauf hinweisen, dass die schlechten Erfahrungen des Vorjahres zumindest eines gebracht haben, nämlich eine Feldstudie, die sonst nicht sehr leicht zu bekommen wäre.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 191

Ich sage auch das in aller Klarheit: Ich unterwerfe die Gentechnik so wie alle anderen Technologien einer Technologiebewertung und -abschätzung. Ich halte das für ein faires Verfahren, denn so wie jede andere Technologie – ob es nun um die Automobilindustrie, um entsprechende Geräte im medizinischen Bereich, um Medikamente, um Geräte für den Haushalt, um Spielzeug oder um andere Technik geht – ist meiner Ansicht nach auch die Gentechnik diesen Prinzipien zu unterwerfen.

Ich habe mich seinerzeit als Abgeordneter für dieses Fünf-Jahres-Moratorium eingesetzt. Wir haben es erreicht. Wir stehen nun an jener Stufe, wo es darum gehen muss – auch auf Grund der Erkenntnisse der letzten fünf Jahre und der langfristigen Auswirkungen, die wir in anderen Ländern beobachten konnten und die nicht in allen Fällen so positiv waren wie die Prognosen jener, die die Gentechnik auf dem Acker massiv forciert haben, nämlich der amerikanischen Landwirtschaft –, mit aller Vorsicht die weitere Verlängerung dieses Moratoriums in Europa zu betreiben.

Die Vorsicht bezieht sich nicht darauf, dass wir sie nicht mit allem Ernst betreiben wollten, sondern darauf, dass ich hier nicht mehr versprechen will als das, was auf europäischer Ebene zu erreichen ist, nämlich mit dem kleinen Stimmgewicht Österreichs und mit der Suche nach gemeinsamen Partnern für dieses Vorhaben, um hiefür letztendlich auch die für ein erfolgreiches Vorgehen in Europa erforderlichen Stimmgewichte zu bekommen. Sie werden mir Recht darin geben, Herr Kollege Pirklhuber, dass wir hier noch ein hartes Stück Arbeit vor uns haben.

Ich bin für die Vier-Parteien-Einigung dankbar, weil ich damit auch eine rechtliche Grundlage dafür bekomme, Forschungen, die mich schon immer interessiert haben, in meinem Hause schleunigst umzusetzen. Ich kann nämlich nicht – ich sage auch das in aller Klarheit – als Verwaltung dort, wo ich keine eindeutige rechtliche Grundlage dafür habe, Forschungen betreiben, ohne gleichzeitig Gefahr zu laufen, einerseits von Ihnen im Rahmen der Budgetkontrolle und andererseits vom Rechnungshof zu Recht "geprügelt" zu werden. – Verzeihen Sie mir diesen drastischen Ausdruck aus der Volkssprache, aber so wird es von mir empfunden. – Daher bin ich auch dankbar, dass ich hiemit eine Rechtssicherheit für meine Beamten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekomme, wenn es darum geht, Studien in diesem Bereich zu initiieren und das zu tun, was notwendig ist.

Ich sage auch klar und deutlich, dass aus meiner Sicht das Gesundheitsministerium beziehungsweise der für Gesundheit zuständige Bereich meines Hauses auch im Zusammenhang mit dem gesundheitlichen Arbeitnehmerschutz die Aufgabe hat, Grundlagenforschung zu betreiben, denn selbstverständlich ist die Gentechnik heute in sehr vielen Bereichen der Humanmedizin ein Segen, wir wissen aber auch zum Beispiel aus den Diskussionen über die Problematik der Stammzellen, dass das, was oftmals als ethischer Erfolg der Bundesrepublik Deutschland gefeiert wird, bei Gott kein hundertprozentiger Erfolg ist, was man sieht, wenn man sich die heute im Bereich der Stammzellenforschung vorliegenden Studien ansieht.

Wenn wir nämlich wissen, dass Stammzellenlinien, die patentiert sind, ähnlich wie Zelllinien, die über Jahre tradiert sind, ihr Eigenleben entwickeln und daher die Ergebnisse nicht eins zu eins mit Ergebnissen aus Feldstudien und Ergebnissen auf breiterer genetischer Basis zu vergleichen sind, dass Ergebnisse in diesem Bereich daher fehlerhaft werden – und vermutlich je länger solche patentierte Linien tradiert werden, desto fehlerhafter –, wenn wir uns also die heutigen Erkenntnisse in diesem Bereich und die daraus erwachsenden Befürchtungen vor Augen halten, dann werden wir uns auch überlegen müssen, wie wir unsere Haltung zur Gentechnik auch im Bereich der bisher segensreichen Anwendung in der Medizin vorsichtig weiterentwickeln und wie wir dies auch im Sinne des Wirtschaftsstandortes Österreich und auf eine Art und Weise tun, die die großen Leistungen der österreichischen Medizin und im Bereich der Herstellung von Medizinprodukten auch weiterhin ermöglicht.

Ich bin nämlich sehr wohl davon überzeugt, dass die moderne Medizin und die moderne Bekämpfung von viralen und bakteriellen Erkrankungen und von Erkrankungen, die in Bereichen auftreten, die noch deutlich unter dieser Ebene liegen, mit den Methoden der Gentechnik, wenn diese im Interesse der Menschen positiv angewendet werden, eine neue Chance bekommen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 192

Ich glaube daher, dass wir heute einen wichtigen ersten Schritt gemacht haben. Der zweite Schritt wird, wenn die Arbeit in meinem Hause, so wie meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es mir skizziert haben, zügig vorangeht, im Herbst dieses Jahres folgen. Ich werde mich bemühen, die Studien möglichst schnell umzusetzen, um auch die Ergebnisse zu bekommen. Die gemeinsam mit Oberösterreich in Auftrag gegebene Studie hat sehr viele Ergebnisse geliefert, auch was die Frage des Transfers von gentechnisch veränderten Sequenzen auf Pflanzen, die nicht mit dem Mais verwandt sind, und die sich daran anknüpfenden Befürchtungen betrifft.

Mein Standpunkt ist, dass in Österreich zumindest die anerkannten internationalen Nationalparks mit ihren hoch sensiblen ökologischen Systemen pro futuro gentechnikfreie Zonen bleiben sollten – ähnlich wie die Italiener mit der Toscana oder das Vereinigte Königreich mit Wales einen Schritt gesetzt haben, durch den diese Gebiete zwar nicht hundertprozentig gentechnikfrei sein werden, auf Grund dessen man aber wenigstens im Rahmen der europäischen Gesetze versuchen wird, sie möglichst gentechnikfrei zu halten. Ich glaube, dass wir auch in Österreich dahin gehende Bemühungen setzen sollten und dass mein Haus das unterstützen sollte.

Dazu brauche ich aber – auch das sage ich ganz klar – die Unterstützung der Bundesländer und der Landeshauptleute, weil nach der Verfassungslage unserer Republik Natur- und Landschaftsschutz eindeutig eine Angelegenheit der Länder ist. Ich kann beim besten Willen nicht wider besseres Wissen und Gewissen über die Verfassung hinweg regieren, und ich werde das auch nicht tun. Ich hoffe aber, dass wir gemeinsam eine sinnvolle Weiterführung des heutigen Vier-Parteien-Antrages zu Wege bringen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

20.03

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Mit der Novelle zum Gentechnikgesetz diskutieren wir in diesem Haus sicher eine wichtige Materie. Darin sind wir uns, glaube ich, einig. Der Fortschritt der Medizin lebt von der Weiterentwicklung der Gentechnik – auch das ist klar. Uns ist es wichtig, dass der Fortschritt in der Medizin nicht behindert wird und dass neue Heilverfahren erforscht werden. Ebenso wichtig ist es uns aber, dass die hiezu notwendigen Forschungen unter den erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen erfolgen. Dafür sorgen wir mit der Verbesserung dieses Gesetzes.

Die hohen Maßstäbe, die wir dabei anlegen, nehmen wir aber auch mit in die Diskussion über die Gentechnik in der Lebensmittelwirtschaft. Das ist eine sehr spannende Frage. Wir reden da von der "grünen Gentechnik". Wir reden dabei von der Gentechnik als Chance, aber auch als Gefahr, eines aber ist sicher: Solange die Gentechnik in Österreich ein Thema war, das nicht durch Gesetze geregelt war, so lange haben die Bauern für gentechnikfreien Anbau bessere Preise bekommen. Seit sicher ist, dass jedes Saatgut in Österreich gentechnikfrei ist – und das ist ein nüchternes Faktum –, ist der Preisvorteil zusehends verloren gegangen. – Das zum Thema Chancen. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

Es gibt auf internationaler Ebene seitens der EU leider noch immer keine Verpflichtung zur klaren Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel – da ist uns die EU noch etwas schuldig –, und die Nachverfolgbarkeit ist ebenfalls nicht gewährleistet. Solange das von der Kommission nicht gewährleistet wird, so lange sind wir für eine Verlängerung des Moratoriums (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Aber langfristig ...!), so lange soll man auch nicht neue, gentechnisch veränderte Pflanzen zulassen. Wir sind für keine Experimente in diesem Bereich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sehen wir uns jetzt die Geschichte genauer an: Wir wollen Sicherheiten für Konsumenten und Produzenten. Wir wollen diese Position in Europa stärken. Was aber geschieht im rot-grünen "Bioparadies", in der Bundesrepublik Deutschland? Was geschieht im "Paradies" der grünen Ministerin Künast? – 50 Tonnen gentechnisch verändertes Maissaatgut verschiedener Sorten


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 193

wurden im Rahmen eines Großversuches in diesem Frühjahr vom Bundessortenamt Hannover im Freilandbau zugelassen – im Land der grünen Ministerin Künast! Und das Interessante in diesem Zusammenhang: Darunter sind Sorten, die nach dem Saatgutverkehrsgesetz nicht einmal zugelassen sind, sondern eine Sondergenehmigung bekommen haben. Was dann mit den Produkten geschehen wird, weiß heute keiner, aber es sind mehrere tausend Hektar.

Herr Pirklhuber rechnet mit dem Ende des Moratoriums. Ich denke, er weiß von seiner grünen Ministerkollegin schon mehr. Wir wissen und wir sehen es: Grüne Politik auf dem Prüfstand erweist sich als Spektakelpolitik ohne Ernsthaftigkeit. In der Realität schaut es dann immer ganz anders aus als das, was sie als Oppositionspartei in Form großer Sprüche von sich geben. In der Wirklichkeit sehen wir dann grüne Ratlosigkeit, grüne Flucht aus der Verantwortlichkeit – und "niemand kann etwas dafür". (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Was ist jetzt mit der Vorreiterrolle? ... war das erste Volksbegehren?)

Ich glaube, Herr Pirklhuber, Sie wären gut beraten, sich einmal ganz nüchtern und ohne Aufregung die österreichische Arbeit anzuschauen. Sie sehen: Wir sind klar und konsequent. Wir setzen jene Schritte, die auf erwiesenen Erkenntnissen beruhen, die verantwortet werden können – die Schritte, mit denen wir wirklich weiterkommen. Wir in Österreich haben keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut! Bei unserer Konstruktion wissen wir: Wir haben die Sicherheit! (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Wie sollen wir das absichern? – Abg. Auer: Pirklhuber, pass einmal ein bisschen auf!)

Fragen Sie einmal Ihre grünen Kollegen in Deutschland, wie sie sich die Zukunft der Gentechnik vorstellen! Wenn Sie das geklärt haben, dann werden Sie sehen, dass wir in Österreich Chancen haben, diesen Weg auch auf Dauer durchzuhalten. Haben Sie in Deutschland mit Ihrer grünen Politik versagt, dann wird es für uns dadurch nicht leichter werden.

Unser Ziel ist Gesundheit und Sicherheit für die Konsumenten – aber auch Wahrheit, denn Wahrheit ist zumutbar! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Achatz. – Bitte.

20.07

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich werde jetzt diesen viel gerühmten und bereits zitierten Vier-Parteien-Antrag einbringen, und ich möchte mich an dieser Stelle wirklich ganz herzlich auch bei den Abgeordneten der Oppositionsparteien bedanken. Es war eine äußerst konstruktive Zusammenarbeit, deren Ergebnis sich wirklich sehen lassen kann, nämlich der folgende Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Achatz, Ing. Schultes, Mag. Sima, Dipl.-Ing. Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen zur Aufrechterhaltung des Gentechnik-Moratoriums

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert,

mit aller Kraft für eine Verlängerung des Moratoriums bei der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU einzutreten,

zur Unterstützung der Aufrechterhaltung des Moratoriums bei der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen Studien zu beauftragen, in welchen die gesundheitlichen, technischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und auch ökologischen Fragen in diesem Zusammenhang zu klären sind und alle Möglichkeiten der Einrichtung gentechnikfreier Regionen in Österreich zu evaluieren sowie


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 194

insbesondere im Bereich der Haftung bei unabsichtlichen Freisetzungen von GVO die offenen Rechtsfragen bis Herbst 2002 zu klären."

*****

Unser Ziel, das Ziel meiner Partei ist wirklich ein gentechnikfreies Österreich, nicht nur gentechnikfreie Regionen. Für dieses Ziel werden wir kämpfen. Ich glaube, dass ein gentechnikfreies, GVO-freies Österreich für die Bauern in einem großen Markt nach der Osterweiterung eine historische Chance ist (Beifall bei den Freiheitlichen), denn wenn wir es schaffen, dass Österreich gentechnikfrei bleibt, dann erzeugen die österreichischen Bauern ein Produkt, das es sonst nirgends gibt. Und was kann bei einem liberalisierten Handel Besseres passieren? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP, der SPÖ und der Grünen.)

20.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Wochesländer. – Bitte.

20.10

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Land ist derzeit noch eine gentechnikfreie Zone. Das ist auch das primäre Anliegen der Konsumenten, denn anhand verschiedenster Umfragen ist festzustellen, dass die Gentechnik in der Medizin akzeptiert wird, in der Nahrungsmittelindustrie und in der Landwirtschaft hingegen vehement abgelehnt wird.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Was haben wir nun dem Trend der Zeit, aber auch einer Forschung, in der die – unter Anführungszeichen – "Perversion" Einzug gehalten hat, entgegenzustellen – denn wie könnte man das, was zum Beispiel am vergangenen Dienstag in der "ZiB 3" zu sehen war, anders bezeichnen? – Es handelte sich hiebei um eine neue, gentechnisch veränderte Hühnerzüchtung, um nackte Hühner ohne Federkleid, und als lapidare Begründung für diese Entwicklung wurde angeführt, dass diese dann nicht gerupft werden müssten beziehungsweise im warmen Klima in Tel Aviv – von dort kam dieser Beitrag – besser gedeihen könnten. Meine Damen und Herren! Das nenne ich eine Verhöhnung der Gegebenheiten der Natur, und das soll wirklich nicht vorkommen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Noch wachsen auf Österreichs Äckern keine gentechnisch veränderten Pflanzen, aber das könnte sich sehr bald ändern, denn bereits im Herbst 2002 tritt, wie gesagt, eine EU-weite novellierte Freisetzungsrichtlinie in Kraft, wodurch es auch in Österreich zu einer Flut von Anträgen und Freisetzungen kommen könnte. Die Gründe dafür liegen ja teilweise auf der Hand.

Meine Damen und Herren! Es ist deshalb mit aller Kraft für eine Verlängerung des Moratoriums in puncto Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen einzutreten, denn noch ist nicht verbindlich abgeklärt, welche negativen Auswirkungen die Aussetzung gentechnisch veränderten Saatguts mit sich bringen kann. Wo Vorsichtsmaßnahmen brüchig werden, dort steigt auch die Gefahr, dass dem nicht mehr entgegenzuwirken ist, und von dieser Problematik ist sicherlich nicht nur die biologische Landwirtschaft, sondern sind auch alle Bereiche der konventionellen Landwirtschaft betroffen. (Abg. Mag. Schweitzer: Ja! So ist es!)

Meine Damen und Herren! Hand aufs Herz: Was wollen wir für die Zukunft? Wollen wir wirklich die Tomate, die 14 Tage lang ohne Runzeln bleibt? Wollen wir die Gurke, die gerade ist, damit man sie leichter schälen kann, und die nicht zu wässrig ist? Wollen wir Genmais, der sozusagen allen Schädlingen gegenüber resistent ist, der aber auf der anderen Seite letztendlich auch Nützlinge umbringt?

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Sollen Leben und Ernährung nur mehr Risiko sein? – Ich gebe Ihnen gleich die Antwort: Nein, danke! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 195

Die einzige Chance, mit dieser Thematik zu Rande zu kommen, ohne sich der Forschung generell in den Weg zu stellen, sehe ich darin, dass dementsprechende Vorkehrungen und Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Ich möchte nämlich wirklich nicht, dass es in zehn oder zwanzig Jahren zu Entwicklungen wie in der Atomkraftwerksindustrie beziehungsweise im Bereich der Atomkraft kommt und wir die Geister, die wir gerufen haben, dann nicht mehr los werden! So soll das wirklich nicht sein! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der von Frau Abgeordneter Achatz vorgetragene Entschließungsantrag ausreichend unterstützt ist, in ausreichendem sachlichem Zusammenhang mit dem Verhandlungspunkt und daher auch mit zur Verhandlung beziehungsweise Abstimmung steht.

Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 967 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Gesetzentwurf angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Achatz, Ing. Schultes, Mag. Sima, Dipl.-Ing. Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufrechterhaltung des Gentechnik-Moratoriums.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest. (E 135.) (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1105 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle eine Mehrheit und damit die Annahme fest.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1106 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Antrag angenommen.

10. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1036 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz, das ATP-Durchführungsgesetz, das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz, das Bundesgesetz über das Verbot des In-Verkehr-Bringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind, und die Vollzugsanweisung betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung) geändert werden (1107 der Beilagen)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 196

11. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1046 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz und das Tierseuchengesetz (TSG) geändert werden (1108 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 360/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von Separatorenfleisch in Österreich (1109 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 376/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket für eine Totalreform der Bereiche Konsumentenschutz, Lebensmittelpolitik und Tiergesundheit (1110 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 361/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer verpflichtenden, klaren und transparenten Kennzeichnung von tierischen Produkten (1111 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 436/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mindestanforderungen für den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung und Tötung (1112 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 bis 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

20.16

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein breites Spektrum von Themen, das unter diesen Tagesordnungspunkten diskutiert werden soll.

Herr Staatssekretär! Ich möchte mich auf zwei Vorlagen beschränken. – Ich darf für unsere Fraktion festhalten, dass wir der Änderung des Tierärztegesetzes ebenso wie im Ausschuss zustimmen werden. Nicht zustimmen werden wir hingegen den Änderungen im Fleischuntersuchungsgesetz et cetera.

Im Tierärztegesetz wurde gemeinsam mit der Interessenvertretung eine Regelung getroffen, die aus unserer Sicht annehmbar ist. – Man soll nie Gesetze gegen Interessengruppen beschließen, und daher werden wir auch zustimmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Änderungen im Fleischuntersuchungsgesetz werden wir nicht zustimmen. Herr Staatssekretär! Wir verhehlen nicht, dass wir der Meinung sind, dass mit dieser Novelle einige positive Änderungen vorgenommen wurden. Es steht


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 197

jedoch fest, dass die Bundesregierung verabsäumt hat, das Veterinärrecht sowie den Konsumentenschutz grundsätzlich neu zu regeln. Diesbezüglich gibt es Probleme, über die nicht diskutiert wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erinnern Sie sich noch an Martinsberg? 120 Tonnen minderwertiges Fleisch aus Tschechien und Polen wurden illegal importiert, umetikettiert und als Biofleisch in Österreich beziehungsweise in Deutschland verkauft. Die Zollfahndung ermittelt, Strafanträge wurden bereits gestellt. Herr Staatssekretär! Man fragt sich, wenn man sich mit dem Veterinärrecht und dem Fleischuntersuchungsrecht auseinander setzt, was diese Novelle den Konsumenten bringt. Gibt es mehr Kontrollen? Wird sichergestellt, dass es zu solchen Umetikettierungen nicht mehr kommen kann? – Dies ist nicht der Fall, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die viel gerühmte Ernährungsagentur wird daran überhaupt nichts ändern! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Ernährungsagentur – das konnten wir bei der Jubelveranstaltung vorige Woche miterleben – geht davon aus, dass, wie ein Referent gesagt hat, vom Boden bis zum Blut des Konsumenten alles kontrolliert wird. – Ich möchte diese konkrete Bemerkung des Referenten jetzt nicht beurteilen. Ich halte sie für unangebracht. Jedenfalls wird aber der Eindruck erweckt, dass es hier eine durchgehende Kontrollkette gibt.

Herr Staatssekretär! Ich halte namens unserer Fraktion fest: Im veterinärrechtlichen Bereich und im Bereich der Verarbeitungsbetriebe, wo etikettiert wird, wird sich überhaupt nichts ändern, und diese Ernährungsagentur hat keine Kompetenz, diesbezüglich einzugreifen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Problem – und die meisten wissen das – liegt im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung. In der mittelbaren Bundesverwaltung regieren die Landeshauptleute beziehungsweise deren Agrarlandesräte. Was geschieht da? – Letztere entscheiden, weil es im materiellrechtlichen Bereich keine entsprechenden Vorgaben gibt, wie oft und was kontrolliert wird.

Herr Staatssekretär Waneck! Sie wissen das, und auch Bundesminister Haupt weiß das! Es gibt keine Verpflichtung der Landeshauptleute, zu berichten, wie Bundesgesetze im agrarischen Betriebsmittelrecht, aber auch im Veterinärrecht zu vollziehen sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das lehnen wir Sozialdemokraten grundsätzlich ab! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben hier das Problem, dass der Bundesgesetzgeber für Dinge im Veterinärrecht verantwortlich gemacht wird, aber von den Herren Landeshauptleuten nicht einmal erfährt, wie Gesetze auf Landesebene im Bereich der Bezirkshauptmannschaften vollzogen werden.

Ich kann mich noch an einen Diskussionsbeitrag von Bundesminister Haupt erinnern: Er ist hier gestanden und hat erklärt, dass er in die mittelbare Bundesverwaltung eingreifen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei! Ihr seid in die Knie gegangen vor den ÖVP-Landeshauptleuten! Es konnte das innerhalb der Koalition nicht durchgesetzt werden. Das wäre jedoch der einzig sinnvolle Weg gewesen, um mehr Sicherheit im Bereich der Lebensmittelverarbeitung und Etikettierung für Konsumenten zu gewährleisten! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Agrarlandesräte diktieren Lebensmittelsicherheit im veterinärrechtlichen Bereich, Herr Staatssekretär, sie entscheiden, wer als Beschautierarzt eingestellt wird und wie kontrolliert wird. Sie haben die Kontrolle über ihre Veterinärdirektoren. – Ich denke jetzt nur an Niederösterreich, inwiefern dort Gesetze tatsächlich vollzogen werden und ob Erlässe weitergegeben werden oder nicht. Der Fall Dr. Karner aus Niederösterreich ist ein unrühmliches Beispiel dafür, wie man mit Tierärzten, mit Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Bereich tätig sind, nicht umgehen soll: Diese werden gemobbt und unter Druck gesetzt, und all das zugunsten der Schlachthofbesitzer und der Agrarier!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte abschließend fest: Diese Bundesregierung hat es verabsäumt, diesbezüglich grundsätzliche Regelungen vorzunehmen, nämlich Regelun


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 198

gen zum Schutz der Konsumenten, aber auch zum Schutz jener Unternehmen, die sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten. (Beifall bei der SPÖ.)

20.23

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Achatz. – Bitte.

20.23

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Mit dem Tierärztegesetz werden wir einem Wunsch der Tierärzte gerecht, und beim Fleischuntersuchungsgesetz, Herr Kollege Maier, ist nichts anderes geschehen, als dass die Fleischuntersuchung an die Gemeinden übertragen worden ist. Ich kann ganz einfach nicht nachvollziehen, wo Sie da etwas Schlechtes finden! (Zwischenruf des Abg. Mag. Maier. )

Herr Kollege! Ich habe Ihre Kritik zwar erwartet, aber Sie haben diese Kritik ja bereits im Ausschuss vorgebracht. Der Herr Staatssekretär und auch die Abgeordneten der Regierungsparteien haben Ihre Befürchtungen und Bedenken klar widerlegt. Sie aber wiederholen das Ganze und lassen sich nicht überzeugen!

Im Grunde handelt es sich bei dieser Materie um eine EU-Anpassung. Außerdem ist im Tierärztegesetz auch eine Änderung bei der Tierärztekammer beinhaltet. – Ich glaube, dass diese Gesetzesmaterie eine gute ist und dass die Opposition allen Grund hätte, dem zuzustimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

20.24

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Auch von unserer Seite gibt es eine Zustimmung. Wir wollen es aber wirklich bei der Zustimmung zum Tagesordnungspunkt 10, betreffend 1036 und 1107 der Beilagen, belassen.

Den anderen Vorlagen können wir in keiner Weise zustimmen, denn die Situation im Lebensmittelbereich ist beileibe nicht so, dass es nicht ernsthafterer Maßnahmen und nicht couragierterer Vorstöße, als Sie sie unternehmen, bedürfte!

Herr Staatssekretär! Sie sind zuständig für das Gesundheitswesen. (Abg. Dr. Pumberger: Ja!) Da müsste es doch gerade in Ihrem ureigensten Interesse liegen, dass die Voraussetzungen für eine gesunde Lebensweise, diesfalls für eine gesunde Ernährung, wirklich in seriöse Hände gelegt werden und es gleichzeitig durchgehende Kontrollinstanzen gibt, die personell optimal ausgestattet sind.

Ich möchte nur ein Beispiel nennen, um die augenblickliche Situation im Lebensmittelbereich zu skizzieren, vor allem im Hinblick auf ihre Betreuung von Seiten der Regierung. Herr Staatssekretär! Es gibt in Ihrem Ministerium derzeit eine eigene Sektion, die für den Lebensmittelbereich zuständig ist. Diese Sektion IX wird es ab Mitte des Jahres jedoch nicht mehr geben! Lebensmittelbelange sind Ihnen vergleichsweise egal! Sie werden all das unter dem Gesundheitsaspekt subsumieren. Sie bauen Beamtenstellen ab. Sie werden eine Neuner-Stelle transferieren, damit ein FPÖ-Gemeinderat eine gut bezahlte Stelle übernehmen kann, und Sie werden die Schnittstelle zwischen der österreichischen Gesetzgebung und dem EU-Recht ganz einfach ausradieren! Sie werden die Sektion IX in die Sektion VII übertragen, und damit werden die Lebensmittelbelange sicherlich nicht besser, sondern höchstwahrscheinlich schlechter verwaltet werden! (Beifall bei den Grünen.)

Denselben Abbau und falschen Spargedanken sehen wir auch bei der Ernährungsagentur. Auch hier soll Personal eingespart werden. Und gerade dort, wo Vertragsbedienstete am Werk sind und Untersuchungen und Analysen vorgenommen werden, wird höchstwahrscheinlich aus dienstrechtlichen und aus budgetpolitischen Gründen der Sparstift angesetzt werden. – Auch


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 199

das ist eine Rahmenbedingung, im Hinblick auf welche die vorliegende Gesetzentwicklung, die heute Abend zur Diskussion steht, beurteilt wird.

Was fehlt uns noch? – Wir haben bis jetzt keinen BSE-Bericht. Wir haben bis jetzt keine durchgehenden Konsequenzen betreffend den Antibiotika-Skandal. Es gibt zwar das Tierarzneimittelkontrollgesetz, und seit neuestem gibt es auch eine provisorische Verordnung, die eine Anzahl von Arzneimitteln aufzählt, welche die Landwirte verabreichen und zwei Monate vor Ort lagern dürfen.

In dieser Verordnung werden sehr viele Produkte aufgezählt. Wirkungsvoller und besser wäre eine Negativliste, denn diese Verordnung muss ständig aktualisiert werden, weil ständig neue Produkte auf den Markt kommen. Deshalb wäre, wie gesagt, eine Negativliste besser. Sie aber gehen den leichteren Weg im Sinne der Produzenten und auch im Sinne der Antibiotika-Anwender und machen eine Verordnung, die ständig überarbeitet werden muss, statt einer Verbotsverordnung oder zumindest einer Wirkstoffverordnung. Das ist ebenfalls eine schlechte Reaktion auf die Krise, die vor nicht ganz einem Jahr auch hier im Haus diskutiert wurde und die schon vor eineinhalb Jahren begonnen hat. Da fehlt nach wie vor eine konsequente Antwort von der Regierungsbank. Die bisherigen Maßnahmen, sei es die Ernährungsagentur oder sei es das Arzneimittelkontrollgesetz, sind uns nämlich zu wenig. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb haben wir auch einige konstruktive Anträge eingebracht, etwa Kollege Maier den Antrag über das Verbot von Separatorenfleisch. Das würde wirklich einen Qualitätssprung gerade im Hinblick auf die Wursterzeugung bewirken, der Antrag wird jedoch von Ihnen abgelehnt. Auch die Anträge von unserer Seite im Sinne des Konsumentenschutzes, der Kennzeichnung, der Qualitätssicherung und einer besseren Kontrolle werden von Ihnen abgeschmettert. Ich nehme an, die Leute werden sich bei der Wahl dafür bedanken, denn in Ihren Händen ist Lebensmittelsicherheit ein Bereich, der beiläufig behandelt wird, der aber insgesamt institutionell, personell und finanziell geschwächt wird und in dem die gesetzlichen Handlungsmittel und -spielräume immer geringer werden.

Ich möchte noch einen letzten Aspekt erwähnen, dass nämlich auch die Ahndung von Verstößen gegen das Lebensmittelrecht immer großzügiger wird. Schauen Sie sich nur etwa die Antwort an, die mir Herr Justizminister Böhmdorfer auf die Frage gegeben hat, wie es mit der Verhängung von Geldstrafen nach dem Lebensmittelgesetz aussieht: Gegenüber 1999 gab es im Jahr 2000 einen Rückgang der bedingten Geldstrafen von 303 auf 122 und der unbedingten von 272 auf 151! Es gibt also auch hier den Liberalismus. Durch die so genannten Diversionsmaßnahmen wurden die Verurteilungen verringert. Insgesamt handelt es sich dabei unseres Erachtens jedoch nicht um Kavaliersdelikte, sondern um ernsthafte Gesundheitsgefährdungen, und da müssten Sie, Herr Staatssekretär, eingreifen! Ich sehe aber von Ihrer Seite her nur Laisser-faire, Abbau und Einsparen! – Danke (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.30

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kampichler. – Bitte.

20.30

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Viele Anträge, die am 23. April 2002 auf der Tagesordnung der Sitzung des Gesundheitsausschusses standen, wurden von den Einbringern zurückgezogen, weil sie bereits überholt waren oder weil sie anderwärtig erledigt worden sind. (Abg. Dr. Pumberger: Das ist alles schon obsolet!) Es gab damals Anträge betreffend das bereits erwähnte Verbot von Separatorenfleisch und das Verfütterungsverbot von Futtermitteln, in denen Tier- beziehungsweise Knochenmehl enthalten ist, betreffend die Produktkennzeichnung und verschiedenes anderes mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! All diese Themenbereiche wurden von den Parteien der Regierungskoalition bereits längst bestens geregelt. Es wurde im Interesse der Konsumenten wirklich für Nahrungsmittelsicherheit Vorsorge getroffen!


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 200

Meine Vorredner haben es heute bereits angesprochen: Einer der wichtigsten Beschlüsse – diesbezüglich bin ich natürlich anderer Meinung als die Kollegen von den Oppositionsparteien – betraf die Errichtung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit. Wir haben damit eine wirkungsvolle Institution geschaffen, die vorbildlich in Europa ist und die unsere Position als Feinkostladen Europas weiter ausbaut und festigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Fleischuntersuchungsgesetz, das wir heute ändern, ist ebenfalls ein Schritt zur Qualitätssicherung. Bei Schlachtungen aus besonderem Anlass, so genannten Notschlachtungen, passen wir die gesetzliche Regelung den EU-Richtlinien an; meine Kollegin Achatz hat das ebenfalls bereits erwähnt.

Die Änderung bei der Fleischuntersuchung basiert auf einigen leider Gottes unangenehmen konkreten Anlassfällen. Obwohl die bisherige Regelung in größeren Städten mit angestellten Tierärzten bestens funktioniert hat, müssen wir dieses Gesetz ändern. Künftig wird der Landeshauptmann die Fleischuntersuchungsorgane einsetzen. Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, erreichen wir ein hohes Maß an Objektivität bei der Fleischuntersuchung. Wir schaffen die beste Grundlage für ein konsumentengerechtes Fleischangebot. (Abg. Gradwohl: Glaubst du das, was du hier von dir gibst?) Sicherlich, Herr Kollege Gradwohl! Sie werden sich davon überraschen lassen können!

Schwarze Schafe werden in Zukunft voraussichtlich weniger Chancen haben, und korrekte Fleischverarbeiter und Händler werden sich auf dem Markt im Interesse der Konsumenten sehr, sehr viel leichter tun. – Wir beschließen damit also eine gute Gesetzesgrundlage und gute Rahmenbedingungen für eine Versorgung mit guten, gesunden Lebensmitteln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Mag. Maier gelangt nun zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort. – Bitte.

20.33

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mein Vorredner hat in seiner Rede behauptet, die Regierungsparteien hätten das Verbot von Separatorenfleisch bereits geregelt. – Das ist falsch!

Ich stelle richtig:

Erstens: Es gibt nur einen Beschluss der Kodexkommission, dass Separatorenfleisch nicht verkehrsfähig ist.

Zweitens: Es gibt bis heute noch keine gesetzliche Regelung in Österreich zum Verbot von Separatorenfleisch.

Daher sagen wir: Aus unserer Sicht ist ein gesetzliches Verbot von Separatorenfleisch anzustreben. (Beifall bei der SPÖ.)

20.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Huber. – Bitte.

20.35

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Kampichler! Was Ihre Darstellung betrifft, wie vorbildlich Oppositionsanträge von den Regierungsparteien bereits erledigt wurden, so hat Ihnen mein Kollege Maier das Notwendige dazu schon gesagt.

Ich frage mich allerdings, warum ich zum Beispiel im Gesundheitsausschuss keine Antwort auf meine Frage bekommen habe, was denn von österreichischer Seite unternommen wurde, damit minderwertiges Separatorenfleisch – das immerhin einen hohen mikrobiologischen und gesundheitlichen Risikofaktor birgt – auf EU-Ebene ganz verboten wird. Auch habe ich keine Antwort auf meine Frage bekommen, ob es regelmäßige Probenziehungen gibt, um sicherzustellen,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 201

dass tatsächlich kein Separatorenfleisch in unseren Wurstwaren enthalten ist. Auch auf meine Frage, wann denn die letzte Untersuchung betreffend den erhöhten Kalziumgehalt – das heißt: betreffend verwendetes Separatorenfleisch – erfolgte, habe ich keine Antwort bekommen. Ich habe auch keine Antwort bekommen auf die Frage, wie die Ergebnisse etwaiger Proben ausgeschaut haben. – Ich denke mir, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher darauf ihren Reim machen werden!

Nun zum Fleischuntersuchungsgesetz: Im ursprünglichen Entwurf hat man entsprechend reagiert, um unappetitliche Vorkommnisse wie jene im Schlachthof von Unterstinkenbrunn, die im September des Vorjahres an die Öffentlichkeit gelangt sind, in Zukunft zu verhindern. Es ist wirklich ungeheuerlich, dass Kontrolltierärzte, die es gewagt haben, die groben Missstände im dortigen Schlachthofbetrieb aufzuzeigen, ganz einfach ihres Amtes enthoben wurden – und das mit Duldung des Landes Niederösterreich! Als Ersatz wurden dann ein paar weniger unbequeme Tierärzte von der Gemeinde angestellt. Pikant wird die ganze Sache natürlich vor allem dadurch, dass der Schlachthofbetreiber ÖVP-Gemeinderat war und sich somit seine Kontrollore sozusagen selbst ausgesucht hat.

Im vorliegenden Gesetz wird nun zwar – spät, aber doch! – ausgeschlossen, dass Amtstierärzte oder von der Gemeinde angestellte Tierärzte Beschautierärzte sein können. Aber nach wie vor kann ein Beschautierarzt im selben Bezirk eine Tierarztpraxis haben, und das halte ich für problematisch, weil der Interessenkonflikt für den Beschautierarzt damit weiter gegeben ist: Er muss sich weiterhin überlegen, ob er unter Umständen das Fleisch seines Klienten beanstandet oder ob er das besser nicht tut. (Abg. Dr. Pumberger: Was haben Sie 30 Jahre lang gemacht? – Sie haben 30 Jahre bei diesen Missständen zugeschaut!)

Betreffend die Kontrolle durch die so sehr hochgejubelte Lebensmittelagentur und die damit suggerierte Lebensmittelsicherheit werde ich jetzt – auch wenn Sie noch so wütend reagieren – wiederholen, was ich schon anlässlich der Beschlussfassung ebenso wie im Gesundheitsausschuss gesagt habe: Es ist ein grundlegender Fehler, die gesamte Kontrolle nicht dorthin zu verlagern, wo sie hingehört, nämlich in den Gesundheitsbereich und in den Ländern zu den Gesundheitslandesräten oder -rätinnen! Produzenten dürfen sich nicht selbst kontrollieren! Auch in der EU hat man dieses Problem erkannt und diesen Bereich mit der Gründung der Europäischen Lebensmittelagentur dem Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz übertragen.

Es ist interessant, dass Sie diese logische und europaweit anerkannte Erkenntnis als Kriminalisierung der Bauern bezeichnen. – Ich meine, dass das genaue Gegenteil der Fall ist: Mit einer strikten Trennung zwischen Produktion und Kontrolle – also den Produzenten und jenen, die dann kontrollieren – würde man jeden Verdacht ausschalten, dass Interessenkollisionen zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten gelöst werden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Edler. )

Es ist deshalb für mich mehr als bedauerlich, dass Sie offensichtlich nicht einmal daran denken – oder möglicherweise auch nicht in der Lage sind –, diese unglückliche Kompetenzaufteilung zu ändern. Das ist sehr schade! (Beifall bei der SPÖ.)

20.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

20.39

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Spät kommt Frau Huber drauf, dass Lebensmittelsicherheit etwas Kostbares ist! 30 Jahre lang ist von Seiten der SPÖ diesbezüglich nicht viel geschehen. Wir haben jetzt aber wertvolle Reformen gemacht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Huber. )

Ich komme zunächst zum Tierärztegesetz. – Diese Regelung freut mich ganz besonders, denn so etwas möchte ich auch für die Ärztekammer haben: Die Tierärzte haben sich in einer Urab


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 202

stimmung im April vorigen Jahres zu 80 Prozent zur Schaffung einer österreichweiten Tierärztekammer bekannt und dafür entschieden, die Landeskammern zu Außenstellen zu erklären. Das ist vernünftig, da wird Verwaltung abgebaut, die Kammergremien werden verkleinert. Das würde ich mir auch für die Ärztekammer erwarten. Dort bewirkt die Kammerreform nämlich genau das Gegenteil. Aber das müssen sie selbst verantworten. Von mir gibt es jedenfalls ein Bravo für die Tierärztekammer und die mündigen Tierärzte, die so etwas beschlossen haben!

Mehr sehr verehrten Damen und Herren! Nun zum Fleischuntersuchungsgesetz und Tierseuchengesetz. – Frau Abgeordnete Huber hat das schon lobend hervorgehoben: Wir machen, wovon Sie nicht einmal geträumt haben, auch hier ein gutes Gesetz!

Nun kurz zu den Oppositionsanträgen. – Da ist zunächst einmal Frau Csörgits – sie ist wahrscheinlich schon wieder bei der Gewerkschaft oder noch immer bei der Gewerkschaft –, jene, die nicht weiß, wie viel sie verdient. (Abg. Edler: Sie ist schon da! Siehst du schlecht?) Sie sagt, was wir alles mit den Oppositionsanträgen machen: Abschmettern tun wir sie, sagt sie.

Da bringt Kollege Maier, der Olympionike aus Salzburg, einen Antrag auf ein Verbot von Separatorenfleisch ein. (Abg. Edlinger: Die Olympioniken sind bei euch! Das sind die in der Garage!) Es gibt bereits EU-weit ein generelles Separatorenfleischverbot. Als der Minister im Ausschuss ihm das erklärte, meinte Kollege Maier: Na ja, dann soll das eben verboten bleiben, und deswegen ist der Antrag sinnvoll! – Auch eine Erklärung! Aber mit dieser muss er selbst leben.

Zu dem Antrag von Frau Glawischnig auf eine Totalreform der Bereiche Konsumentenschutz, Lebensmittelpolitik und Tiergesundheit: Das haben wir schon gemacht! Wir haben die Lebensmittelagentur geschaffen – eine Totalreform, die, davon bin ich überzeugt, sicherlich noch besser ist, als Frau Glawischnig es sich erträumt hat.

Nun zu einem Antrag der Frau Kollegin Moser auf Einführung einer verpflichtenden, klaren und transparenten Kennzeichnung von tierischen Produkten: "Verpflichtend", das ist immer so eine Sache. Ich glaube, dass der Konsument auch das Auslangen findet, wenn es freiwillig gekennzeichnet ist. Der Konsument wird dann eben zu dem Produkt greifen, das gekennzeichnet ist, wenn er will, dass er wirklich ein gut gekennzeichnetes Produkt bekommt, von dem er weiß, wo es herkommt und ob es etwas taugt. Noch dazu gibt es das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz, es gibt die Schweinedatenbank, die aufgebaut wird, es gibt den Lebensmittelkodex. Das ist also alles schon geschehen, daher ist auch dieser Antrag der Frau Kollegin Moser mehr als überflüssig.

Nun zu dem Antrag von Frau Petrovic – auf diesen sollte ich, wenn noch Zeit dazu wäre, ein bisschen genauer eingehen – betreffend Mindestanforderungen für den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung und Tötung: Diese Mindestanforderungen bestehen bereits! Daher ist der Antrag, so gesehen, obsolet. Dies ist bereits in der EU-Richtlinie 119 geregelt.

Aber die Grünen verwahren sich dagegen, dass wir dem Quälen von Tieren zum Zeitpunkt ihres Todes oder vor ihrem Tod entgegentreten. Wenn wir nämlich ein Schächtungsverbot wollen, dann sagen die Grünen: Man kann doch nicht den muslimischen Gemeinden vorschreiben, wie sie die Schlachtung der Tiere vornehmen sollen! – Wenn also ein Muslime ein Tier schindet, dann ist es den Grünen recht; wenn es ein Katholik macht, dann wird er verurteilt. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. ) Das kann doch wirklich nicht die Realität sein! Daher glaube ich auch, dass dieser Antrag zu Recht abgelehnt wird.

Am Schluss dieses gesundheitspolitischen Tages bedanke ich mich bei den Beamten des Ministeriums, die wirklich hervorragende Arbeit geleistet haben, denn der heutige Tag war nur das Endresultat einer monatelangen Vorbereitung im Ministerium. Herzlichen Dank dem Herrn Staatssekretär, dem Herrn Bundesminister und allen Beamten, die bei diesen Gesetzen vorbildliche Arbeit geleistet haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.44


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 203

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte. (Abg. Dr. Grollitsch: Er wird das jetzt richtig stellen: Er ist für oder gegen das Schächten!)

20.44

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Pumberger war ja eine wirklich kabarettreife Einlage. (Abg. Dr. Grollitsch: Dementieren Sie!) Tierschutz und Religion, das wäre sicher einen langen Aufsatz wert. Den könnten Sie einmal schreiben, Kollege Pumberger, da hätten wir hier im Haus sicher einiges zu lachen. (Abg. Dr. Grollitsch: Dementieren Sie!)

Aber jetzt konkret zu den Vorlagen, die heute hier zur Diskussion stehen. In einem Punkt sind wir bei Ihnen, Herr Staatssekretär: Dem Tierärztegesetz werden auch wir zustimmen.

Beim Fleischuntersuchungsgesetz sind aus unserer Sicht noch wesentliche Defizite abzuarbeiten, Herr Staatssekretär. Es ist so, dass die vorliegende Novelle eigentlich nur auf einen Bericht der Europäischen Union reagiert, worin bestimmte Begriffsdefinitionen moniert werden und gefordert wird, dass diese EU-konform umformuliert werden. Das wird damit vollzogen.

Aber Sie haben die Möglichkeit ausgelassen, Herr Staatssekretär, mit dieser Novelle wesentliche Weichenstellungen in Richtung objektiver Kriterien bei der Bestellung von Fleischuntersuchungs-Tierärzten vorzunehmen oder – und das halte ich ebenso für sehr wesentlich – endlich dafür Sorge zu tragen, dass Datensysteme zur Erfassung von einzelnen notwendigen Daten in den Schlachthöfen betreffend Notschlachtungen, betreffend gefallene Tiere und Ähnliches eingeführt werden. Dies wäre notwendig, damit diese Daten nach einem gleichen Schema erfasst werden und damit die Möglichkeit besteht, sie zentral in einer Datenbank zu erfassen. Ich glaube, das wäre eine große Herausforderung.

Kollege Pumberger hat die Rindfleischkennzeichnung und die AMA-Rinderdatenbank angesprochen. Kollege Pumberger, das Problem ist, dass diese Datenbank zwar existiert, dass sie aber in der praktischen Nutzung sehr, sehr ineffizient ist. Zum Beispiel kann ein Amtstierarzt in einem Bezirk nicht gezielt alle Neuzugänge nach Bezirken abfragen – es sind ganz einfache Sachen –, um zum Beispiel eine Stichprobenkontrolle durchführen zu können, um eine Stichprobenauswahl durchführen zu können. Wie lange hat es gedauert, bis den Amtstierärzten überhaupt Einsicht, überhaupt die Verwendung dieser Datenbank ermöglicht wurde? – Auch dafür war schon ein langer Diskussionsprozess erforderlich.

Ich glaube, da bestehen wirklich noch immer Mängel, die Sie, Herr Staatssekretär, sich, glaube ich, dringend ansehen sollten, weil – und Kollege Maier hat das hier zu Recht dargestellt – im gesamten Kontrollbereich keine Konsequenzen gezogen wurden. (Abg. Dr. Pumberger: Noch mehr Kontrolle!) Meine Damen und Herren, aus den Agrarskandalen sind sehr, sehr oberflächliche Konsequenzen gezogen worden.

Das Tierarzneimittelkontrollgesetz ist im ersten Entwurf sicher interessant gewesen und enthielt einige konkrete, gute Anregungen, es ist aber in der Durchführung – und das sehen wir jetzt bei der Positivliste, Herr Staatssekretär – mehr als mangelhaft. Dass in eine Positivliste Hormone hineinkommen und die Bauern auch Hormone verabreichen dürfen, wenn das Tier irgendeine Störung im Fruchtbarkeitszyklus hat, und das ohne Kontrolle erfolgen kann, dafür fehlt mir wirklich jedes Verständnis! Das würden wir in der Humanmedizin genauso für furchtbar halten, wenn Hormonpräparate wahllos ohne ärztliche Kontrolle verwendet werden und damit auch Schäden verursacht werden könnten. Da besteht aus unserer Sicht daher Handlungsbedarf. (Beifall bei den Grünen.)

Worauf wir immer wieder hingewiesen haben: Diese Agentur für Ernährungssicherheit ist ein Projekt, das eigentlich die Überschrift "Deregulierung" trägt. Die Zusammenfassung bestehender Einrichtungen, und dies begleitet von einem Sparkonzept, ist eigentlich keine Lösung, Herr Staatssekretär.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 204

Kollege Pumberger! Unser Antrag zur Totalreform im Bereich Lebensmittelpolitik und Konsumentenschutz datiert vom 2. Jänner 2001, ist ein ganz alter Antrag. Damals haben wir, glaube ich, sehr klug und weitreichend eine Bündelung der Kompetenzen in einem Bundesamt gefordert. Aber unser Konzept hatte einen ganz anderen Fokus: nicht ausgliedern und nicht totsparen, sondern entsprechend ausstatten sowie in öffentlicher Hand und unter öffentlicher Kontrolle die Lebensmittelsicherheit organisieren. Das ist leider nicht eingetreten. Diese Ernährungsagentur hat die wesentlichen Probleme, die wir im Lebensmittelsektor haben, nicht beheben können.

Ein weiterer Aspekt ist die Kennzeichnung der tierischen Produktion. Sie erinnern sich an die Debatte darüber, dass artgerechte Tierhaltung auch für den Konsumenten sichtbar gemacht wird. Bis heute hat das AMA-Gütesiegel keine über die normale landwirtschaftliche Praxis hinausgehenden Standards in der Tierhaltung. Das liegt nicht in Ihrem engeren Bereich, Herr Staatssekretär, aber das ist auch ein Punkt, auf den man immer hinweisen müsste. Gerade unter dem Gesichtspunkt des Konsumentenschutzes, der Prävention und der Verringerung des Einsatzes von Medikamenten ist die Haltung der Tiere ein ganz wichtiger Faktor.

In dieser Hinsicht ersuche ich Sie, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um den Einsatz von Antibiotika und Chemotherapeutika in der Nutztierzucht zu verringern. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

20.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

20.50

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es ist immer wieder dasselbe Spiel: Der Abgeordnete Maier schläft schlecht, die Genossenfraktion wird unruhig, und immer wieder kommen dieselben Anschüttungen beim selben Thema, weil Ihnen nichts Neues einfällt. Ich möchte mich ganz massiv dagegen verwahren, dass er hier unter dem Schutz der Immunität den niederösterreichischen Veterinärdirektor aufs Massivste beleidigt und schlecht macht. Das hat sich dieser Mann wirklich nicht verdient, er hat viel geleistet! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben bei uns in Österreich preiswerte, qualitativ hochwertige Lebensmittel, weil wir Produzenten haben, die wissen, was sie ihren Konsumenten schuldig sind. Das Wichtigste in der Produktion ist, dass ich weiß, wer mein Kunde ist, denn wenn ich weiß, wer mein Kunde ist, weiß ich auch, welche Qualität er schätzt und braucht. Genau die Qualität, die er will, wird er auch bekommen. Wir Österreicher haben ein gutes Verhältnis zu unseren österreichischen Kunden. Leider gibt es viele – unter Anführungszeichen – "Konsumentenschützer", die genau das tagtäglich und immer wieder in Frage stellen.

Zu Ihrer Diskussion über das Separatorenfleisch: Es ist tatsächlich ein unappetitliches Thema, wie Kollegin Huber gesagt hat. Wissen Sie, was die Wirklichkeit ist? – Wir haben im österreichischen Kodex die Vereinbarung: Kein Separatorenfleisch! (Abg. Mag. Maier: Nach dem Antrag!) Die österreichische Industrie kennt die freiwillige Vereinbarung: Kein Separatorenfleisch! (Abg. Mag. Maier: Trotzdem war es drinnen!) Europaweit gibt es die Deklarationspflicht. (Abg. Mag. Maier: Trotzdem war es drinnen, Kollege!) Doch was sagen Sie? – Alles schlecht! Statt dass Sie sagen: Super, die österreichischen Betriebe sind weit besser als alle anderen. Liebe Kunden, orientiert euch an den österreichischen Herstellern! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Maier! Ich zeige Ihnen jetzt, was die Wirklichkeit ist; vielleicht begreifen Sie dann einmal, worum es geht. (Der Redner nimmt aus einer mitgebrachten Tasche eine Butter- und eine Milchpackung heraus und stellt diese auf das Rednerpult.) Das ist österreichische Teebutter, heute gekauft, und das ist österreichische Vollmilch, heute gekauft, deutlich zu erkennen an der schönen Aufschrift "Vollmilch", an der Abbildung des Berges und der Kuh. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Keine Biomilch!) Jeder vermutet sofort: Österreich. – Gut.

Aber wir haben bei uns einen beinharten Preiskampf. Der Markt entscheidet, und der Markt hat Recht. (Abg. Mag. Kogler: So ein Unsinn! Der Markt hat nicht immer Recht!) Die Firma, die


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 205

diese Produkte vertreibt, macht es ordentlich. (Der Redner stellt eine andere Butterpackung, ähnlich gestaltet und ebenfalls mit der Aufschrift "TEEBUTTER", auf das Rednerpult.) Aber es wäre schön, wenn Sie einmal Ihre Konsumenten darauf aufmerksam machen würden, dass die Butter, die fast genauso aussieht wie diese wunderbare Milch, aus Holland kommt, obwohl das Gebirge und die Kuh und dieselbe Aufschrift auf der Verpackung zu sehen sind? Nur kommt sie eben aus Holland!

Herr Maier! Jetzt frage ich Sie: Die Lebensmittelkontrolle in Holland – gefällt Ihnen die auch so gut? Fragt Sie dort überhaupt jemand? Oder ist es nicht in Österreich besser? – Wäre es nicht schön, einmal zu sagen: Liebe Kunden, kauft in Österreich, bei uns gibt es ein Super-System und eine Super-Kontrolle!? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Mit der Ernährungsagentur und unserem System ist es uns gelungen, den guten Standard abzusichern, ihn auf einem hohen Niveau weiterzuführen und vielleicht sogar mit weniger Kosten mehr Leistung zu erbringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Einen Satz lasst mich noch sagen: Wir nehmen gerne unsere Verantwortung für Gesundheit, Geschmack und Lebensfreude wahr. Freut euch über das Leben und esst einmal etwas Gescheites! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Parfuss. – Bitte.

20.54

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Kollege! Herr Mag. Maier schläft sehr gut, sagt er mir. Im Übrigen: Die Landwirtschaftskammer hat, bitte, die Aufgabe, die Bauern zu vertreten. Das ist die Aufgabe der Landwirtschaftskammer, und an diese Adresse müssen Sie Ihre Kritik richten! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Dr. Pumberger! – Ist er noch da? – Sie haben heute eine ganz interessante Mondphase. Ich habe Sie heute schon einmal gehört, Sie haben heute Ihren populistischen Tag – "ARZT 1" –, Sie haben auch Humor. (Abg. Dr. Pumberger: ... kann ich ihn mir verkneifen!) Aber Sie wissen schon: Religionsfreiheit steht in der Verfassung. Das brauche ich Ihnen wahrscheinlich nicht zu erklären, aber ich muss es trotzdem wieder betonen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Kampichler und meine Kollegin Huber haben Unterstinkenbrunn angesprochen. Die Sendung "Hohes Haus" hat sich dem Thema gewidmet, angeregt durch eine Anfrage von meinen Kollegen und mir. Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn die Vorfälle in Unterstinkenbrunn in dieser unglaublichen Art und Weise nun hoffentlich der Vergangenheit angehörten.

Herr Staatssekretär! Auch wenn die Änderung des Fleischuntersuchungsgesetzes eine kleine Verbesserung im Bereich der Bestellung von Beschautierärzten mit sich gebracht hat, bleibt der Druck auf den Beschautierarzt dennoch bestehen. Meine Kollegin hat es bereits gesagt: Immer noch kann es passieren, dass der Tierarzt die Tiere, die er vorher im Stall betreut hat, nachher bei der Beschau bemängeln muss. Wie der Bauer darauf reagieren wird, können wir uns vorstellen. Da liegt tatsächlich eine eindeutige Interessenkollision vor, und da müssen unbedingt weite Trennungen, und seien es auch nur räumliche, vorgenommen werden. Ich lege Ihnen das wirklich sehr ans Herz!

Meine Damen und Herren! Ein Bereich, in dem allerdings auch noch massiver Handlungsbedarf besteht, ist der Tierschutz in den Schlachthöfen. Die Zustände in den Schlachthöfen sind teilweise katastrophal, das zeigt ein Film, und das zeigt auch die Dissertation eines Veterinärmediziners, der sich mit dem Thema Tierschutz in niederösterreichischen Schlachthöfen auseinander setzt. Michael Gneist heißt er, er hat sich damit befasst und das zutage gefördert.

Ich möchte hier nur einige Punkte erwähnen: Es gibt Rinder, die teilweise bis zu drei Tage lang auf ihre Schlachtung warten mussten. Man kann sich vorstellen, was für einen Stress das für die Tiere bedeutet! Immer noch werden Elektrotreibstöcke statt tierfreundlichere Requisiten wie


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 206

Schweineklatschen et cetera eingesetzt. (Abg. Ing. Scheuch: Landesgesetzgebung!) Die Transportfahrzeuge werden kaum gereinigt oder desinfiziert. Das heißt, an sich saubere Tiere werden in rutschigen und verdreckten Fahrzeugen transportiert. Nun kommt das Schlimmste: Die Betäubungsgeräte sind tatsächlich oft nicht ausreichend funktionell und werden auch schlecht gewartet. Das heißt, oft ist das Tier bei der Schlachtung noch gar nicht tot.

Wo liegen die Ursachen? – Zum einen ist da natürlich der wirtschaftliche Druck, möglichst viele Tiere möglichst schnell in die Zerlegung überzuführen, zum anderen sind es bauliche Mängel, und oft ist es schlicht und einfach Unkenntnis oder Desinteresse an tierschutzrechtlichen Vorschriften. Ich kann daher dem Antrag der Grünen nur meine Zustimmung geben. Die Zustände in den Schlachthöfen liegen wirklich im Argen.

Daher haben wir zwei Forderungen: Erstens geht es um eine verstärkte Kontrolle der Einhaltung von Tierschutzvorschriften in Schlachthöfen; das Tier an sich sollte Vorrang vor wirtschaftlichen Überlegungen haben. Zweitens sollte die Erforschung von neuen Betäubungsmethoden forciert werden.

Allerdings möchte ich auch etwas Positives erwähnen, nämlich dass im Veterinärbericht 2001 für die Steiermark erwähnt wird, dass dieses Problem sehr wohl bekannt ist und darauf bereits mit verstärkten Schulungen der Tierärzte reagiert worden ist, die auch zugegeben haben, dass es Informationsdefizite gibt. Ich glaube, das ist einmal ein guter Ansatz.

Deshalb: Kontrolle, Information, Schulung und vor allem unabhängige Beschautierärzte können gewährleisten, dass Tierschutz nicht vor dem Schlachthof aufhört! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

20.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Scheuch. – Bitte.

20.58

Abgeordneter Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Ich habe mich aus zweierlei Beweggründen zu Wort gemeldet. In erster Linie habe ich es getan, um die hervorragende und vorbildliche Arbeit des Ministeriums und vor allem unseres Ministers in dieser Frage noch einmal zu würdigen und hervorzuheben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herkunftsbezeichnungen, Qualitätsverbesserungen, die ganze Art und Weise, wie der BSE-Skandal in Österreich abgehandelt wurde – das sucht seinesgleichen! Andere Staaten sind in dieser Frage auf uns neidisch, würde ich einmal sagen. Die in diesem Bereich gesetzten Maßnahmen gehen bis zur Errichtung einer Biodatenbank. Das ist vorbildlich!

Aber ich bin auch an das Rednerpult getreten, um die Doppelbödigkeit unserer lieben Oppositionsgenossen ein bisschen unter die Lupe zu nehmen. Das fällt nicht wirklich schwer. Es fällt nicht schwer, weil man von Seiten der SPÖ immer wieder einfordert: Billige Nahrungsmittel muss es geben! – Wer hat denn in der letzten Legislaturperiode beinahe die Auszahlung des ÖPUL-Geldes verhindert? Und wer musste einspringen? – Wir von der FPÖ mussten einspringen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weil ich Sie gerade hier sitzen sehe, Frau Parfuss: Ich habe viele Protokolle nachgelesen, auch Protokolle von Redebeiträgen von Ihrer Seite. Vor nicht ganz einem Jahr haben Sie sich noch gewunden wie ein Regenwurm in der Sonne: Schwierige Detailprobleme gebe es, die zu lösen seien, wenn man ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz durchsetzen wollte. – Nun, wir werden diese Sache angehen und auch diese schwierigen Detailprobleme lösen! (Abg. Dr. Niederwieser: Die ÖVP war das, nicht wir! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Nun komme ich zu meinen grünen Freunden. Auch die Grünen erheben starke Forderungen in vielen Bereichen. Herr Pirklhuber, Sie fordern verschärfte Kontrolle, Sie fordern Konsumentenschutz, und Sie fordern verpflichtende Kennzeichnung. Schon allein die Diktion, die Wortwahl ist


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 207

in den Anträgen der Grünen erstaunlich. Ich würde mich freuen, könnten wir solche Worte einmal in einem Drogen-Papier von Ihnen finden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Herr Pirklhuber, hören Sie jetzt zu! Ich habe im Zuge meiner Vorbereitungen natürlich auch die Grüne Bildungswerkstatt via Internet befragt, um zu sehen, was dort drinsteht; ich bin durchaus lernfähig. Dort gibt es einen sehr interessanten Aufsatz, der überschrieben ist mit "Sinn und Widersinn einer ‚kollektiven Psychose‘ – Die irre Angst vor dem Rinderwahn". Herr Pirklhuber, ich hoffe, Sie haben das gelesen. Dort schreibt Ihr Vertreter – ich zitiere wortwörtlich –:

"Eine Art ‚kollektive Psychose‘ scheint die Bürger zu erfassen. Sie beruht auf der Überzeugung, dass das Verhältnis Mensch – Natur immer mehr entartet."

Er kommt auf der letzten Seite zu dem Schluss (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Das zeigt, wie weit wir denken!): "Damit aber diese ‚Funktion‘ der kollektiven Psychose" – man höre! – "wirksam werden kann, darf man sich nicht mit einer Antwort aus der Schublade der Verbote und Kontrolle begnügen", meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Lesen Sie den ganzen Antrag!), sondern "wir müssen endlich Farbe bekennen und unser gesellschaftliches Verhältnis zur Natur in den Mittelpunkt ... stellen".

Da würde ich Ihnen empfehlen, dass auch Sie Ihre eigenen Internet-Auftritte lesen. Was aber machen Sie? – Sie tun das nicht, sondern Sie skandalisieren ein paar Seiten weiter mit einer bluttriefenden Story über unsere Schlachthöfe. Dann steht hier noch:

BSE-Maßnahmen der Erweiterung verbieten bisherige Verwendung des Rückenmarkzerstörers.

Gut, wir sind wirklich nicht die EU-Partei und auch für diese Vorgangsweise nicht verantwortlich! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

Das heißt, Sie skandalisieren in jedem Bereich. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Bitte, Herr Minister, klären Sie ihn auf!) Auch im Ausschuss hat Ihre Kollegin Glawischnig von "vergiftetem Gemüse" gesprochen. Sie hat von "brutaler Gefahr im Nahrungsmittelbereich" gesprochen. Mit drei Worten gesagt: Sie betreiben eine Politik, die so ausschaut: Skandal, Skandal und noch einmal Skandal!

Wenn es keinen Skandal gibt, dann machen wir einen Skandal, Herr Professor, dann machen wir einen Skandal über das Töten von Tieren, bringen dazu einen Antrag ein und verschweigen uns in dem Bereich des Schächtens vollkommen! Ich habe dazu auf Ihren Internet-Seiten nichts gefunden – leider und zu meinem Bedauern, muss ich sagen!

Allerdings habe ich auf der Internetseite des Tierschutz-Dachverbandes folgende recht interessante Aussage über Ihre Partei gefunden – ich zitiere wörtlich –: "Die GRÜNEN sind keine Alternativen mehr" in diesem Bereich. – Das glaube ich! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Weiters führt der Dachverband des Tierschutzes an:

"Tiere haben keine Wählerstimmen, und so machen sich linkslastige GRÜNE dafür stark, ihrer Wählerlobby die Tierquälerei des betäubungslosen Schächtens zu ermöglichen."

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann es wohl wirklich nicht sein!

Auch die SPÖ hat ein gespaltenes Verhältnis zu diesem Thema. Gespalten ist es zum Beispiel in Oberösterreich, wo man schreibt: Das Schächten ist eine furchtbare Tierquälerei. – Das sagt Ihre Landesrätin! Das unterschreibe ich auch! – Im zweiten Satz sagt sie, die Religionsfreiheit sei ein Grundrecht, das über dem Tierschutz stünde. (Abg. Dr. Niederwieser: Das ist so!) Herr Cap sagt in einer Anfrage: Beim Schächten handelt es sich um die fachgerechte Tötung eines Tieres aus religiösen Gründen.

Das ist auch ein Zugang zu diesem Thema, meine Damen und Herren. Nur ist es ein sehr doppelbödiger Zugang, den wir jedenfalls nicht teilen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.04


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 208

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Waneck. – Bitte.

21.04

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Frage der Verwendung von Separatorenfleisch darf ich in Erinnerung rufen, dass durch die EU-Verordnung 999 aus dem Jahre 2001 die Verwendung von Separatorenfleisch, welches aus Wiederkäuern gewonnen wurde, EU-weit verboten ist und daher keinerlei Diskussionsfrage darstellt.

Österreich ist hier von sich aus noch viel weiter gegangen und hat hinsichtlich der Verwendung von Separatorenfleisch jeglicher Art, also auch von Schwein und Geflügel, mit Erlass vom 20. März 2001 das Kodexkapitel B 14, Fleisch und Fleischwaren, geändert. Die Verwendung von Separatorenfleisch bei der Herstellung von Würsten ist somit gemäß dem österreichischen Lebensmittelbuch der dritten Auflage nicht mehr zulässig. Darüber hinaus muss gemäß der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung von 1993 bei der Etikettierung sichergestellt sein, dass auch allenfalls bei ausländischen Erzeugnissen die Verwendung von Separatorenmaterial aus der Deklaration ersichtlich ist. Diesbezüglich wurden allein im Jahre 2001 insgesamt 2 246 Proben gezogen, es wird ständig und laufend kontrolliert.

Zur Frage der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit ist festzustellen, dass die Kompetenzen betreffend die Lebensmittelsicherheit in der Agentur gesetzlich genau geregelt sind. Für die Kontrolle der Lebensmittel und für die Human- und Veterinärlaboratorien ist weiterhin der Herr Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen in Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat verantwortlich, sodass da eine vollkommene Transparenz im Bereich der Lebensmittelkontrolle besteht. Ich glaube, das sollte Sie in dieser Richtung auf jeden Fall beruhigen. Es ist auch keinerlei Einsparung bei Experten oder qualifizierten Spezialisten vorgesehen.

Ich glaube, es ist ein Unterschied, ob man sozusagen ohne Verantwortung Maximalforderungen stellt oder ob man einen Zustand, der unbefriedigend war, verbessert und etwas tut. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

21.07

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! In einem Tagesordnungspunkt eine Fülle von Materien. Aus der bisherigen Diskussion scheint mir, dass es zwar eine ganze Reihe von positiven Ansätzen gibt, aber was wir seitens der Grünen verlangen, nämlich dass Bioqualität nicht nur eine Alternative neben anderen, sondern die flächendeckende Option von ganz Österreich sein soll, vermisse ich nach wie vor in den Äußerungen und Antworten der Regierungsparteien. (Beifall bei den Grünen.)

Sie stellen immer wieder gerade im Zusammenhang mit der Gentechnik fest, dass es ein bisschen Bio und ein bisschen Gentechnik nicht geben wird und dass auch der österreichische Markt so strukturiert ist, dass eine Konkurrenz im Billigsegment für österreichische Betriebe, auch für die größeren österreichischen Betriebe, chancenlos ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass erfolgreiche österreichische Produktionsbetriebe nur und ausschließlich im Qualitätssegment eine Chance haben können.

Zum Vorwurf, es gebe nach wie vor Konsumentinnen und Konsumenten, die beim Einkaufen primär auf den Preis achten: Das stimmt schon, nur würde uns das auch in anderen Bereichen der Wirtschaft nicht dazu bringen, dass wir deswegen danach trachten würden, die ganze Produktpalette durch Produktionen im eigenen Land abzudecken. Das ist auch bei der Textilindustrie nicht der Fall. Wir wissen, dass teilweise Billigtextilien dubioser Herkunft nach Österreich kommen, das ist nach den Handelsabkommen auch nicht zu verhindern, aber trotzdem würden wir das nicht als Erfolgsrezept der österreichischen Textil- und Bekleidungsindustrie empfehlen. Ein ebensolches Qualitätsrezept gilt es in der Landwirtschaft anzustreben – und nichts anderes!


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 209

Im Zusammenhang mit der Kennzeichnung hat es mich sehr überrascht, dass hier zum Beispiel solche Formulierungen kommen: Na ja, ein bisschen freiwillig kennzeichnen kann man schon, aber verbindlich doch lieber nicht! – Bitte, wen will man schützen? Produzenten, die nicht mit offenen Karten spielen?

Ein Redner einer Regierungspartei tritt hier zum Rednerpult und packt holländische Milch und Butter aus, die so ähnlich ausschauen, aber wenn wir eine verbindliche Kennzeichnung für alle Produkte verlangen, und zwar nach Kriterien, die für Konsumentinnen und Konsumenten verständlich sind, und nicht nach Ursprungsregelungen, die nicht verständlich sind, dann heißt es auf einmal: Das ist überzogen! – Diese Philosophie müssen Sie uns erst einmal erklären! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie wissen genauso gut wie ich: Es sind eben diese Päckchen mit der grünen Wiese drauf, mit schönen Bergen, irgendwelchen Phantasienamen, die bei den Konsumentinnen und Konsumenten den Eindruck erwecken, es sei ein Qualitätsprodukt. In Wahrheit handelt es sich aber um eine nicht geschützte Darstellung. Das Wissen, was wirklich geschützte und kontrollierte Marken sind, ist nicht verbreitet. Es wird also nicht zwischen kontrollierter Bio-Qualität – AMA-Biosiegel, DEMETER, ERNTE und so weiter; das bedeutet auch höhere Anforderungen an die Produktion – und irgendwelchen schönen Phantasien unterschieden. (Abg. Dr. Pumberger: Wer zahlt das?)

Zur Frage, wer das zahlt: Meinen Sie, dass es billig war, die Folgen von BSE, die Folgen diverser Tierseuchen, die Folgen all dieser Skandale, die Tätigkeit der Behörden sogar bei verbrecherischen Aktionen wie bei Betrügereien aller Art aufzuarbeiten? Meinen Sie wirklich, dass das billiger ist als eine wahrheitsgemäße, ehrliche und vor allem auch die ehrlichen Produzentinnen und Produzenten schützende Deklaration? Über ein solches Verständnis kann ich mich wirklich nur wundern! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Wahrheit ist – das hat irgendjemand gesagt – zumutbar. Sie ist auch leistbar, meine Damen und Herren!

Ein Letztes zur Tötung, zur Schlachtung von Tieren: Ich weiß schon, dass Sie kein Thema auslassen, um Ihre Ressentiments gegen Angehörige bestimmter Religionsgemeinschaften einfließen zu lassen. (Abg. Ing. Fallent: Was sagen Sie zum Schächten?) Das kommt immer wieder. (Abg. Ing. Fallent: Sind Sie dafür? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Überdies stelle ich fest, dass Sie vor sämtlichen Ihrer sehr merkwürdigen rassistischen, fremdenfeindlichen und sonstigen Statements offenbar das Lesen verlernt haben, denn wenn Sie diesen Antrag gelesen hätten, dann würden Sie wissen, dass er ausnahmslos die schonende ... (Abg. Ing. Fallent: Was sagen Sie zum Schächten?)

Was soll man mit so einem Menschen tun? Er kann nicht hören, er kann nicht lesen. Ich gebe es auf. (Beifall bei den Grünen.) Vielleicht, Herr Kollege Spindelegger – Sie schauen so interessiert –, erklären Sie es ihm dann. Ich gebe Ihnen auch die Kopie des Antrags. Es ist wirklich arg. Ich kann mich nur wundern, auf welches Niveau die ÖVP mit ihrem Koalitionspartner abgerutscht ist.

Ich habe bei Herrn Bundesminister Haupt – das sage ich der Fairness halber – eine weit größere Bereitschaft zu einem ernsthaften Gespräch vorgefunden. Es sind auch Maßnahmen erfolgt, allerdings meine ich, Herr Bundesminister, dass die Umsetzung noch gegenüber einer teilweise sehr schlechten und grausamen Realität zurückbleibt. Dieser Eindruck stellt sich bei mir ein, wenn ich mir beispielsweise eine Anfrage der Abgeordneten Kummerer, Gradwohl und Maier vom heurigen März, Mitte März, betreffend die Kontrolle von Schlachthöfen anschaue. Daraus entnehme ich, dass es etwa nach dem Fremdenpolizeigesetz – und das ist für die Ausbildung des Personals wichtig – in ganz Niederösterreich in den Jahren 2000 und 2001 und in dem ersten Quartal 2002 ganze zehn Überprüfungen gegeben hat. Von diesen zehn Überprüfungen haben fünf zu Beanstandungen geführt. In Oberösterreich gab es in diesen zweieinviertel Jahren sieben Überprüfungen, bei denen es zu acht Beanstandungen kam, das heißt, bei einer Überprüfung sogar zu einer Doppelbeanstandung. Trotzdem ist die Kontrolltätigkeit im Jah


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 210

re 2002 nicht intensiviert worden. Das heißt, alle Versuche, zu einem wirksameren Schutz der Tiere und der KonsumentInnen zu kommen, gehen ins Leere, solange Menschen keinen Schutz haben und solange arbeitsrechtliche Vorschriften nicht eingehalten werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Freigaßner. Die Uhr ist auf 4 Minuten gestellt. – Bitte.

21.15

Abgeordnete Evelyn Freigaßner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Pirklhuber, es freut mich, dass Sie sich immer so viele Gedanken über die Landwirtschaft machen. Ich gestehe Ihnen auch zu, dass Sie theoretisch sehr gut sind, aber von der Praxis haben Sie leider keine Ahnung, das muss ich Ihnen sagen. Ich komme aus der Praxis, und es tragisch, wenn man Ihnen zuhören muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber nun zum Thema: Ich muss Ihnen ehrlich gestehen, dass ich es als eine schlechte politische Praxis erachte, wenn Oppositionspolitiker in Sachen Lebensmittelsicherheit angesichts zahlreicher von der Bundesregierung gesetzter Maßnahmen fortlaufend von krassen Versäumnissen sprechen. Meine Damen und Herren! Sie verunsichern damit nicht nur die Konsumenten, sondern Sie schädigen ebenso das hervorragende Qualitätsimage der österreichischen Bauernschaft nachhaltig. Sie wollen offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen, dass im Interesse des Endverbrauchers alle Beteiligten gemeinschaftlich die größtmögliche Sicherheit in der Agrarproduktion anstreben und es den Kampf Konsumenten gegen Bauern gar nicht gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die eingerichtete Agentur für Ernährungssicherheit, das Bundesamt für Ernährungssicherheit sowie das im Ministerrat beschlossene Agrarrechtsänderungsgesetz sind die erfolgreiche Antwort und Sicherstellung unserer Qualitätsansprüche. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die nunmehr vernetztere, flexiblere und koordiniertere Zusammenarbeit des Sozial- und des Landwirtschaftsministers wird selbstverständlich noch effizientere Kontrollen und einen verbesserten Gesundheitsschutz mit sich bringen, da – unter Beibehaltung der jeweiligen Kompetenzen und Bewahrung der jeweiligen Interessen – daraus eine kontinuierliche, gute Lebensmittelpolitik resultiert. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

21.17

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mit der Novellierung des Tierärztegesetzes werden ärztliche Interessenvertretungen in einer gesamtösterreichischen Tierärztekammer zusammengefasst. Das stellt eine Vereinfachung und Verbesserung der Kammerverwaltung dar. Die Errichtung von Außenstellen in den Ländern nimmt auf die föderalistischen Strukturen Rücksicht, und das ist gut so.

Mit der Novellierung des Fleischuntersuchungsgesetzes werden die Beschautierärzte nun direkt unter die Aufsicht des Amtstierarztes gestellt. Bisher wurde dieser Aufgabenbereich von den Gemeinden wahrgenommen. Die Verbesserung liegt darin, dass klare Kompetenzabgrenzungen vorgenommen werden, womit die Effizienz der Fleischuntersuchungen verbessert wird. Aus meiner eigenen Erfahrung als Landwirt, der die Rinder selbst vermarktet, weiß ich, wie lückenlos die heutigen Kontrollen durchgeführt werden. So kommt zum Beispiel Fleisch aus Notschlachtungen in Österreich nicht in die Nahrungskette. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist eine zusätzliche Garantie für den Konsumenten. Rot und Grün wollen mit ihrer populistischen Politik die gute Politik dieser Regierung verunglimpfen. Sie haben keine Ahnung von der


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 211

Landwirtschaft und ihrer Problematik. Sie helfen uns Landwirten nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Qualität muss auch bei der Tierschlachtung gegeben sein. Die irreführenden Bemerkungen der Opposition dienen dieser Qualitätssicherung nicht. Dass Tiere für den Schlachtvorgang ausreichend betäubt werden, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Grundsätzlich ist zu dieser Problematik zu sagen, dass die Bundesländer dies selbständig in Gesetzen regeln.

Da die Freiheitlichen seit langem das Verbot des Schächtens fordern, ist es unbegreiflich, dass sich Spitzenpolitiker der SPÖ, wie zum Beispiel der Leider-noch-immer-Landeshauptmannstellvertreter Prock am Landesparteitag, wörtlich für das Schächten von Tieren aussprechen und uns Freiheitlichen unterstellen, dass es uns nicht um die Frage des Tierschutzes gehe, sondern um Tierschutz kontra Ausländer. Das ist eine unglaubliche Unterstellung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Tiroler SPÖ-Klubobmann Guggenberger traut sich zu sagen – ich zitiere wörtlich –: Ich stehe dazu, dass das Schächten von Tieren aus religiösen Gründen erlaubt ist. – Zitatende.

Ich wünsche Ihnen nicht, bei so einem Vorgang anwesend zu sein. Das Töten von Tieren mittels Durchschneiden von Halsschlagader, Luft- und Speiseröhre ohne Betäubung ist einfach eine Grausamkeit, die in unserer Zeit keinen Platz hat. (Beifall sowie Ja- und Genau-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Auch Tiere empfinden Angst und Schmerz. Schächten ist die reinste Tierquälerei! – Herr Abgeordneter Pirklhuber! Schächten ist nicht zum Lachen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Richtig! – Gegenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

Ihre Zustimmung, meine Damen und Herren von der SPÖ, ist einfach scheinheilig und ohne jedes Gefühl für das Lebewesen Tier. Faktum ist: Sie machen daraus eine parteipolitische Unterstellungspolitik, und das ist nicht im Sinne unserer gesellschaftlichen Werte. Ändern Sie in dieser Frage Ihr Verhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In der Schweiz und in Deutschland ist der Tierschutz seit 20 Jahren bundeseinheitlich geregelt. Deshalb fordere ich alle Abgeordneten auf, Tierschutz und das Verbot des Schächtens in die Staatsverfassung aufzunehmen, um diese unselige Diskussion "Schächten contra Religionsfreiheit" zu beenden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Petrovic: Fordern Sie einmal die ÖVP auf!)

Frau Abgeordnete! Wenn ich mir über Elektroschocks Gedanken mache, nicht aber über das Schächten, dann ist das lächerlich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Richtig!)

Meine Damen und Herren! Eines aber steht fest: Diese Regierung ist der Garant dafür, dass Kontrolle und Qualität in Österreich auch in Zukunft gewährleistet sein werden. – Danke. (Beifall und Bravo-Rufe bei den Freiheitlichen.)

21.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Wunsch des Herrn Berichterstatters nach einem Schlusswort liegt mir nicht vor.

Daher kommen wir zu den Abstimmungen, die über die einzelnen Ausschussanträge getrennt vorgenommen werden.

Zunächst stimmen wir ab über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz, das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz sowie weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 1036 der Beilagen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 212

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, dies ebenfalls zu bekunden. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz und das Tierseuchengesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 1046 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist mit Mehrheit in zweiter Lesung angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1109 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest: Die Kenntnisnahme des Berichtes 1109 der Beilagen erfolgt mit Stimmenmehrheit.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1110 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Nationalrat nimmt diesen Bericht mit Stimmenmehrheit zur Kenntnis.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1111 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich ein Zeichen. – Ich stelle fest: Die Kenntnisnahme des Berichtes 1111 der Beilagen erfolgt mit Stimmenmehrheit.

Ebenso stimmen wir ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1112 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer damit einverstanden ist, möge dies bekunden. – Ich stelle fest: Die Kenntnisnahme des Berichtes 1112 der Beilagen erfolgt mit Stimmenmehrheit.

16. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 20, 23, 24, 27 bis 34 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 18, 19, 21, 22 und 24 (1075 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit kommen wir zum Punkt 16 der Tagesordnung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Theresia Haidlmayr. Wunschgemäß habe ich die Uhr auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.25

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Grund, warum wir diesen Sammelbericht für Petitionen und Bürger


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 213

initiativen nicht unterstützen werden, ist nicht etwa die Auffassung, dass er nicht sehr gut aufbereitet worden wäre, sondern der Umstand, dass sich der Umgang mit Bürgerinitiativen und Petitionen in den letzten Jahren so drastisch verschärft hat, dass es eigentlich für die Bürgerinnen und Bürger schön langsam wirklich nur mehr leere Kilometer sind, wenn sie Bürgerinitiativen oder Petitionen einbringen. Der Ausschuss ist schon so weit "gesunken", dass es nur mehr Abstandnahmen oder Kenntnisnahmen gibt und dass im Endeffekt keine der Bürgerinitiativen und Petitionen dort landet, wo sie hingehört, nämlich im entsprechenden Ausschuss.

Ich möchte auf einige Petitionen eingehen, die mir persönlich ganz wichtig sind und in denen sich wieder einmal sehr stark zeigt, wo die Schwächen dieser Bundesregierung liegen. Ein Petitions- und Bürgerinitiativenbericht ist eigentlich nichts anderes als das Spiegelbild der Gesellschaft, in dem sich ausdrückt, wo die Bürgerinnen und Bürger die Schwächen dieser Bundesregierung sehen und eben deshalb gezwungen sind, Petitionen und Bürgerinitiativen einzubringen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eine der größten Schwachpunkte – ich denke, da erzähle ich Ihnen jetzt nichts Unbekanntes – ist selbstverständlich nach wie vor und immer noch die prekäre Situation des Bundesministeriums für Innovation, Technologie und Verkehr.

Sehr geehrte Damen und Herren! Was sich bei den ÖBB abspielt, das hätte nicht einmal ich mir vor zwei Jahren zu denken getraut, obwohl ich weiß, und zwar schon sehr lange weiß – ich fahre aus Trotz seit 9 Jahren mit den ÖBB –, wie sich die Situation bei den ÖBB in den letzten Jahren entwickelt hat. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Man muss schon auch dazu sagen, dass Frau Ministerin Forstinger es natürlich entsprechend gut "aufbereitet" und das Chaos bei den ÖBB noch größer gemacht hat, als es vorher schon war. (Beifall bei den Grünen.)

Jeder, der noch mit den ÖBB unterwegs ist, kann nur mehr unter dem Motto fahren: No risk, no fun! Wenn Sie denken, die ÖBB seien dazu da, den Bahnkunden Nerven zu sparen, dann sind Sie völlig falsch beraten. Vielmehr gilt: Wenn Sie noch zu viele Nerven haben, dann fahren Sie mit den ÖBB, denn dann schmeißen Sie die letzten auch noch weg.

Eine Petition richtete sich zum Beispiel gegen die geplante Schließung des Bahnhofs St. Valentin für den IC-Verkehr. Ich weiß nicht, wer es nicht weiß, und deshalb will ich es jetzt noch einmal sagen: Der Bahnhof St. Valentin wurde in den letzten drei Jahren mit enormem finanziellem Aufwand wirklich optimal umgebaut. Es gibt jetzt in St. Valentin nicht nur ein neues Bahnhofsgebäude, sondern es wurden auch alle Gleisanlagen, die Bahnsteige et cetera neu gemacht. St. Valentin ist ein großer Verkehrsknotenpunkt. Dann hat man plötzlich daran gedacht, dass man den Bahnhof St. Valentin, weil er jetzt so optimal ist, für den IC-Verkehr zusperren könnte. Da frage ich mich schon: Warum hat man den Bahnhof St. Valentin so optimal ausgebaut, wenn dort dann die Züge nur mehr vorbeifahren und man nicht mehr aussteigen kann? (Abg. Neudeck: Das ist so wie Zwentendorf!) Das ist wirklich eine Phantasielosigkeit und vor allem auch eine Steuergeldverschwendung wie es ärger nicht mehr geht. (Beifall bei den Grünen.)

Als ich davon Wind bekommen habe – ich muss dazu sagen, dass ich bei den ÖBB sehr gute InformantInnen habe –, bin ich natürlich sofort im Eiltempo zu Frau Ministerin Forstinger gefahren, gerollt und habe sie gefragt, was sie sich eigentlich dabei vorstellt, einen Bahnhof zu bauen und dann die Züge durchfahren zu lassen, sodass man keine Umsteigemöglichkeiten mehr hat.

Mir ist es dann auch gelungen, auch weil der Druck auf Grund einer Unterschriftenaktion der Steyrer Bevölkerung sehr groß war, dass der Bahnhof St. Valentin nicht für den IC-Verkehr gesperrt worden ist. Vorläufig – bis 2004 – dürfen wir in St. Valentin noch ein- und aussteigen. Was dann sein wird, wissen wir derzeit nicht. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass es dann noch eine Ministerin oder einen Minister geben wird, der daran denkt, den Bahnhof St. Valentin zuzusperren, denn das ist wirklich eine unbeschreibliche Dummheit, die sich ganz einfach selbst disqualifiziert.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 214

Dasselbe gilt auch für den Umbau des Bahnhofs in Steyr. Ich weiß nicht, wer den Bahnhof kennt, aber wer ihn nicht kennt und sich in die 50er-Jahre zurückversetzen möchte, der soll doch einfach nach Steyr auf den Bahnhof kommen. Dort erleben Sie die 50er-Jahre! Dort erleben Sie Einrichtungen, wie Sie sie nirgendwo mehr sehen. Man könnte sagen: Okay, es gibt auch noch viele andere Bahnhöfe, bei denen das ähnlich ist. Das stimmt natürlich. Allerdings hat es zu Beginn der neunziger Jahre einen Vertrag zwischen der Stadt Steyr und den ÖBB gegeben, dass der Verkehrsknotenpunkt auch für die Busse zum Bahnhof verlegt wird. Der Busbahnhof ist inzwischen super ausgebaut, während beim ÖBB-Bahnhof erst letzte Woche die Löcher vom Zweiten Weltkrieg – also wo damals hineingeschossen wurde – mit einer Kittmasse gefüllt und mit weißer Farbe übermalt wurden. Wie der Bahnhof ausschaut, das können Sie sich nicht vorstellen. Steyr wird sich wahrscheinlich überlegen müssen, ob man nicht den Bahnhof als Tourismusattraktion anbieten könnte, denn so einen Bahnhof müssen Sie gesehen haben. Ich meine, der hat eigentlich schon Altertumswert und nicht jenen Wert, den ein Bahnhof heute eigentlich haben sollte.

Ich könnte Ihnen noch einiges aufzählen, nicht nur von den ÖBB, sondern auch von den vielen Bürgerinitiativen und Petitionen, die eingebracht und ganz einfach nicht behandelt worden sind.

Ich denke – und darin sehe ich auch meine Verantwortung im Petitionsausschuss –, dass wir als Mitglieder des Petitionsausschusses verpflichtet sind, einerseits Stellungnahmen abzugeben und andererseits dafür zu sorgen, dass die Petitionen dann auch in den zuständigen Bereichsausschüssen landen. Das passiert aber nicht mehr, stattdessen gibt es das Wort "Abstandnahme" und das Wort "Kenntnisnahme". Das bedeutet: Die viele Arbeit, die sich die Bürgerinnen und Bürger gemacht haben, wird dann so bedankt, dass die Papiere schubladisiert werden und die Arbeit damit eigentlich umsonst war.

Das sollten die BürgerInnen wissen, und das müssen sie ganz einfach wissen, dass nämlich diese Bundesregierung an ihren Einbringungen null Interesse hat, dass diese Bundesregierung null Interesse daran hat, die Interessen der BürgerInnen zu vertreten, und dass diese Bundesregierung den Petitionsausschuss eigentlich nur mehr deshalb betreiben muss, weil wir es verlangen und weil er eben notwendig ist. Aber inhaltlich bringen Sie nichts ein. (Beifall bei den Grünen.) Ganz im Gegenteil: Sie blockieren, Sie verschieben, Sie nehmen Abstand et cetera.

Ich bin schon neugierig: Im Juni wird es im Petitionsausschuss ein Hearing zur Nicht-Ratifizierung der Biomedizinkonvention geben. Ich bin schon neugierig, ob sich dann diese Bundesregierung ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Kollegin Haidlmayr, die erste Redezeitbeschränkung war eine freiwillige. Jetzt ist aber auch die reguläre zu Ende. – Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne) (fortsetzend): Ich bin schon neugierig, ob sich diese Bundesregierung mit den Forderungen der EinbringerInnen bezüglich Nicht-Ratifizierung der Biomedizinkonvention auch so auseinander setzen wird, dass sie diese Forderungen ernst nimmt.

Ich wünsche mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, vom Petitionsausschuss, dass Bürgerinitiativen und Petitionen ernst genommen und behandelt werden und dass sie nicht nur Papier sind, das man irgendwann ablegt und dem man sich zweimal im Jahr widmet, um dann nur zu sagen: Es ist halt so gewesen! (Beifall bei den Grünen.)

21.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Wurm. – Bitte.

21.35

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Haidlmayr hat die Zustände im Petitionsausschuss, im Bürgerinitiativen- und Petitionsausschuss beklagt. Ich sage als Ausschuss-Vorsitzende: Der Petitionsausschuss hat in Wirklichkeit nur drei Möglichkeiten, nämlich Kenntnisnahme, Abstandnahme,


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 215

Zuweisung und die Einholung von Stellungnahmen, und das geschieht dann eben auch. (Abg. Mag. Schweitzer: Das waren jetzt aber vier!)

Wir haben drei Möglichkeiten plus Stellungnahmen. Die Stellungnahmen sind gesondert zu betrachten. Lesen Sie die Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter Schweitzer! In § 100 folgende ist es nachzulesen.

Wesentlich ist: Ich habe auch im Namen meiner Fraktion einen Antrag eingebracht, um die Möglichkeiten des Petitionsausschusses auch im Sinne der Volksanwaltschaft auszuweiten. Die Volksanwaltschaft hat zum Beispiel die Behandlung der Sonderberichte oder die Möglichkeit des Einbringens eigener Anträge vorgeschlagen. Das wäre meiner Meinung nach eine Aufwertung des Petitionsausschusses und täte vor allen Dingen den Anliegen der Bürger sehr gut. Beim nächsten Plenum wird die erste Lesung sein, sofern ich mich nicht irre, und ich hoffe, dass uns die Grünen da unterstützen werden, und ich hoffe auch, dass sich die Regierungsparteien das genau anschauen werden. Ich hoffe, dass wir auf einen gemeinsamen Nenner kommen können, damit die Anliegen der Bürger und Bürgerinnen entsprechend ernst genommen werden, so wie wir uns das als Volksvertreter auch alle wünschen.

Aus dem Bericht habe ich mir zwei Petitionen herausgesucht, die mir wichtig erscheinen, weil sie exemplarisch sind für Petitionen, Bürgerinitiativen, die in den letzten Monaten gehäuft bei uns eingelangt sind. So wird zum Beispiel in der Petition Nr. 31 die Sorge von über 3 000 Bürgern und Bürgerinnen darüber zum Ausdruck gebracht, dass 335 Arbeitsplätze im Bezirk Mistelbach gefährdet sind. Es wird angeführt, dass man davor Angst hat, dass zum Beispiel Bahnstrecken geschlossen werden, dass es zu Schließungen und zu Zusammenlegungen von Bezirksgerichten kommt, dass es zu Strukturmaßnahmen – sprich: Schließungen – im Bereich des Gendarmeriepostens kommen kann, dass die Postämter im Bezirk geschlossen werden sollen.

Das ist etwas, sehr geehrte Damen und Herren, was wir jetzt im Petitionsausschuss wirklich immer wieder von den Bürgern und Bürgerinnen in Petitionen eingebracht bekommen. Es herrscht große Sorge, vor allen Dingen unter der ländlichen Bevölkerung, dass es in Zukunft wichtige infrastrukturelle Einrichtungen nicht mehr geben wird: Polizeiwachzimmer, Postämter oder die Möglichkeit, von A nach B zu kommen, also die entsprechenden Verkehrslinien.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das wollen die Menschen nicht, sie wollen keine Absiedlung im ländlichen Raum. Da sollte phantasievoller gedacht und dürfte nicht einfach zugesperrt werden. Also es sollte nicht einfach mit dem Rasenmäher drübergegangen werden, nicht einfach strukturell unüberlegt gehandelt werden, sondern es müsste phantasievoller vorgegangen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Nächstes habe ich mir noch die Bürgerinitiative zum Thema "gemeinnütziger Wohnbau" angeschaut. Die Bundesregierung hat ja im Herbst 2000 einen Beschluss gefasst, der den gemeinnützigen Wohnbau gefährdet hat. Gott sei Dank haben die Länder dafür gesorgt, dass die Gemeinnützigkeit weiterhin bestehen bleibt. In Tirol war es nicht einfach, den Bürgermeister von Innsbruck davon zu überzeugen, dass die Neue Heimat weiterhin eine gemeinnützige Wohnbaugesellschaft bleiben soll. Das haben wir unter Federführung von Herbert Prock, Landeshauptmann-Stellvertreter, geschafft. Ich bin stolz darauf, vor allen Dingen deswegen, weil es den Mietern und Mieterinnen geholfen hat und sozialer Wohnraum wieder gesichert ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Problem ist allerdings, dass all das dort, wo der Bund entsprechende Möglichkeiten gehabt hätte, nämlich bei den BUWOG-Wohnungen, nicht geschehen ist. Die BUWOG-Wohnungen werden jetzt sozusagen wie Familiensilber verscherbelt. Dabei sind weit und breit noch nicht die 10 Milliarden Schilling in Sicht, die von Herrn Finanzminister Grasser veranschlagt wurden. Die Mieter sind seit über einem Jahr in Unsicherheit. Und was ist das Ergebnis? – Dass die Mieter bisher keine Eigentümer sind, nicht wissen, wer morgen Eigentümer der Wohnung sein wird, und in unsicheren Verhältnissen leben. Das ist nicht in Ordnung, das ist nicht gerecht, und daher muss das wirklich repariert werden. (Zwischenruf des Abg. Neudeck. )  – Jawohl, Herr Neu


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 216

deck, Sie wissen, wovon ich rede! Kollege Pech ist auch nicht der ideale Aufsichtsratsvorsitzende.

Die Zeit drängt. Ich sehe, dass Sie auch schon müde und nicht mehr so aufmerksam sind. Daher möchte ich jetzt schließen. Aber ich hoffe trotz allem, dass Sie, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien, und Sie von den Grünen das wahr machen, was auch Sie immer wieder gefordert haben, dass nämlich der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen mehr Rechte bekommt. Dazu wird in den nächsten Monaten Gelegenheit sein, indem Sie unserem Antrag zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich war so aufmerksam, dass ich 5 Minuten und 31 Sekunden Redezeit registriert habe.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kurzmann. – Bitte.

21.42

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal festhalten, dass sich der Petitionsausschuss sehr korrekt an die Geschäftsordnung hält. Dass das die OppositionspolitikerInnen, wie wir gehört haben, nicht immer freut, ist richtig. Aber als wir in Opposition waren, haben wir auch mit dieser Geschäftsordnung leben müssen. (Abg. Neudeck: Wir haben sie besser ausgenützt!)

Ich werde mich nur auf einige Bemerkungen zur Bürgerinitiative 22 beschränken. Diese trägt den Titel: "Damit Österreich in militärische Konflikte nicht hineingezogen wird ...". – Diese Bürgerinitiative fordert, dass das Neutralitätsgesetz als dauernde Grundlage der Mitwirkung Österreichs an der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union festgelegt wird.

Das Neutralitätsgesetz stammt, wie Sie wissen, aus dem Jahre 1955. Zu diesem Zeitpunkt war es durchaus wichtig und auch historisch bedeutend, es hat aber nach den großen Umwälzungen vor allem in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts deutlich an Bedeutung verloren. Die immerwährende Neutralität ist heute weitgehend überlebt, denn in Europa entwickeln sich völlig neue Sicherheitsstrukturen.

Den Beginn für die Teilnahme an diesen neuen Strukturen hat schon die vergangene Regierung gesetzt, als sie nämlich die so genannten Petersberger Aufgaben beschlossen hat. An diesen neuen Entwicklungen muss sich die österreichische Sicherheitspolitik auch in Zukunft orientieren, und deshalb haben wir – und damit bin ich bei einer Kritik der Abgeordneten Haidlmayr – im Ausschuss betreffend diesen Tagesordnungspunkt mehrheitlich die Abstandnahme beschlossen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte.

21.44

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Sammelbericht liegt vor, und ich glaube, man muss sagen, dass der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen trotz aller negativen Aussagen seitens der Opposition doch ein direkter Draht der Bürger ist, mit dessen Hilfe sie an den Nationalrat herantreten können. Ihre Anliegen werden ernst genommen, und jede Petition und jede Bürgerinitiative wird ausführlich diskutiert.

Frau Kollegin Haidlmayr! Sie haben zum Beispiel die Petition betreffend den IC-Verkehr beziehungsweise den Bahnhof St. Valentin genannt. Diese Petition ist abgelehnt worden. Sie wissen aber sehr wohl, was in der Stellungnahme steht, nämlich: "Für die nächsten Jahre einschließlich Fahrplan 2004/2005 bestehen derzeit keine Pläne, eine Änderung der Haltepolitik bei den Zügen auf der Westbahn vorzunehmen. Das bedeutet konkret, dass die IC-Züge weiterhin in St. Valentin und Amstetten halten können." – Ich denke, man muss zugestehen, dass, wenn es


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 217

eine solche Antwort gibt, das auch eine Beantwortung der Anliegen der Bürger ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )

Da ich selbst aus einem Bundesland bin, weiß ich, was es heißt, heute noch nach Hause zu fahren. Daher möchte ich nur noch zwei kurze Punkte erwähnen.

Selbstverständlich fließen die Anliegen, die in den Petitionen enthalten sind, in die Gesetzgebung ein. Sie wissen, dass die Petitionen den Ausschüssen zugewiesen werden. Es gibt natürlich auch Petitionen, welche die Anliegen der Bundesregierung unterstützen und unterstreichen. Ich möchte nur zwei davon erwähnen.

Eine ist zum Beispiel die Petition von Steyr betreffend die Altersteilzeit. Heute in der Dringlichen haben Sie selbst entsprechende Anfragen an den Bundeskanzler gestellt und seine Antwort bekommen. Die Altersteilzeit wurde von dieser Bundesregierung eingeführt, und der Betriebsrat von BMW hat gesagt, dass das eine sehr gute Sache ist, die bleiben sollte. Das muss man auch dazu sagen.

Außerdem gibt es eine Petition zur Abfertigung neu, von der auch gesagt wird, dass das ein sehr gutes Modell ist. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. ) Diese Petition wird natürlich bei der Behandlung im Sozialausschuss sehr wohl eine Rolle spielen und in die Gesetzgebung einfließen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Schluss: Wir bemühen uns wirklich sehr, uns vor allem mit heiklen Themen auseinander zu setzen. Sie wissen, dass wir am 11. Juni ein Hearing zu der sehr sensiblen Frage der Konvention Bioethik des Europarates haben. 11 000 Menschen haben diesbezüglich Ängste und sagen, dass wir das nicht ratifizieren sollen. – Wir sagen: Setzen wir uns zusammen! Die Einbringer und hochrangige Experten sollen dieses Thema ausführlich diskutieren, damit wir gemeinsam eine Lösung finden. Das ist für uns der Ansatz, wie wir mit den Anliegen der Bürger umgehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wimmer. – Bitte.

21.47

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Geschätzte Kollegin Gatterer, mit dem Ernstnehmen ist das so eine Sache: Oftmals ist die Sichtweise der Regierungsfraktionen eben eine andere als die der Opposition.

Lassen Sie mich nun zur Petition 33, die Sie angesprochen haben, ebenfalls ein paar Sätze sagen: Die Altersteilzeit-Regelung wurde tatsächlich vielfach in Anspruch genommen; sie wurde mehr in Anspruch genommen, als das prognostiziert und angenommen wurde. Im Oktober des vergangenen Jahres wurde in einer Petitionsausschusssitzung gerade dieser Punkt behandelt. Diese Petition wurde dem Sozialausschuss zugewiesen. Allerdings, Frau Kollegin Gatterer, hat sich bis heute noch nichts getan. Darum wäre es notwendig, dass dieser Punkt bei der nächsten Sitzung des Sozialausschusses auf die Tagesordnung gesetzt wird, damit er zu Ende geführt werden kann.

Sie haben auch die Abfertigung neu angesprochen. Sie wird hoffentlich durch die Regierungsvorlage hinfällig werden. Ich möchte aber erwähnen, dass ich doch ein bisschen stolz darauf bin, dass gerade unsere ÖGB-Verhandler und allen voran unser Präsident Verzetnitsch in den Sozialpartnerverhandlungen überzeugend wirken und sich durchsetzen konnten. Unser Credo in dieser Frage war immer: Abfertigung muss Abfertigung bleiben! (Beifall bei der SPÖ.) Und wie es jetzt ausschaut, wird es tatsächlich dazu kommen.

Meine Damen und Herren! Nun ein kurzer Kritikpunkt. Im Zusammenhang mit der Petition 21, in der es um die Handelsangestellten geht, möchte ich ein bisschen beleuchten, wie man manchmal mit solchen Petitionen umgeht. – Dieser Punkt wurde drei oder gar vier Mal von der Tagesordnung abgesetzt, weil eine Stellungnahme des Familienbundes der Freiheitlichen Partei fehlt.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 218

Meine Damen und Herren! Das ist ein gewisser Affront dem Ausschuss gegenüber beziehungsweise eine Missachtung des Ausschusses!

Es hat insgesamt acht Urgenzen gegeben, die Stellungnahme nachzureichen, sie blieben jedoch ohne Erfolg. – Das ist eine Verzögerungstaktik, die unwürdig ist. Meine Damen und Herren! Die 300 000 Menschen, die im Handel beschäftigt sind, wollen eine Antwort. Daher bitte ich Sie und fordere Sie auf, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen: Kneifen Sie nicht, drücken Sie sich nicht vor der Verantwortung! Das haben sich die Handelsangestellten nicht verdient! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reindl. – Bitte.

21.50

Abgeordneter Hermann Reindl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich befasse mich mit der Petition Nr. 31 des Sammelberichtes, überreicht vom SPÖ-Abgeordneten, Noch-ÖGB-Präsidenten und Penthouse-Bewohner Friedrich Verzetnitsch. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Dietachmayr: Solche Bemerkungen sind so etwas von primitiv! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Dietachmayr! Diese Petition ist deswegen interessant, weil vom ÖGB-Bezirksausschuss Mistelbach unter anderem gefordert wird, dass es keine Schließungen beziehungsweise Zusammenlegungen von Bezirksgerichten geben soll. Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Es war der SPÖ-Abgeordnete Dr. Günther Kräuter, der seit Anfang der neunziger Jahre hier in diesem Hohen Haus immer wieder für die Schließung von kleinen Bezirksgerichten eingetreten ist! (Zwischenrufe und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Jetzt zieht derselbe Abgeordnete Kräuter durch die Lande und versucht, der Bevölkerung weiszumachen, wie nachteilig und wie schlecht es doch ist, wenn einige Kleinstgerichte mit anderen Gerichten zusammengelegt werden. Er sagt aber nicht dazu, dass es unter sozialdemokratischen Justizministern ebenfalls zu Zusammenlegungen von Gerichten gekommen ist! (Abg. Gradwohl: Wann und wo, Herr Kollege?) Meine Damen und Herren! Die Bevölkerung hat dieses Spiel der SPÖ längst durchschaut! Die Sozialdemokratie ist längst völlig unglaubwürdig geworden!

Ebenso durchsichtig ist die Petition betreffend Strukturmaßnahmen im Bereich der Gendarmerieposten. Als Sie von der SPÖ noch in Regierungsverantwortung waren, haben sozialdemokratische Innenminister – Sie haben 30 Jahre durchgehend den Innenminister gestellt – einen Gendarmerieposten nach dem anderen zugesperrt und rund 1 500 Planstellen eingespart. Jetzt, da sie in der Opposition sind, stellen die gleichen Sozialdemokraten den Antrag auf 1 000 zusätzliche Planstellen für die Sicherheitsexekutive. Das ist wirklich interessant! (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Zirka drei Monate, nachdem Sie vom Wähler und von der Wählerin auf die Oppositionsbank verbannt worden sind, haben Sie diesen Antrag gestellt. Hohes Haus! Die Sozialdemokraten wissen anscheinend wirklich nicht, was Sie wollen.

Typisch ist auch das Verhalten der Sozialdemokraten bei der Schließung von Postämtern. 1996 haben sie die Ausgliederung der Post beschlossen. Als Rucksack haben sie der Post noch rund 100 Milliarden Schilling Schulden mitgegeben. Wir Freiheitlichen haben damals vor den Folgen gewarnt. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer. ) Meine Damen und Herren! Und was machen die Sozialdemokraten jetzt? – Jetzt wollen sie Einfluss nehmen! Jetzt gibt es Petitionen und Bürgerinitiativen gegen die Schließung von Postämtern. Das wird sich die Post Aktiengesellschaft aber nicht gefallen lassen!

Hohes Haus! Wie wichtig der SPÖ ihre eigenen Petitionen sind und wie ernst sie von Ihnen selbst genommen werden, beweist folgende Tatsache: Bei der entsprechenden Ausschusssitzung am 3. April dieses Jahres waren von den sieben SPÖ-Mitgliedern lediglich kümmerliche vier anwesend. Meine Damen und Herren von der Opposition! Ihre Methode, die Bevölkerung


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 219

zu verunsichern, im Parlament aber nicht einmal anwesend zu sein, wenn es um die Sache geht, wird auf die Dauer nicht geeignet sein, um bei den Wählerinnen und Wählern zu punkten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer: Sei wie dein Name: Kurz!)

21.54

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte mich in meinem Debattenbeitrag mit der Petition Nr. 29 befassen. Die Petition Nr. 29 wendet sich gegen die Schließung der Nebenbahnen im Bezirk Gänserndorf.

Auch ich habe den Eindruck oder das Gefühl, dass gerade von Seiten der SPÖ versucht wird, in diesem Bereich eine Verunsicherung in die Bevölkerung zu tragen. In dieser Petition geht es konkret um die Einstellung der Nebenbahn Zistersdorf–Drösing. Sie wurde vor zirka einem Jahr, am 9. Juni 2001, eingestellt. In dieser Petition wird dann eine ganze Reihe von negativen Dingen aufgezählt: dass kein Ersatzverkehr eingesetzt wurde, dass es Probleme beim Schülertransport und lange Wartezeiten gibt et cetera. Es werden also lauter Negativbeispiele angeführt.

Wir haben diese Petition wie jede Petition in der Ausschusssitzung vom 10. Oktober 2001 behandelt und haben dort einvernehmlich festgelegt, dass Stellungnahmen beim Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und auch beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung eingeholt werden.

Geschätzte Damen und Herren! Interessanterweise wurde laut Stellungnahme der Niederösterreichischen Landesregierung die NÖVOG beauftragt, für jene Strecken, wo der Personenverkehr eingestellt wird, ein Busnachfolgekonzept auszuarbeiten. Dieses Konzept wurde letztlich in Absprache mit den betroffenen Gemeinden erstellt und mittlerweile auch umgesetzt. Im Rahmen dieses Busersatzverkehrs erfolgt auch die Schülerbeförderung, wobei der Fahrplan selbstverständlich mit den Schulen abgestimmt wurde. Geschätzte Damen und Herren! Es hat sich mittlerweile alles in Wohlgefallen aufgelöst: Der Busersatzverkehr Drösing–Zistersdorf wurde eingeführt.

Abschließend noch eine Bemerkung: Geschätzte Damen und Herren! Auf jenen Nebenbahnstrecken, auf denen der Personenverkehr eingestellt wurde, wird der Bedarf mit Bussen abgedeckt. Das ist der Stellungnahme der Niederösterreichischen Landesregierung eindeutig zu entnehmen.

Auf jenen Strecken – und das ist jetzt besonders wichtig –, hinsichtlich welcher das Land Niederösterreich, aber auch die ÖBB meinen, dass sie für den Tourismus interessant sind, gibt es außerdem einige Projekte, bei denen beispielsweise an den Wochenenden Nostalgiezüge eingesetzt werden. Somit werden Synergien für Gemeinden und für die Region erzielt, wie beispielsweise mit der Mariazeller Bahn. Dank der Beharrlichkeit der Gemeinden des Pielachtales und des Tourismusverbandes Pielachtal kann man aus derzeitiger Sicht sagen, die Mariazeller Bahn ist gesichert, und das ist letztlich wichtig für die Zukunft des ländlichen Raumes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Rada zu Wort. – Bitte.

21.57

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich freue mich darüber, dass Herr Abgeordneter Kurzbauer sich so intensiv mit der Nebenbahn Drösing–Zistersdorf beschäftigt. Er hat im Übrigen genau das gesagt, was ich erwartet habe, und ich danke dafür. Die Niederösterreichische Landesregierung


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 220

und insbesondere der Landeshauptmann interessieren sich nämlich für die Mariazeller Bahn. Was hingegen irgendwo im Weinviertel passiert, ist offensichtlich nicht so ganz wesentlich.

Herr Abgeordneter Kurzbauer! Wir haben diese Petition aus berechtigten Gründen mit eingebracht, weil eben der Autobusersatzverkehr überhaupt nicht funktioniert hat! Das Ganze war von der NÖVOG nicht vorbereitet, nicht koordiniert, und die Schülerinnen und Schüler hatten schon am ersten Schultag keine Sitzplätze in den Autobussen, weil diese viel zu klein waren. – Soviel zur Nebenbahn Drösing–Zistersdorf, die eingestellt wurde.

Nun auch noch zu anderen Beiträgen meiner Vorredner. – Petitionen sind in einer Demokratie eigentlich das letzte Mittel, mit dem sich unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger an uns Abgeordnete wenden, worauf wir dann für sie eintreten. Ich halte es für positiv, dass dieser Punkt im Rahmen der heutigen Tagesordnung zur Diskussion gelangt, nicht gleich enderledigt und mit der Mehrheit, die im Ausschuss herrscht, wegdiskutiert beziehungsweise "wegbeschlossen" wurde.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich bin zwar grundsätzlich für Wirtschaftlichkeit im Verkehrsbereich, es muss aber nach wie vor im öffentlichen Interesse, im Interesse der Bundesregierung und im Interesse des Hohen Hauses liegen, dass öffentlicher Verkehr auch von der Öffentlichkeit getragen wird. Wenn wir immer nur davon ausgehen, was Gewinn bringt, dann werden wir sehr viele Nebenbahnen einstellen müssen und dann können wir auch die Mariazeller Bahn einstellen, denn auch diese wird nie Gewinn bringen, ebenso wenig wie die Bahn von Drösing nach Zistersdorf.

Wenn wir uns etwa gerade die Region Weinviertel ansehen, die ja – unser hoch geschätzter Herr Landeshauptmann wurde mehrmals zitiert – sowohl im Verkehrskonzept wie in anderen Bereichen völlig vergessen wird, möchte ich festhalten: Es stellt mit öffentlichen Verkehrsmitteln geradezu eine Weltreise dar, aus dem Südosten des Bezirkes kommend in die Bezirkshauptstadt zu gelangen. Gleichzeitig wird von der derzeitigen Regierungsmannschaft die Philosophie vertreten: Zusperren, ausverkaufen, privatisieren! – So wird das mit Sicherheit nicht gehen können!

Die Nebenbahnen und die ÖBB sind ein weiteres Beispiel dieser Politik – neben dem gleichzeitigen Ausverkauf von Austria Tabak, Flughafen, Bundesforsten et cetera. Was wird den Menschen in dieser Region übrig bleiben? – Das möchte ich den Vertretern dieser Region, die hier in diesem Hohen Haus sitzen, sehr klar und deutlich sagen: Es wird zur Absiedelung kommen! Außerdem wird der Individualverkehr dieses Land mit der EU-Erweiterung völlig überschwemmen. Bereits jetzt fahren viele Bahnen nicht mehr. Und Zuckerrübenbomber gibt es nur mehr in Form von LKW-Transporten.

Welche Auswege gibt es, wenn wir den öffentlichen Verkehr nicht ausbauen? Dann bauen wir Straßen. Straßen wollen wir aber auch nicht mehr. Was wollen wir dann? – Diese vielleicht einfach in ein Naturterritorium umwandeln, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Regierungsfraktion, die aus dieser Region kommen? – Wir werden unseren Wählerinnen und Wählern jedenfalls sehr klar und deutlich sagen, was alles in dieser Region nicht investiert wird und was an Wirtschaftlichkeit nicht geschieht! (Beifall bei der SPÖ.)

22.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

22.02

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Im Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen geht es bei Nr. 34 um das Thema Abfertigung neu. Heute wurde bereits vieles zu diesem Thema mitgeteilt. Es sei mir erlaubt, kurz auf diese Petition einzugehen.

Die Abfertigung neu ist eine sozial- und wirtschaftspolitische Errungenschaft. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren davon. Gerade unseren kleinen und mittleren Unternehmen kommt dieses neue Modell entgegen. Es ist berechenbar, gerechter und vor allem flexibler.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 221

Mein Dank gilt daher allen Experten und Verhandlern, aber auch den Sozialpartnern für die konstruktive Mitarbeit, die dieses Modell ermöglicht hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die in der Petition aufgestellte Forderung nach einer sofortigen Beitragszahlung ab Beginn der Beschäftigung wird erfüllt. Bereits nach einem Monat hat der Arbeitnehmer einen Abfertigungsanspruch. Die uneingeschränkte Abfertigung auch bei Selbstkündigung ist nicht möglich, wohl aber können bei Selbstkündigungen die angesparten Beiträge quasi im Rucksack mitgenommen werden. Es wird zu keiner Zwangsumwandlung in eine Pension kommen, vielmehr gibt es eine Wahlmöglichkeit zwischen Sofortauszahlung mit 6 Prozent Besteuerung oder einer Pension ohne Besteuerung. (Abg. Mag. Schweitzer: Das wissen wir eh!)

Mit der Abfertigung neu werden unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht abgefertigt, sondern es gibt eine sinnvolle Vorsorge. Unser nächstes Ziel ist es, für Selbständige, Bauern, aber auch Hausfrauen ein attraktives Eigenvorsorgemodell auszuarbeiten und zu fixieren. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

22.03

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Im Vorjahr, im Jahr der Freiwilligen der Vereinten Nationen, habe ich eine Petition eingebracht, die auch von einer Vielzahl von hochrangigen Vertretern der Freiwilligen Feuerwehren unterstützt worden ist. Ziel dieser Petition ist es, dass den Freiwilligen Feuerwehren beim Ankauf neuer Gerätschaften die Mehrwertsteuer zurückerstattet wird. Ich glaube, wir sind uns einig, dass die Anforderungen an die Freiwilligen Feuerwehren ständig steigen. Jeder Einsatz erfordert eine logistische und technische Meisterleistung, und für diesen Zweck müssen die notwendigen Einrichtungen geschaffen und auch erhalten werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nicht dem Wandel der Zeit unterworfen ist der Idealismus der Feuerwehrleute, die zu jeder Stunde bereit sind, zu retten, zu bergen und auch zu helfen. Die trockenen Zahlen der Statistik weisen sehr gut darauf hin, wie groß die Einsatzbereitschaft dieser freiwilligen Helfer war und ist: Insgesamt rückten die rund 5 000 österreichischen Feuerwehren im letzten Jahr zu etwa 200 000 Einsätzen aus, oder anders ausgedrückt: Alle zweieinhalb Minuten mussten Menschen gerettet, Tiere oder Sachgüter geborgen oder Brände gelöscht werden. Es handelte sich um rund 45 000 Brandeinsätze, weitere 30 000 Einsätze mussten die Feuerwehren bei Unfällen im Straßenverkehr absolvieren. Dabei wurden nicht weniger als 3 000 Personen geborgen.

Für all diese Einsätze sind erhebliche Geldmittel für die Beschaffung der Einsatzfahrzeuge und Geräte, aber auch für deren Wartung und Betrieb nötig. Ohne zeitgemäße Ausrüstung ist eine rasche und vor allem effiziente Hilfeleistung gerade in Situationen, in denen es um Leben und Tod geht, einfach nicht möglich. Bitte bedenken Sie: Allein die Anschaffung eines Tanklöschfahrzeuges, wie es zum Beispiel die niederösterreichische Feuerwehr-Mindestausrüstungsverordnung, ein Landesgesetz, bereits für Feuerwehren in kleinen Gemeinden mit mehr als 300 Häusern vorschreibt, kostet etwa 300 000 €, davon entfallen etwa 49 000 € auf die Mehrwertsteuer.

Allen Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehren sind die Schwierigkeiten bei der Finanzierung von neuen Gerätschaften, technischen Einrichtungen und Gebäuden nur zu gut bewusst. Über die Einsätze der freiwilligen Helfer hinaus werden viele gemeinsame Anstrengungen unternommen – Veranstaltungen wie Sommerfeste, Heurige, Bälle, Spendensammlungen in den Gemeinden und dergleichen –, um das notwendige Geld aufzutreiben.

Die der Feuerwehr aus dem Aufkommen der Feuerschutzsteuer und des Katastrophenfonds zur Verfügung stehenden Mittel reichen – auch das ist bekannt – schon seit Jahren nicht mehr aus, um beispielsweise die aus dem Einsatzspektrum Verkehrsunfall entstehenden finanziellen Belastungen der Feuerwehren auch nur annähernd abzudecken. Umso absurder muss es jedem


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 222

Einzelnen erscheinen, wenn jeder sechste Euro, der eingenommen wird, dem Finanzminister gleich wieder als Mehrwertsteuer abgeliefert werden muss.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Rettungsorganisationen erhalten im Gegensatz dazu gemäß dem Gesundheits- und Sozialbereichsbeihilfengesetz aus dem Jahr 1996 Beihilfen im Ausmaß der nichtabzugsfähigen Vorsteuer. Ich möchte betonen: Das ist auch gut so. Eine ähnliche Regelung sollte aber auch für die Finanzierung der Infrastruktur der Feuerwehren getroffen werden!

Sehr geehrte Damen und Herren! Statt Kampfflugzeuge anzuschaffen, könnte man Geräte für die Feuerwehr ankaufen. Diese Geräte retten nämlich Menschenleben, statt Menschenleben zu vernichten! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Bund muss hier zu seiner Verantwortung stehen. Man kann die Freiwilligen Feuerwehren und auch die Gemeinden bei der Finanzierung der notwendigen Einrichtungen nicht einfach im Regen stehen lassen. Es gilt jetzt, ein konkretes, in den Kassen der Feuerwehren sichtbares Zeichen zu setzen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Khol.  – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Es genügt nämlich nicht, Herr Klubobmann Dr. Khol, nur in Sonntagsreden, wie Sie dies sehr gut beherrschen, auf den Stellenwert der Freiwilligen Feuerwehren hinzuweisen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte. (Abg. Dr. Khol  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dipl.-Ing. Kummerer  –: Bitte in freier Rede – und nicht vorlesen wie der Vorredner!)

22.09

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bin durchaus in der Lage, auch frei zu reden, sehr geehrter Herr Khol!

Ein bisschen Geduld müsst ihr jetzt schon noch haben! Es geht nämlich um die Probleme einer Region, die eine der ärmsten Österreichs wurde: Es geht um das Weinviertel. Die Bezirke Mistelbach, Hollabrunn, Korneuburg und Gänserndorf liegen im Ranking Niederösterreichs an letzter Stelle. Daher war es mehr als berechtigt, dass sich der Österreichische Gewerkschaftsbund, Herr Kollege Reindl, dieses Problems angenommen hat. Die dortige Bevölkerung, die Menschen, die dort wohnen, haben Sorge, was mit ihnen geschehen wird. Der Gewerkschaftsbund hat das Thema dankenswerterweise aktualisiert. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )

Es geht um mehrere Punkte. Betreffend die Finanzämter wurden Stellungnahmen eingeholt. Gestern, meine Damen und Herren, haben Sie die Aufrechterhaltung der Finanzämter niedergestimmt. Sie sind diesem Entschließungsantrag nicht beigetreten.

Wie sieht es laut Stellungnahme des Finanzministers in Mistelbach aus? – Es wird reduziert, es gibt keinen Chef mehr. Einen Chef für drei Finanzämter! Das spielt vielleicht keine Rolle, die hohen Beamten sind mehr Ihre Klientel. Aber wie sieht es aus? – Da geht es um einen Achter-Posten, einen Ministerialratsposten. Im gesamten Bezirk Mistelbach gibt es zwei Stück dieser Posten, und keinen besseren. Einen rationalisieren Sie dort weg, also 50 Prozent. Die Abteilungen werden folgen.

Meine Damen und Herren! Es geht nicht nur um das Finanzamt, es geht auch um die Bahn. Ein Vertrag wurde 1999 von Landeshauptmann Pröll unterschrieben. Drei freiheitliche Verkehrsminister waren notwendig, bis überhaupt eine Übertragungsverordnung erteilt wurde, um die Mittel freizugeben. Das bedeutet wegen Ihrer Untätigkeit ein Nachhinken gegenüber dem Bauzeitenplan von drei Jahren, die nicht aufzuholen sind.

Meine Damen und Herren! Zu den Bezirksgerichten. Wenn man sich die Stellungnahme des Justizministers zu den Bezirksgerichten anschaut, dann glaubt man, er war noch nie in dieser Region. (Ruf bei den Freiheitlichen: Vor zwei Wochen!) Mit einer Reform im Einzelfall verbunde


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 223

ne, geringfügig größere Anfahrtswege sind zumutbar, weil einerseits das Netz der Verkehrsinfrastruktur sowohl im Individual- als auch im öffentlichen Verkehr bestens ausgebaut ist, sagt Justizminister Böhmdorfer – der Scherz des heutigen Tages, mein Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Gendarmerieposten. Herr Kollege, was ist passiert? – Zwei Gendarmerieposten hat Strasser geschlossen: einen in einer roten Gemeinde, einen in einer schwarzen Gemeinde. Mehr war nicht möglich, denn mehr Gendarmerieposten in roten Gemeinden gibt es nicht, daher war dort das Limit. Und übermorgen wird sich der Herr Innenminister hinstellen und den Grenzüberwachungsposten eröffnen. Er wird schöne Reden halten zu einem Werk, das Karl Schlögl geschaffen hat, Herr Reindl!

Meine Damen und Herren! Zum Abschluss weise ich auf die Schließung der Postämter im Weinviertel hin, auf diesen Kahlschlag, den Sie zu verantworten haben! (Der Redner stellt eine Landkarte von Niederösterreich, auf der viele rote Kreuze eingetragen sind, vor dem Rednerpult auf.) Bitte, Herr Kollege aus Rabensburg, diesen Kahlschlag haben Sie zu verantworten! 75 Postämter – warum konnten sie geschlossen werden? Durch eine Verordnung, die Ihre "Stöckelschuh-Ministerin" erlassen hat, meine Damen und Herren! (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Nur durch diese Universal-Dienstverordnung ist dieses Bild des Weinviertels möglich! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir hoffen für das Weinviertel, für unsere Region, dass wir bald zu einer Wende der Wende kommen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

22.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Horn. Er hat das Wort.

22.13

Abgeordneter Josef Horn (SPÖ): Werter Herr Präsident! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es ist schön, die Wertigkeit zu sehen, die Sie dem Bericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen entgegenbringen. Bürgerinitiativen und Petitionen sind eine Form der direkten Demokratie, die von BürgerInnen wahrgenommen werden, wenn sie Unrecht erkennen, Unrecht abstellen wollen oder Vorschläge an die Regierung oder den Nationalrat richten wollen. (Abg. Dr. Khol: Wollen Sie uns belehren?)

Herr Khol! Warten Sie, es dauert nicht sehr lange. (Abg. Dr. Khol: Das wissen wir schon seit vielen Jahren!) Es ist ja wichtig, dass Sie jetzt auch den Mund aufmachen, Herr Khol, aber ich bin am Wort. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Da brauchen wir Sie nicht dazu!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr den Antrag des Genossen Heinzl ganz kurz anspreche. Das ist ein Thema, das viele Feuerwehren betrifft, nicht nur in Niederösterreich, sondern auch in allen anderen Bundesländern Österreichs. Wie man einer Stellungnahme des Finanzministeriums entnehmen kann, ist das auf Grund einer EU-Regelung nicht möglich. Das heißt, es wäre schön, wenn dieser Bericht oder diese Petition jetzt im Finanzausschuss behandelt werden würde, dass man mit dem Ergebnis dann an die EU-Gesetzgebung herantreten und diese Regelung EU-weit schaffen kann. Auch in den anderen Ländern der EU gibt es Feuerwehren und Rettungseinrichtungen, die von diesem Vorteil profitieren könnten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin aber auch Betriebsrat. Daher hat mir die Petition des Betriebsrates von Steyr-BMW zu den Themen Altersteilzeit und Abfertigung neu besonders imponiert. Das Thema Altersteilzeit wird sicherlich bald einer Lösung zuzuführen sein. Viele Leute haben dieses Angebot angenommen, und es wird befürchtet, dass mit Ende 2003, wenn nicht rechtzeitig eine Verlängerung passiert, in diesem Bereich Unsicherheit auftreten wird.

Das Thema Abfertigung neu wurde von den Betriebsratskollegen in Steyr wohlweislich schon zu einer Zeit in eine Petition eingearbeitet, als dieses Thema zwischen Sozialpartnern, Wirtschaft und Regierung noch nicht so weit verhandelt war. Heute kann man sagen, dieses Werk ist in der Enderledigung. Mit Stolz können sich die Betriebsräte aus Steyr irgendwann hinstellen


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
104. Sitzung / Seite 224

und sagen: Wir haben die Idee gehabt, wir haben das eingebracht, und es ist in der Form, in der wir es uns gewünscht haben, auch erledigt worden. (Abg. Ing. Westenthaler: Dank dieser Regierung!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wünsche allen Petitionen und Bürgerinitiativen, die in Zukunft in dieses Haus kommen, einen ähnlichen Erfolg wie der Abfertigung neu. (Abg. Ing. Westenthaler: Dank dieser Regierung!)  – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Daher schließe ich die Debatte.

Von Seiten der Berichterstattung wird kein Schlusswort gewünscht.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, seinen Sammelbericht in 1075 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Kenntnisnahme eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass die Beschlussfassung mit Stimmenmehrheit erfolgt.

Die Tagesordnung dieser Sitzung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Anträge 689/A (E) bis 697/A (E) eingebracht wurden sowie die Anfragen 3933/J bis 3959/J eingelangt sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für heute, 22.16 Uhr, also in unmittelbarem Anschluss an diese Sitzung, ein.

Die 104. Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 22.16 Uhr