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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

915. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 3. Dezember 2020

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

915. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 3. Dezember 2020

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 3. Dezember 2020: 9.04 – 20.55 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl von Schriftführer/innen und Ordner/innen für den Rest des 2. Halbjahres 2020

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bun­deszuschusses und sonstiger Förderungen aus Anlass der 100. Wiederkehr des Jah­restages der Volksabstimmung in Kärnten (Abstimmungsspendegesetz 2020), ein Bun­desgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Ver­mögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jah­re 2021 bis 2024, ein Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Be­kämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermö­gen erteilt werden, ein Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumen­teninformation im Jahr 2021 und ein Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz Armut) erlassen sowie das Gebührenanspruchsge­setz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungs­fonds, das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz, das Buchhaltungsagenturgesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, das Finanz­ausgleichgesetz 2017, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Arbeitsmarktpoli­tik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwet­terentschädigungsgesetz 1957, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Allgemeine Sozialversi­cherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversi­cherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsge­setz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz, das Covid-19-Zweckzuschussgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Uni­versitätsgesetz 2002, das Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz, das Bundesmu­seen-Gesetz 2002 und das Luftfahrtgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2021)

3. Punkt: Bundesgesetz über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers und über die Verfü­gung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager (COVID-19-Lagergesetz-CO-LgG)


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 2

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Ar­beitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bun­desministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bun­desministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie genehmigt wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (39. KFG-Novelle)

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz und das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert werden

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveranstaltungsausfall-Härtefonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz) geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sanierung des Parla­mentsgebäudes (Parlamentsgebäudesanierungsgesetz, PGSG) geändert wird

15. Punkt: Wahl von Ausschüssen

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl von Mitglie­dern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates ............................................................................... 33

Angelobung der BundesrätInnen MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Wolf­gang Beer, Elisabeth Grimling, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Mag. Harald Himmer, Dr. Johannes Hübner, MMag. Elisabeth Kittl, BA, Stefan Schennach, Marco Schreuder, Korinna Schumann und Elisabeth Wolff, MAS ..............................................................................................................  11, 29

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz betreffend Nominierung eines stellvertretenden Mitglieds in den Ausschuss der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz             ............................................................................................................................... 35

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen, dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zur Bericht­erstattung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 be­treffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Verbraucherbehörden-Kooperationsge­setz, das Telekommunikationsgesetz 2003 und das Wettbewerbsgesetz geändert


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 3

werden“, gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 5. Dezember 2020 zu setzen – Ablehnung    44, 193

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen, dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zur Berichter­stattung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden“, gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 5. Dezember 2020 zu setzen – Ablehnung ...........................................................  44, 193

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen, dem Wirtschaftsausschuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998, das Ziviltechnikergesetz 2019 und das Arbeiter­kammergesetz 1992 geändert werden“, gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 5. Dezember 2020 zu setzen – Ablehnung ........................  45, 193

1. Punkt: Wahl von Schriftführer/innen und Ordner/innen für den Rest des 2. Halb­jahres 2020 ............................................................................................................................... 45

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................... 75

Unterbrechung der Sitzung .................................................................................  75, 125

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Ordnungsruf .................................................................................................................. 174

Aktuelle Stunde (81.)

Thema: „Gemeinsam aus der Krise: Aus Verantwortung für Arbeitsplätze und Unternehmen“    ............................................................................................................................... 11

RednerInnen:

Elisabeth Mattersberger .............................................................................................. 12

Dominik Reisinger ........................................................................................................ 14

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 16

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................................................ 18

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA .............................................................. 20

Otto Auer ....................................................................................................................... 23

David Egger .................................................................................................................. 24

Josef Ofner .................................................................................................................... 26

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................... 27

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ............................................................................ 28

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ........................................................................... 44

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  30, 194

15. Punkt: Wahl von Ausschüssen ............................................................................. 192

Dringliche Anfrage


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 4

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanzler betreffend „Totalversagen der schwarz-grünen Bundesregierung“ (3815/J-BR/2020) ................ 125

Begründung: Christoph Steiner ................................................................................. 125

Bundeskanzler Sebastian Kurz ................................................................................ 129

Debatte:

Josef Ofner .................................................................................................................. 135

Mag. Harald Himmer .................................................................................................. 140

Ingo Appé .................................................................................................................... 143

Marco Schreuder ........................................................................................................ 146

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................... 148

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 149

Karl Bader ................................................................................................................... 155

Andreas Arthur Spanring (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 157

Stefan Schennach ...................................................................................................... 157

Markus Leinfellner ...................................................................................................... 161

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Verbot von Covid-19-Zwangstestungen und Zwangsimpfungen“ – Ablehnung ............  138, 164

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschus­ses und sonstiger Förderungen aus Anlass der 100. Wiederkehr des Jahrestages der Volksabstimmung in Kärnten (Abstimmungsspendegesetz 2020), ein Bundes­gesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2021 bis 2024, ein Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, ein Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation im Jahr 2021 und ein Bundesgesetz zur Be­kämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz Armut) erlassen sowie das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Bundesgesetz über die Errich­tung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds, das COVID-19-Förde­rungsprüfungsgesetz, das Buchhaltungsagenturgesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, das Finanzausgleichge­setz 2017, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Arbeitsmarktpolitik-Fi­nanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwet­terentschädigungsgesetz 1957, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsge­setz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heimopferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpen­sionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz, das Covid-19-Zweckzuschussgesetz, das Ge­sundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Universitätsgesetz 2002, das Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002 und das Luftfahrtgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2021) (408 d.B. und 440 d.B. sowie 10438/BR d.B. und 10443/BR d.B.) ............................................................................................................... 46


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 5

Berichterstatter: Otto Auer ............................................................................................ 46

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers und über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager (COVID-19-Lagergesetz-CO-LgG) (441 d.B. sowie 10444/BR d.B.) ..... 46

Berichterstatter: Otto Auer ............................................................................................ 46

RednerInnen:

Thomas Dim .................................................................................................................. 47

Ernest Schwindsackl ................................................................................................... 50

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ............................................................................ 52

Korinna Schumann ...................................................................................................... 53

Josef Ofner .................................................................................................................... 55

Andreas Lackner .......................................................................................................... 58

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................................................... 59

Josef Ofner (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 61

Ingo Appé ...................................................................................................................... 61

MMag. Elisabeth Kittl, BA ............................................................................................ 64

Ing. Eduard Köck .......................................................................................................... 65

Eva Prischl .................................................................................................................... 67

Ing. Eduard Köck (tatsächliche Berichtigung) .............................................................. 70

Horst Schachner ........................................................................................................... 70

Heike Eder, BSc MBA .................................................................................................. 72

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Thomas Dim, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Schadensabgeltung nach dem Epidemiegesetz zur Bewältigung der COVID-19-Krise“ – Ablehnung     49, 74

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Thomas Dim, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Rettung der direkten Demokratie in Vorarlberg“ – Annahme (331/E-BR/2020) ...  49, 74

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Schaffung eines Gemeindeeinnahmenausgleichsfonds“ – Ableh­nung ................  57, 74

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Eva Prischl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben!“ – Ablehnung ........  69, 75

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Initiative zur Erhaltung des Standbeins ‚Elektroindustrie‘ in der Region Murtal“ – Ablehnung (namentliche Abstimmung) ...........................................................................................................  71, 75

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...................................... 75

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 74

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (956/A und 438 d.B. sowie 10451/BR d.B.) ....... 76


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 6

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................. 77

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 77

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (957/A und 459 d.B. sowie 10440/BR d.B. und 10454/BR d.B.) ............................................................................................................... 77

Berichterstatter: Dr. Karlheinz Kornhäusl ................................................................... 77

RednerInnen:

Andreas Lackner .......................................................................................................... 78

Heike Eder, BSc MBA .................................................................................................. 78

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 79

Marlies Steiner-Wieser ................................................................................................. 81

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher ................................................ 83

Ernest Schwindsackl ................................................................................................... 85

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosen­versicherung“ – Ablehnung  81, 87

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslo­sengeldes“ – Ablehnung      83, 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 87

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Arbeits­vertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden (986/A, 904/A und 460 d.B. sowie 10441/BR d.B. und 10455/BR d.B.) .......... 87

Berichterstatter: Dr. Karlheinz Kornhäusl ................................................................... 87

RednerInnen:

Andreas Lackner .......................................................................................................... 88

Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................................................. 88

Korinna Schumann ...................................................................................................... 89

Andrea Michaela Schartel ........................................................................................... 91

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher ................................................ 92

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................... 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 96

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesmi­nisterin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird (343 d.B. und 446 d.B. sowie 10447/BR d.B.) ..... 96

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................... 96

RednerInnen:

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ................................................................................... 97

Stefan Schennach ........................................................................................................ 98

Michael Bernard ........................................................................................................... 99


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 7

Marco Schreuder ........................................................................................................ 101

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................... 101

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 102

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997 geändert wird (966/A und 422 d.B. sowie 10448/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 103

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................. 103

RednerInnen:

Mag. Sandra Gerdenitsch .......................................................................................... 103

Mag. Christian Buchmann ......................................................................................... 104

Thomas Dim ................................................................................................................ 105

Marco Schreuder ........................................................................................................ 106

Martin Preineder ......................................................................................................... 107

Ablehnung des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 107

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesmi­nisterin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie genehmigt wird (412 d.B. und 447 d.B. sowie 10452/BR d.B.)     ............................................................................................................................. 108

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................... 108

RednerInnen:

Michael Bernard ......................................................................................................... 108

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 110

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................... 111

Günther Novak ............................................................................................................ 112

Günter Kovacs ............................................................................................................ 115

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. ............................................................. 115

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rasche Umsetzung des 1-2-3-Tickets“ – Ablehnung .........................................  114, 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 116

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (39. KFG-Novel­le) (411 d.B. und 418 d.B. sowie 10442/BR d.B. und 10453/BR d.B.) ...................................................................................................... 117

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................... 117

RednerInnen:

Günter Kovacs ...................................................................................................  117, 120

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 118

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................... 119

Markus Leinfellner ...................................................................................................... 120

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. ............................................................. 12


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 8

1

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 122

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von klei­nen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (983/A und 445 d.B. sowie 10449/BR d.B.) .......... 122

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................. 122

RednerInnen:

Marco Schreuder ........................................................................................................ 123

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ................................................................................. 123

Andrea Kahofer .......................................................................................................... 164

Michael Bernard ......................................................................................................... 167

Bundesministerin Elisabeth Köstinger .................................................................... 168

Ing. Isabella Kaltenegger ........................................................................................... 169

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „1.000-Euro-Österreich-Gutschein“ – Ablehnung ...............................................  167, 170

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 169

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz und das Land- und forst­wirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert werden (344 d.B. und 427 d.B. sowie 10445/BR d.B.) ................................................ 170

Berichterstatterin: Ing. Judith Ringer ......................................................................... 170

RednerInnen:

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................. 170

Sebastian Kolland ...................................................................................................... 173

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................... 174

Christoph Steiner ....................................................................................................... 175

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................... 176

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................. 177

Johanna Miesenberger .............................................................................................. 177

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann ........................................................................ 179

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „flächendeckende Um­setzung des Chancenindex“ – Ablehnung    172, 180

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 180

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveranstaltungsausfall-Härtefonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz) ge­ändert wird (924/A und 429 d.B. sowie 10446/BR d.B.)               ............................................................................................................................. 181

Berichterstatterin: Ing. Judith Ringer ......................................................................... 181

RednerInnen:

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................... 181

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................... 182

Markus Leinfellner ...................................................................................................... 184

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................. 186

Doris Hahn, MEd M


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 9

A .................................................................................................. 186

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann ........................................................................ 189

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 189

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sanierung des Parlamentsge­bäudes (Parlamentsgebäudesanierungsgesetz, PGSG) geändert wird (984/A und 442 d.B. sowie 10450/BR d.B.) ............................. 190

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................. 190

RednerInnen:

Karl Bader ................................................................................................................... 190

Elisabeth Grimling ...................................................................................................... 191

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 192

Eingebracht wurden

Antrag der BundesrätInnen

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung und Adap­tierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen (282/A(E)-BR/2020)

Anfragen der BundesrätInnen

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Schwerpunktkontrollen im Gastgewerbe durch die Polizei (3812/J-BR/2020)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Universitäres Engagement des Univ.-Prof.iR. Mag.rer.soc.oec. Dr.lur Wolfgang Benedek (3813/J-BR/2020)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend aktive Luftraumüberwachung (3814/J-BR/2020)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Total­versagen der schwarz-grünen Bundesregierung (3815/J-BR/2020)

Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Bestellung von DDr. Martin Bal­luch in den Tierschutzrat (3816/J-BR/2020)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ermittlungen und Verfahren bezüglich Forderungs­management der Gemeinde St. Michael (3521/AB-BR/2020 zu 3799/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend allfälliger Gespräche und Pläne für ein gemeinsames Projekt Umfahrung Liezen (3522/AB-BR/2020 zu 3800/J-BR/2020)


 


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 10

09.04.12Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Vizepräsidentin Mag. Elisa­beth Grossmann, Vizepräsident Mag. Christian Buchmann.

09.04.14*****


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Einen schönen guten Morgen, sehr geehr­te Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 915. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 914. Sitzung des Bundesrates vom 5. November 2020 ist aufgelegen, wurde nicht beanstandet und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind heute die Mitglieder des Bundesrates Dipl.-Ing. Andrea Holzner und Nicole Riepl.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie zu Beginn der Bundesratssitzung sehr herzlich begrüßen, besonders auch unseren Herrn Bundesminister Mag. Gernot Blümel. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen sowie des Bundesrates Ofner.)

Ganz besonders begrüße ich die neuen oder wiedergewählten Kolleginnen und Kollegen aus Wien, die anschließend als Bundesrätinnen und Bundesräte angelobt werden. Ein herzliches Willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Sie haben heute alle einen Mund-Nasen-Schutz als Zeichen der Unterstützung von Orange the World bekommen – er liegt bei Ihnen am Platz auf. Die UNO-Kampagne Orange the World findet jährlich zwischen dem 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, und dem 10. Dezember, dem internationalen Tag der Men­schenrechte, statt. Weltweit erstrahlen daher Gebäude in oranger Farbe, um gemeinsam ein sichtbares Zeichen gegen Gewalt an Frauen zu setzen. Auch das Parlament unter­stützt diese Kampagne und wurde bis gestern orange beleuchtet. Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn zumindest ein paar Kolleginnen und Kollegen diesen Mund-Nasen-Schutz als Zeichen der Solidarität gegen Gewalt an Frauen verwenden würden. (Einige BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ und Grünen setzen die genannte Mund-Nasen-Schutz­maske auf.)

Von gestern bis 4.12. erstrahlt der Eingang am Josefsplatz im Zeichen der Kampagne Purple Light-up in Violett. Die Kampagne Purple Light-up ist eine weltweite Aktion, die dem heutigen internationalen Tag der Menschen mit Behinderung vorausgeht. Purple Light-up macht insbesondere auf die ökonomische Selbstbestimmung, wirtschaftliche Teilhabe und den Beitrag von Menschen mit Behinderung aufmerksam.

Diese Woche trug das Parlament auch eine überdimensionale rote Schleife, das welt­weite Symbol der Solidarität mit HIV-Infizierten und Aidskranken, das Red Ribbon. Auch in Tagen der Coronapandemie dürfen wir nicht vergessen, dass HIV/Aids nach wie vor nicht besiegt sind.

Nach wie vor nicht besiegt ist auch das Coronavirus. Allen Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die am Virus erkrankt sind, wünsche ich baldige Gene­sung; das gilt natürlich ebenso für die Angehörigen, die derzeit krank sind.

Ich freue mich über alle, die heute gesund sind, und insbesondere über jene, die nach der Erkrankung wieder genesen sind. Wir alle sind sehr erleichtert, dass es Ihnen wieder gut geht, sehr geehrte Damen und Herren. Ich bitte Sie aber, weiterhin vorsichtig und rücksichtsvoll zu sein – Sie kennen die Maßnahmen –, damit wir als Bundesrätinnen und Bundesräte vor allem jenen mit gutem Beispiel vorangehen, die verständlicherweise von den notwendigen Einschränkungen im täglichen Leben bereits frustriert sind. Ich bitte Sie wirklich, die Vorschriften hier im Hohen Haus einzuhalten. – Vielen Dank.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 11

09.08.12Angelobung


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Eingelangt ist ein Schreiben des Wiener Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates. (siehe S. 33)

Die neuen und wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend, ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ am Platz zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel und bitte Sie alle, sich zu erheben. (Alle Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)


Schriftführer Andreas Arthur Spanring: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Spanring leisten die BundesrätInnen MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Elisabeth Grimling, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Mag. Harald Himmer, Dr. Johannes Hübner, MMag. Elisabeth Kittl, BA, Stefan Schen­nach, Marco Schreuder, Korinna Schumann und Elisabeth Wolff, BA die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank. Ich begrüße die neuen und wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte und möchte noch festhalten, dass Wolfgang Beer, wenn er dann kommt, natürlich nachträglich ange­lobt wird. (Allgemeiner Beifall.)

Ich hoffe, dass dann alle Kolleginnen und Kollegen trotz des Wintereinbruchs da sein können.

09.10.35Aktuelle Stunde


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Herrn Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, den ich schon begrüßt habe, zum Thema:

„Gemeinsam aus der Krise: Aus Verantwortung für Arbeitsplätze und Unternehmen“

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion zu Wort, deren beziehungsweise des­sen Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiede­rum je eine Rednerin/ein Redner der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung der Bundesräte ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Mög­lichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Liebe Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. Bitte.



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9.12.45

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zu­seherinnen und Zuseher zu Hause via Livestream! Am Beginn meiner Rede ein Danke an Sie, Herr Bundesminister, dass wir uns hier im Bundesrat über das Thema „Gemein­sam aus der Krise: Aus Verantwortung für Arbeitsplätze und Unternehmen“ austauschen können.

Heute vor rund einem Jahr war alles anders. Heute vor rund einem Jahr haben die Kinder mit Freude auf den Nikolaus und wahrscheinlich auch auf die Weihnachtsferien gewartet. Heute vor rund einem Jahr haben viele Jugendliche und auch Ältere besonders in mei­nem Heimatbezirk Osttirol mit Spannung den Klaubauftagen entgegengefiebert. Heute vor rund einem Jahr war man mitten in den Weihnachtsvorbereitungen, ist gemeinsam einkaufen gegangen, hat gemeinsam einen der stimmungsvollen Wintermärkte, Weih­nachtsmärkte besucht und sich damit auf einen schönen, besinnlichen Advent einge­stimmt. Heute vor rund einem Jahr haben sich die Firmenchefs mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf die alljährlich stattfindenden Weihnachtsfeiern gefreut. Heute vor rund einem Jahr hat sich die Hotellerie und Gastronomie vor allem auch im Westen Ös­terreichs auf die kommende Wintersaison vorbereitet, die Seilbahnunternehmen haben sich für eine tolle, erfolgreiche Schisaison gerüstet. Ja, meine Damen und Herren, heute vor rund einem Jahr war alles anders.

Covid-19 beschäftigt uns jetzt seit circa zehn Monaten. Aufgrund der rasant steigenden Infektionszahlen und der Gefahr, somit an die Kapazitätsgrenzen unseres Gesundheits­systems zu stoßen, musste, so wie im Frühjahr, ein weiterer Lockdown verordnet wer­den. Aus Verantwortung für die Menschen in unserem Land wurde im November eine weitere Ausgangsbeschränkung verordnet, und die sozialen Kontakte mussten wiede­rum massiv eingeschränkt werden. Um es mit den Worten unseres Landeshauptmanns Günther Platter zu sagen: „Es nutzt nix, bleibts no amol dahoam!“ Die Hotellerie, die Gastronomie, der Einzelhandel, körpernahe Dienstleistungen, Kunst- und Kultur-, Sport- und Freizeitbetriebe, Märkte und vieles mehr mussten neuerlich ganz heruntergefahren werden. Die Coronapandemie stellt nicht nur Österreich, sondern die ganze Welt vor große gesundheitliche, aber auch wirtschaftliche Herausforderungen.

Durch den weiteren notwendigen Lockdown wird sich die Situation für die Unternehmen und damit auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nochmals verschärfen. Es gibt für die Wirtschaft keinen guten, optimalen Zeitpunkt für einen Lockdown, das ist uns bewusst, und gerade auch für den Wintertourismus, für die Hotellerie und Gastronomie sowie für alle vor- und nachgelagerten Branchen ist das ein sehr schmerzhafter, wirt­schaftlicher Einschnitt.

Um das wirtschaftliche Überleben von möglichst vielen Unternehmen abzusichern, die negativen Folgen einzudämmen und damit möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten, wurden zu dem bereits geschnürten Bündel an Unterstützungsmaßnahmen weitere not­wendige Hilfsmaßnahmen und Rettungsinstrumente ins Leben gerufen. Ich denke da insbesondere an die Wirtschafts-, Konjunktur- und Arbeitsmarktpakete, die geschnürt wurden, um der größten weltweiten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg entgegenzuwirken.

Zum Beispiel das Erfolgsmodell Kurzarbeit: Die Kurzarbeit gibt es in dieser Form in keinem anderen Land. Durch die Nettoeinkommensgarantie von 80 bis 90 Prozent bleibt die Kaufkraft erhalten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können in den Betrieben gehalten werden. Für Arbeitslose wurden Einmalzahlungen möglich gemacht. Mitte Sep­tember wurden für jedes Kind 360 Euro zusätzliche Familienbeihilfe ausbezahlt und da­mit die Familien unterstützt. Es wurde für das Jahr 2020 der Eingangssteuersatz um 5 Prozent von 25 auf 20 Prozent gesenkt, was schließlich allen zugutegekommen ist. Es wurden der Familienhärtefonds, der Härtefallfonds, der Fixkostenzuschuss Phase eins


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und Phase zwei, die Steuer- und Sozialversicherungsstundungen, die Haftungsgarantie, das umfangreiche Wirtepaket, die Investitionsprämie auf den Weg gebracht.

Bei den Wirtschaftshilfen denke ich auch an den Umsatzersatz für den Handel, für die Gastronomie und Hotellerie, aber auch für die Dienstleistungsbetriebe wie zum Beispiel die Friseure. Dieser Umsatzersatz wurde jetzt nochmals für Betriebe, die weiter im Lock­down bleiben müssen, bis 31.12. verlängert. Der Umsatzersatz kann ganz unbürokra­tisch mit einem Arbeitsaufwand von circa 10 Minuten beantragt werden, das Geld wird dann nach circa zehn bis 15 Tagen überwiesen. Dieser Umsatzersatz ist eine großzügi­ge, aber auch äußerst notwendige Hilfe für diese schwer gebeutelten Branchen. Vielen Dank, Herr Finanzminister, dass da so unbürokratisch, schnell und vor allem wirksam geholfen wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Nicht unerwähnt lassen möchte ich noch die Gemeindemilliarde: Dieses Geld wird direkt vor Ort in den Gemeinden investiert, sichert die Unternehmen ab und schafft somit auch wieder Arbeitsplätze. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Kahofer, Schennach und Schumann.)

Wir können und werden viele der Hilfen aus dem vorgesehenen Budget 2020 bezahlen, wo noch Mittel zur Verfügung stehen, klar ist aber, dass dieser Lockdown natürlich Aus­wirkungen auf das Wachstum 2021 und damit auf die Einnahmen des Staates hat. Laut Daten des Wifo vom November 2020 wird sich das BIP-Wachstum 2021 von 4,4 auf 2,8 Prozent reduzieren und die Schuldenquote nach Maastricht von 84,8 auf 87,9 Pro­zent erhöhen. Aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird das Bruttoge­samtsteueraufkommen um rund 1,5 Milliarden Euro weniger betragen. Daher müssen wir uns aus Verantwortung für die Arbeitsplätze und Unternehmen auch um die Zeit nach dem Lockdown, nach der Pandemie kümmern. Wir müssen auf die wirtschaftspolitisch anstehenden Fragen Antworten finden, wir müssen Ideen und Konzepte für die Zeit nach der Krise entwickeln. Das Ziel ist, uns aus der Krise hinauszuinvestieren, damit die Kon­junktur anzutreiben und Arbeitsplätze zu sichern.

Um Österreich während und nach der Krise wieder auf Erfolgskurs zu bringen, wurden deshalb im Budget 2021 ein Mix aus Rettungs- und Hilfsmaßnahmen sowie Investitionen in den Arbeitsmarkt, die Digitalisierung, die Bildung und die Sicherheit vorgesehen. Da­bei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf dem Erhalt und der Schaffung von Arbeitsplät­zen. Da auch in Zeiten wie diesen qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesucht werden, wird eine Arbeitsstiftung gegründet. In dieser Stiftung wird Tausenden Arbeitslosen eine qualifizierte Ausbildung ermöglicht, um die Menschen wieder für den Arbeitsmarkt fit zu machen.

Für die kleineren und mittleren Pensionsbezieher soll es zu einer Pensionsanpassung kommen, somit wird auch die Kaufkraft der Pensionistinnen und Pensionisten erhalten, was wiederum die Wirtschaft stärkt.

Im Bereich der Bildung liegt der Fokus auf der Digitalisierung der Schulen, um die Schü­lerinnen und Schüler auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Diese Digita­lisierungsoffensive gilt auch für die Studierenden.

Im Bereich der Wirtschaft sollen klimafreundliche Investitions- und Forschungsprogram­me finanziert werden, die Forcierung der Gründung innovativer Unternehmen soll fortge­setzt werden.

Der Ausbau von Breitband und einer modernen Schieneninfrastruktur soll forciert wer­den. Dies bewirkt, dass sich Unternehmen unabhängiger vom Standort ansiedeln kön­nen, und bedeutet zudem riesige Investitionen, die die Wirtschaft ankurbeln.

Wie man in der Krise auch gesehen hat, sind gut funktionierende regionale Kreisläufe besonders wichtig und sollten daher auch weiterhin gefördert und unterstützt werden.


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Aus Verantwortung für Österreich tun die Bundesregierung, die Landesregierungen und die Parlamente alles, um die Zukunft zu sichern und uns gemeinsam und gestärkt aus der Krise hervorgehen zu lassen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, und bleiben Sie gesund! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.23


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


9.23.20

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Finanzminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause! Ich bin wie meine Vorrednerin ebenfalls sehr erfreut über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde und danke auch dem Finanzminister dafür. Diese sehr offene Formulierung ermöglicht uns nämlich, die Coronakrise, ihre negativen Aus­wirkungen und vor allem auch die Maßnahmen zur Bekämpfung derselben genauer un­ter die Lupe zu nehmen.

Aber schon das erste Wort in diesem Titel der Aktuellen Stunde, das Wort „Gemein­sam“ – „Gemeinsam aus der Krise“ –, lässt eigentlich eine eigene Debatte zu. Es macht nämlich einen Unterschied, Herr Minister, wie Sie das Wort „gemeinsam“ deuten. Ist es aus Ihrer Sicht ein Befund, so nach dem Motto: Das, was bisher geschah, ist für mich als Finanzminister ein Beispiel für gemeinsame Krisenbekämpfung!? Oder ist es eine Zielformulierung Ihrerseits, ein sich aufdrängender Wunsch nach mehr Gemeinsamkeit, da, wie ich meine, doch vieles in diesen Monaten nicht gemeinsam, sondern eher einsam auf Regierungsseite, ohne Gehör der Opposition, ohne Begutachtung und ohne die not­wendige Einbeziehung von Expertisen aus der Wissenschaft vollzogen und manchmal auch durchgedrückt wurde? (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich bin der Meinung, dass das Wort „gemeinsam“ für Türkis-Grün in zentralen Fragen bis dato ein leeres Schlagwort war. Gemeinsamkeit ist keine Einbahnstraße, Gemein­samkeit muss man leben, dazu muss man auch bereit sein, dafür muss man manchmal auch kämpfen und auch kompromissfähig sein. Vieles davon vermisse ich leider aufsei­ten der Regierung, sowohl bei der direkten Krisenbewältigung durch die unterschied­lichsten Hilfspakete und Maßnahmen als auch beim Budget für 2021.

Sie werden mir beipflichten, dass die Lage dramatischer nicht sein könnte. Wir stecken inmitten der größten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik. Die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie noch nie in der Zweiten Republik, in wenigen Wochen werden wir rund eine halbe Million Arbeitslose verzeichnen müssen, und in den nächsten Monaten droht durch eine Pleitewelle eine weitere Verschärfung der Situation am Arbeits- und Wirtschafts­markt.

Sehr verehrter Herr Finanzminister, wenn Sie Vergleiche ziehen wollen – bitte gerne. Schauen wir uns doch Deutschland an, dort ist die Arbeitslosigkeit trotz Corona niedriger als in der letzten großen Wirtschaftskrise, ausgehend von 2008. Bei uns ist sie jetzt höher als in der damaligen Krise. Das könnte doch heißen, dass Ihr eingeschlagener Weg, Ihre Maßnahmen zu kurz, nicht oder zumindest unzureichend greifen. Oder wie erklären Sie sich diese Tatsache? Ich bin gespannt auf Ihre Wortmeldung.

Diese negative Entwicklung war auch nicht unvorhersehbar. Ich kann mich noch gut an die Bundesratssitzung im Frühjahr vor dem ersten Lockdown erinnern, die SPÖ hat vor den zögerlichen Hilfspaketen und dem damit verbundenen Anstieg der Arbeitslosenzah­len gewarnt. Glauben Sie mir, lieber wäre mir, lieber wäre uns gewesen, wir hätten nicht recht behalten, aber es lag ganz einfach auf der Hand. Auch wenn man dann auf Re­gierungsseite versucht hat – das gestehe ich ja zu –, nachzubessern, war es immer so, dass man immer einen, manchmal auch mehrere Schritte hinterherhinkte und die Ver­säumnisse nie aufholen konnte.


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Das zieht sich auch wie ein türkis-grüner Faden durch das kürzlich beschlossene Bud­get. Auch bei der Budgeterstellung hat die Regierung, haben vor allem Sie als zuständi­ger Minister keine glückliche Hand bewiesen. Ich will gar nicht das Gesamtvolumen des Budgets kritisieren, obwohl Sie, wie wir wissen, nicht einmal die massiven Auswirkungen des zweiten harten Lockdowns, der abgeschwächt, aber doch jetzt verlängert wird, ein­gerechnet haben, vielmehr geht es nämlich um die Schwerpunktsetzungen, also darum, wofür Sie die Budgetmittel einsetzen. Da liegen Sie leider zu oft daneben und viele Fra­gen tun sich auf: Wie viel Geld kommt wirklich an? Kommt es bei den Richtigen an? Kommt es vor allem schnell genug an? Sind die zugewiesenen Mittel auch ausreichend? Und: Wo müsste man ganz, ganz dringend nachbessern?

Was im Budget fehlt, sind leider echte Antworten auf die Rekordarbeitslosigkeit, auf die drohende Pleitewelle und Antworten zur Bekämpfung dieser Gesundheitskrise. Nur einige Beispiele dazu: Die Regierung will, in Relation zu den Arbeitslosen gesehen, jetzt weniger Geld für Arbeitsmarktförderung einsetzen, es gibt eigentlich keine Beschäfti­gungsprogramme. Die Regierung tut nichts zur Sicherung kleiner Einkommen, nein, sie kürzt sogar Pensionen. Sie verhindert die dringende Erhöhung des Arbeitslosengeldes, auf die wir seit Monaten ständig hinweisen. Versprochene öffentliche Investitionen wie die Klimaschutzmilliarde, die Breitbandmilliarde sind nicht ausreichend budgetiert. Und was dem Fass den Boden ausschlägt: Sie nehmen den Spitälern zig Millionen Euro weg, anstatt sie genau jetzt in dieser Krise krisenfest und fit zu machen.

Und als letztes Beispiel: Sie verwehren den Gemeinden die unbedingt notwendigen fi­nanziellen Unterstützungen, um die Krise in den Gemeinden, nämlich bei den Menschen, abzufedern. Dieses wichtige Thema, das mehr und mehr zur Überlebensfrage für die Gemeinden und in den Gemeinden wird, diskutieren wir jetzt schon seit vielen Monaten mit Ihnen, und alles, was Ihnen kürzlich dazu eingefallen ist, ist, dass sich die Gemein­den ja verschulden oder noch mehr verschulden könnten. Die Gemeinden sollen sich also verschulden. Ist das wirklich ernst gemeint und Ihr einziger Lösungsansatz in dieser Problemstellung?

Es ist klar, mit dieser Ansage treiben Sie die Gemeinden in eine ausweglose Situation, denn was sind die Konsequenzen? Das müssen Sie nämlich auch gleich dazusagen, wenn Sie mehr Gemeindeschulden erwähnen. Herr Minister, wollen Sie, dass wir Leis­tungen kürzen oder streichen – keine Nachmittagsbetreuung, kein Mittagstisch in Kin­dergärten und Schulen, keine Unterstützung für Vereine? Wollen Sie, dass wir die Da­seinsvorsorge oder Teile davon privatisieren, zum Beispiel die Wasserversorgung? Oder wollen Sie, dass wir in den Gemeinden die Gebühren erhöhen, dass sozusagen die Menschen die Zeche zahlen sollen? – Wenn Sie das wollen, Herr Minister, dann sagen Sie es und reden Sie nicht um den heißen Brei herum! (Beifall bei der SPÖ.)

Klar ist, dass wir als SPÖ und wir als Bürgermeister das nicht wollen. Ganz im Gegenteil, wir wollen uns aus der Krise herausinvestieren, wir wollen Projekte für die Menschen umsetzen, wir wollen die regionale und heimische Wirtschaft stärken und damit Arbeits­plätze sichern. Das geht nur, wenn wir die Liquidität der Gemeinden stärken, mit einem direkten Ersatz der Einnahmenausfälle, ohne bürokratische Bedingungen, und wenn wir mit einem weiteren Investitionsprogramm die Konjunktur ankurbeln. Unsere Vorschläge stehen, wir brauchen rund 2 bis 2,5 Milliarden Euro an frischem Geld. Was für andere betroffene Branchen gilt, wird wohl auch für Gemeinden gelten dürfen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Ich bin sehr dankbar, dass sich jetzt nach und nach immer mehr ÖVP-Funktionäre und ‑Bürgermeister dazu melden. Sie gehen aus ihrer Deckung hervor und fordern vollin­haltlich das Gleiche, was wir hier ständig fordern. So forderte erst kürzlich der Gemein­debundpräsident aus Salzburg, Günther Mitterer, in einem TV-Interview frisches Geld als Direktzahlung für die Gemeinden. Man staune!


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Sie sehen, diese Familie wird parteiübergreifend größer und größer, und so wird auch der Druck auf Sie, Herr Minister, immer größer und größer. Wenn Sie das Gemeinsame in Ihrem Titel hervorheben, dann müssen Sie das Gemeinsame auch auf allen Ebenen suchen – hier im Parlament, in den Gebietskörperschaften und in den Interessenvertre­tungen.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Die 10 Minuten Redezeit sind um, bitte kommen Sie zum Schlusssatz!


Bundesrat Dominik Reisinger (fortsetzend): Wenn das passiert, dann haben Sie uns und auch die Menschen mit im Boot.

Sehr geehrter Herr Minister, ganz ehrlich gesagt: Es ist keine Schande, wenn man sich eine Fehleinschätzung eingesteht und das dann korrigiert. Es ist auch keine Schande, wenn man über den eigenen Irrweg schweigen möchte, aber trotzdem richtig abbiegt. Es wäre aber eine Schande, wenn man alle Hilferufe dauerhaft ignorieren und die Ge­meinden sowie die dort lebenden Menschen im Stich lassen würde. Darum gibt es nur eines: Stärken wir die Gemeinden, schwächen wir die Krise! – Danke. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

9.34


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


9.34.39

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! „Gemeinsam aus der Krise: Aus Verantwortung für Arbeitsplätze und Un­ternehmen“ – ja, Herr Bundesrat Reisinger, es ist mir ganz ähnlich ergangen wie Ihnen, als ich diesen Titel der heutigen Aktuellen Stunde gelesen habe, da war mir gleichzeitig zum Weinen und auch zum Lachen. Ausgerechnet die Kurz-ÖVP, also jene Partei, die im Sommer dieses Jahres noch gemütlich ihre Hände in den Schoß gelegt hatte und nun im Alleingang – ja, Sie hören richtig, im Alleingang, denn die Grünen sind ja in letzter Zeit nur präsent, wenn es ums Abzocken der Autofahrer geht – unser schönes Öster­reich mit völlig überzogenen und teils unverhältnismäßigen Maßnahmen an den Rand des wirtschaftlichen Ruins bringt, ausgerechnet diese ÖVP will nun auf einmal gemein­sam aus der Krise. Gemeinsam, das ist genauso ernst zu nehmen wie das Miteinander in Niederösterreich. Das ist ein billiger PR-Schmäh, den wir Österreicher sauteuer be­zahlen werden müssen, koste es den Steuerzahler, was es wolle.

Was bedeutet gemeinsam, wenn die ÖVP das sagt? – Alle dürfen das, was die ÖVP sagt, ganz brav mittragen. Wer nicht mitmacht, der ist ein Gefährder, ein Covidiot, ein Verschwörungstheoretiker, ein Nazi und, und, und. Und wer brav im ÖVP-Mainstream mitschwimmt, ja, der darf dann hinterher ganz leise sagen: Ja, wir haben das gemeinsam mit der heiligen ÖVP, mit dem heiligen Sebastian umgesetzt! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, gerade Sie von der ÖVP haben in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass es kein Gemeinsam gibt, sondern nur ein Wir alleine, denn alle anderen können nur nach dem Friss-Vogel-oder-stirb-Prinzip mitmachen. Die ÖVP hat alle guten Vorschläge, alle guten Anträge der Opposition kategorisch vom Tisch ge­wischt. Die ÖVP-Mandatare sagen hier ganz offen, dass es lästig ist, sich im Parlament auch noch rechtfertigen zu müssen, und Klubobmann Wöginger bezeichnet das Hohe Haus sogar als Theater. (Zwischenruf des Bundesrates Seeber.)

Die ÖVP-Gesetzesinitiativen und -Verordnungen sind sehr schleißig und maximal in An­lehnung an die Verfassung gemacht, weshalb sie auch regelmäßig als verfassungs­widrig wieder aufgehoben werden. Natürlich wäre der ÖVP eine Demokratur, so wie sie


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die ÖVP auch in Niederösterreich lebt, am liebsten. Verzeihen Sie mir deshalb, meine Damen und Herren, wenn ich den Titel der heutigen Aktuellen Stunde als Hohn bezeich­ne – und nur deshalb als Hohn, weil das Wort Verarschung hier im Hohen Haus nicht angebracht ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister Blümel, Sie werden in die Geschichte eingehen. Sie werden in die Ge­schichtsbücher als jener Finanzminister eingehen, der es tatsächlich zwei Mal innerhalb eines Jahres geschafft hat, ein völlig falsches Budget vorzulegen – trotz besseres Wis­sen und trotz der Möglichkeit durch die Oppositionsparteien, die Ihnen die Chance ein­geräumt hätten, wenigstens eine Vertagung in Anspruch zu nehmen, um dann halbwegs richtige Zahlen vorzulegen.

Das ist schon der nächste Beweis dafür, wie egal Ihnen die Verfassung ist, denn Sie haben hier mit den Stimmen von Schwarz und Grün zwei Mal den Verfassungsgrundsatz der Budgetwahrheit einfach ignoriert. Zwei Mal haben Sie es zudem geschafft, dass Sie nicht nur völlige Phantasiezahlen in Ihrem Budget haben, Sie haben es geschafft, beim ersten Mal eine Handvoll Nullen zu vergessen und somit das Budget nicht ordnungs­gemäß einzubringen, und jetzt vor zwei Wochen haben Sie es geschafft, dass eine Un­terschrift gefehlt hat.

Ihr persönliches Glück, Herr Minister Blümel, ist, dass Sie so vergesslich sind. Denn so wie Sie glauben, gar keinen Laptop besessen zu haben, so haben Sie wahrscheinlich auch diese handwerklichen Pleiten sehr bald wieder vergessen. (Beifall bei der FPÖ.)

Natürlich, Fehler können passieren, wobei diese Anhäufung in jedem privatwirtschaftli­chen Betrieb schon längst Konsequenzen nach sich gezogen hätte, und wenn es nur jene gewesen wären, dass Sie mit dem sprichwörtlichen nassen Fetzen davongejagt worden wären: falsche und fehlerhafte Budgets, fehlerhafte Gesetze, fehlerhafte Verord­nungen und fehlerhafte und falsche Ankündigungen bei Pressekonferenzen, Millionen von bestellten schadhaften und ungeprüften Schutzmasken, die noch dazu dort einge­setzt werden, wo die besonders schützenswerten Personen sind, nämlich in Altershei­men und Krankenhäusern. – Wenn ich diese Bilanz dieser Regierung sehe, dann weiß ich, wo die wahren Gefährder dieser Republik sitzen, nämlich allesamt auf der Regie­rungsbank. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ein Budget, sagt man, ist das in Zahlen gegossene Regie­rungsprogramm. In diesem Bundesfinanzrahmen jedoch erkennt man vielmehr, dass es sich um eine in Zahlen gegossene Regierungsideologie handelt. Und auch wenn die darin enthaltenen Zahlen falsch sind, kann man eines ganz klar herauslesen: Der Grund­satz „Koste es, was es wolle“ wird durchgeprügelt – nein, nicht für die Bürger, sondern für die ÖVP, dort, wo die ÖVP Vorteile hat, da schon.

Die Medien und deren Berichterstattung werden von dieser Regierung um sagenhafte 210 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre einfach gekauft – 70 Millionen Euro pro Jahr. Die 30 Millionen Euro jährlich, die die Hacklerregelung für jene Menschen gekostet hätte, die sich durch 45 Beitragsjahre eine abschlagsfreie Pension erarbeitet und natür­lich auch verdient hätten, sind zu viel, aber 210 Millionen Euro für PR für die Regierung sind kein Problem! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

210 Millionen Euro für Eigenwerbung – und für jene, denen der Betrag von 210 Millionen Euro zu abstrakt ist oder auch zu viele Nullen hat, habe ich das umgerechnet: Das ent­spricht 192 000 Euro täglich für die nächsten drei Jahre! 192 000 Euro täglich für PR-Aktionen für diese Regierung! (Bundesrat Steiner: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren, Sie erkennen ganz eindeutig, was diese Regierung macht: alles für die ÖVP, koste es, was es wolle.

Und obwohl wir Engpässe in den Krankenhäusern haben, was uns auch jeden Tag über die regierungstreuen und gut angefütterten Medien suggeriert wird, will der Finanzminister


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den Bundesbeitrag zur Finanzierung der Spitäler um mehrere Hundert Millionen Euro kürzen, so steht es im Budget. – Schilda lässt grüßen.

Übrigens machen das auch die Länder – ein Beispiel: Die ehemalige Kurz-Ministerin und jetzige Landesrätin Juliane Bogner-Strauß hält trotz der angeblich so massiven Gesund­heitskrise am Spital- und Bettenabbau fest. Sie hat geplant, in den nächsten zehn Jahren weitere steirische Spitäler zu schließen und 900 Betten abzubauen. Noch Fragen, mei­ne Damen und Herren? (Bundesrat Steiner: Wahnsinn! – Zwischenruf des Bundesra­tes Buchmann.)

11 Prozent weniger an Ertragsanteilen für die Gemeinden, in Zahlen: 2,5 Milliarden Eu­ro. Herr Minister Blümel, 2,5 Milliarden Euro, das sind acht Nullen hinter der 25! Es wur­den 67 Millionen Euro für zehn Millionen Tests ausgegeben, und in der Zwischenzeit wurde bekannt, dass es da eine unkorrekte Vergabe gab. In diesem Zusammenhang wird jetzt bereits von Firmen geklagt. Allein für die jetzt von Kurz befohlenen Massen­testungen wurden vier Millionen Schnelltests um mehr als 31 Millionen Euro einfach so – einfach so! – von der Firma Roche zum Stückpreis von 7,80 Euro angekauft; übrigens ohne davor irgendwelche vorgegebenen Qualitätskriterien auszumachen. Zum Ver­gleich: In der Slowakei zahlte man pro Schnelltest 3,95 Euro. Fachleute haben uns ge­sagt, dass bei einer Menge, wie sie da angekauft wurde, ein Preis zwischen 3,60 Euro und 4 Euro ein angemessener Preis gewesen wäre. All das ist vor Ihren Augen, Herr Finanzminister Blümel, passiert – da werden natürlich wieder einige schwarze Freunde gut verdient haben. (Beifall bei der FPÖ.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Herr Kollege, die 10 Minuten Redezeit sind um. Bitte kommen Sie zum Schlusssatz!


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin! Ich wer­de meine Rede beenden: So wie auch in Niederösterreich, wo auch ganz zufällig ein Millionenauftrag an die Firma eines niederösterreichischen ÖVP-Landtagsabgeordneten vergeben wurde.

Zusammenfassend kann ich hier nur sagen: Für mich ist es verständlich, warum das Lieblingslied der ÖVP niemals „I am from Austria“, sondern vielmehr der „Tango Korrupti“ ist. (Beifall bei der FPÖ.)

9.45


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


9.45.35

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! In Krisenzeiten ist es besonders wichtig, Perspektiven aufzuzei­gen. Die weltweite Wirtschaftskrise infolge der Coronabekämpfung ist solch ein Fall, der noch jahrelang Folgen zeigen wird – leider –, bei uns mit aktuell 100 000 zusätzlichen Arbeitslosen gegenüber dem November des Vorjahres. Allerdings darf man nicht verges­sen: Viel, viel schlimmer wäre es, wenn es nicht Maßnahmen wie die umfangreiche Kurz­arbeitsregelung gäbe, wenn es nicht ein breites Paket an Unterstützungsprogrammen gäbe, wie Kollegin Mattersberger ausgeführt hat.

Die zweite Krise, derzeit in der Debatte etwas in den Hintergrund geraten, ist die allum­fassende und wohl größte Herausforderung der Menschheit, nämlich die Klimakrise. Was heißt das? – Das heißt, es ist sinnvoll und vernünftig, diesen Krisen gleichzeitig zu begegnen, alles andere wäre kontraproduktiv. Man darf nicht durch das Bekämpfen einer Krise eine andere, insgesamt gewaltigere weiter verschärfen, um später vor noch größe­ren Aufgaben zu stehen. Was getan wird, um aus der Coronakrise herauszukommen, muss gleichzeitig der Bekämpfung der Klimakrise dienlich sein.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 19

Die gute Botschaft ist, dass das geht, es erfordert allerdings Konsequenz und ein Um­denken, und es erfordert vor allem Umstrukturierung. Finanzhilfen dürfen nicht zu Lock-in-Effekten führen und in der Folge notwendige Veränderungen massiv erschweren. Das heißt – und das ist natürlich auch ein sehr schwieriger und kontroverser Teil –, es macht keinen Sinn, weiterhin Wirtschaftszweige zu forcieren, die der Erreichung der Klimaziele grundsätzlich entgegenwirken, weiterhin Wirtschaftszweige zu forcieren, die ohnehin umstrukturiert werden müssen, beziehungsweise muss Geld, wenn es in solche Bran­chen gehen soll, dann eben in eine aktive Neuorientierung in Richtung ökologische Nachhaltigkeit und soziale Qualität fließen.

Was man bei solchen Umstrukturierungsprozessen immer mit einem großen Ausrufezei­chen dazusagen muss, ist, dass gleichzeitig alles getan werden muss, um den Betrof­fenen eine Perspektive zu bieten, alles getan werden muss, um den betroffenen Men­schen eine sinnvolle Beschäftigung anbieten zu können. Das löst Debatten aus, no na, weil es um persönliche Betroffenheiten geht, aber wir dürfen uns davor nicht drücken. Besonders bekannte Beispiele dafür sind etwa die Autoindustrie oder die gesamte fossile Energiewirtschaft.

Die Verfolgung von Klimaschutzzielen bietet dabei eigentlich eine ideale Orientierung, weil sie direkt auf die Produkte, auf die Art und Weise, wie wir produzieren, wirkt. Klima­schutzstrategien wirken massiv stimulierend für neue Technologien, Produktionsweisen und sind damit strukturverändernd. Sie sind auch ein Innovationsmotor. Und eines ist klar: In Zukunft wird jene Wirtschaft konkurrenzfähig sein, die ökologisch nachhaltig pro­duziert.

Eine weitere essenzielle Rahmenbedingung für das Funktionieren der notwendigen Trans­formation und Krisenbewältigung ist selbstverständlich die soziale Gerechtigkeit. Die sozialen Unterschiede sind bereits schärfer geworden, und das ist Gift, Gift für jede Entwicklung. Wenn die Gesellschaft zu große Ungerechtigkeit aufzeigt, die Einkommen und Perspektiven zu sehr auseinanderfallen, dann wird auch ein Wandel nicht funktio­nieren. Das geht nur in einem solidarischen Miteinander, mit einer breit getragenen Ak­zeptanz, und das müssen die zu setzenden Rahmenbedingungen unmittelbar berück­sichtigen. Also: ökologisch und sozial, das wäre eine Charakterisierung für den Weg aus der Krise.

Erfreulich ist, dass schon einiges gelungen ist. Noch nie war das Klimabudget so hoch, in Summe weit über 1 Milliarde Euro, das möchte ich dazusagen; auch wenn immer das Gegenteil behauptet wird, was einfach nicht stimmt. Noch nie war das Budget für den öffentlichen Verkehr so hoch, für Radinfrastruktur so hoch. Noch nie hat es so viel Geld im Bereich der Umweltförderung gegeben. Im Rahmen der Investitionsprämie gibt es mit einer Prämie von 14 Prozent für Klimaschutzinvestitionen besonders attraktive Anreize, ungefähr 40 Prozent der eingereichten Projekte sind dementsprechend klimarelevant; und auch im Gemeindeinvestitionspaket gibt es umfangreiche klimaschutzrelevante Maß­nahmen.

Ein paar wenige Beispiele: Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz mit einem jährlichen Un­terstützungsvolumen von 1 Milliarde Euro befindet sich in der finalen Phase. Damit werden Investitionen im Ausmaß von 3 Milliarden Euro pro Jahr aktiviert werden, das sind 30 Milliarden Euro im zehnjährigen Planungszeitraum, den das Gesetz hat – eine völlig neue Dimension in Österreich.

In den nächsten Jahren werden zum Beispiel 600 000 Ölheizungen durch Wärmepum­pen, Biomasse-, Fernwärmeheizungen ersetzt werden – das ist ein Investitionsvolumen in einer Dimension von 12 Milliarden Euro, mit einem extrem hohen regionalen Wert­schöpfungs- und Beschäftigungsanteil. Die ganzen Topunternehmen, was Biomasse und Wärmepumpen betrifft und so weiter, sind in diesem Land – das wissen Sie. Die Installation der Anlagen erfolgt sowieso vor Ort durch Installateure und Handwerker.


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Besonders arbeitsintensiv sind thermische Sanierungen von Gebäuden. Für die nächs­ten zwei Jahre stehen dafür in der Umweltförderung über 600 Millionen Euro zur Verfü­gung. Es gibt nichts anderes, das zeigen Untersuchungen, das mehr Arbeitsplätze pro investierter Million schafft.

Eine Studie der TU Wien zeigt, dass die Beschäftigungswirkung beim Radwegebau zum Beispiel doppelt so hoch ist wie beim Bau von Hochleistungsstraßen, und bei den Rad­wegen brauchen wir noch Tausende von Kilometern. Bei gleicher Investition in den Bahnausbau sind die Beschäftigungswirkungen um 70 Prozent höher als beispielsweise im Autobahnbau.

Um diese Mittel auf den Boden zu bringen, auch das ist eine große Herausforderung, braucht es viele zusätzliche Arbeitskräfte. Daher wurde inzwischen eine große Ausbil­dungsoffensive mit einem Budget von fast 500 Millionen Euro implementiert.

Im Regierungsprogramm gibt es weiters eine Green Finance Agenda, die sich in Aus­arbeitung befindet und eine weitere wichtige Begleitmaßnahme zur Forcierung von grü­nen Investitionen in Beschäftigung und Wertschöpfung ist.

Auch die Europäische Union will massiv in Richtung Klimaschutz investieren. Im Zusam­menhang mit dem Green Deal, dem Recoveryfund und dem nächsten Budget sollen in Summe 30 Prozent in Klimaschutz fließen, das sind, ausgehend von 1,8 Billionen Euro, stolze 500 Milliarden bis 2027; 500 Milliarden für erneuerbare Energieträger, Mobilität, thermische Sanierung und so weiter.

Es wird trotzdem noch mehr brauchen. Entscheidend sind langfristige und planbare Rah­menbedingungen, damit hinreichend investiert und umstrukturiert wird. Dazu gehören insbesondere fiskalische und steuerrechtliche Rahmenbedingungen, sprich eine sozial­ökologische Steuerreform mit einer starken Lenkungswirkung in ökologische Investitio­nen und gleichzeitig einem notwendigen sozialen Einkommensausgleich.

Was diesen Zugang, wie ich finde, dermaßen attraktiv macht, ist, dass wir eben eine Perspektive genau aufzeigen können, ein Programm gegen Zukunftsangst gestalten können. Hunderttausende sichere Jobs mit Sinn lassen sich schaffen, Steuern können generiert werden, um damit den Sozialstaat abzusichern, und – und das ist vielleicht das Wichtigste – eine Zukunft wird ermöglicht, damit auch in ein paar Jahrzehnten für die heute jungen Leute noch freie Lebensentwürfe gelebt werden können. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.54


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Finanzen. – Herr Bundesminister, ich erteile es Ihnen und mache darauf aufmerksam, dass Ihre Redezeit 10 Minuten nicht überschreiten soll. Bitte, Herr Bundesminister.


9.54.57

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Zunächst einmal darf ich allen neuen und wieder angelobten Bundes­rätinnen und Bundesräten gratulieren. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit und spannende und hoffentlich sachliche Debatten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Bun­desrätin Schumann.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Beginn der Krise haben wir hier im Bun­desrat auch immer wieder die Möglichkeit gehabt, die Arbeit der Bundesregierung zu diskutieren. Daher wissen Sie auch, dass es uns in der Bundesregierung immer darum gegangen ist, an vorderste Stelle die Gesundheit und die Arbeitsplätze zu stellen und die Unternehmen in Österreich möglichst gut durch diese Krise zu begleiten. Das oberste


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Ziel ist natürlich völlig klar, nämlich möglichst alles zu tun, damit möglichst wenige Men­schen an diesem Virus sterben, damit wir die Infektionszahlen nach unten bekommen und auf weitere Sicht Arbeitsplätze erhalten und Unternehmen durch diese Krise be­gleiten.

Für einen Lockdown, wie er eben notwendig ist, um diese Ziele zu erreichen, gibt es natürlich aus wirtschaftspolitischer Sicht keinen guten oder keinen richtigen Zeitpunkt, und vor allem im anlaufenden Weihnachtsgeschäft ist das für viele Unternehmerinnen und Unternehmer besonders hart, weil das in manchen Bereichen die umsatzstärkste Zeit im Jahr ist, zum Beispiel im Handel, aber auch in vielen Gebieten für die Hotellerie und die Beherbergung, etwa in den Skigebieten.

So schmerzhaft es ist, das ist notwendig, um die Möglichkeit zu haben, die Wintersai­son 2021 noch zu einem Gutteil zu retten und hoffentlich ab Jänner wieder Tourismus zulassen zu können. Die Notwendigkeit und Richtigkeit dieses Lockdowns bestätigte auch der IHS-Chef Martin Kocher am 16.11. in der Presse, dort sagte er zum damaligen Lockdown: „Die Alternativen sind schlechter als das, was jetzt passiert“.

Wir haben heuer bereits in sehr großem Umfang umfassende Hilfen für die Wirtschaft zur Verfügung gestellt: Kurzarbeit, Garantien, Stundungen bis hin zu Direkthilfen für Här­tefälle. In Summe sind 27 Milliarden Euro rechtsverbindlich zugesagt und zum Teil be­reits geflossen.

Ich darf Ihnen ein paar Zahlen zu den verschiedenen Hilfsinstrumenten nennen: Beim Fixkostenzuschuss Phase eins ist ein Gesamtvolumen von 625 Millionen Euro bean­tragt, davon sind bereits fast 400 Millionen Euro ausbezahlt worden. Beim Fixkostenzu­schuss Phase zwei, der aufgrund der Kommissionsvorgaben mit 800 000 Euro ge­deckelt werden musste, sind seit Beantragungsmöglichkeit Anfang letzter Woche über 800 Anträge mit einem Volumen von fast 10 Millionen Euro eingegangen.

Für die geschlossenen Betriebe haben wir uns dafür entschieden im November, den sogenannten Umsatzersatz aufzusetzen, weil die schwierige Situation gerade Richtung Jahresende auch darin besteht, das Weihnachtsgeld für die Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter zu zahlen, und das in einer ohnehin schon schwierigen Bilanz im Jahr 2020.

Klar ist natürlich: Jedes Instrument, das schnell und unbürokratisch funktioniert, hat die Frage der Treffsicherheit und die Frage der Abwägung und gewisse Grauzonen. Wir haben uns dieses Mal aber dafür entschieden, diesen Weg zu gehen, weil eben die Si­tuation herausfordernd ist. Wir haben in den ersten drei Wochen der Beantragungsmög­lichkeit dieses Umsatzersatzes insgesamt 71 800 Anträge mit einem Gesamtvolumen von 1,6 Milliarden Euro erhalten. Davon sind bereits fast 900 Millionen Euro ausbezahlt. Im Laufe dieser Woche wird dieser Betrag auf circa 1,2 Milliarden Euro steigen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Bei diesen beiden Instrumenten, also dem Fixkostenzuschuss und dem Umsatzersatz, sind insgesamt Anträge mit einem Volumen von mehr als 2 Milliarden Euro eingegangen, wovon mehr als 1 Milliarde Euro bereits an Unternehmen geflossen ist.

Es ist oft angesprochen worden, was es zu verbessern gäbe, wo es Lerneffekte gibt, und ich darf diesbezüglich auch den Vergleich zu Deutschland, der ja jetzt auch von vielen Vorrednern gemacht worden ist, wagen: Deutschland hat eine Woche früher als Ös­terreich den Lockdown mit fast identischen Maßnahmen angekündigt, Umsatzersatz 75 Prozent, und bis heute sind diese Hilfen nicht beantragbar. Und wenn man sich durch die deutsche Medienlandschaft liest, dann weiß man, dass wohl erst im Jänner die Gel­der fließen werden. Da sind wir also wesentlich schneller, wesentlich unbürokratischer – das auch als Replik auf viele Kolleginnen und Kollegen, die den internationalen Vergleich gezogen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Zwischenruf des Bundesra­tes Steiner.)


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Weil dieses Instrument gut funktioniert und weil wir aufgrund der Infektionszahlen die Lockdownmaßnahmen verlängern mussten, haben wir uns auch dafür entschieden, den Umsatzersatz für Dezember zu verlängern: 50 Prozent des Umsatzes der im Dezember geschlossenen Unternehmen können ersetzt werden.

Der Dezember ist, wie schon gesagt, für viele Bereiche, die jetzt wieder in Mitleiden­schaft gezogen worden sind, wie zum Beispiel der Beherbergungsbereich, ein besonde­rer Monat. Gerade in den touristischen Gebieten haben viele im November noch gar nicht offen gehabt, das heißt, dort beginnt die Saison für viele erst im Dezember, und daher war es geboten, da auch eine Maßnahme zu setzen, die über den Fixkostenzu­schuss Phase zwei hinausgeht, der ja die eigentliche Kompensation für wirtschaftlich schwierige Zeiten darstellt. (Beifall bei der ÖVP.) Deswegen eben auch die Maßnahme, dass vom 7.12. bis zum 31.12. dieser Umsatz kompensiert wird. Die Beantragung er­folgt – wie bisher bewährt – über Finanzonline. und das kann ab 16.12., das heißt, ab Ablauf der Frist für all jene, die jetzt antragsberechtigt sind, beantragt werden. Die Mehr­kosten für das Budget betragen circa 1 Milliarde Euro.

Der Umsatzersatz ist natürlich eine sehr großzügige und unbürokratische Ad-hoc-Maß­nahme. Es war nie geplant, dass diese Maßnahme bis in den Juni verlängert wird, wo ja viele Maßnahmen noch laufen, sondern immer nur vorübergehend. Deswegen endet dieser Umsatzersatz auch mit 31. Dezember.

Parallel dazu arbeiten wir aber daran, dass all jene Hilfen, die von der Kommission ge­nehmigt werden, auch im Dezember noch beantragt werden können. Es gibt ja bei­spielsweise seit Kurzem die Möglichkeit – und daran arbeiten wir gerade – einer Verlust­abdeckung bis zu 3 Millionen Euro für den gesamten Beantragungszeitraum September bis Juni. Diese wird hoffentlich auch breit in Anspruch genommen, weil es bis dato sei­tens der Kommission das größte zur Verfügung gestellte Volumen ist – das wird mit ös­terreichischem Steuergeld an österreichische Unternehmen ausbezahlt. Dennoch set­zen wir uns dafür ein, dass dieser Fixkostenzuschuss nicht nur heuer schon beantragbar wird, sondern dass wir auch weiter seitens der Kommission Möglichkeiten bekommen, die Hilfen zu erhöhen, denn der 800 000-Euro-Deckel ist gerade für viele mittlere und große Unternehmen zu gering. Deswegen hatte ich auch gestern eine Videokonferenz mit meinem Kollegen Olaf Scholz und am Freitag eine solche mit meinem Kollegen Altmaier aus Deutschland, bei denen wir genau darüber sprechen, wie wir uns gemein­sam dafür einsetzen können, dass die Grenzen für diese Hilfen von der Kommission erhöht werden, um diesbezüglich den Unternehmen, die es betrifft, weiter helfen zu kön­nen.

Lassen Sie mich abschließend noch auf einen weiteren Punkt eingehen, der hier im Bundesrat auch oft diskutiert worden ist, nämlich auf die Frage der Transparenz der Co­ronahilfen, auf die Frage der Daten, die wir Ihnen seitens der Regierung und seitens des Finanzministeriums zur Verfügung stellen dürfen. Es hat ja in der letzten Sitzung auch eine Debatte darüber gegeben, welche Daten dem Parlament zum Thema Kommunalin­vestitionsgesetz und Gemeindemilliarden zur Verfügung gestellt werden.

Wir haben auf diese Kritik Rücksicht genommen und haben im aktuell im Nationalrat zur Beschlussfassung liegenden COVID-19-Transparenzgesetz weitere Adaptierungen vor­genommen, um eben auch die datenschutzrechtlichen Bedenken, die es bis dato gege­ben hat, auszuräumen. Das heißt, künftig werden bei Berichten zum Vollzug des Kom­munalinvestitionsgesetzes, die Sie auch alle erhalten werden, folgende Informationen enthalten sein – ich zitiere –:

„[...] Gemeinden und Gemeindeverbände, die einen Antrag auf Zweckzuschuss gestellt oder erhalten haben;

[...] Gemeinden und Gemeindeverbände, deren Antrag abgelehnt oder zur Verbesse­rung zurückgestellt wurde;


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[...] Investitionsprojekte (Art. Investitionsvolumen, Projektbeginn) für die Anträge gestellt oder für die ein Zweckzuschuss gewährt wurde.“

All diese relevanten Angaben zum Gemeindepaket können ab 1.1.2021 öffentlich ein­sehbar sein, und damit kommen wir auch einer wesentlichen Forderung des Bundesra­tes nach. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.04


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren TeilnehmerInnen nun in der zweiten Runde der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Mi­nuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


10.04.55

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und zu Hause! Für die Gesundheit der Menschen – „Gemeinsam aus der Krise: Aus Verantwortung für Arbeitsplätze und Unternehmen“, aber vor allem für die Menschen.

Unser oberstes Ziel in diesem System ist die Verhinderung eines Kollapses des Gesund­heitssystems. Es darf nicht sein, dass ein Arzt entscheiden muss, wer ein Intensivbett bekommt und wer nicht.

Es müssen in dieser Zeit auch andere notwendige Operationen oder Behandlungen durchgeführt werden, und auch da ist es wichtig, dass genug Intensivbetten vorhanden sind.

Natürlich tut der Lockdown gerade vor dem anlaufenden Weihnachtsgeschäft sehr weh. Das Match zwischen Versandhandel und stationärem Handel muss entsprechend ge­staltet werden, damit da keine Nachteile entstehen. Es gibt sehr viele Hilfen, und Gott sei Dank ist garantiert, dass diese Hilfen aus dem Budget 2020, in dem noch genug Mittel vorhanden sind, bezahlt werden können.

Die Lockdownauswirkungen für 2021 werden vom Wifo mit rund 3 Prozent des BIPs pro­gnostiziert, und die Schuldenquote wird laut Wifo auf 88 Prozent steigen. Diesen Schul­denstand hatten wir auch schon 2015, und wir haben es geschafft, von 2015 bis 2020 doch eine beträchtliche Menge an Schulden abzubauen. Ich denke, dass das mit einer vernünftigen und gut gestalteten Wirtschaftspolitik auch nach Corona wieder gelingen wird.

Einkommensteuer, Lohnsteuer und Umsatzsteuer sind die Steuern, die den größten Pott ausmachen und sich direkt auf die Ertragsanteile der Gemeinden auswirken. Im Jahr 2020 ist es möglich gewesen, über das Investitionspaket für die Gemeinden den Ertragsanteilsentfall für die meisten Gemeinden zu kompensieren.

Wir haben Maßnahmen wie Kurzarbeit, die ein wesentlicher Garant für den Erhalt der Arbeitsplätze ist, den Härtefallfonds, der uns eine schnelle Hilfe garantiert, und die Um­satzsteuersenkung speziell für die Gastronomie, und wir hoffen, dass diese im nächsten Jahr wieder einen sehr guten Start hinlegen kann.

Ähnliche Maßnahmen gibt es auch in anderen Ländern, wobei in Österreich das groß­zügigste Modell in Relation zur Einwohnerzahl aufgestellt wurde. Wir haben dafür zum Beispiel zweimal so viele Mittel budgetiert wie Deutschland. Die Auszahlung ist auch deutlich höher. Wir haben momentan in Relation zur Einwohnerzahl bereits doppelt so viel ausbezahlt wie andere Länder.


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Der Fixkostenzuschuss Phase zwei steht im Raum – hier kommt die EU-Genehmigung, und es sind da, wie schon der Herr Minister gesagt hat, 800 000 Euro oder in Zukunft bis zu 3 Millionen Euro möglich. Ich denke, das sind brauchbare Hilfen, um die Arbeits­plätze zu erhalten.

Für den Umsatzentgang während des Lockdowns gibt es ein neues Instrument. Da muss man unterscheiden zwischen Dingen, die verderblich sind oder die nicht wieder herge­stellt werden können oder zum Beispiel Dienstleistungen, wie bei Friseuren, die eben 80 Prozent bekommen, und einem Möbelhändler, der nur 60 Prozent bekommt. Die Dienstleistung kann ja leider nicht nachgeholt werden und verderbliche Produkte können nicht später verkauft werden, somit muss man da eine unterschiedliche Entschädigung vornehmen.

Die geschätzten Werte stellen grobe Richtwerte dar und sollen das Gröbste und die größten Schäden verhindern, damit es nach dem Lockdown wieder weitergeht. Allein beim Umsatzersatz und bei den unterschiedlichen Fixkostenzuschüssen ist mehr als 1 Milliarde Euro an die österreichischen Unternehmen geflossen. Unser Kanzler und du, Herr Minister, sowie die ganze Regierung, ihr habt euch sehr bemüht und versucht, zu helfen, wo es nötig ist.

Ganz wichtig ist auch, dass die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, dass die Hilfe ankommt und somit das Einkommen und in der Wirtschaft die Arbeitsplätze gesichert sind. So werden wir, denke ich, gut aus der Krise kommen. – Danke und bleiben Sie gesund! (Beifall bei der ÖVP.)

10.09


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich begrüße ganz herzlich Herrn Bundes­minister Rudi Anschober, der in der Zwischenzeit auf der Regierungsbank Platz genom­men hat. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


10.09.57

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Ja, der Geist, der durch diese Hallen hier hallt, sagt die ganze Zeit: „Koste es, was es wolle“! – Das ist das, was wir hören. Mir kommt es ein bisschen so vor, ich habe das Bauchgefühl: „Koste es, was es wolle“ – ja, dann, wenn es um das eigene PR-Budget dieser Regierung geht, aber nicht, wenn es um die fleißigen Leis­tungsträgerinnen und Leistungsträger in diesem Land geht, nicht, wenn es um die Schu­len, um die Kinder geht, und nicht, wenn es um unsere Gemeinden geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Welche Perspektiven – weil ja auch die Arbeitsplätze im Titel über dieser Debatte ste­hen – hat denn die Jugend in unserem Land? Diesbezüglich sehe ich richtig schwarz für die jungen Menschen, für Lehrlinge, Maturanten – es gibt eine Arbeitslosigkeit, wie es sie seit dem Zweiten Weltkrieg hier bei uns nicht gegeben hat – oder Studenten, die den Nebenjob verloren haben, die oft in der Gastronomie tätig sind, ihr Studium mit Neben­jobs finanzieren, das Wohnen damit bezahlen, das Essen davon kaufen. Diese Rekord­arbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen ist dramatisch. Wir haben in Salzburg 37 Pro­zent; zehn, 20, 30 Bewerbungsschreiben – sinnlos, wirklich für die Ablage, weil sie nicht zum Erfolg führen.

Wo sind die konkreten Maßnahmen, um eine Generation Corona auf dem Arbeitsmarkt abzuwenden? Wo sind die Perspektiven für jene jungen Leute, die im Frühjahr sofort aufgesprungen sind, die sofort eine Bürgerinitiative, Gruppen formiert haben, um für die Älteren einkaufen zu gehen? Wo sind die Perspektiven für diese jungen Menschen?


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Aber nicht nur das, bleiben wir einmal in den Gemeinden: Was passiert denn in den Ländern und in den Gemeinden, denen das Geld ausgeht? – Schwimmbäder, Sport­plätze, Vereinshäuser, zum Beispiel für die Trachtenmusikkapelle, werden nicht mehr gebaut oder nicht mehr standardgemäß modernisiert werden, und das betrifft die, die so viel zu unserer Tradition, und das Ganze auch noch ehrenamtlich, beitragen. Die Ge­meinden würden investieren – sie würden investieren in eine moderne Infrastruktur in den Schulen, eine sogenannte Digitalisierungsoffensive, in thermische Sanierungen, was dem Umweltschutz natürlich zugutekäme, vielleicht auch in einen Neubau beim Recyclinghof; und Sie haben nicht mehr als einen ganz, ganz guten Tipp für die Bürger­meisterinnen und Bürgermeister übrig: Na nehmt doch einfach Schulden auf!

So leicht ist das aber nicht, das muss man auch einmal sagen! Kollege Kollross hat Ihnen das im Nationalrat aber ohnehin schon erklärt, darauf brauche ich nicht näher einzuge­hen.

Ihr eigener ÖVP-Bürgermeister aus St. Johann, Gemeindeverbandpräsident Günther Mitterer, hat selber gesagt, wir haben es heute schon gehört: Die Gemeinden brauchen frisches Geld und nicht zweckgebundenes Geld. Sie wollen dort für eine ordentliche Wasserversorgung bis Flachau sorgen, und damit machen Sie ihnen das Leben nicht leichter.

Wissen Sie, was mir auffällt? – Dieser Regierung fehlt es an Empathie, an Einfühlungs­vermögen für die fleißigen Menschen in diesem Land. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Da schlage ich in die gleiche Kerbe wie ein Journalist einer großen österreichischen Tageszeitung: Es fehlt, Empathie für die Menschen aufzubringen, die jeden Tag hart arbeiten, die vielleicht Angst um ihren Job haben, die traurigerweise in dieser furchtbaren Pandemie, in dieser Krise ihren Job sogar verloren haben. Wo spiegelt sich dieses feh­lende Einfühlungsvermögen wider? – Na ganz klar, richtig: in den Zahlen beim PR-Bud­get. 180 Millionen Euro, das stocken Sie gleich einmal um 30 Millionen auf, auf 210 Mil­lionen Euro! – Millionen, die man zum Beispiel in 10 000 zusätzliche Lehrstellen in Ge­meinden hätte stecken können, in Jobs in der Region, da hätte man aktiv etwas gegen diese Jugendarbeitslosigkeit getan, sehr geehrter Herr Minister. Warum gibt es dafür keine Unterstützung?

Nehmen wir wieder nur die 30 Millionen: Das wären 30 000 Laptops für Schülerinnen und Schüler. Ja, Sie starten ein Investitionspaket ab der 5. Schulstufe, das ist gut so, aber was ist mit den Volksschulen, denn die Schulerhalter allein sind nicht dafür zu­ständig?

Noch ein kleines Rechenbeispiel. Was hätte man mit 210 Millionen Euro noch tun kön­nen? So viel kostet ein Sportzentrum mit Fußball- und Trainingsplätzen samt Beachvol­leyballplatz oder zum Beispiel ein Hallenbad mit Kinderbecken und 6x25-Meter-Becken, und so weiter.

Wissen Sie, was die häufigste Todesursache bei Kindern ist? – Das Ertrinken. Dagegen etwas zu tun wäre ganz, ganz wichtig. Mit 210 Millionen Euro könnte man zum Beispiel 21 Hallenbäder in ganz Österreich bauen, so hoch ist Ihr PR-Budget! Sie haben sich aber lieber dafür entschieden, 8 500 Mal ein ganzseitiges Inserat in einer österreichwei­ten Tageszeitung zu schalten.

Sie verteilen in der größten Gesundheits- und Wirtschaftskrise dieses Landes Milliarden für die Milliardäre, Herr Minister. Warum setzen Sie sich nicht dafür ein, dass Amazon und die anderen Internetriesen ihren Beitrag jetzt und hier und sofort leisten? (Beifall bei der SPÖ.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Herr Bundesrat, die 5 Minuten sind um. Bitte kommen Sie zum Schlusssatz!



BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 26

Bundesrat David Egger (fortsetzend): Laden Sie die Last und die Schulden nicht auf den Schultern der Jugend ab, nicht auf den Schultern der jungen Familien, der fleißigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger und nicht auf den Pensionistinnen und Pen­sionisten dieses Landes! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrä­tin Steiner-Wieser.)

10.15


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


10.15.40

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kollegen! Verehrte Zuhörer vor den Bildschirmen! „Gemein­sam aus der Krise: Aus Verantwortung für Arbeitsplätze und Unternehmen“, so lautet der Titel der heutigen Aktuellen Stunde, die von der ÖVP initiiert – richtigerweise müsste man sagen, wieder einmal inszeniert – worden ist. Aber wenn die ÖVP von Verantwor­tung gegenüber Arbeitsplätzen und Unternehmen spricht, so ist das eine Chuzpe, die dem Fass geradezu den Boden ausschlägt; und von den Grünen als Trittbrettfahrern in dieser Regierung rede ich jetzt gar nicht, denn für sie sind Betriebe und Unternehmen sowieso nur dann interessant, wenn sie sie unter dem Deckmantel der Klimahysterie mit neuen Auflagen geißeln können. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber Sie von der ÖVP waren und sind es, die für den Kollateralschaden für die österrei­chische Wirtschaft verantwortlich sind, denn Sie haben mit Ihren teils abstrusen Maß­nahmen das Land an die Wand gefahren. Sie sind und waren es, die die Existenzen von kleinen und mittleren Betrieben in Österreich auf dem Gewissen haben, weil Sie das Epidemiegesetz ausgehebelt und damit diesen Unternehmen und somit Arbeitgebern und Arbeitnehmern den rechtlichen Anspruch entzogen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie von der ÖVP waren und sind es, die den Unternehmen seit Monaten die Planungs­sicherheit rauben und gleichzeitig Hilfspakete wie im ersten Lockdown entwickelt haben, die aufgrund ihrer Komplexität und Bürokratie zielgenau vorbeischießen; ich kenne ge­nug, die bis heute nicht mehr als 500 oder 1 000 Euro erhalten haben.

Jetzt kommen Sie mir mit „Gemeinsam aus der Krise“! Das erinnert mich schon sehr an Pyromanie. Jetzt müssen wir alle gemeinsam löschen, was Sie allein angezündet haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zeidler-Beck.)

Frau Kollegin, wo waren Sie denn, als es darum gegangen ist, die Vorschläge der Oppo­sition – ich weiß, das gibt es in einer Messias-ÖVP nicht –, unsere Vorschläge für die Krisenbewältigung mit einfließen zu lassen? Was wurde denn aus unseren Anträgen zu den Themen Arbeitsmarkt und Wirtschaft, die rasch und zielgerichtet helfen sollten? – Ich kann Ihnen hier ein paar in Erinnerung rufen: unbürokratische Abwicklung der Hilfs­fondsauszahlungen über das Finanzamt, nicht über die Wirtschaftskammer, volle Ent­schädigung für behördlich geschlossene Unternehmen, 1 000-Euro-Gutschein für öster­reichische Staatsbürger zur Stärkung unserer heimischen Wirtschaft, adaptierte Wieder­einführung des Blum-Bonus für unsere Lehrlinge oder der Verweis auf die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Verhinderung von Massenkündigungen und zum Erhalt von Ar­beitsplätzen. Diese Liste könnte ich noch vielfach fortsetzen, aber, richtig: Diese Vor­schläge wurden allesamt von Ihnen abgelehnt!

Jetzt appellieren Sie an die Gemeinsamkeit, und wer damit gemeint ist, wissen wir auch: alle – alle Steuerzahler! Jene Steuerzahler, die gerade unter die Räder Ihres schwarz-grünen Sozialabbauprogramms geraten sind, indem Sie ihnen als Leistungsträger die abschlagsfreie Pension nach 45 Jahren genommen haben, jene Steuerzahler, die als Arbeitgeber und Arbeitnehmer fleißig für unser Land arbeiten und nunmehr durch Ihre Politik vielfach vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, und jene Steuerzahler, denen


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 27

Sie die Kindererziehungszeiten zwar nicht für die Pension anrechnen, ihnen dafür aber die Pensionen entsprechend kürzen werden müssen, weil es sich finanziell sonst irgend­wann nicht mehr ausgehen wird. Ja, und es sind auch jene Steuerzahler, denen Sie eine Steuerreform versprochen haben; Sie als Finanzminister haben aber wieder einmal ver­gessen, diese budgetär abzubilden. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schachner.)

Jetzt glaube ich Ihnen schon, dass Sie als ÖVPler oder auch Sie als Finanzminister im Elfenbeinturm des Ministeriums zu den Ängsten und Themenstellungen der Bevölke­rung, wie halt in anderen Bereichen, keine Wahrnehmung haben. Es ist ja auch schwer, eine Verbindung zu denen nach unten aufzubauen, wenn man, so wie jetzt, ständig am Handy mit dem Messias da oben verbunden ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber dann sprechen Sie bitte nicht von der Verantwortung, denn der einzige Zugang, den Sie zur Verantwortung haben, ist, dass Sie sich aus ihr stehlen!

Das einzige Mal, als ich in letzter Zeit gedacht habe, ja, jetzt wird Verantwortung über­nommen, war, als die Frau Arbeitsministerin gesagt hat, sie hat schon ihre Koffer ge­packt. – Das war an und für sich wirklich ein gutes Zeichen, aber auch da haben wir sehen müssen, es war leider kein Versprechen, sondern nur ein Versprecher. Auch sie passt ja gut in dieses Regierungskollegium: ebenso keine Lösungen für den Arbeitsmarkt wie die Frau Wirtschaftsministerin keine Lösungen für die Wirtschaft hat, sie glänzt le­diglich gerade wieder einmal mit einem Rohrkrepierer à la Kaufhaus Österreich.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Herr Kollege, die 5 Minuten sind um. Ich bitte um den Schlusssatz!


Bundesrat Josef Ofner (fortsetzend): Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin: So­mit bestätigt sich in dieser Krise wieder einmal das Regierungsmotto, das Messias-Mot­to dieser Regierung: Keine Kompetenz und wenig Ahnung, dafür viel Inszenierung und Schmäh, das ist die neue ÖVP! (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesra­tes Steiner.)

10.21


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


10.21.34

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Das Coronavirus hat die ganze Welt und Österreich binnen kürzester Zeit auf den Kopf gestellt und hält uns nach wie vor in Atem. Neben der Ge­sundheitskrise und den damit verbundenen menschlichen Tragödien sind die Auswir­kungen auf die Wirtschaft und die Arbeitsplätze enorm.

Seit März 2020 erleben wir, dass die Wirtschaft in Österreich massiv eingebrochen ist und die Arbeitslosigkeit dementsprechend massiv gestiegen ist. Tatsächlich waren im November 457 000 Menschen arbeitslos gemeldet, das sind rund 91 000 mehr Men­schen ohne Job als im November des Vorjahres. Somit liegt die Arbeitslosenquote mitt­lerweile bei 9,5 Prozent. 276 000 Menschen sind zusätzlich in Kurzarbeit.

Nach der zeitlich empfindlichen und raschen Verteilung von ersten Hilfspaketen, um das Gesundheitswesen zu stärken, Betriebe erfolgreich vor der Pleite zu retten und Arbeits­plätze zu erhalten, wechselt nun der politische Fokus in die mittlere und lange Frist, auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau und die Schaffung von Arbeitsplätzen in großem Stil. Ich sehe es so, dass die Coronakrise einen Scheideweg für die künftige Ausrichtung der heimischen Wirtschaft darstellt. Wie der Wiederaufbau infolge der Coronakrise gestaltet wird, ist somit nicht nur entscheidend für die heimischen Unternehmen und Arbeitnehme­rInnen, sondern auch wegweisend für Österreichs zukünftige Krisenfestigkeit.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 28

Dabei gilt es eine sozial-ökologische Strategie sowie ein entsprechendes Maßnahmen­paket zu erarbeiten, um die durch die Covid-19-Pandemie schwer getroffenen Unterneh­men klima- und auch zukunftsfit zu machen. Wird der Fokus auf Klimaschutz, Gesund­heit und soziale Fragen gerichtet, machen wir unsere Gesellschaft in Zukunft krisensi­cherer. Werden heute falsche Entscheidungen getroffen, die fossiles Wachstum über Jahre und Jahrzehnte hinweg einzementieren, dann haben wir nicht nur eine einzigarti­ge, sondern auch die letzte Chance verpasst, die Klimakrise in den Griff zu bekommen.

Daher ist es höchst an der Zeit, die durch die Covid-19-Pandemie verursachte Verschär­fung der Krise in manchen Branchen konstruktiv und zukunftsorientiert zu nutzen und Produkte auf klimafreundliche und innovative Zukunftstechnologien umzustellen, bevor weitere Insolvenzen und Schließungen drohen.

Das erfordert mutige und vorausschauende Schritte. Hersteller und Zulieferer müssen ihre Produkte und Produktionen entsprechend weiterentwickeln und verändern, um auch langfristig erfolgreich bleiben zu können. Das bedeutet auch für die ArbeitnehmerInnen, die unmittelbar in der Produktion beschäftigt sind, natürlich eine große Umstellung.

Um hinsichtlich der zu erwartenden Änderungen und möglichen Strategien einen sozial-ökologischen Übergang zu erreichen, lohnt sich ein Blick nach Deutschland. Dort gibt es mit dem Stein- und Braunkohleausstieg zwei aktuelle Beispiele für sinnvolle und nach­haltige Übergangspolitik. In beiden Fällen sind die Vermittlung in gleichwertige Jobs und Requalifizierungsmaßnahmen für jüngere Beschäftigte sowie Programme für die regio­nale Entwicklung zentrale Maßnahmen, um die kohleabhängigen Wirtschaftsregionen umzubauen. So wird etwa im Ruhrgebiet, einst bekannt für Kohle und Stahl, regionale Entwicklung in der sogenannten Knowledge Economy und im Tourismus vorangetrieben.

Zweifelsohne muss jede Lösung, die wir erarbeiten, mit den Sozialpartnern ausgehan­delt werden. Die Zeit drängt, denn der Klimawandel wird auch in Österreich von Jahr zu Jahr stärker spürbar. Es liegt daher auch an der Politik und der Zivilgesellschaft, gemein­sam mit den SozialpartnerInnen bisherige Fehler nicht zu wiederholen. Keinesfalls darf ein Umbau klimaschädlicher Industrien im Namen der Arbeitsplatzsicherung weiter hi­nausgezögert werden, nur um kurzfristig Arbeitsplätze zu sichern, die auf lange Sicht ohnehin nicht erhalten werden könnten. Vielmehr müssen Politik und Sozialpartner ge­meinsam die sozial-ökologische Transformation aktiv im Interesse der Beschäftigten mit­gestalten. Das sollte unser Weg sein. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.26


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karl Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


10.27.00

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die ak­tuelle Wirtschaftskrise als Folge der Covid-19-Pandemie stellt Unternehmen vor schwie­rige Herausforderungen. Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen schnelle und unbürokratische Hilfe sowie Verlässlichkeit, die über die Geltungsdauer der aktuellen Verordnung weit hinausgeht. Die Maßnahmen der Bundesregierung erfolgen mitunter stark verspätet. Ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen, inklu­sive allfälliger zukünftiger Entwicklungen, fehlt komplett. (Vizepräsidentin Grossmann übernimmt den Vorsitz.)

Folgende Punkte sollten jedenfalls Teil eines solchen Gesamtkonzeptes sein: erstens: den von der EU gewährten Rahmen voll ausschöpfen. Das EU-Beihilfenrecht ermöglicht eine Hilfe basierend auf drei Säulen, um Unternehmen zu stützen. Zwei Säulen können jederzeit zur Verfügung stehen, eine Säule könnte zur Verstärkung aufgestellt werden, falls es, wie aktuell, zu Betretungsverboten, de facto also Betriebsschließungen, kommt.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 29

Es gilt daher, so rasch wie möglich das gesamte Beihilfenrecht auszunutzen und einen Fixkostenzuschuss auch nach Art. 107 Abs. 2 lit. b für den Fall von Betriebsschließun­gen umzusetzen. Unternehmen, die behördlich geschlossen werden, wissen, dass sie für diese Zeit mit einem Verlustausgleich rechnen können. Weitere Betretungsverbote sollen tunlichst verhindert werden. Trotzdem sollen in rechtzeitigen Gesprächen mit der Europäischen Kommission Hilfen vorbereitet werden, um bei einer Schließung schnell handeln zu können.

Durch den Fixkostenzuschuss Phase zwei wissen Unternehmen, wie stark ihre Verluste kompensiert werden. Das ist ein essenzielles Vertrauenssignal. Die Zeit drängt, weil es mit dem 31.12. einen neuen Bilanzstichtag gibt und man keinen unsicheren Anspruch auf den Fixkostenzuschuss in der Bilanz einstellen kann.

Zweiter Punkt: eine rasche Hilfe. Es ist entscheidend, den Fixkostenzuschuss Phase zwei nachhaltig und rasch aufzusetzen. Bis zum Jahresende sollte klar sein, wie mit Verlusten und Schließungen umgegangen wird. Unternehmen brauchen aber auch Klar­heit, wie die Verluste seit der ersten Maßnahmenverordnung cashwirksam kompensiert werden, wenn ihnen Aufträge weggebrochen sind. Der Fixkostenzuschuss soll sowohl für den Fall von Schließungen als auch für den Fall des theoretischen Aufsperrendürfens wirken. Es werden sich zwar je nachdem die beihilfenrechtlichen Möglichkeiten ändern, aber es darf sich für Unternehmen der Behördenweg und das Instrument nicht ändern.

Der dritte Punkt ist eine rechtliche Neugestaltung des Homeoffice, der wirksamsten Re­duktion sozialer Kontakte im Arbeitsumfeld. In der Covid-Krise hat sich gezeigt, dass Homeoffice in Österreich in weiten Teilen noch nicht geregelt ist und daher in der Pra­xis zahlreiche Fragen offen sind. Da braucht es jetzt Maßnahmen und nicht erst im März 2021.

Unter anderem müssen folgende Punkte überarbeitet werden: erstens: eine Reform des Arbeitsrechts, um eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit zu ermöglichen. Zweitens: Das Steuerrecht ist ebenfalls nicht auf der Höhe der Zeit. Die Aufwendungen für ein Arbeitszimmer im Wohnungsverband sind nur unter besonderen Bedingungen steuerlich relevant; auch Einrichtungsgegenstände des Arbeitszimmers können nicht steuerlich geltend gemacht werden.

Als weiteren Punkt braucht es ein Reformpaket, um mit Turbo aus der Krise zu kommen. Es umfasst unter anderem eine langfristige Senkung der Abgabenlast, die Einführung einer GmbH Zero und einen umfassenden Dialog über eine dringende Reform der Ge­werbeordnung mit allen Stakeholdern, also Unternehmen, Verbänden und Parteien, die Einrichtung eines One-Stop-Shops, eine Reform der Lehre sowie deutlich höhere Inves­titionen in die digitale Präsenz vor allem von KMUs.

Um tatsächlich gemeinsam aus der Krise zu kommen, braucht es ein Mindestmaß an Planungssicherheit. Diese schafft Vertrauen und Vertrauen ist der Schmierstoff der Wirt­schaft. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

10.31


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke, Herr Bundesrat.

Wie mir mitgeteilt wurde, verzichtet der Herr Bundesminister auf eine weitere Stellung­nahme.

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet, und wir werden nun noch eine Angelobung nach­holen.

10.32.00Angelobung


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der vom Wiener Landtag nominierte Kol­lege Wolfgang Beer ist mittlerweile eingetroffen. Ich darf nun die Angelobung vornehmen


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 30

und zu diesem Zweck die Schriftführerin bitten, die Gelöbnisformel zu verlesen. Die An­gelobung wird mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Bitte. (Alle Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)


Schriftführerin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehr­te Frau Präsidentin! Ich verlese jetzt die Gelöbnisformel für die Mitglieder des Bundes­rates: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissen­hafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Bundesrat Wolfgang Beer leistet die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich begrüße das wiedergewählte Mit­glied des Bundesrates Wolfgang Beer ganz herzlich in unserer Mitte und freue mich auf eine weitere gute Zusammenarbeit. (BundesrätInnen der SPÖ sowie die Bundesräte Steiner und Schreuder gratulieren Bundesrat Beer. – Allgemeiner Beifall.)

10.33.13Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfäl­tigten und verteilten Anfragebeantwortungen, jener Verhandlungsgegenstände, die ge­mäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegen, und der Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsge­setz verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographi­schen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 32)

2. Eingelangte Verhandlungsgegenstände, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegen

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 2019 (III-137/443 d.B.)

und

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanzinstitu­tionen (IFI Beitragsgesetz 2020) erlassen und das Bundesschatzscheingesetz geändert wird (410 d.B. und 444 d.B.)

und


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 31

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (380 d.B. und 449 d.B.)

und

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 erlassen wird – BFRG 2021-2024 (381 d.B. und Zu 381 d.B. sowie 448 d.B.)

sowie

Beschluss des Nationalrates vom 26. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 erlassen wird – BFRG 2021-2024 (484 d.B. und Zu 484 d.B. sowie 485 d.B.)

3. Schreiben des Landtages

Schreiben des Wiener Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates (Anlage 2)

4. Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG

Nominierung von Frau Bürgermeisterin Bernadette Schöny, BA zum stellvertretenden Mitglied im Ausschuss der Regionen (Anlage 3)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Jahresbericht 2019 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz, vorgelegt vom Bundeskanzler
(III-729-BR/2020)

zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus

und

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbe­richt 2019) (III-730-BR/2020)

zugewiesen dem Ausschuss für innere Angelegenheiten

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BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 32

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BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 33


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 34

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BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 35


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 36


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 37


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 38


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 39


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BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 41


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 42


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 43

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BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 44

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die Wahl von Schrift­führern/Schriftführerinnen und Ordnern/Ordnerinnen für den Rest des 2. Halbjahres 2020 und die Wahl von Ausschüssen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3 unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Bevor wir in die Tagesordnung einge­hen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Totalversagen der schwarz-grünen Bundesregierung“ an den Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Fristsetzungsanträge


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kolle­gen einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht haben, wonach dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zur Be­richterstattung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Verbraucherbehördenkooperationsgesetz, das Te­lekommunikationsgesetz 2003 und das Wettbewerbsgesetz geändert werden, eine Frist bis 5. Dezember 2020 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Weiters vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht haben, wonach dem Ausschuss für Ar­beit, Soziales und Konsumentenschutz zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das All­gemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsge­setz und das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden, eine Frist bis 5. Dezember 2020 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 45

Weiters vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht haben, wonach dem Wirtschaftsaus­schuss über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998, das Ziviltechnikerge­setz 2019 und das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden, eine Frist bis 5. De­zember 2020 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.38.431. Punkt

Wahl von Schriftführer/innen und Ordner/innen für den Rest des 2. Halbjahres 2020


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen zum 1. Tagesordnungs­punkt.

Es liegt mir der Wahlvorschlag vor, Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner zur ersten Schriftführerin und Herrn Bundesrat Wolfgang Beer zum vierten Schriftführer für den Rest des zweiten Halbjahres zu wählen. Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Es wird kein Einwand erhoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest, der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

*****

(Die BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner und Wolfgang Beer nehmen die Wahl an.)

*****

Wir kommen nunmehr zur Wahl zweier Ordnerinnen und Ordner für den Rest des zwei­ten Halbjahres 2020. Es liegen mir die Wahlvorschläge vor, Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling zur zweiten Ordnerin und Herrn Bundesrat Josef Ofner zum dritten Ordner des Bundesrates für den Rest des zweiten Halbjahres 2020 zu wählen. Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Es wird kein Einwand er­hoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesen Wahlvorschlägen ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle auch da die Stimmeneinhelligkeit fest, die Wahlvorschläge sind somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

*****

(Die BundesrätInnen Elisabeth Grimling und Josef Ofner bedanken sich und nehmen die Wahl an.)

*****


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 46

Auch ich danke Ihnen, dass Sie diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen.

10.41.372. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses und sonstiger Förderungen aus Anlass der 100. Wiederkehr des Jahrestages der Volks­abstimmung in Kärnten (Abstimmungsspendegesetz 2020), ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jah­re 2021 bis 2024, ein Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Be­kämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundes­vermögen erteilt werden, ein Bundesgesetz über die Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation im Jahr 2021 und ein Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen (COVID19-Gesetz Armut) erlassen sowie das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Sachverständi­gen- und Dolmetschergesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds, das COVID-19-Förderungsprüfungs­gesetz, das Buchhaltungsagenturgesetz, das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, das Finanzausgleichgesetz 2017, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsge­setz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädi­gungsgesetz 1957, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Be­triebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opfer­fürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Heim­opferrentengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Behinder­teneinstellungsgesetz, das Covid-19-Zweckzuschussgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Universitätsgesetz 2002, das Forschungs­förderungsgesellschaftsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002 und das Luft­fahrtgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2021) (408 d.B. und 440 d.B. sowie 10438/BR d.B. und 10443/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesge­setz über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers und über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager (COVID-19-Lagergesetz-CO-LgG) (441 d.B. sowie 10444/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 2 und 3, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Ich darf Frau Bundesministerin Karoline Edtstadler ganz herzlich in unserer Mitte begrü­ßen. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP, FPÖ und Grünen.)

Berichterstatter zu den Punkten ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Herr Kollege, ich bitte um die Berichte.


10.42.36

Berichterstatter Otto Auer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Meine Herren Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und zu Hause! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Budgetbegleitgesetz für das Jahr 2021.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 47

Die Informationen darüber liegen Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben.

Ich erstatte weiters Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Novem­ber 2020 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Lagers und über die Verfügung über Bundesvermögen bei Abgabe aus diesem Lager.

Alle Informationen dazu haben Sie ebenfalls erhalten, ich komme daher zur Antragstel­lung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Dim. – Bitte, Herr Kollege.


10.44.02

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Herren Minister! Mit dem vorliegenden Budgetbegleitgesetz 2021 sollen weitere Coronahilfen beschlossen und die Kurzarbeit verlängert werden, 33 Ge­setze sollen geändert und fünf neu geschaffen werden.

Ich mache es heute anders, ich fange einmal mit dem Positiven an. Vielleicht habe ich dann ja die ungeteilte Aufmerksamkeit auch der Regierungsbank und nicht wie üblich nur die geteilte Unaufmerksamkeit.

Die Verlängerung der Kurzarbeit bis 31. März 2021 ist arbeitsmarktpolitisch und für die Betriebe sicher ein Segen und gibt den Mitarbeitern zumindest ansatzweise die Gewiss­heit, nach der Krise in einem halbwegs gesunden Unternehmen weiterarbeiten zu kön­nen. Ausdrücklich bedanken möchte ich mich in dem Zusammenhang bei den Mitarbei­terinnen und Mitarbeitern des Arbeitsmarktservices. Auch in Phase drei der Kurzarbeit funktioniert das für die Betriebe wirklich hervorragend. Sie leisten da wirklich eine enga­gierte und wertvolle Tätigkeit. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und Grünen sowie bei BundesrätIn­nen der ÖVP.)

Ebenso positiv ist die Aufstockung des Familienhärtefonds für Familien in Notlagen um weitere 50 Millionen Euro. Allein die Tatsache, dass dieser Fonds nun schon zum dritten Mal aufgestockt werden muss, zeigt aber deutlich, wie viele Familien von der Corona­krise besonders hart getroffen wurden.

Ein Teil des Budgetbegleitgesetzes ist auch die für 2021vereinbarte Pensionserhöhung. Die Regierung beabsichtigt demnach Pensionen unter 1 000 Euro sowie sämtliche Aus­gleichszulagenrichtsätze und Opferrenten im kommenden Jahr um 3,5 Prozent zu erhö­hen. Damit steigt die Mindestpension auf 1 000 Euro, und das ist gut so.

Seit der vom Nationalrat beschlossenen Abschaffung des Pflegeregresses erhalten Län­der und Gemeinden jedes Jahr spezielle Zweckzuschüsse in dreistelliger Millionenhöhe, um die entstandenen Einnahmenausfälle und Zusatzkosten zu kompensieren. Diese Praxis soll laut Budgetbegleitgesetz auch in den Jahren 2021 bis 2024 fortgesetzt wer­den. Demnach werden auch in den nächsten Jahren zusätzlich zum gesetzlich veran­kerten Betrag von 100 Millionen Euro jährlich 200 Millionen Euro an Länder und Gemein­den fließen, die das Geld auch dringend benötigen.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 48

Für die weitere Unterstützung der Non-Profit-Organisationen hat die Regierung für 2021 250 Millionen Euro veranschlagt; der Unterstützungsfonds soll entsprechend aufge­stockt werden. Damit will man die Arbeitsplätze im gemeinnützigen Sektor sichern, wobei neben den klassischen NGOs vor allem Sport- und Kulturvereine und freiwillige Feuer­wehren, aber auch gesetzlich anerkannte Kirchen- und Religionsgemeinschaften an­spruchsberechtigt sind.

Für die Länder und somit für den Bundesrat besonders wichtig ist der Ersatz der coro­nabedingten Aufwendungen. Mit 150 Millionen Euro veranschlagt die Regierung weitere Zahlungen an die Länder, die der Abdeckung außerordentlicher Aufwendungen im Rah­men der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie dienen sollen. Hierbei geht es etwa um Ausgaben für Schutzanzüge oder auch den Betrieb der Hotline 1450.

Problematischer sehe ich hingegen die veranschlagten 230 Millionen Euro für den Co­vid-Impfstoff und die Antigen-Schnelltests. Grundsätzlich ist ja nichts dagegen zu sagen, dass der Staat für die Mitbürger, die sich freiwillig – und ich betone: freiwillig – testen und impfen lassen wollen, den Impfstoff oder die Tests bezahlt. Mein Vertrauen in die Regierung bei der Besorgung der Tests und Impfstoffe – mein Kollege Spanring hat das heute schon angesprochen – geht eher gegen null. Allein die Tatsache, dass der Ein­kaufspreis für die Tests in Österreich im Schnitt 6,70 Euro ausmacht, während die Slo­wakei dafür im Schnitt 4 Euro bezahlt hat, und das bei gleicher Abnahmemenge, zeugt nicht gerade von einem vertrauenswürdigen Beschaffungswesen. Allein dieser Preisun­terschied kostet die Österreicherinnen und Österreicher 27 Millionen Euro.

Was wurde da wieder einmal gemacht? – Zuerst macht man eine Pressekonferenz und hintennach schaut man, wo man die Tests vielleicht herbekommt. Damit steigt natürlich bei den drei Anbietern, die gelistet sind, wieder einmal der Preis. Das kann man eigent­lich nur als Anfängerfehler bezeichnen. Wenn man in einer Handelsakademie den Zu­sammenhang zwischen Marktnachfrage und Preis gelernt hat, dann weiß man, dass eine steigende Marktnachfrage auch den Preis erhöht. Wenn man aber mit einer Pressekon­ferenz anfängt und erst hintennach schaut, wo man das überhaupt herbekommt, dann ist es nicht verwunderlich, dass der Steuerzahler mehr zahlen muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Was bei der Beschaffung des Impfstoffes herauskommt, darüber möchte ich jetzt noch nicht einmal nachdenken.

Jetzt liegt sie also vor, die budgetäre Antwort auf die Coronakrise, ob wir sie uns aber tatsächlich auch leisten können, wie der Herr Finanzminister sagt und glaubt, das wird die Zukunft zeigen. Für die nächsten Jahre bin ich mir sogar fast sicher, aber für die Generationen nach uns habe ich schon meine Bedenken. Mit dem angestrebten Wirt­schaftswachstum und einer begleitenden Niedrigzinspolitik könnten wir es stemmen. Wir sind ein reiches Land, Gott sei Dank, wir können uns viel an Ausgaben leisten und das Land so durch die Krise führen. Glauben wir aber wirklich alle, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Zinsen bei nahezu 0 Prozent bleiben? Glauben wir wirklich, dass nach der Pandemiewelle, nach der Coronawelle nicht auch noch eine Insolvenz­welle über uns hereinbricht? Da mache ich mir auch keine Sorgen um unsere Banken und Kreditinstitute. Die haben seit 2008 ihre Kredite abgesichert. Aber was ist mit den Ausfällen bei Krankenkassen, Gesundheitskassen, bei den Finanzämtern? Das trifft dann wieder die Allgemeinheit, und ich bin mir sicher, dass das im Budget für nächstes Jahr oder auch in der mittelfristigen Finanzplanung noch nicht eingepreist ist.

Bei einer Insolvenzwelle entsteht zusätzlich auch ein Dominoeffekt und greift auf noch gesunde Unternehmen über. Die Banken sind wie gesagt großteils besichert, aber in der Privatwirtschaft werden die Lieferanten wieder einmal zum überwiegenden Teil durch die Finger schauen müssen.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 49

Ich muss der Regierung aber zumindest eine gewisse Lernfähigkeit attestieren, vielleicht hat das aber auch damit zu tun, dass die gesamte Opposition immer wieder auf die komplizierte Abwicklung eines Teils der Hilfen hingewiesen hat. Dabei spreche ich aus­drücklich nicht von der Kurzarbeit, aber immerhin kann man jetzt auch den Umsatzersatz relativ leicht über die Plattform Finanzonline beantragen, und das ohne einen Steuerbe­rater. Und siehe da, den Finanzämtern ist die administrative Aufgabe zuzumuten, und sie bewältigen sie auch. Es bleibt die Frage: Warum hat man das nicht gleich so ge­macht? (Beifall bei der FPÖ.)

Daran anschließend bringe ich noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Thomas Dim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schadensabgeltung nach dem Epidemiegesetz zur Bewältigung der COVID-19-Krise“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die erforderlichen Schritte im Sinne der Umset­zung eines Wirtschaftsreparaturpakets zu setzen, das geeignet ist, jenen Privatpersonen sowie Wirtschaftstreibenden, die von der COVID-19-Krise massiv bzw. existentiell be­troffen sind, unmittelbar, sofort und in ausreichendem Ausmaß zu helfen.

Dieses Wirtschaftsreparaturpaket hat die Umsetzung nachstehender Maßnahmen – un­ter der Zielsetzung der Übernahme einer ökonomischen Generalhaftung des Staates sowohl für Unternehmer als auch Arbeitnehmer – sicherzustellen:

-        Voller Entschädigungsanspruch für alle Betriebe, die durch das Betretungsverbot betroffen sind, in jener Höhe, den diese erhalten hätten, wenn ihr Betrieb auf Grundlage des EpidemieG geschlossen worden wäre;

-        Sofortige antragslose Akontozahlung durch die Finanzämter an alle Unterneh­mer, die sämtliche Kosten und einen entsprechenden Unternehmerlohn für die nächsten drei Monate abdeckt;

-        Abwicklung sämtlicher Maßnahmen über die Finanzämter.“

*****

Dann habe ich noch einen zweiten Entschließungsantrag, der Ihnen auch vorliegt:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Thomas Dim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rettung der direkten Demokratie in Vorarlberg“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird, vor dem Hintergrund der krisenbedingten Schwierigkeiten beim Zusammentreten von Selbstverwaltungskörpern, aufgefordert, dem Nationalrat ei­ne Regierungsvorlage zuzuleiten, welche eine Rechtsgrundlage für die Durchführung von Volksabstimmungen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Ge­meinde auf Verlangen des Gemeindevolkes, wie im Vorarlberger Landes-Volksabstim­mungsgesetz vorgesehen, schafft.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

10.53



BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 50

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der von den Bundesräten Thomas Dim, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Schadensab­geltung nach dem Epidemiegesetz zur Bewältigung der COVID-19-Krise“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Ebenso ist der von den Bundesräten Thomas Dim, Kolleginnen und Kollegen einge­brachte Entschließungsantrag betreffend „Rettung der direkten Demokratie in Vorarl­berg“ genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Bitte, Herr Kollege.


10.54.35

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminister! Herr Bundesminister für Finanzen! Herr Bundesminister für Ge­sundheit und Soziales! Geschätzte Damen und Herren! Das vorliegende Budgetbegleit­gesetz ist ein Sammelgesetz mit 38 Artikeln, welches zukunftsrelevante Auswirkungen zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger beinhaltet.

Für alle gläubigen Katholiken, ich bin einer, ist die jetzige Zeit, die Adventzeit, eine be­sondere: Warten auf die Ankunft. Wir freuen uns auf das Weihnachtsfest, auf das Fest des Friedens, des Zusammenhaltens, und wir freuen uns mit wenigen Ausnahmen auf den erlösenden, freizugebenden, lebensrettenden Impfstoff, der die Menschheit von der Coronageißel befreit. (Bundesrat Spanring: Gehen Sie mit gutem Beispiel voran!) Davor findet eine von der Bundesregierung wohlüberlegte, professionelle, nach Prioritäten ge­staffelte und zeitlich abgestimmte Coronatestung in allen Bundesländern statt. Das Bun­desheer mit seinen Soldatinnen und Soldaten, welche gemäß ihrem Treuegelöbnis be­reit sind, die Republik und das Volk zu schützen, ihm zu helfen und zu dienen, wird gemeinsam mit den Gemeinden, den Einsatzorganisationen wie Rotes Kreuz, Feuer­wehr und anderen für eine möglichst reibungslose und sorgfältige Gesamttestung aller Österreicherinnen und Österreicher in allen Bundesländern sorgen.

Es ist nicht nur unverantwortlich, ja, es ist beschämend, dass die mit lauter Schaum vorm Mund agierende FPÖ-Sozialsprecherin und Ärztin Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, die Bevölkerung aufruft, sich den Testungen nicht zu unterziehen. (Bundesrat Steiner: So heißt sie nicht!) Der Parteichef und Vizepräsident des Hohen Hauses Hofer musste zur sonntägigen Pressekonferenz ausrücken, um die blamablen Ausführungen seiner Klubobmannstellvertreterin zu korrigieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Geben Sie als Vertreter der FPÖ Ihren noch verbleibenden Sympathisanten doch die Chance, an den nur der Gesundheit dienenden Coronatestungen teilzunehmen, und hin­dern Sie sie nicht daran! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Weiters ist im Budgetbegleitgesetz der Regierung die unbefristete Verlängerung des Co­vid-19-Krisenbewältigungsfonds vorgesehen. Die Bundesländer werden coronabedingte Aufwendungen ersetzt bekommen. Das ist wichtig für unsere angespannten Länderbud­gets. Die Verlängerung des Coronakurzarbeitsmodells, eines Erfolgsmodells, welches vielen Menschen ein Einkommen sichert, soll ja bis Ende März 2021 mit rund 1 Milliarde Euro budgetiert werden. Auch die Aufstockung des Coronafamilienhärtefonds um wei­tere 50 Millionen Euro ist ebenso vorgesehen wie die Aufstockung der Fördersumme für den Verein für Konsumenteninformation um 250 000 Euro auf 5 Millionen Euro.

Weiters sind für das kommende Jahr und für das Jahr 2022 700 Millionen Euro für Ar­beitsstiftungen vorgesehen. Da geht es darum, dass umgeschult und qualifiziert wird, dass jene Menschen, die durch die Krise den Job verloren haben, wieder in den Arbeits­markt zurückkommen können. Aus den Budgetunterlagen ist auch ersichtlich, dass in Bildung, Wissenschaft, Sicherheit und Landesverteidigung investiert wird. Einen herzli­chen Dank dafür auch an den Bundesminister für Finanzen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 51

Vom Frühstarterbonus können nun endlich diejenigen profitieren, die bisher keine Chan­ce auf eine abschlagsfreie Langzeitversicherungspension hatten. Die bisherigen Profi­teure waren ja nur zum geringsten Teil tatsächlich Hackler im Sinne dieser Bezeichnung, Frauen waren größtenteils überhaupt ausgeschlossen. (Widerspruch bei der SPÖ.) End­lich eine gerechte, soziale Vorgangsweise! Wenn Sie alles durchrechnen, werden Sie auch zu dieser Annahme kommen. (Beifall bei der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie geben mir laufend recht, ich danke dafür.

Bezüglich des Bundesgesetzes über die Einrichtung eines Covid-19-Lagers sei beson­ders das Ziel erwähnt, die Bereithaltung eines Notvorrats an Schutzausrüstungen – hö­ren Sie zu!, das ist ganz wichtig – und medizinischen Produkten für die Dauer der ak­tuellen Pandemie einzurichten. Das Bundesministerium für Landesverteidigung hat im Einvernehmen mit dem Gesundheitsministerium in Ergänzung zur laufenden Versor­gung, die auf regionaler Ebene, also bei uns in den Ländern, wie auch durch die Österrei­chische Gesundheitskasse durchzuführen ist, einen Notvorrat an Schutzausrüstungen und sonstigen notwendigen medizinischen Materialien zu beschaffen, zu lagern und zu verteilen. Das vorliegende COVID-19-Lagergesetz wird mit Ende 2021 außer Kraft treten.

Nun zu einem Punkt, der mir als Seniorenvertreter besonders am Herzen liegt, zur Pen­sionsanpassung: Der Bundesregierung ist es wichtig, die Kaufkraft der Bezieherinnen und Bezieher kleinerer und mittlerer Pensionen zu stärken. Bundeskanzler Sebastian Kurz, Finanzminister Blümel und Sozialminister Anschober haben mit den Seniorenver­treterinnen und -vertretern – in unserem Fall Seniorenvertreterin Ingrid Korosec vom Se­niorenbund und Peter Kostelka vom Pensionistenverband – ein Paket geschnürt, das jenen Menschen zugutekommt, die unser Land aufgebaut und zu Wohlstand geführt ha­ben. (Bundesrat Steiner: Danke!)

3,5 Prozent Erhöhung bei Pensionen bis 1 000 Euro – das sind ganze 2 Prozent über der geltenden Inflationsrate. Bei Pensionen über 1 000 Euro bis zu 1 400 Euro wird die Erhöhung linear auf 1,5 Prozent abgeflacht, Pensionen über 1 400 Euro erfahren die volle Inflationsanpassung von 1,5 Prozent bis zum Wert von 2 333 Euro. Darüber hinaus gibt es 35 Euro monatlich.

Ich zitiere, weil es auch löblich ist, den Präsidenten des Pensionistenverbandes Öster­reich – Frau Korosec wird laufend erwähnt, aber Kostelka weniger, und darum erlaube ich es mir hier –, der in einem Brief an alle seine Mitglieder Folgendes schreibt:

„Es gilt, Altersarmut zu vermeiden und die Kaufkraft zu sichern.“ – Sehr löblich! – „Ein Kaufkraftverlust der Pensionisten wäre in diesen schwierigen Zeiten“ sehr schlecht für die Gesamtwirtschaft. (Bundesrat Schennach: Da hat er recht!) – Darum zitiere ich ihn ja, hätte er unrecht, würde ich es ja nicht weitergeben. (Bundesrätin Grimling: Ha, ha!) – Was soll das? – Kostelka weiter: Dieser Erfolg „ist in Zeiten wie diesen nicht selbstver­ständlich“. Zum Vergleich nannte er die Grundsicherung im Alter in Deutschland, die nur 893 Euro beträgt.

Der Präsident des Pensionistenverbands, bekannterweise immerhin ehemaliger Klubob­mann und ehemaliger Volksanwalt – Mitglied der SPÖ wird er ja noch sein, nehme ich an –, schreibt das also, mit Begeisterung und natürlich auch Selbstlob, über diese Eini­gung mit der Bundesregierung gemeinsam mit dem Seniorenbund.

Neben der Pensionserhöhung soll die Ausgleichszulage jetzt auf 1 000 Euro angehoben werden. Dies wird eine echte Hilfe für jene Menschen darstellen, die es jetzt am drin­gendsten benötigen.

Diese angeführten sozialen Maßnahmen können dazu beitragen, eine treffsichere Unter­stützung bei der Abfederung steigender Lebenskosten, mit denen unsere älteren Mitbür­gerinnen und Mitbürger konfrontiert sind, zu erreichen.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 52

Folgen auch Sie, werte SPÖ-Bundesräte, heute wie Ihr Pensionistenpräsident Ihrem so­zialen Gewissen (Bundesrat Schennach: Das wissen wir besser!), und verlassen Sie zum Wohle der älteren Generation, die die Pensionsanpassung – man kann es nicht oft genug sagen – mehr als verdient, Ihr Oppositionstrotzbankerl! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir hoffen auf diesen Akt der Vernunft und Ihr soziales Verantwortungsbewusst­sein. – Ein steirisches Glückauf und bleiben Sie gesund! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Das weiß der Schwindsackl noch nicht!)

11.03


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Kollege.


11.04.03

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Das Bud­getbegleitgesetz 2021 folgt der traurigen Tradition der Sammelgesetze, die in diesem Fall nicht einmal die Gemeinsamkeit aufweisen, alle budgetrelevant zu sein. Wenn ich mich nicht verzählt habe, betrifft es den Wirkungsbereich von sieben Bundesministerien, und ich möchte jetzt der Reihe nach auf einzelne Maßnahmen eingehen, zuerst einmal im Abschnitt Justiz.

Die Erhöhung der Gebührensätze für psychiatrische Gutachten – Stichwort Maßnah­menvollzug – ist etwas, das wir NEOS sehr begrüßen. Da diese Gutachten de facto über Freiheitsentziehungen entscheiden, sollen sie dementsprechend qualitativ sein, und die bisherigen niedrigen Honorarsätze waren dem nicht dienlich. Wir hoffen, dass sich durch die Erhöhung die Situation etwas entspannt. Eine Reform des Maßnahmenvollzugs ist das allerdings noch nicht.

Wenn wir schon bei den Gebühren sind, komme ich zu einem damit zusammenhängen­den Punkt, der unsere Ablehnung findet, es fehlt nämlich eine entsprechende Änderung der Gebühren für die Gerichtsdolmetscherinnen und -dolmetscher. Da gab es bekannt­lich einen Forderungskatalog der Interessenvertretung des ÖVGD, einen Diskussions­entwurf in Sachen Gebührenregelung für die allgemein beeideten und gerichtlich zertifi­zierten Dolmetscher. Es gab einen Diskussionsentwurf des Justizministeriums, einen Vorschlag zur Änderung des Gebührenanspruchsgesetzes, konkret § 54a. Davon hat sich aber im Budgetbegleitgesetz überhaupt nichts wiedergefunden. Die Gerichtsdolmet­scher fühlen sich vom Justizministerium deswegen im Stich gelassen.

Aus dem Kapitel Finanzen: Wir sind beispielsweise für die Aufstockung des Non-Profit-Organisationen-Unterstützungsfonds, sind aber nicht glücklich mit der Art und Weise, wie der Covid-19-Krisenbewältigungsfonds verändert wird.

Aus dem Kapitel Familie und Arbeit: Wir sehen zum Beispiel die Aufstockung des Fami­lienhärtefonds positiv. Negativ sehen wir, dass aus der Gebarung Arbeitsmarktpolitik für die Schlechtwetterentschädigung an die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse ein Beitrag geleistet werden soll. Das sehen wir deswegen kritisch, weil das Geld für die Arbeitsmarktpolitik und nicht für die BUAK vorgesehen ist.

Kapitel Gesundheit, Soziales und Konsumentenschutz: Wir sind für die vorgeschlagene Änderung des Behinderteneinstellungsgesetzes, allerdings gegen den Artikel 28, der im Zusammenhang mit der seinerzeit als Wahlzuckerl und deswegen nicht mit der gebo­tenen Umsicht und nicht mit dem gebotenen Kontext vorgenommenen Abschaffung des Pflegeregresses steht

Zu den Punkten in den Kapiteln Universitäten und Forschungsförderung beziehungswei­se Kunst und Kultur: Die unterstützen wir alle. Bei Artikel 38, die Änderung des Luft­fahrtgesetzes im Kapitel Verkehr, sind wir wieder dagegen.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 53

Das Fazit ist, wir NEOS stimmen ungefähr der Hälfte dieser 38 Artikel zu, die andere lehnen wir jedoch ab. Je mehr sachlich unzusammenhängende Materien von den Regie­rungsparteien in ein derartiges Sammelgesetz verpackt werden, umso eher erhöhen Sie das Risiko, dass eine Zustimmung insgesamt unmöglich gemacht wird. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.08


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Frau Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann ans RednerInnenpult bitten. – Bitte.


11.08.27

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ver­ehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher! Dieses Budget gleicht einer Fahrt durch dichten Nebel mit unglaub­lich vielen Unbekannten. Der angestrengte Versuch, dabei zu vermitteln, dass diese Bundesregierung wirklich alles im Griff hat, ist eindeutig gescheitert. Nein, die Pande­miesituation ist wirklich alles andere als leicht oder einfach zu bewältigen, aber gerade deshalb wäre es längst an der Zeit, Fehler offen einzugestehen, zu korrigieren und zu einer Politik der Transparenz, Nachvollziehbarkeit und des Miteinanders zu wechseln. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Menschen in Österreich, die Menschen, die hier in Österreich leben – das sehen wir –, sind ja total vernünftig. Sie sind diszipliniert und können mit den Gegebenheiten, so schwer sie auch sind, wirklich ausgezeichnet umgehen. Tatsache ist aber, dass wir jetzt deshalb in dieser Situation sind, in der wir sind, weil diese Regierung den Sommer in keiner Weise genutzt hat, um sich auf das, was im Herbst und Winter kommen wird, vorzubereiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gab eine unglaublich negative Entwicklung, und die kann und soll man auch nicht schönreden. Wir haben einen zweiten Lockdown, von dem immer gesagt wurde – und wir alle wussten es –, dass er bitte nicht passieren soll, weil er dieses Land und die Menschen in noch größere Schwierigkeiten bringt. Wir hatten zwischenzeitlich die höchsten Ansteckungszahlen weltweit, und wir haben eine unglaubliche Arbeitslosigkeit: 460 000 Menschen ohne Arbeit, 276 000 Menschen in Kurzarbeit – und da sind wir noch lange nicht am Ende dieser Abwärtsspirale auf dem Arbeitsmarkt.

Die Menschen sind verunsichert, berechtigterweise verunsichert. Fakt ist aber auch – und auch das ist nicht schönzureden –, dass im Budget weniger Geld für Arbeitslose und Beschäftigung vorgesehen ist als zum Beispiel 2017. Das heißt, in der Hochkonjunktur hat man pro Arbeitslosen/pro Arbeitsloser mehr Geld in die Hand genommen als jetzt in der Krise. Ja um Himmels willen, da läuft doch etwas schief! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Es gab das Ampelchaos, diese wirklich gute Idee der Ampelregelung wurde in den Sand gesetzt, eine undurchsichtige Teststrategie, eine Ankündigungspolitik mit Pressekonfe­renzen über Pressekonferenzen und einer Sickertaktik für Informationen eine Woche davor. Wir lassen den Medien ein bisschen Informationen zukommen, dann sollen sich die Leute denken, was denn da jetzt werden wird: Kommt ein Lockdown, kommt kein Lockdown? Das ist doch keine Form, wie man mit Menschen umgeht, das ist nicht trans­parent und das ist nicht nachvollziehbar! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Sie haben auch – das ist besonders schlimm – verabsäumt, mit den roten Ländern, mit den sozialdemokratisch geführten Ländern zu reden, und so wird ein Miteinander auf keinen Fall funktionieren.

Natürlich sind die Massentests eine Möglichkeit, herauszufinden, wie man die Pandemie eindämmen kann, aber mit einmal wird es nicht funktionieren. Und einen Massentest als


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 54

großen Sager in einer „Pressestunde“ anzukündigen, ist auch zu wenig. Wir brauchen eine ganze Teststrategie, vor allen Dingen für die Beschäftigten im Gesundheitsbereich, in den Pflegeberufen, für die Lehrerinnen und Lehrer, für die ElementarpädagogInnen und für alle jene, die jetzt auch in den Betrieben großer Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind. Wir sehen ja, was bei Tönnies in Deutschland jetzt wieder passiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht der einmalige Massentest ist es, sondern eine große Teststrategie, die schon längst aufgestellt hätte sein müssen – nicht ein Probieren und Schauen, ob es vielleicht geht. So werden wir dieser Pandemie sicher nicht Herr werden.

Zu Ihnen, Herr Finanzminister: Es hat uns schon sehr betroffen gemacht, dass Sie nach der letzten Dringlichen Anfrage zwei Fragen, die Sie versprochen haben schriftlich nach­zureichen, erst zwei Monate später nachgereicht haben. Das ist nicht die Art, wie man mit dem Bundesrat umgeht, wie man mit der Opposition umgeht. Dazu muss man schon sagen, das spricht nicht für die Qualität Ihrer Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Wo krankt es denn jetzt, wo sind die Probleme am stärksten? – Die Eltern sind ange­sichts der Schulsituation verzweifelt. Sie sind froh, dass jetzt die Schulen endlich wieder geöffnet werden. Ich kann gar nicht sagen, wie viele Anrufe von verzweifelten Eltern, von AlleinerzieherInnen bei mir gelandet sind, die gesagt haben: Ich kann nicht mehr! Ich weiß gar nicht, wie ich das alles noch unter einen Hut bringe. Mir ist das alles zu viel!

Und genau in dieser Zeit von großen Schwierigkeiten und Verzweiflung setzen Sie zu einem unglaublichen Pensionsraub an. Das kann man absolut nicht nachvollziehen. Sie nehmen den hart arbeitenden Menschen in diesem Land, die 45 Jahre unter den schwersten Bedingungen wirklich gearbeitet haben, die Möglichkeit, dass sie abschlags­frei in Pension gehen können. Ja ist das die Art, wie man mit Menschen umgeht, oder ist das die erste Art, wie man Einsparungen macht? So kann es auf keinen Fall gehen! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Es betrifft nicht nur diese Menschen, die diese Pension absolut verdient haben, denn wir alle wissen, was sie am Arbeitsplatz leisten, gleichzeitig wird auch noch die Pensionsan­passung zurückgefahren. Es ist also ein Pensionsraub auf allen Ebenen – und das im Lockdown! Da muss man ehrlich sagen: Das ist in jeder Weise unvertretbar! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt ist es an der Zeit, und zwar endlich an der Zeit, nicht nur für die Unternehmen Geld in die Hand zu nehmen – das ist wichtig, wir wollen Arbeitsplätze erhalten, wir wollen Arbeitsplätze schaffen –, sondern gleichzeitig auch an die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer zu denken. Wir brauchen den Coronatausender, und zwar ganz, ganz drin­gend, für die Menschen, denen es jetzt schlecht geht, und um die Wirtschaft anzukur­beln. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen ein Überbrückungsgeld für ältere Langzeitarbeitslose, denn wir wissen, sie werden jetzt keine Arbeit finden, und mit dem Wenigen müssen sie jetzt auskommen. Da braucht es Überbrückungsmöglichkeiten. Und wir brauchen die Erhöhung des Ar­beitslosengeldes auf 70 Prozent Nettoersatzrate (Beifall bei der SPÖ), nicht die Bonus­varianten – wieder ein Bonus oder doch kein Bonus –, sondern eine eindeutige Erhö­hung des Arbeitslosengeldes und die Absicherung der Gesundheitsversorgung.

Es bräuchte auch Geld für die Pflegereform, aber dieses Geld ist im Budget nicht zu finden. Das bereitet Sorgen, denn wenn man sagt, man soll Menschen zur Pflege hin qualifizieren, gleichzeitig aber das Geld für die Pflegereform nicht vorhanden ist, dann passt etwas nicht zusammen. Das sind nicht die Antworten, die die Menschen jetzt be­kommen sollten.

Wir brauchen die Absicherung der Gemeinden und Städte, das ist ganz, ganz wichtig. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Genau!) Sie brauchen das Geld, weil die Menschen dadurch bessere Leistungen erhalten.


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Und es braucht Konjunkturprogramme, und zwar ganz dringend, klimafreundliche Kon­junkturprogramme, aber Konjunkturprogramme, die den Menschen das Gefühl geben, es geht wieder aufwärts, es geht aus der Pandemie wieder heraus. Das ist das, was wir brauchen.

Wir werden diesem Gesetz zustimmen. Warum stimmen wir zu? – Weil Teile enthalten sind, die ganz, ganz wesentlich sind. Wir sind hier wieder an ein massiges Sammelge­setz gebunden, und weder ÖVP noch Grüne waren bereit, einem Teilabstimmungsrecht zuzustimmen. Das heißt, der Bundesrat ist durch Sie nicht gestärkt worden, sondern wir stehen vor der Situation, ein Konvolut mit 38 Gesetzen jetzt in einem abstimmen zu müssen. Das ist in keiner Weise demokratiefreundlich, aber wir werden zustimmen, denn wir lassen sicher nicht die Pensionistinnen und Pensionisten und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Stich. Das ist ganz klar! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen: Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass es uns als Sozialdemokratischer Partei gelungen ist, die Schuldenbremse zu verhindern. Ich möchte mir nicht ausmalen, was wäre, wenn wir jetzt die Schuldenbrem­se hätten, die Sie so gefordert hatten, die die ÖVP wollte, die die FPÖ wollte, und wenn wir sie wieder in Kraft setzen würden, wenn dann die Pandemie vorbei ist. Ich bin sehr froh, dass wir hier im Interesse der Menschen in Österreich sehr richtig gehandelt haben, und so werden wir es auch weiterhin tun. (Beifall bei der SPÖ.)

11.17


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jo­sef Ofner. – Bitte, Herr Kollege.


11.17.35

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Meine Herren Bundesminister! Werte Kollegen! Verehrte Zuschauer vor den Bildschirmen! Dass die Erstellung des Budgets nicht die Stärke des Herrn Finanzministers ist, wissen wir spä­testens seit der Budgetvorlage mit den fehlenden sechs Nullen im Mai dieses Jahres. An sich wäre allein dieser Umstand schon fatal genug, dass Leute in bestbezahlten Mi­nisterposten agieren, die von ihrem Ressort dieselbe Ahnung haben wie vom Verbleib ihres Laptops, nämlich keine. Wenn man aber annehmen muss, dass diese Unfähigkeit mit einer gleichzeitigen Wahrnehmungsveränderung einhergeht, wird es gefährlich, und zwar gefährlich und existenzbedrohend für die österreichische Bevölkerung, für die Ar­beitsplätze und Betriebe, die gesamte Wirtschaft und vor allem für die künftigen Genera­tionen.

Anders kann man es leider nicht deuten, wenn Sie im Zuge Ihrer Budgetrede sagen, vor Ihnen liegt die „budgetäre Antwort auf die Covid-Krise“, oder das ist ein Budget, das „die Weichen über die Krise hinaus stellt“ – und dann sind diese Krise und deren finanziellen Auswirkungen nicht einmal in diesem Budget abgebildet. Mich wundert es ja, dass Sie von Ihrem grünen Juniorpartner nicht schon längst einen Rüffel wegen Papierver­schwendung erhalten haben. Das wäre nämlich aus ökologischen Gründen jedenfalls nachvollziehbar und längst angebracht, denn mehr ist dieses Budget nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir uns dieses Zahlenwerk mit dem Defizit von 22,6 Milliarden Euro ansehen, wis­sen wir, dass es nicht auf die Zukunft ausgelegt und adaptiert ist, sich aber mit Sicherheit nachhaltig auf die künftigen Generationen auswirken wird. Wer, wenn nicht die Steuer­zahler und die künftigen Generationen, wird dieses angerichtete Wirtschaftschaos abzu­zahlen haben?

Daher haben Sie wohlweislich die stets auch von Ihnen propagierte Steuerreform im Bundesfinanzrahmen 2021 bis 2024 einmal gar nicht abbilden lassen. Das bedeutet, es gibt keine Entlastung für die Bürger und für die Kleinbetriebe in unserem Land. Dafür


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 56

starten Sie jedoch den täglichen Angriff auf die Menschen, die im Gegensatz zu Ihnen ihren Berufen mit Verantwortung und hoher Leistungsbereitschaft nachgehen und unse­rem Land dadurch einen sozialen Wohlstand erarbeitet haben, den Sie jetzt ruinieren.

Nein, anders ist der Sozialabbau nicht zu bewerten: Wenn Menschen nach 45 Jahren nicht abschlagsfrei in Pension gehen können, weil sich die Regierung und der Finanzmi­nister 40 Millionen bis 70 Millionen Euro jährlich nicht leisten wollen und stattdessen lie­ber 210 Millionen Euro in die eigene PR und Vermarktung setzen, ist das eine Unver­schämtheit Ihres ÖVP-Machtrausches, der nicht mehr zu überbieten ist! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Gerade bei den Pensionen werden die Menschen die Fortsetzung dieser verantwor­tungslosen Politik noch leidvoll in Erfahrung bringen, wenn es um die Kürzungen geht.

Die nunmehrige Erhöhung der NoVA, die rund die Hälfte der Neuzulassungen und somit direkt den Bürger und kleine und mittlere Bertriebe treffen wird, ist nur ein weiterer As­pekt, wie Sie mit den Menschen umgehen.

Die Auswirkungen Ihrer verfehlten Finanzpolitik treffen aber in weiterer Folge zudem auch die Länder und Gemeinden und damit letztendlich wieder den Bürger, denn vor allem die Gemeinden treiben Sie wie viele kleinere und mittlere Unternehmen in eine Schuldenspirale, aus der sie nicht mehr entkommen können. Und die Bürger werden es schlussendlich wieder einmal zu zahlen haben, denn die werden mit diesen zusätzlichen Belastungen konfrontiert und werden sie finanzieren müssen. Es wäre einfach nur ehr­lich, das den Menschen einmal ganz unverblümelt zu sagen.

Eigentlich hätte man von jemandem, der Bürgermeister in Wien werden möchte, erwar­tet, dass er sich um die finanziellen Belange und Belastungen der Gemeinden und der Bürger sorgt, gerade auch in Person des Finanzministers. Das war und ist Ihnen aber völlig egal, weil das auch nicht Ihr Zugang zur Kommunalpolitik ist. Ihr Zugang war: Da trete ich halt einmal an, dann schaue ich, ob ich Bürgermeister werde oder nicht; wenn nicht, bin ich eh wieder Finanzminister. Das Wichtigste für Sie ist: Als Finanzminister verdiene ich nämlich gleich viel wie als Bürgermeister von Wien, also 18 200 Euro
14-mal brutto im Jahr, und damit passt es, denn das Wichtigste ist, dass Ihr Konto nicht überzogen wird. Das wollten Sie in der Vergangenheit so haben und das soll auch in Zukunft so bleiben. Das ist eine Ihrer Hauptsorgen! (Beifall bei der FPÖ und bei Bundes­rätInnen der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Seeber.)

Daher können Sie auch die Sorgen jener Bürgermeister nicht verstehen, die dieses Amt aus Berufung ausüben, und auch viele von uns hier im Gremium nicht verstehen, weil wir gerade jetzt in dieser Zeit die Budgets für unsere Gemeinden verantwortungsvoll zu erstellen haben. Wir müssen sicherstellen, dass wir unsere gemeindlichen Leistungen in den Versorgungsbereichen erfüllen können. Uns fehlen aber dafür jetzt schon insgesamt 2,5 Milliarden Euro an Einnahmen, und wir laufen damit Gefahr, diese gemeindlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen zu können.

Bitte kommen Sie mir jetzt nicht wieder mit dem größten Investitionspaket der Zweiten Republik aus dem Kommunalinvestitionsgesetz, denn das kann ich schon nicht mehr hören! Das ist nämlich eine 50-prozentige Kofinanzierung, die eben 50 Prozent Einnah­menzugang von den Gemeinden voraussetzt. Das ist ungefähr dasselbe, wie wenn ich ein Haus baue und beim Dach anfange, ohne ein Fundament zu haben. Somit wäre der Ausgleich der Einnahmenausfälle die erste Konsequenz, die einmal zu bewerkstelligen ist, und dann können wir über Investitionen reden. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrä­tInnen der SPÖ.)

Ich weiß schon, Sie können und wollen das natürlich nicht verstehen, aber die Realität gibt meinen Ausführungen recht. Wir haben jetzt im Finanzausschuss gehört, wie viele Millionen von dieser Gemeindemilliarde bereits abgerufen worden sind: Es sind 207 Mil­lionen Euro abgerufen worden, also circa 20 Prozent dieser Gemeindemilliarde. Jetzt


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frage ich mich: Warum? Jetzt geht es den Gemeinden eh so schlecht und nur 20 Prozent werden dort abgeholt? – Ja, weil sie die restlichen 50 Prozent nicht aufstellen können, denn da gibt es auch noch aufsichtsbehördliche Genehmigungen, die einer Darlehens­aufnahme auf dem freien Finanzmarkt entgegenstehen.

Wenn jetzt nach mir hier die Kollegen gleich wieder lospreschen und sagen werden: Ja, dieses Paket ist aber zu lobpreisen!, frage ich mich schon – eigentlich müssen Sie sich fragen –, wenn dort nur 20 Prozent abgeholt werden: Ja wo bleiben denn Ihre ÖVP-Bür­germeister? Da muss es ja anscheinend viele geben, die das auch nicht abholen können, weil ihnen auch die 50-Prozent-Zusatzfinanzierung fehlt.

Meine Damen und Herren, eigentlich müsste klar sein, da die Gemeinden ein Drittel an den öffentlichen Investitionen tätigen, dass sie vom Finanzminister einen entsprechen­den Stellenwert erhalten, damit dieser Investitionsstau abgebaut werden kann und es nicht noch zu einer weiteren wirtschaftlichen Verschlimmerung kommt.

Aus den genannten Gründen sowie in Verantwortung für die österreichischen Gemein­den und ihrer Bürger und Steuerzahler bringen wir daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung eines Ge­meindeeinnahmenausgleichsfonds“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage zur Schaffung eines Gemeindeeinnahmenausgleichsfonds vorzulegen. Dieser Fonds soll mit mindestens 2 Mrd. EUR (Höhe der Einnahmenrückgänge) befüllt werden, um sicher­zustellen, dass Gemeinden ihre öffentlichen Aufgaben weiterhin wahrnehmen können. Zudem soll damit gewährleistet werden, dass die notwendige Liquidität in den Gemein­den gegeben ist, um Investitionen tätigen zu können.“

*****

Herr Kollege Kornhäusl, das ist nicht so lustig, denn es geht in der Zukunft wirklich um das Bestehen unserer österreichischen Gemeinden, und es ist eigentlich nichts zum Lachen, wenn man einen Finanzminister hier sitzen hat, dem das anscheinend völlig egal ist. (Bundesrat Seeber: Unterstellung! Das ist eine Unterstellung!) Daher ist das Anliegen wichtig, und ich hoffe, dass Sie gemeinsam mit uns diesen Antrag unterstützen.

Ich darf versichern, wir werden auch dem Antrag der SPÖ hinsichtlich des Murtales un­sere Zustimmung geben. Es ist zwar ein Punkt enthalten, dem wir nicht viel abgewinnen können, und zwar ist das die Übernahme des Standortes durch die öffentliche Hand, weil wir wissen, immer dann, wenn die öffentliche Hand etwas übernimmt, wird es am Ende des Tages defizitär. Der Staat hat die Kosten dafür zu tragen, und wir wissen, wie das dann ausgeht. Die weiteren Punkte, die in diesem Antrag beinhaltet sind, finden jeden­falls unsere Zustimmung, und daher werden wir, wie gesagt, auch dem Antrag unsere Zustimmung geben.

Herr Finanzminister, um diese künftigen Mehrbelastungen für unsere Gemeinden im Sin­ne der Bürger abzuwenden, erwarten wir, wie gesagt, die Zustimmung auch Ihrer Frak­tion, der Regierungsfraktionen, denn wir haben in diesem Haus schon mehrmals recht behalten. Bereits im Juni dieses Jahres habe ich, nachdem Sie eine Schätzung von circa 7 Prozent für die Ertragsanteile abgegeben haben, hier gesagt, das wird nicht reichen, denn wir sehen bei den Einnahmen und Ausgaben jetzt schon, dass sich das niemals ausgehen kann und dass wir wahrscheinlich Werte zwischen 12 und 15 Prozent – wenn


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nicht höher – haben werden. Jetzt hören wir auch von Ihren Ressortbediensteten im No­vember beziehungsweise jetzt im Dezember das erste Mal, dass die Einbußen zwischen 11 und 12 Prozent liegen werden, jedoch die tatsächlichen Einbußen aufgrund des zwei­ten Lockdowns noch gar nicht abschätzbar sind, weil diese in den Prognosen noch gar nicht enthalten sind. (Vizepräsidentin Grossmann gibt das Glockenzeichen. – Bundes­rat Buchmann: Redezeit!)

Da frage ich mich schon: Sollte nicht eigentlich der Finanzminister dieser Bundesregie­rung uns die Prognosen übermitteln, oder werden wir in Zukunft Ihnen unsere Progno­sen übermitteln? Diese wären wenigstens realistischer. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann abschließend nur feststellen: Herr Finanzminister, Sie können nicht nur kein Budget erstellen, Sie können auch nicht Finanzminister! (Beifall bei der FPÖ.)

11.28


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich bitte, auf die Redezeit zu achten.

Der von den Bundesräten Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Ent­schließungsantrag betreffend „Schaffung eines Gemeindeeinnahmenausgleichsfonds“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Kollege.


11.29.20

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mit­glieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherin­nen und Zuseher! Ich möchte in dieser Debatte über das Budgetbegleitgesetz Punkte herausgreifen, die eine wichtige soziale Auswirkung haben und die Armut bekämpfen.

Der Familienhärtefonds, der sich bewährt hat, wird verlängert, und Zuwendungen aus diesem Titel werden also auch 2021 ausgezahlt. Im vorliegenden Gesetzentwurf ist dafür eine Erhöhung der Fördermittel um 50 Millionen Euro vorgesehen. Eine essenzielle Un­terstützung für in Not geratene Familien geht damit weiter.

Des Weiteren werden zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen 20 Millionen Euro zur Unterstützung von Haushalten mit Sozialhilfe- oder Mindestsicherungsbezug zur Verfügung gestellt. Bei Zuwendungen an Kinder sind es 100 Euro pro Kind und das ist – sehr wichtig – nicht pfändbar. Für die Gewährung von Energiekostenzuschüssen werden maximal 100 Euro pro Haushalt zur Verfügung gestellt.

Weiters ist da die Pensionsanpassung: Mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit vielen Jahrzehnten wird mit der Anhebung der Mindestpension auf 1 000 Euro ein deutli­ches Zeichen gesetzt, ein Signal für mehr soziale Gerechtigkeit und ein Signal gegen Armut im Alter. Die Erhöhungen insgesamt werden degressiv gestaltet. Das heißt, bei den geringsten Pensionen gibt es den höchsten prozentuellen Anstieg, danach fällt der Anstieg linear von 3,5 auf 1,5 Prozent ab, und ab einer Pension von 2 333 Euro wird um einen Fixbetrag, nämlich um 35 Euro, erhöht.

Von der Anhebung auf 1 000 Euro profitieren rund 200 000 Menschen, davon mehr als zwei Drittel Frauen. Die Pensionslücke zwischen Männern und Frauen ist in Österreich so groß wie in kaum einem anderen EU-Land. Nur in Malta, Luxemburg und den Nieder­landen ist der Genderpensiongap höher als in Österreich, wo er bei beschämenden 42 Prozent liegt. Die geschlechterspezifische Pensionslücke wird durch diese Maßnah­me also zumindest etwas abgemildert. Das ist gut so, aber es ist nur ein erster Schritt im Kampf gegen Altersarmut bei Frauen.

Es ist vollkommen klar, dass da weitere Schritte notwendig sind. Zentrale Felder sind dabei die Arbeitsmarktpolitik und Lohntransparenz, der Ausbau der Kinderbetreuungs­möglichkeiten und vor allem die ungleiche Verteilung unbezahlter und bezahlter Arbeit


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von Männern und Frauen. Diese Erhöhung der Ausgleichszulage bringt Mindestpen­sionsbeziehern und -bezieherinnen zusätzlich 440 Euro im Jahr, und das ist doch eine spürbare Verbesserung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die von mir genannten Punkte des Budgetbegleitgesetzes zeigen deutlich, dass dieser Bundesregierung der Kampf gegen Armut wichtig ist und dass da klare Schritte unter­nommen werden, die konkrete Verbesserungen bringen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.33


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundes­rätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. – Bitte, Frau Kollegin.


11.33.26

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem: Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich heute ganz besonders an Sie wenden, denn Sie haben leider nicht dieselbe Perspektive, wie ich sie hier habe. Lassen Sie mich das kurz beschreiben: Ganz Österreich hält zu­sammen. Die Menschen in Österreich sind unglaublich diszipliniert. Ich gebe Ihnen recht, Frau Kollegin Schumann, ganz Österreich trägt Verantwortung, ganz Österreich trägt wie selbstverständlich seit Monaten Maske.

Es gibt jedoch hier herinnen immer noch eine Fraktion, die keine Maske trägt, die all das nicht nur negiert – nein! –, sondern die auch noch bewusst Zwietracht sät, und die auch noch denen, die versuchen, die Gesellschaft zu spalten, den Rücken stärkt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! Das ist zutiefst verantwortungslos! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist unsozial! Und wenn Sie schon die ganze Zeit rein­schreien, dann setzen Sie die Maske auf, denn dann ist die Virenlast wenigstens ein bisserl geringer! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Ofner: Sie haben es noch nicht kapiert!)

Anscheinend haben Sie immer noch nicht kapiert – und das ist das Traurige –, worum es in der aktuellen Situation wirklich geht. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist unglaub­lich!) Lassen Sie es mich noch einmal kurz sagen – hören Sie mir jetzt gut zu! ‑: Wir befinden uns in Österreich, in Europa und auf der ganzen Welt in der größten Pandemie seit über 100 Jahren. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Unser österreichisches Gesundheitssystem, das beste Gesundheitssystem der Welt, wird an seine Grenzen gebracht, und wir erleben die wirtschaftlich schwierigste Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg. (Bundesrat Ofner: Danke, ÖVP!)

Und wenn wir heute das Budgetbegleitgesetz beschließen, dann geht es um zwei Dinge: Es geht darum, dass wir Sicherheit geben, dass wir die Krise bestmöglich meistern, und es geht auch darum – das ist unsere Aufgabe als Politiker –, Perspektiven zu schaffen. Es ist unsere Aufgabe, alles so vorzubereiten, damit wir als Österreich am Ende dieser Pandemie wirklich wieder aus der Poleposition starten können. (Bundesrat Ofner: Ist ja super!) Das ist unsere Aufgabe! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Dass das möglich ist, daran arbeitet unsere Bundesregierung – wie ich es formulieren möchte – rund um die Uhr. (Bundesrat Ofner: Danke!) Daher möchte ich unserem Fi­nanzminister wirklich vielen Dank sagen. – Herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP und Grü­nen. – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Sie können das ins Lächerliche ziehen, ich kann Ihnen nur sagen: Es gibt kein anderes Land auf der Welt, das so viel Geld wie Österreich zur Bewältigung dieser Krise in die


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Hand nimmt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir sehen, dass wir nicht nur viel Geld in die Hand nehmen, sondern wir sehen vor allem auch - - (Bundesrat Steiner: Das ist Steuer­geld!) – Ja, es ist Steuergeld, und dieses Steuergeld wirkt und kommt den Menschen zugute! (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Das ist das Wichtige. – Setzen Sie Ihre Masken auf! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, Sie haben ein Konjunkturpro­gramm gefordert. Ich sage Ihnen, wir haben 3 Milliarden Euro für die Investitionsprämie bereitgestellt. 3 Milliarden Euro! Das ist Geld, das unsere Unternehmen in die Wirtschaft investieren, mit dem wir nachhaltig Arbeitsplätze sichern, mit dem wir nachhaltig die Wirt­schaft ankurbeln. – Darum geht es in dieser Situation. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Kommen wir zurück zum Budgetbegleitgesetz, ich möchte nur drei Punkte herausgrei­fen, die meiner Ansicht nach besonders wichtig sind: Ich möchte zunächst die Aufsto­ckung des Familienhärtefonds auf 150 Millionen Euro erwähnen. Dieses Geld kommt in Not geratenen Familien zugute und steht ihnen zur Verfügung. Es ist wichtig und richtig, dass wir diesen Menschen helfen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Zweitens: Aus wirtschaftlicher Sicht ganz entscheidend ist die Verlängerung der Coro­nakurzarbeit. Das ist ein Instrument, um das wir – Österreich – mittlerweile international beneidet werden. Dazu sage ich Ihnen: Mit der Kurzarbeit sichern wir Arbeitsplätze. Sie kennen die Struktur der österreichischen Wirtschaft und wissen, dass wir vor allem die Klein- und Mittelbetriebe haben. Das sind eingespielte Teams, die über Jahre aufgebaut wurden, und wir stellen sicher, dass diese Teams nach der Pandemie genauso wieder starten können. Das ist ein echter Startvorteil für unsere Wirtschaft. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zum Dritten – wir sind ein Land der Freiwilligen, und daher möchte ich auch das noch einmal sagen –: Bei der Aufstockung des NPO-Fonds auf 250 Millionen Euro handelt es sich um Geld, das ehrenamtlich tätigen Menschen zur Verfügung steht. Das ist Geld, das unseren Sportvereinen, unseren Kulturvereinen und unseren Blasmusikvereinen zur Verfügung steht. Das ist Geld, das wir nachhaltig investieren, um diesen Vereinen zu ermöglichen, dass sie ihre Arbeit fortsetzen und dass auch sie wieder ein gutes Come­back mit uns schaffen. – All das dient dazu, dass es dieses Österreich, auf das wir alle so stolz sind und wo wir alle uns so wohlfühlen, auch weiterhin geben wird.

Ich glaube, allein diese drei Punkte, meine sehr geehrten Damen und Herren, zeigen, wie wichtig diese Beschlüsse sind, die wir heute fassen. Sie zeigen, wie viele Menschen wir in diesem Land damit unterstützen. Deshalb ist es für mich wirklich unverständlich, dass man bei diesen Punkten nicht mitstimmen kann.

Das hat für mich viel mit Verantwortung zu tun, mit Verantwortung gegenüber all jenen, die auch jetzt besondere Verantwortung übernehmen. In diesem Zusammenhang möch­te ich wirklich auch ein Dankeschön an die SPÖ sagen, dass auch Sie diese Verant­wortung übernehmen und mit uns heute mitstimmen. (Bundesrätin Schumann: Wir brauchen kein Dankeschön ...!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist Geld, das den Menschen zugutekommt und zur Verfügung steht, und ich bin Ihnen dankbar, dass Sie da mitstimmen. Vielen Dank! (Beifall bei ÖVP und Grünen. Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir verhandeln unter diesem Tagesordnungs­punkt aber nicht nur das Budgetbegleitgesetz, sondern wir verhandeln auch die Einrich­tung eines Covid-Lagers. Wir alle haben zu Beginn der Pandemie erlebt, dass Schutz­ausrüstung knapp war und dass Versorgungswege nicht richtig funktioniert haben. Nun setzen wir mit der Einrichtung dieses Covid-Lagers wirklich einen Schritt, um die Versor­gung sicherzustellen und um in Zukunft als Österreich auch resilienter zu sein.


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Bei diesem Covid-Lager übernimmt eine Institution aus meinem Heimatbezirk Mödling, nämlich die Heeresbekleidungsanstalt in Brunn am Gebirge, eine ganz zentrale Rolle. Man kümmert sich dort um die Ab- und Übernahme all dieser Güter, verantwortet die Logistik, und die Expertinnen und Experten dort prüfen vor allem auch die Qualität. Dafür möchte ich der HBA hier wirklich ein großes Dankeschön aussprechen. Die Mitarbeiter dort haben nicht nur in der Akutphase wirklich quasi die Hände in die Hand genommen und für das österreichische Bundesheer über 100 000 Mund-Nasen-Masken genäht, sondern sie helfen auch jetzt, und wir sind auch weiterhin bei ihnen in den besten Hän­den. – Vielen Dank! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte zum Abschluss eines sagen: Ver­antwortung kann nicht geteilt werden, aber Verantwortung kann gemeinsam getragen werden. Ich appelliere noch einmal an Sie alle, dass wir die Verantwortung gemeinsam tragen, dass wir dieses Land gemeinsam aus der Krise und in eine erfolgreiche Zukunft führen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.40


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Ofner zu Wort gemeldet. – Sie kennen die Geschäftsordnung. Bitte, Herr Kollege.


11.40.45

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren Minister! Werte Kollegen! Ich berichtige Frau Zeidler-Beck tatsächlich, dass nicht wir es sind, die die Gesellschaft in diesem Land spalten. Das sind auf keinen Fall wir! (Bundes­rat Preineder: Wer sonst?)

Ich sage Ihnen jetzt, wie Sie vorgehen, und ich versuche, dieses Rednerpult hier nicht zu berühren, denn so wie Sie mit Ihren Masken umgehen, bringen diese nämlich keinen Schutz. Diese Stofffetzen, die Sie haben, sind bei Ihrer neuen Politik maximal ein neues Kleidungsaccessoire, aber nicht mehr. Das ist kein Schutz! (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Preineder.)

Ich sage Ihnen: Sie haben hier gespalten (Zwischenruf der Bundesrätin Zeidler-Beck), denn Sie unterscheiden immer zwischen den Guten und den Bösen. Alles, was nicht türkis, grün oder dunkelschwarz aus Niederösterreich ist, das ist böse, und alles andere ist natürlich gut; alles, was in der Regierung ist, ist gut. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nein. Das ist nicht unser Zugang zur Demokratie. Daher: Wir spalten diese Gesellschaft nicht, das möchte ich berichtigen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.41


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich bitte wirklich, sich mit den Bestim­mungen der Geschäftsordnung auseinanderzusetzen: Eine tatsächliche Berichtigung ist kein Debattenbeitrag, Herr Kollege!

Ich darf nun Herrn Bundesrat Ingo Appé ans Rednerpult bitten. (Bundesrat Appé desin­fiziert seine Hände gründlich und nimmt die Maske erst ab, als er zu reden beginnt. – Beifall bei der SPÖ.)


11.42.12

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damit wir die Damen nicht vergessen: Liebe Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Herren Bundesmi­nister! Geschätzte ZuseherInnen, die Sie unserer Debatte folgen! Leider hat es die Bun­desregierung mit diesem Budgetbegleitgesetz 2021 wieder geschafft, in dieser Vorlage in einem Sammelgesetz ein Sammelsurium von Gesetzen zu verpacken. Es ist eine Vielzahl von betroffenen Ressorts mit eingebunden, sodass zum Beispiel im Finanzaus­schuss die Fachexperten, obwohl in sehr großer Anzahl anwesend, nicht in der Lage


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waren, die Hälfte der Anfragen der Abgeordneten zu beantworten. Dieses Budgetbegleit­gesetz umfasst, wie Kollegin Schumann bereits erwähnt hat, sage und schreibe 38 Ge­setze. Somit könnte der Eindruck entstehen, dass die Regierung die derzeitige Pande­mie dazu benützt, der Opposition solche Sammelgesetze unterzujubeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Darunter verstehe ich Folgendes: Man verpackt ein bestimmtes Gesetz in dieses Ge­samtpaket, von dem man ausgehen kann, dass die Opposition sicherlich nicht dagegen sein kann. In der Folge werden aber Gesetze im vollen Bewusstsein, dass diese bei einer getrennten Abstimmung nicht die Mehrheit in diesem Hause finden würden, mit­transportiert. Wir haben diese Vorgangsweise im Laufe dieses Jahres bereits des Öfte­ren angeprangert. (Beifall bei der SPÖ.)

In der ersten Phase der Pandemie haben wir dies auch mitgetragen und hier den Schul­terschluss mit der Regierung demonstriert. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, jetzt ist diese Phase aber vorbei, jetzt befinden wir uns im Modus der Gesetzgebung wieder in einem Bereich, in dem die Zusammenfassung unter solchen Sammelgesetzen nicht mehr angebracht ist.

Liebe Kollegen Bader und Schwindsackl! Ich kann euch versichern: Wir Sozialdemo­kraten brauchen keine Belehrung vonseiten der türkisen Bundesratsfraktion darüber, wie wir unser Abstimmungsverhalten hier im Hohen Hause ausüben müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie lautet deine APA-Botschaft, Karl? – Ich zitiere: Einen dringlichen Appell an die SPÖ-Fraktion im Bundesrat, ihre demokratische Haltung zu überprüfen und ihrem so­zialen Gewissen zu folgen, formulierte der Fraktionsobmann der ÖVP-Bundesräte, Karl Bader [...]. ‚Es ist Zeit, das Oppositions-Trotzbankerl zu verlassen [...].‘“ – Lieber Karl! Wir sitzen bestimmt nicht auf einem Trotzbankerl! Auch wir haben noch immer ein sehr ausgeprägtes soziales Gewissen, von dem sich diese Regierung leider schon meilenweit entfernt hat. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.)

Kollege Schwindsackl! Ein Blick auf die Rednerliste hätte dich eines Besseren belehrt und du hättest dir die dir aufgetragenen Stehsätze sparen können. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Auch wenn ihr euch vielleicht wünschen würdet, dass es keine Opposition geben sollte: Auch in Zeiten von Krisen kann man eine Opposition nicht zusperren. Die Meinungsfrei­heit und auch die Gegenstimmen in unserer Republik sind immer noch die Eckpfeiler der Demokratie. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist klar, egal ob gut oder schlecht: Die Verantwortung für die Bewältigung dieser Krise trägt nicht die Opposition, sondern tragen der Bundes­kanzler und diese Regierung. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sehen ja, wie das mit der Verantwortung läuft: Wenn etwas nicht funktioniert, sind immer die anderen schuld, und wenn etwas gut ist, dann ist es der Bundeskanzler. – Irmgard Griss hat es treffend formuliert: „Aufgabe der Opposition ist es, die Arbeit der Regierung kritisch zu begleiten und Alternativen zu deren Vorhaben aufzuzeigen. [...] Eine Opposition, die alles abnickt und vielleicht sogar beklatscht, ist verzichtbar.“ Ich zitiere weiter: „Sie gibt auch denen eine Stimme, die von der Regierung nicht gehört werden. Beide, Regierung und Opposition, haben ihren Anteil daran, ob ihr Austausch als unnützer Streit oder als konstruktive Debatte wahrgenommen wird.“

Der Bundesrat ist aber auch die Länderkammer, und so haben auch wir hier die Inter­essen unserer Bundesländer zu vertreten. Daher besteht auch die Möglichkeit, dass Bundesratsfraktionen ein anderes Abstimmungsverhalten hier in der Länderkammer vollziehen als im Nationalrat die Fraktion. Das ist heute zum Beispiel bei dieser Geset­zesvorlage der Fall.


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Lieber Herr Fraktionsvorsitzender der Türkisen, vielleicht kannst du unser heutiges Ab­stimmungsverhalten zum Anlass nehmen, in einer anderen Frage dein regierungstreues Bankerl zu verlassen. Nehmen wir ein einfaches Beispiel, bei dem du dir sicher leicht tust (Heiterkeit bei der SPÖ), nämlich die finanzielle Unterstützung der Gemeinden. Du bist Bürgermeister, ich bin Bürgermeister und viele Kolleginnen und Kollegen hier he­rinnen sind ebenfalls in dieser Funktion. Wir alle wissen, wie es wirklich hinsichtlich der finanziellen Situation der Gemeinden aussieht: Wir stehen mit unseren finanziellen Res­sourcen am Abgrund. Im Hinblick darauf wäre es doch an der Zeit, lieber Kollege, ge­meinsam, Schulter an Schulter im Interesse unserer Gemeinden, unserer Bundesländer, aber auch im Interesse des Bundes jene Institution zu schützen und ihr zu helfen, die direkt beim Bürger ist und die all das vollzieht, was auch hier in diesem Hause be­schlossen wird, nämlich die Gemeinde. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ich möchte jetzt nicht noch einmal wiederholen, was ich in der letzten Sitzung des Bun­desrates Ihnen, Herr Bundesminister, aus Sicht der Gemeinden und unserer finanziellen Nöte zu erklären versucht habe. Ihre Reaktion, Herr Bundesminister, war für uns als Bürgermeister eine große Enttäuschung. Es war Ihnen anscheinend wichtiger, mit der Reinigung Ihres Handys beschäftigt zu sein, als ein einziges Wort zu all unseren Wort­meldungen zu verlieren. Es hätte genügt, zu sagen: Ich verstehe euch. Ich weiß über eure Sorgen Bescheid. Wir bemühen uns, eine Lösung zu finden. Es ist für uns derzeit nicht leicht, aber gemeinsam schaffen wir das. – Aber wortlos aufzustehen und zu ge­hen, sehr geehrter Herr Minister, das war beschämend! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.) Es hat allen Anschein, dass Sie, was die finanziellen Nöte der Gemeinden betrifft, ziemlich teflonbeschichtet sind.

Der eigentliche Grund für mich als Kärntner Abgeordneten und auch als betroffenen Bür­germeister, mich zu Wort zu melden, ist aber eigentlich das im Begleitgesetz primär ge­nannte Abstimmungsspendegesetz 2020. Schon allein dieses Gesetz wäre für mich als Kärntner Abgeordneten eine Herausforderung gewesen, das Budgetbegleitgesetz abzu­lehnen, Herr Kollege Bader. Damit wären wir wieder beim Thema Sammelsuriumge­setze.

Für das restliche Österreich mag es vielleicht eigenartig erscheinen, der 10. Oktober ist jedoch für das Bundesland Kärnten ein ganz besonderer, denkwürdiger und historischer Tag. Heuer vor 100 Jahren gab es in Kärnten den ersten demokratischen Volksent­scheid. Übrigens waren damals zum ersten Mal auch Frauen wahlberechtigt. Es ging darum, über den Verbleib eines Großteils Kärntens, der zu dieser Zeit von jugoslawi­schen Truppen besetzt war, bei Österreich zu entscheiden. Zum positiven Ausgang die­ser Volksabstimmung hatten auch viele slowenischsprachige Kärntnerinnen und Kärnt­ner beigetragen.

Es ist sicherlich begrüßenswert, dass es für die betroffenen 35 Gemeinden in der Ab­stimmungszone auch im 100. Jubiläumsjahr eine Zuwendung seitens des Bundes gibt. Wie bereits im Jahr 2010 werden mit Umsetzung dieses Gesetzes 4 Millionen Euro zur Auszahlung gebracht. In der jetzigen finanziellen Situation der Gemeinden ist das si­cherlich eine kleine Erleichterung für die Gemeinden des Kärntner Unterlandes, weil sie ja nicht zu den finanzstärksten Gemeinden Österreichs zählen. Dafür gilt es auch Danke zu sagen.

Ich hoffe, dass dieses Abstimmungsspendegesetz der erfolgreiche Anstoß für ein zu­künftiges Hilfsgesetz für alle in Not geratenen österreichischen Gemeinden ist. – Herzli­chen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 64

11.51


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Kollegin.


11.51.57

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Es ist mir eine große Ehre und große Freude, fast genau am 100. Jahrestag des Bundesrates als Mitglied desselben hier zu stehen und Sie, liebe PräsidentInnen, sehr geehrte Frau Ministerin und sehr ge­ehrter Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen und sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher, begrüßen zu dürfen.

Am 1. Dezember 1920 tagte der Bundesrat zum ersten Mal. Heute, am 3. Dezember 2020, 100 Jahre später, tagt der Bundesrat zum 915. Mal. Bei der ersten Sitzung war der Große Krieg vorbei und man hatte auch eine Epidemie überstanden. Die Stadt ver­sank in Elend und Armut. Die Menschen hungerten und schickten ihre Kinder ins Aus­land, damit sie genügend zu essen bekommen.

Wenn man sich diese schreckliche Situation von damals vergegenwärtigt, erleichtert das den Umgang mit den Maßnahmen zur Bekämpfung der Epidemie und macht dankbarer und vielleicht ein wenig demütiger dahin gehend, wie gut es uns heute geht.

Mit einer solchen Dankbarkeit und mit dem Bemühen um eine immer konstruktive Kritik freue ich mich, die Verantwortung als Bundesrätin wahrzunehmen.

Eigentlich wollte ich heute nur zuhören und mich einfinden, aber als ich die Tagesord­nung und die vielen Gesetze zum Budgetbegleitgesetz gelesen habe, sind mir zwei aufgefallen, zu denen ich gerne ein paar Worte sagen möchte. Der Herr Kollege hat es vorhin auch schon erwähnt: das Abstimmungsspendegesetz 2020 – es ist ein kleines, symbolisches, aber wichtiges Gesetz für Kärnten. Danach möchte ich auch noch ein bisschen etwas zum COVID-19-Lagergesetz sagen. Gleich entschuldigen möchte ich mich und um Verständnis bitten, dass ich doch noch ein bisschen grün hinter den Ohren bin und recht viel von meinem Manuskript lesen werde.

Zum Abstimmungsspendegesetz: Wie der Herr Kollege gesagt hat, ist es auch 100 Jahre her, dass zwei Volksgruppen im heutigen Kärnten durch eine Abstimmung zusammen­gekommen sind. Das ist 100 Jahre her, aber eine wirkliche Zusammenkunft ist noch nicht ganz vollzogen.

Eine kleine Geschichte dazu: 2017 war ich im Zuge einer Sommerakademie zu Sprache und Macht – wie passend! – ein paar Tage im schönen Kärnten, in Koroška. In einer Pause nutzte ich die Gelegenheit und fuhr zum Baden an den Turnersee. Dort kam ich ins Gespräch und erfuhr, dass auf dieser schönen, nach Süden gerichteten Uferseite des Sees die sogenannten Deutschkärntner liegen – ich hörte das Wort zum ersten Mal – und dass vis-à-vis, auf der anderen Uferseite des Sees, die slowenischsprachigen Kärntnerinnen und Kärntner liegen.

Ich verstand das zuerst gar nicht und dachte, das ist eine Landesgrenze. Diese ist dort aber weit entfernt. Die Grenze zwischen den zwei Volksgruppen ist aber offenbar immer noch gezogen und prägt nach 100 Jahren immer noch den Kärntner Alltag, sogar den Badealltag. Daher ist es meines Erachtens auch immer noch wichtig, in die Integration beider – ja, beider – Volksgruppen zu investieren, denn Integration bedeutet die Herstel­lung einer Einheit, und ich möchte demokratiepolitisch und im Hinblick auf Minderheiten­rechte ergänzen: einer Einheit in Vielheit.

Unterschiedlichkeit ist eine Ressource, kein Hindernis; eine Ressource von Ideen, He­rangehensweisen und Konzepten. Sie erhöht die Kreativität im Sinne von Schaffenskraft und fördert Lösungskompetenzen. Erst Unterschiedlichkeit macht die Lebendigkeit einer Gemeinschaft aus und sie macht Demokratie schlechthin aus.

Unser Bundespräsident formulierte es kürzlich sehr positiv, er sprach davon, dass das „Aufeinanderzugehen“ in Kärnten schon weit besser gelungen ist und sich ein neues Zugehörigkeitsgefühl entwickelt hat. Dieser Prozess ist meiner Meinung nach aber noch


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nicht abgeschlossen. Daher ist es umso erfreulicher, dass der Nationalrat den Beschluss gefasst hat, das Zusammenleben und die kulturelle Vielfalt in den von der Abstimmung betroffenen Gebieten Kärntens weiterhin zu fördern, denn es geht nicht nur um die Ak­zeptanz von Sprache und Kultur, sondern auch um die Aufarbeitung historischer Ereig­nisse, von der Germanisierungspolitik bis zum nicht eingehaltenen Minderheitenschutz.

Dieses Gesetz ist auch ein kleiner Puzzleteil, den die Politik hier einfügt, aber viele Puzzleteile und viel Hinschauen ergeben ein großes Ganzes und sind Basis für eine lebenswerte und solidarische Gemeinschaft. Mögen wir in 100 Jahren kein solches Ge­setz mehr brauchen!

Ein paar Worte noch zum COVID-19-Lagergesetz: Wie wir wissen, war es im Ausnahme­zustand der letzten Zeit nicht immer leicht, Schutzausrüstung und medizinische Mate­rialien wie sonst üblich zu erhalten. Es gab Engpässe aufgrund von unterbrochenen Lie­ferketten und teilweise waren kritische Güter auf dem Markt nicht mehr verfügbar. Daher will der Bund die Länder durch ein Covid-19-Lager unterstützen. Das bedeutet, dass er zusätzlich zu den üblichen regionalen Beschaffungskanälen Schutzausrüstung und me­dizinische Verbrauchsmaterialen besorgt, lagert und verteilt.

Das Covid-19-Lager ist eine Krisenbevorratung. Wer könnte Personal und logistische Erfahrung für das Anlegen, Lagern und Verteilen der medizinischen Materialien gesi­chert bereitstellen? – Ich fragte mich das, weil ich mich fragte, warum das Bundesheer als geeignete Institution dafür angesehen wurde. Das Bundesheer ist laut Verfassung zu Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Um­fangs heranzuziehen. Es ist daher darauf ausgerichtet, in Krisensituationen schnell und effizient zu arbeiten, und genau das brauchen wir jetzt.

Einen Aspekt sehe ich hier aber noch zusätzlich: Beim Militär sind noch immer meist Männer eingesetzt, oft junge Männer. Diese werden im Zuge der Versorgungsarbeiten in Kontakt mit Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen – man sieht es gerade auch in Sankt Lorenzen – kommen und damit auch in Kontakt mit den Sorgen der Pflegearbeit und dem Leid der Kranken und der Alten. Dann stehen nicht mehr Waffen und Kampf im Vordergrund ihres Denkens und Handelns, sondern das Wissen um gegenseitige Ab­hängigkeit und die Erfahrung, wie wichtig es ist, Hilfe zu leisten.

In diesem Sinne, im Sinne der gegenseitigen Unterstützung, freue ich mich sehr auf die zukünftige Arbeit hier im Bundesrat mit Ihnen und danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

11.58


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke, Frau Kollegin.

Ich darf nun Herrn Bundesrat Ing. Eduard Köck ans Rednerpult bitten.


11.58.41

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute ein Budget unter einmaligen Bedingungen, während einer Pandemie, die für jene, die noch nicht davon betroffen waren, oft schwer zu fassen ist, die aber auf der anderen Seite für sehr viele sehr belastend ist.

Ich denke jetzt vor allem an jene, die in den Krankenhäusern arbeiten. Ich kenne sehr viele, die dort arbeiten, und genau darum geht es: diese Menschen, die dort arbeiten, mit all unseren Maßnahmen, die wir setzen, zu unterstützen. Man muss sich das einmal vorstellen: Es werden eigene Stationen geschaffen, diese müssen abgeriegelt werden, und auf diesen Stationen arbeiten Menschen mit Schutzanzügen; etwas, das man nur zwei Stunden aushalten kann. Man muss einen Schichtdienst einrichten, es muss auch von anderen Stationen Personal kommen, weil das sonst gar nicht aufrechtzuerhalten ist.


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Wir müssen diese Maßnahmen, die wir hier gegen die Coronapandemie ergreifen, genau deshalb setzen, damit wir das System nicht überlasten und die Menschen dort schützen, die teilweise auch psychisch angeschlagen sind, damit sie den Menschen helfen können, die von dieser Pandemie betroffen sind. Wir müssen diese Menschen durch die Krise bringen, ohne dass sie Schaden nehmen.

Nun haben wir sicherlich einige Maßnahmen setzen müssen, die die Wirtschaft getroffen haben, auf der anderen Seite müssen wir die Wirtschaft auch unterstützen. Ich glaube, das ist in der Vergangenheit ganz, ganz gut gemacht worden, das ist uns international auch attestiert worden, und auch mit diesem Budget wird so viel und so gut wie möglich unterstützt. Es gibt ja ein 50-Milliarden-Euro-Paket, welches die Konjunktur, den Arbeits­markt, die Wirtschaft beleben soll, es ist heute schon sehr viel davon gesprochen wor­den. (Vizepräsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Natürlich kann man immer noch mehr ausgeben, aber es ist verwunderlich, dass oft in­nerhalb einer Partei die einen verlangen, dass man nicht so viele Schulden machen darf (Bundesrat Ofner: Was wir nicht alles ...!), und die anderen dann sagen, dass man da oder dort noch zusätzlich etwas ausgeben muss. Die Herren Dim und Ofner von den Freiheitlichen haben es sogar in einer einzigen Rede geschafft, auf der einen Seite an­zuprangern, dass man zu viele Schulden macht, und auf der anderen Seite gleich zu­sätzliche Maßnahmen zu fordern. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Die Kollegin von der SPÖ hat gemeint, die Bundesregierung hätte sich im Sommer zu wenig auf den Herbst vorbereitet. Ich kann nur sagen: Die Vorsitzende der SPÖ hat sich im Sommer auf Zypern auf den politischen Herbst vorbereitet. (Oh-Rufe bei der SPÖ. Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, das war so. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Unsere Leute haben sich zu Hause vorbereitet und haben das auch gut ge­macht.

Der Pensionsraub, den Sie kritisieren, das ist eine Regelung, die Faymann und Hunds­torfer geschaffen haben. Das haben Sie heute als Pensionsraub bezeichnet. (Zwischen­rufe bei der FPÖ.) Wir haben eine Regelung eingeführt, die einen Frühstarterbonus bein­haltet (Beifall bei der ÖVP), der alle Menschen mitnimmt (Zwischenrufe der Bundesrä­tInnen Grimling und Novak), die früh zu arbeiten begonnen haben, und der auch die Frauen berücksichtigt. Ich denke daher, dass das eine sehr, sehr gute Regelung ist, wie wir sie letzten Endes eingeführt haben. Ich muss ehrlich sagen, ich glaube, der ehema­lige Sozialminister Hundstorfer dreht sich jedes Mal in seinem Grab um, wenn Sie hier immer wieder von Pensionsraub sprechen. (Beifall bei der ÖVP. Bundesrätin Schu­mann: Also so über unseren Rudi Hundstorfer zu reden, das ist unglaublich! Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.Das tut ihr! (Bundesrätin Grimling: Aber wir sollen ja alle zusammenarbeiten, haben wir gerade gehört!) – Freilich, das sollen wir ja auch, immer zusammenarbeiten. Wir haben ja damals mit euch gemeinsam diese Regelung von Fay­mann und Hundstorfer mitgetragen (Bundesrätin Grimling: Ja, ja!), obwohl ihr sie brin­gen wolltet. Jetzt kritisiert ihr genau das Abschaffen dieser Regelung. Wie soll man dann zusammenarbeiten? (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte noch auf einen Aspekt in diesen Budgetbegleitgesetzen zu sprechen kom­men, nämlich auf die Schaffung eines Bundesamtes für Verbrauchergesundheit. Das ist auch ein sehr, sehr wichtiger Teil in diesem Budgetbegleitgesetz, da es vor allem eine Grundlage bietet, gegen Konsumententäuschung vorzugehen. Wir haben im landwirt­schaftlichen Bereich immer wieder damit zu kämpfen, dass Produkte angeboten werden, die beim Konsumenten fälschlicherweise den Eindruck erwecken, als wären sie aus Ös­terreich oder hier produziert worden. Schaut man dann ganz genau hin, ist es eben nicht so.

Ganz genau hinschauen müssen wir eben bei den Eigenmarken der Handelsketten. Da kann es durchaus sein, dass in der Eigenmarke das Grundprodukt Milch, sage ich ein­mal, eine Zeit lang von einer österreichischen Molkerei kommt und dann auf einmal


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gegen ausländische Milch ausgetauscht wird und man das fast nicht erkennt. Da müssen wir Schritte setzen, möglicherweise Gesetze machen, dass der ursprüngliche Produzent auf dem Produkt in einer gewissen Größe erkennbar sein muss, sonst werden wir in Zukunft immer wieder mit solchen Praktiken zu tun haben.

Auf der anderen Seite ist da auch verankert, dass der Selbstversorgungsgrad Öster­reichs mit österreichischen landwirtschaftlichen Produkten gesichert sein soll. Ich denke, auch das ist sehr, sehr wichtig. Wir haben gerade in den letzten Wochen und Monaten an einem Beispiel gesehen, wie man durch überzogene Gesetzgebung die österreichi­sche Lebensmittelproduktion vernichten kann. Wir hatten in Österreich im Zuckerrüben­anbau einmal eine Anbaufläche von 50 000, 55 000 Hektar, dann ist ein Gesetz einge­führt worden, mit dem ein Pflanzenschutzmittel gegen einen Schädling, einen Käfer, ver­boten worden ist. Das hat dazu geführt, dass Bauern die Saat ausgebracht haben, dieser Käfer aber diese Aussaat zunichtegemacht hat. Die Bauern haben das ein zweites Mal probiert, es ist wieder nichts geworden, und im nächsten Jahr haben sie ganz einfach keine Zuckerrüben mehr angebaut.

Wir hatten im heurigen Jahr eine Anbaufläche von 28 000 Hektar Zuckerrüben, und auch davon ist wiederum ein Drittel vernichtet worden, das heißt, nicht einmal diese sind zur Ernte gekommen, und das hat dazu geführt, dass der Konzern gesagt hat: Wir werden den Standort Leopoldsdorf – dort arbeiten 300 Menschen schließen. In letzter Konse­quenz hat er gesagt: Wir werden auch Tulln schließen – dort arbeiten 500 Menschen. Die Konsequenz daraus ist: Es wird keinen Wiener Zucker mehr geben. Es wird vielleicht schon noch Wiener Zucker geben, aber dieser wird in Südbayern hergestellt werden, und was da dann drinnen ist – da sind wir wieder bei der Konsumentensicherheit, bei der Deklaration –, das wissen wir dann nicht mehr.

Daran sieht man, wie man durch überzogene Gesetze die heimische Selbstversorgung vernichten kann. Wir müssen diesbezüglich aufpassen und sehen, dass wir unsere eige­ne Versorgung mit eigenen Lebensmitteln hochhalten, dass wir Wiener Zucker sichern. Der Konzern hat gesagt, wenn die Bauern es zustande bringen, für die nächsten Jahre 38 000 Hektar Zuckerrübenanbaufläche zu sichern, dann wird man diese Anlagen offen lassen. Wir haben das in einer großen Kampagne erreicht, es wurden 38 050 Hektar zustande gebracht, der Standort ist jetzt einmal für einige Jahre gesichert. Ich appelliere hier aber an alle, die Möglichkeiten in diesem Gesetz auszunutzen, um jene Mittel zuzu­lassen, damit wir auch in Zukunft unsere Selbstversorgung in Österreich gesichert ha­ben.

Danke für dieses gute Budget. (Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ.) Ich denke, es sind die wichtigen und die richtigen Antworten auf die derzeit total angespannte Situation. (Zwi­schenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Ich könnte mir keinen besseren Finanzminister in dieser Situation vorstellen. Ich danke dir sehr, sehr herzlich. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner: Da muss er selber lachen! Das ist ja peinlich! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ.) Ich hoffe, wir werden gut durch diese Krise kommen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf des Bundesrates Schennach: ... zu Nieder­österreich auch!)

12.06


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Eva Prischl. – Bitte, Frau Kollegin.


12.07.13

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundes­rates! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Als Bereichssprecherin für die Seniorinnen und Senioren habe ich in vielen Gesprächen mit den Vertretern der Pensionistenverbände


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den Unmut über die Reform der Hacklerregelung, also der Möglichkeit, abschlagsfrei nach 45 Jahren vor dem Regelpensionsalter in Pension zu gehen, eingefangen. Ich möchte hier einige mir übermittelte Meinungen kundtun.

Unisono finden es alle ungerecht, dass man Menschen dafür bestraft, dass sie 45 Jahre lang – und oft sogar noch länger – ununterbrochen ihren Anteil zum Pensions- und damit zum Steuersystem beigetragen haben. Diese Personen haben brav eingezahlt, viele schon ab dem 15. Lebensjahr, so lange wie niemand anderer. Nachdem sie 45 Jahre lang voll in das Pensionssystem eingezahlt haben, werden sie mit Abschlägen von bis zu 15 Prozent lebenslang bestraft (Bundesrätin Steiner-Wieser: Pfui!), wenn sie vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Pension gehen, verlieren also im Schnitt 300 Euro monatlich. (Ruf bei der SPÖ: Wahnsinn!) – Das ist ein Wahnsinn, ja!

Ein Zitat aus der Steiermark, und zwar vom Präsidenten des Pensionistenverbandes Klaus Stanzer: „Gerechtigkeit und Fairness sehen anders aus!“ (Beifall bei der SPÖ.)

Scharfe Kritik kommt von Hubert Lötsch, dem Landesgeschäftsführer des Pensionisten­verbandes Vorarlberg. Sein Zitat: „Nach der Abschaffung der Hacklerregelung, der Frot­zelei um den Frühstarterbonus, erhalten Neu-Pensionisten nur mehr eine aliquotierte Pensionserhöhung. Damit wird über die Hintertür die 2019 gestrichene Wartefrist wieder eingeführt, der zufolge sich Neu-Pensionisten bis zu 24 Monate gedulden“ müssen, „bis die erste Pensionserhöhung wirksam“ wird. Er bezeichnet diese Pensionskürzung als eine „Nacht- und Nebelaktion, die mitten im Lockdown und ohne Ankündigung passiert“. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Schennach: Und als Pensionsraub!)

Ich habe natürlich auch von Herrn Dr. Peter Kostelka einen Brief, aber komischerweise steht bei mir ein bisschen etwas anderes. Dr. Peter Kostelka, Präsident des Pensionis­tenverbandes Österreich und auch Mitglied der Alterssicherungskommission, sieht auch den Vertrauensschutz gefährdet. Sein Zitat:

„Auf was können sich die Menschen denn noch verlassen? Schon dass es drei Jahr­gänge gibt, die die vollen Abschläge verkraften müssen [...] war ungerecht [...]. Seit 2020 gibt es einen Jahrgang der keine Abschläge zahlen muss. Jetzt soll wieder eine andere Pensionsvariante kommen, – das führt zu einer Vielzahl an Ungerechtigkeiten, die die Menschen weder verstehen noch bereit sind zu akzeptieren.“ (Beifall bei der SPÖ.)

Kostelka weiter: „Im Pensionssystem geht es um Verlässlichkeit und auch um Beitrags­gerechtigkeit. Wenn ich mir die Staatszuschüsse bei den Bauern- und Selbstständigen-Pensionen ansehe und mit jenen der Hackler-Pensionen vergleiche, sehe ich einen an­deren Handlungsbedarf, als jene zu benachteiligen, die volle 45 Jahre ihre Pensionsbei­träge bezahlt haben [...] Bauern-Pensionen müssen zu rund 80 Prozent und Selbststän­digen-Pensionen zu rund 50 Prozent vom Staat bezuschusst werden, weil die Eigenbei­trags-Deckung so gering ist.“

Im Gegensatz dazu zahlen sich jene Personen (Zwischenruf bei der FPÖ), die volle 45 Jahre einbezahlt haben, das weitestgehend selber, Herr Kollege.

Für Andreas Wohlmuth, den Generalsekretär des Pensionistenverbandes Österreich, ist besonders unverständlich: „Die ÖVP hat beide Maßnahmen – abschlagsfreie Hacklerre­gelung und volle Pensionsanpassung im ersten Pensionsjahr – noch vor der letzten Wahl im Parlament mitbeschlossen, um schon im zweiten Jahr ihrer Regierungstätigkeit bei diesen beiden Maßnahmen wieder“ weitgehende Verschlechterungen durchzupeit­schen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wohlmuth weiter: „Die jetzt – offenbar mit dem Segen des Seniorenbundes – beschlos­senen Kürzungen wurden niemals mit den Pensionistenorganisationen verhandelt. Es gab und gibt auch kEinen gemeinsamen Beschluss der im Seniorenrat“ verbundenen „Pensionistenvereinigungen, wonach Personen, die im November und Dezember in


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Pension gehen, bis zu 14 Monate auf ihre erste Pensionserhöhung warten müssen und damit im Laufe ihrer Pensionszeit eine ganze Jahrespension einbüßen“.

Gefragt ist eine faire Pensionsanpassung, auch für 500 000 Menschen, die nach jahr­zehntelanger Arbeit eine Pension ab 2 333 Euro beziehen und nicht einmal eine Infla­tionsabgeltung von 1,5 Prozent bekommen. Sie mit einem Pauschalbetrag von 35 Euro brutto pro Monat abzuspeisen ist mehr als unfair. Noch weniger verständlich ist es, dass aber bei den Luxuspensionen über 10 000 Euro – es gibt in Österreich 10 000 Personen, die eine solche beziehen – eine volle Inflationsabgeltung vorgesehen ist.

Ich möchte, bevor ich einen Entschließungsantrag einbringe, mit einem Zitat von Prof. Dr. Hannes Bauer, Landespräsident des Pensionistenverbandes Niederösterreich, also in meinem Heimatbundesland, enden. Sein Zitat: Die Welt steht noch immer im Bann der Pandemie und diese führt zu sehr unterschiedlichen Reaktionen. Die Verunsiche­rung unter den Menschen, die ein paar Jahre vor ihrer Pensionierung stehen, ist rie­sengroß, aber auch die Verunsicherung unter den Pensionistinnen und Pensionisten. Die ältere Generation sorgt sich um die Sicherheit ihres Einkommens. – Zitatende.

Ich stelle folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die abschlags­freie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die abschlagsfreie Pension bei 540 Beitrags­monaten beizubehalten und keine Maßnahmen zu setzen, um diese Pensionsart wieder abzuschaffen.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, die bestehende abschlagsfreie Pension mit 45 Arbeitsjahren dahingehend zu adaptieren, dass

- alle Berufsgruppen diese Pensionsmöglichkeit erhalten,

- eine Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2021, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitrags­monaten aufweisen, durchgeführt wird, damit diese Leistungen ab dem 1.1.2021 ohne Abschläge ausbezahlt werden und

- Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit für den Pensionsanspruch der abschlagsfreien Pension mit 45 Arbeitsjahren anerkannt werden.“

*****

Abschließend möchte ich mich bei den Pensionistenvertreterinnen und -vertretern für ihren ganzjährigen Einsatz bedanken. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

12.14


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Eva Prischl, Kol­leginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „die abschlags­freie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Ing. Edi Köck zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort und ersuche, auf die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung Rücksicht zu nehmen. – Bitte.



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12.15.00

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Ich beziehe mich auf die falsche Darstellung der Bauernpension, zu der vom Staat so viel zugeschossen werden muss. Das ist völlig falsch dargestellt, wieder einmal ein typisches Bauernbashing.

Der Staat muss zu den Pensionen der Bauern so viel beitragen, weil auf 100 Bezieher 15 Einzahler kommen, weil nämlich die jungen Bauern in der Gebietskrankenkasse einzahlen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. Bundesrat Ofner: Was ist jetzt der Unterschied zu ...?) Das ist der einzige Grund, warum bei der Bauernpensionsversicherung so viel zugeschossen werden muss, und nicht deswegen, weil sie selbst so wenig einzahlen. Das ist typisches Bauernbashing. (Rufe bei der SPÖ: Geh, geh, geh! Bundesrat Ofner: Präsident! Was war jetzt der Unterschied ... ?  Zwischenrufe bei der SPÖ.)

12.15


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.15.44

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Zu meinem Vorred­ner nur ganz kurz: Es schaut in Österreich schon so aus, dass ASVG-Pensionisten nur 15 Prozent vom Staat dazukriegen, 85 Prozent zahlen sie selbst ein, dass Unternehmer nur zwischen 40 und 50 Prozent selbst einzahlen und die Bauern in Wirklichkeit 85 Pro­zent kriegen. Da sind wir nicht neidisch, aber das sollte einmal klargestellt sein, denn das, was du gesagt hast, stimmt nämlich nicht. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Richtig!)

Die Abschaffung der Hacklerregelung wird nicht zu Unrecht als Pensionsraub bezeich­net. Die Bundesräte der Türkisen, der Grünen und der NEOS glauben offensichtlich, dass jeder Elektriker, jede Verkäuferin bis 65 Jahre arbeiten kann, dass jede Sekretärin, jeder technische Zeichner bis 65 arbeiten kann oder dass Abschläge bis 12,6 Prozent beziehungsweise von mehr als 300 Euro pro Monat weniger an Pension für normale Menschen verkraftbar sind. Glaubt ihr das wirklich? – Ich glaube es nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich aber sage euch, dass das, was da passiert, eine riesengroße Frechheit ist. Ich sage euch auch, warum das eine riesengroße Frechheit ist: weil genau diese Kollegen mit kaputten Bandscheiben, mit Bluthochdruck und anderen Krankheiten tagtäglich zu mir kommen. Diese Kollegen sagen mir auch immer wieder, sie würden gerne bis 65 ar­beiten, aber sie schaffen es beim besten Willen nicht, weil es fürchterlich ist. Wenn man mit 62 Jahren nach 45 Jahren abschlagsfrei in Pension gehen könnte, dann muss auch gewährleistet sein, dass man nach 45 Jahren abschlagsfrei in Pension gehen kann. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Ich sage euch auch: Genau diese fleißigen Leute, die ihr Leben lang brav gearbeitet haben, sollen in Zukunft nicht mehr zu mir kommen, sondern sie sollen zu euch kommen. Dann könnt nämlich ihr denen ins Gesicht schauen und sagen: Ich als Türkiser streiche dir deine Pension, weil 45 Jahre nicht genug sind! Ich als Grüner streiche dir deine Pen­sion, weil ich eh nicht für Menschen bin, die eine Lehre machen! Und ich als NEOS möchte dich bis 65 Jahre arbeiten sehen, weil ich mir gar nicht vorstellen kann, dass Menschen mit 14 oder 15 Jahren eine Lehre beginnen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Ich bin mir nicht sicher, ob alle verstanden haben, dass die Betroffenen, die Menschen über 60 Jahre, die immer gearbeitet haben, jetzt wieder bestraft werden sollen. Ich habe kein Vertrauen in Parteien, die so kaltherzige Abschläge einführen.


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Ich muss auch ein Zweites dazu sagen: Es ist unwürdig, einen alten Handwerker gegen eine junge Frau auszuspielen. Es ist unwürdig, die dringend notwendige Besserstellung von Frauenpensionen mit der Langzeitversicherung abzutauschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Selbstverständlich ist es gut, wenn Frauen mehr Pension bekommen, aber es ist keine gute Politik, dafür anderen, die diese Schlechterstellung überhaupt nicht verdient haben, viel wegzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin mir sicher, meinen Standpunkt jetzt klargemacht zu haben, aber eines noch: Sie haben sich auch durch die Wahl des Wortes Frühstarter entlarvt – damit spreche ich die Wirtschaftstreibenden im Parlament an. Gestern redeten wir von Karriere mit Lehre und am nächsten Tag tun Sie so, als ob jeder Frühstarter eine Ausnahme wäre. In eurer ideologischen Verbohrtheit wollt ihr jeden alten Menschen möglichst lange in Arbeit hal­ten, auch wenn er es vielleicht nicht mehr schafft. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die Jungen haben ...!) Sie haben es noch nicht einmal verstanden, dass immer noch viele Menschen, Gott sei Dank, mit 15 eine Lehre beginnen. Ich würde mir als Lehranfänger nicht wünschen, als Frühstarter bezeichnet und stigmatisiert zu werden. Ich würde mir wünschen, dass Menschen, die viel gearbeitet haben, nicht schikaniert werden, sondern abschlagsfrei mit 62 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand gehen können. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Die Geschichte rund um den steirischen Motorenhersteller ATB Spielberg ist traurig, und wir wollen nicht, dass sich so etwas in Österreich noch einmal wiederholt. Erst haben die chinesischen Eigentümer das Instrument der Kurzarbeit genutzt und sich Geld vom ös­terreichischen Staat geholt, dann aber haben sie die Firma in den Konkurs geschickt und in weiterer Folge den Maschinenpark im Rahmen eines sogenannten Sanierungsver­fahrens mit Eigenverwaltung konzernintern verkauft. Die Maschinen wurden nach Polen und nach Serbien transferiert, während es einzig und allein dem Arbeitsmarktservice und dem Land Steiermark zu verdanken ist, dass für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Stiftung installiert wurde. Der Eigentümer hat zu der Stiftung nichts beigetragen. Das Nachsehen haben die 360 arbeitslosen Kolleginnen und Kollegen und der österreichische Insolvenzentgeltsicherungsfonds.

Es muss in Zukunft verhindert werden, dass internationale Konzerne auf diese Art und Weise die ArbeitnehmerInnen und den Standort Österreich belasten. Sie lösen auch noch das Anlagevermögen günstig aus der Konkursmasse und ziehen damit weiter in Länder mit geringeren Löhnen. Es ist ganz entscheidend, den Industriestandort im Allge­meinen und die betroffenen Industrieregionen – im Besonderen das Murtal – zu erhalten und zu stärken.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Initiative zur Erhaltung des Standbeins ‚Elektroindustrie‘ in der Region Murtal“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, die Bundesmi­nisterin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, der Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung sowie die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend werden aufgefordert, im Rahmen aller ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu prüfen, welche der unten aufgeführten Maßnahmen kurz-, mittel- und langfristig umsetz­bar sind und darüber dem Nationalrat sowie dem Bundesrat umgehend Bericht zu er­statten, sowie entsprechende gesetzliche Maßnahmen umgehend zum Beschluss vor­zulegen, um die nachstehenden genannten Forderungen breitest möglich zu erfüllen und umzusetzen:


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Es werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

- Übernahme des Produktionsstandortes der ATB durch die öffentliche Hand.

- Marktforschung und Analyse im Bereich elektrischer Antriebssysteme.

- Erhaltung und Fortführung der derzeitigen Produktion bei ATB bis zur Serienreife neuer Produkte in diesem Segment.

- Schaffung eines von der öffentlichen Hand geführten Innovations- und Kompetenzzen­trums für elektrische Antriebssysteme unter Einbeziehung von entsprechenden Universi­täten inkl. der Einrichtung einer Außenstelle.

- Ansiedlung einer Fachhochschule für Elektromobilität und Antriebssysteme.

- Vernetzung aller in diesem Bereich tätigen Firmen mit dem Ziel Synergien zu nutzen.

- Einrichtung einer Ideenschmiede für alternative Antriebsmöglichkeiten.

- Ausschreibung eines Ideenwettbewerbs für nachhaltige Produktion in diesem Segment

Zugleich werden Forderungen zur Erreichung der Ziele gestellt, diese lauten wie folgt:

- Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit den Besitzern von ATB in Verhandlungen zur Übernahme in das öffentliche Eigentum einzutreten.

- Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine Sonderfinanzierung der Region Murtal.

- Einrichtung eines Entwicklungs- und Innovationsfonds für das Murtal.

- Einrichtung eines Koordinationsbüros zur schrittweisen Planung und Umsetzung der Maßnahmen.

- Sonder- und Wirtschaftsförderungen bedingen eine verpflichtende Beteiligung der öf­fentlichen Hand, um so ein Mitspracherecht zu gewährleisten.“

*****

Dieser Entschließungsantrag wird nachher namentlich abgestimmt. Ich bin schon neu­gierig, wie sich unsere Kolleginnen und Kollegen aus der Steiermark verhalten werden. Alles Gute! Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

12.24


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Initiative zur Erhaltung des Standbeins ‚Elektroindustrie‘ in der Region Murtal“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte, Frau Kollegin.


12.24.51

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Herren Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher via Livestream! Wir haben gerade zwei Reden von der SPÖ gehört, die an Flos­keln und inhaltslosen Argumenten zur Abschaffung der abschlagsfreien Hacklerregelung kaum zu überbieten sind. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei der ÖVP. Bundesrat Schennach: Das darf doch nicht wahr sein!)

Es gehört nicht zu diesem Tagesordnungspunkt, deshalb habe ich mich jetzt einfach kurzfristig dafür entschieden, mich zu Wort zu melden, weil ich die Stimme der jüngeren Arbeitnehmer vertreten möchte. Ich lade Sie alle jetzt dazu ein, sich mit mir aus Sicht aller Arbeitnehmer (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann) – und


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nicht nur aus der Sicht jener, die kurz vor Inanspruchnahme der Hacklerpension stehen – die Argumente, die Sie gebracht haben, genauer anzusehen.

45 Arbeitsjahre sind genug, das sagen Sie, liebe Sozialdemokraten. Ich gebe Ihnen recht, nach 45 Arbeitsjahren sollte jemand in Pension gehen können, wenn er das möch­te. Die gute Nachricht ist, daran ändert sich aber auch in Zukunft nichts. (Bundesrätin Hahn: Ja, aber abschlagsfrei ...!) Wenn es dann um die Frage geht, ob die vorzeitige Pension abschlagsfrei angetreten werden kann, dann diskutieren wir das Thema Fair­ness. Schauen wir uns doch auch Ihre Auffassung von Fairness genauer an! (Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Sie haben unter einem roten Sozialminister und Bundeskanzler 2010 genau diese Regelung mit dem Argument einer fairen Ausgestaltung des Generationen­vertrages abgeschafft. (Bundesrätin Grimling: Ja, genau!)

Von diesem Fairnessverständnis ist offensichtlich nicht mehr viel übrig, denn heute, zehn Jahre später, sind Sie exakt bei der gleichen Fragestellung komplett anderer Meinung und behaupten, es sei unfair, unsozial und ungerecht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Diesen Zickzackkurs kann, glaube ich, niemand verstehen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Ich möchte Sie auch gerne daran erinnern, dass sich die Situation der jüngeren Bevöl­kerungsgruppe, die die Lasten solcher Wahlzuckerl zu tragen haben, in den letzten zehn Jahren nicht verbessert hat, ganz im Gegenteil (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn): Das Umlageverfahren ist massiv unter Druck (Bundesrat Beer: ... Propaganda!), weil die Menschen länger in Rente sind und sie dadurch auch mehr aus dem Pensionssystem herausnehmen, als sie tatsächlich beigetragen haben. Damit aber nicht genug, denn die jetzt getätigten Schulden aufgrund der Coronakrise und der Staatsschuldenkrise müssen auch die zukünftigen Arbeitnehmer, deren Enkelkinder und Urenkelkinder zahlen und tragen. (Bundesrätin Hahn: Verzichtet auf ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Mei­ne lieben Kolleginnen und Kollegen, auch die jetzigen Arbeitnehmer, deren Enkel und Urenkel haben aber ein Recht auf eine faire Pension. (Beifall bei ÖVP und Grünen. Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist in Ordnung, meine lieben Sozialdemokraten, wenn Sie die Pensionisten subven­tionieren möchten, aber es geht immer auf die Kosten der zukünftigen Arbeitnehmer, Ihrer Kernwählerschaft. (Bundesrat Beer: ... Pensionisten!)

Jetzt stellen wir uns noch die Frage, ob diese Umverteilung aufgrund der Hacklerrege­lung sozial gerechtfertigt ist. Da können wir einfach die Zahlen für sich sprechen lassen: Pensionisten, die die Hacklerregelung in Anspruch nehmen, bekommen eine durch­schnittliche Pension von 2 845 Euro. (Bundesrat Beer: ... Hacklerregelung ... !) Die Al­terspension von Männern liegt im Vergleich dazu bei 2 064 Euro. (Zwischenruf der Bun­desrätin Steiner-Wieser.) Sogar mit Abschlägen verdienen die Hacklerpensionisten also mehr als der männliche Durchschnittsrentner (Bundesrat Schennach: Ja genau!), von den Frauen einmal völlig abgesehen.

Die jetzigen und zukünftigen Arbeitnehmer, die mengenmäßig weniger sind als die Grup­pe der Pensionisten, zahlen also die Pension einer relativ kleinen Gruppe an Pensionis­ten (Zwischenrufe bei der SPÖ), die überdurchschnittlich hohe Pensionen bekommen. Jetzt frage ich Sie: Ist das fair? (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Genau das war auch der Grund, warum Ihre Spitzenpolitiker damals vor zehn Jahren der festen Überzeugung waren, diese Regeln im Sinne einer fairen Ausgestaltung des Umlageverfahrens abzuschaffen. Ihre jetzige Haltung ist mir deshalb völlig unverständ­lich. (Bundesrat Beer: Lernen Sie Geschichte!)

Ihre Hauruckwiedereinführung der abschlagsfreien Hacklerregelung im Herbst 2019 hat außerdem zu Unsicherheit und Ungerechtigkeit geführt (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling– zu Unsicherheit bei all jenen, die kurz vor Pensionsantritt standen und ste­hen, und zu Ungerechtigkeit für jene, die gerade in Pension gegangen waren und somit


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nicht von der Abschlagsfreiheit profitiert haben. Aus diesem Grund führen wir stattdes­sen einen gerechteren Frühstarterbonus ein und reparieren die unfaire Abschlagsfreiheit der Hacklerregelung. (Beifall bei ÖVP und Grünen. Bundesrat Schachner: Wo ist ... vor Jahren eingeführt?)

Denn der Frühstarterbonus ist fairer gegenüber allen Berufsgruppen, er ist fairer gegen­über Frauen, er ist fairer gegenüber den nächsten Generationen, er ist fairer gegenüber kleineren Pensionen und er ist eine Aufwertung der Lehre. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Warum macht das Ganze Sinn, meine lieben Kolleginnen und Kollegen? – Menschen, die früh ins Arbeitsleben eingestiegen sind und somit auf das vom Steuerzahler subven­tionierte Bildungsangebot, wie zum Beispiel ein Studium, verzichtet haben, haben schon in jungen Jahren ihren Beitrag zum Wohlstand der Republik geleistet. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Somit haben sie sich auch einen Bonus verdient. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das ist gelebte Fairness! – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Beer.)

12.30


12.30.45

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Es liegt dazu keine weitere Wortmeldung vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall, damit ist die Debatte ge­schlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgen.

Aufgrund möglicherweise knapper Abstimmungsergebnisse weise ich darauf hin, dass a conto unserer Geschäftsordnung die Stimmabgabe bitte von den Plätzen aus erfolgt. Ich darf daher bitten, von den Plätzen aus vom Stimmrecht Gebrauch zu machen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend Budgetbegleitgesetz 2021.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist damit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Thomas Dim, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Schadensabgeltung nach dem Epidemiegesetz zur Be­wältigung der COVID-19-Krise“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag ab­stimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag ist somit abgelehnt.

Es liegt ein weiterer Antrag der Bundesräte Thomas Dim, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Rettung der direkten Demokratie in Vorarlberg“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist damit angenommen. (331/E-BR/2020) (Bravoruf bei der SPÖ.)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Schaffung eines Gemeindeeinnahmenausgleichsfonds“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag ist damit abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 75

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben!“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag ist damit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Initiative zur Erhaltung des Standbeins ,Elektro­industrie‘ in der Region Murtal“ vor.

Hiezu ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabethischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“.

Ich bitte um deutliche Äußerung und ersuche die Schriftführung um den Aufruf der Bun­desräte in alphabethischer Reihenfolge. – Bitte.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Spanring geben die BundesrätInnen ihr Stimm­verhalten mündlich bekannt.)

*****


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Ich mache von meinem Stimmrecht Ge­brauch und stimme mit „Nein“.

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 12.39 Uhr unterbrochen und um 12.39 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wie mir die Schriftführung bestätigt: 29 „Ja“-Stimmen, 30 „Nein“-Stimmen. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Appé;

Beer, Bernard;

Dim;

Egger;

Gerdenitsch, Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 76

Hahn, Hübner;

Kahofer, Kovacs;

Lancaster, Leinfellner;

Novak;

Ofner;

Prischl;

Reisinger;

Schachner, Schartel, Schennach, Schererbauer, Schilchegger, Schumann, Spanring, Steiner, Steiner-Wieser;

Zaggl.

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Arlamovsky, Auer;

Bader, Berger-Grabner, Buchmann;

Eder, Eder-Gitschthaler;

Gfrerer, Gross;

Hauschildt-Buschberger, Himmer, Hirczy;

Kaltenegger, Kittl, Köck, Kolland, Kornhäusl;

Lackner;

Mattersberger, Miesenberger;

Preineder;

Raggl, Ringer;

Schreuder, Schwarz-Fuchs, Schwindsackl, Seeber;

Wolff;

Zeidler-Beck, Zwazl.

*****


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Covid-19-Lagergesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

12.40.384. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (956/A und 438 d.B. sowie 10451/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht, Frau Kollegin.


12.40.58


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 77

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister! Frau Ministerin! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärzte­gesetz 1998 geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

12.41.01


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke vielmals für die Berichterstattung.

Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen keine Wortmeldungen vor, die Debatte ist daher geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist damit angenommen.

Ich darf Frau Bundesministerin Aschbacher sehr herzlich in unseren Reihen willkommen heißen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.42.105. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (957/A und 459 d.B. sowie 10440/BR d.B. und 10454/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Herr Bundesrat, ich bitte um deinen Bericht.


12.42.34

Berichterstatter Dr. Karlheinz Kornhäusl: Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geän­dert wird.

Worum geht es im Wesentlichen? – Es sind zwei Punkte: Zum einen geht es um zwei Coronaregeln im Bereich des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, die nun verlängert werden sollen, und zum Zweiten um einen gestaffelten Bonus für arbeitslose Menschen je nach Dauer ihrer Arbeitslosigkeit.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Herzlichen Dank.


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke vielmals für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bun­desrat.



BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 78

12.43.52

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Es geht ja um die zweite Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Durch das öster­reichische Modell der Kurzarbeit konnte verhindert werden, dass die Arbeitslosigkeit in dieser wirklich schweren Krise extrem hinaufschnellt. Trotzdem ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt alles andere als rosig. Einen neuen Job zu finden ist im Regelfall derzeit schwierig. Mit Ende November waren 457 000 Menschen in Österreich arbeitslos oder in Schulungen des AMS. Das ist ziemlich genau ein Viertel mehr als im November des Vorjahres.

Es ist vollkommen klar, dass Arbeitslosigkeit die Einkommenssituation drastisch ver­schlechtert. Wir haben uns sehr dafür eingesetzt, dass es zu einer zweiten Sonderzah­lung kommt, um für die vielen Betroffenen eine Abmilderung dieses Einkommensver­lustes zu erreichen.

In der zweiten Tranche der Sonderzahlung, die sich auf Arbeitslosigkeit in den Monaten September, Oktober und November bezieht, wurde auch die Kritik der Volksanwalt­schaft, dass bei der ersten Sonderzahlung die KrankengeldbezieherInnen leer ausge­gangen sind, gehört und miteingearbeitet. Es werden dieses Mal auch jene miteinbezo­gen, die aus der Arbeitslosigkeit – also entweder aus dem Arbeitslosengeldbezug oder aus dem Notstandshilfebezug – direkt in den Krankengeldbezug wechseln, damit auch sie die entsprechende Unterstützung bekommen, die sie dringend brauchen.

Zu erwähnen ist dabei auch, dass die Leistungen für die KrankengeldbezieherInnen aus rein technischen Gründen erst im Jänner ausbezahlt werden, weil die Krankenversiche­rungen eben erst Anfang Dezember dem Arbeitsmarktservice melden, wer überhaupt Krankengeld erhalten hat.

Noch einmal zusammengefasst: Es gibt eine zweite Sonderzahlung, um den Einkom­mensverlust durch Arbeitslosigkeit abzumildern, und bei dieser zweiten Sonderzahlung wurde verbessert, dass nun auch KrankengeldbezieherInnen miteinbezogen werden.
Ich hoffe daher auf breite Zustimmung. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesra­tes Schwindsackl.)

12.46


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. Ich erteile ihr dieses.


12.46.37

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher via Livestream! Ja, dieser Tagesordnungspunkt beinhaltet wichtige sozial- und gesellschaftspolitische Beschlüsse, die den Arbeitslosen und den in Altersteilzeit befindlichen Menschen in un­serem Land zugutekommen. Viele meiner Freunde und Bekannten wurden aufgrund der Coronakrise arbeitslos – und ich bin mir sicher, jede von Ihnen, jeder von euch hat Men­schen in seinem persönlichen Umfeld und Bekanntenkreis, die arbeitslos geworden sind, denn diese beispiellose Krise trifft leider alle Branchen. Vom Tourismus über die Land­wirtschaft bis hin zur Industrie hat jeder mit den Auswirkungen der Coronakrise zu kämp­fen. Viele Menschen sind deshalb schon eine ganze Weile von Arbeitslosigkeit betroffen.

Eine zentrale Aufgabe eines Sozialstaates ist es, Menschen, die wegen bestimmter Gründe und Lebensumstände kein Einkommen erzielen können, in Form einer gerech­ten Umverteilung zu unterstützen. Dazu gehört auch eine Situation, wie wir sie derzeit aufgrund der Pandemie vorfinden, in der viele Menschen trotz ihrer Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit schon seit Monaten unverschuldet arbeitslos sind – und da helfen und


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 79

unterstützen wir auch mit dem Arbeitslosenbonus, den wir nun schon ein zweites Mal ausbezahlen.

Gleichzeitig müssen wir aber alles versuchen, um Menschen in Beschäftigung zu brin­gen; motivierte Mitarbeiter sind der Motor der Wirtschaft. Damit das auch gelingt, muss es einen deutlichen Unterschied zwischen dem Arbeitslosengeld und dem Lohn oder Gehalt geben, auch ein Sozialstaat darf nicht leistungsfeindlich sein. Es muss einen hin­reichenden finanziellen Anreiz geben, damit Menschen gewillt sind, weiterhin ihren Bei­trag in der Gesellschaft zu leisten.

Unterstützt werden sollen jene, die aufgrund besonderer Umstände – wie momentan während der Coronapandemie – unverschuldet arbeitslos geworden sind, nicht aber die­jenigen, die arbeiten können und nicht wollen. Das wäre auch in einem Sozialstaat der falsche Ansatz. Insofern freut es mich sehr, dass wir heute einen zielgerichteten Bonus für arbeitslose Menschen in unserem Land beschließen können, und ich bitte um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

12.49


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Bundesrätin.


12.49.26

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Ja, die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist tatsächlich dramatisch. Wir haben derzeit an die 460 000 Arbeitslosen im Land, das sind aktuell rund 9,5 Prozent der Bevölkerung – die Tendenz ist täglich steigend.

Das ist natürlich coronabedingt. Tendenziell ist die Arbeitslosigkeit im Winter höher, ja, es ist aber, vergleichsweise, doch die Rede von circa 91 000 von Arbeitslosigkeit betrof­fenen Personen mehr als im Vorjahr. Das ist der höchste Wert seit 1946 – das zur Grund­lage.

Aktuell haben es verschiedene Personengruppen bei der Jobsuche besonders schwer. Ich denke zum Beispiel an jene Menschen, die nicht besonders gut qualifiziert sind. Das Risiko, arbeitslos zu sein, liegt bei Personen, die maximal Pflichtschulabschluss haben, bei 25 Prozent, bei jenen mit Lehrabschluss bei 12 Prozent und bei jenen mit Hochschul­abschluss bei 5 Prozent. Man sieht da also schon enorme Abstufungen.

Es stehen aber auch junge Menschen, die neu in Unternehmen sind, vor einer beson­deren Herausforderung. Sie sind meistens die Ersten, die dann wieder gehen müssen. Bei den Jungen muss man auch diejenigen erwähnen, die auf Lehrstellensuche sind. Man weiß, dass es in Krisenzeiten wesentlich schwieriger ist, offene Stellen und Lehr­stellensuchende zusammenzubringen, als sozusagen in Normalzeiten.

Noch eine Gruppe ist besonders gefährdet: Das sind die älteren ArbeitnehmerInnen und auch diejenigen, die schon lange auf Jobsuche sind.

In Wien planen wir – oder plant die neue Stadtregierung – die Joboffensive 50plus für ältere Langzeitarbeitslose. Das bedeutet konkret, dass die Stadt Wien und das AMS Wien gemeinsam für ein Jahr einen Teil der Lohn- und Gehaltskosten für diese einge­stellten Personen übernimmt. Das ist eine konkrete Maßnahme, um genau dieser Ziel­gruppe etwas anzubieten.

Zu den arbeitslosen Personen kommen natürlich noch all jene hinzu, die derzeit in Kurz­arbeit sind. Das sind aktuell 276 000 Menschen – meine Kollegin Korinna Schumann hat es vorhin schon erwähnt –, und auch diese haben natürlich Gehaltseinbußen.

Wir wissen, dass es für alle schwierig ist, in einer Krise einen Job zu finden, weil auch die sofort verfügbaren Stellen natürlich deutlich weniger sind. Was es zurzeit bräuchte


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 80

und braucht, ist Beschäftigung – da gebe ich meiner Vorrednerin völlig recht –, und das gelingt nur mit Beschäftigungsprogrammen, mit Joboffensiven, mit Qualifizierungsmaß­nahmen in wirklich großem Stil.

Dazu, dass hier auch immer wieder eine Arbeitsstiftung ins Spiel gebracht wird: Wir müs­sen beobachten, dass diese bislang noch keinen Erfolg erzielt hat. Vergleichsweise sind aktuell kaum mehr Menschen in Schulungen, als das zuvor der Fall war.

Es braucht aber neben diesen Beschäftigungsprogrammen und der Qualifizierung vor allem die Absicherung all jener Menschen, die gegenwärtig von Arbeitslosigkeit betroffen sind, denn es geht hier um enorme Einkommensverluste samt den damit zusammenhän­genden Existenzängsten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Vorrednerin Eder hat diese Menschen in den Zusammenhang mit Leistungsfeind­lichkeit gebracht – ich möchte die Gesichter der Menschen sehen, die unverschuldet arbeitslos geworden sind und mit diesen Einkommenseinbußen leben müssen. Hier zu sagen, es wäre leistungsfeindlich, wenn man eine ordentliche Existenzabsicherung ein­führen würde, finde ich zynisch. Ich möchte nicht wissen, wie Sie in einer Situation reagieren, in der Sie von einem Tag auf den anderen nur mehr 55 Prozent Ihres vorigen Gehalts bekommen und bei laufenden Lebenshaltungskosten davon leben müssen. Zu sagen, es wäre leistungsfeindlich, diese Menschen ordentlich abzusichern, das kann ich einfach nicht verstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

An dieser Stelle möchte ich noch speziell die Alleinerzieherinnen in unserem Land er­wähnen, in deren Fall es nämlich kein zweites Gehalt gibt, das möglicherweise diese Einkommensverluste ein bisschen abfedern kann. Diese wirklich enorm starken Frauen, die die Situation derzeit allein stemmen müssen, leisten zurzeit Unmenschliches, und das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen.

Wir SozialdemokratInnen haben ein Problem damit, dass da immer nur Einmalzahlungen und sozusagen immer wieder ein Bonus angeboten werden. Das ist nicht planbar und das löst das Grundproblem dieser Menschen nicht.

Apropos Einmalzahlungen: Frau Ministerin, wir haben noch eine Kritik an dieser Ein­malzahlung. Diesmal sind diese Einmalzahlungen wieder nicht von der Pfändbarkeit, al­so von der Lohnpfändung, ausgenommen, und das heißt, die Menschen, die wirklich am Abgrund ihrer Existenz stehen und in einer äußerst bedrohlichen Situation sind, haben am Ende wieder nichts von dieser Einmalzahlung, denen bleibt nichts übrig. Das ist eine Kritik, die speziell für diese Zielgruppe gilt, generell aber würden wir uns wünschen, dass dieses Problem dauerhaft und nachhaltig gelöst wird und nicht in Form dieser Einmal­zahlung, denn sie ist auch bürokratisch ein regelrechtes Monster, muss man sagen.

Wir SozialdemokratInnen wissen, dass es notwendig ist, das Arbeitslosengeld grundle­gend anzuheben. Das ist nicht nur für die Betroffenen eine existenzielle Absicherung, sondern es fördert natürlich zudem die Wirtschaft, denn dieses Geld wird ja ausgegeben.

Wir wiederholen uns, aber es ist unsere Grundüberzeugung, dass es die Anhebung der Nettoersatzrate auf 70 Prozent ganz dringend braucht, um eine nachhaltige, menschli­che und vernünftige Maßnahme für diese Menschen zu setzen.

Bei der Gastronomie gelingt es uns auch. Die GastronomInnen bekommen 80 Prozent des Vorjahresumsatzes ersetzt – sinnvollerweise, keine Frage –, bei den Angestellten aber, die arbeitslos werden, reichen 55 Prozent. Man sieht einfach diese Diskrepanz, und da können wir nicht zufrieden sein.

Generell wäre aus unserer Sicht jetzt der Zeitpunkt erreicht, um nachhaltig über eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich nachzudenken. Das würde viele Men­schen in Arbeit bringen und wäre eine nachhaltige, dauerhafte Lösung.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 81

Wir werden – ein bisschen schweren Herzens – aber doch nicht gegen diese Vorlage stimmen und wir werden uns nicht gegen diese Einmalzahlungen stellen, denn jeder Euro ist besser als nichts. Man muss aber dazusagen: Es ist ein Tropfen auf den wirklich glühend heißen Stein. Daher möchten wir dazu noch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“.

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend dafür Sorge zu tragen, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen inklusive Krankengeldbe­zieherInnen, ein „COVID-19-Ausgleich“ in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Ar­beitslosenversicherungsleistungen (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge) rückwirkend mit 1. April 2020 gewährt wird.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.58


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betref­fend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Kollegin.


12.58.44

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Bevor ich auf den Tages­ordnungspunkt zu sprechen komme, möchte ich kurz auf Kollegin Zeidler-Beck und auf Kollegin Eder eingehen und sagen: Nicht wir Freiheitliche spalten dieses Land (Ruf bei der ÖVP: Schon!), sondern das seid schon ihr. Das ist die ÖVP mit dem grünen Beiwa­gerl. Ihr habt mir da zwei Beispiele geliefert: Es sind pikanterweise zwei junge Damen herausgegangen und haben gegen die Hacklerregelung gewettert. Meine Damen, als ihr geboren wurdet, haben diese Menschen schon viele Jahre gearbeitet. Als diese Men­schen zu arbeiten angefangen haben, seid ihr noch lange mit den Mücken geflogen. Wir Freiheitliche sagen ganz klipp und klar: 45 Jahre Arbeit sind genug – da muss es den Menschen möglich sein, abschlagsfrei in Pension zu gehen! (Beifall bei der FPÖ.)

Bezüglich Masken: Glaubt ihr wirklich, dass es so viel gesünder ist, damit hier drinnen zu sitzen? Wir werden heute sicherlich 12 bis 14 Stunden hier sitzen und müssen per­manent unsere eigene Luft einatmen. Es heißt doch immer so schön, man sollte stünd­lich lüften. Wie können wir hier herinnen lüften? Nach 12 bis 14 Stunden wird hier herin­nen die Luft derartig verbraucht sein, dass es nicht mehr lustig ist. Ich finde das ein bisschen überzogen, ich halte es für eine Augenauswischerei. So macht ihr das aber permanent, dass ihr Panik schürt. Nicht wir sind die Spalter, sondern wir machen unse­ren Mund auf, den wir uns nicht verbieten lassen, und wir decken Dinge auf, die für die Menschen in diesem Land nicht sinnvoll sind! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Arbeitslosigkeit in Österreich steigt und steigt, es gibt Hunderttausende Menschen, die auf Arbeitsuche oder in Zeitarbeit sind. Durch diese teilweise unnötigen Zwangsmaß­nahmen und durch diesen Zwangslockdown wurden Hunderttausende Menschen in


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 82

diesem Land arbeitslos, und es ist kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Wir wissen, wie schwierig es derzeit für arbeitslose Menschen ist, eine geeignete Arbeit zu finden. Auf eine Arbeitsstelle kommen fünf bis sechs Bewerber. Da braucht man kein Mathe­matikprofessor zu sein, dass man weiß, was auf uns zukommt. Zusätzlich drohen weitere Betriebsschließungen, es drohen weitere Kündigungswellen, und die von ÖVP und Grü­nen herbeigeführte Wirtschafts- und auch Sozialkrise wird nicht mit Jahresende vorbei sein, sondern wird uns noch viele, viele Jahre begleiten.

Bitter und tragisch ist es, dass von den Menschen, die heuer großteils unverschuldet in Not geraten sind, über 50 Prozent durch ihr Arbeitslosengeld ein Einkommen haben, das unter 1 000 Euro liegt. Das hängt damit zusammen, dass es in Österreich noch die Net­toersatzleistung von 55 Prozent gibt. Da ist Österreich im internationalen Vergleich rela­tiv weit unten angesiedelt. In anderen Ländern wird das ganz anders organisiert.

Viele Organisationen – wenn wir schon beim Organisieren sind – wie zum Beispiel die Caritas haben schon im Sommer aufgeschrien, haben gesagt: Die Armut steigt in Öster­reich, die Armutsfallen werden immer größer, und es gibt so viele armutsgefährdete Menschen wie noch nie. Diese Einmalzahlung, die jetzt ausgeschüttet wird, ist ja viel­leicht eine nette, gut gemeinte Geste; dennoch ist sie keine andauernde, nachhaltige Maßnahme oder Lösung, sondern lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie erinnert mich schon ein bisschen an Almosen für diese Menschen.

Eine echte Hilfe wäre, die Nettoersatzrate auf 70 Prozent anzuheben. Nur dadurch könn­ten wir nachhaltig die Kaufkraft stärken und die Wirtschaft wieder zum Laufen und zum Florieren bringen, nur dadurch könnten wir den Konsum wieder ankurbeln, und nur da­durch – und das ist mir besonders wichtig – könnten wir jene Menschen, die durch diese Coronachaosmaßnahmen unverschuldet in die Arbeitslosigkeit gerutscht sind, vor der Armutsfalle bewahren und ihnen einen Großteil der Sorgen von den Schultern nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Was mich interessiert, liebe schwarz-grüne Regierung: Warum speisen Sie eigentlich die Menschen, die jetzt unverschuldet in Not geraten sind, die das ausbaden müssen, was andere verbockt haben, mit einem Maximalbetrag von 450 Euro ab, wenn doch heu­er der Lufthansa locker-flockig 150 Millionen Euro in den Rachen geworfen wurden, ob­wohl dieses Unternehmen letztes Jahr 1,2 Milliarden Euro ausgeschüttet hat? Warum werden da Menschen für eure Fehler bestraft? Warum fängt diese schwarz-grüne Bun­desregierung nicht endlich an, bei sich selbst zu sparen? Warum muss bei den Men­schen gespart werden, die ohnehin von finanziellen Sorgen geplagt sind?

Ganz nach dem Motto: Quod licet Iovi, non licet bovi!, greift diese schwarz-grüne Bun­desregierung ganz ordentlich in den Staatssäckel und gönnt sich für sich selbst 210 Mil­lionen Euro für Eigenwerbung, für PR, für Marketing. Was diese Bundesregierung den Arbeitslosen jetzt vorenthält, das gönnt sie sich im Budget selbst. Das neue PR-Konzept ist Ihnen mehr wert als die Leistungsträger in diesem Land. Das halte ich eigentlich für einen schlechten Treppenwitz. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Egger.)

Fleißige Arbeitnehmer, welche unverschuldet durch diese schwarz-grüne Murkspolitik in Not geraten sind, so zu behandeln, halte ich für eine politische Schande. Es sollte sich jeder schämen, der das mitträgt.

Frau Minister, Sie haben gesagt, für diese Kampagne, für diese maximal 450 Euro, die die Menschen bekommen, braucht man rund 200 Millionen Euro. Ich finde es gut, wir werden dem auch zustimmen, ich verstehe aber nicht, warum ihr genau denselben Be­trag für eure eigenen Werbekampagnen verwendet, für euren Selbstdarstellungswahn. Das verstehe ich nicht.

Es wird für euch heute aber noch Gelegenheit gegeben, zu zeigen, wo ihr tatsächlich steht. Wir werden es sehen. Es wird sich zeigen, ob euch die Leistungsträger in diesem


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Land wichtig sind, es wird sich zeigen, ob euch die Leistungsträger in diesem Land etwas wert sind.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Per­sonen der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 31. Mai 2021 verlängert wird und zusätzlich ein ‚COVID-19-Ausgleich‘ für Arbeitslo­se in Form eines 30-prozentigen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleis­tungen rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Fi­nanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale AntragsteIlung, ausgezahlt werden.

*****

Ich hoffe, ÖVP und Grüne – seit heute sind auch die NEOS mit dabei –, werden diesem Antrag zustimmen, weil sie bei den Menschen, die sie ohne deren Verschulden in Not gebracht haben, einiges gutzumachen haben. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.07


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Marlies Seiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Erhö­hung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Es hat sich Frau Bundesministerin Mag. Christine Aschbacher zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


13.07.55

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Schönen Mittag! Lieber Herr Präsident! Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich möchte sehr gerne die neuen Bundesrätinnen und Bundesräte begrüßen und freue mich, dass wir heute hier sozusagen in neuer Konstellation zu einem so zentralen Thema zu­sammenkommen, weil es gerade jetzt darum geht, Menschen, die von der Coronakrise besonders betroffen sind, so gut wie möglich zu unterstützen und zugleich aber schon für den Zeitpunkt vorzubereiten, wenn es wieder losgeht, weil es der oberste Fokus war, ist und bleibt, dass wir Menschen so schnell und auch so nachhaltig wie möglich wieder in Beschäftigung bringen.

Wir befinden uns aufgrund der Coronapandemie und der dadurch entstandenen Welt­wirtschaftskrise in einem absoluten Ausnahmejahr. Als Arbeitsministerin ist es für mich der oberste Fokus, dass wir Menschen unterstützen, aber auch so viele Arbeitsplätze wie möglich in dieser Krisenzeit sichern und zugleich Menschen für diese Zeit, die mas­sive Herausforderungen mit sich bringt, wieder in Beschäftigung bringen.

Hinter jedem und jeder Einzelnen, die ihren Job verloren hat, stehen Schicksale, viel­leicht Einzelschicksale, aber auch viele Familien sind davon betroffen. Insofern haben


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 84

wir bereits im September für Arbeit suchende Menschen eine Auszahlung von 450 Euro gemacht und haben das auch jetzt wieder zu Beschluss gebracht. Ich bitte auch im Bundesrat um breite Zustimmung, weil es darum geht, weit mehr als 400 000 Menschen, all jene, die im Zeitraum von September bis Ende November arbeitslos waren – weil wir uns ja schon am Anfang des Dezember befinden –, treffsicher mit einer weiterentwi­ckelten Zahlung, nämlich einer Staffelung, zu unterstützen: 15 Tage Arbeit suchend – 150 Euro, 30 Tage – 300 Euro und 45 Tage – 450 Euro.

Bei der Weiterentwicklung haben wir Anregungen aufgenommen. All jene, die davor be­reits in Arbeitslosigkeit waren und in diesem Zeitraum krank geworden sind, bekommen diesen Coronabonus automatisch auch. Allerdings wird das aus technischen Gründen erst im neuen Jahr stattfinden, weil es über die Österreichische Gesundheitskasse aus­bezahlt wird.

Zum Stichwort „bürokratisch“, das ich vorhin gehört habe, möchte ich klarstellen, dass bei all jenen, die anspruchsberechtigt sind, diese Auszahlung unbürokratisch, automa­tisch mit der Auszahlung des Arbeitslosengeldes im Dezember, erfolgt und kein extra Antrag, auch kein Anruf und keine Nachricht beim AMS notwendig ist; es wird automa­tisch mitüberwiesen.

Ich möchte noch festhalten, dass wir sehr wohl die betroffenen Zielgruppen, die auch vorhin erwähnt wurden, mit zielgerichteten Programmen und einem Maßnahmenmix in­tensiv unterstützen. Allein wenn ich an die Jugendlichen denke: Deren Situation ist na­türlich extrem ernst und herausfordernd. Auch meine Neffen befinden sich beispiels­weise gerade in Berufsausbildungen und so weiter. Es geht darum, die Ausbildungen so gut wie möglich fortzuführen – da ist auch der Herr Bildungsminister sehr dahinter –, und deshalb war es mir schon im Frühsommer ein Herzensanliegen, gemeinsam mit der Wirtschaftsministerin, dem Sozialminister und dem Bildungsminister – weil die Bildung große Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat –, die Taskforce für Jugendbeschäftigung zu installieren, damit wir niemanden zurücklassen.

Schauen wir uns allein die Berufsorientierung an, mit der wir schon in den Schulen be­ginnen; da gilt es auch, Elternbildung mitzuintegrieren. Ein weiteres Beispiel ist die Leh­re, die wir gemeinsam mit der Wirtschaftsministerin attraktivieren. Wenn eine junge Da­me nach Hause kommt und sagt: Ich habe heute gehört, es gibt eine Codinglehre, das klingt interessant, sie bietet gute Chancen und ist auch vom Verdienst her recht attraktiv!, und dann vielleicht die Eltern zu Hause nicht wissen, was für ein neuer Zukunftsbereich das ist, und meinen: Greifen wir doch auf klassische Berufe wie zum Beispiel Friseurin zurück, denn die werden immer gebraucht!, dann geht es auch darum, über das Fami­lienministerium in die Elternbildung zu investieren und Aufklärung und Unterstützung be­reitzustellen.

Es wurden auch über 25 000 Lehrplätze geschaffen, einerseits rund 23 000 mit dem Lehrlingsbonus direkt bei den Unternehmen, und andererseits haben wir rund 3 000 über­betriebliche Lehrstellen zielgerichtet aufgestockt, damit wir jeder und jedem Jugendli­chen einen Ausbildungsplatz ermöglichen können. Der Herr Bildungsminister hat auch gesagt, dass das dort, wo es weiterführender Plätze bedarf, heuer erweitert bis Ende Oktober möglich gewesen ist. Insofern unterstützen wir zielgerichtet, und das auch mit der Aufstockung des Jugendcoachings oder mit den Stiftungen, mit der Just-2-Job-Stif­tung, mit der wir 1 000 Jugendliche als Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger un­terstützen. Ich könnte jetzt noch zahlreiche weitere Maßnahmen aufzählen, das würde aber den zeitlichen Rahmen sprengen.

Wir unterstützen also dort, wo es notwendig ist, damit wir so gut wie möglich durch die Krise kommen, bereiten uns aber auch schon vor, damit wir dann, wenn es wieder an­zieht, gut vorbereitet sind und die Menschen in Beschäftigung bringen können. Das ist das beste Mittel gegen Armut.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 85

Insgesamt investieren wir mit der Joboffensive inklusive der Arbeitsstiftungen 700 Millio­nen Euro. Ich bin auch den Sozialpartnern sehr dankbar für die diesbezügliche Zusam­menarbeit, weil ja in jedem Gremium unseres AMS, sei es bundesweit, sei es landesweit oder auch in den Regionalbeiräten, die Sozialpartner vertreten sind, mitwirken können und mitbestimmen können, welcher treffsicheren Ausbildungs- und Weiterbildungsplätze es regional bedarf, je nachdem, wie sich der Markt darstellt, nämlich auf Angebotsseite und Nachfrageseite.

Auch bei den Beschäftigungsprogrammen investieren wir zielgerichtet, wenn ich bei­spielsweise an die Schulassistenzen denke oder auch an die Coronahelfer, wie zum Beispiel die Contacttracer, von denen wir Hunderte in den Bundesländern mit der Ein­gliederungsbeihilfe unterstützen.

Lassen Sie uns gemeinsam auch in dieser ernsten Situation den Mut bewahren! Es wird wieder besser werden. Wir wissen noch nicht, wann genau, an welchem Tag genau, es wird aber mit Sicherheit wieder besser werden, und darauf sind wir vorbereitet. – Herzli­chen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.14


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke, Frau Bundesministerin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Bitte, Herr Bundes­rat.


13.15.00

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Vieles wurde schon gesagt, aber doch noch nicht alles. Als Folge der Covid-19-Pandemie ist die Arbeitslosigkeit nach wie vor vorhanden. Die Erlangung einer neuen Beschäftigung ist für viele natürlich oft sehr schwierig. Arbeitslos zu sein ist keine Schande; nichts dagegen zu tun wäre eine solche.

Frau Bundesminister für Arbeit, Familie und Jugend Mag. Christine Aschbacher hat so­eben ausgeführt, wie sie gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit der Wirtschaft unermüdlich daran arbeitet (Zwischenrufe bei der SPÖ) – unermüdlich daran arbeitet; Sie hören richtig; ich weiß, dass Arbeit nicht für alle das ist, was das Wort bedeutet –, Menschen wiederum in Beschäftigung zu bringen. Dafür einen herzlichen Dank an Sie, Frau Minister, und vor allem auch an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Sie haben auch schon ausgeführt, dass Beschäftigung „das beste Mittel gegen Armut“ ist. Das ist ja unbestritten und ist auch immer wieder zu erwähnen. Ich glaube, wenn man es das eine oder andere Mal wiederholt, ist das kein Fehler, weil manche etwas länger brauchen, um es aufzunehmen. (Bundesrätin Schumann: Was heißt das?) – Das, was Sie verstehen wollen.

In weiterer Folge ist es in dieser Krise gelungen, dass seit Novemberbeginn circa 40 000 Menschen wieder in Beschäftigung gebracht wurden. Langfristig muss es natürlich unser Ziel sein, dass möglichst viele Menschen wieder eine Arbeit finden und eine Arbeit haben. Arbeit ist Sinnerfüllung mit einer gerechten Entlohnung, lautet ein Zitat aus der katholischen Soziallehre, die man natürlich kennen sollte. Arbeit muss sich auch lohnen. (Rufe bei der SPÖ: Ja!) – Danke für diese Zustimmung, das ist ja großartig. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Auf der einen Seite gibt es viele Arbeitslose, auf der anderen Seite allerdings können Stellen nicht mit Fachkräften besetzt werden. Der Bildungsbonus, der mit 33 Millionen Euro für das Jahr 2021 und mit 22,4 Millionen Euro für 2022 veranschlagt wurde, ist eine wertvolle Investition in die Zukunft, die auch Früchte tragen wird. Bildung ist einfach die Zukunft. Dafür, dass es diese Initiativen gibt, ein herzliches Danke.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 86

Aktuell sind beim AMS 65 000 Stellen gemeldet, die aus den genannten Gründen nicht besetzt werden können. Da müssen wir ansetzen. Der Arbeitsmarkt ist trotz der ernsten Lage dynamisch, und es gibt diese soeben genannten offenen Stellen. Wir müssen jene, die Arbeit suchen und vor allem auch Arbeit wollen, bestmöglich unterstützen.

Aus Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern des AMS wissen wir auch, dass für viele Menschen die Situation, arbeitslos zu sein, nicht gebraucht zu werden, ganz schwierig ist. Das Arbeitslosengeld ersetzt den Arbeitslohn, nicht aber die Arbeit. Wie gesagt: Arbeit ist auch ein wesentlicher Teil der Sinnerfüllung. Da müssen wir natürlich ansetzen, sodass es für die Menschen, die wirklich arbeiten wollen und können, Arbeit gibt.

Die Kurzarbeit, ein Erfolgsmodell (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ), welches eine höhere Arbeitslosigkeit verhinderte und verhindert, dient auch in dieser Hinsicht als großartige Abfederung. Es ist daher wichtig, treffsicher vorzugehen und die Menschen dort zu motivieren und zu unterstützen, wo sie gerade gebraucht werden, vor allem auch in Zeiten wie diesen.

Aufgrund zahlreicher Erfahrungen und Anregungen aus verschiedenen Bereichen wurde der Coronabonus für Arbeit suchende Menschen in gestaffelter Form geschaffen. All je­ne Menschen – es wurde schon angeführt, ich wiederhole es trotzdem –, die im Zeitraum von September bis Ende November 15 Tage Arbeit suchend waren, bekommen, wie Sie richtigerweise sagen, 150 Euro, all jene, die 30 Tage Arbeit suchend waren, 300 Euro, und all jene, die 45 Tage Arbeit suchend waren, 450 Euro, und das unabhängig davon, ob sie schon vorher arbeitslos waren oder während der Arbeitslosigkeit Krankenstands­tage hatten.

In diesem Sinne unterstützt die Regierung, wie schon angeführt, weit über 400 000 Men­schen mit rund 200 Millionen Euro, die dafür auch vorgesehen sind. Diese Einmalzah­lung wird automatisch – auch das wurde schon angeführt – mit der Auszahlung des Ar­beitslosengeldes vorgenommen. Weder ist anzurufen noch ein Antrag zu stellen oder eine Nachricht zu schreiben, sondern es erfolgt eben automatisch. Das ist eine beson­dere Serviceleistung, für die es auch besonders zu danken gilt, und das vor Weihnach­ten: Großartig! Herzlichen Dank für diese menschliche Serviceleistung, danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch schon angeführt wurde, dass die Anregung seitens der Volksanwaltschaft, jene miteinzubeziehen, die von der Arbeitslosigkeit, vom Arbeitslosengeld- oder Notstandshil­febezug, direkt zum Krankengeldbezug übergehen, aufgenommen wurde, sodass auch diese Menschen die Leistungen, die sie dringend brauchen, bekommen.

Ich würde auch einen Appell an die sozialdemokratischen Gewerkschafter richten, die sich, so wie natürlich auch andere, bemühen. Sie sollten diese positiven Signale auch weitertransportieren, weiterkommunizieren (Die Bundesrätinnen Schumann und Grim­ling: Ja!), und diese großartigen Abfederungsmodelle nicht nur schlechtreden. Sie tun sich selbst und vor allem der Republik Österreich nichts Gutes. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wünschen uns, geschätzte Damen und Herren, für alle Arbeitsuchenden – Sie (in Richtung SPÖ) tun sich wahnsinnig schwer mit dem Zuhören, ich weiß nicht, wie Sie das im Berufsleben gemacht haben –, dass sie bald wieder eine Arbeit finden, die ihnen Sinnerfüllung, Wertschätzung und auch Einkommen sichert. Das werden wir doch alle gemeinsam wollen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

13.22


13.22.12

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 87

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich bitte alle Bundesrätinnen und Bundesräte, ihre Plätze einzunehmen. Ich betone noch einmal: Aufgrund der möglicherweise knappen Mehrheiten ist es erforderlich, von den Plätzen aus vom Stimmrecht Gebrauch zu machen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Ar­beitslosenversicherung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

13.23.546. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Arbeitsvertrags­rechts-Anpassungsgesetz geändert werden (986/A, 904/A und 460 d.B. sowie 10441/BR d.B. und 10455/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tages­ordnung.

Ich freue mich sehr über die Anwesenheit von Frau Bundesministerin Margarete Schramböck. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrä­tInnen der Grünen.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Ich bitte um den Bericht, Herr Bundesrat.


13.24.29

Berichterstatter Dr. Karlheinz Kornhäusl: Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Ministe­rinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden.

Wieder kurz zusammengefasst, worum es geht: Es sind im Wesentlichen zwei Punkte. Einerseits geht es darum, dass die Angleichung der Kündigungsfristen von Angestellten und Arbeitern von 1. Jänner auf 1. Juli 2021 verschoben werden soll, und zum Zweiten geht es um die Sonderbetreuungszeit mit Rechtsanspruch, nämlich darum, dass diese unter Ersatz der Lohnkosten für den Arbeitgeber durch den Bund von drei auf vier Wo­chen verlängert wird. – Herzlichen Dank.


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke vielmals für die prägnante Berichter­stattung.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bun­desrat.



BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 88

13.25.42

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Minis­terinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Die Adaptierung beziehungsweise Neuregelung der Sonderbetreuungszeit zeigt wieder ein­mal auf, dass die Sozialpartnerschaft in Österreich funktioniert und gute Lösungen zu­stande bringt. Es wurde eine Regelung gefunden, die im Nationalrat bei allen Parteien mit Ausnahme der NEOS auf Zustimmung stieß.

Es gibt dabei einige Verbesserungen: Es sind jetzt bis zu vier Wochen möglich, und die Regelung gilt rückwirkend ab 1. November und läuft bis 9. Juli, also bis zum Ende des Schuljahres 2020/2021. Es besteht nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen ein Rechtsanspruch. Das ist eine ganz entscheidende Verbesserung aus meiner Sicht. Die Kosten werden nun zu 100 Prozent vom Bund übernommen, auch bei der möglichen Variante der einvernehmlichen Vereinbarung.

Wir haben gestern gehört, dass die Pflichtschulen nächste Woche wieder in den – unter Anführungszeichen – „normalen“ regulären Schulbetrieb übergehen werden. Das ist gut so, denn gerade die Jüngeren tun sich mit dem Distancelearning schwer, und gerade für die Jüngeren ist das Umfeld Schule besonders wichtig, was die sozialen Kontakte betrifft.

Dennoch ist die Neuregelung der Sonderbetreuungszeit wichtig, und auch dass sie bis zum Ende des Schuljahres läuft ist wichtig, denn niemand kann heute genau vorhersa­gen oder voraussehen, wie sich die Covid-Situation weiterentwickelt. Es ist gut, dieses wichtige Instrument zu haben, das Eltern in dieser herausfordernden Zeit unterstützt. Ich bedanke mich nochmals bei den Sozialpartnern für diese wertvolle Einigung. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.27


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.27.55

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher zu Hause! Bei diesem Tagesordnungspunkt beschäftigen wir uns wieder mit den Familien. Um den Familien während dieser herausfordernden Zeiten noch mehr unter die Arme zu greifen, wollen wir heute ein Gesetz beschließen, das pro Elternteil eine Sonderbetreuungszeit von bis zu vier Wochen ermöglicht.

Wichtig ist, dass diese Regelung für alle berufstätigen Eltern gilt, die betreuungspflichtige Kinder haben, und das ist bis zu einem Alter von 14 Jahren der Fall. Wichtig ist, dass diese Regelung aber auch für jene Eltern gilt, die für Menschen mit Behinderung zustän­dig sind, und zwar unabhängig von deren Alter. Wichtig ist, dass diese Regelung auch für jene gilt, die Angehörige pflegen, und das gilt im Besonderen auch, wenn die Pfle­gekraft ausfällt. Mit dem heutigen Beschluss wird diese Regelung bis zum Ende des Schuljahres 2020/2021 ausgeweitet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Verlängerung der Sonderbetreuungs­zeit wird auf die Bedürfnisse der Familien Rücksicht genommen. Mit diesen Änderungen wird aber auch auf die Betriebe Rücksicht genommen, die sich vielen Herausforderun­gen zu stellen haben. (Präsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Es ist ganz wichtig, dass den betroffenen Betrieben in diesen Fällen die Lohnkosten zur Gänze ersetzt werden. Den Betrieben wird damit zumindest ein finanzieller Ausgleich geboten. Natürlich ist das für die Betriebe trotzdem eine Belastung, weil Mitarbeiter feh­len. Die Wirtschaft stimmt dieser Regelung trotzdem zu, nimmt auch diese Belastungen auf sich und dokumentiert so das große Verantwortungsbewusstsein unserer heimi­schen Unternehmerinnen und Unternehmer.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 89

Was sind die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Sonderbetreuungszeit? – Einfach gesagt: eine behördliche Schulschließung, die Schließung von Kinderbetreu­ungseinrichtungen und wenn keine andere Betreuungsmöglichkeit zur Verfügung steht. Der Rechtsanspruch ist klar definiert: Anspruch besteht, wenn Schulen oder Kindergär­ten tatsächlich geschlossen sind und keine Betreuung und Lernunterstützung geboten wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die gelebte Praxis in dieser Frage in den letz­ten Monaten hat gezeigt, dass die Partnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitneh­mern in den meisten Fällen perfekt funktioniert. Dieser österreichische Weg der Partner­schaft hat sich in den schwierigen Zeiten hervorragend bewährt. Arbeitgeber und Arbeit­nehmer haben Verantwortungsbewusstsein und Augenmaß bewiesen, und dafür gilt mein persönlicher Dank.

In diesem Sinne bitte ich bei dieser Änderung um Ihre Zustimmung. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

13.30


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


13.31.13

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Endlich ist es so weit, der Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit wird umgesetzt. Das ist ein ganz, ganz wesentlicher Schritt, und ich darf darauf hinweisen, dass wir den bereits seit April dieses Jahres fordern. Jetzt endlich kommt dieser Rechts­anspruch zur Umsetzung. Ich muss schon ehrlich sagen, Frau Bundesministerin, ich glaube Ihnen, dass es Ihnen ein Herzensanliegen ist – Sie haben das im Nationalrat so gesagt –, wenn es Ihnen aber so ein Herzensanliegen war, dann wäre es klug gewesen, diesen Rechtsanspruch bereits im April umzusetzen und nicht zu warten, bis wir jetzt in der zweiten Welle der Pandemie sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Eltern haben riesige Schwierigkeiten, wie sie jetzt ihren Beruf, die Pandemiesituation und die Betreuungspflichten unter einen Hut bekommen. Es ist ganz, ganz schwierig. Der Urlaub ist aufgebraucht, Pflegefreistellung gibt es oft keine mehr, sie wissen nicht, wie sie das alles noch machen sollen. Sie fragen sich: Wenn jetzt der Kindergarten noch geschlossen wird oder ein Kind in Quarantäne kommt, wie soll ich das lösen? Darum ist es jetzt so wichtig, dass dieser Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit, und das auch mit vollem Gehaltsersatz, also zu 100 Prozent – das ist genauso wichtig –, umgesetzt wurde. Wichtig ist aber, dass die Eltern Sicherheit haben.

Es ist ein ganz, ganz besonderer Schritt, und wir als Gewerkschafterinnen und Gewerk­schafter, wir als SPÖ-Frauen haben das schon ganz lange gefordert. Wie gesagt, Sie rühmen sich jetzt der Umsetzung, aber die Forderung liegt schon sehr lange am Tisch. (Beifall bei der SPÖ.)

Folgendes sei auch noch dazu gesagt: Es ist wie viele Ihrer Regelungen wieder ein biss­chen halb. Wir sind jetzt im zweiten Lockdown, und viele Eltern haben sich erhofft, dass sie die Sonderbetreuungszeit in Anspruch nehmen können. Leider aber funktioniert das nicht so, weil die Schulen ja geöffnet sind. Die Schulen und die elementarpädagogischen Einrichtungen sind halboffen, das heißt, die Sonderbetreuungszeit kann nicht in An­spruch genommen werden.

Das ist natürlich für Eltern sehr schwierig. Da wurden Hoffnungen geweckt, dass sie jetzt zu Hause bleiben können, weil von der Regierung gesagt wird: Jeder Kontakt ist einer zu viel. Was denkt man sich da als Eltern? – Besser, ich lasse die Kinder zu Hause.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 90

Andererseits aber müssen und wollen sie arbeiten gehen, denn sie haben auch Angst um ihre Arbeitsplätze. Alles das in der Mischung ist sehr, sehr schwierig, wodurch es eine halbherzige Lösung geworden ist.

Wir wissen, dass die Sonderbetreuungszeit zukünftig noch ganz dringend gebraucht werden wird – das ist ganz klar –, weil uns die Coronapandemie ja nicht mit Jänner ver­lassen, sondern uns noch länger begleiten wird. Das heißt, der Rechtsanspruch auf die Sonderbetreuungszeit wird noch lange notwendig sein.

Wir finden es natürlich auch gut, dass es zu einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen kann, auch dann werden die 100 Prozent übernommen, aber auch da sehen wir wieder eine Bittstellersituation, die wir ja gerade vermeiden wollen.

Der Rechtsanspruch ist so wichtig, weil dadurch eben die Bittstellersituation für die Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber nicht mehr gegeben ist. Darum ist dieser Rechtsanspruch jetzt wirklich wichtig und eine ganz, ganz besondere Sache.

Frau Bundesministerin, ich würde gerne noch Folgendes zur Situation der Schwangeren anmerken: Wir fordern auch im Hinblick darauf schon seit April, dass es die Möglichkeit zum vorzeitigen Mutterschutz für Schwangere gibt. Wir kennen die Sorgen der Schwan­geren, die sagen: Ich weiß gar nicht, wie geht denn das? Ich habe Angst, dass ich mich anstecke, dass das Kind angesteckt wird. – Auch das wissen wir seit April, als diese Angst schon da war.

Wir haben Sie damals gebeten: Bitte, Frau Bundesministerin, regeln Sie das im Interesse der Schwangeren! – Sie haben es nicht gemacht. Jetzt kommt es zu einer Regelung, gut, aber sie greift wieder zu kurz, sie ist wieder halbherzig. Sie bezieht sich jetzt nur auf den direkten körperlichen Kontakt, das heißt, die Schwangeren, die das in Anspruch nehmen können, sind wieder ein stark eingeschränkter Kreis, und die Frauen im Handel, in der Produktion, ein Großteil der Lehrerinnen haben keine Chance auf die Möglichkeit, in den vorzeitigen Mutterschutz zu gehen.

Aus der gewerkschaftlichen Beratung wissen wir, dass sehr viele Frauen, die schwanger sind, dazu gedrängt werden, die Dienstverträge einvernehmlich aufzulösen. Das ist kein Zustand, weil es für die Frauen natürlich bedeutet, dass sie nicht die volle Höhe des einkommensabhängigen Kindergeldes bekommen werden.

Das heißt, Frau Bundesministerin, bitte regeln Sie es so, dass alle Schwangeren die gleiche Chance auf die Möglichkeit haben, freigestellt zu werden, und sie von ihren Sor­gen befreit sind. Jetzt in der Coronakrise schwanger zu sein, ist wirklich nicht angenehm, das wissen wir alle: die Angst, angesteckt zu werden, die Angst davor, allein zu sein, weil man nur eine Person ins Spital mitnehmen kann, die Situation danach, wie es einem mit dem Neugeborenen geht, und die Schwierigkeit der Kontaktnahme. Bitte, Frau Bun­desministerin, regeln Sie jetzt die Möglichkeit zum vorzeitigen Mutterschutz für alle Schwangeren gleich! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Zu Kollegen Schwindsackl gesagt – er ist eh nicht da, aber trotzdem muss es gesagt werden –: Ganz ehrlich, wenn ich zum AMS gehen muss, um mich zu erkundigen, wie es den Arbeitslosen geht, dann läuft etwas falsch. Wir alle wissen, wie es den Arbeits­losen geht, weil wir tagtäglich mit ihnen sprechen (Ruf bei der SPÖ: Der Schwindsackl weiß des net!), tagtäglich von ihren Sorgen hören.

Ich glaube, man muss da wirklich ein bisschen ein anderes Bild haben, und ich war wirk­lich sehr, sehr betroffen, dass Kollege Schwindsackl auch noch die Gewerkschaft verun­glimpft hat und es zu großem Applaus seitens der ÖVP gekommen ist.

Ich glaube, es wäre klug, wenn sich Kollege Schwindsackl vor allen Dingen einmal an Kollegen Horst Schachner, den Gewerkschaftsvorsitzenden in der Steiermark, wendet,


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der ihm die Grundlagen der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik erklären kann und ihm viel­leicht auch erzählen kann, wie es den Arbeitslosen geht. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.37


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


13.37.47

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Minister! Wir haben beim Tagesordnungspunkt 6 bedauerlicherweise wieder dieselbe Situation wie schon bei vielen Covid-19-Maßnahmengesetzen, nämlich dass zwei unter­schiedliche Materien in eine Gesetzesänderung gegossen werden, und so unterschied­liche, wie es diese beiden in einer Änderung sind, haben wir schon lange keine mehr gehabt: Einerseits geht es um die Abänderung im ABGB, wo man hergegangen ist und die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, was die Kündigungsfristen betrifft, vom 1.1.2021 auf den 1.7.2021 verschiebt, und im zweiten Punkt geht es um den soge­nannten Rechtsanspruch auf die Sonderbetreuungszeit, wie Frau Kollegin Schumann schon ausgeführt hat.

Eines kann ich Ihnen sicher sagen, Frau Minister: Lägen die Gesetzesänderungen in zwei einzelnen Teilen vor, hätte die freiheitliche Fraktion niemals ihre Zustimmung zu ersterer erteilt, weil ich davon überzeugt bin, dass in der jetzigen, sehr, sehr schwierigen Situation die Beibehaltung des Inkrafttretens mit 1.1.2021 sehr wohl eine arbeitsplatzsi­chernde Maßnahme gewesen wäre.

Ich erkläre Ihnen gerne, warum: Es macht einen Unterschied, ob man unter Umständen gar keine Kündigungsfrist hat, wie es bei den Fassaden- und Gebäudereinigern ist, nur 14 Tage wie in der Gastronomie, die eine sehr betroffene Branche in diesen Zeiten ist, oder ob man unter Umständen, wie es im Angestelltengesetz ist, ein Minimum von 6 Wo­chen hat. Warum bin ich davon so überzeugt, dass das arbeitsplatzerhaltend wäre? – Weil in der jetzigen Situation, in der sich die Dinge sehr, sehr schnell ändern, sich in­nerhalb von 6 Wochen die Auftragslage im Unternehmen vielleicht verändert und da­durch unter Umständen die Kündigung gar nicht mehr notwendig wäre. Innerhalb eines Tages wird sich bedauerlicherweise nichts verändern, und Kündigung ist Kündigung.

Deswegen finde ich es von Ihnen nicht in Ordnung, dass Sie als Arbeitsministerin immer sagen, Sie machen so viel für Arbeitsmaßnahmen und helfen den Menschen. Dort, wo es wirklich darauf ankommt und schnell und rasch geholfen werden könnte, funktioniert es wie bei vielen anderen Dingen: groß ankündigen, den Betroffenen die Unterstützung vorgaukeln, und wenn es um die tatsächliche Umsetzung geht, verhindern, Hürden auf­bauen und vertagen. Das ist momentan die Situation, wie sich die Regierung vor allem für die betroffenen Menschen einsetzt. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Was ich jetzt nicht verstehe – dieses Gesetz wurde bereits 2017 gemeinsam mit den Sozialpartnern, zu denen immer auch die Wirtschaftsseite gehört, beschlossen und für gut und richtig empfunden –, vor allem auch deshalb, weil wir sagen, Facharbeiter ist ein ganz wichtiger Berufsstand: Es kann doch nicht sein, dass Menschen bei uns aufgrund ihrer unterschiedlichen Zuordnungen unterschiedlich viel wert sind.

Man war sich darüber einig, daher verstehe ich nicht, dass man gerade jetzt von der ÖVP, nämlich von der Wirtschafts-ÖVP, hergeht und sagt: Um Gottes Willen, in der Zeit, nein, also die armen Unternehmer, das ist unzumutbar, wir müssen das jetzt unbedingt noch einmal um ein halbes Jahr verschieben! – Das ist nicht richtig.

Wenn wir jetzt zum zweiten Gesetz kommen, dann ist das für mich – Frau Schumann hat schon mehrmals darauf hingewiesen – auch wieder eine Alibiaktion. Schaut man


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sich zum Beispiel die Parlamentskorrespondenz an, steht in den Schlagzeilen: „Beschäf­tigte erhalten Rechtsanspruch auf bis zu vier Wochen Sonderbetreuungszeit“. Man hat es auf der Homepage gelesen. Es ist in der ersten Kommunikation auch in den Medien so gewesen, und wir haben alle gedacht: Super, gescheit, vernünftig, eine richtige Ent­scheidung! – Wenn man sich aber genauer damit auseinandersetzt, sieht man, das gilt nur unter bestimmten Voraussetzungen. Die Voraussetzungen heißen: Entweder muss die Kinderbetreuungseinrichtung oder die Schule wirklich teilweise oder ganz geschlos­sen sein, das Kind muss in Quarantäne, man hat einen Absonderungsbescheid.

Was macht der Bundeskanzler? – Natürlich entscheidet er nicht, dass die Schulen ge­schlossen sind. Er legt sogar größten Wert darauf, dass das Wort geschlossen aus dem Wortschatz gestrichen wird. – Das ist so wie beim Epidemiegesetz: Wir schließen auch keine Geschäfte, wir sprechen nur Betretungsverbote aus.

Deswegen sage ich, dass das eine Täuschung der Eltern war, weil diese Wortwahl be­wusst getroffen wurde und er ganz genau weiß, dass dieser Rechtsanspruch dadurch so gut wie nie zum Tragen kommen wird. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Die zweite Situation ist, das hat Kollegin Schumann auch schon gesagt: Es ist für viele, viele Eltern eine wahnsinnig große Herausforderung, diese Dinge unter einen Hut zu bringen.

Natürlich gibt es die zweite Variante, dass man sich mit dem Arbeitgeber einigt, es ge­meinsam vereinbaren kann. Es ist auch nicht so, dass wir unsoziale Arbeitgeber haben oder Arbeitgeber, die kein Verständnis für diese Situation haben, denn viele von den Unternehmern sind selbst Eltern und stehen vor den gleichen Herausforderungen. Wenn man sich aber anschaut, wie man zum Zuschuss kommt, wie bürokratisch es ist, wie lange es dauert, wie kompliziert und vor allem wie kostenintensiv es ist, dann verstehe ich die Unternehmer, dass sie dem freiwillig nicht mehr zustimmen werden. Ich kenne wahnsinnig viele Unternehmen, die bis heute noch keinen Cent aus der Sonderbetreu­ungszeit im März bekommen haben – und jetzt, bitte, haben wir November.

Das ist für mich wieder typisch, es ist so, wie wir halt alles bei den Covid-Maßnahmen machen: Wir kündigen großartig an, wir gaukeln den Betroffenen die Unterstützung mehr oder minder vor, und in Wirklichkeit, wenn es um echtes Umsetzen geht, vertagen wir wieder, bauen Hürden auf und verschieben alles. Ich finde das einfach traurig. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

13.44


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bun­desministerin Mag. Christine Aschbacher gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


13.44.18

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Ministerin! Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich möchte zunächst einmal sagen, dass ich diese emotionale Debatte gut verstehe und dass es mehr denn je die Familien sind, die Basis unserer Gesellschaft, die Großartiges und Herausragendes leisten – und nicht nur diese, sondern wir insgesamt, denn jeder von uns, wie wir hier sitzen, hat Familie in unterschiedlichen Konstellationen und Bereichen. Insofern möchte ich allen Eltern, allen Kindern, allen Jugendlichen und auch allen Großeltern, die in diesem Jahr im physischen Miteinander auf vieles verzichten, meinen herzlichen Dank aussprechen. Zum Glück er­möglicht uns das eine oder andere Gerät (auf ein Handy weisend), dass wir in dieser herausfordernden Zeit im sozialen und emotionalen Austausch miteinander sein können.

Wir befinden uns im zweiten Lockdown, und es ist eine intensive Zeit für alle. Es geht nun vor allem darum, dass wir besonders die Familien bestmöglich unterstützen, die


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Vereinbarkeit mehr denn je stärken. Unter anderem sehen wir das ja auch an den In­vestitionen, die wir in unseren Gemeinden weiterhin tätigen, nämlich im Zuge der Ge­meindemilliarde, von der rund 40 Prozent in den Ausbau von Schulen, Kinderbetreu­ungsstätten, aber auch in die anderen Nachmittagsbetreuungen und so weiter, für den nachhaltigen Ausbau in diesem Bereich investiert werden. (Zwischenruf des Bundesra­tes Schennach.)

Es geht auch darum sicherzustellen, dass die Jungfamilien, bei denen vielleicht Nach­wuchs unterwegs ist, auch im kommenden Jahr das Kinderbetreuungsgeld sichergestellt wissen und dass es zu keinen finanziellen Einbußen aufgrund der Coronapandemie kommt. Deshalb habe ich dafür gesorgt, dass das einkommensabhängige Kinderbetreu­ungsgeld für Selbstständige und ArbeitnehmerInnen, insbesondere für die Mütter sicher­gestellt ist, sodass es zu keinem Einkommensverlust kommt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Unterhaltsvorschuss ist ebenfalls sichergestellt, sodass dieser garantiert ist und unbürokratisch zur Verfügung gestellt wird.

Besondere Zeiten bedürfen auch besonderer Maßnahmen, insofern möchte ich auf das Thema der Sonderbetreuungszeit im Detail eingehen. Die Sonderbetreuungszeit ist ein – wie soll ich sagen – weiterer Balanceakt auch in Vereinbarung mit den Sozialpart­nern. Es gibt unterschiedliche Interessen: Auf der einen Seite soll, so gut es geht, wei­tergearbeitet werden. Das ist auch der Unterschied zum ersten Lockdown, als es teil­weise Stopps auf den Baustellen gab oder als insbesondere auch die Schulen und Kin­derbetreuungs- und -bildungseinrichtungen zu versorgungskritischen Bereichen dekla­riert wurden.

Das haben wir jetzt für den Herbst geändert. Es ist nun möglich, dass alle, die es brau­chen, ihre Kinder in der vertrauten Umgebung und mit Lernunterstützung in der Schule betreut wissen. Ich kenne das aus vielen Gesprächen mit Eltern, die in unterschiedlichen Konstellationen gesagt haben: Bei mir geht es nicht anders, wie ist das, was würden Sie mir raten? – Daher habe ich gesagt: Dann, bitte, ist es ja genau das Richtige und Wich­tige! Dafür haben wir es gemeinsam mit dem Bundeskanzler, der gesamten Bundesre­gierung, aber vor allem auch mit dem Bildungsminister so aufgesetzt.

Der Bildungsminister sorgt dafür, dass alle Schulen, wo es möglich ist, geöffnet haben und die Lernunterstützung mit den vertrauten Pädagoginnen und Pädagogen, auch in den Kindergärten und Kinderkrippeneinrichtungen oder auch bei den Tageseltern, wei­tergeführt werden kann. Das ist wichtig und richtig, und es war auch eine richtige Ent­scheidung, das jetzt im Herbst so durchzuführen – dort, wo es notwendig ist, um das Menschenleben unserer Allerliebsten zu retten und auch sicherzustellen, dass unser Gesundheitssystem weiterhin verlässlich zur Verfügung steht.

Insofern befinden wir uns jetzt mitten in Lockdown zwei. Die weiteren Öffnungsschritte für die Schulen sind angekündigt, und auch meine Kinder freuen sich schon wieder da­rauf. Zugleich geht es auch darum, dass, wenn eine Schule oder auch eine Kinderbetreu­ungseinrichtung, in der die Pädagoginnen und Pädagogen vielleicht sogar selbst vom Coronavirus betroffen sind und es zu einer Schließung kommt und keine alternative Kin­derbetreuung zumutbar ist – nämlich auch im vertrauten Umfeld, was mir besonders wichtig war, weil wir diesbezüglich keine anderen Varianten andenken wollen, sondern es um das vertraute Umfeld geht –, es selbstverständlich zu einem Rechtsanspruch kommt.

Das ist auch mit den Sozialpartnern so akkordiert, und ich bin dankbar, dass wir wieder einmal in dieser Krisenzeit – wie schon bei der Kurzarbeit, aber jetzt eben auch bei der Sonderbetreuungszeit – einen Schulterschluss von Arbeitnehmerinnen- und Arbeitneh­mervertretung und Arbeitgebervertretung haben, denn wir sitzen alle in einem Boot. Als Arbeits- und Familienministerin war es mir überdies besonders wichtig, die optionale Möglichkeit beizubehalten – unter gemeinsamer Vereinbarung von Arbeitnehmerin, Ar­beitnehmer und Arbeitgeber –, die Sonderbetreuungszeit in Anspruch zu nehmen, nämlich


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insgesamt vier Wochen bis Ende des Schuljahres in einer flexiblen Art und Weise, diese also auch als einzelne Tage und Halbtage wahrzunehmen.

Ich möchte dazu schon noch sagen, dass die Bundesbuchhaltungsagentur, die für un­sere Abrechnungen sorgt, diese durchführt, Abrechnungen phasenweise einleitet. Falls es hier zu Einzelfällen kommt, bitte ich, das zu melden, weil wir so gut wie überhaupt keine Rückmeldungen haben, sollte es beispielsweise zeitverzögert stattfinden.

Wichtig ist, dass wir die bestmögliche Unterstützung in diesem Balanceakt um die Ver­einbarkeit auch darin sehen, dass die Väterbeteiligung enorm gestiegen ist. In keinem anderen familienpolitischen Instrument haben wir eine so hohe Väterbeteiligung wie – jetzt in der Krise – mit der Sonderbetreuungszeit. Ein Drittel der Sonderbetreuungszeit haben die Väter in Anspruch genommen. Das ist wichtig und richtig und auch ein wich­tiger Schritt in der familienpolitischen Landschaft.

Insofern geht es mir auch noch darum, dass wir für Arbeitgeber, denen wir ursprünglich 30 Prozent, dann 50 Prozent refundierten, jetzt in dem bewährten Modell auf 100 Pro­zent – der Vollständigkeit halber sei gesagt: ohne Lohnnebenkosten – aufgestockt haben.

Zu den Schwangeren – weil es angesprochen wurde – möchte ich noch kurz sagen, dass es immer mein Anliegen war und ist, diese bestmöglich zu schützen, indem dort, wo Homeoffice zum Beispiel nicht möglich ist oder auch der Abstand nicht eingehalten werden kann, sichergestellt ist, dass Schwangere in körpernahen Bereichen frühzeitig in Mutterschutz gehen können und wir die Kosten zu 100 Prozent übernehmen. Das stellt Sicherheit dar.

Dort aber, wo es vielleicht aufgrund anderer Thematiken notwendig ist, frühzeitig in Mut­terschutz zu gehen, sind in bewährter Art und Weise der Facharzt oder die Fachärztin zuständig. Wie wir es auch schon in anderen Bereichen haben, werden wir geltende Regelungen jetzt nicht mit der Covid-Krise aufheben, sondern sie natürlich wie bisher weiterhin zur Verfügung stellen und ermöglichen.

Insofern bin ich – noch einmal – den Sozialpartnern sehr dankbar für die Kooperation, für den konstruktiven Austausch, aber auch dafür, sozusagen situationsbedingt gemein­sam immer dort zu adaptieren, wo es notwendig ist. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir durch diese Krise so gut wie möglich gemeinsam kommen und dass es auch mit Sicherheit wieder besser wird. – In diesem Sinne herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.52


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Frau Minister.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Vizepräsidentin Bundesrätin Mag. Elisabeth Gross­mann. – Bitte schön.


13.52.32

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Werte Ministerinnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir eigentlich ein kurzes Redekonzept vorbereitet, aber Ihre Worte, Frau Ministerin, haben mich jetzt ein bisserl aus diesem Konzept gebracht. Sie haben nämlich so sehr hervorgehoben, dass es beim Kinderbetreuungsgeld, für Schwangere und generell für Familien keine Einbu­ßen gibt. Ich wusste jetzt nicht, dass das irgendwie geplant gewesen wäre (Bundesrat Schennach: Na, bei der Regierung! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), das ist nicht an die Öffentlichkeit gelangt, und insofern hat mich die Betonung einer solchen Tatsache etwas überrascht. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Aschbacher.)

Ich weiß, Sie sind eine Kämpferin und haben sich sicher auch sehr wacker für die Fa­milien eingesetzt, was dankend anzuerkennen ist (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP), sodass es nun, nach langen Forderungen gerade meiner Fraktion und der sozialde­mokratischen Gewerkschaftsfraktion, spät aber doch gelungen ist, dass es zu einem


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Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit kommt. Das haben wir von Anfang an gefordert, aber lange darauf warten müssen. Jetzt ist es gekommen, ja – und wir haben uns auch sehr, sehr darüber gefreut –, aber es sind eben sehr viele Haken daran. Der Rechtsanspruch gilt pro Elternteil – das ist positiv – bis zu vier Wochen – es ist ange­schnitten worden –, bis zum 14. Lebensjahr des Kindes und auch für Menschen mit Be­hinderung und wenn Angehörige gepflegt werden. Dann aber kommt es! – Die Schulen müssen tatsächlich geschlossen sein. Es braucht folgende Voraussetzungen: behördli­che Schließung, bescheidmäßige Quarantäne und, und, und.

Das heißt, es wird immer kommuniziert: Die Schulen sind offen, aber bitte schickt die Kinder nicht hin! – Das ist ein großer Druck, der den Eltern damit zugemutet wird. Ich werde sehr oft mit Sorgen von Eltern konfrontiert, die mir sagen, sie wissen wirklich nicht, was sie tun sollen und wie sie sich verhalten sollen, weil sie als Rabenmütter, Raben­väter dastehen, wenn sie ihre Kinder in die Schule geben. Es wird das also auch sehr, sehr missverständlich kommuniziert. Die Eltern sind in dieser Krisensituation wirklich ex­tremst gefordert: mit Homeschooling, mit Homeoffice und zusätzlich auch noch mit vie­len, vielen finanziellen Sorgen und Sorgen um den Arbeitsplatz.

Es ist wirklich eine Extremsituation für die Familien in unserem Lande. Die brauchen jetzt nicht nur Dank, Anerkennung und Applaus, sie brauchen auch wirkliche Unterstützung und Sicherheit. Wo immer wir diese geben können, müssen wir sie auch geben, da bin ich für alle Beiträge, die geleistet werden, dankbar.

Wir brauchen aber auch langfristige Sicherheit. Ich möchte daher noch einmal auf das Arbeitslosengeld, auf diese Einmalzahlung, Bezug nehmen. Sie ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Es braucht hierzu wirklich eine nachhaltige Lösung, denn es sind auch Menschen in eine Arbeitslosensituation gekommen, die niemals damit gerechnet haben, die bisher linear verlaufende Karrieren hatten und jetzt plötzlich ins Bodenlose stürzen, die Verbindlichkeiten für Wohnungskauf, Autokauf, für was auch immer eingegangen sind und diese jetzt teilweise nicht mehr bestreiten können. Wir müssen insbesondere den Bezieherinnen und Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen wirklich Kaufkraft geben.

Kaufkraft zu geben ist der Konjunkturmotor schlechthin. Bei der Aufarbeitung der Wirt­schaftskrise 2008 haben wir gesehen, wie wichtig damals die Steuerreform war. Indem wir den Menschen und gerade den Bezieherinnen und Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen Kaufkraft gegeben haben, haben wir den Konjunkturmotor wieder in Gang gesetzt. Binnennachfrage ist das Wichtigste. Wenn wir uns die Einreise- und Ausreisebe­stimmungen, die Lage des Tourismus und so weiter anschauen: Wir können auf externe Nachfrage hoffen, denn natürlich ist der Export sehr wichtig, es fehlt uns dann aber die Binnennachfrage. Die muss entsprechend gewährleistet sein, und das schaffen wir am besten und am effizientesten, indem wir den kleinen und mittleren Einkommensbeziehe­rinnen und Einkommensbeziehern Kaufkraft geben. Dazu wäre die nachhaltige Anhe­bung des Arbeitslosengeldes eine ganz, ganz wichtige Maßnahme. Ich ersuche Sie, auch darauf hinzuwirken. Wie gesagt, die Einmalleistung ist ein Tropfen auf den heißen Stein.

Ich ersuche Sie darüber hinaus wirklich, insbesondere betreffend die Regelung der ge­samten Homeofficeangelegenheiten bald für Klarheit zu sorgen. Es geht um die Kosten, die für die Haushalte anfallen, die Energiekosten, und auch um rechtliche Rahmenbedin­gungen. Das muss bitte raschest und klar gelöst werden. Das ist ganz, ganz wichtig, weil ich schon annehme, dass diese Arbeitsformen auch nach dem Ende der Pandemie – die hoffentlich bald zu Ende sein wird – ein Modell für die Zukunft sein können, aber bitte nicht auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dazu braucht es ganz klare Rahmenbedingungen.


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Es wurde auch gepriesen, dass man darauf verzichtet hat, das Pendlerpauschale zu kürzen. – Ja, wunderbar! Es war mir aber nicht bekannt, dass man das geplant hätte. Was aber ist mit jenen, die bisher keine Pendlerpauschale bezogen haben? – Die haben trotzdem die Kosten zu Hause am Arbeitsplatz! Für diesen Bereich braucht es gleich­förmige, kongruente Lösungen, wobei ich bitte, ebenfalls gemeinsam mit der Sozialpart­nerschaft, die sich in der Krise bewährt hat, darauf hinzuarbeiten.

Die Modelle, die sozialpartnerschaftlich ausgearbeitet wurden – wie die Kurzarbeit und jetzt auch die Sonderbetreuungszeit, die wir uns, wie gesagt, ohne diese Haken ge­wünscht hätten – und die wirklich in einem konsensualen Miteinander erarbeitet wurden, haben am besten funktioniert. Ich bin daher für die Verhandlungsbereitschaft dankbar, auch wenn wir sie vehement immer wieder einfordern mussten. Sie sehen aber, was sich bewährt hat, und genau diese Modelle haben sich bewährt.

Ich würde Ihnen beiden, werte Frauen Ministerinnen, raten, diesem bewährten gemein­samen Weg weiterzugehen. – In diesem Sinne: danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00


14.00.22

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Ich bitte alle Bundesrätinnen und Bundesräte, ihre Plätze einzunehmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.01.017. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird (343 d.B. und 446 d.B. sowie 10447/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um den Be­richt, Frau Bundesrätin.


14.01.33

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 17. No­vember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastun­gen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.



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Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste ist Frau Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.


14.02.37

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Nicht nur in der österreichischen Industrie gibt es schon seit einiger Zeit ein allbeherrschendes Thema, welches zwar aufgrund der Coronakrise etwas in den Hintergrund gerückt ist, das aber trotzdem weiterhin mit großer Priorität verfolgt wird. Es handelt sich um Industrie 4.0. Mit Industrie 4.0 verbinden wir viele klingende Begriffe wie Automatisierung, Digitalisierung, Internet der Dinge, doch was bedeutet Industrie 4.0 eigentlich und was hat dies für Auswirkungen für uns?

Industrie 4.0 steht für die Digitalisierung der industriellen Produktion, um sie für die Zukunft besser zu rüsten. Maschinen kommunizieren direkt mit anderen Maschinen und sparen so unzählige Arbeitsschritte ein, die vorher einen physischen Einsatz der Mitar­beiter erfordert haben. Außerdem werden Mitarbeiter durch Assistenzsysteme bei an­strengenden, unangenehmen oder gefährlichen Arbeiten unterstützt. Die industrielle Produktion wird effizienter, automatisierter, technologisierter. Das dient der globalen Wettbewerbsfähigkeit.

Die digitalisierte Industrie hat höhere Ansprüche als je zuvor an ihre Mitarbeiter, die Software und die Hardware. Über Softwarelösungen oder gute Mitarbeiter, das heißt gut ausgebildete Fachkräfte, wird sehr oft gesprochen, doch die Weiterentwicklung der Hardware ist genauso wichtig für die Digitalisierung. Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Förderung von Innovation im Bereich der Mikroelektronik – Innovation made in Austria, hochtechnologische Forschung in heimischen Betrieben.

Dass diese Art der Förderung Sinn ergibt, hat auch die Kommission der Europäischen Union erkannt. Darum hat sie die Initiative Ipcei, Important Projects of Common European Interest, ins Leben gerufen. Mithilfe dieser Initiative sollen Forschungsprojekte europäi­scher Betriebe gefördert und ein Klima der Innovationsfreundlichkeit geschaffen werden. Österreich beteiligt sich nun an dieser Initiative. Im Bereich Mikroelektronik will der Staat in den Jahren 2020 bis 2023 75 Millionen Euro für Forschungsprojekte in die Hand neh­men. – Vielen Dank für diese so wichtige Initiative, Frau Bundesministerin. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Besonderen Fokus legt die Initiative auf die Förderung der Forschung und Entwicklung von Technologien in den Bereichen energieeffiziente Chips, Leistungshalbleiter, intelli­gente Sensoren, fortgeschrittene optische Geräte und Verbundwerkstoffe. Diese Berei­che sind gerade für einige heimische Global Player entscheidend, um an den globalen Märkten konkurrenzfähig zu bleiben.

Es gibt in Österreich knapp 200 Unternehmen an ebenso vielen Standorten mit circa 63 000 Mitarbeitern, die im Bereich der Elektronikindustrie beschäftigt sind. Besonders im Großraum Graz, von vielen das Silicon Valley Österreichs genannt, hat sich eine star­ke und innovative Unternehmerszene der Mikroelektronikindustrie entwickelt, aber auch Linz und Villach haben sich als blühende Zentren der österreichischen Elektronikindus­trie herauskristallisiert.

An all diesen Unternehmen hängt eine enorme Wirtschaftsleistung, die sehr viele Ar­beitsplätze in Österreich sichert. Außerdem sind diese Unternehmen große Steuerzahler und somit eine wichtige Einnahmequelle für den österreichischen Staat. Damit dies so bleiben kann, ist es erforderlich, dass diese Unternehmen nicht nur den technischen


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Entwicklungen folgen können, sondern auch mit neuen, innovativen Produktionsprozes­sen und Ideen auf den Markt gehen können. Nur so können sie ihre Position als inter­national angesehene Player behaupten und weiter ausbauen. Unsere Aufgabe ist es nun, sie dabei zu unterstützen.

Die gegenständliche Fördermaßnahme bewirkt die Steigerung der Attraktivität des Wirt­schaftsstandorts Österreich. Sie hat außerdem durch die auslösenden Investitionen die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung in Österreich zur Folge; und gerade die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen ist in der jetzigen Zeit sehr wichtig, da in dieser aktuellen Coronakrise zahlreiche Menschen in Österreich arbeitslos geworden sind.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält die dafür nötige Ermächtigung an die Bundesmi­nisterin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, beim Detailbudget Innovation und Technologietransfer entsprechende Vorbelastungen einzugehen. Durch das gegen­ständliche Vorhaben werden die budgetären Voraussetzungen geschaffen, um Unter­nehmen im Bereich der Mikroelektronik einen nicht rückzahlbaren Zuschuss gewähren zu können.

Dieser Gesetzesantrag ist ein sinnvoller und zielgerichteter Impuls zur Förderung öster­reichischer Innovation und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Ich werde diesem Antrag zustimmen und möchte alle einladen, es mir gleichzutun. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.08


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


14.08.39

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Liebe Kollegin Schwarz-Fuchs! Sie haben gesagt, Österreich war so su­per und die EU ist dann darauf eingeschwenkt. Eigentlich ist es umgekehrt: Die EU-Kommission hat 2014 diese Möglichkeit der Important Projects of Common European Interest eingeführt, 2018 wurde das neuerlich budgetär aufgestockt, und jetzt, 2020, treten wir, Österreich, dem verspätet bei. Das ist gut, das ist richtig.

Auch die Ausführungen zu Graz sind richtig. Man sollte sagen, dass es natürlich in Kom­bination mit der Universität in Graz und mit dem Joanneum passiert, dass dieses kleine Silicon Valley in Österreich entsteht.

Es geht um European Interest: Das heißt, die Wertschöpfungsabgabe beziehungsweise die Wertschöpfungskette sollte möglichst in Europa sein. Wir haben im Bereich der Cloud­technologie, der Cloudinnovationen die geradezu überwältigende Situation, dass 90 Pro­zent dieser Firmen US-Firmen sind und China mit Alibaba noch mit 6 Prozent dabei ist. Wenn man nachfragt, was bei Cloudinnovationen europäisch ist, dann kann man sagen: in der Infrastruktur mittlerweile nichts.

Ich habe vorgestern der deutschen Bundeskanzlerin sehr genau zugehört. Sie hat ge­meint, man hat als EU einen kleinen Fonds aufgestellt – es geht um 1,75 Milliarden Euro; aus deutscher Perspektive kann man das vielleicht als kleinen Fonds bezeichnen ‑, um gerade diesen Bereich Digitalisierung, Cloud und so weiter zu fördern und gesamteuro­päische Interessen zu vertreten. Das ist wichtig, denn wir können ja nicht alles dem US-amerikanischen Markt überlassen. Das verhindert schon die Datenschutz-Grundverord­nung. Es gibt immer wieder interessante europäische Projekte wie Gaia-X, das wäre so eine europäische Cloudinfrastruktur, allerdings kommt sie mit 1,75 Milliarden Euro nicht aus.

Dann gibt es Galileo. Man hat gesagt, man will anstelle des amerikanischen GPS ein europäisches System haben, und hat eben dieses Projekt Galileo ins Leben gerufen. Da


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war die große Idee, dass das zu einem großen Teil aus der Privatwirtschaft finanziert wird. Das ist aber nicht zustande gekommen, und um eine Schubladisierung dieses Pro­jektes zu verhindern und die Galileo-Satelliten doch noch in Betrieb zu nehmen, mussten alle oder jedenfalls viele Töpfe des EU-Budgets ausgeplündert werden.

Es gab auch vergebliche Bemühungen um die Entwicklung eines europäischen Pen­dants zu Google, wofür man übrigens 600 Millionen Euro in den Sand gesetzt hat. Daran sieht man, wie heikel die Situation ist.

Meine Vorrednerin hat gemeint, im Bereich der Software wäre es einfacher. Wir spre­chen hier von Hardware. Im Bereich der Software wird man mit dem Platzhirschen, wer immer da tätig ist, in eine extreme Konfliktsituation kommen, mit Facebook, Salesforce, Office 365 und so weiter, das ist schon eine gewaltige Sache.

Wenn wir uns Gaia-X anschauen, sehen wir, das ist zwar eine europäische Cloudinitia­tive, eine europäische Infrastruktur, aber Huawei, Amazon und andere sind als Partner bereits drinnen. Das halten wir aber aus, wenn bei einer europäischen Infrastruktur auch US-Provider mitmachen.

Insgesamt ist es gut, dass wir nun nachträglich der Ipcei-Initiative – Important Projects of Common European Interest – beitreten. Was in gesamteuropäischem Interesse ist, ist sicher auch in Österreichs Interesse. Deshalb werden wir dem zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.14


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Michael Bernard zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


14.14.14

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Eines vorweg: Die Bundesräte der schwarz/türkisen und der grünen Fraktion sind mit ihrem Abstimmungsverhalten Hand­langer der schwarz/türkis-grünen Wach- und Schließgesellschaft namens Bundesregie­rung.

Sie machen sich mitverantwortlich, indem Sie Verordnungen unterstützen, welche das schwarz-grüne Kommando erlässt, Verordnungen, wonach künftig Betriebsstätten aller Art und bestimmte Orte von der Polizei betreten werden dürfen, Verordnungen, wonach sich Mehrkindfamilien nicht treffen dürfen, Verordnungen, wonach unbescholtene Bürger wie Schwerverbrecher behandelt werden und Schulkinder für ein Leben lang bildungs­technisch geschädigt werden. Vertreter der Aufbaugeneration, die unser wunderschönes Heimatland aufgebaut haben, welches durch die türkis-grüne Wach- und Schließgesell­schaft namens Bundesregierung gerade mutwillig zerstört wird, werden, falls sie in einem Altersheim leben, diesen Verordnungen gemäß weggesperrt. Das Pflegepersonal wird mit ungeprüften Masken versorgt und damit in Lebensgefahr gebracht. (Beifall bei der FPÖ.)

Die vielen österreichischen Klein- und Mittelbetriebe, die unser System erhalten und vie­le Arbeitsplätze schaffen, sei es im Handel, in der Gastronomie oder im Hotelleriebe­reich, müssen aufgrund Ihrer Verordnungen schließen. Damit setzen Sie die Existenzen der Unternehmer und deren Beschäftigten aufs Spiel (Zwischenruf bei der SPÖ), ja, Sie ruinieren sie. Damit schmeißen Sie Großkonzernen wie Amazon und so weiter das Geld der österreichischen Bevölkerung in den Rachen, zudem geben Sie Steuergeld für sinn­lose Massentestungen aus.

Nun zum eigentlichen Thema: Österreichische Unternehmen stehen in einem globalen Wettbewerb. Durch Innovationen und deren Umsetzung in marktfähige Produkte und


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Dienstleistungen sollen technologische und marktorientierte Wettbewerbsvorteile erzielt werden, damit österreichische Unternehmen ihre Marktposition verbessern beziehungs­weise eine führende Stelle einnehmen.

In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, dass die Transformation in eine wissens­basierte, digitalisierte Wirtschaft gelingt. Das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sollte daher mit seinen Programmen und Maßnahmen das Ziel un­terstützen, dass Österreich zu den innovativsten Länder der EU aufsteigen und sich langfristig in der Gruppe der Innovationleader – jener, die an der Wissensgrenze for­schen und an der technologischen Grenze produzieren – etablieren soll.

Bereits in der Finanzkrise 2008 hat sich gezeigt, dass forschende Unternehmen resi­lienter sind und eine Krise leichter überwinden. Die Förderung von Forschung und Ent­wicklung eröffnet Wachstumsmöglichkeiten, die in Phasen der wirtschaftlichen Erholung zur Geltung kommen und so die Auswirkung der Covid-19-Krise lindern.

Wirkungsziele sind unter anderem: Stärkung der Innovationskraft der österreichischen Unternehmen durch weitere Intensivierung der Kooperation von Wirtschaft und Wissen­schaft mit Fokus auf Digitalisierung, durch Verbreiterung der Innovationsbasis und durch Ausbau des Technologietransfers; Stabilisierung der Neugründung von wissens- und forschungsintensiven Unternehmen; bessere Nutzung des in Österreich vorhandenen Potenzials an Fachkräften. Zusätzlich sollte dadurch auch die Erhöhung des Anteils von Frauen in Forschung, Technologie und Innovation möglich sein.

Durch das gegenständliche Gesetz werden die budgetären Voraussetzungen in der UG 33 geschaffen, um Großunternehmen im Bereich der Mikroelektronik einen nicht rückzahlbaren Zuschuss gewähren zu können. Zum Zeitpunkt der Erstellung der wir­kungsorientierten Folgenabschätzung sind die Abwicklungskosten noch nicht bekannt. Die tatsächliche Förderleistung an das Unternehmen reduziert sich entsprechend um die Werkleistungen und hängt auch von der Höhe der Antragstellung durch die Unterneh­men ab.

Zu den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen sei Folgendes gesagt: Die Fördermaßnah­me bewirkt durch die auslösenden Investitionen die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung in Österreich. Dies sehen wir Freiheitliche sehr positiv. (Beifall bei der FPÖ.)

Aufgrund der Gewährung nicht rückzahlbarer Zuschüsse gemäß den Kriterien der wich­tigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse steigt die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich in den mit der Halbleiterindustrie in Verbindung stehen­den Branchen, zum Beispiel in der Automobilindustrie.

Mit dem heute zu beschließenden Gesetz wird das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort ermächtigt werden, beim Detailbudget Innovation, Technologie­transfer der Untergliederung 33 Vorbelastungen hinsichtlich der Finanzjahre 2021 bis 2023 in Höhe von maximal 56,25 Millionen Euro zu begründen. Für das Jahr 2020 wird die finanzielle Bedeckung in Höhe von 18,75 Millionen Euro durch das BFG 2020 sicherge­stellt.

Der Zeitpunkt für die interne Evaluierung wird 2025 sein. Dabei soll auf Basis erster Daten der begünstigten Unternehmen – Grundlage werden unter anderem die jeweiligen Geschäftsberichte sein – geprüft werden, dass die Vorbelastung zu einer erfolgreichen Umsetzung der beschriebenen Richtlinien und somit der Förderung relevanter Projekte im Bereich Mikroelektronik geführt hat.

Wir Freiheitlichen werden gegen den Beschluss dieses Bundesgesetzes des Nationalra­tes vom 17. November keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der FPÖ.)

14.19



BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 101

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mar­co Schreuder zu Wort. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


14.20.01

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zur Sache selbst, glaube ich, kann man das relativ kurz machen, denn es ist eigentlich alles sehr gut gesagt worden. Wir treten im Bereich Mikroelektronik einem viel größeren Projekt bei, in dessen Rahmen es bis zum Jahr 2023 insgesamt 56,25 Millionen Euro für innovative Unternehmen geben wird, damit diese ihre Betriebsstätten auch in Österreich haben und Europa in diesem Bereich gestärkt wird. Das ist, wie wir wissen, im Bereich Digitalisierung ein ganz wichtiges Vor­haben, daher kann ich wirklich nicht mehr dazu sagen, als: Bitte stimmt dem zu, das ist eine sinnvolle Sache!

Erlauben Sie mir jedoch noch ein paar Worte, da das heute meine erste Rede als Wiener Bundesrat ist, es so viele neue Wiener BundesrätInnen gibt beziehungsweise ein Wie­dersehen mit Wiener BundesrätInnen stattgefunden hat! Diese wunderbare Stadt, die ich mittlerweile so liebe und in der ich so gerne lebe, bietet mir seit 1988 ein Zuhause, und ich glaube, dass wir alle auch gerne hier arbeiten.

Ich möchte natürlich alle Neuen hier sehr herzlich begrüßen: Karl-Arthur Arlamovsky von den NEOS – ich finde es wunderbar, dass ein zusätzlicher Farbtupfer unsere Demokratie bereichert, und ich freue mich darüber, das möchte ich hier ganz ausdrücklich sagen.

Ich möchte natürlich Herrn Hübner herzlich willkommen heißen. Von der FPÖ haben wir ja sehr viele Kolleginnen und Kollegen verloren. Ich möchte an dieser Stelle auch sagen, dass Monika Mühlwerth, mit der ich sehr viele Rededuelle gehabt habe und obwohl wir uns vielleicht manchmal wirklich ein bisschen böse waren, Handschlagqualität hatte; man konnte immer mit ihr dealen, man konnte kooperieren. Wenn ich einen Satz in Wien gelernt habe, den ich schätze – und ich glaube, wir sollten in der Demokratie diesen Satz noch viel mehr schätzen –, dann ist es: Durch das Reden kommen d’ Leut zsamm!, und das konnte ich mit der Monika: zusammenkommen und zusammen reden.

Es freut mich sehr, dass ich Harry Himmer nach so vielen Jahren wiedersehen darf. Dass mit Kollegin Elisabeth Wolff zusätzlich eine geballte Kompetenz an Heurigen- und Winzerqualität in den Bundesrat kommt, weiß ich auch als Biertrinker sehr zu schätzen. (Beifall des Bundesrates Raggl.)

Das Wiedersehen mit den Kolleginnen und Kollegen der SPÖ freut mich auch sehr, da können wir Herrn Kaske, den wir ja jetzt nicht mehr hier haben, gemeinsam im Wiener Landtag besuchen.

Natürlich ein herzliches Willkommen meiner Kollegin Elisabeth Kittl in unserer Runde: Wien wird eine starke Stimme in diesem Bundesrat haben. Wenn wir vom ländlichen Raum reden, geht es parallel auch immer um urbane Entwicklung. Das geht nur zusam­men gedacht, das werden wir hier machen – und ich freue mich sehr darauf. Und die Mikroelektronik: Die brauchen wir auch! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.23


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bun­desministerin Dr. Margarete Schramböck gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundesminis­terin.


14.23.30

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schram­böck: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesräte! Ich möchte nur kurz auf die zwei Themen eingehen, die angesprochen worden sind.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 102

Ipcei – Important Projects of Common European Interest: Ich gebe Ihnen vollkommen recht, dass das ein ganz wichtiger Punkt ist, den die EU gut entwickelt hat, den wir aber gemeinsam noch besser weiterentwickeln können. Das ist auch meine Forderung an die Europäische Kommission, denn sie hat dieses Instrument vor einigen Jahren geschaf­fen, weil erkannt wurde, dass man auf der einen Seite Forschung und Entwicklung gut unterstützen, auf der anderen Seite aber in der Produktion nicht zurückfallen soll.

Ich habe das erlebt, ich komme aus dieser Branche, die zuerst noch sehr viele Pro­duzenten in Europa hatte. Da war auch Europa aber in gewissem Maße naiv und hat sich nicht schützend vor viele Unternehmen und an die Seite vieler Unternehmen in der Produktion gestellt. Und ja, wir haben nur ein Softwareunternehmen, SAP, das übrigge­blieben ist, das in der Weltklasse ist, die anderen sind verschwunden.

Daher ist es jetzt umso wichtiger, dass wir das Regulativ Important Projects of Common European Interest nutzen. Ich habe es ja auch als meine Aufgabe empfunden, als ich das erste Mal Ministerin wurde, auf diesen Zug aufzuspringen, vor allem bei diesem Halbleiterthema, das das Silicon-Alps-Konsortium und diese Cluster sehr, sehr gut vor­bereitet haben. Es gibt also meine volle Unterstützung für dieses Thema, und ich danke auch für Ihre Unterstützung.

Was können wir in Richtung Europäische Kommission nun tun? – Ich mache es in jedem Rat – zuletzt in zwei Sitzungen des Wettbewerbsrates –: Wir können fordern, dass sich auch die Europäische Kommission, also die EU, finanziell beteiligt. Wie ist der Mecha­nismus? – Die Länder beteiligen sich, stellen Budget zur Verfügung, finanzieren damit und erhalten nach langer Prüfung die Zusage der Europäischen Kommission. Oft dauert diese zu lange, wir müssen da schneller werden. Wir können nicht drei oder vier Jahre brauchen, gerade jetzt in Krisenzeiten nicht. Sie müssen bei der Prüfung schneller wer­den. Das Zweite, was wir tun müssen: Ich erwarte mir, so wie es für Entwicklung und Forschung passiert, auch einen finanziellen Beitrag aus dem EU-Budget für innovative Produktion. Ich glaube, das können wir gemeinsam in Richtung Europäische Kommis­sion weitertragen.

Zum Thema Gaia-X, das auch angesprochen worden ist: Wir haben da eine österreichi­sche Initiative und sind dem Pakt für eine gemeinsame europäische Infrastruktur mit vielen anderen Ländern beigetreten – ein ganz wichtiger Punkt. Unsere Initiative Ö-Cloud ist jene, die der Gaia-X-Initiative entspricht. Unser Ziel ist es, mit den Infrastruktur­anbietern, aber auch mit europäischen Softwareanbietern, wie SAP und anderen, Stan­dards zu setzen, um auch entsprechend Vorgaben zu machen.

Ich danke Ihnen für die Unterstützung für beide Themen. Das heute hier beschlossene Ipcei für die Halbleiter ist auch wichtig im Bereich der Lifescience, es ist wichtig im Be­reich der Batterien, wichtig im Bereich der dekarbonisierten Industrie. – Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.26


14.26.55

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. – Ich sehe, das ist schon erfolgt.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 103

14.27.308. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997 geändert wird (966/A und 422 d.B. sowie 10448/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Bitte, Herr Berichterstatter, ich bitte um den Bericht.


14.27.54

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des National­rates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Genossen­schaftsrevisionsgesetz 1997 geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss hat nach Beratung am 1.12. mit Stimmenmehrheit den Antrag gestellt, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Sandra Gerdenitsch. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


14.28.39

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren zu Hause! Eingangs darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass noch bis inklusive 10. Dezember die 16 Tage gegen Gewalt laufen, und ich möchte Sie herzlich einladen, auf Facebook die Seite der SPÖ Frauen Burgenland zu besuchen und sich unsere Bewusstseinskampagne anzuschauen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ so­wie des Bundesrates Arlamovsky.)

Nun zum Thema: Der vorliegende Entwurf passt das Berufsrecht der Genossenschafts­revisorInnen in einigen Punkten im Hinblick auf Ausbildungsfragen an das im Wirt­schaftstreuhandberufsgesetz 2017 geregelten Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer an. Dieses wurde 2017 geändert.

Ich will jetzt gar nicht näher auf die Sache eingehen, sondern werde Ihnen erklären, warum wir als SPÖ da nicht mitgehen werden, und das geht relativ rasch und einfach:

Erstens gab es dazu kein Begutachtungsverfahren. Die Betroffenen hatten somit keiner­lei Möglichkeit, sich zu erklären, und es wurde wieder einmal ein ordentliches Gesetz­werdungsverfahren nicht nur behindert, sondern verhindert. Es kann nicht sein, dass das hier wieder einmal ohne Begutachtung abgenickt werden soll. Parlamentarische Usan­cen werden einmal mehr mit Füßen getreten.

Was haben Sie eigentlich für einen Zugang zum Parlamentarismus? – Drüberfahren und wurscht, die da werden das schon fressen, die Krise nützen wir jetzt gleich für unsere Zwecke! – So in etwa kommt es einem vor. Die – also wir als Oppositionspartei – und die Menschen im Land werden das schon so schlucken, wir haben ja die Coronakrise!

Wie Sie mit dem Berufsstand umgehen und welche Wertschätzung Sie sowohl diesem als auch dem Parlamentarismus entgegenbringen, zeigt sich da: Respekt und Achtung gleich null. Glauben Sie mir, das lassen sich die Menschen sicher nicht mehr lange bie­ten und Sie werden die Rechnung dafür präsentiert bekommen!


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 104

Zweitens wurden die Berufsrechtsanpassungen für GenossenschaftsrevisorInnen auch im falschen Ausschuss behandelt. Das hätte nämlich in den Justizausschuss gehört und nicht in den Wirtschaftsausschuss. Warum das passiert ist, wissen wir von der SPÖ leider nicht. Das ist für uns nicht nachvollziehbar, aber auch wieder ein Fall von: Wir Regierungsverantwortlichen machen, was wir wollen, ihr habt das abzunicken!

Drittens und abschließend: Warum nimmt man sich nicht genug Zeit, um dieses Gesetz durch ein ordentliches parlamentarisches Gesetzwerdungsverfahren zu schicken? Es gibt keinen akuten Zeitdruck und es soll ja auch etwas Gescheites für die betroffene Berufsgruppe dabei herauskommen. Ich darf Sie daran erinnern – Sie wissen das si­cher –: Bevor ein Gesetz beschlossen wird, soll ausreichend darüber beraten werden. Sie können das auch auf www.parlament.gv.at jederzeit nachlesen.

Ich zitiere: „Wie ein Gesetz zustande kommt, muss genauestens geregelt sein: zu wichtig sind seine Auswirkungen. Die Gesetzgebung muss einerseits einem fairen, nachvoll­ziehbaren Ablauf folgen, andererseits die Öffentlichkeit informieren. Formvorschriften und Fristen sind dabei besonders wichtig für die Transparenz (Nachvollziehbarkeit).“ – Es wäre also etwas mehr Respekt und Anerkennung angebracht. Wenn Sie es nicht finden, ich bin geschult im Homeschooling, ich unterstütze Sie gerne. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Kurzfassung meines Beitrages: Es wird wieder einmal im Schnellsiedeverfahren gearbeitet, wie wir im Burgenland sagen, im Windschatten der Coronakrise, in dem den Menschen so vieles reingedrückt werden soll, und wir als Oppositionspartei sollen still­halten und abnicken. Das ist ein klassischer Pfusch, das wird meine Fraktion nicht unter­stützen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.32


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Mag. Christian Buchmann. – Bitte schön, ich erteile Ihnen das Wort. (Bun­desrat Schennach: Jetzt verteidigt er den Pfusch!)


14.32.51

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Was sind Genossenschaften? – Genossenschaften sind Ein­richtungen von natürlichen und/oder juristischen Personen zum Zweck der Erwerbstä­tigkeit oder der wirtschaftlichen oder sozialen Förderung ihrer Mitglieder – sehr zweck­mäßige Einrichtungen, wie ich meine, die nach den Prinzipien der Selbsthilfe, der Selbst­verwaltung und der Selbstverantwortung arbeiten. Das Solidarprinzip – auch der Sozial­demokratie kein fernes Prinzip, wie ich meine – spielt eine wesentliche Rolle, und das gemeinsame Bekenntnis, dass eine Zusammenarbeit, eine Fusion, eine Union, eine Ge­nossenschaft mehr ist als die Teile ihrer Mitglieder. Das ist eigentlich das Wesen einer Genossenschaft.

Wir unterscheiden unterschiedliche Arten von Genossenschaften. Eine kennt die Sozial­demokratie besonders gut, das sind die Konsumgenossenschaften – leider nur mehr spärlich in der Landschaft vorhanden. Wir haben Einkaufsgenossenschaften, wir kennen Kreditgenossenschaften, wir kennen Absatzgenossenschaften, wir kennen Baugenos­senschaften vulgo Wohnbaugenossenschaften, die insbesondere auch in den urbanen Räumen, zunehmend aber auch in den ländlichen Räumen eine sehr große Versor­gungsfunktion übernehmen. Und bei all diesen Genossenschaften ist es so wie bei an­deren Wirtschaftssubjekten nötig, dass in den Organisationseinheiten auch Kontrolle ausgeübt wird, und zwar durch unabhängige und weisungsfreie Kontrolleure – im Be­reich der Genossenschaften eben Revisoren genannt –, die die Rechtmäßigkeit, die Ord­nungsmäßigkeit und die Wirtschaftlichkeit des Gebarens dieser Organisationseinheiten, dieser Genossenschaften entsprechend prüfen.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 105

Worum geht es denn in der Novelle dieses Genossenschaftsrevisionsgesetzes? – Man kann sich natürlich bei jedem Gesetz und bei jeder Novelle in Befindlichkeiten üben und erklären, warum man keineswegs mit der formalen Vorgangsweise einverstanden ist. Das hilft jedoch den Betroffenen in der Sache selbst relativ wenig. Ich habe mich auch informiert, Frau Kollegin Gerdenitsch! Es hat zwar kein Begutachtungsverfahren stattge­funden (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), es hat aber, wie ich gehört habe, sehr wohl einige Runden gegeben, in denen man sich mit den Experten und auch mit der Kammer der Wirtschaftstreuhandberufe ausgetauscht und eine gemeinsame Vorgangs­weise gefunden hat, und es sind sogar Vorschläge aus diesen Runden ganz konkret in die Novelle eingeflossen. (Bundesrätin Schumann: Das ist aber keine Begutachtung!)

Das heißt, dass sich die in dieser Novelle enthaltenen Anpassungen sehr an dem orien­tieren, was in der seinerzeitigen Novelle zum Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 Hintergrund war, nämlich ähnliche Tätigkeitsbereiche sowohl der Genossenschaftsrevi­soren als auch der Wirtschaftstreuhandberufstätigen. Daher war es aus unserer Sicht und auch aus Sicht der Mehrheit des Nationalrates sachlich gerechtfertigt, dass Unter­schiede beim Berufszugang ausgeräumt werden.

Die Anpassungen betreffen in erster Linie das Prüfungsverfahren der Fachprüfungen für Genossenschaftsrevisoren, etwa eine Erweiterung der Sachgebiete sowie Veränderun­gen hinsichtlich des schriftlichen Prüfungsteils. Da werden die Experten selbst am bes­ten wissen, wie man diese Prüfungen fach- und sachgerecht abwickelt, um zu überprü­fen, ob die Revisoren dann ihren wichtigen Aufgaben auch entsprechend nachkommen können. Sie müssten eigentlich auch sehr daran interessiert sein, dass die Anwart­schaftszeiten, die Ausbildungsfristen verkürzt werden. Die Zulassung zur Fachprüfung wird mit dieser Novelle auf 18 Monate verkürzt, das heißt, ein schnellerer Berufszugang ist möglich.

Und es wird die Möglichkeit geschaffen – ein Thema, das der Sozialdemokratie in vielen Punkten immer ein wichtiges Anliegen war –, dass Gebühren, wenn es wirtschaftlich nicht zumutbar ist, für die Kandidaten für diese Revisorentätigkeit entsprechend ermä­ßigt werden, wenn unbillige Härten vorliegen und man möglicherweise wegen der Prü­fungstaxen diese Prüfung nicht machen könnte.

Sie sehen also, das sind durchaus sinnvolle Punkte in dieser Novelle des Genossen­schaftsrevisionsgesetzes. Das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer wurde 2017 geändert, mit dem vorliegenden Entwurf soll das Berufsrecht der Revisoren nachgezogen und der Entwicklung angepasst werden. Es steht einer Beschlussfassung nichts im Wege. Ich würde sehr darum bitten, diesen Beschluss zu fassen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.37


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Dim. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


14.38.01

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja durchaus nachvollziehbar, dass das Berufsrecht der Genossenschaftsrevisoren in einigen Punkten dem Wirtschaftstreu­handberufsgesetz angepasst werden soll. Wir haben die Gründe dafür gehört und das ist grundsätzlich auch in Ordnung. Schließlich werden auch die Genossenschaften, sei­en es Banken, Brauereigenossenschaften oder Wohnbaugenossenschaften, nach den­selben Kriterien geprüft wie Kapitalgesellschaften, und warum soll die Ausbildung dieser Revisoren oder Prüfer unterschiedlich ausschauen?

Ich kann das auch aus meiner Tätigkeit bestätigen, ich bin Aufsichtsrat in einer Bank, sowohl in einer Genossenschaftsbank als auch in einer AG, die Prüfungen sind die gleichen.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 106

Selbstverständlich soll auch der Gleichlauf zwischen den beiden Berufsrechten in der Ausbildungsfrage erzielt werden, da ja die Tätigkeit, wie gesagt, die gleiche ist.

Unverständlich ist – da bin ich auch der Meinung von Frau Kollegin Gerdenitsch –, dass die Änderung als Initiativantrag eingebracht wurde und es daher keine Begutachtung gegeben hat. Auch wurde im Nationalrat vonseiten der Regierungsfraktionen ein Abän­derungsantrag in zweiter Lesung angekündigt, der einen Wunsch der Wirtschaftstreu­händer umsetzen sollte. Ich kenne den Wunsch leider nicht, er steht auch in keinem Antrag oder Vortrag. Leider ist das auch nicht passiert, und im Gegensatz zu unserem Abstimmungsverhalten im Ausschuss werden wir daher aus den Gründen, die Frau Kollegin Gerdenitsch schon vorgetragen hat, hier nicht zustimmen, unter dem Motto: Man wird ja wohl noch gescheiter werden dürfen.

Mehr gibt es dazu im Grunde genommen in der Sache nicht zu sagen und unser Abstim­mungsverhalten werden wir im Gegensatz zum Ausschuss dahin gehend ändern. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

14.40


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


14.40.21

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss gestehen, ich bin jetzt ein bisschen über­rascht, denn dieses Gesetz ist ja nun wirklich keine große Sache und ihr habt eigentlich beide dessen Sinnhaftigkeit erklärt. Ich teile eure Meinung, daher kann ich diese Ab­lehnung jetzt nicht verstehen. Aber sei es drum. Ich hatte auch eine Erklärung über Genossenschaften vorbereitet, aber vielen Dank, Herr Kollege Buchmann, das erspare ich mir jetzt natürlich.

Die Geschichte der Genossenschaften ist ja eine sehr lange und es ist wirklich ein erfolg­reiches Wirtschaftsmodell, das muss man schon sagen. Im Mittelalter hat es natürlich noch nicht Genossenschaft geheißen, aber – Kollege Gfrerer ist, glaube ich, gerade nicht im Saal, ah, doch, dort ist er – in der Almwirtschaft kennt man Genossenschaften ja schon seit dem Mittelalter, da gibt es Jahrhundertetraditionen. Wie wichtig da Genossen­schaften sind, wissen Sie wohl besser als ich. Im deutschsprachigen Raum war es sicher ein gewisser Herr Raiffeisen, der die Genossenschaftsidee in einer ganz besonderen Art und Weise breit bekannt gemacht hat. Seien wir ehrlich: Es ist seit Jahrhunderten eine gute, bewährte und tolle Wirtschaftsform, die, wenn man sich das genau anschaut, sehr nachhaltig und sehr krisenfest ist. Es ist nicht umsonst so, dass wir im Regierungs­programm den Genossenschaften einen gewissen Raum gegeben haben, und das ist auch gut so.

Ich glaube, in einem sind wir uns einig: Jede Wirtschaftsform, welche auch immer es ist, braucht Prüfung, und warum nicht unterschiedlich geprüft werden sollte, haben ja Sie, Herr Kollege, sehr schön ausgeführt. Es gibt wirklich keine Logik dahinter. Daher noch einmal meine Einladung: Überdenkt eure Ablehnung gegen die Angleichung, es ist wirk­lich gescheit, das anzupassen und mit den Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprü­fern gleichzusetzen! (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) – Ja, es ist gescheit.

Auch in Richtung Sozialdemokratie: Die Ausbildung zur Revisorin oder zum Revisor ist eine sehr kostspielige Angelegenheit. Wir haben in diesem Gesetz die Möglichkeit ge­schaffen, dass die Prüfungsgebühr erlassen wird, wenn man sich diese Ausbildung nicht leisten kann. Es gibt in dieser Anpassung eine extrem soziale Komponente, deswegen verstehe ich auch da die Nichtzustimmung nicht.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 107

Ich glaube aber, wir sind uns einig, dass es – ja, ich bleibe bei dem Wort – gescheit ist, dass das kommt – wenn nicht heute, dann in acht Wochen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.43


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen. (Bundesrat Schennach: Jetzt wird das ein Dank ... Raiffeisen!)


14.43.25

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Geld ist Macht und Macht braucht Kontrolle. Das ist ein guter Grundsatz. Bei Kapitalge­sellschaften sind es die Wirtschaftsprüfer, die die Kontrolle durchführen, die Kontrolle gegenüber der Geschäftsführung von Unternehmen, aber auch im Hinblick auf die Si­cherheit für Anleger von Kapital. Das ist nicht immer eine ganz einfache Aufgabe, denken wir an Wirecard und die Klage, die gerade gegen die Prüfungsfirma Ernst & Young vor­bereitet wird.

Bei Genossenschaften, also bei Personengemeinschaften, bei denen nicht das Kapital, sondern der Mensch im Vordergrund steht, bei denen nicht das Kapital entscheidet, sondern die Personen ad Kopf entscheiden, erfolgt diese Prüfung durch die Revision. Diese Revision ist wichtig und gehört auch entsprechend durchgeführt.

Es gibt da die verschiedensten Systeme, die interne Revision bei Genossenschaften und natürlich auch eine externe Revision. Was bei Kapitalgesellschaften der Prüfungsver­merk ist, ist bei Genossenschaften der Revisionsbericht, und große Genossenschaften, ob das die Volksbank- oder die Raiffeisen-Gruppe ist, haben einen eigenen Revisions­verband. Kleine Genossenschaften – und es gibt wirklich ganz kleine – müssen sich die Revision selbst suchen und für die Prüfung sorgen.

Es ist wichtig – das wurde heute schon gesagt –, dass Genossenschaften ein wertvoller Bestandteil unseres Wirtschaftssystems sind, da Genossenschaften nicht immer ge­winnorientiert, sondern vornehmlich den Mitgliedern verpflichtet sind, den Mitgliedervor­teil suchen und nicht nur den finanziellen Erfolg.

Wir können daher, glaube ich, dieser Vorlage zustimmen, mit der diese Revisoren besser ausgebildet werden und eine den Wirtschaftstreuhändern gleichgestellte Ausbildung vor­gesehen ist.

Ich verstehe die Ablehnung der Opposition auch sehr wenig. Keine Begutachtung, zu wenige Gespräche  das kann man immer ins Treffen führen (Zwischenrufe der Bundes­rätinnen Grimling und Schumann), man muss aber auch die Größenverhältnisse se­hen. Es gibt 1 500 Genossenschaften in Österreich, es gibt wahrscheinlich 10 Prozent Revisoren. Es ist die Frage, ob nicht, wenn diesbezüglich mit den Kammern, mit den Betroffenen, mit den Wirtschaftstreuhändern entsprechend gesprochen wird, diese Vor­gangsweise dem Klientel Genüge tut.

Ich glaube, dass es ein gutes Gesetz ist, eine gute Vorlage, die den Genossenschaften helfen kann, und ich bitte um Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.46


14.46.36

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 108

Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. (BundesrätInnen der ÖVP kommen in den Saal und gehen zu ihren Sitzplätzen.) – Ich sehe, da kommen noch Kolleginnen und Kollegen. (Bundesrätin Grimling: Auf was warten wir jetzt? Bei uns dann auch!) – Ja, bei euch auch, klar, das gilt für alle, das ist ja logisch.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. (Bundesrat Kornhäusl geht rasch zu seinem Platz und setzt sich mit erhobener Hand. – Rufe bei der FPÖ: Nicht am Platz! Gilt nicht!) – Nein, es ist eh die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

14.47.519. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie geneh­migt wird (412 d.B. und 447 d.B. sowie 10452/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu Punkt 9 der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Herr Bundesrat, ich bitte um den Bericht.


14.48.20

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesminis­terin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie genehmigt wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Dezember 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Bitte um Unterstützung!


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Bundesrat Michael Bernard zu Wort. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


14.49.31

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bundes­rat! Mit dem vorliegenden Bundesgesetz soll die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie ermächtigt werden, für Verträge mit der ÖBB-Infrastruktur AG die erforderlichen Vorbelastungen in der Höhe von bis zu 48,69 Milliarden Euro hinsichtlich des Zeitraums 2021 bis 2026 zu begründen.

Im Regierungsprogramm 2020 bis 2024 ist nachzulesen – ich zitiere –: „Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Menschen, der Transport von Waren eine Voraussetzung für unsere Wirtschaft. Ein zukunftsfähiger Standort braucht ein innovatives, effizientes und gut funk­tionierendes Mobilitäts- und Transportsystem.“ – Es wäre sehr wünschenswert, wenn sich die türkis-grüne Regierung daran halten würde, was ins Regierungsprogramm ge­schrieben wurde, aber leider kommt es wieder anders.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 109

Natürlich gibt es auch einiges Positives im Rahmenplan 2021 bis 2026, inklusive Ziel­netz 2025 plus, welches durch dieses Gesetz finanziert werden soll: schnellere Verbin­dungen – Zeitersparnis von Wien nach Graz 50 Minuten, Zeitersparnis von Wien nach Klagenfurt 80 Minuten, Zeitersparnis von Wien nach Budapest 20 Minuten – oder den längst fälligen Ausbau der Nordbahn inklusive Geschwindigkeitsanhebung auf 200 km/h; den Ausbau des Nahverkehrs zum Beispiel in den Ballungsräumen der Ostregion, dieser beinhaltet die S-Bahn-Strecke inklusive Adaptierung der Zulaufstrecken.

Zum Thema ländlicher Raum und Regionalbahnen: Moderne Bahnhöfe und Haltestellen, barrierefreier Zugang für bis zu 90 Prozent der Fahrgäste sind bis 2027 geplant. Weitere Vorhaben: regionaler Mobilitätshub, flächendeckendes ÖV-Angebot, Sicherheit an Ei­senbahnkreuzungen, Elektrifizierungsstrategie – bis circa 2030 soll die Elektrifizierung von Bahnstrecken für weitere 500 Kilometer Länge erfolgen –, Ausbau der Bahnhöfe als Mobilitätsdrehscheibe mit Servicevielfalt, zum Beispiel durch Carsharing oder Abhol- be­ziehungsweise Paketboxen.

Ein weiterer Punkt ist die Umsetzung eines sicheren, effizienten Eisenbahnbetriebs durch Aufrüstung des Zugsicherheitssystems auf ETCS. Die automatisierte Betriebsfüh­rung bringt eine Ausweitung der Kapazitäten und eine Optimierung von Pünktlichkeit und Sicherheit.

Der ÖBB-Rahmenplan beinhaltet 17,5 Milliarden Euro für 2021 bis 2026, wovon mehr als 25 Prozent in den Tunnelbau gehen; zusätzlich gehen 3,8 Milliarden Euro in die In­standhaltung.

Es sind – leider wieder nur als strategischer Ausblick – Planungsprojekte angeführt, da­runter der nur selektiv zweigleisige Ausbau der Strecken Wolkersdorf–Laa an der Thaya, die sogenannte Laaer Ostbahn, und Stockerau–Retz. Somit wird die Bevölkerung im Weinviertel, insbesondere der Bezirke Mistelbach und Hollabrunn, von dieser amtieren­den Bundesregierung wieder letztklassig behandelt.

Ich lade Sie, Herr Staatssekretär, gerne zu einer Bahnfahrt von Wien Mitte nach Laa an der Thaya ein, für die Sie, dies will ich Ihnen vorwegsagen, aber viel Zeit benötigen, denn für diese circa 50 Kilometer benötigen Sie 1,5 Stunden. Es wurden vor längerer Zeit von der Bevölkerung über 3 500 Unterschriften in nur zwei Wochen gesammelt und überge­ben und es wurde auf die unzumutbaren Zustände hingewiesen. Wie lange soll die leid­geplagte Bevölkerung diese Zustände noch ertragen?

Nun komme ich wieder zum Zitat: „Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Menschen, der Transport von Waren eine Voraussetzung für unsere Wirtschaft.“ – Dem Grundbedürfnis der Mobilität wird durch diese Regierung leider nicht entsprochen. Im Gegenteil: Durch die Nichtberücksichtigung der Anliegen der Bevölkerung und die immer größer werden­de Problematik der leidgeplagten Bevölkerung dieser, aber auch anderer Regionen im ländlichen Raum sind viele Österreicher gezwungen, auf dem Weg zum Arbeitsplatz einen Pkw zu benutzen. Und was machen Sie, Herr Staatssekretär, mit Ihren Regie­rungskollegen der türkis-grünen Wach-, Schließ- und-Belastungsgesellschaft namens Bundesregierung? – Sie erhöhen für die anständigen Österreicher, die zur Arbeit fahren, die NoVA und die motorbezogene Versicherungssteuer.

Haben Sie, Herr Staatssekretär, sich schon zu Gemüte geführt, was Sie damit der Bevöl­kerung zumuten? Ihre zusätzlichen Belastungen treffen nicht nur die 500-PS-Sportwa­gen-Fahrer, sondern genauso den Fahrer eines Familienautos, der in Zukunft für ein Auto mit 1,4-Liter-Hubraum – also nicht für einen Sportwagen – wegen der Belastungs­regierung 6 500 Euro NoVA zahlt. Im Gegenzug als großen Wurf anzukündigen, dass es beim Ankauf von Lastenfahrrädern zu steuerlichen Erleichterungen kommt, empfinde ich als Hohn. Außerdem hätte ich gerne von jedem, der in den Lastenfahrrädern den


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Meilenstein des Transports sieht, eine Palette Ziegel auf dem Wiener Kahlenberg zuge­stellt. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Weil wir Freiheitlichen einen gesunden Hausverstand haben und verstehen, dass die Mobilität ein Grundbedürfnis der Menschen und der Transport von Waren eine Voraus­setzung für unsere Wirtschaft ist, erheben wir Einspruch gegen den Beschluss des Na­tionalrates und werden diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung verwehren. (Beifall bei der FPÖ.)

14.55


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich begrüße ganz herzlich Herrn Staatsse­kretär Dr. Magnus Brunner und freue mich, dass du, lieber Magnus, wieder einmal im Bundesrat, deiner früheren Wirkungsstätte, bist. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte.


14.55.29

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! Eine coole Sache, finde ich: 17,5 Milliarden Euro für den Bahnaus­bau im nächsten ÖBB-Rahmenplan 2021 bis 2026 – ein Rekordwert. Das sind circa 4 Milliarden Euro mehr als im vorigen Rahmenplan, das ist ein Plus von 27 Prozent für den Bahnausbau.

Mit den bereits existierenden Rahmenplänen geht es in Summe um 30 zu investierende Milliarden bis 2026, das sind also 5 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu kommen noch einmal in Summe 8 Milliarden Euro für Zuschüsse zur Instandhaltung und für den Betrieb der Infrastruktur, also der Strecken.

Hintergrund für diesen Antrag ist ja, dass durch diese großen Summen im Rahmenplan die Auszahlungsgrenze, die im Bundesfinanzrahmengesetz gesetzt wird, zumindest in einzelnen Bereichen überschritten wird, und deswegen braucht es eine gesetzliche Ver­ankerung oder Genehmigung einer sogenannten Vorbelastung. Wir brauchen diesen Beschluss also, um den Ausbau tatsächlich zu sichern und mit Planungssicherheit vo­rantreiben zu können.

Ich freue mich sehr, dass der Bahnausbau nun so vorangeht, schließlich ist die Bahn nicht weniger als das Rückgrat für den öffentlichen Verkehr, das Rückgrat für eine freie, leistbare und ökologische Mobilität. Das gilt für den Personenverkehr, aber klarerweise auch für den Güterverkehr, da leistungsfähige Bahnanschlüsse eine unabdingbare Vo­raussetzung für eine konkurrenzfähige Wirtschaft sind, und das ganz besonders für ein Exportland wie Österreich.

Der Bahnausbau ist klarerweise auch ein unverzichtbarer Bestandteil, um die Zielset­zung Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Schön ist, dass sich die Bahn einer neuen Faszination erfreut. Bahnsysteme befinden sich im Aufschwung, was die Bedeutung be­trifft, was die Ausbauprojekte betrifft und auch was deren Akzeptanz betrifft.

Bereits erwähnt habe ich in meinem ersten Redebeitrag heute die im Vergleich zu hoch­rangigen Straßen um 70 Prozent höhere Beschäftigungswirkung des Bahnausbaus. Das ist gerade jetzt, in diesen Zeiten ein sehr relevanter Faktor. Besonders vorteilhaft wirken sich Bahnhofsausbauten aus; da ist es so, dass 80 Prozent der Aufträge an österreichi­sche Klein- und Mittelunternehmen vergeben werden.

Österreich muss sich auch im internationalen Vergleich nicht verstecken, so investieren wir fast doppelt so viel Euro pro Kopf in die Bahnstruktur wie zum Beispiel Deutschland. Die 17,5 Milliarden Euro fließen in ein breites Spektrum an Projekten – Kollege Bernard hat eigentlich eh perfekt ausgeführt, was alles gemacht wird –: neue Strecken, Strecken­ausbauten, Verbesserungen, Güterterminals, Bahnhöfe, ein riesiger Ausbau- und Moder­nisierungsschub, es gibt dazu auch eine wunderbare Grafik der ÖBB auf deren Home­page.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 111

Trotzdem, auch wenn so viel Geld zur Verfügung steht, muss fokussiert werden, das ist gar keine Frage. Es muss auf dringlichste Projekte, Projekte mit der größten Wirkung fokussiert werden, no na, es sind nicht alle zufrieden damit, es gibt noch viel zu tun. Es gibt noch viele Bahnprojekte, die in Rahmenpläne hineinfließen müssen und sollen. Das gilt übrigens auch für mein Bundesland – ich hätte gerne noch einige Projekte im Rah­menplan drinnen gehabt, aber es geht halt nicht alles gleichzeitig und auf einmal. Wir sind aber sehr wohl der Meinung, dass das Gesamtprogramm in diesem Rahmenplan durchaus ausgewogen ist. (Vizepräsidentin Grossmann übernimmt den Vorsitz.)

Das Zielnetz 2025 – das wissen Sie, Herr Bernard – beinhaltet sehr wohl die Planungs­projekte; diese werden jetzt geprüft. Das hat der Experte des BMK im Ausschuss aus­geführt, dass Arbeiten laufen und eine Entscheidungsfindung läuft, ob genau diese Pro­jekte in das Zielnetz 2025 plus aufgenommen werden. Den gesamten Rahmenplan, der in allen Bundesländern, gut verteilt über Österreich, wichtige Projekte finanziert, quasi mit der Argumentation einer NoVA-Erhöhung abzulehnen, finde ich schon eine eigenarti­ge Konstruktion.

Der Rahmenplan ist natürlich nicht alles. Eine weitere Säule in der Forcierung des öf­fentlichen Verkehrs ist die Verbesserung des Angebots auf der Schiene. Es sollen dann mehr Züge fahren, es soll und wird zu Taktverdichtungen kommen und es wird weiterhin attraktive Tarife geben. Ich nenne das Ihnen bekannte Leitprojekt eines österreichweiten Tickets für den gesamten öffentlichen Verkehr, mithin natürlich auch der Bahn, um 1 095 Euro, was schon eine Sensation werden wird und eine wirklich effektive Entlastung vieler, vieler PendlerInnen, vieler Menschen, die auf den öffentlichen Verkehr angewie­sen sind, bringen wird.

Auf jeden Fall haben wir uns wie keine Regierung zuvor auf den Weg in Richtung eines Österreichs der Bahn und eines leistbaren öffentlichen Verkehrs gemacht. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.01


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Bitte, Herr Kollege.


15.02.02

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich darf jetzt eigentlich nahtlos an unseren Kollegen Gross anschlie­ßen, der zu diesem umfangreichsten Infrastrukturprogramm, das, glaube ich, in diesem Haus jemals beschlossen wurde, vieles ausgeführt hat. Wenn wir auf den Rahmenplan abstellen, kann ich sagen: Mit 17,5 Milliarden Euro zwischen 2021 und 2026 ist das, glaube ich, beispiellos.

Ich kann daher nicht verstehen und nicht nachvollziehen, dass die FPÖ bei einem solch großartigen Projekt nicht mitstimmen kann, im Zuge dessen so viel in die Schiene, in die Mobilität, aber auch in die Verlagerung von der Straße auf die Schiene investiert werden soll. Ich finde, es ist eine einmalige Geschichte, dass wir heute dabei sein dürfen, wenn das alles auf den Weg gebracht wird.

Es ist schon gesagt worden, es soll sehr viel in die Elektrifizierung der Bahnen investiert werden, in die Modernisierung von Bahnhöfen, aber auch in den Ausbau von Park-and-ride-Parkplätzen. Das passiert in Tirol jetzt schon. Die Bahn wird als Verkehrsmittel attraktiver, durch das Angebot an Zügen, aber vor allem auch durch günstige Verbundti­ckets, und wie Kollege Gross gesagt hat, soll sie ja noch günstiger werden. Wir machen die Bahn attraktiv, sodass die Pendler bereit zum Umsteigen sind, aber bevor dann jeden Tag in der Früh der Kampf um den Parkplatz beginnt – was ja tatsächlich schon an vielen Bahnhöfen der Fall ist –, muss man sicher entsprechend nachziehen.


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Was von meinen Vorrednern noch nicht angesprochen wurde, ist, dass genau jetzt, in der Zeit der Krise der richtige Zeitpunkt ist, diese angesagten Investitionen zu starten. Wir müssen jetzt aus der Krise heraus investieren, müssen die notwendigen Konjunk­turimpulse setzen, und dieser Rahmenplan kann, glaube ich, in den nächsten sechs Jah­ren durchaus ein Konjunkturmotor sein.

Es gibt auch Zahlen dazu: 80 Prozent der Aufträge, die in die Verbesserung der Bahnin­frastruktur gehen, bringen Aufträge für österreichische Klein- und Mittelunternehmen und dienen der Schaffung und der Sicherung von nicht weniger als 15 000 Arbeitsplätzen. Ich glaube, das ist eine Zahl, die man herzeigen kann.

Wir haben heute schon öfter einen Vergleich mit Deutschland gezogen, und auch in die­sem Zusammenhang lohnt sich ein Vergleich mit Deutschland, der sehr interessant ist: Österreich investiert durchschnittlich 329 Euro pro Kopf und Jahr in das Schienennetz, Deutschland nur 188 Euro, also nur 60 Prozent davon. Darüber sind wir sehr froh, denn wenn man die Investitionen nicht jetzt macht, dann kommt man in einen Investitionsrück­stau, und das holt man nie mehr auf.

Als Tiroler darf ich am Ende meiner Ausführungen noch den Brennerbasistunnel anspre­chen. In diesem Rahmenplan sind nicht weniger als 8,5 Milliarden Euro für den Weiter­bau und für die Fertigstellung des Brennerbasistunnels reserviert. Das ist richtig und sehr wichtig, denn auf der Fertigstellung des Brennerbasistunnels ruht die Hoffnung in Tirol, endlich eine spürbare Verlagerung des Transitverkehrs von der Straße auf die Schiene zu erreichen.

Wir sind sehr zuversichtlich, dass das gelingt, aber – wir haben das im Ausschuss schon besprochen – das große Fragezeichen in diesem Zusammenhang sind unsere beiden Nachbarländer. In Italien, das haben wir von einem Experten gehört, scheint bei den Zulaufstrecken ohnehin das meiste auf Schiene zu sein, anders ist das aber in Deutsch­land, wo leider noch nicht einmal ein Beschluss für die Trassenvariante gefasst wurde.

Da ich weiß, dass diesbezüglich noch all die Verhandlungen mit den Grundeigentümern zu führen sind und schließlich natürlich auch noch gebaut werden muss, bitte ich die Vertreter der Bundesregierung und dich, lieber Herr Staatssekretär, sehr, mit allem Nach­druck gegenüber Bayern und Deutschland zu arbeiten, damit die Zulaufstrecken so bald wie möglich fertiggestellt werden. Es gibt da nämlich schon unterschriebene Verträge, die leider nicht wirklich eingehalten werden. Ich bitte daher sehr, dass gerade vom Bund her massiver Druck auf Deutschland ausgeübt wird. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.07


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.07.20

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Plenarsaal! Ja, es ist schon viel gesagt worden, aber noch nicht alles. Ich bin einer derjenigen, die neben der Bahn aufgewachsen sind und mit der Bahn leben, nämlich der Tauernbahn. Wir alle wissen, dass die Mobilität ein Grundbedürfnis der Menschen und der Transport von Waren eine Grundvoraussetzung für unsere Wirtschaft ist.

Will man zukünftig konkurrenzfähige Standorte weiterentwickeln, braucht man ein inno­vatives, effizientes und gut funktionierendes Mobilitäts- und Transportsystem. Österreich ist – im Verhältnis – das Bahnland Nummer eins, was die beförderten Fahrgäste – 266 Mil­lionen im letzten Jahr allein bei den ÖBB – betrifft. Wir sind Weltmeister, was die Pünkt­lichkeit anlangt, sind aber leider, und darauf komme ich noch zu sprechen, im Bereich des Güterverkehrs nicht dort, wo wir sein sollten.


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Um alles zu erreichen, wäre es natürlich am besten, wenn dieses Verkehrssystem für die Zukunft nachhaltig, klima- und umweltschonend noch weiter attraktiviert werden würde.

Es muss unser aller Anliegen sein, den Ausbau und die Verbesserung der Schienenin­frastruktur, die Stärkung der Schiene und damit des öffentlichen Verkehrs zu forcieren. Es werden – diese Summe ist ja schon in allen Reden genannt worden – 17,5 Milliarden Euro rein für die Infrastruktur – das muss man unterstreichen: rein für die Infrastruktur – zur Verfügung gestellt, also dort investiert, und das ist doch ein schöner Brocken in die­sem Rahmenplan für die nächsten sechs Jahre.

Was die barrierefreien Bahnhöfe als Mobilitätsdrehscheiben betrifft: Das ist ja auch nicht immer so einfach, denn wenn man gewisse Zahlen von Aus- und Einsteigenden nicht erreicht, dann muss die Gemeinde selbst mitzahlen. Bei über 1 000 Personen, die am Tag ein- und aussteigen, ist diese Barrierefreiheit von den ÖBB herzustellen, müssen die ÖBB darin investieren. Das kann ich Ihnen deshalb erzählen, weil wir das gerade in Mallnitz mit 1,3 Millionen Euro machen, aufgeteilt zwischen Österreichischen Bundes­bahnen, Land und Gemeinde, sprich dem ganzen Tal. Das ist es uns wert, um den Mobi­litätsknotenpunkt in diesem Bereich zu verbessern und auszubauen.

Neben der Elektrifizierung des Schienennetzes erfolgt auch der forcierte Ausbau des European Train Control System. Das sollte man auch wissen, wenn man sich mit der Bahn beschäftigt: dass es in Zukunft ein einheitliches europäisches Eisenbahnverkehrs­leitsystem geben wird.

Für uns ist es auch wichtig, zu wissen – ich habe das schon erwähnt –, dass es beim Transport von Gütern durchaus noch Defizite gibt. Eine Erhöhung der Kapazitäten ist natürlich allein schon aufgrund klimapolitischer Zielsetzungen notwendig und unerläss­lich. Wir wissen – ich glaube, wir haben zwei Sitzungen vor der heutigen Sitzung schon darüber gesprochen –, dass die Gütertransportleistung der Bahn bei uns Rückschritte gemacht hat. Es kann in Zeiten wie diesen, in denen wir über das Klima reden, nicht sein, dass wir die Güter nicht auf die Bahn kriegen. Ich hoffe, dass es durch diese In­vestitionen immer besser und immer mehr wird.

Kollege Raggl hat über den Brennerbasistunnel gesprochen. Für uns am Tauern ist es jetzt so, dass sich, wenn der Semmering und die Koralm ausgebaut sein werden, die Fahrzeiten wirklich stark verringern werden – Gott sei Dank! Die Fertigstellungen sind ein bisschen weiter nach hinten verschoben worden; auch das haben wir ja in Anfragen damals noch an Verkehrsminister Hofer schon hier im Parlament debattiert. Zum Beispiel war beim Koralmtunnel die Fertigstellung 2022/2023 vorgesehen, jetzt sind wir bei 2025, und das ist gesichert.

Wenn wir das alles fertiggestellt haben werden, wird es in der Folge – das wissen wir; ich habe das im Ausschuss auch noch einmal hinterfragt – zu einer Verdichtung des Verkehrs zum Beispiel auf der Achse über den Wörthersee zu uns rauf auf die Tau­ernbahn kommen. Wenn jetzt etwas neu ausgebaut wird, ist vorgegeben, dass ein Schallschutz mitzubauen ist. Alles, was davor gebaut worden ist – ich glaube, vor 1995 ‑, hat leider Gottes keinen Schallschutz, obwohl es natürlich genauso an die Bahn grenzt. Ich denke, dass es ganz wichtig wäre, Geld auch dafür zu verwenden, die Lebensqualität der Anrainer dieser stark befahrenen Strecken zu gewährleisten. Deshalb bitte ich auch bei dieser Gelegenheit noch einmal darum, zu schauen, welche Möglichkeiten dafür be­stehen.

Es ist uns erklärt worden – ich weiß nicht, ob Sie selbst das wissen; wenn Sie nicht neben der Bahn leben, dann wird es Sie wahrscheinlich nicht interessieren –, dass es eine EU-Verordnung gibt, die bis 2024 verpflichtend ein leises Bremsen vorsieht. Ich weiß von Waggons, die aus dem Osten kommen und bei denen der ganze Wagenteil und der Unterbau des Wagens ein richtiges Graffel sind, würde man bei uns sagen. Die


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tscheppern nur so durch die Gegend. Das kann man zwar mit Schienen, die man ver­schweißt, ein bisschen abdämpfen. Das ist jedenfalls das größte Problem, das die Men­schen und auch die Gäste – das wissen wir vor allem von denen am Wörthersee, das werden Sie auch schon mitbekommen haben – am meisten stört.

Vielleicht könnte man die Möglichkeit schaffen und könnten wir da unter Umständen mit den Österreichischen Bundesbahnen zusammenkommen, dass – wenn das Geld vor­handen ist –, wenn die Waggons umgerüstet werden, die Unternehmen dafür dann eine Gutschrift der Schienenmaut bekommen, einen sogenannten Lärmbonus. Wir hoffen, dass das möglich ist; ich glaube allerdings, es ist eher ein Wunsch an das Christkind.

Wenn Orte, die an der Bahn liegen, genehmigte Lärmschutzwände ausbauen oder ent­sprechende Maßnahmen setzen, ist es so, dass 50 Prozent die Eisenbahn bezahlt und 50 Prozent das Land. Von diesen 50 Prozent des Landes muss man ausverhandeln, wie viel das dann für die Gemeinden ist. In Zeiten wie diesen, wenn das Geld leider Gottes nicht so hereinkommt, wie es sollte – das wissen wir alle und das ist heute ja schon oft genug gesagt worden –, dann kann man diese Maßnahmen in der Folge auch nicht mit­finanzieren. Da brauchen wir den Staat, der uns dabei unterstützt, oder in diesem Fall auch die Österreichischen Bundesbahnen.

Ich möchte abschließend noch einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rasche Umsetzung des 1-2-3-Tickets“

eingebracht im Zuge der Debatte zum Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie genehmigt wird

Daher stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wollte beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, die notwendigen rechtlichen und finanziellen Maßnahmen vorzubereiten, um ein österreichweites Ticket für sämtliche öffentliche Verkehrsmittel (unter Berücksichtigung bestehender Begünstigungen) im Budgetjahr 2021 umzusetzen.“

*****

Das heißt, das Ticket für ein Bundesland soll dann – wie immer versprochen – bei 365 Euro liegen, für zwei beim Doppelten und für ganz Österreich beim Dreifachen.

Festgestellt werden sollte bei dieser Gelegenheit auch noch, dass es wichtig ist, die ra­sche Einführung dieses begrüßenswerten Ticketingmodells voranzutreiben. Die SPÖ-Parlamentsfraktion möchte dieses Vorhaben aus dem Regierungsprogramm ausdrück­lich unterstützen.

Der Entschließungsantrag liegt vor. – Danke.

Wir werden diesem Punkt heute selbstverständlich zustimmen. (Beifall bei der SPÖ so­wie des Bundesrates Lackner.)

15.16



BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 115

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der von den Bundesräten Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „rasche Umsetzung des 1-2-3-Tickets“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte.


15.17.24

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum 1-2-3-Ticket – Günther Novak hat es ja schon hervorragend beschrieben – noch etwas sagen: Natürlich sind wir als Fraktion für das 1-2-3-Ticket – eine tolle Sache! Ich möchte dazu aber schon auch noch einen Hinweis aus meiner, aus der burgenländischen Sicht geben, nämlich dass wir da­rauf achten müssen, dass es gerecht ist, dass es eine gerechte Sache ist. Ich darf da ein Beispiel anführen.

Bruckneudorf ist eine Gemeinde mit 3 000 Einwohnern im Burgenland, angrenzend an Bruck an der Leitha. Das liegt genau auf der anderen Seite der Grenze, und ein Pendler aus Bruckneudorf würde dann für die 20 Minuten bis Wien mit diesem 1-2-3-Ticket um 365 Euro mehr bezahlen als ein Pendler aus Niederösterreich – weil er eben aus dem Burgenland über Niederösterreich nach Wien fährt. Das muss man beachten. Es sind genau 365 Euro, die er mehr zahlt.

Ich habe mir auch gedacht, es ist immer fast der gleiche Betrag, auf den die ÖVP oder die Grünen vergessen. Es ist dieser Betrag, der jetzt unseren Pensionisten fehlt und in Zukunft eventuell einem Pendler aus dem Burgenland. Bitte schauen Sie darauf, dass das in Ordnung gebracht wird! – Herzlichen Dank, danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.18


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Dr. Magnus Brunner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär.


15.18.53

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte und Bundesrätinnen! Etwas ungewohnt, dass die Freiheitlichen jetzt ganz auf der Seite sitzen. (Bundesrat Spanring: Ganz rechts!) Also für mich ist das jetzt optisch noch ungewohnt, aber man wird sich natürlich auch daran gewöhnen.

Ja, Sie stellen mit diesem Gesetz, mit diesem Rahmenplan beziehungsweise mit der finanzverfassungsrechtlichen Umsetzung, die Sie heute hier beschließen, wirklich sehr große Weichen, verkehrspolitische Weichen für die nächsten Jahre. Fairerweise muss man natürlich sagen, dass auch von anderen Regierungen in den letzten 20 Jahren ei­gentlich insgesamt schon sehr viel in den Bahnausbau investiert worden ist, aber natür­lich nicht in diesem Ausmaß und in dieser Dimension, wie wir es jetzt mit diesen 17,5 Mil­liarden Euro, die bereits angesprochen worden sind, tun. Das ist wirklich eine neue Di­mension, in die wir damit eintreten.

Das hat natürlich auch mit einer Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes, was in dieser Phase ganz entscheidend ist, und des Lebensraums in Österreich insgesamt zu tun. Es ist natürlich ein wesentlicher Beitrag des Verkehrssektors zum Klimaschutz. Ich glaube, das darf man in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen.

Kollege Raggl hat es schon gesagt, es ist gerade in diesen Zeiten in konjunktureller Hinsicht ganz, ganz wichtig, dass wir diese Investitionen jetzt ermöglichen. Da wir uns dann aus der Krise herausinvestieren müssen, sind diese Rahmenbedingungen ganz,


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ganz entscheidend. Nicht nur die Konjunktur wird belebt, sondern auch die Arbeitsplätze werden mit diesen Projekten gesichert. Das darf man nicht außer Acht lassen.

Der internationale Vergleich macht uns sicher, auch das wurde bereits angesprochen. Wir investieren beispielsweise dreimal so viel in die Bahninfrastruktur wie die Deutschen. Nur die Schweizer und die Luxemburger sind vielleicht noch etwas besser als wir, aber daran arbeiten wir auch noch. Das zeigt schon, dass wir im internationalen Vergleich wirklich eine führende Rolle einnehmen.

Ganz wichtig sind auch die Maßnahmen im Digitalisierungsbereich, die die Zugsteue­rung betreffen; das wird oft vergessen. Wir sind in Europa leider nicht wahnsinnig at­traktiv. Der Austausch im Digitalisierungsbereich, was die Zugsteuerung betrifft, ist sehr komplex, sehr kompliziert. Das ist jetzt auch ein weiterer Schritt in Richtung Vereinheitli­chung, damit auch im Schienenverkehr, im Zugverkehr einheitliche und einfachere Rah­menbedingungen für den Austausch geschaffen werden können.

Auch die Elektrifizierung muss man erwähnen. Da werden in den nächsten Jahren weite­re 500 Kilometer elektrifiziert. Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt. Nicht nur die Elektri­fizierung, sondern Innovationen in diesem Bereich insgesamt werden eine Rolle spielen, wenn ich beispielsweise an Wasserstoffzüge denke, die von den ÖBB in Niederöster­reich gerade erfolgreich getestet worden sind. Da sollte man natürlich technologieoffen agieren und entsprechend auch unterschiedliche Technologien für die jeweiligen Berei­che untersuchen. Das machen wir jetzt auch. Das sind große Investitionen in die Mobi­lität, in die Zukunft der Mobilität.

Vielleicht darf ich noch einen Satz zum 1-2-3-Ticket sagen, weil es jetzt zweimal ange­sprochen worden ist: Ja, wir stehen natürlich zum 1-2-3-Ticket insgesamt. Die budgetä­ren Mittel für den Dreierteil wurden ja von Ihnen bereits auch für nächstes Jahr zur Verfügung gestellt. Selbstverständlich müssen die unterschiedlichen Gegebenheiten und unterschiedlichen Voraussetzungen, die es in jedem Bundesland gibt, berücksichtigt werden. Da laufen die Gespräche mit den Bundesländern ganz gut. Die Bundesländer bringen sich, darauf können Sie sich verlassen, auch intensiv ein. Ich denke an Nieder­österreich, das als Flächenland natürlich ganz andere Voraussetzungen hat als bei­spielsweise das Burgenland. Dort gibt es selbstverständlich die Herausforderungen, die Sie, Herr Kollege, angesprochen haben. Ich bin überzeugt, dass es am Schluss eine gute Lösung für alle Bundesländer mit ihren unterschiedlichen Zugängen und Vorausset­zungen geben wird. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.23


15.23.20

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „rasche Umsetzung des 1-2-3-Tickets“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 117

Ich bitte die Schriftführung um Zählung der Stimmen. – Ich mache von meinem Stimm­recht Gebrauch.

Es bleibt bei der Minderheit, der Antrag ist daher abgelehnt. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Steiner – in Richtung SPÖ –: Wenn ihr bei eurem eigenen Ent­schließungsantrag nicht alle da seid!)

15.26.5710. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (39. KFG-Novelle) (411 d.B. und 418 d.B. sowie 10442/BR d.B. und 10453/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Adi Gross. – Ich bitte um den Bericht.


15.27.31

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich darf Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird, erstatten.

Der Bericht liegt Ihnen in bewährter Weise vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Dezember 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für den Bericht.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte, Herr Kollege.


15.28.20

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der letzten Ausschusssitzung, die eine sehr gute Ausschusssitzung war, wie ich finde, haben wir vonseiten der FPÖ, das möchte ich auch erwähnen, und auch von der ÖVP doch einige Argumente gehört, die sehr ein­leuchtend waren und auch ganz klar sind. Auch wir können klarerweise einigen Punkten dieser Novelle zustimmen, dass zum Beispiel die Kommandofahrzeuge der Feuerwehr ein Blaulicht haben sollen. Das ist ja ohnedies logisch. Dass man in Zukunft zum Beispiel Kühl-Lkws an Stromterminals anhängen können soll, das unterstützen wir klarerweise auch.

Ich habe aber schon damals im Ausschuss gesagt: Wir wollen diese Änderung von 44 Tonnen Rundholz auf Holz nicht. Da hat mir Dipl.-Ing. Dr. Gross ein bissel dagegen­gehalten. Beim letzten Tagesordnungspunkt ist Herr Bundesrat Dr. Raggl am Rednerpult gestanden und hat gesagt, er möchte die Schiene forcieren. Da verstehe ich den Konnex jetzt nicht, denn da verlagern wir jetzt noch mehr auf die Lkws, wenn wir sagen, wir fahren mit 44 Tonnen Holz, nicht mehr Rundholz, sondern eben jetzt Holz durch die Ge­gend. Es wäre doch möglich, da jetzt mehr – unter Anführungszeichen – „auf die Schiene zu bringen“.

Die Bürgermeister müssen einerseits die kaputten Straßen dann richten, wenn da viel­leicht noch mehr passieren wird, und andererseits kriegen sie weniger Ertragsanteile. Ja, Herr Bundesrat, weniger Ertragsanteile, sodass sie halt weniger Geld haben, um das richten zu können, wenn es zu Schäden kommt. Richten wir das vorher, dann können wir über diesen Punkt eventuell noch einmal reden! – Herzlichen Dank für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.30



BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 118

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Herrn Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ans Rednerpult bitten. – Bitte, Herr Kollege.


15.30.13

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens zur vorliegenden Novelle – es ist immerhin die 39. Novelle, das Gesetz stammt aus dem Jahr 1967 und hat 272 Seiten, ist also ein großer Brocken – wurden 20 Stellungnahmen eingebracht und viele von ihnen wurden im gegenständlichen Entwurf berücksichtigt.

Einige wenige Beispiele der Änderungen, die vorgenommen werden: Die bereits er­wähnte Ex-lege-Regelung, dass zum Beispiel Kommandofahrzeuge der Feuerwehren Blaulicht führen dürfen, ist ein lang gehegter Wunsch. Das ist derzeit zwar auch möglich, aber der Beantragungsprozess ist derzeit kompliziert und langwierig.

Es gibt zum Beispiel eine Regelung, dass selbstfahrende Baumaschinen, die nicht schneller als maximal 10 km/h sind, auch ohne Lenkerplatz mittels Fernsteuerung betrie­ben werden können.

Es gibt eine Klarstellung, dass der Betrieb von Verbrennungsmotoren bei Lkws mit Kühl­aggregaten – Sie alle kennen diesen Lärm, den die Lkws machen, teilweise bleiben die Motoren laufen und so weiter – nicht mehr auf diese Art und Weise stattfinden darf, so­fern ein Elektroanschluss am Standort verfügbar ist.

Es gibt eine Klarstellung, dass zum Beispiel bei Fahrschulen der Name des Fahrschul­inhabers nicht mehr auf dem Fahrzeug aufscheinen muss.

Es gibt eine Regelung für Kräne, dass auch Teile von Kränen zum Kran dazugehören. Es braucht dafür keine Extrabewilligung mehr, um diese zu transportieren.

Und es gibt eben die von Herrn Kovacs schon erwähnte Regelung, was den Abtransport von Holz aus dem Wald betrifft. Da muss ich schon etwas dazu sagen: Ja, es ist so, das ist keine Änderung, denn die 44 Tonnen sind bereits jetzt für Rundholz gestattet. Das wird jetzt ausgeweitet. Einen Anwendungsfall sehe ich allerdings nicht wirklich, weil Hackschnitzel ein viel, viel größeres Volumen haben und 44 Tonnen nie und nimmer auf einen Lkw, auf einen Anhänger gehen. Auch wenn dem so wäre, ist Ihre Ablehnung absolut nicht nachvollziehbar, ganz ehrlich.

Wegen solch eines Punktes, der noch dazu widerlegt ist – es gibt keine Erhöhung der Tonnage –, ein ganzes Paket abzulehnen, das sinnvoll ist, das kann ich einfach nicht nachvollziehen. Das verstehe ich wirklich nicht, denn es gibt keine Änderung gegenüber der Istsituation. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Bekannterweise führen Schienen für Güterzüge nicht über Forststraßen in die Wälder, um das Holz dort gleich verladen zu können. Die Holztransporte führen, no na, zum nächstgelegenen Sägewerk oder zum nächstgelegenen Bahnterminal. Das ist ja sowieso selbstverständlich.

Es muss also einen anderen Grund dafür geben, dass Sie wegen eines widerlegten Details all diesen wichtigen, zugegebenen kleinen, aber wichtigen Verbesserungen nicht zustimmen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Ich weiß nicht, vielleicht ist es eine Grundallergie gegenüber der Land- und Forstwirtschaft. (Bundesrätin Schumann: Na geh! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das stellt man wirklich öfters fest. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.) Das müssen Sie aushalten, ich kenne das nämlich noch aus meinen vorigen Rollen.

Wir werden die Landwirtschaft und die Forstwirtschaft auch für den Klimaschutz brau­chen. Vielleicht wäre es einmal angebracht, dass Sie eine etwas rationalere Haltung gegenüber der Forstwirtschaft entwickeln. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Oder vielleicht dürfen Sie nicht zustimmen, das kann ja auch sein.


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Darüber hinaus wurde im Nationalrat noch ein Abänderungsantrag für weitere kleinere Verbesserungen und Entbürokratisierungen eingebracht. Da geht es zum Beispiel um eine Ausnahme bei Fahrtunterbrechung für Transportbeton, die Vereinfachung von Au­ßenkursen von Fahrschulen und solche Dinge; viele kleine Dinge, die für die Alltagspra­xis aber wichtige Verbesserungen darstellen. Es ist dies ein erfreuliches Ernstnehmen berechtigter Wünsche von Akteuren und damit nicht zuletzt auch ein schönes Beispiel für eine funktionierende Demokratie. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrä­tInnen der ÖVP.)

15.35


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Bitte.


15.35.17

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Lieber Herr Staatssekretär! Auch ich darf ein bisschen etwas zur 39. KFG-Novelle ausführen. Das zum Thema Blaulichtführung ex lege in Kommando- und Mannschaftstransportfahrzeu­gen – das war bis dato so nicht der Fall. Das wundert mich ein bisschen. Man stelle sich vor, Kommandofahrzeuge haben bis dato extra eine Genehmigung gebraucht, dass sie ein Blaulicht verwenden dürfen, obwohl gerade Kommandofahrzeuge meist als Erste am Brand- oder Einsatzort sein müssen. Daher ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass es da die Blaulichtgenehmigung ex lege geben muss. Das passiert jetzt und das ist sehr zu begrüßen.

In diesem Zusammenhang darf ich als selbst aktiver Feuerwehrmann wieder einmal die Gelegenheit nützen und den 4 800 großteils freiwilligen Feuerwehren in unserem Land mit über 250 000 aktiven Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmännern großen Dank für ihren täglichen Einsatz aussprechen. Unsere Feuerwehrmänner und -frauen sind zu jeder Tages- und Nachtzeit einsatzbereit, an Sonn- und Feiertagen und auch in Zeiten der Coronapandemie. Ich habe selbst schon Einsätze gehabt, ich weiß das. Diese Coro­napandemie bringt für die Feuerwehrmitglieder zusätzlich große Belastungen mit sich, weil da zum größten Teil Maskenpflicht gilt. Auch andere Schutzbestimmungen sind ein­zuhalten. Daher muss noch mehr Aufwand als sonst getrieben werden. Es ist nicht ver­meidbar und bringt auch die Gefahr einer Ansteckung mit sich, dass der Abstand beim Einsatz nicht immer eingehalten werden kann. Es wird aber keinen Feuerwehrmann ge­ben, der sagt: Das ist mir zu gefährlich, ich bleibe zu Hause. Also noch einmal großen Dank für diese Leistungen.

Ich komme zum zweiten Punkt, bei dem ich die SPÖ wirklich nicht verstehen kann. Wir haben das im Ausschuss schon besprochen, warum Sie der Anhebung des Gesamtge­wichtes auf 44 Tonnen beim Abtransport von Hackgut nicht zustimmen können. Diese Anhebung dient einer Gleichstellung mit Rundholz, aber da gibt es keine Konkurrenz. In erster Linie dient das der Effizienzsteigerung. In der Regel gibt es wesentlich mehr Transporte von Rundholz als Hackschnitzeltransporte über die gleiche Straße. Das wird maximal schlagend, wenn Restprodukte im Wald aufbereitet werden oder wenn auf­grund von Katastrophenereignissen, sei es Schneedruck, Sturm oder auch Borkenkäfer­befall, das anfallende Holz leider nicht als Rundholz verwertet werden, sondern nur noch für die Energieproduktion eingesetzt werden kann. Dann werden verständlicher- und effizienterweise die Produkte im Wald sofort vor Ort zerhackt und müssen abtransportiert werden. Wenn man dafür einen entsprechenden Lkw verwenden kann, ist das durchaus effizient, spart Kosten für die durch die Katastrophe ohnehin geschädigten Waldbauern und vermeidet vor allem auch zusätzliche Fahrten.

Ich verstehe das Argument nicht und muss meinem Kollegen Gross recht geben: Wenn man dem ganzen Gesetz aufgrund dieser Peanuts die Zustimmung verweigert, dann ist das eine Partout-Haltung. Vielleicht geht es wirklich in die Richtung, dass man prinzipiell


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gegen alles ist, was die Land- und Forstwirtschaft betrifft. (Bundesrat Schennach: Gibt es jetzt eine Tonnagenerhöhung oder nicht?) – Gut, es gibt eine Gleichstellung zum Rundholzabtransport, und glaubt mir: Über die gleichen Forststraßen fahren wesentlich mehr Transporte, die Rundholz wegführen.

Zum Schluss darf ich in diesem Zusammenhang noch auf eine weitere auch in dieser KFG-Novelle enthaltene Verbesserung für land- und forstwirtschaftliche Gruppen berich­ten. Es geht um die Fahrschulaußenkurse an land- und forstwirtschaftlichen Lehr- und Versuchsanstalten.

Die hat es immer gegeben, sie sind aber vor zwei, drei Novellen herausgenommen wor­den, weil man geglaubt hat, es braucht sie nicht mehr. Es hat sich aber gleich gezeigt, diese Kurse mit großem Praxisbezug können die Schüler häufig in Form von Freifächern direkt an den landwirtschaftlichen Schulen und in den Praxishöfen absolvieren. Ich bin sehr dankbar dafür, dass das wieder ermöglicht wird. Das spart den Schulen und den Eltern Kosten und bringt eine sehr praxisbezogene Ausbildung.

Eine Kleinigkeit noch, die auch sehr zu begrüßen ist, die sicher auch einen Beitrag zum Klimaschutz darstellt, sehe ich im Gesetz in der festgehaltenen Verpflichtung für Kühl­transporte, die ihre Fahrzeuge während der Ruhezeiten an Elektroterminals – falls vor­handen – anschließen müssen, damit die Kühlaggregate nicht mit Verbrennungsmoto­ren gekühlt werden müssen.

Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Bestimmung in Richtung Klimaschutz. Wir müssen aber wissen, es stehen die Betreiber der Parkplätze – und in vielen Fällen ist das auch die Asfinag – noch vor großen Herausforderungen, diese Parkplätze entsprechend zu adaptieren, damit das Angebot an Stromterminals auch vorhanden ist und genutzt wer­den kann. Ich bitte um Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.41


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Nun hat sich Herr Bundesrat Günter Kovacs nochmals zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.


15.41.30

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Gross, ich bin Ihnen vorhin in mei­nem Redebeitrag sehr respektvoll gegenübergetreten. Ich sage Ihnen ganz klar, wenn wir diese Vorlage ablehnen, dann ist es halt so, dann müssen und sollten Sie das auch demokratisch akzeptieren.

Parteien, die gegen die Erhöhung des Arbeitslosengeldes waren, gegen die Hacklerre­gelung gestimmt haben, haben bei mir alles verwirkt und brauchen sich hier nicht als Moralapostel herzustellen. Wenn ich eine Wald- und Forstwirtschaftsallergie habe, dann haben Sie keine Menschenempathie. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenrufe der BundesrätInnen Preineder und Schumann.)

15.42


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mar­kus Leinfellner. – Ich bitte Sie, ans Rednerpult zu kommen.


15.42.34

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Ich finde es jetzt fast ein bisschen schade, dass die Frau Bundesminister nicht hier ist, denn ich hätte ihr wirklich gerne zu diesem ersten Lebenszeichen nach rund einem Jahr im Amt gratuliert. Ich muss sagen, es ist ein gutes Lebenszeichen, das sie hier vorgelegt hat, eine gute Initiative, gerade deshalb, weil es sich wahrscheinlich um eine Abschrift einer FPÖ-Initiative handelt.


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Ich weiß jetzt nicht, wo die grüne Handschrift genau zu finden ist, aber ich gehe einmal davon aus, im Bereich der Militärtransporte, der Nato-Transporte und dergleichen. Ganz genau habe ich sie nicht gefunden.

Wie ich schon eingangs erwähnt habe, ist es aber eine gute Initiative, das Beste aus zwei Welten, wie es der grüne Vizekanzler einmal genannt hat. Ich sage Ihnen, das Bes­te aus zwei Welten haben unsere Österreicherinnen und Österreicher in den letzten Mo­naten schon leidvoll miterleben müssen. Wenn Sie wirklich das Beste für diese Welt und das Beste für unsere Österreicherinnen und Österreicher haben wollen, dann sollten sie vielleicht öfter auf unsere Initiativen und auf unsere Anträge zurückgreifen, denn dann kommt wirklich das Beste für unser Land heraus. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, ich kann es Ihnen nur anbieten, wir haben noch viele, viele weitere Anträge, viele, viele weitere Initiativen, mit denen wir Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ich glaube, dann könnten wir in diesem Haus wirklich etwas Positives bewegen.

Nun aber wirklich zur 39. KFG-Novelle: Ich möchte nicht alles wiederkäuen, was meine Vorredner schon gesagt haben. Ja, es ist positiv, dass die Feuerwehrkommandofahr­zeuge das Blaulicht jetzt kraft Gesetz bekommen. Es ist auch positiv, dass man im Be­reich der Ladegutkühlung etwas macht, dass das Ladegut mit Strom alternativ zu Ver­brennungsmotoren auf Rastplätzen gekühlt werden kann. Auch das ist etwas Positives.

Ich sage, das sind Dinge, die vielleicht nicht lebensentscheidend sind. Ebenso wenig lebensentscheidend ist es, ob der Name einer Fahrschule oder eines Fahrschulbetrei­bers auf einem Fahrschulfahrzeug steht oder nicht, aber das alles sind Erleichterungen und Vereinfachungen.

Auch die 44-Tonnen-Regelung: Ja, natürlich, für Rundholz gibt es diese Regelung be­reits. Warum soll das nicht auch für Holz gelten, das im Wald zu Hackschnitzel verar­beitet wird? Bei Hackschnitzel, sage ich einmal, wird die 44-Tonnen-Grenze zwar sehr schwer erreichbar sein, aber: warum denn nicht bei verarbeitetem Holz? Gerade im Be­reich der Käferholzproblematik, des Pilzbefalls, des Windbruchs und so weiter ist es we­sentlich, dass wir hier auch für unsere Bauern etwas tun und ihnen die Arbeit wirklich erleichtern.

Im Großen und Ganzen, muss ich sagen, handelt es sich bei der 39. KFG-Novelle um tatsächliche Verbesserungen, und aus diesem Grund werden wir dieser Novelle auch zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.45


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Dr. Magnus Brunner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär.


15.46.02

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Bundesräte! Auf wessen Initiative das zurückgeht, ist, glaube ich, zweitrangig. Wichtig ist, dass es passiert. Es ist auch nicht lebensentscheidend, das wurde richtig angesprochen, aber doch wichtig, weil es eigentlich auch drei Dinge for­ciert, die wir uns im Regierungsprogramm vorgenommen haben.

Kollege Leinfellner hat es richtig angesprochen: Es geht oftmals um Vereinfachung, es geht in dem Bereich auch um Digitalisierung und es geht um Ökologisierung, gerade was die Ladegutkühlung betrifft. Danke, Kollege Leinfellner, Sie haben eigentlich eh schon alles vorweggenommen, und die Inhalte möchte ich jetzt auch nicht im Detail wie­derholen.

Es gibt eine Vereinfachung, eben sozusagen die Ex-lege-Blaulichtzuweisung für Kom­mando- und Mannschaftsfahrzeuge. Betreffend Digitalisierung gibt es die Fernsteuerung


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auch für Fahrzeuge mit einer Bauartgeschwindigkeit unter 10 km/h, betreffend Ökologi­sierung gibt es eben vor allem die Landegutkühlung, die nicht mehr mit Dieselaggregaten vonstattengeht; es sollen Stromterminals verwendet werden.

Das ist übrigens überhaupt ein Thema, das wir in anderen Bereichen auch noch angehen müssen und auch werden. Wenn ich mir beispielsweise die Schifffahrt auf der Donau anschaue: Es kann in Zukunft auch nicht sein, dass die Kreuzfahrtschiffe die ganze Nacht mit Dieselaggregaten gekühlt oder geheizt werden. Auch da werden wir gemein­sam mit Oberösterreich, mit Niederösterreich und mit Wien Initiativen setzen, um die sogenannten Landstromaktivitäten entsprechend umzusetzen.

Es ist also auch in dem Bereich ein guter Start. Es sind notwendige Änderungen, die auch konsequent einen Beitrag zur Umsetzung des Regierungsprogramms leisten. Ich bin dankbar für die sehr breite – nicht ganz breite, aber doch breite – Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP.)

15.47


15.47.59

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Ich darf Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger herzlich begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein! Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.48.4911. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (983/A und 445 d.B. sowie 10449/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Ich bitte um den Bericht, Herr Kol­lege.


15.49.10

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme zum Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des National­rates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förde­rungsgesetz) geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Fraktionsvorsitzender Marco Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.



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15.50.01

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich ver­suche, es ganz kurz zu machen, die Dringliche Anfrage fängt ja gleich an.

Es geht bei diesem Beschluss um eine ganz wichtige Sache, nämlich um eine Erhöhung des ÖHT-Haftungsrahmens, damit Investitionen stattfinden können. Wir wissen alle: Je mehr Investitionsvolumen man freimacht, desto besser ist es gerade in der Krisenzeit, damit etwas passiert, weil die ganze Wertschöpfungskette damit verknüpft und verbun­den ist. Es ist also wirtschaftlich enorm sinnvoll, was wir hier machen.

Wir haben das bereits bei der Investitionsförderung gemacht, bei der wir ja klugerweise auch gesagt haben, wo man denn hineininvestiert, welche Zukunftsperspektiven es gibt. Da haben wir einen Schwerunkt auf Klimaschutz gesetzt, auf Lifesciences, den ganzen Gesundheitsbereich, und auf die Digitalisierung. Mit diesem Beschluss garantieren wir Kreditfinanzierungen, erleichtern den Zugang dazu für die Freizeitwirtschaft und für den Tourismus – wir wissen, wie sehr gebeutelt dieser Zweig derzeit ist.

Worum geht es bei diesem Beschluss heute? – Es geht darum, dass die ÖHT-Förder­obergrenze von 250 Millionen Euro auf 625 Millionen Euro steigt, und das ist wirklich eine gehörige Steigerung. Warum ist das notwendig? – Das ist jetzt schon eine interes­sante Sache: Im Vergleich zum Jahr 2019 gab es nämlich im Jahr 2020 einen Zuwachs an Investitionsförderungen durch die ÖHT von rund 10 Prozent. Das ist schon eine spannende und interessante Sache, dass sich diese in einem Krisenjahr gesteigert ha­ben. Das Volumen wäre jetzt sozusagen erschöpft gewesen, daher ist auch diese Er­höhung notwendig. Sie ist klug. Ich glaube, dass wir das heute einstimmig beschließen werden. Das freut mich sehr. Die Tourismus- und Freizeitwirtschaft wird sich bedanken. Es ist klug. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.52


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Vor der Dringlichen Anfrage gelangt als nächste Rednerin noch Frau Mag.a Christine Schwarz-Fuchs zu Wort. – Bitte.


15.52.25

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin! Lieber Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Momentan be­gleitet uns ein Thema wie kein anderes: der zweite Lockdown und seine Konsequenzen für die Österreicherinnen und Österreicher. Uns allen wird viel abverlangt, egal, ob in unserem Beruf, in unseren Familien und in unserem Privatleben oder im Ehrenamt und in der Freizeit. In all diesen Bereichen haben wir momentan mit Einschränkungen und Unsicherheit zu kämpfen. Ein Thema bewegt die Menschen dabei besonders, es geht um die wirtschaftliche Grundlage jedes Einzelnen, um die Arbeitsplätze, also um die Wirtschaft als Gesamtes.

Die Konsequenzen der Coronakrise für die österreichische Wirtschaft sind zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht genau abschätzbar, aber es steht fest, dass die Herausfor­derungen bis zur Entspannung der Pandemie nicht weniger werden. Menschen verlieren ihre Arbeit, Veranstaltungen werden abgesagt, Geschäfte müssen schließen. Es stehen zahllose Existenzen auf dem Spiel. Darum muss es unsere Aufgabe sein, den Corona­schock, der unsere Wirtschaft im Würgegriff hält, so gut es geht abzufedern und unsere wirtschaftlichen Player so gut es geht zu unterstützen.

Auf eine wichtige Gruppe möchte ich hier in Bezug auf das zu ändernde Gesetz beson­ders eingehen: auf unsere KMUs. Die kleinen und mittleren Unternehmen Österreichs sind eine entscheidende Stütze der Wirtschaft. Sie fungieren als Motor für Innovation und Wirtschaftswachstum, sichern über zwei Millionen Arbeitsplätze in Österreich und


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passen sich am besten und am schnellsten an neue Marktsituationen an. Die KMUs sind aber auch jene Betriebe, die als erste den wirtschaftlichen Abschwung zu spüren bekom­men.

Rund 87 Prozent der KMUs sind Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern, und rund 37 Prozent aller KMUs haben gar keine Mitarbeiter, sind also sogenannte Einper­sonenunternehmen.

Diese Betriebe sind oft zuallererst von Krisen betroffen, da sie vorrangig auch in Bran­chen tätig sind, die besonders unter den derzeitigen Auflagen leiden, zum Beispiel im Tourismus und im Gastgewerbe, im Einzelhandel oder im Dienstleistungssektor.

Genau für diese Art von Unternehmen wurde das KMU-Förderungsgesetz 1996 ins Le­ben gerufen. Die Intention dieses Gesetzes war und ist, im Geiste des Beitritts zur Eu­ropäischen Union und der damit verbundenen Marktöffnung die heimischen Klein- und Mittelbetriebe zu unterstützen – ich zitiere aus dem Gesetzestext –, „mit dem Ziel, durch eine verstärkte Förderung der KMU das Beschäftigungsvolumen, die Innovationskraft und die Dynamik der Wirtschaft zu erhöhen“. Den damaligen Esprit der Aufbruchsstim­mung brauchen wir auch heute wieder in Bezug auf unsere Wirtschaft. Darum gilt es heute wieder, mit Weitsicht auf die sich ändernden Umstände zu reagieren.

Im heurigen Frühjahr, zu Beginn der Coronakrise, haben wir bei diesem Gesetz einige zeitlich begrenzte Sonderregelungen eingeführt, um den österreichischen Betrieben in dieser Krise zu helfen und sie finanziell zu unterstützen.

So können in Finanznot geratene Unternehmen beantragen, dass der Staat ihre Haftung absichert und dadurch die Zahlungsfähigkeit des Betriebes sicherstellt. Die Begrenzung auf 2 Millionen Euro Haftung durch die ÖHT beziehungsweise 4 Millionen Euro durch das AWS zielt darauf ab, dass vor allem kleineren Betrieben geholfen wird und die vom Staat übernommenen Verbindlichkeiten nicht ausufern.

In der gegenständlichen Gesetzesvorlage geht es nun konkret um den Haftungsrahmen der ÖHT, der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank GmbH. Dieser Haftungsrah­men beträgt bisher 375 Millionen Euro. Per aktuellem Stand sind bereits mehr als 340 Millionen Euro ausgeschöpft, weshalb mit der gegenständlichen Gesetzesvorlage geplant ist, den Haftungsrahmen nochmals zu erhöhen, und zwar, wie Kollege Schreu­der vorhin schon erwähnt hat, auf 625 Millionen Euro. Ich erachte diese Aufstockung als sinnvoll, um die besonders stark von der Covid-Krise betroffene Unternehmen der Tou­rismus- und Freizeitwirtschaft zu unterstützen. Es ist wichtig, dass möglichst viele KMUs überleben und nach der Covid-Krise ihren wichtigen Beitrag zur Erholung der österrei­chischen Wirtschaft leisten können.

Gerade Tourismusbetriebe leiden besonders unter der Pandemie. Dies hat auch Auswir­kungen auf deren Kreditwürdigkeit. Durch die Haftungsübernahme des Staates bei Ban­kenfinanzierungen können diese Betriebe weiter investieren, die Auftragslage speziell in der Bauwirtschaft und im Handwerk ankurbeln und so auch Arbeitsplätze in anderen Bereichen erhalten.

Diese Maßnahmen sind nicht nur wichtig für Unternehmen im Bereich Städtetourismus, sie sind vor allem auch wichtig für den Tourismus, dem in Österreich, besonders in West­österreich, eine zentrale Bedeutung zukommt. Viele Tourismusbetriebe, deren Hauptein­nahmequelle der Wintertourismus ist, werden den vergangenen und höchstwahrschein­lich leider auch den bevorstehenden Winter wohl nie vergessen.

Dabei reden wir jetzt wohlgemerkt nicht nur von den Hotelbetrieben. Auch KMUs im Be­reich Skiverleih, Betreiber von Après-Ski-Bars, aber auch Restaurants, Trafikanten oder Zulieferer in den Tourismusorten und viele andere Betriebe leiden unter den ausbleiben­den Gästen. Mitunter stehen ganze Dörfer ohne den Wintertourismus schlichtweg still.


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Wir müssen daher Maßnahmen setzen, damit sich unser Land auch nach Corona noch mit Stolz auf seine vielen hervorragenden Betriebe, besonders im Bereich des Touris­mus und der Freizeitwirtschaft, stützen kann. Die Aufstockung des Haftungsrahmens bei der ÖHT ist dafür ein wichtiger Schritt. Die Änderung beim Haftungsrahmen wird sich als Folge auch positiv auf Betriebe auswirken, die von einer guten Tourismus- und Freizeit­wirtschaft abhängig sind, wie zum Beispiel Bäckereien, Tischlereien oder auch Instal­lateure in den Tourismusregionen.

Es ist wichtig, dass die Tourismusbranche trotz dieser Krise positiv in die Zukunft blickt. Ich finde, den Unternehmerinnen und Unternehmern, die sich von der aktuellen Corona­krise nicht entmutigen lassen und nun zukunftsgerichtete Investitionen tätigen, gebührt großer Dank und größte Hochachtung.

Mit ihrem Mut und ihrem Unternehmergeist tragen sie dazu bei, dass Österreich auch weiterhin eine attraktive Urlaubsdestination bleibt, und das ist wichtig für unser Land. Ich befürworte aus all den genannten Gründen den Antrag und lade Sie ein, das auch zu machen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.00


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist Punkt 16 Uhr, der letztmögliche Zeitpunkt zum Aufruf der Dringlichen Anfrage an den Herrn Bundeskanzler.

Mir wurde signalisiert, dass der Herr Bundeskanzler schon in der Nähe ist und dem­nächst eintreffen wird, daher unterbreche ich die Sitzung bis zu seinem Eintreffen.

*****

(Die Sitzung wird um 16 Uhr unterbrochen und um 16.04 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wir begrüßen sehr herzlich den Herrn Bundeskanzler. – Willkommen im Bundesrat! (Bei­fall bei ÖVP und Grünen.)

16.04.41Dringliche Anfrage

der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanzler betreffend „Totalversagen der schwarz-grünen Bundesregierung“ (3815/J-BR/2020)


 Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Christoph Steiner als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte, Herr Kollege.


16.05.14

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Vizepräsidentin! Kollegen Bundesräte! Herr Kanzler! Frau Minister! Seit Beginn der sogenannten Coronakrise taumelt diese


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unfähige Regierung von einem Extrem ins andere. In dramatisch zunehmendem Maße wird den Österreichern jetzt aber so richtig klar, wie ungeeignet, dilettantisch und völlig abgehoben, also von allen guten Geistern verlassen, versucht wird, dieses Land zu re­gieren.

Unser hochstilisierter Krisenmanager ist doch längst entzaubert, schrieb er doch selbst im Juni auf Facebook: „Nachdem wir die gesundheitlichen Folgen [...] überstanden haben, müssen wir jetzt angesichts der Weltwirtschaftskrise die Konjunktur in Österreich wieder ankurbeln“. Ende August 2020 sah unser aller Heiland das Licht am Ende des Tunnels. Am Montag auf Puls 24 sah ebendieser unser aller Heiland Ende des Som­mers 2021 erneut ein Licht am Ende des Tunnels. Vielleicht sollte man Ihnen, Herr Kanz­ler, einmal das Licht im Kanzleramt einschalten und ordentlich durchlüften! (Beifall bei der FPÖ.)

Ende Oktober, genauer gesagt am 27., schloss Gesundheitsminister Rudolf Anschober einen zweiten Lockdown dezidiert aus. Am 29. Oktober, also zwei Tage später, sah An­schober plötzlich dringenden Handlungsbedarf. Diese Regierung, allen voran Kanzler Kurz, produziert am laufenden Band kommunikative Seifenblasen, die sich dann jedes Mal wieder als Fakenews entpuppen. Daher halten wir es mit den Worten des ÖVP-Heiligen Kurz: „Genug ist genug!“ – Es reicht jetzt wirklich, in den letzten Monaten wur­den unzählige rote Linien in Sachen Demokratie, Selbstbestimmung, Eigenverantwor­tung, Parlamentarismus und vor allem in Bezug auf unser aller Freiheitsrechte über­schritten.

Wir wissen es eh: Für die ÖVP und vor allem für Sie, Herr Kanzler, ist unser Parlamenta­rismus ein lästiges Übel. Kurz und Anschober – also das Coronaduo Infernale – haben das demokratische Prinzip in Covid-19-Zeiten komplett verlassen. Obwohl einzelne ge­setzliche Grundlagen dafür noch nicht einmal im Nationalrat beschlossen wurden, ver­ordnet unser Kanzler medienwirksam ohne verfassungsrechtliche Richtlinienkompetenz ganz Österreich eine Massentestung.

Der Gesundheitsausschuss des österreichischen Nationalrates tagte erst am 1. Dezem­ber, die Beschlussfassung dieser einzelnen Gesetze findet erst in den Plenarsitzungen des Nationalrates am 10. und 11. Dezember statt, und dann muss dieses Gesetzeskon­volut noch zu uns in den Bundesrat, und der tagt bekanntlich erst am 16. und 17. Dezem­ber.

Die ersten Massentests beginnen, wie man hört, allerdings schon dieses Wochenende – in Tirol, Vorarlberg, Salzburg und auch in Wien. Wie kann das gehen, wenn noch nicht einmal die gesetzlichen Grundlagen dafür im Parlament verhandelt und beschlossen wurden? Das zeigt einzig und allein einmal mehr, dass die parlamentarischen Grundprin­zipien von dieser Regierung mit Füßen getreten werden und einfach darauf gepfiffen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

All diese Vorgänge, die sich derzeit in unserer Republik abspielen, muss man mit den Worten totale Coronadiktatur bezeichnen. Sie, Herr Kurz, führen diese Regierung und diesen Staat, wie es sich der Herr Dollfuß nur hätte wünschen können. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Allerdings glaube ich, dass sich der Herr Dollfuß gegen diesen Kanzler eher als Lercherlschas entpuppen würde. (Bundesrat Buchmann: Das ist uner­hört!)

Bürger werden Untertanen, aus der verfassungsrechtlich geschützten Normalität soll eine neue Normalität à la Kurz gemacht werden (Zwischenruf des Bundesrates Raggl), und dafür wird die Angst der Bürger bis in ein unerträgliches Ausmaß geschürt. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Die Meinungsfreiheit wird auf allen Ebenen eingeschränkt. (Vi­zepräsidentin Grossmann gibt das Glockenzeichen.) Jeder, der nicht eurer Meinung ist, Herr Kollege – und dafür liefern Sie jetzt wieder das beste Beispiel –, wird als Gefährder


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verunglimpft, als Verschwörer oder zumindest als Trottel abgestempelt. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrätin Steiner-Wieser: Bravo, Christoph!)

Es ist sogar schon so weit, dass sich ältere Menschen vor lauter Angst nicht mehr aus ihren Wohnungen trauen. Verwandte gehen aus Angst nicht mehr zu ihren Angehörigen und können diese auch nicht mehr besuchen. (Bundesrat Seeber: Ja, aber wegen euch, nicht ... !) Mit der älteren Generation, der wir alles zu verdanken haben, springt man nun so um, sperrt sie allein zu Hause ein und überlässt sie einsam und allein ihrem Schicksal. Das ist einer Bundesregierung unwürdig. Wir haben diesen Menschen, unseren Großel­tern, alles zu verdanken! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Kaltherzigkeit dieser Regierung und dieses Kanzlers lässt sich schwer in Worte fas­sen. Ich glaube, es gab noch nie eine derart arrogante, selbstherrliche und mittlerweile aufgrund der Hunderten Pressekonferenzen wohl unsympathischere Regierungsgruppe, als wir sie derzeit in Österreich ertragen müssen. (Beifall bei der FPÖ.) Seien wir doch einmal ehrlich: Niemand – ich kenne niemanden mehr – sieht diese Gesichter im Fernse­hen noch gerne. (Heiterkeit bei der ÖVP. Bundesrat Seeber: Wie viel Prozent habt ihr und wie viel wir? Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist der Regierung auch völlig wurscht, wie viele Arbeitslose, wie viele zerstörte Exis­tenzen es gibt, wie vielen Kindern man ihre Chancen stiehlt und wie viele Bürger diesem Wahnsinn leider durch Suizid entgehen wollen. Es lässt Sie auch völlig kalt, wenn sich Menschen das Leben nehmen, weil sie nur noch darin den Ausweg sehen. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Hauptsache die PR-Maschinerie läuft auf Hochtouren!

Gleichzeitig aber gönnt sich diese tolle Bundesregierung einen Werbeetat von satten 200 Millionen Euro an Steuergeldern (Bundesrätin Steiner-Wieser: Pfui!) – offenbar nur, um die eigenen Verfehlungen zu kaschieren. Da wird dann der Spruch von Herrn Blümel: „Koste es, was es wolle“!, wirklich in die Tat umgesetzt. Das ist der Regierung wurscht; wenn es allerdings um die gebeutelten Unternehmer geht, dann wird schnell einmal ein­fach der Umsatzersatz gestrichen, und mit Ende Dezember wird dann auf den Fixkosten­zuschuss vertröstet. Man stellt sich hin und beweihräuchert sich selbst, weil man die Stundungen bis März verlängert. Kein Wort habe ich aber bisher dazu gehört, was denn dann im April passiert, wenn all diese Zahlungen fällig werden. So schnell können wir gar nicht schauen, dass wir in einer wirtschaftlichen Krise, die sich gewaschen hat, auf­wachen.

Als Zillertaler Kleinunternehmer muss ich Sie als Studienabbrecher, Herr Kurz, schon fragen (Zwischenrufe bei der ÖVP), ob Ihnen überhaupt bewusst ist, was Ihre Lockdown­verordnungen für den Tourismus, für die Wertschöpfungskette der kompletten Gastrono­miebranche im Tal bedeuten. Was hängt denn alles dran? – Ein Hotelier, der kein Geld mehr hat, kann nicht mehr investieren, kann nicht mehr umbauen, somit können auch der Tischler, der Zimmerer, der Maurer, der Spengler nicht mehr lange überleben. Auch wenn der gesamte Handel in einem Tal – und das wissen wir – wieder aufsperren kann, was nützt denn das? Was nützt es denn, wenn die Skigebiete offen haben, aber kein Hotel? – Das heißt, der Handel wird nicht viel verkaufen können, denn der Handel ist eng mit unserer Hotellerie verbunden. Wenn die Gäste keine Möglichkeit haben, zu über­nachten, wird es auch für den Handel mehr als schwierig.

Es gab den ganzen Sommer über nicht einen einzigen Cluster in einem Hotel. Unsere Hoteliers haben sich den ganzen Sommer über – das wissen Sie so gut wie ich – perfekt auf die bevorstehende Wintersaison vorbereitet, haben alle notwendigen Schritte ge­setzt, um einen sicheren Urlaub in unseren Ferienregionen zu ermöglichen. Was macht man jetzt? – Man fährt wieder mit der Kurz’schen Dampfwalze einfach über die so wich­tige Tourismusbranche in unserem Land drüber. (Beifall bei der FPÖ.)

Bei den Wirtschaftshilfen schafft der Kanzler eine Zweiklassengesellschaft von Unter­nehmern: Die Holzklasse – die indirekt vom Lockdown Betroffenen – schaut durch die


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Finger. Sie betreiben ein KMU-Zerstörungssystem bei den heimischen Unternehmen und im Gegenzug ein Fördersystem für internationale Onlinekonzerne. All das sind Bei­spiele für Ihre Unfähigkeit, aber auch das kann Ihnen wohl schwer zum Vorwurf gemacht werden, denn jemand, der vom Kreißsaal über den Hörsaal in den Plenarsaal gehievt wird, wird wohl von der wahren Wirklichkeit draußen und von der wahren Wirtschaft nie eine Ahnung haben können. Das ist kein Vorwurf, Herr Kanzler, das ist eine Tatsache. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau aus diesem Grund muss diese Regierung ja auf diese enorme PR-Strategie setzen. Auch beim Thema Ischgl konnte man diese Strategie der rhetorischen Seifenbla­sen ja bestens beobachten. Kurz hat kurzerhand – natürlich medienwirksam – eine Qua­rantäne über das gesamte Paznauntal verhängt, allerdings komplett ohne Richtlinien­kompetenz und ohne die Behörden vor Ort zu informieren, damit diese die Chance ge­habt hätten, eine ordentliche Ausreise zu ermöglichen. Das Ergebnis dieser ständigen Selbstdarstellung war dann, dass wir in Tirol ein Ausreisechaos hatten, das seinesglei­chen sucht und den Ruf Tirols im Ausland für Jahre geschädigt hat.

Das, Herr Kanzler, sage nicht ich, das steht im Expertenbericht von Ronald Rohrer. Zu reden, sich als angeblichen Krisenmanager zu inszenieren, dann wiederum zu schwei­gen, wenn es gilt, Verantwortung zu übernehmen: So kann man die Strategie dieses PR-Kanzlers wohl zusammenfassen. Eine Strategie des Herrn Kanzlers ist auch klar er­kennbar: Immer dann, wenn es unangenehm wird, flüchtet man und redet sich gerne auf die Richtlinienkompetenz aus. Man könne ja keinem Minister befehlen, was er wie zu machen habe. Im Fall der Massentestungen allerdings macht der Kanzler genau das Gegenteil. Er schafft dem Herrn Gesundheitsminister an, und der Gesundheitsminister führt aus. Nur: Wie lange wird sich der Gesundheitsminister das noch gefallen lassen? Ich glaube, das wird nicht mehr allzu lange sein.

Vor Kurzem hieß es nämlich aus dem Gesundheitsministerium noch, es sei ja nicht ziel­führend, gesunde Menschen zu testen. – Daran sieht man einmal, wie schnell man auf Wunsch des Kanzlers im Ministerium die Meinung ändern kann. Auch Allerberger von der Ages sowie die Apothekerkammer in Oberösterreich und zahlreiche andere mehr lehnen diese Massentestungen ja zu Recht ab, da die Fehlerquote in beiden Fällen – ob positive oder negative Ergebnisse – logischerweise viel zu hoch sein wird.

Was aber passiert seit ein paar Tagen bei uns in Österreich? Plötzlich schießen in jedem Dorf die Teststationen wie Schwammerl aus dem Boden. Ich bin der Überzeu­gung, dass dies unter anderem auch deshalb so schnell passieren musste, weil man Innenminister Flex-Nehammer aus der Schusslinie nehmen musste, denn der Spezl des Herrn Kanzlers kam in letzter Zeit arg in Bedrängnis. Katastrophale Missstände in sei­nem Ministerium traten immer mehr zutage, und es wurde sehr eng für den Herrn Mi­nister, der ja alle Österreicher nur zu gerne als Gefährder diffamiert und dabei auf die wirklichen Gefährder in unserem Land komplett vergessen hat.

Was Sie mit den Massentestungen aber noch herausfinden wollen, ist, wie viele Öster­reicher schon genug Angst haben, um sich auch als gesunde Personen testen zu lassen, um dann ungefähr abschätzen zu können, wie viele Österreicher wohl bereit sein wer­den, sich dieser neuartigen Impfung zu unterziehen.

Unglaublich, Herr Kanzler, ist auch, was Sie sich am Montagabend bei Puls 24 wieder geleistet haben. Dort haben Sie den Menschen in Österreich unterschwellig gedroht: Wenn ihr euch nicht testen lasst, wird der Lockdown verlängert! – Das, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, diese Drohungen sind eines Kanzlers in unserer Republik mehr als unwürdig. (Beifall bei der FPÖ.) Sie haben in besagtem Interview auch behauptet, es brauche eine Durchimpfungsrate von 70 Prozent, um die Krankheit in Österreich aus­rotten zu können, und die Impfung sei unser einziger Ausweg, um auch wieder in die Freiheit zurückzukönnen.


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Kurz darauf wurde die Leiterin der Impfstoffabteilung im Gesundheitsministerium inter­viewt. Diese sagte dann nämlich, Daten zu einer Effektivität der Impfung liegen derzeit gar nicht vor, daher kann man aus seriöser Sicht derzeit nicht sagen, wie viel Prozent man impfen lassen muss, um zur sogenannten Herdenimmunität zu gelangen. – Daran sieht man wieder deutlich, mit welchen Unwahrheiten Sie operieren, um einzig und allein Ihre Ziele zu erreichen.

Sie haben den Österreichern ja schon mehr oder weniger klar mitgeteilt, dass es eine Impfpflicht, einen Impfzwang geben wird. Dazu muss ich schon klar sagen: Wir Freiheit­liche lehnen einen Impfzwang – wie auch immer geartet, ob durch eine hinterlistige Hintertür oder per Gesetz – kategorisch ab. Wir stehen für die Unversehrtheit des Men­schen. (Beifall bei der FPÖ. Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.)

Seien wir einmal ehrlich: Wenn es eine gute Impfung wäre, Herr Kanzler, deren Nutzen optimal und natürlich ohne Folgeerkrankungen ist, dann würde man eine wie auch immer geartete Impfpflicht gar nicht erst benötigen. Was bei Sars und Mers passiert ist, wissen wir alle: Diese Impfungen lösten einen schweren Krankheitsverlauf aus – also die Er­krankungsschwere bei Geimpften war höher als bei jenen, die nicht geimpft waren. Wer kann uns sagen, dass das bei Corona nicht passieren kann? (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Was passiert dann bei alten Personen, Herr Kollege, die laut Impfstrategie als Erste ge­impft werden? – Auch das kann niemand seriös beantworten. (Bundesrat Buchmann: Ein echter Experte!) Wer wird haften, wenn es Impfschäden geben wird, da es ja auch eine Impfempfehlung seitens des Kanzlers gibt? (Bundesrat Seeber: Angstmacher!) Das Impfschadengesetz ist derzeit für diese spezielle Herausforderung nicht ausgelegt. (Bundesrat Spanring: Das hat Kurz zugegeben!) Sie sehen, wir kommen immer wieder zum selben Punkt zurück: Der Kanzler kündigt an, aber es gibt noch kein ausgegorenes Konzept, das dann auch funktionieren kann und wird.

Liebe Kollegen von der ÖVP, jetzt habt ihr euch wieder wahnsinnig über mich aufgeregt. Ich weiß auch, ich habe euch nun aus eurer heilen Traumwelt des heiligen Sebastian herausgerissen. (Zwischenruf des Bundesrates Seeber.) Vergesst aber jetzt bei euren Dankesreden, die ihr nun halten werdet, und bei euren Huldigungen für euren Heiland eines nicht: Zu viel Weihrauch schwärzt den Heiligen. Deshalb hoffe ich, dass viele Ös­terreicher diese hinterlistige Strategie des Kanzlers und seiner unsäglichen Regierung so schnell wie möglich durchschauen.

Als Tiroler darf ich zum Abschluss noch eines sagen: Manda, es ist Zeit, kommt heraus aus den Stauden, kämpfen wir gemeinsam für unsere Freiheitsrechte, für unsere Demo­kratie sowie für unseren Rechtsstaat! Diese sind allesamt zu hohe Güter, um sie auf dem Altar der Kurz-Sekte zu opfern. (Beifall bei der FPÖ.)

16.24


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Herr Fraktionsvorsitzender Steiner, ich lasse mir das Protokoll Ihrer Rede kommen, um die Erteilung eines Ordnungsrufes abzu­wägen.

Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich nun der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. – Bitte, Herr Bundeskanzler, Sie sind am Wort.


16.24.57

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Ich darf zunächst einleitend einige Worte zur allgemeinen Situation sagen beziehungsweise zu den Maßnahmen, die wir mit dem Versuch, das Ansteckungsge­schehen wieder nach unten zu drücken, setzen.

Wir hatten in den letzten Wochen – im Oktober und November – ein stark exponentielles Wachstum bei unseren Ansteckungszahlen, zuletzt eine Verdopplungsrate innerhalb einer Woche, was dazu geführt hat, dass wir knapp an der Überbelastung unserer


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intensivmedizinischen Kapazitäten waren. Wir mussten darauf reagieren, und ich bin froh, dass wir heute sagen können, dass der Lockdown funktioniert und Wirkung zeigt. Wir haben es geschafft, dass sich die Zahl der Neuinfektionen in den letzten Wochen halbiert hat.

Wir liegen mittlerweile noch immer hoch, aber doch bei einer Siebentageinzidenz von 300. Ich hoffe, dass wir bis zum Ende des Lockdowns in Richtung einer Siebentageinzidenz von rund 250 kommen werden und diese dann hoffentlich mit den Massentests, aber natürlich auch mit weiteren Einschränkungen bis Weihnachten möglichst weit drücken können. Warum ist das so entscheidend? Damit die Österreicherinnen und Österrei­cher ein halbwegs würdevolles Weihnachtsfest feiern können, aber gleichzeitig nicht so­fort wieder ein exponentielles Wachstum ausgelöst wird.

Es sind schmerzhafte Einschnitte, die wir bis dahin durch das Geschlossenhalten der Gastronomie und des Tourismus, aber auch des Kulturbereichs und vieler Sportstätten vornehmen müssen. Es ist eine wirtschaftlich herausfordernde Zeit, und es ist natürlich ein massiver Freiheitseingriff, der uns allen keine Freude machen kann. Das Problem ist nur: Der andere Weg würde noch mehr Tote, eine noch stärkere Auslastung in den Spi­tälern, eine Überlastung in der Intensivmedizin bis hin zu einer Situation, dass Men­schen, die behandelt werden sollten und dann überleben würden, nicht mehr behandelt werden könnten – ganz gleich, ob Coronainfektion, Autounfall oder Herzinfarkt –, bedeuten.

Insofern ist der Weg, den wir gehen, ein schwieriger, ein unangenehmer, einer, den wir uns alle nicht gewünscht haben, aber ich glaube, einer ohne Alternative. Insofern darf ich Sie bitten, diesen Weg – so gut es Ihnen möglich ist – mitzutragen, denn je stärker unser Schulterschluss in dieser Phase ist, desto eher werden die Maßnahmen wirken. Je mehr Menschen mitmachen, desto eher werden wir zur Normalität oder zumindest zu einer eingeschränkten Normalität zurückkehren können.

Eine Perspektive gibt es Gott sei Dank: Die Impfung wird Realität. Schon bald werden in Österreich die ersten Menschen geimpft werden können. Ich gehe davon aus, dass un­sere Einschätzung vom August, dass wir nicht nur Licht am Ende des Tunnels haben, sondern dass wir bis zum Sommer zur Normalität zurückkehren können, aus heutiger Sicht realistisch ist. Bis dahin braucht es – und das ist das Schmerzlichste – Einschrän­kungen.

Es gibt aber mit den Massentests die Chance, darüber hinaus einen Beitrag zu leisten, das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu halten. Ich möchte mich an dieser Stelle bei all jenen bedanken, die innerhalb kürzester Zeit diese Massentests quer durch Öster­reich ermöglicht haben: beim Gesundheitsministerium und beim Verteidigungsministe­rium, vor allem aber auch bei den Bundesländern, den Städten und den Gemeinden, all den Freiwilligen, die es gerade ermöglichen, dass sich Millionen Menschen testen lassen können und somit verhindern können, dass sie – sollten sie positiv sein  Freunde, Be­kannte, Verwandte, Arbeitskollegen anstecken und das bei dem einen oder anderen viel­leicht zu einer sehr, sehr schwerwiegenden Erkrankung wird.

Das Ziel der Massentests ist es, Infektionen zu lokalisieren und zu verhindern, dass Infizierte diese Infektionen, ohne es zu wissen, weiterverbreiten, also genau das, was bei einer Pandemieentwicklung gemacht werden muss. Das ist vor allem etwas, das keinen wirtschaftlichen Schaden auslöst und, da es nur einige Minuten dauert, auch kaum eine Beeinträchtigung für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darstellt. In diesem Sinne hoffe ich auf eine möglichst rege Teilnahme. Je mehr Menschen mitmachen, desto mehr Ansteckungen können wir lokalisieren, desto eher können wir verhindern, dass sich andere Menschen anstecken und die ganze Pandemie noch zäher und schwieriger wird, als sie ohnehin schon ist.


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Ich habe darüber hinaus die Aufgabe, jetzt einige Ihrer Fragen zu beantworten. Nachdem diese Fragen sehr ausführlich waren, bitte ich um Verständnis, dass ich die Antworten verlesen werde.

Zur Frage 1:

In einer Reihe von Gesprächen konnte ich die Wirksamkeit von Massentestungen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens anhand internationaler Beispiele sehen. Das zeigen Studien wie zum Beispiel jene der Universität Harvard oder auch Ergebnisse von durchgeführten Tests in Südtirol.

Zu den Fragen 2 und 3:

Strategien leben davon, dass sie ständig verbessert werden. Für die ständige Weiterent­wicklung möchte ich mich beim Gesundheitsminister bedanken, weil wir damit sicherstel­len können, dass unsere Strategien am Puls der Zeit bleiben. Durch die breite Verfüg­barkeit von geeigneten Antigentests ist eine Ausweitung der Testprogramme nun auch auf größere Bevölkerungsgruppen möglich. (Vizepräsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Zur Frage 4:

Selbstverständlich führt das Bundesheer eine Testung jenes Personals, das bei der Tes­tung zum Einsatz kommt, durch.

Zur Frage 5:

Das Bundesheer stellt die Logistik, wie beispielsweise Versorgung mit dem erforderli­chen Testmaterial, wobei in fast allen Fällen die infrastrukturellen Voraussetzungen durch die Gemeinden beziehungsweise Betreiber der Teststationen bereitgestellt wer­den. Überdies führt das Bundesheer bei der Lehrertestung und auch bei der Bevölke­rungstestung in Wien neben der Logistik auch Testungen durch.

Zur Frage 6:

Eine Gesamtzahl der insgesamt zu allen Zeitpunkten im Einsatz befindlichen Soldaten lässt sich zurzeit noch nicht eindeutig feststellen, es kann aber davon ausgegangen werden, dass zu Spitzenzeiten mit dem Einsatz von insgesamt rund 6 000 Soldaten und Bediensteten des Verteidigungsministeriums zu rechnen ist – dafür jetzt schon meinen herzlichen Dank.

Zur Frage 7:

Entsprechend dem Beschluss des Ministerrats werden die hierfür anfallenden Gesamt­kosten aus dem Covid-19-Krisenbewältigungsfonds gedeckt.

Zu den Fragen 8, 9, 14 und 15:

Die Massentests kosten in Summe weniger als ein Tag Lockdown. Ein Lockdown bringt uns massive Freiheitseinschränkungen und kostet uns pro Tag mehrere Hundert Millio­nen Euro und pro Woche über 2 Milliarden Euro. Qualität und Verfügbarkeit der Mas­sentests sind das Wichtigste, ich habe volles Vertrauen in die Bundesbeschaffungsge­sellschaft und in das Verteidigungsministerium, die alle Prozesse professionell und zügig umgesetzt haben. Die Tests von Roche und Siemens, die bei uns eingesetzt werden, gehören zu den besten auf dem Markt. Das sieht die Meduni Wien so, aber auch die Gesundheitsbehörden sehen das so. Auch in der Slowakei und Südtirol kam einer dieser Tests zum Einsatz. Wenn ein Test gekauft werden würde, der nur um 0,5 Prozent feh­leranfälliger wäre, würde das Tausende mögliche falsche Testungen bedeuten. Dieses Risiko wollen wir nicht eingehen.


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Zu den Fragen 10 bis 12:

Im Rahmen der Dienstreise im September in die Schweiz, bei der ich Bundespräsidentin Sommaruga getroffen habe, fand unter anderem auch ein Round Table mit Vertreterin­nen und Vertretern der Pharmaindustrie statt, ein Vertreter des Unternehmens Roche hat auch teilgenommen. Themen waren unter anderem die Entwicklung von Impfstoffen und Schnelltests im Kampf gegen die Coronapandemie. Es ist unsere Verantwortung als Bundesregierung, mit den Spitzen der forschenden Industrie im Austausch zu sein, denn nur so können wir bestmöglich einschätzen und planen, welche Mittel im Kampf gegen Corona wann zur Verfügung stehen werden.

Zur Frage 13:

Das allgemeine Ziel der Stabsstelle für Strategie, Analyse und Planung ist, globale Trends und Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und daraus evidenzbasiert und nach­haltig politische Maßnahmen abzuleiten. Im Zuge des Ausbruchs der Covid-19-Pande­mie wurde im Rahmen des Future Operations Clearing Board insbesondere die Vernet­zung zwischen Wissenschaft und öffentlicher Hand unterstützt.

Zu den Fragen 16 und 17:

Österreich verfolgt eine dezentrale Vorgehensweise für die Impfaktion, das bedeutet, es wird möglichst dort geimpft, wo die Menschen leben, arbeiten und ihre medizinische Behandlung erhalten: am Beginn Ältere in Pflegeheimen – die dortigen Bewohnerinnen und Bewohner – und das entsprechende Personal, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenanstalten sowie im Pflegebereich, später dann auch in Arztpraxen, in den Betrieben und Dienststellen und in der Phase drei ab dem zweiten Quartal dann auch in Impfstellen beziehungsweise -straßen, die die Gemeinden vor Ort einrichten werden. Für diese Phase können wir insbesondere auf Erfahrungen der Testung zurückgreifen.

Zu den Fragen 18 und 19:

Als Bundesregierung haben wir uns sehr klar gegen eine allgemeine Impfpflicht positio­niert, dennoch ist festzuhalten, dass die Impfung das wirksamste Mittel gegen die Aus­breitung von Covid-19 ist. Ich kann nur appellieren, dass möglichst viele Menschen, die in unserem Land leben, die Impfung in Anspruch nehmen, sodass wir wieder zu unserem gewohnten Alltag zurückkehren können.

Zur Frage 20:

Das Wifo rechnet in seiner letzten Prognose vom November mit 401 000 Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 2021.

Zur Frage 21:

Nach den Prognosen der Gläubigerschutzverbände wird eine Steigerung von 10 bis 15 Prozent im Vergleich zu 2019 erwartet.

Zu den Fragen 22 bis 24:

Das Kaufhaus Österreich ist ein gemeinsames Projekt der Wirtschaftskammer Öster­reich und des Digitalisierungsministeriums. Das Bundeskanzleramt ist nicht in die Arbeit involviert, aber es unterstützt natürlich sämtliche Maßnahmen in diesem Bereich, die die heimische Wertschöpfung fördern sollen.

Zu den Fragen 25, 26, 31 und 33:

In meiner koordinierenden Funktion als Bundeskanzler bin ich unter anderem für die Vorbereitung der allgemeinen Regierungspolitik und die zusammenfassende Behand­lung von Angelegenheiten zuständig. Demgemäß werden die Mitarbeiter meines Res­sorts in vielen verschiedenen Themenbereichen der Verwaltung regelmäßig in die Erar­beitung von Projekten oder Strategien eingebunden, wobei sie sich konstruktiv einbringen. Selbstverständlich bin ich auch regelmäßig im Austausch mit meinen Regierungskollegen,


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gerade auch, was die Planung nächster Schritte in der Bekämpfung der Pandemie be­trifft.

Zu den Fragen 27 und 28:

In herausfordernden Zeiten, wie aktuell, ist es außerordentlich wichtig, in gutem und regelmäßigem Kontakt mit unseren Nachbarstaaten zu stehen. Gerade Deutschland ist als wichtiger Partner und Nachbar hierbei ein besonderer Faktor für uns. Dort, wo es Meinungsunterschiede gibt, ist es aber legitim, diese auch klar anzusprechen.

Zu den Fragen 29 und 30:

Im heurigen Sommer mussten wir beobachten, dass rund ein Drittel der Ansteckungen ihren Ursprung im Ausland hatte. Die daraufhin verschärften Grenzregelungen haben zu einem massiven Rückgang der Einschleppungen des Coronavirus geführt. Die Bundes­regierung hat sich daher entschieden, ab dem 19. Dezember die Einreisebestimmungen zu verschärfen und Grenzkontrollen weiter zu intensivieren. Internationale Beispiele ha­ben gezeigt, dass bei Einreisen aus einem Hochrisikogebiet eine Quarantäne von zehn Tagen mit der Möglichkeit zur Freitestung ab dem fünften Tag das Risiko von Einschlep­pungen und vor allem der Weiterverbreitung massiv reduzieren können.

Zu den Fragen 32, 34 und 35:

Es wurde die Situation für das gesamte Schulsystem geprüft und die bestmögliche Lösung für alle Altersstufen evaluiert. Ältere Schülerinnen und Schüler legen eine große Selbstständigkeit an den Tag und können im Rahmen des Distancelearnings gut erreicht werden. MNS ist das gelindeste Mittel im Zusammenhang mit dem aktuellen Wieder­hochfahren – das sehen auch die Vertreterinnen und Vertreter der österreichischen Kin­der- und Jugendheilkunde so – und ermöglicht den Schülerinnen und Schülern, wieder in die Schule zurückzukehren. Auch das Rote Kreuz hält Maske ab zehn Jahren für ver­tretbar, die Virologin Monika Redlberger-Fritz ebenfalls.

Das Bildungsministerium hat bereits im Frühjahr umfassende Maßnahmen gesetzt, um Bildungsdefizite zu reduzieren. Hier kann ich beispielsweise auf den 8-Punkte-Plan von Heinz Faßmann verweisen.

Zu den Fragen 36 und 37:

Gerade in einschneidenden und schwierigen Zeiten ist es meine Aufgabe als Regie­rungschef, die Bevölkerung zeitnah und regelmäßig über die aktuelle Situation, die Ent­wicklungen und auch unsere Pläne zu informieren. Es gab ein breites Angebot, um auch die unterschiedlichen Branchen auf dem aktuellen Stand zu halten. Daher habe ich seit Beginn der Coronapandemie insgesamt 55 medienöffentliche Termine anlässlich der ak­tuellen Coronasituation wahrgenommen, davon fanden acht im Rahmen des Presse­foyers nach dem Ministerrat statt. Professionelle Medienarbeit umfasst auch die Kommu­nikation mit Journalistinnen und Journalisten.

Zu den Fragen 38 und 39:

Der Grund für diese Ausschreibung sind die Erfahrungen der Coronapandemie, die Re­gierung hatte keinen Vertrag mit einer Agentur und konnte deshalb nur mithilfe des Roten Kreuzes über die Kampagne: Schau auf dich, schau auf mich!, die Menschen informie­ren. Es handelt sich um eine professionelle und transparente Ausschreibung, wie sie auch vonseiten der Opposition gefordert wurde. Das ist damit gewährleistet. Außerdem ist das lediglich ein Vertrag, der einen maximalen Rahmen vorgibt. Vonseiten der Me­dienbranche wird ein derartiges professionelles Vorgehen ausdrücklich gelobt, wie bei­spielsweise vom Verband Österreichischer Zeitungen und der Internationalen Vereini­gung der Kommunikations- und Werbebranche.


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Zur Frage 40:

Der Vollzug der Coronamaßnahmen durch die Polizei erfolgt immer entsprechend den rechtlichen Rahmenbedingungen unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit. Die Einsatzkonzepte werden im Bundesministerium für Inneres beziehungsweise den Lan­despolizeidirektionen erstellt und von diesen verantwortet. Wie seitens des Innenminis­ters mehrfach kommuniziert verfolgt die Polizei eine 3-D-Strategie: Dialog, Deeskalation und Durchsetzung.

Zur Frage 41:

Zu keinem Zeitpunkt kam es durch die polizeilichen Überwachungsmaßnahmen zu ei­nem Sicherheitsdefizit in Österreich. Das Gegenteil ist der Fall, denn die vorliegenden Statistiken zeigen einen deutlichen Rückgang der Kriminalität in Österreich. Polizeiliche Präsenz im Zusammenhang mit Covid-19 bedeutet auch Präsenz hinsichtlich der Krimi­nalitätsbekämpfung.

Zur Frage 42:

Wie Ihnen ohnehin bekannt sein dürfte, hat der Bundesminister für Inneres bereits erste Schritte gesetzt. Überdies obliegt es der vom Bundesministerium für Justiz und vom Bundesministerium für Inneres eingerichteten unabhängigen Untersuchungskommis­sion, die näheren Umstände festzustellen.

Zu den Fragen 43 und 44:

Zum Zeitpunkt des Terroranschlags und in den darauffolgenden Tagen waren wir in einer sehr dynamischen Situation. Meine damaligen Aussagen entsprachen auch dem Kennt­nisstand zu diesem Zeitpunkt. Klar ist, dass wir sicherstellen müssen, dass Personen, die wegen Terrordelikten verurteilt wurden und von denen weiterhin eine Gefahr aus­geht, nicht frühzeitig entlassen werden. Die entsprechenden gesetzlichen Änderungen befinden sich derzeit in Ausarbeitung.

Zur Frage 45:

Selbstverständlich stehen mein Kabinett und auch ich in einem ständigen Kontakt mit dem Innenminister und seinen Mitarbeitern. Die Gefährdungseinschätzung wird laufend vom Innenministerium evaluiert. Aufgrund des Anschlages wird die Gefährdung in Ös­terreich derzeit als hoch eingeschätzt, und die Sicherheitsbehörden haben ihre Schutz­maßnahmen danach ausgerichtet.

Zu den Fragen 46 und 47:

Das Bundesministerium für Inneres erstellt regelmäßig Gefährdungsanalysen für betrof­fene Personen wie unter anderem für die Mitglieder der Bundesregierung und im An­lassfall auch für deren Angehörige. Basierend auf diesen Analysen werden entspre­chende Schutzmaßnahmen getroffen. Ich darf Sie um Verständnis ersuchen, dass ich Detailinformationen aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich bekannt geben kann.

Zur Frage 48:

Selbstverständlich nicht: Der Bundesminister für Inneres genießt mein volles Vertrauen. Er nimmt seine politische Verantwortung in diesen schwierigen Zeiten wahr, indem er alles für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher tut. Dafür möchte ich dem Innenminister, aber auch all seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich danken.

Ich danke auch Ihnen für die Aufmerksamkeit bei diesen vielen Fragen und hoffe, ich konn­te sie beantworten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

16.42


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für die Beantwortung der Anfragen.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 135

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß den einschlägigen Bestimmungen der Ge­schäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten be­grenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.42.41

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Werte Kollegen und liebe Zuhörer zu Hause via Livestream! Wir haben heute die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers und seine Antworten auf unsere Fragen gehört und dabei wieder dasselbe Schema erlebt, das wir immer erleben: Eingeleitet wird alles von getragener Theatralik, wie schlimm denn alles ist oder werden könnte, wenn man nicht so agiert, wie er agiert, dann kommen natürlich immer die gleichen Floskeln und leeren Worthülsen, und dann folgt zu den wichtigen Fragen das Schweigen oder ein Verweis.

Nun vor allem zu Ihrem letzten Satz betreffend das Vertrauen in den Minister: Also bitte, wenn man sich angeschaut hat, was in puncto Sicherheit am 2. November beziehungs­weise davor passiert ist, dann muss man Ihnen wohl eines sagen: Diesem Minister gehörte sofort das Vertrauen entzogen, wenn Sie ein bisschen Verantwortung zeigen würden. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist aber so, wie Sie es immer machen, und da kommt mir unweigerlich die Assoziation mit einem Fleckenputzmittel, denn immer, wenn irgendwo in dieser Regierung schwarze oder grüne Schmutzflecken auftauchen, kommt kurz Kurz – und mit einem Wisch ist alles wieder weg. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Dass Ihnen das Abschieben von Ver­antwortung mehr liegt als das Übernehmen derselben, ist uns natürlich völlig klar. Ich glaube aber nicht, dass die Österreicherinnen und Österreicher Ihren Zugang nachvoll­ziehen können, und denke, dass man nach 34 Jahren in der Regierung und nach jahr­zehntelangem Besetzen von Ministerämtern und Ministerposten endlich auch einmal die Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen zu übernehmen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Seit Beginn dieser Regierungskonstellation vor knapp einem Jahr war uns Freiheitlichen glasklar, dass Österreich einen Weg gewählt hat, der nicht die Zukunft von Freiheit und Visionen für unser Heimatland bedeutet, sondern einen Rückschritt in die Abgründe von Machtrausch, Abhängigkeit und Parteiideologie einer neuen ÖVP, die in dem Fall gar nicht älter sein könnte, gepaart mit einem grünen Schuss Utopie, Illusionen und Dilettantismus. Übrigens ist das ein Attribut, das wohl beiden Fraktionen zur Einigung verholfen hat. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bun­desrates Bernard.)

Somit hatte das Schiff Österreich Anfang des Jahres einen Steuermann. Die Beliebt­heitswerte, die die Führungscrew von den Passagieren erhielt, waren gegeben, bis dann erste starke Sturmböen in Form der Coronapandemie aufgetaucht sind. Man merkte, dass das Werkel so überhaupt nicht rennt, weil sich der Kapitän zwar als Meister der Inszenierung, jedoch leider nicht der Krisenbewältigung entpuppte und die Führungsoffi­ziere oftmals keine Wahrnehmung zu ihren eigentlichen Aufgaben haben beziehungs­weise diesen in keinster Weise gerecht werden.

Ab diesem Zeitpunkt hat das Totalversagen dieser Bundesregierung begonnen. In den letzten Stunden hat es wirklich eine neue Dimension angenommen, die nur mehr fas­sungslos macht. – Daher haben wir auch diese Dringliche Anfrage an Sie gestellt, Herr Bundeskanzler, denn nach fast einem Jahr Chaos ist es einmal notwendig, diese Dinge


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wirklich aufzugreifen, dieses Chaosmanagement anzuprangern und Sie auch aufzufor­dern, Verantwortung dafür zu übernehmen.

Ich weiß schon, Parlamentarismus ist etwas, mit dem Sie in Ihrer neuen Regierungs­politik nicht wirklich etwas anfangen können, weil Ihre türkise Regierungspolitik anders aufgebaut ist: Sie funktioniert als Form der Selbstinszenierung und der medialen Show in einer Größenordnung noch nie dagewesenen Ausmaßes und erinnert an Staaten, in denen Freiheit und Selbstbestimmung geradezu aus dem Wortschatz verbannt wurden.

Ja, diese neue ÖVP lebt eine neue Normalität – wir haben das ja heute schon ein paar Mal erlebt – beinahe sektenartig vor. Es ist nämlich eine neue Normalität, die aus vier Grundsätzen besteht – geprägt von einer Mischung in Abwandlung der Zehn Gebote, des Vaterunsers, des Matthäus-Evangeliums und des Glaubensbekenntnisses –, die da lauten: Du sollst an den Messias glauben! (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Unsere tägliche Pressekonferenz gib uns heute! Wir versetzen dir jeden Tag einen Schlag ins Gesicht, aber halte am nächsten Morgen die neue Wange hin, denn wir haben wieder einen Schlag für dich vorbereitet! Glaube an alles, was wir dir sagen, und glaube vor allem danach daran, dass du deine Entscheidung darüber frei und freiwillig getroffen hast! (Beifall bei der FPÖ.)

Damit alles auch mit einer gewissen Nachhaltigkeit ausgestattet ist – „koste es, was es wolle“ –, investiert man die zuvor von Kollegen Steiner angesprochenen 200 Millionen Euro in die Eigen-PR und Inserate, und man kann davon ausgehen, dass so berichtet wird, wie man es haben will, und kritische Medien ausgedünnt werden, indem es einfach keine finanziellen Zuwanderungen – Entschuldigung! – Zuwendungen mehr gibt. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) Ja, so funktioniert die Kurz’sche Medienmaschinerie.

Wie ist es aber in der Zwischenzeit abseits von Inszenierungsschwerpunkten um Öster­reich und seine Bevölkerung bestellt? Wie lauten die Antworten bei den wichtigen The­men wie Firmeninsolvenzen, Arbeitslosigkeit, Existenzängste, der Vereinbarkeit von Kin­dern – in Verbindung mit Schule – und Beruf in dieser schwierigen Situation? Wie lauten die Antworten auf die Sicherheitsfragen und vor allem betreffend den Gesundheitsbe­reich? – Ja, wenn man sich darauf Antworten erwartet: große Fehlanzeige, so wie heute.

Was haben Sie denn – möchte ich einmal fragen – die ganzen Sommermonate über gemacht? Wo ist denn die Vorbereitung für die Schulen auf den Herbst gewesen? Wo war die Vorbereitung der Betten – da Sie über die letzten Monate sagen, wir haben zu wenig Kapazitäten? Ich meine, dass ein zweiter Lockdown kommen wird, weil Sie ihn herbeitesten, war mittlerweile allen klar – aber Sie waren wieder einmal nicht vorbereitet.

Schauen wir uns ein paar Bereiche an! Allein der erste Lockdown hat viele kleinere und mittlere Betriebe und damit unzählige Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen waren, mit aller Härte getroffen. Die Betriebe wurden im Stich gelassen – vor allem weil Sie das geltende Epidemiegesetz ausgehebelt haben und die Treffsicherheit der Hilfs­fonds völlig daneben war. Schließlich war es anscheinend wichtiger, der Wirtschaftskam­mer eine neue Spielwiese zu geben (Zwischenruf bei der ÖVP), wodurch man dann zwar nicht zielgerichtet und natürlich auch überhaupt nicht effektiv helfen konnte – aber wir haben wieder etwas für das schwarze Gemeinwohl getan. (Beifall bei der FPÖ.)

So hat man es schon gerne in Kauf genommen, dass es in Verbindung damit zu Mas­senkündigungen kommt, zu Abwanderungen von Unternehmen aus Österreich – wo da die Strategie der Ministerinnen für Arbeit und Wirtschaft bleibt, weiß ich nicht. Es gibt keine.

Dafür werden dann mehrere Hunderttausend Euro Steuergeld in ein Projekt Kaufhaus Österreich gepumpt, um dem Onlineriesen Amazon die Stirn zu bieten. Ein wahrhaft mu­tiger Ansatz, welcher sich letztendlich – welche Überraschung! – als Rohrkrepierer ent­puppt hat. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner. – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)


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Dann ruft man zwischendurch den zweiten Lockdown aus, verschärft damit nochmals die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Unternehmen und den Arbeitsmarkt, lähmt den Tourismus, aber schafft damit vor allem ein weiteres Verordnungschaos, das jenes des ersten Lockdowns nochmals übertrifft – getreu dem Leitsatz dieser Regierung: Wir ma­chen nie denselben Fehler zweimal, sondern für gewöhnlich steigern wir beim zweiten Mal seine Peinlichkeit, Tragweite und Dramatik. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann kommt der nächste Player aus der Führungsmannschaft, der Herr Finanzminister, mit seinem Budget dazu – und siehe da, eigentlich gibt es gar keinen zweiten Lockdown, zumindest kommt er im Budget nicht vor. Das ist anscheinend die Ihrerseits propagierte Wirtschaftskompetenz der neuen ÖVP, und Sie haben es ja gesagt: Sie haben Vertrauen in alle Minister. – Also mich erinnert das alles an vergangene Zeiten.

Genau diese Verantwortung fordern Sie von Ihren Ministern nicht ein, sondern wie im­mer: wisch und weg! Sie betreiben weiterhin ein Ablenkungsmanöver von den Unzuläng­lichkeiten der eigenen Minister, weil es ja noch wichtigere Interessen gibt – das sind dann die eigenen Geschäftsinteressen. Da wird dann eben mit Schweizer Konzernen der Ankauf von Antigentests zu überhöhten Preisen verhandelt. Die Geschäftemacherei zieht sich dann auch durch Österreich, in Niederösterreich in der Form, dass zufällig die Firma eines ÖVPlers damit beauftragt wird, Covid-Tests an Schulen durchzuführen. Es gibt sogar von der Parlamentsdirektion Aufträge.

Das Chaos um die Massentests, das eigentlich Sie verursachen, hat seit gestern wirklich eine andere Dimension erreicht und ist um eine Facette reicher, die ihresgleichen sucht. Die Anmeldeplattform wurde wegen eines Datenlecks offline genommen, telefonische Anmeldungen sind gar nicht möglich, und in Kärnten haben die Pädagogen überhaupt Testtermine und Daten von fremden Personen in Wien bekommen. Ja da können wir uns in den nächsten Tagen wirklich auf etwas gefasst machen. Vom gesundheitspoliti­schen Ansatz, Menschenmassen zu Teststraßen zu schicken oder Bundesheerangehö­rige und Gemeindemitarbeiter als Hilfsorgane zu bestimmen, um diese dann möglichen Infektionen auszusetzen, möchte ich gar nicht erst sprechen.

Wenn Sie die Gemeinden so loben – alle helfen mit –: Entschuldigung, die Gemeinden sind ja nicht einmal gefragt worden. Die haben teilweise nicht einmal die Personalres­sourcen, um diese Massentests durchzuführen, sie haben nicht einmal die Standorte. Unser Gemeindereferent hat gerade zu Recht auf den Wintereinbruch aufmerksam ge­macht und in einem E-Mail vorhin darum gebeten, dass man davon absieht, diese Mas­sentests in den Rüsthäusern unserer Feuerwehren durchzuführen, um die Einsatzbereit­schaft zu gewährleisten. Man soll sie aber auch an Schulen nicht zu Zeiten durchführen, zu denen Schüler in dem Gebäude sind, um nicht die Schüler anzustecken.

Ja Entschuldigung, was sollen die Gemeinden denn dann machen? Sie haben es ihnen ja aufoktroyiert, dass sie diese Massentests zu machen haben. Dann sagen Sie auch, wie und wo – und sagen Sie nicht, das Gemeindepersonal hat das entsprechend abzuwi­ckeln! (Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Weil ich vorhin von der Schweiz gesprochen habe: Die Schweiz hat rückläufige Infek­tionszahlen – ohne Lockdown und ohne Massenschnelltests. Im Gegenteil: Das Bundes­amt für Gesundheit in der Schweiz hält den Einsatz von Schnelltests für Massentestun­gen nämlich für Menschen ohne Symptome für nicht geeignet. (Heiterkeit der Bundes­rätin Schartel.) Das klingt ja bei uns ganz anders. Vielleicht haben wir die Massentests von dort ankaufen müssen, weil sie sie selber nicht gebraucht haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Seeber.)

Etwas zwiegespalten ist aber auch Ihr Ansatz zu Impfungen und Freiwilligkeit, denn auch da wird die Realität anders aussehen – Sie haben es ja heute auch wieder nicht deutlich gesagt und nicht deutlich geantwortet –, denn eine Freiwilligkeit sieht vor, dass man


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keine Nachteile zu erwarten hat, wenn man es nicht macht. Wenn ich mir aber Ihre Aus­sagen von heute und jene von vor drei Tagen gegenüber einem Medium vergegenwär­tige, dann stelle ich fest, dass die Impfpflicht ja bereits beschlossene Sache ist, denn Sie gehen ja her und sagen auf die Frage, ob es denn künftig Freiheiten nur für geimpfte Personen geben soll: „Alles ist denkbar. Gewisse Freiheiten werden wir erst wieder ha­ben, wenn mehr Menschen geimpft sind.“

Daher sind diese Massentests kein Beitrag zur Verbesserung der gesundheitlichen Si­tuation in Österreich (Bundesrätin Steiner-Wieser: Genau!), sondern lediglich der Ver­such, zu schauen, wie viele sich testen lassen, um dann mit bezahlter medialer Ver­schärfung den Leuten die Impfung aufzuoktroyieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Das, Herr Bundeskanzler, wird dann über bestimmte Berufsgruppen gehen. Es wird über den Gesundheits-, Bildungs- und Verwaltungsbereich gehen, bis hin zu den Risikogrup­pen –, und dann wird es wahrscheinlich Betretungsverbote für Nichtgeimpfte geben. Sie haben nur ein Problem: Sie haben selbst schon gemerkt, dass die Österreicher das in dieser Form nicht wollen – dass sie weder eine Verpflichtung zur Verwendung der Co­ronaapp noch zu den Tests und schon gar nicht zu den Impfungen haben wollen. Sie wollen, wie gesagt, aber auch keine Benachteiligungen in ihren Lebensgewohnheiten oder in der Berufsausübung haben, wenn sie das alles, was Sie ihnen vorgeben, nicht einhalten und Ihren Empfehlungen nicht Folge leisten.

Nein, die Menschen in unserem Land sind nicht naiv, und viele haben längst begriffen, dass da andere Gedanken im Vordergrund stehen, die weitestgehend auf wirtschaftliche und politische Machtausbreitung ausgelegt sind und mit der Sorge um das gesundheitli­che Wohl der Menschen aber schon gar nichts gemein haben.

Daher bringe ich auch einen entsprechenden Entschließungsantrag ein, und wir werden ja sehen, wie Sie beziehungsweise Ihre Fraktion sich dazu verhalten.

Ich bringe also folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbot von Co­vid-19-Zwangstestungen und Zwangsimpfungen“

Die unterfertigten Bundesräte stellen folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

- ein gesetzliches Verbot von Zwangstestungen in Österreich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und ähnlichen Infektionen;

- ein gesetzliches Verbot von Zwangsimpfungen in Österreich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und ähnlichen Infektionen;

- eine Novellierung der §§ 17 Abs 3 und 4 Epidemiegesetz, die Impfpflichten für be­stimmte Berufsgruppen, Bevölkerungsgruppen oder Einzelpersonen gesetzlich verbie­tet;

- Eine Novellierung des Impfschadengesetz, die alle Schäden durch freiwillige und an­geordnete Impfungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und ähnlichen In­fektionen umfasst.“

*****


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So viel zu unserem Entschließungsantrag.

Ich möchte abschließend noch auf die Jüngsten in unserer Gesellschaft eingehen, un­sere Kinder, denn ihnen wird durch diese Bundesregierung nicht nur der Zugang zur Bildung verwehrt. In die Schule sollen beziehungsweise dürfen sie ja teilweise nicht, und das Homeschooling – Herr Bundeskanzler, da muss ich Sie auf den Boden der Realität zurückholen – funktioniert nicht so toll und wird nicht so toll evaluiert, wie Sie das heute dargestellt haben, sondern es artet in ein weiteres Chaos aus, weil viele nämlich nicht einmal die Möglichkeit haben, sich digitalen Zugang zu den Unterlagen zu verschaffen. Ihnen werden aber zusätzlich auch die sozialen Kontakte und ihre Freundschaften ge­nommen, die gerade für die Persönlichkeitsentwicklung eines jeden Kindes von immen­ser Bedeutung sind, ganz zu schweigen von den psychischen Auswirkungen, wenn man Kinder zum Tragen von Masken verdammt.

Die Regierungshörigkeit von gewissen Bildungsverantwortlichen zeigt solche Auswüch­se, dass es in Schulen, wie beispielsweise in einer Schule in Kärnten – ja, und da können die Kollegen von der ÖVP jetzt einmal aufpassen, das macht ihre Politik –, zur Vergabe von sogenannten Social Credits kommt. Wenn Kinder ohne Maske miteinander spre­chen, dann gibt es Maluspunkte, die in weiterer Folge die Stigmatisierung vor der gesam­ten Klasse zum Ziel haben. Ja, weit sind wir mit Ihren Maßnahmen gekommen. (Bun­desrat Steiner: Unglaublich! – Bundesrätin Steiner-Wieser: So weit habt ihr es ge­bracht! – Bundesrat Seeber: Märchenstunde! Märchenstunde!) – Nein, ich kann dir dann auch gerne die entsprechende Schule mitteilen. Nun will ich mir gar nicht ausmalen, was diese Maßnahmen für Psyche und Bewusstseinsbildung unserer Kinder bedeuten, was das vor allem hinsichtlich des Vermögens, die eigene Meinung frei zu bilden und zu äußern, auslöst.

Ihre Aussage zum Thema Schulen haben wir heute gehört: Übernahme von Verantwor­tung? – Nein, Fehlanzeige – wisch und weg. Ebenso verhält es sich, abschließend noch, mit der Sicherheit, denn Sie können anscheinend vertreten, dass die Polizei nunmehr ihr Hauptaugenmerk auf die Überwachung und Bestrafung unserer eigenen Bürger zu legen hat, um die Einhaltung Ihrer teils abstrusen Coronaregeln zu gewährleisten, weil Sie der Polizei anscheinend nicht mehr zutrauen.

Ich kann Sie aber beruhigen: Im Gegensatz zu Ihrem Minister können Sie sich auf die Kompetenz unserer Polizeikräfte zu 100 Prozent verlassen, denn nur durch das be­herzte Eingreifen unter Einsatz ihres Lebens haben die Polizisten am 2. November die­ses Jahres noch mehr Todesopfer und Verletzte verhindern können, und sie leisten tag­täglich hervorragende Arbeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Allerdings spielen Sie auch da gemeinsam mit Ihrem Minister, der eigentlich die größte Gefahr für unsere Sicherheit darstellt, das Spiel der Kindesweglegung, weil immer alle anderen die Schuld bekommen: eine Justizministerin, ein ehemaliger Innenminister. Sie jedoch trifft keine Verantwortung, Sie versagen in diesen Bereichen ja erst seit 34 Jah­ren – und damit ist alles wieder wisch und weg.

Herr Bundeskanzler, ich möchte Ihnen abschließend eines mit auf den Weg geben: Die Menschen in unserem Land wollen eine Politik von Verantwortungsträgern mit Kompe­tenz und nicht von Verantwortungsflüchtlingen ohne Wahrnehmung und Ahnung. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl.) Leider besteht Ihr Kabinett nahezu ausnahmslos aus Letzteren. Was die Menschen hingegen nicht wollen, ist Ihre neue Normalität – eine Nor­malität, in der man auf perfide Weise auf die Bevölkerung losgeht und, so wie auch heute bereits hier im Plenum geschehen, zwischen den Guten und den Bösen unterscheidet, indem man sie bewusst mit bezahlter medialer Unterstützung gegeneinander ausspielt und gesellschaftlich spaltet. Die Guten sind dann jene, die ohne kritisches Hinterfragen, ohne Wenn und Aber die Politik der Regierung und ihrer Maßnahmen gutheißen, und


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die Bösen sind jene, die sich nicht ihrer Grund- und Freiheitsrechte berauben lassen wollen, dieser Krisensituation aber mit Verantwortung und Hausverstand begegnen und den nötigen Abstand halten – die aber auch zu Ihrer täglichen Regierungsinszenierung den nötigen Abstand halten.

Daher werden wir Freiheitliche auch weiterhin für eine Heimat eintreten, in der die Frei­heits-, die Grundrechte und die Selbstbestimmung unserer Menschen gewahrt werden, und dafür, dass sich die Bürger in unserem Land sicher fühlen können und sie nicht durch gesellschaftsspalterische Angst- und Panikmache zu steuerzahlenden Untertanen eines anzubetenden Messias verkommen müssen. Herr Bundeskanzler, der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Glauben Sie mir: Das wird auch auf Ihren Krug zutreffen. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

17.02


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Verbot von Covid-19-Zwangstestungen und Zwangsimpfungen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.03.02

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist so eine Dringliche Anfrage generell kein Austausch von Höflichkeiten, und bevor auch ich mich dem nicht gänzlich verschließe, möchte ich trotzdem zu Beginn noch sagen, dass es mich freut, dass ich wieder im Bundesrat bin. Manche von Ihnen wissen, ich bin schon einmal 20 Jahre lang hier gewesen. Mich freut es nun, so viele neue Kolleginnen und Kollegen kennenlernen zu dürfen, es freut mich auch, einige KollegInnen wiedergetroffen zu ha­ben, die damals schon da waren. Zudem freut es mich natürlich auch – bei den Männern, glaube ich, darf ich das sagen –, die alten Haudegen wiederzusehen und hier die nächs­ten Jahre wirken zu dürfen.

Zur Diskussion zur Dringlichen Anfrage: Ja, ich will jetzt nicht sagen, es hat sich nicht viel geändert, aber Kollege Steiner, glaube ich, kommt ja aus Tirol (Bundesrat Steiner: Ja, richtig!), wenn ich das richtig mitbekommen habe. Jede Partei sagt irgendwann ein­mal über bestimmte Vertreter etwas Populistisches, und da beginne mit etwas Populis­tischem, das einmal ein ÖVP-Politiker aus Tirol gesagt hat. Daran kann ich mich erin­nern: Im Jahr 1991, als damals am Tisenjoch der Ötzi gefunden worden ist, hat es in Tirol einen Landeshauptmann Partl gegeben. Dieser war ganz begeistert von der Dis­kussion, da zwischen Südtirol und Nordtirol oder Tirol gestritten worden ist, wem nun der Ötzi gehört. Dann ist ja auch kalkuliert worden, was der Ötzi wert ist, und damals hat Landeshauptmann Partl gesagt (den Tiroler Dialekt nachahmend): Wenn man bei dieser Diskussion sieht, was ein toter Tiroler wert ist, dann kann man sich erst ausrechnen, was ein lebendiger Tiroler wert ist. (Beifall des Bundesrates Bader. – Bundesrat Steiner: ... Dialekt ... Entwicklung ... Das ist voll peinlich! Wenn man’s nicht kann, soll man’s las­sen!) – Bitte?

Diese Diskussion über den lebendigen Tiroler erinnert mich daran – sie sollte oder kann uns alle daran erinnern, wenn es uns interessiert –, dass natürlich das Menschenleben tatsächlich das Wertvollste ist, was es gibt. Das Menschenleben ist das, was nicht mit Geld abgeglichen werden kann. Genau da ist es dann so schwierig, Maß zu nehmen und zu sagen: Wie viel darf uns ein einzelner Mensch, dem wir das Leben retten, wert sein?


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Im Rahmen dieser Krise ist es natürlich auch noch so, dass es, wenn Menschenleben gerettet werden, nicht die klassische Situation ist, dass ein Nichtschwimmer aus dem Becken gezogen wird und man dann weiß, welchem Nichtschimmer das Leben gerettet worden ist und wer ihn aus den Becken gezogen hat, wenn da der Gerettete und dort der Lebensretter ist. Das passiert in dieser Krise natürlich wesentlich unsichtbarer, weil für uns nicht erkennbar ist, wer die Personen sind, deren Leben wir gerettet haben: Viel­leicht war es unser eigenes, vielleicht das von Personen, die uns besonders nahestehen.

Es ist ja, glaube ich, auch etwas, was wir wissen: dass der Tod natürlich zum Leben gehört und dass es irgendwann einmal für uns alle an der Zeit ist. Wir haben natürlich auch gelernt, jeden Tag mit Katastrophenmeldungen zu leben, aber wirklich bewegt sind wir, wenn es jemanden betrifft, der uns nahesteht – und das muss nicht einmal ein Mensch sein, man ist manchmal sogar fertig, wenn es das eigene Haustier erwischt. Das, glaube ich, ist es, worauf wir Bezug nehmen müssen und was wir bedenken müs­sen: dass es in dieser Krise das Wichtigste ist, wie wir die Menschen sicher durch diese Krise führen können beziehungsweise wie wir möglichst viel Schaden abhalten können und wie wir möglichst viele Menschenleben retten können.

Was ist generell wichtig, wenn man dafür verantwortlich ist, sich zu bemühen, eine Krise zu bewältigen? Ich meine, es ist sehr wesentlich und zentral, dass man einen kühlen Kopf behält und dass man dann auch auf dieser Grundlage Entscheidungen trifft. Ich glaube, Sie kennen das alle: In Krisensituationen reagieren Menschen, die Verantwor­tung tragen oder die eine Lösung suchen müssen, unterschiedlich. Es gibt welche, die einen dicken Hals kriegen, schreien, hysterisch werden, Alkohol zu sich nehmen.

Es ist schwierig, in Stresssituationen das Richtige zu tun. Es ist auch meistens so, dass auf der linken Seite einer sagt, man soll A machen, und auf der rechten Seite sagt einer, man soll B machen. Es kann sein, dass die einen Menschen sagen: Wenn die Schulen zugesperrt werden, dann ist alles vorbei, weil das dann niemand mehr aushält; das ist das Schlimmste, das man machen kann! – Dann werden andere sagen: Wenn man die Schulen nicht zusperrt, ist das das Schlimmste, denn man trifft sich schon bei den Autobusstationen, dort steckt man sich an, und im Bus steckt man sich an, und ich weiß nicht, wie viele andere Infektionsherde es noch gibt; es ist das Schlimmste, die Schulen nicht zuzumachen, wenn man die Krise im Griff behalten möchte! – Dann gibt es welche, die sagen: Das Schlimmste, das man machen kann, ist, den Handel zuzusperren! – An­dere sagen: Wenn wir das nicht tun, dann werden wir diese Krise nicht managen können!

So, und wenn man dann in einer solchen Situation Entscheidungsträger ist und Entschei­dungen treffen muss, dann ist es vernünftigerweise so, dass man sich all diese Punkte anhört, dass man natürlich in Widersprüchen denken muss und dann aber trotzdem am Ende des Tages eine Entscheidung für eine Strategie fällen muss, von der man über­zeugt ist, dass sie ein Weg ist, wie man durch diese Krise schreiten kann.

Es gibt keine einfachen Lösungen, und es ist klar, dass, wenn solche Wege beschritten werden, auf der B-Seite mit einem Shutdown für diejenigen, die davon wirtschaftlich be­troffen sind, Nachteile einhergehen. Andere Ziele, wie solche im Bildungsbereich, kön­nen damit natürlich auch nicht gleichzeitig erfüllt werden, sondern stehen sogar im Ziel­konflikt damit. – Das sind wohl Dinge, die uns klar sind.

Eines muss ich schon auch sagen: Was mich bei dieser Debatte von der Dimension her schon ein Stück weit überrascht hat, ist: Die Kollegen von den Freiheitlichen haben sich, wenn ich sie richtig verstanden habe, besonders darüber mokiert, dass vermeintlich an­dere Standpunkte nicht akzeptiert werden. Das habe ich jetzt von Ihnen polternd gehört, eigentlich nicht erst bei dieser Dringlichen Anfrage, sondern bereits zuvor: Andere Mei­nungen gelten nicht! – Ich weiß nicht, ob es so ist. Eine andere Meinung gilt natürlich, die Frage ist immer: Was ist die Mehrheitsmeinung und wie wird im Endeffekt eine Ent­scheidung getroffen?


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Ich habe eigentlich das Gefühl, dass sich zum Beispiel der Herr Bundeskanzler hier Ihre Meinung sehr gelassen angehört hat. (Bundesrat Steiner: Ja was hätte er denn tun sollen?! Soll er sich niederlegen?! Was soll er machen?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie wirken viel aufgeregter, stehen mit leicht gerötetem Kopf hier und hauen auf den Tisch. Da frage ich mich schon: Was hat das jetzt damit zu tun, dass Sie sagen, man akzeptiere keine andere Meinung? Man hört sich eine andere Meinung an und denkt sich: Okay, die war überzeugend oder die war nicht überzeugend.

Bei Ihnen muss ich sagen: Sie sind für mich nicht sehr überzeugend. Warum? (Heiterkeit und Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ.) – Das ist ja sehr lustig, ha, ha, ha! Sie haben echt einen tollen Humor, den will ich noch näher kennenlernen. – Was ich aber sagen will, ist: Wenn Sie hier vermeintlich Kritik vorbringen wollen, weiß ich nicht, warum bei Ihren Wor­ten, die Sie da ständig über den Tisch schmeißen, von zehn Aussagen sieben ein Be­leidigen des Bundeskanzlers sein müssen und Sie eigentlich nur Zeit haben, drei Punkte zu Inhaltlichem zu sagen. Das ist schon ein bisschen überraschend. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie sprechen das Thema Bildung an. – Okay, jetzt muss man einmal sagen: Im Bildungs­wesen ist es natürlich eine Herausforderung, dass wir jetzt Homeschooling haben. Na­türlich passieren im Bildungssystem immer wieder Lücken, aber bei den Lücken, die Sie in Ihrer Bildung haben, können Sie sich nicht auf die Coronakrise ausreden. (Zwischen­rufe bei der FPÖ.) Das möchte ich schon einmal ganz deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Weil Sie hier sagen, die alten Menschen werden eingesperrt: Herr Kollege Steiner, soll­ten Sie Ihre Eltern eingesperrt haben, dann bitte ich Sie dringend: Sperren Sie wieder auf! Lassen Sie Ihre Eltern wieder hinaus! Die dürfen auch hinausgehen, frische Luft atmen und sich bewegen, und Sie dürfen auch hingehen und Ihre Eltern versorgen. Also sollten Sie da etwas falsch verstanden haben und ältere Menschen weggesperrt haben: Bitte machen Sie das dringend rückgängig! (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ein weiterer Punkt, der mir in dieser vermeintlich differenzierten Debatte aufgefallen ist: Sie haben gesagt, Sie kennen niemanden mehr, der diese Gesichter noch sehen kann. Es ist ja auch von Ihnen (in Richtung Bundesrat Steiner) ein besonders höfliches Zei­chen, dass Sie mir jetzt den Rücken zuwenden. (Bundesrat Steiner – sich in Richtung des Redners wendend –: Entschuldigung!) Sie haben wirklich die Hochkultur des Parla­mentarismus schon richtig im Blut. Sie kennen niemanden mehr, der die Gesichter der Regierungsmitglieder noch sehen kann, haben Sie gesagt. Na ja, da muss ich sagen: Es ist natürlich Ihnen überlassen, welchen Umgang Sie pflegen und in welchen Kreisen Sie verkehren, aber daraus den Anspruch zu erheben, Sie würden die Menschen mehr vertreten als die Parlamentarier anderer Parteien oder als die Regierungsvertreter der Regierungsparteien, ist einfach ein überheblicher Anspruch. Sie sprechen von Überheb­lichkeit, aber Ihre Überheblichkeit ist, dass Sie hergehen (Zwischenruf bei der SPÖ) und meinen, Sie sind die Einzigen, die die Menschen, wie Sie sie berechtigt bezeichnen, vertreten. Ja, es gibt sicher Menschen, die Sie vertreten, aber es gibt eben auch viele Menschen, die anders denken als Sie (Zwischenruf bei der SPÖ), die von anderen Man­dataren und von anderen politischen Vertretern hier besser als durch Sie vertreten wer­den. (Beifall bei der ÖVP.)

Das heißt: Der allerwesentlichste Punkt, um den es eigentlich geht – weil das ja insbe­sondere von den Rednern der Freiheitlichen so stark gebracht worden ist, es ist immer wieder gesagt worden –, sind die Ziele, die Ziele des Messias Kurz. Also bei uns ist er kein Messias, aber bei Ihnen. – Okay, passt. (Bundesrat Schennach: Heiland ....!) – Heiland, auch das ist super – passt! Ich finde es ja eh super, dass ihr da solch einen Respekt habt. Wir sind da ein bisschen bodenständiger, ist aber in Ordnung.


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Was sind die Ziele von Bundeskanzler Kurz? – Ich darf Ihnen hier noch einmal den we­sentlichsten Punkt nennen: die Menschenleben zu retten. Das ist der wesentlichste Punkt. Sie meinen, dass eine Regierung Spaß daran hat, ein Lebensmittelgeschäft oder irgendeine Bekleidungsfirma zuzusperren (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) – das sei das Ziel von Herrn Kurz. Dann steht er vor der Tür und freut sich, dass zugesperrt ist, und sagt: Jetzt habe ich gewonnen! – Das sind Bilder, die Ihnen niemand glaubt. Versuchen Sie also nicht, die Ziele, die diese Regierung, der Kanzler, die Minister dieser Regierung verfolgen, in ein falsches Licht zu rücken!

Es ist legitim, dass Sie den Weg, wie das umgesetzt wird, kritisieren. Das ist in Ordnung. Wenn Sie sagen: Da gibt es eine Ausschreibung, und das hätte günstiger sein sollen!, ist das absolut in Ordnung, aber herzugehen und in den Raum zu stellen, dass es ir­gendein anderes Ziel gibt, als Menschenleben zu retten und nach bestem Wissen und Gewissen zu schauen, wie wir gemeinsam durch diese Krise kommen, ist einfach nicht in Ordnung und bringt uns, offen gesagt, auch nicht weiter.

Was ich damit sagen will, ist: Die Debatte sollte immer sachlich in einer harten Form geführt werden. Das ist völlig normal, und das muss man aushalten – das muss ein Kanzler aushalten, das muss ein Minister aushalten. Vertreter einer Regierungspartei müssen es aushalten, kritisiert zu werden, aber auch die Opposition muss aushalten, dass man eine andere Meinung als sie hat. Wir treten dann ja auch vor den Wähler und vertreten unsere Meinung. Daher bitte ich auch die Freiheitlichen um Respekt vor ande­ren Meinungen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Kurz zusammenfassen, ich weiß nämlich nimmer, wohin du willst! – Bundesrat Steiner: So, jetzt kennt sich kei­ner mehr aus, das hast du gut gemacht! – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Eine Kurzfassung, wohin? – Also die Kurzfassung ist: Die Bundesregierung hat eine Strategie, wie wir durch diese Krise kommen. Diese Strategie ist nicht immer angenehm, es war nicht das Ziel, dass es einen weiteren Lockdown gibt. Es hat aber nie geheißen, dass es nie einen weiteren Lockdown wird geben müssen. Man agiert auf Grundlage der Möglichkeiten, die einem zur Verfügung stehen, und bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen, gemeinsam mit den Österreicherinnen und Österreichern möglichst viele Menschenleben zu retten, gleichzeitig die Wirtschaft am Leben zu erhalten und damit alle Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir, sobald wir durch diese Krise sind, auch wieder die entsprechende Grundlage dafür haben, zu einem neuen Wachstum an­zusetzen. Um diese Dinge zu erreichen, dürfen wir uns wechselseitig und auch hart kriti­sieren, wir müssen aber auch ein Stück weit für dieses Land zusammenhalten. (Beifall bei der ÖVP. – Oh-Rufe bei der SPÖ.)

17.19


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Ingo Appé. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.19.59

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Hohes Haus! Es gibt Zeitungsschlagzeilen wie: „Testanmeldung: Chaos und Daten­leck-Gefahr“, die „Presse“; „Über den Sinn von Massentests wird heftig gestritten“, „Der Standard“; Corona-„Antigentest-Beschaffung ausgesetzt und ausgeschrieben“, APA-Aus­sendung, ganz frisch; „Wie man Tests verhaut“, „Kleine Zeitung“.

Viele Menschen in Österreich fragen sich, ob die Ankündigung der Massentests nur wie­der ein PR-Manöver Ihrerseits war, Herr Bundeskanzler. Mit Ihrer Äußerung in der ORF-„Pressestunde“ haben Sie nicht nur Österreich überrascht, sondern anscheinend auch den dafür zuständigen Gesundheitsminister. Also können wir davon ausgehen, dass Sie nun auch die alleinige Verantwortung dafür tragen werden und in der Folge dann nicht wieder andere Schuldige suchen.


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Interessant wird sicherlich die Frage sein, wie und ob die beschafften Tests überteuert angeschafft wurden. Nach der heutigen APA-Aussendung wurde ja die Antigentestbe­schaffung von der BBG ausgesetzt und ausgeschrieben. Dies ist der zweite Flop inner­halb von 24 Stunden, nachdem es ja schon gravierende Probleme beim Anmeldesystem gegeben hat und noch immer gibt. Die Pleiten-Pech-und-Pannen-Serie geht also weiter.

Wird die Aktion zu einer millionenschweren Blamage für die Regierung geraten, wenn sich die Leute aus Angst vor einer Ansteckung vor dem Anstellen in den Reihen fürch­ten? Das Verhalten der Politik steigert nicht gerade das Vertrauen der Bevölkerung. Der Kanzler berichtet ganz flott: Wer nicht zum Testen geht und dies verweigert, handelt schwer fahrlässig. – Wenn dann auch noch Abgeordnete öffentlich zum Boykott der Tes­tung aufrufen, ist das Chaos bei der Bevölkerung komplett.

Wir in den Ländern und Gemeinden versuchen unter schwierigsten Umständen, das er­denklich Möglichste zu tun, um all dies in kürzester Zeit zu schaffen, um unserer Bevöl­kerung das Service einer raschen und sicheren Testung zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Bader.) Tausende Menschen versuchen derzeit rund um die Uhr, all das umzusetzen, stoßen jedoch aufgrund der dilettantischen Vorbereitung an Grenzen. – Professionalität sieht anders aus.

Doch wie sollen die Massentestungen funktionieren? – Gute Planung schaut anders aus. Zuerst erfolgt die Ankündigung: In ganz Österreich werden Tests durchgeführt. – Noch ist kein Plan, keine Information bekannt. Dann sickert langsam durch: Die Länder haben zu organisieren. Die Durchführung liegt wieder einmal bei den Gemeinden. Solche Mas­sentests müssen generalstabsmäßig geplant werden, wenn sie von Erfolg gekrönt sein sollen. Die Reaktion aus vielen Bundesländern ist Entsetzen über das derzeitige Krisen­management.

Nun sehen wir, dass der Erfolg vom Engagement vieler abhängig sein wird. Ohne frei­willige Helferinnen und Helfer wäre die Durchführung der Massentests gar nicht möglich. Es erhebt sich die Frage: Werden diese dann auch bestmöglich unterstützt und ge­schützt? Fragwürdig ist jedoch schon, dass positive Fälle bei Testungen Privatpersonen mit allen Daten und Ergebnissen bekannt sind, dem sanitätspolizeilich Verantwortlichen in der Gemeinde jedoch nicht.

Wer sind die Stützen dieser Aktion? – Das Bundesheer, die Feuerwehren, das Rote Kreuz, freiwillige Helferinnen und Helfer, Landes- und Gemeindebedienstete. Sie alle stellen sicher, dass Ihre Aktion zum Erfolg wird. Diese sind nicht schuld, wenn der ge­wünschte Erfolg nicht eintreten wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine große Bitte: Keine neue Aktion Helden des Alltags und kein virtuelles Schulter­klopfen! – Das ist destruktiv. Wie es im Vortrag des Ministerrates steht, sollen diese Mas­sentestungen ja nochmals vor und nach Weihnachten wiederholt werden. Sollten Sie die Freiwilligen jetzt überfordern, werden Sie bei den nächsten Testungen massive Proble­me bekommen. Es liegt an Ihnen, dies zu verhindern.

Derzeit erscheinen der Stand der Vorbereitung und der Organisationsgrad komplett kon­fus. Kanzler und Gesundheitsminister koordinieren sich lieber nicht. Je nach Bundesland wird der Massentest früher oder später durchgeführt: da zentral, dort dezentral; da mit Drive-in-Straße, dort mit Teststraßen in geschlossenen Räumen; da voller Bereitwillig­keit, dort voller Skepsis. Es könnte bessere Bedingungen für solch ein Großprojekt ge­ben, denn dabei steht viel Geld auf dem Spiel, aber es gilt ja das Motto „Koste es, was es wolle“.

Wie Sie derzeit agieren, fallen Sie aber auch noch beim Massentest durch, den Sie selbst angeordnet haben. Diese Verantwortung tragen Sie allein, Herr Bundeskanzler, und nicht die Länder, Gemeinden, Bürgermeister und all die Freiwilligen. Denn noch ist


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die Geschichte nicht geschrieben, ob die Regierung den zweiten Lockdown nicht zu spät verordnet hat und sich angesichts der aktuellen Coronarekordzahlen den Vorwurf der Fahrlässigkeit wird gefallen lassen müssen, wie Michael Jungwirth in der „Kleinen Zei­tung“ schreibt.

Auf jeden Fall kann es nicht so sein, dass Sie sich beim ersten Lockdown als europäi­scher Musterschüler feiern ließen, jetzt aber, da die Lage ernst ist, den Ländern und den Gesundheitsbehörden, die übrigens über ein vertretbares Maß hinaus arbeiten und bereits am Rand der Leistungsfähigkeit angelangt sind, den Menschen, die den Hausver­stand nicht eingeschaltet haben, die Schuld in die Schuhe schieben wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben es im Sommer versemmelt. Der Virus kam nicht mit dem Auto, er war schon lange hier. Jetzt setzen Sie dem Ganzen noch eine Krone auf, indem Sie behaupten, es seien jene, die aus ihren Heimatländern gekommen sind, die den Virus wieder zu uns eingeschleppt hätten. Was hat diese Regierung im Sommer ge­macht, außer die Aufforderung ausgesprochen, in Österreich Urlaub zu machen? – Nichts! Dies hat anscheinend auch der Bildungsminister gemacht, denn anders kann man sich nicht erklären, dass am Schulanfang keine Planung fertig war. Nach 14 Tagen Schulbetrieb ist man aufgewacht und hat mit der Planung der Strategien begonnen, obwohl jeder Laie schon wusste, dass es im Herbst zur heißen Phase kommt. So war es im Bildungsbereich zu dieser Jahreszeit, in Grippezeiten, schon immer und ist jetzt, bei Covid-19, nicht neu.

Das war, lieber Herr Bundeskanzler, ein Bauchfleck mit Ansage. So geht jetzt die Pan­nenserie weiter. Ein Höhepunkt und eine Meisterleistung des Bildungsministers war in der vergangenen Woche das Schreiben des Bundesministers für Bildung und des Prä­sidenten des Österreichischen Gemeindebundes mit der Aufforderung an die Bürger­meister, jetzt dafür zu sorgen, dass die Gemeinden den Schulen mehr Raumkapazitäten und Einrichtungen zur Verfügung stellen sollen, damit die Abstände im Unterricht ein­gehalten werden können. Wie, bitte, sollen wir als Gemeinden jetzt ad hoc das alles aus dem Ärmel schütteln, Herr Bundeskanzler? Wieder werden wir als Gemeinden vom Bund aufgefordert, zu handeln.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, gerade heute war Ihr Finanzminister hier im Haus und hat zum x-ten Male gezeigt, dass dem Bund der Einsatz und die Aufgaben der Ge­meinden nichts wert sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Vielleicht können Sie sich einmal zu den Gemeinden bekennen und auch dafür sorgen, so wie Sie es für den Handel, die Landwirtschaft, die Hotellerie, die Gewerbetreibenden machen, dass Sie und Ihre Regierung den Gemeinden nicht die kalte Schulter zeigen und sie nicht finanziell verdursten lassen.

Weil ich zuvor von den Schulen gesprochen habe, möchte ich Ihnen ein Weihnachts­zeugnis ausstellen, Herr Bundeskanzler: Selbstvermarktung, Schuldzuweisung und Selbstdarstellung: sehr gut; Krisenmanagement und Verantwortung: nicht genügend. Setzen! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Abschließend: Derzeit haben wir erschreckend hohe Zahlen an Todesfällen. Es ist, glau­be ich, an der Zeit, an dieser Stelle vonseiten der Politik den Angehörigen die Anteilnah­me für die vielen schmerzlichen Verluste in ihren Familien auszusprechen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

17.29


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.



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17.29.57

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Schon als ich die Dringliche Anfrage las, habe ich mich an eine Zeit zurückerinnert, in der ich noch weit entfernt davon war, mir jemals vorstellen zu können, in die Politik zu gehen. Ich war noch nicht einmal österreichischer Staatsbürger.

Ich war in der Tourismusschule Bad Ischl. Dort hatten wir ein Unterrichtsfach, das noch nicht politische Bildung, sondern damals noch Staatsbürgerkunde hieß. Es sind wahr­scheinlich noch einige der Generation hier, die das in der Schule auch hatten. Dort lernte ich, was Demokratie ist. Da gab es einen Stehsatz – so habe ich das gelernt –: Demokra­tie ist ein Wettbewerb der besten Ideen. – Das fand ich toll, und ich habe angefangen, mich dafür zu interessieren. Ich habe angefangen, Zeitungen zu lesen, zu verfolgen, wie das ist, welche Konzepte wer hat, ich habe Wahlprogramme verglichen und war wirklich daran interessiert. Niemals hätte ich damals gedacht, dass es möglich ist, solche Texte wie diese Dringliche Anfrage in einem Parlament vorzufinden. Darin gibt es keine einzige konstruktive Idee, es wird nur geschimpft! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich habe den Titel „Totalversagen der schwarz-grünen Bundesregierung“ gesehen und, ehrlich gesagt, schon gar keine Lust mehr gehabt, weiterzulesen. Es fängt wie so ein Facebook-Hassposting an, wie ein Posting (Zwischenrufe bei der FPÖ), das man irgend­wie abends mit hohem Blutdruck in die Tastatur hämmert. Mit durchdachter Politik, bei der Sie sich überlegen, was Sie in der Krise tun würden, hat es nichts zu tun. Mich würde wirklich interessieren, was die Freiheitlichen in einer Krise machen würden, denn dazu erfahre ich niente, nichts, gar nichts. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Na ja, ihr begründet ja sehr ausführlich, aber ich habe auch in diesem halben Jahr im Bundesrat von euch noch nie ein Konzept dafür gehört, was ihr in einer Krise tun würdet. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das Einzige, und das nimmt zu - - (Ruf bei der FPÖ: ... uns war klar, wenn ihr in eine Regierung geht ...!) – Melden Sie sich gerne zu Wort! – Das nimmt zu: Es werden Verschwörungsgeschichten erzählt, es wird die Wissenschaft de­savouiert. Offensichtlich ist Herr Steiner besser im Beurteilen, was ein Impfstoff kann, als Menschen, die Impfstoffe wirklich medizinisch perfekt kennen, wie es ExpertInnen tun, und nirgendwo auf der Welt gibt es so hohe Standards wie in der Europäischen Union. Eine solche Entwicklung finde ich, ehrlich gesagt, nicht gut für die Demokratie.

Dann muss ich schon auch Folgendes sagen – es auch angemerkt worden ist, es gab vorhin Zwischenrufe der SPÖ in dem Sinn: Dann dürfte man ja gar nicht mehr kritisieren, wenn wir hier zusammenarbeiten sollen! –: Nein, nein, Demokratie ist ein Wettbewerb der besten Ideen, und ich freue mich, wenn hier gute Ideen eingebracht werden. Es freut mich auch (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), wenn Ideen eingebracht wer­den, bei denen man noch diskutieren, noch verhandeln muss – na klar! Wir müssen auch selbstkritisch sein, auch das gehört dazu. Niemand hat seit dem Zweiten Weltkrieg so eine Krise bewältigen müssen. Wir haben uns das auch anders vorgestellt. Ich kann mich noch daran erinnern, als wir das Regierungsprogramm verhandelt haben: Kein Mensch hat damals geahnt, dass es eine Krise geben wird. Wir sind da alle miteinander ins kalte Wasser gesprungen, das ist die Tatsache, und ich finde, wir haben ziemlich viel gemacht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zum Totalversagen: Wenn wir Konjunkturpakete schnüren, in denen es Milliarden für den Klimaschutz gibt, damit wir aus der Krise in die Zukunft investieren, ist das ein Total­versagen? Wenn wir Investitionsprämien machen, die wirklich viele Unternehmen in An­spruch genommen haben, mit denen man einen wirklichen Motor hatte, mit denen Mil­liarden in die Wirtschaft gepumpt worden sind, ist das ein Totalversagen?


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 147

Es sind Gemeindepakete in der Höhe von 1 Milliarde Euro gemacht worden, Kurzarbeits­modelle – übrigens in sehr guter Kooperation mit der Sozialpartnerschaft, das muss auch hier betont werden – werden gemacht (Beifall bei Grünen und ÖVP), Fixkostenzuschuss, Härtefallfonds, Familienhärtefonds, Stundung von Mieten und Kreditrückzahlungen in der Covid-19-Krise, keine Delogierungen in der Covid-19-Krise, keine Strom- und Gas­abstellungen in der Covid-19-Krise, 110 Millionen Euro für Arbeitslose und Mindestsiche­rungsbezieherInnen in der Covid-19-Krise, Erhöhung der Notstandshilfe auf Arbeitslo­sengeld in der Covid-19-Krise, einmalige Arbeitslosengelderhöhung in der Covid-19-Krise, Kinderbonus 360 Euro, Pensionserhöhung – Sie können jeden einzelnen Punkt kritisieren und sagen, was Sie besser gemacht hätten, aber eines können Sie nicht sa­gen: Das sei ein Totalversagen. Das weise ich strikt zurück! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn ich mir diese Sprache anschaue – ich meine, wenn Sie von Diktatur reden –: Sie stehen hier in einer parlamentarischen Demokratie und dürfen solche Texte schreiben, für die ich mich wirklich schämen würde. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Steiner-Wieser und Steiner.) Sie dürfen diese Texte hier einbringen, Sie dürfen sie Dringliche Anfrage nennen und sie hier begründen, und ich finde es gut, dass Sie das dürfen, aber sprechen Sie dann nicht von einer Diktatur! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich würde ja gern noch viel mehr auf diese Sprache eingehen. Ich habe mir ganz viele Notizen zu vielen Wörtern gemacht, zum Beispiel Untertanen. Das Lustige ist ja, beim einen beziehen Sie sich auf die Wissenschaft, wenn Sie meinen, dass das nicht haltbar sei – beim Impfen. Dann habe ich das Wort Maskenzwang und das Wort Medienshow auf meiner Liste – also ich weiß nicht.

Das habe ich mir übrigens einmal angeschaut – kleines Detail am Rande –: Es wird ja immer kritisiert, dass es die Pressekonferenzen gibt. Da habe ich mir gedacht – meine Firma macht ja auch Kommunikation, und ich berate auch –: Wie ist das jetzt wirklich mit diesen Pressekonferenzen? Ich habe mir das einmal in den anderen europäischen Staaten angeschaut und auch, was und wie kritisiert wird und wie die Opposition reagiert. Dabei komme ich drauf, es ist völlig wurscht, was man macht, die Opposition kritisiert einen sowieso. Geht man als Regierung raus, übernimmt die Verantwortung und infor­miert, dann wird man kritisiert, dass man nicht ExpertInnen ranlässt. In manchen Län­dern – ich glaube, in Spanien, aber ich bin mir jetzt nicht mehr sicher – macht die Regie­rung das nicht, dort schicken sie die ExpertInnen vor. Dort gibt es ein ExpertInnengre­mium, das die neuen Maßnahmen verkündet. Dann poltert die Opposition: Die Regie­rung versteckt sich hinter ExpertInnen, sie will keine Verantwortung übernehmen! (Hei­terkeit bei der ÖVP.)

Das ist parteipolitisches Hickhack, während gleichzeitig draußen das Krankenhausper­sonal leidet, Überstunden macht und wirklich aus dem letzten Loch pfeift. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir müssen uns jetzt Sorgen machen. Wir haben gerade die neuesten Zahlen aus Vorarlberg, dort ist es in den Intensivstationen wirklich an der Grenze.

Es war übrigens Frau Kollegin Steiner-Wieser, die in der letzten Sitzung hier gestanden ist und noch gesagt hat: Ah, die Intensivstationen, so ein Blödsinn, Verfünffachung, wenn da gesagt wird, da lag vorher einer und dann fünf, haha, stimmt das doch alles gar nicht! – Wir sind nicht dort! Wir kämpfen hier wirklich dafür, dass das Gesundheitssystem funktioniert. Priorität Nummer eins hat: Menschenleben zu retten und das Gesundheits­system zu schützen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn Sie aber glauben, mit dieser Sprache oder mit Verschwörungserzählungen zu gewinnen, dann darf ich Sie daran erinnern, dass heute neue BundesrätInnen angelobt worden sind, Sie drei verloren haben und die ÖVP zwei und die Grünen eine dazuge­wonnen haben. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.38



BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 148

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.38.52

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit etwas Grundsätzlichem beginnen: Auch bei den gestern in der Regierungspresse­konferenz verkündeten Maßnahmen geht es um wesentliche Grundrechts- und Frei­heitseinschränkungen. Für viele Menschen bedeuten diese eine massive Belastung, so­wohl wirtschaftlich als auch psychisch. In einer solchen Situation ist es unabdingbar, dass man alle gesetzten Maßnahmen kritisch hinterfragt und auf Transparenz und Nach­vollziehbarkeit besteht.

Ihre Aussagen, Herr Bundeskanzler, wonach Sie sich keine Kritik wünschen, sind des­wegen demokratiepolitisch bedenklich und werfen die Frage auf, ob Sie sich des Ausma­ßes der gesetzten Handlungen bewusst sind. (Beifall bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Im Speziellen möchte ich auf einige Aspekte der Maßnahmen eingehen. Ich fange mit denen an, die wir positiv sehen – insbesondere damit, dass die Pflichtschulen wieder Regelunterricht anbieten. Für uns muss klar sein, dass auch in den Oberstufen möglichst rasch wieder Regelunterricht stattfinden soll, denn viele Schülerinnen und Schüler waren heuer schon sehr lange nicht mehr in der Schule. Über 37 000 Menschen haben die NEOS-Petition mit dem Ziel offener Schulen unterstützt und dazu beigetragen, dass die Schulen wieder diesen Regelunterricht anbieten. Dieser Öffnungsschritt ist ein gemein­samer Erfolg.

Als Nächstes komme ich zu einem Aspekt, den wir ambivalent sehen, nämlich zur Eva­luierung der Liste der Risikoländer im Anhang der Einreiseverordnung. Was Sie Einreise­beschränkungen nennen, ist ja nichts Neues, so eine Liste gibt es seit Anfang der Maß­nahmen im März.

Was wir immer kritisiert haben, ist, dass die Liste, die schon viele Novellen gesehen hat, offenbar nicht auf Kennzahlen basiert hat. Wir haben im Nationalrat parlamentarische Anfragen gestellt. Das ist eine Verordnung des Gesundheitsministers. Wir haben den Gesundheitsminister gefragt, auf welchen Kennzahlen die Einstufung der Länder als Risikoländer beziehungsweise auf der anderen Seite als sichere Länder beruht, genauso wie wir den Außenminister gefragt haben, auf welchen Kennzahlen seine Einteilung der anderen Staaten dieser Welt in Länder, die Reisewarnungen der Stufe 6, Stufe 5, Stufe 4 unterliegen, beruht, und wir haben keine konkreten Antworten auf die Frage bekommen, welche Kennzahlen dahinterstehen. Insofern ist es erfreulich, wenn jetzt erstmals Kenn­zahlen genannt werden, auf denen die Aufteilung der Länderliste basieren soll.

Jetzt haben Sie richtigerweise gesagt, dass unter anderem nordische Staaten – Norwe­gen, Finnland – sehr erfolgreich damit waren beziehungsweise dass es ein Puzzlestein beim Erfolg der Pandemieeindämmung in diesen Staaten war, dass sehr niedrige Grenz­werte für Siebentageinzidenzen in den Herkunftsländern der Einreisenden gesetzt wur­den, zum Beispiel 50 pro 100 000 in den letzten sieben Tagen. Was Sie aber nicht dazu­gesagt haben, ist, dass diese Länder selbst niedrigere Inzidenzen im Inland haben. Das bedeutet, die Schwelle für die Inzidenzen in den Herkunftsländern ist ungefähr in dersel­ben Größenordnung wie die Inzidenz im eigenen Land oder ein bisschen höher.

Anders hat es zum Beispiel die Schweiz gemacht, die anfangs auch mit diesem System einer starren Schwelle operiert hat. Dann hat die Schweiz im eigenen Land eine sieben­mal so hohe Schwelle gehabt und hat dann ihre Risikoländerliste dynamisch gestaltet, was bedeutet: Für die Schweiz kommt man aus einem Risikoland, wenn man aus einem Herkunftsland einreisen möchte, das eine um, glaube ich, 50 pro 100 000 höhere Inzi­denz als die Schweiz hat.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 149

So wie es Österreich offenbar macht, dass es nämlich im Inland eine höhere Inzidenz gibt – in Wien beträgt sie ungefähr 200, österreichweit ungefähr 300; wir alle hoffen, dass sie noch deutlich gesenkt werden kann – und man dann sagt, ein Land gilt als Risikoland, wenn es dort eine nur halb so hohe Inzidenz gibt wie hier oder eine um zwei Drittel niedrigere, ist das nicht konsistent. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Eine wesentliche Komponente bei dieser Risikoländerliste ist, dass es ein regelmäßiges Update gibt. Im Sommer hat das gut funktioniert, da hat es teilweise wöchentliche Up­dates bei der Einteilung der Liste der Risikoländer und der sicheren Herkunftsländer für die Einreise gegeben. Das letzte Update, das es in Österreich gegeben hat, war am 15. Oktober; ich habe es mir gerade angeschaut. Das bedeutet, negative Entwicklungen, die es leider in vielen, auch europäischen Ländern gegeben hat, sind darin nicht abge­bildet.

Wenn diese neue Einreisebeschränkung funktionieren soll und wenn sie konsistent sein soll, dann kann es natürlich nicht so sein, dass man jetzt eine Risikoländerliste macht, die dann bis 7. Jänner unverändert gelten soll, sondern dann braucht es wöchentliche Updates und eine dynamische Anpassung an die österreichischen Inzidenzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zuletzt komme ich noch zu einem Punkt, den wir kritisch sehen: zu den wirtschaftlichen Aspekten. Bei den neuen Maßnahmen fehlt weiter die Planbarkeit für die Unternehmerin­nen und Unternehmer. Da hat es die Bundesregierung in neun Monaten nicht geschafft, einen langfristigen Plan auf den Tisch zu legen. Die Menschen müssen heute wissen: Wie müssen die Kennzahlen aussehen, damit aufgesperrt werden kann? Wann bleiben Betretungsverbote? Unter welchen Bedingungen kann geöffnet werden? – Es braucht Planbarkeit, die über sieben oder 14 Tage hinausgeht.

NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn hat in der vergangenen Woche drei Sze­narien für die heimische Wirtschaft, insbesondere für die Gastronomie sowie die Touris­mus- und Freizeitwirtschaft, präsentiert. Auch für diese Branchen hat die Regierung bis dato wenig beziehungsweise keine Planbarkeit geschaffen. Worauf man dabei auf kei­nen Fall vergessen darf: Das sind diejenigen Branchen, die zwar keinen Betretungsver­boten unterliegen, die aber keinen Umsatz machen – Stichwort Reisebüros.

Das Fazit ist: Die Bundesregierung vermittelt den Eindruck eines Schachspielers, der nicht weiter als bis zum nächsten Zug denkt. Sie vermittelt nicht nur Soundbite-Hiobsbot­schaften, sondern auch keine mittel- und langfristigen Perspektiven.

Die erratischen, Medienlogiken folgenden Einzelmaßnahmen, wie die Massentestankün­digung, sind kontraproduktiv für das gemeinsame Durchstehen dieser Krise. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

17.46


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundes­rat Andreas Arthur Spanring. – Bitte, Herr Kollege.


17.46.52

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundeskanzler! Werte Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Lassen Sie mich ganz kurz auf Kollegen Himmer replizieren: Wenn Sie sich da herausstellen und sich über die Art mokieren, wie manche Bundesräte etwas vortragen, und dann selbst einen Dialekt nachmachen und verspotten oder sich darüber lustig machen, dass der Herr Bundesrat scheinbar seine Eltern eingesperrt hat (Bun­desrat Seeber: Lustig hat er sich nicht gemacht! Das stimmt überhaupt nicht!), dann könnte ich jetzt anschließen und fragen, ob Sie einen Kasperl gefrühstückt haben. Das tue ich aber nicht, weil es keinen Sinn hat. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 150

Sie haben aber eine Frage gestellt, die sehr wichtig war und die mich auch zum Nach­denken gebracht hat, nämlich: Was sollen die Ziele von Bundeskanzler Kurz sein? – Ich kann Ihnen das ungefähr beantworten. Man muss es vielleicht sogar ein bisschen weiter sehen: Was ist immer das Ziel der ÖVP, nämlich ein ganz einfaches Ziel? – Das Ziel ist, die eigene Klientel und die ÖVP-Freunde zu bedienen und sich selbst damit finanzielle Vorteile zu verschaffen.

Das ist, einmal kurz zusammengefasst, das, wofür die ÖVP steht. (Zwischenruf des Bun­desrates Himmer. – Bundesrat Seeber: Das ist eine Unterstellung! Unterstellung!) – Sie brauchen auch nicht herauszuschreien. Sie haben ja Glück, Sie haben politische Immu­nität, Herr Kollege Himmer. Es kann Ihnen ja gar nichts passieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Alle anderen sind der ÖVP dann wieder wurscht.

Weil der Herr Bundeskanzler das am Anfang beim Thema Intensivbetten angesprochen hat: Ja, das stimmt: Bei den Intensivbetten gibt es immer wieder das Problem, dass es zu wenige sind. Das gab es in der Vergangenheit, in den letzten Jahren, 2017, 2018, doch da war es wurscht, da hat es niemanden interessiert. Ich kann mich erinnern, da gab es sogar vereinzelt Kritik aus den eigenen Reihen, aber da war es egal.

Jetzt, da es dienlich ist und da es in die Regierungspolitik hineinpasst – und ich sage Ihnen, das in der Regierungspolitik zu verwenden, ist schändlich –, jetzt auf einmal sind Ihnen die Intensivbetten nicht mehr egal. Es gibt aber inzwischen nicht mehr diesen Überbelag.

Wenn Sie von Vorarlberg reden: Ja, klar, wenn es in ganz Vorarlberg nur acht Intensiv­betten gibt, kann ich mir ganz gut vorstellen, dass die relativ schnell besetzt sind. Dann muss man halt als Politiker einmal reagieren und nicht im Budget für die nächsten Jahre Hunderte Millionen Euro bei der Gesundheit einsparen, sondern ein bisschen Geld in die Hand nehmen und in die Gesundheit investieren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Eines auch ganz allgemein gesprochen: Bitte hören Sie einmal auf, Menschen, die eine andere Meinung als Sie haben, pauschal zu diffamieren! Wir wissen eh, dass es dieses Virus gibt. Wir wissen auch um die Gefährlichkeit, besonders für manche Risikogruppen. Wir wissen aber auch, dass diese von der Regierung gesetzten Maßnahmen in über­haupt keinem Verhältnis zur Gefährlichkeit des Virus stehen. (Bundesrätin Eder-Gitsch­thaler: Wer sagt das?)

Auch wenn Sie der Meinung sind, dass Ihre Meinung von Gott gegeben ist – nach dem Motto: Amen!, wie es die ÖVP gerne sagt –, ist es leider so: Ihre Meinung ist nicht von Gott gegeben. Darum kann ich Ihnen weiters gleich sagen: Sars-CoV-2, Covid-19 ist auch keine Glaubensfrage. Warum bezeichnen Sie immer andere, die Kritik an Ihren Maßnahmen üben, als Coronaleugner? Das ist keine Glaubensfrage. Sie verstehen da nur einiges falsch.

Kritik kommt von uns an den von der Regierung gesetzten Maßnahmen. Wir kritisieren Ihre Angstmacherpolitik und Ihre Geldvernichtungspolitik. Wir kritisieren Ihre Unehr­lichkeit, und wir kritisieren Ihre Politik der Salamitaktik, nämlich dass Sie immer scheib­chenweise ein bisschen etwas preisgeben, aber nie mit der ganzen Wahrheit herausrü­cken.

Da kann ich auch auf Kollegen Schreuder replizieren, der von den Pressekonferenzen gesprochen hat: Ja, Pressekonferenzen können wichtig und gut sein, wenn man dort Informationen kriegt, die etwas bringen. Wenn man aber eine Pressekonferenz macht, bei der man ankündigt, dass man etwas ankündigt, und dann bei der Pressekonferenz Dinge sagt, die am Dienstag darauf gar nicht mehr stimmen und ganz anders umgesetzt werden, wozu wirft man dann so viel Geld für eine Pressekonferenz hinaus? (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 151

Das Ganze, meine Damen und Herren, sind ja vollkommen durchschaubare Politspiel­chen, die sich auf jeder Ebene immer gleich abspielen. Das beginnt bei der kleinsten Kommune. Wenn man dort die Regierenden kritisiert, dann schreien immer alle gleich auf: Ein Wahnsinn! Die machen die Gemeinde schlecht.

Niederösterreich ist dafür das beste Beispiel. Wenn ich dort die ÖVP kritisiere, dann mache ich angeblich Niederösterreich schlecht, und wenn ich jetzt hier die Maßnahmen der Regierung kritisiere, dann mache ich angeblich gleich ganz Österreich schlecht. – Nein, meine Damen und Herren!

Wenn ich so etwas höre – und weil ich so etwas schon oft miterlebt habe –, bleibt mir eigentlich nur mehr eine Frage: Ist da der Größenwahn ausgebrochen? Sie sind weder eine Gemeinde, noch sind Sie Niederösterreich, und schon gar nicht sind Sie Österreich (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner), sondern Sie sind der Kanzler, und Sie sollen das Beste für unser Land herausholen, das Beste für unsere Bevölkerung. Leider tun Sie im Moment genau das Gegenteil. Das Einzige, was Sie samt Ihren Mitregenten herausholen – und ich habe vorhin schon begonnen, es zu sagen –, ist das Beste für die ÖVPler, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Es ist nicht lange her, dass als Zeugnis des vergifteten Koalitionsklimas – und mit Si­cherheit war es eine Retourkutsche der Grünen – ein Papier an die Öffentlichkeit ge­langte, in dem protokolliert war, dass Sie, Herr Kanzler Kurz, den Österreichern ganz bewusst Angst machen wollen, Angst, um die Bürger leicht steuern zu können, Angst, um sie zu Untergebenen zu machen, und ja, Angst, um den Widerstand im Keim zu ersticken.

Sie haben zahlreiche gut angefütterte Gehilfen bei den Medien, welche nahezu gleich­lautend alles schreiben, was dieser Regierung irgendwie helfen könnte, und die ande­rerseits alles verschweigen, was dieser Regierung irgendwie schaden könnte, die Sie sogar unterstützen, wenn Sie die Schraubzwinge immer mehr spannen und enger und enger stellen.

Warum sind die Menschen heute so verunsichert, wie sie es sind, meine Damen und Herren? – Weil Ihre Gesetze und auch Ihre Verordnungen genauso oft falsch und ungül­tig waren wie manche angeblichen Coronafakten in den gekauften Medien. Die Men­schen draußen können gar nicht mehr zwischen dem, was stimmt, und dem, was nicht stimmt, unterscheiden. Was sind echte News und was sind Fakenews?

Die Menschen wissen auch nicht, was in den Verordnungen steht. Es gibt nur mehr An­kündigungen und Verordnungen, und bis heute ist niemandem klar: Was gilt tatsächlich?

Nur ein Beispiel: Ich glaube, laut der letzten Verordnung müsste es sogar so sein, dass sie von den fünf Gründen her gar nicht zu den Massentests gehen dürften. Nur so viel dazu – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Bader: Stimmt nicht!)

Eines kann ich Ihnen auch sagen: Diese Politik mit der Angstkeule – und nichts anderes ist es –, diese Politik ist schändlich, Herr Bundeskanzler.

Wären die Grünen jetzt nicht zufällig in der Regierung, in einer Koalition, dann weiß ich, wie Sie hier heraußen den Verlust der demokratischen Rechte der Bevölkerung bekla­gen würden, doch jetzt, da Sie am Futtertrog sitzen, meine Damen und Herren von den Grünen, schweigen Sie ganz ruhig und machen jede Schweinerei mit. So schaut’s aus. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Seeber: Na, na, na! Hallo! Hallo! Da gehört ein Ord­nungsruf her!) – Na ja, dass man von Futtertrog zu diesem Wort kommt, ist, glaube ich, kein großer Sprung.

Jeder Systemkritiker, meine Damen und Herren, und sei er noch so professionell in seiner Expertise, wird diffamiert und als Covidiot hingestellt. Genau da sind wir. Als Idiot


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wird man hingestellt, wenn man eine andere Meinung hat und die Regierung kritisiert. Jeder, der nicht im Mainstream mitschwimmt, wird öffentlich fertiggemacht, damit es nur ja keine Nachahmer gibt, damit nicht vielleicht auch der Nächste sich traut, etwas zu kritisieren.

Da könnte man jetzt unzählige Namen aufzählen, meine Damen und Herren. Stellver­tretend für all diese möchte ich einen einzigen nennen – ich glaube, er ist den meisten hier herinnen bekannt –, das ist Professor Dr. Sucharit Bhakdi, ein wirklich sehr guter, ja ausgezeichneter Experte in seinem Fach. Das war er immer, doch seitdem er es gewagt hat, die Regierungsmaßnahmen zu kritisieren – nicht nur bei uns –, wurde er vom Ge­achteten zum Geächteten. So schnell geht es.

Das geht dann sogar so weit, dass in manchen Berichten nicht einmal mehr seine aka­demischen Titel genannt werden. Da ist er dann auf einmal nur mehr der Bhakdi. – Ja, meine Damen und Herren, wo sind wir? Das erinnert ja an die dunkelsten Zeiten, das hat es in der Geschichte doch schon einmal gegeben. Da sage ich hier heraußen – vor allem für Sie, liebe Grüne –: Wehret den Anfängen! (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

Gott sei Dank, meine Damen und Herren, gibt es sehr wohl noch Medien, die kritisch berichten. So schrieb zum Beispiel Christian Dorer, der Chefredakteur der Blick-Gruppe in der Schweiz (Bundesrat Schreuder: Wie heißt die?) – die Blick-Gruppe in der Schweiz; Christian Dorer ist der Chefredakteur –: „Fliesst in den Adern der Österreicher immer noch Untertanenblut“ – daher kommt übrigens das Wort Untertanen – „wie in den Jahrhunderten der ‚kaiserlichen und königlichen Monarchie‘, dass sie sich die rigiden Massnahmen widerspruchslos gefallen lassen?“ Weiters schreibt er: „Jedenfalls können wir in der Schweiz derzeit froh sein, dass wir nicht von einem Bundeskanzler namens Kurz regiert werden!“ (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Das war im März!)

Meine Damen und Herren! Ich bin gegen Diphterie geimpft, gegen Tetanus, gegen Polio, Masern, Mumps, Röteln, gegen alles, wogegen man sich halt so impfen lassen kann. Ich bin auch gegen FSME geimpft, und weil ich im Gefängnis gearbeitet habe, bin ich auch gegen Hepatitis geimpft. Also man kann mir sicher viel vorwerfen, aber nicht, dass ich ein Impfgegner wäre.

Es gibt sehr viele sinnvolle und gut erprobte Impfungen, doch sogar da kann es trotzdem, wenn auch sehr selten, zu Impfschäden kommen. Was ich ganz sicher kann: von mei­nem jetzigen Wissensstand aus sagen, dass ich mich in den nächsten Jahren, komme, was wolle, mit Sicherheit nicht gegen Covid impfen lassen werde. Ich werde Ihnen gerne sagen, warum: weil meines Erachtens dieser Impfstoff dafür einfach viel zu wenig ge­testet ist, seine eventuellen Spätfolgen zu wenig erforscht sind. Ich verurteile aber nie­manden, der sich impfen lassen möchte, und ich rate auch niemandem, dass er sich nicht impfen lassen soll. Das ist die freie Entscheidung jedes Menschen. Es muss jeder Mensch frei entscheiden können, ob er heute ein Medikament zu sich nimmt, ob er sich heute impfen lässt oder auch nicht. Einen Impfzwang darf es nicht geben. (Beifall bei der FPÖ.)

Darum, Herr Kanzler, fordere ich Sie heute hier auf, Farbe zu bekennen und zu versi­chern, dass eine Impfpflicht bei uns in Österreich ausgeschlossen ist, dass jene Men­schen, die sich nicht impfen lassen wollen, keine Nachteile haben, auch nicht durch die Hintertür, weil sie dann irgendetwas nicht dürfen, wenn sie nicht geimpft sind. Das erwarte ich mir hier und heute von Ihnen, Herr Kanzler. Wenn Sie das nicht tun, ja, dann ist mir eines klar: dass Sie doch im Geheimen eine Impfpflicht planen. Sie haben ja auch den harten Lockdown wochenlang bestritten. Sie haben wochenlang gesagt, nein, das ist ausgeschlossen, das kommt nicht, und dann haben Sie ihn trotzdem durchgezogen, und das trotz sinkender Zahlen bereits vor dem Lockdown. (Präsidentin Eder-Gitsch­thaler übernimmt den Vorsitz.)


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Leider sieht für mich alles so aus, als würden Sie tatsächlich eine Impfpflicht planen. Warum? – Sie haben im Lockdown noch einmal, am vorigen Freitag, die Maßnahmen verschärft. Ich habe mir dann überlegt: Warum hat der Herr Bundeskanzler die Maßnah­men im Lockdown noch einmal verschärft?

Ich habe mir die Siebentageinzidenz angeschaut. – Nein, die kann es nicht gewesen sein, weil die zu diesem Zeitpunkt schon rückläufig war.

Dann habe ich mir gedacht: wegen der Intensivbetten. – Nein, die Intensivbetten waren es auch nicht, weil die sich in der Zwischenzeit bei 60 Prozent Belegung österreichweit eingependelt haben.

Dann habe ich mir gedacht: Vielleicht liegt es an den Neuansteckungen. – Nein, auch an den Neuansteckungen kann es nicht gelegen sein, weil auch die seit knapp drei Wo­chen rückläufig sind.

Dann habe ich mir gedacht: Okay, vielleicht liegt es an der Übersterblichkeit 2020. – Doch nein, auch daran kann es nicht liegen, weil es 2020 keine Übersterblichkeit gibt, das Gegenteil ist der Fall.

Also was kann der Grund für diese Nachschärfungen gewesen sein? – Dann ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen: Es gibt nur einen einzigen Grund, nämlich dass Sie eine Drohgebärde brauchten, weil die Impfbereitschaft in Österreich laut Umfragen rückläufig ist. Da mussten Sie die Schraubzwinge wieder mehr spannen, die Schraub­zwinge der Angst wieder ein bisschen enger stellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn diese Impfung tatsächlich hilft – und ich wünsche mir, dass diese Impfung erfolgreich ist, dass sie keine Nebenwirkungen hat –, ja dann ist die Impfpflicht sowieso hinfällig, weil sich die Menschen, wenn sie von einer Impfung über­zeugt sind, ja eh alle freiwillig impfen lassen. Also wozu braucht es eine Impfpflicht?

Vielleicht lasse ich mich bald impfen, wenn die Impfung gut ist. Wenn sie so gut ist, dann lasse ich mich überzeugen, dann lasse ich mich auch impfen. Wenn Sie aber so agieren, wie Sie jetzt agieren, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass immer mehr Men­schen das Vertrauen in Sie und natürlich auch in Ihre Maßnahmen verlieren und von dieser Impfung Abstand nehmen und auch Angst vor möglichen Impfschäden haben.

Wir wissen nicht, Sie wissen nicht und auch die Experten wissen nicht, ob dieser Impf­stoff das neue Penicillin oder das neue Contergan sein wird. Wir sind generell gegen eine Impfpflicht, aber in diesem Fall sind wir es aufgrund dessen, dass man nicht weiß, was kommt, im Speziellen.

Ja, es gibt auch unzählige Experten, die ganz anderer Meinung zum Thema Impfung sind als die Experten, die Sie zurate ziehen. Ich kann Ihnen zum Beispiel Dr. Michael Yeadon – ich weiß nicht, ob ich den Namen richtig ausspreche – nennen. Das ist der ehemalige Vice President und Chief Scientific Officer von Pfizer. Die Firma ist, glaube ich, bekannt. Er sagt wortwörtlich: „Es gibt absolut keinen Bedarf an Impfstoffen, um die Pandemie zum Erlöschen zu bringen. Ich habe noch nie einen solchen Unsinn gehört.“ Das steht in einem Artikel vom 16. Oktober 2020 auf lockdownsceptics.org.

RTL Deutschland berichtet zur Impfung: „Doch es habe auch schwere Nebenwirkungen gegeben, die bei mehr als 2 Prozent der Probanden aufgetreten seien, wie Biontech und Pfizer in einer Pressemitteilung schreiben.“

Langzeitwirkungen der völlig neuartigen genbasierten Impfung sind unbekannt. Das heißt, man weiß nicht, was kommen kann.

Der RKI-Chef selbst, der Präsident des Robert Koch-Instituts Lothar Wieler, sagt wörtlich in einem Interview – das habe ich nicht einmal herauskopieren können, sondern ich habe


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es selbst niederschreiben müssen, weil es das Interview verschriftlicht nicht gibt – hören Sie zu! –: „Also wir gehen alle davon aus, dass im nächsten Jahr Impfstoffe zugelassen werden.“ Weiters sagt er: „Wir wissen nicht genau, wie die wirken, wie gut die wirken, was die bewirken, aber ich bin sehr optimistisch, dass es Impfstoffe gibt.“ – Meine Da­men und Herren, seien Sie mir nicht böse: Das ist nicht sehr vertrauenerweckend.

Es gibt auch einen interessanten Artikel aus den USA. Da gibt es die US-Zulassungsbe­hörde, die FDA, die Food and Drug Administration – die hat auch einen deutschen Be­zug –, die hat zwischen 2010 und 2014 lediglich 10 Prozent aller angemeldeten Arznei­mittel und Impfstoffe im Jahr zugelassen, nur 10 Prozent. Da waren regelmäßig auch Hoffnungsträger dabei, die gescheitert sind.

Wir haben es heute, zu Sars und Mers, schon einmal gehört. Da geht es um eine andere Krankheit: Es scheiterte „zuletzt eine Impfung gegen das Dengue-Fieber: 20 Jahre For­schung und Milliarden Dollar Forschungsgelder steckten in dem Projekt, etwa 100.000 Kin­der in Puerto Rico wurden geimpft. Doch es gab ein gewaltiges Problem. Die Impfung vergrößerte das Risiko, im Falle einer Infektion eine womöglich lebensgefährliche Kom­plikation zu entwickeln. Bekannt wurde diese aber erst nach“ der Zulassung des Impf­stoffes. Das heißt, viel später hat man das dann erst herausgefunden.

Nun zu einem sogenannten Experten, auf den sich ganz Deutschland und leider auch teilweise Österreich verlässt: Das ist Christian Drosten – dieser Name ist, glaube ich, auch bekannt. Er ist 2009 schon einmal massiv danebengelegen, er hat nämlich die Gefährlichkeit der Schweinegrippe damals um ein Hundertfaches überschätzt, und dann hat er zu einer Impfung geraten, die Tausende Impfschäden nach sich gezogen hat. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Nein, das sind alles Fachartikel, Herr Schreuder. Sie könnten einmal etwas anderes tun. Lesen Sie einmal etwas!

Ich höre an dieser Stelle mit den Artikeln auf, obwohl es noch viele weitere Artikel gäbe.

Noch einmal: Jeder, der sich impfen lassen will, soll das tun, das sei ihm unbenommen. Am besten ist – und das meine ich jetzt nicht einmal mit Sarkasmus, sondern das meine ich ehrlich –, diese Regierung geht mit gutem Beispiel voran. An die Regierung samt ihren Regierungsparteien ÖVP und Grüne: Machen Sie es öffentlichkeitswirksam! Ma­chen Sie eine Pressekonferenz! Stellen Sie sich hin und lassen Sie sich impfen! Das wäre ein gutes Beispiel, damit würden Sie Vertrauen schaffen. Wenn Sie von der Imp­fung so überzeugt sind, kann ich mir nicht vorstellen, dass das ein Problem ist. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Seeber.) Fakt ist: Für uns Freiheitliche ist ein Impfzwang ausgeschlossen.

Schließen möchte ich mit einer Herzensangelegenheit. – Jetzt habe ich leider mein tolles Schild vergessen.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Bitte kommen Sie zum Schlusssatz! Die Redezeit von 20 Minuten ist aus.


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Die ist so schnell vergangen. (Bun­desrätin Zwazl: So schnell! So schnell!)

Ich habe ja schon gesagt: Schließen möchte ich. – Das heißt ja, dass es schon dem Ende zugeht.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich bitte um den Schlusssatz.


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Bei der Herzensangelegenheit geht es darum, dass Sie unseren Kindern Masken aufsetzen: Lassen Sie diesen Unsinn! Setzen Sie unseren Kindern keine Masken auf! Hören Sie auf, unseren Kindern die Luft abzuschnüren, und lassen Sie unsere Kinder endlich wieder frei atmen! (Beifall bei der FPÖ.)

18.07



BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 155

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.07.47

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, die Sie uns heute bei dieser Dringlichen Anfrage begleiten! Ich möchte mit einem Zitat von Reinhard Haller, dem Psychiater, den Sie alle kennen, beginnen. Es gab im „Kurier“ vom 1.11. ein Interview mit ihm, und er wurde dabei auch gefragt, was er zu den Demonstrationen der Coronaskeptiker sagt. Ich zitiere: „Warum lässt sich eine gewisse Menschengruppe trotz steigender Infektionszahlen nicht vom Ernst der Lage überzeugen?“, war die Frage, und die Antwort des Psychiaters Reinhard Haller war – ich zitiere wieder –: „Ich als Psychiater nenne diese Gruppe die paranoiden Menschen.“ – Zitatende.

Was paranoide Menschen sind, möge jeder für sich einmal nachlesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind es gewohnt, dass die Kollegen von den Freiheitlichen das eine oder andere Mal in ihrer Wortwahl nicht zimperlich sind und oftmals den Bogen des Erträglichen überspannen. Das ist heute hier herinnen ganz ein­deutig geschehen. Lieber Herr Kollege Christoph Steiner – neu in der Funktion des Frak­tionsobmanns –, eine harte Auseinandersetzung wünsche ich mir, eine harte Auseinan­dersetzung auf sachlicher Ebene führen wir, aber Herabwürdigungen und persönliche Beleidigungen weise ich zurück, und ich erwarte mir auch eine Entschuldigung dafür, dass du den Herrn Bundeskanzler und die Regierung mit dem Dollfuß-Regime der Stän­destaatsdiktatur vergleichst. Das ist dieses Hauses nicht würdig. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Lieber Kollege Steiner, das hat mit einer lebendigen Debatte nichts zu tun. Auf dem persönlichen Angriffsniveau haben wir hier herinnen nicht miteinander umzugehen!

Das Zweite: Es sind hier jetzt Monologe gehalten worden, so hat etwa Kollege Spanring über 20 Minuten lang doziert. Ich möchte nur zwei Unwahrheiten klarstellen. Erstens: Die Behauptung, in Vorarlberg gebe es nur acht Intensivbetten, ist falsch. Es gab vor der Krise 63 Betten, und sie wurden jetzt auf 71 aufgestockt. Das ist einmal das eine. Der zweite Punkt, den ich hier auch als infame Unterstellung Richtung ÖVP zurückweisen möchte, sind Ihre Anschuldigungen dazu, was die Ziele des Herrn Bundeskanzlers und der ÖVP bei unserer Arbeit für dieses Land sind.

Das Dritte, das tatsächlich zu berichtigen ist, ist, dass es keine Übersterblichkeit gibt. Es gibt tatsächlich eine solche. Wir haben eine Übersterblichkeit von 58 Prozent über dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Das ist in den letzten Wochen das Thema. (Bun­desrat Steiner: Da nimmt man einmal fünf Jahre, einmal sechs, einmal zehn! – Zwi­schenruf des Bundesrates Ofner.)

Sie reden immer davon, dass Verunsicherung betrieben wird. Dabei sind Sie diejenigen, die in dieser Republik Verunsicherung betreiben, indem Sie nämlich unterstellen, dass Impfstoffe, die in Europa nach ganz, ganz strenger Prüfung – der strengsten weltweit – zugelassen sind, das neue Penicillin oder auch das neue Contergan sein könnten. Sie verunsichern damit die Leute, und das ist klar und deutlich zurückzuweisen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Maßnahmen, die in diesem Land von der Regierung in ihrer Verantwortung gesetzt werden, machen niemandem Freude. Es ist eigentlich schäbig, sich hierherzustellen und so zu tun, als wäre dem Herrn Bundeskanzler beziehungsweise der Bundesregierung nichts lieber, als diese Maßnahmen zu verordnen. (Bundesrat Steiner: Das kommt mir aber schon so vor!) Diese Maßnahmen machen uns allen keine Freunde. Das gilt für Sie


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als Opposition, das gilt für uns, die wir in Regierungsverantwortung sind, und auch für die Menschen draußen, doch die Pandemie macht diese Schritte nun einmal erforderlich.

Es lässt sich natürlich trefflich darüber streiten: zu harte Maßnahmen, zu weiche Maß­nahmen, zu schnell, zu langsam, zu früh, zu spät. Es lässt sich darüber streiten, ob Schulen offen gelassen werden sollen. Schulen für die Betreuung der Kinder sicherzu­stellen, das war das Ziel. Es lässt sich darüber streiten, ob Schüler Maske tragen sollen oder nicht, über Fernunterricht ja oder nein, hin und her. Ja, darüber lässt sich streiten, aber gewisse Dinge in den Raum zu stellen und die Menschen dadurch zu verunsi­chern – so hat etwa Ihre Gesundheitssprecherin, eine Ärztin, gesagt, und das ist für mich Realitätsverweigerung, dass der Lockdown nicht notwendig war und die Masken nichts bringen –, das ist unverantwortlich! Es ist unverantwortlich, was Sie hier treiben! (Bun­desrat Ofner: Es ist medizinisch erwiesen!)

Liebe Kollegen, ich möchte noch einmal aus einem Artikel zitieren, in dem es um die Masken geht. Es ist „kein politisches Statement“, es ist ein soziales Statement, das Sie mit der Verweigerung der Maske hier abgeben. Es ist eine Haltung der Rücksichtslo­sigkeit anderen Menschen gegenüber. Nirgendwo wurde behauptet, dass die Maske einen selbst schützt, nein, sie schützt immer die anderen. (Zwischenruf des Bundesra­tes Ofner.)

Es gibt noch etwas, das ich Ihnen ins Stammbuch schreiben möchte: Sie reden hier immer von Grundrechten. Ja, wir alle stehen zu den Grundrechten der Menschen, keine Frage. Diese Grundrechte sind wichtig, aber ein Grundrecht gibt es nicht, nämlich ein Grundrecht auf Ansteckung anderer Menschen. Das sei Ihnen auch einmal ins Stamm­buch geschrieben! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Seeber: Richtig!)

Einer Regierung und dem an ihrer Spitze stehenden Bundeskanzler, die sich in dieser Pandemie sehr beherzt und engagiert dafür einsetzen, dass Menschenleben gerettet werden, dass das Gesundheitssystem nicht überfordert wird und dass Arbeitsplätze bestmöglich abgesichert werden – mich wundert es ja, dass ihr noch nicht kritisiert habt, dass die Kurzarbeit in diesem Land Kurzarbeit heißt (allgemeine Heiterkeit), dass ihr euch daran noch nicht gestoßen habt –, einer Regierung, die sich für die Unternehmer in diesem Land einsetzt und zur Bewältigung dieser außerordentlichen Pandemie bei­trägt, vorzuwerfen, dass sie „unsere Republik zu Grabe“ trägt, wie das Kickl getan hat, oder ihr totales Versagen vorzuwerfen, das ist letztklassig, das ist unerhört und entlar­vend! (Bundesrat Spanring: Wenn die ÖVP was sagt, ist es voll in Ordnung, aber sel­ber ... wehleidig!)

Das ist nicht das, was das Wahrnehmen von Verantwortung in dieser Republik bedeutet. Das ist Totalopposition – und dort können Sie bleiben. Die Wählerinnen und Wähler ha­ben Sie bei der letzten Wahl ja dorthin gesetzt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte an dieser Stelle die Menschen, die Bevölkerung einladen, an der Flächen­testung teilzunehmen. Ich bitte die Bevölkerung darum. Je früher nämlich asymptoma­tisch infizierte Menschen in unserem Land identifiziert werden, desto eher können wir diese Pandemie handeln und entsprechend bewältigen. Tests sind aber kein Freibrief, auch das möchte ich klarstellen. Auch nach einem negativen Test müssen wir weiterhin verantwortlich handeln, und es werden weitere Tests durchgeführt werden müssen.

Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen in den Gemeinden. Wir bereiten das gut vor, und wir haben auch in den Bundesländern schon viele Maßnahmen getroffen. Trotz­dem wird hier herinnen leider teilweise gegeifert – wegen der einen oder der anderen Panne, die es natürlich gibt, darüber brauchen wir gar nicht zu reden (Zwischenrufe bei der SPÖ), wie gestern bei der Testungsanmeldung –, da wird sofort der Bundeskanzler als der Schuldige hingestellt. Da geht es, das ist mein Eindruck, nur um Regierungsba­shing, um Bundeskanzlerbashing!


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Keiner kommt auf die Idee, einmal zu sagen, was der Grund für die Überlastung dieses Systems war: Eine Person hat das System mutwillig – und ich sage: böswillig – aus­genutzt und einen ganzen Tag gebucht, sodass sich andere da nicht einbuchen konnten. Das ist unverantwortlich, und das ist nicht der Herr Bundeskanzler gewesen! (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich danke der Regierung für die engagierte Arbeit, die sie leistet. Das ist das Wahrneh­men von Verantwortung und zeugt von Kompetenz! Damit möchte ich auf die Aussage von Herrn Ofner zurückkommen. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Das, was Sie hier abliefern, vor allem Sie, liebe Kollegen von den Freiheitlichen, ist eine sehr maue und sehr unwürdige Vorstellung. (Zwischenruf des Bundesrates Schen­nach.) Auf diese brauchen Sie wahrlich nicht stolz zu sein. Nützen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, den Advent dazu, wozu er gedacht ist: zur Besinnung! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.17


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring zu Wort gemeldet. – Ich weise auf die entsprechenden Vorschriften hin und bitte Sie, diese einzuhalten.


18.17.48

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Kollegen! Herr Bundesrat Bader hat in seiner Rede behauptet, es gebe in Österreich eine hohe Übersterblichkeit. Ich berichtige tat­sächlich: Das ist falsch.

Das, was Sie meinen, ist ein Artikel von vor sechs Tagen, in dem gestanden ist, dass es jetzt, in einem kurzen Zeitraum von ein paar Tagen, im Vergleich eine Übersterblichkeit gab. Die Jahressterblichkeit ist nicht höher. (Beifall bei der FPÖ.)

18.18


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.18.27

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Ich habe den Fraktionsvorsitzenden der türkis-schwarzen Fraktion hier sel­ten so weinerlich erlebt. Normalerweise ist er ja ein gestandener Mann, jetzt wirkte er aber doch sehr weinerlich.

Warum wird der Bundeskanzler kritisiert? – Da muss man einmal ein bisschen die Augen frei machen. – Der Bundeskanzler hat sich seit der Pandemiekrise selbst als der Krisen­manager inszeniert. Die Kritik geht an den Krisenmanager. Ob er es nun ist oder sich als solcher nur inszeniert, ist eine andere Frage.

Zuerst wollte ich mich aber noch kurz an Harry Himmer wenden: Dass ich mich bei deiner Rede zweimal bemerkbar gemacht habe, war – nur, um es den anderen zu sagen – nicht etwa aus Respektlosigkeit. Wir haben, glaube ich, schon zehn Jahre hier im Bundesrat gemeinsam gefochten oder konstruktiv gearbeitet. Insofern war es keine Erstrede, in die man nicht hineinrufen darf. Harry Himmer – ich kenne ihn schon lange – hält das aus und freut sich immer, wenn er ein paar Zwischenrufe bekommt. – Und den letzten hast du ja extrem gut bewältigt. (Heiterkeit.)

Herr Bundeskanzler, ich weiß nicht, wie Sie denken – ich glaube, wir haben uns privat einmal bei einem Ganslessen beim Pfarrwirt gesehen, jeder mit seiner Familie, das ist beim Ganslessen so, und ein zweites Mal in Straßburg, als Österreich den Vorsitz


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hatte ‑, es muss Ihnen aber in den letzten Tagen und Wochen doch irgendwie merkwür­dig vorgekommen sein, dass dieser extrem hohe Zustimmungswert vom März hinunter­purzelt. Damals lag er bei 80 Prozent, jetzt ist er wesentlich niedriger, wenn auch noch immer auf einer mehrheitlichen Höhe. Aber zum Beispiel die „Augsburger Allgemeine“ titelte: „Krisenmanager? Die Entzauberung des Sebastian Kurz“, und woanders hieß es: „Der Kanzler ist nackt“. Fragen Sie sich da nicht, was wohl schuld daran sein könnte?

Ich habe mir gestern auf Ö1 die Sendung „Punkt eins“ angehört. Es ging um Kommuni­kation, Botschaften, Menschen in der Politik und so weiter, und da haben Leute angeru­fen. Da hat ein 18-jähriger HTL-Schüler angerufen und sich für einen 18-Jährigen er­staunlich fundiert mit der Inszenierung auf Regierungsseite in der Pandemie ausein­andergesetzt. Er hat gesagt: Ich halte dieses – wie darf man es nennen? – virologische Quartett nicht mehr aus. Ich habe das die ersten zwei Monate angeschaut, und dann ist es more of the same.

Ich weiß ja nicht, wer da die Regie führt. Irgendjemand muss ja Regie führen, mögli­cherweise ist es der Innenminister, der, bevor die vier im Gleichmarsch hineinmarschie­ren, einzählt. Irgendwo muss jemand im Hintergrund ein Zeichen geben, damit akkurat auf die Sekunde jeder seine Maske deponiert. Das ist Inszenierung! Da will man etwas abholen, holt es aber nicht ab.

Ein Kabarettist – nein, kein Kabarettist, ich entschuldige mich –, ein Schriftsteller hat über diese Inszenierung geschrieben, ich glaube, das war eine Glosse im „Falter“, und er hat wahrscheinlich ganz vielen Menschen aus dem Herzen geschrieben. Meine Mutter ist 102 Jahre alt. Im März hat sie sich das noch angeschaut, im April, wenn sie zufällig den Fernseher eingeschaltet hatte, aber seither interessiert sie dieses Quartett im Fern­sehen nicht mehr. (Ja-Rufe der Bundesräte Ofner und Steiner.)

Ganz schlimm wird es, wenn das Quartett gewechselt wird und ein bestimmter Minister darunter ist, dann ist Seenot im Land, nämlich wenn Minister Faßmann dabei ist. Dann versteht niemand mehr etwas, weder Leute aus der Schulverwaltung noch Eltern oder Schüler.

Herr Bundeskanzler, an dieser Stelle haben Sie Handlungsbedarf! Jedes Mal, wenn Faß­mann irgendwo auftaucht, kommen Fragen, Telefonate, SMS, die lauten: Was hat er gemeint? Meint er das im Ernst? (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einen Satz gesagt, der der Demokratie in Deutschland und in ganz Europa enorm viel Labsal gebracht hat. Sie hat gesagt: All diese Maßnahmen sind eine Zumutung für die Demokratie!, und sie hat recht.

Herr Bundeskanzler, ich hätte gerne von Ihnen einmal einen solchen Satz gehört, mit dem Sie zum Ausdruck bringen, dass all diese Maßnahmen, die gesetzt sind, eine Ein­schränkung der bürgerlichen Freiheiten sind, eine Verletzung der Rechte des Kindes – nämlich des Rechtes auf Unterricht –, eine Verletzung der Würde älterer Menschen, die zum Beispiel selbst entscheiden wollen, wen sie noch treffen und welches Risiko sie eingehen, eine Verletzung der Würde von Menschen, die knapp vor dem Tode stehen. Das hätte ich mir gewünscht, aber das ist nie gekommen.

Es fehlt uns eine ganze Reihe von Regelungen. Alle sagen: Super, dass wir Homeoffice machen!, aber wo sind die arbeitsrechtlichen Grundlagen dazu? Wo sind die Klarheiten? Zum Beispiel war ich völlig überrascht darüber – aber vielleicht kann man mich da auf­klären –, dass in Deutschland ein Unternehmer bei Homeoffice das Recht hat, in die private Wohnung seines Arbeitnehmers oder seiner Arbeitnehmerin zu gehen, weil er ja nach dem Gesetz verpflichtet ist, den Arbeitsplatz zu besichtigen, um festzustellen, ob der auch tauglich ist! Gerade Homeoffice wirft also sehr viele arbeitsrechtliche Fragen auf, aber rien ne va plus, nichts ist!


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Weil mich die Frau Präsidentin so anschaut: Dazu heißt es immer, dass sich die Sozial­partner darum kümmern. Ich sage: Da sollte die zuständige Ministerin einmal mit Ideen in Vorlage treten, da doch so viele Menschen derzeit in Homeoffice arbeiten!

By the way, zu dieser interessanten Impfdebatte von vorhin: Ich weiß nicht, welcher un­glückliche Umstand dazu geführt hat, dass irgendwelche Verschwörungstheoretiker mei­ne E-Mail-Adresse haben, sodass bei mir pro Tag etwa drei E-Mails einlangen, in denen es heißt: Das Impfen ist Mord. Ich soll meine Kinder und Kindeskinder – Kindeskinder habe ich noch nicht, aber es steht da in den E-Mails – nicht impfen lassen, denn ich würde sie dadurch ermorden.

Irgendwie ist uns allen klar, dass wir, wenn der Impfstoff da ist, eine hohe Durchimp­fungsrate in der Bevölkerung brauchen. Das soll natürlich freiwillig erfolgen, aber dafür muss man werben, und dazu muss man nicht in der üblichen Quartettshow auftreten.

Ich habe im Fernsehen sehr lange der nicht gerade sehr erfolgreichen früheren Bundes­ministerin Bogner-Strauß zugehört, die heute Gesundheitslandesrätin in der Steiermark ist. Immer wieder wurde sie gefragt: Was werden Sie in der Steiermark tun?, und sie hat immer gesagt: Das ist die Kommunikation, das ist Bundessache. – Ich muss sagen, bei der derzeitigen Akzeptanz dieser Bundeskommunikation des virologischen Quartetts wird die Rate wohl kaum über 50 Prozent liegen, wenn da nicht eine entsprechende In­formation, eine entsprechende Bewerbung, ein entsprechendes Bemühen stattfinden.

Apropos Gesundheitslandesräte: Ich vermisse noch immer den Rücktritt des Gesund­heitslandesrates aus Tirol, der alles richtig gemacht hat – und alles falsch gemacht hat. Letzte Woche gab es im deutschen ZDF einen Jahresrückblick auf 2020. Dieser Jahres­rückblick hat so berührend angefangen, dass mir beim Zuschauen fast die Tränen ge­kommen sind, er hat nämlich mit Ischgl angefangen: Da saß ein junger Mann, dessen Vater knapp 51 Jahre alt war und keine Vorerkrankungen hatte. Der Vater war in Ischgl, und zehn Tage, nachdem er Ischgl verlassen hatte, war er tot. Dieser junge Mann hat all das erzählt.

Neben ihm saß eine Dame, 52 Jahre, die in Ischgl war, mit ihrem Mann dort gegessen hat – im Kitzloch gibt es ja auch etwas zum Essen, nicht nur zum Saufen – und danach zwei Monate im Koma lag.

Damit beginnt der Jahresrückblick 2020 im deutschen Fernsehen. Die erste Runde jener, die zurückgeblickt haben, das waren Hinterbliebene oder Opfer. Die Opfer wurden zu diesem Rückblick zum Teil von ÄrztInnen begleitet. Und nach wie vor gibt es in einem Bundesland einen Gesundheitslandesrat, der alles richtig gemacht hat! Ich glaube, der Schaden, den er angerichtet hat, ist enorm.

Dann darf man sich nicht darüber wundern, dass ein Parteifreund unseres Bundeskanz­lers im ZDF sagt: Ich weiß nicht, wer es bereitstellen soll, aber irgendjemand muss doch dafür sorgen, dass in Wien endlich Vernunft einkehrt! – Damit waren der Wintertouris­mus, das Skifahren und die Winterhotellerie gemeint.

Das heißt, wir haben Deutschland nichts entgegenzuhalten, außer Artikeln, dass Glanz und Glorie unseres Kanzlers am Schwinden sind.

Vorhin haben mir ja, glaube ich, Kollege Bader, aber auch andere – ah, Kollege Himmer auch – gesagt: Diskussion ist wichtig. – Ja, ja, Diskussion ist schon wichtig, aber hinter­fragen wir einmal, was da in letzter Zeit so diskussionswürdig war: Wie kann man sich 210 Millionen Euro für Werbung einstecken und einfach die Covid-Krise dafür ausnüt­zen? (Bundesrat Seeber: Steckt gar nicht was ein!) – Das ist unanständig, und dieses Geld hätte man für die Erhöhung des Arbeitslosengeldes nützen können. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Sie haben sich gestern oder vorgestern in der „ZIB 2“ heftig gewehrt, Herr Kanzler, man kann es ja auch nachschauen, aber was ich ganz unanständig finde: wenn man eine


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Kluft zu Menschen mit Migrationshintergrund bildet, die in die Heimat fahren, und die jetzt zu den Sündenböcken dafür macht, dass es zu einer zweiten - - (Bundesrat Seeber: Hat er nicht gemacht!) – O ja! (Bundesrat Seeber: Hat er nicht gemacht!) – Er behauptet das (Bundesrat Seeber: Stimmt so nicht!), man muss sich den Originalton anhören, dann weiß man, was gesagt wurde, außer man hält sich die Ohren zu und stellt sich taub.

Was ich auch interessant gefunden habe: Herr Kanzler, Sie haben in den letzten Tagen in einem Interview auch das Wort Ausgangssperre verwendet. Wir haben keine Aus­gangssperre! Wir sind ein demokratisches Land und haben keine Ausgangssperre. Wir haben Empfehlungen, was wir zu tun haben, über Hygiene, Abstand und Maske – Maske und entsprechende Hygiene sind jedem zumutbar –, aber wir haben keine Ausgangs­sperre. Ich glaube, ich habe hier schon einmal darüber referiert, dass ich im März im 19. Bezirk von der Polizei aufgehalten und gefragt wurde: Was wollen Sie? Es ist Aus­gangssperre. – Dann habe ich gesagt: Sie sind von Ihrem Minister rechtlich schlecht informiert, denn es gibt keine Ausgangssperre. – Er hat gesagt: O ja, wir haben Aus­gangssperre. – Ich habe gesagt: Schauen Sie, in meinem Auto ist eine Einkaufstasche. Ich fahre jetzt einkaufen, es gibt keine Ausgangssperre, und Sie sehen auch, dass ich – im Gegensatz zu Ihnen – eine Maske trage. Sie halten mich auf, und das ohne Maske. – Dann hat er noch zu mir gesagt: Lassen wir es gut sein, fahren Sie weiter! – Dann habe ich gesagt: Nichts lassen wir gut sein: Sie haben unrecht, und Sie rufen jetzt im Innen­ministerium an, damit Sie nicht den Nächsten nach mir aufhalten und sagen: Ausgangs­sperre, sofort nach Hause! (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Wir haben das mit „Lassen wir es gut sein“ dann einmal gestrichen.

Was wir diskutieren müssen: Seien wir froh, dass die Europäische Union die Impfdosen einkauft, denn wir sehen, dass wir Masken zu einem wesentlich überteuerten Preis be­kommen haben. Was wir natürlich an unserem Kanzler kritisieren müssen – daran ist ausnahmsweise nicht Tilg schuld, sondern unser Kanzler –: Als es zur Massenflucht, zur panikartigen Massenflucht aus Ischgl und aus dem Paznauntal kam, als plötzlich nicht einmal mehr die Züge gehalten haben und all die Leute von Ischgl nach Innsbruck gefahren sind und sich in den verschiedensten Hotels einquartiert haben, hat das wiede­rum zu einer Ausbreitung des Virus geführt. Hätte man das korrekt gemacht – nicht wie­der eine Pressekonferenz, nicht wieder einen Überfall –, und zwar jene, die auch die Kompetenz dazu haben, dann wäre das nicht so geworden.

Zur zweiten Welle: Ich kenne Dutzende Stellungnahmen – man muss nur herumhören, man muss entsprechende wissenschaftliche Sendungen sehen –, in denen gesagt wur­de, die zweite Welle wird kommen. Eine sehr gute Bekannte von mir, Krankenschwester im AKH, hat zu mir gesagt: Die kommt, die zweite Welle, spätestens im Oktober ist sie da. – Aber wir haben im Sommer nichts getan. Wir haben uns gefreut, dass an den Kärntner Seen die Hotels super ausgebucht waren, im Burgenland und in der Steiermark auch; aber es gab keine Vorbereitung, vor allem nicht im Bereich der Schule. Hätten wir im Bereich der Schule eine andere Vorbereitung gehabt – wir sehen, wie das in Deutschland mit den Schulen trotz Diskussion gehandhabt wird –, hätten wir die Schulen nicht schließen müssen. Ja, ich weiß, es gibt Betreuung in den Schulen, aber wir rauben den Kindern, der Jugend ihre Zeit als Kinder und Jugendliche! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Herr Arlamovsky, wir verhindern auch die Gleichstellung des Bildungsangebotes für al­le – unabhängig von ihrer Herkunft, ihres Familienbackgrounds. Ihre Initiative war richtig. Das hätte niemals stattfinden dürfen.

Es hat ja immer geheißen: „Koste es, was es wolle“. Die Pensionisten und Pensionistin­nen merken gerade, was es kostet: Ihnen wird ein Teil der Pension gestohlen.

Wenn man weiterschaut, muss man sagen: In die Finanzierung des Gesundheitssys­tems wurde im Sommer wenig investiert, und gleichzeitig haben wir eine Disbalance: Auf


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der einen Seite bekommen die Unternehmer und Unternehmerinnen Geld, auf der ande­ren Seite ziert sich diese Regierung, das Arbeitslosengeld substanziell zu erhöhen, damit jeder ein gerechtes und gutes Leben hat. (Bundeskanzler Kurz spricht mit Präsidentin Eder-Gitschthaler. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Bitte, was ist passiert? – Ich komme zum Schluss, Herr Kanzler. (Bundesrat Köck: Wo­rum ist es gegangen? ... kurz zusammenfassen, was Sie gesagt haben?) Ja, das mache ich gern.

Interessant ist übrigens – ich habe einem WHO-Gesundheitsexperten sehr genau zu­gehört –, dass Afrika mit der Covid-Krise ganz anders umgeht und dass diese derzeit nicht die Hauptsorge in Afrika ist. Weil die dort so pandemieerprobt sind, ist die Covid-Krise eine kleinere Krise. Die Hauptkrise derzeit sind die Masern, auch dagegen ist eine Impfung notwendig. Masern töten derzeit in Afrika und nicht Covid. Das heißt, eine Ge­sellschaft kann pandemiegestresst oder -erfahren sein.

Ein Schlusswort noch zur Impfdiskussion und zu Verschwörungstheorien: Liebe FPÖ, ihr müsst da ein bisschen Abstand nehmen, ihr seid zu nahe an den Verschwörungstheo­retikerInnen. Ich sage nur eines: Die Covid-Krise hat nicht Bill Gates erfunden. Ich hoffe, dem stimmen wir alle zu. Bill Gates hat nicht die WHO gekauft, er hat nur einen Teil seines Vermögens dorthin transferiert (Bundesrat Seeber: Die FPÖ ist da nicht so si­cher!), nachdem - -

18.38


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Die 20 Minuten Redezeit sind um, Herr Kollege Schennach. (Beifall bei der SPÖ für den das Rednerpult verlassenden Bundes­rat Schennach.)

Ich begrüße auf der Regierungsbank Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger und Herrn Bundesminister Dr. Heinz Faßmann. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Bun­desrat, ich erteile es Ihnen.


18.39.02

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Öster­reicherinnen und Österreicher! Herr Bundeskanzler, es gibt verschiedene Wege, ein Land durch die Krise zu führen, und ich glaube, wir haben da einfach unterschiedliche Zugänge. Jeder, der mit offenen Augen durch das Leben geht, wird wahrscheinlich seine eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen haben. Ich habe irgendwie den Eindruck, als ob diese Regierungsbank im Moment etwas Ähnliches wie eine Gegengesellschaft zur österreichischen Bevölkerung darstellt.

Ich muss Ihnen sagen, ich kenne wirklich viele, die an Corona erkrankt sind. Ich kenne zum Glück niemanden, der an Corona gestorben ist, und ich kenne auch niemanden, der auf der Intensivstation gelandet ist; aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kenne viele, die diese Bundesregierung mit diesen überschießenden Maßnahmen schön langsam krank macht! (Bundesrat Bader: Unerträgliche Diskussion, die Sie da führen!)

Ich sage, dieses von der Bundesregierung verursachte Chaos (Bundesrat Seeber: Un­gustiös ...!) quer durchs Land macht auch vor unseren Schülerinnen und Schülern nicht halt. Schauen Sie sich einmal an, was in unseren Schulen passiert ist! Unsere Schüler - - (Bundesrat Seeber: Unappetitlich, was Sie da ...!) – Hören Sie zu! Vielleicht haben Sie es bis jetzt noch gar nicht so wahrgenommen. 22 Prozent weniger Schultage allein im vergangenen Schuljahr, 40 Schultage oder umgerechnet zwei Monate weniger haben unsere Schüler in den Schulen verbracht!


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 162

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, ich vergönne wirklich jedem seinen Sommerurlaub, aber Sie haben diesen Sommer im wahrsten Sinne des Wortes verschlafen. Das darf ich Ihnen hier ins Stammbuch schreiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage, dadurch, dass diese Bundesregierung monatelang nichts gemacht hat, ist die viel größere Krise in diesem Land entstanden, und diese Krise wird noch aufgehen wie der sprichwörtliche Germteig – das darf ich Ihnen an dieser Stelle auch sagen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Bader.) Wissen Sie eigentlich, was Sie den Eltern antun? Wissen Sie, wie sich Eltern bei Ihrer gefühlt tausendsten Pressekonferenz fühlen, wenn ihnen empfohlen wird, dass Lernbereiche, Arbeitsbereiche, Spielbereiche, Schlafberei­che zu trennen sind? Na, wissen Sie, wie sich Eltern fühlen, die nicht in einem 400-Qua­dratmeter-Haus wohnen, wie Sie es gewohnt sind? Wissen Sie, wie es Eltern einer vierköpfigen Familie geht, die den Esstisch zum Homeoffice, zum Homeschooling, als Spielbereich, als Lernbereich umgebaut haben, wo sie ihr Mittagessen einnehmen, Tele­fongespräche mit Arbeitgebern oder Kunden führen und währenddessen vielleicht auch noch Aufgaben erklären, ihren Kindern bei den schulischen Verpflichtungen helfen müs­sen? Das sind nämlich jene Dinge, die die Österreicherinnen und Österreicher schön langsam wirklich krank machen, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, was auch nicht zum Wohlbefinden, zur Gesundheit und zur Si­cherheit in diesem Land beiträgt, ist Ihr Umgang mit dem Terror. Sie beginnen unsere Legalwaffenbesitzer mit immer mehr Auflagen, mit immer verschärfteren Gesetzen zu drangsalieren, und in Wahrheit hat inzwischen der Terror, wie wir erst unlängst vor ein paar Wochen in Wien gesehen haben, in unserem Land seinen Einzug gehalten – und die Terroristen sind nicht die Legalwaffenbesitzer, die Sie tagtäglich aufs Neue quälen, jetzt wieder mit einer Verschärfung des neuen Waffengesetzes, sondern jene Islamisten mit vollautomatischen Waffen (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), die nicht zu den Legalwaffenbesitzern in diesem Land gehören.

Herr Bundeskanzler, es hilft nichts, wenn die Schuld zwischen der Justizministerin, dem Innenminister, dem BKA und dem BVT hin- und hergeschoben wird. Sie als Bundes­kanzler sind der Regierungschef, und Sie haben Verantwortung zu tragen. Sie haben auch Verantwortung für dieses Innenministerium zu tragen, und ich kann nicht verste­hen, warum Sie unserem Entschließungsantrag, der ja in diesem Haus mehrheitlich an­genommen wurde, nicht gefolgt sind und diesen Innenminister nicht durch einen Innen­minister ersetzt haben, dem die Sicherheit in diesem Land wirklich etwas wert ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, diese Lebensgefährder sind wirklich in unserem Land. Wir wissen, dass sie in unserem Land sind, und wir haben auch die Auswirkungen gesehen; aber diese Bundesregierung verfolgt inzwischen lieber ihre Lebensgefährder: Lebensgefähr­der, die den 1-Meter-Abstand nicht einhalten; ordentliche Bürger, die sich so wenig wie möglich mit Verwandten, Bekannten treffen und die vielleicht einmal eine Ihrer unzähli­gen und überschießenden Vorschriften nicht eingehalten haben. Das sind Ihre Lebens­gefährder, die Sie tagtäglich aufs Neue drangsalieren! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, ich möchte aber nicht nur kritisieren. Es ist mir ein Bedürfnis, heute einmal wirklich Danke zu sagen, Danke für alle Leistungen in diesem Krisenmanage­ment, Danke im Namen aller Österreicherinnen und Österreicher für den Ostererlass, denn spätestens seit diesem Zeitpunkt wissen wir alle, wie planlos diese Bundesregie­rung mit dieser Krise umgeht! (Beifall bei der FPÖ.)

Danke auch für all die widersprüchlichen Verordnungen, Regeln, Bevormundungen in diesem Coronachaos, die sich im Nachhinein großteils als verfassungswidrig herausge­stellt haben! Danke im Namen aller Polizistinnen und Polizisten, die diese Verordnungen auch noch vollziehen mussten! Danke auch im Namen aller Soldatinnen und Soldaten,


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die bei den Gesundheitsbehörden als Telefonistinnen und Telefonisten eingesetzt wer­den, während Sie Langzeitarbeitslose mit Geldgeschenken bestücken! Danke im Namen aller Österreicherinnen und Österreicher, die sich mit Verwaltungsübertretungen herum­schlagen mussten, die jetzt im Nachhinein wieder aufgehoben werden! Danke auch im Namen aller Großeltern, die Ostern alleine gefeiert haben, ohne ihre Enkelkinder, wie sie es gewohnt sind! Danke im Namen aller Großeltern, dass sie ihre Enkelkinder heute nicht sehen dürfen und wahrscheinlich auch Weihnachten alleine verbringen werden! (Bundesrat Bader: Das ist ja nicht wahr!)

Danke im Namen aller Gastwirte für das angerichtete Gastronomiechaos, das mit einem Sperrstundenchaos angefangen hat, auf das sogar unser Bundespräsident gepfiffen hat, Herr Bundeskanzler, und das jetzt in einem gänzlichen Gastro-Lockdown geendet hat! Danke im Namen des Handels, der aufgrund des Gastronomie-Lockdowns massive Um­satzeinbußen hat und dafür aber nicht entschädigt wird, wie es unsere Gastronomie­betriebe sehr wohl werden! Danke auch im Namen aller Pärchen, die im heurigen Jahr heiraten wollten und ihre Hochzeit nicht in gewohnter Art und Weise mit Freunden und Familie feiern konnten! (Zwischenruf des Bundesrates Raggl.) Danke im Namen aller Trauergesellschaften, die sich nicht so von ihren Angehörigen verabschieden konnten, wie es sein sollte!

Danke im Namen aller Betroffenen, die aufgrund der völlig überzogenen Maßnahmen in die Kurzarbeit gerutscht sind! (Bundesrat Seeber: Euch ist nicht mehr zu helfen, ganz ehrlich!) Danke auch im Namen all jener, die ihren Arbeitsplatz aufgrund Ihrer Maßnah­men verloren haben! Danke im Namen aller, die im Homeoffice sitzen und gleichzeitig die Kinderbetreuung leisten müssen! Danke auch im Namen aller Eltern, die nicht mehr wussten, wie sie die Sommerbetreuung sicherstellen sollten, weil sie den Urlaub bereits im Frühjahr wegen Ihres Chaos aufgebraucht haben!

Danke im Namen aller Vereine, die ihre Veranstaltungen absagen mussten, die ihr Ver­einsleben an den Nagel gehängt und gesehen haben, dass keine Wettkämpfe mehr stattfinden können! Danke für alle Geisterspiele und Geisterrennen in der heurigen Sai­son! Wir werden es ja auch beim Skifahren noch weiter miterleben dürfen. Danke im Namen aller Nachwuchssportler, die fleißig trainiert haben und im heurigen Jahr keinen einzigen Wettkampf bestreiten konnten!

Danke im Namen aller für dieses Coronachaos, das in den Spitälern angerichtet wurde, wo Operationen nicht durchgeführt wurden, Untersuchungen nicht durchgeführt wurden und Menschen noch heute mit Schmerzen und Spätfolgen zu rechnen haben!

Danke auch im Namen aller Mütter und Väter für die abermalige Schulschließung, die absolut nicht notwendig war! (Bundesrat Seeber: Aufhören! Wir halten es nicht mehr aus!) Danke im Namen aller Kinder, dass Sie ihnen ihre Kindheit stehlen! Danke auch im Namen aller Kinder, dass Sie ihnen die Luft zum Atmen nehmen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, für die Maskenpflicht in den Schulen ab dem 7. Dezember möchte ich mich ganz besonders bedanken. Das ist etwas, was wirklich niemand braucht. 10 000 Testungen, 40 Positive und kein Einziger mit Symptomen – und Sie drangsalieren unsere Kinder mit einer Maskenpflicht in der Schule! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Seeber: ... Kabarett!)

Danke auch im Namen sämtlicher Kinder und Jugendlicher, die ihr gesamtes Leben lang mit massiven Einbußen zu rechnen haben, auch in finanzieller Hinsicht!

Danke für die Beschaffung der völlig überteuerten Coronatests! Danke auch im Namen der – wie wir es gerade in der Steiermark gehabt haben – völlig falsch positiv Getesteten! Danke im Namen jener, die unverschuldet in Quarantäne gekommen sind! Und Danke im Namen aller Kontaktpersonen, die noch zusätzlich in Quarantäne geschickt wurden!


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In diesem Zusammenhang darf ich aber auch im Namen aller Unternehmerinnen und Unternehmer, die aufgrund dieser falschen Testergebnisse auf ihre Arbeitskräfte ver­zichten mussten, Danke sagen. Danke auch im Namen aller für die Abschaffung der Hacklerregelung; danke für die Abschaffung der Hacklerregelung! Sie wissen ja, wofür Sie das Geld aufgewendet haben: Es waren Ihre Regierungsinserate – auch dafür möch­te ich mich bei Ihnen bedanken!

Man könnte diese Dankesworte wahrscheinlich noch unendlich fortsetzen, ich möchte das Ganze aber nicht zu sehr in die Länge ziehen, und deswegen sage ich: Genug des Dankes! (Zwischenruf des Bundesrates Köck.) Geben Sie einige dieser Dankesworte auch an Ihre Regierungsmitglieder weiter, auch die haben sich etwas von den Lorbeeren verdient, aber eines kann ich Ihnen sagen: Zu verantworten haben Sie das als Bundes­kanzler, Sie sind der Regierungschef! (Beifall bei der FPÖ.)

18.50


18.50.37

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Verbot von Covid-19-Zwangstestungen und Zwangs­impfungen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte alle Bundesrätinnen und Bundesräte, für die Abstimmung ihre Plätze einzuneh­men.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. (Einige BundesrätInnen der ÖVP geben ein Handzeichen. – Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Das war jetzt mehrheitlich, oder?) – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Es haben nur ein paar Kollegen von uns - - Ich habe das schon genau im Auge gehabt. Lieber Herr Fraktions­führer, ich habe das schon im Auge gehabt.

18.52.04Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir setzen die Verhandlung über den Tagesordnungspunkt 11 betreffend KMU-Förderungsgesetz fort.

Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.


18.52.23

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Ministerin! Werter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen, Zuhörer und Zuhö­rerinnen zu Hause! Zum vorherigen Punkt noch einmal: Ich bin leider nicht in der glückli­chen Lage, niemanden zu kennen, der verstorben ist, und ich halte es für sehr pietätlos allen Angehörigen gegenüber, das Virus kleinzureden. Wir können über Maßnahmen diskutieren, aber nicht über das Virus. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich komme zum jetzt zu behandelnden Tagesordnungspunkt. Gleich vorweg: Die SPÖ-Bundesräte werden dem Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen geändert wird, die Zustimmung geben, geht es dabei doch darum, die Haftungssumme für Tourismusbetriebe und die Freizeitwirtschaft, die sich ja eh in einer wirklich mehr als belastenden Situation befinden, zu erhöhen. Bei diesem Haftungsrahmen geht es auch wirklich nur um die Investitionen.


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Es gibt einen zweiten Haftungsrahmen, wo es um die Überbrückungen geht, aber hier geht es um Investitionen, und in diesem Bereich wurde viel ausgeschöpft, und es gibt auch noch keine Flaute.

Kollege Marco Schreuder hat vorhin gesagt, dass er sehr verwundert darüber sei, dass in diesem Bereich doch sehr viel investiert wird – ich bin es nicht. Wenn man mit den Unternehmen, den Gastronomen, den Hoteliers gesprochen hat, dann kennt man die Gründe dafür, denn die haben sie schon eindeutig genannt: Sie hatten lange ein Betre­tungsverbot, sie hatten lange zu, da war Zeit zu investieren, da war die Möglichkeit – und damals noch die Hoffnung, dass es bald besser werden wird.

Dann kam eine Zeit – und das muss man der Bundesregierung schon auch vorwerfen dürfen –, in der sich die Regierung, der Kanzler, nur mehr zwischen dem Damokles­schwert, das als zweite Welle über uns schwebte, und dem Licht am Ende des Tunnels bewegt hat und dazwischen nichts passiert ist.

Jetzt ist diese Maßnahme nicht kleinzureden, sie ist wichtig, aber sie ist nur ein Zahn, ein gesunder Zahn in einem sehr klapprigen Gebiss, das muss man schon dazusagen. Das ist nicht alles, was die Klein- und Mittelbetriebe brauchen, die brauchen viel, viel mehr. Wenn wir dann sehen, dass vom Härtefallfonds, von den 2 Milliarden Euro, gerade einmal 700 Millionen Euro ausbezahlt sind, und von den Fixkosten in Milliardenhöhe 225 Millionen Euro, dann wissen wir, dass das allein nicht die Rettung sein kann. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber solange es notwendig ist, es zu sagen, weil es nicht passiert, werde ich es immer wieder sagen: Konjunkturbelebung, Investition, Sicherung der Klein- und Mittelbetriebe funktionieren, wenn die Gemeinden investieren können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)

Wenn aber die Gemeinden beim ordentlichen Haushalt unterm Strich weniger als null haben, dann haben sie im außerordentlichen Haushalt nichts mehr zum Investieren. Das geht nicht mehr, und da muss jetzt endlich etwas passieren. Wir wissen jetzt schon, dass auch 2021 wieder 2 Milliarden Euro fehlen werden. Wir sind jetzt bei 4 Milliarden Euro, die fehlen werden – und dann gibt es 1 Milliarde Euro?! Das funktioniert so nicht, das geht nicht. Gemeinden können ihre Leistungen nicht erbringen, und das schadet den kleinen und mittleren Unternehmen. Das ist eine Tatsache. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Und da muss ich ehrlich sagen, sehr geschätzte Kollegin Mattersberger: Das Schönre­den der Gemeindeunterstützungen funktioniert da nicht, das reicht einfach nicht. (Bun­desrätin Mattersberger: Aber stattgefunden hat sie schon, oder? Ja, also!) – Stattgefun­den hat nichts, weil die meisten sich nichts abholen können. Ich würde gern wissen, was abgeholt worden ist. (Zwischenrufe der Bundesräte Ofner und Spanring.)

Auch die Gemeindeunterstützung ist eine Wirtschaftsmaßnahme, aber gehen wir jetzt direkt zur Wirtschaft zurück. Da müssen wir schon sagen: Hut ab vor unseren Klein- und Mittelunternehmen! Die österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer sind kei­ne, die raunzen und jammern, die wollen etwas tun, und zwar das, was sie können: Sie wollen unternehmen, sie wollen ihr Geschäft machen, sie wollen verkaufen, sie wollen bedienen, sie wollen Gäste empfangen. Dafür wollen sie ein bisschen Hilfe zur Selbsthil­fe haben, darüber würden sie sich schon freuen. Sie wollen keine Almosen, sie wollen ihr Geschäft machen. Das ist ihre Aufgabe, das wollen sie. (Beifall bei der SPÖ.)

Da gab es jetzt etwas, worauf sich schon viele gefreut haben – wirklich! –, selbst ich war schon sehr gespannt, und das Ganze nennt sich Kaufhaus Österreich. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Eine gute Idee: ein bisschen Hilfe zur Selbsthilfe und Unterstützung in Form einer Aktion, wodurch man unseren kleinen und mittleren Unternehmen etwas von dem Kuchen ermöglicht, den man eben sonst nicht in Österreich Steuer zahlenden Großkon­zernen überlassen muss, dass man etwas vom Geschäft der Onlineplattformen abkriegt,


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denn eines ist schon fix: Die Verluste im Weihnachtsgeschäft können nicht mehr aufge­holt werden. Der Standortberater von RegioPlan hat schon gesagt, es wird um 17 Pro­zent weniger sein, es werden statt 2,2 Milliarden Euro nur 1,75 Milliarden Euro sein.

Dann wurde mit großer Spannung die Initialzündung dieser Plattform erwartet – und das war eine Fehlzündung, aber eine gewaltige, und nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Kundinnen und Kunden. Ich habe da gestern gleich einmal hineingeschaut, dann war ich bass erstaunt: Man gibt die ersten drei Buchstaben in die Suchmaschine ein, und sofort erscheint „kaufhaus österreich“. – Bumm, super, das findet man gleich! Nur dann war es aus, dann findet man nämlich nichts mehr. Das war’s dann, dann kommt die große Ernüchterung!

Ich darf euch jetzt einmal sagen, was passiert, wenn man „Restaurants“ eingibt. Versu­chen Sie einmal, „Restaurants“ einzugeben. Das Ergebnis ist: Whisky-Purbach und Zettl GmbH. Dann versuchen Sie, „Hotels“ einzugeben. Eines kommt: Hotel Panoramahof Loipersdorf (Bundesrat Spanring: Gehört wahrscheinlich einem ÖVPler!), und sonst kommt ganz, ganz viel – nur nichts, was mit Hotellerie zu tun hat.

Dann habe ich eingegeben: „Bäckerei, Brot“. Da kam: Hanfland, Dichtl Keramik Ofenbau, Rescue3Team Medical Systems. Ein Wahnsinn!

Da ich mich schon einmal im Internet bewegt habe, habe ich mir gleich die Meldungen der User durchgelesen. Einige davon möchte ich jetzt wortgetreu wiedergeben:

Suchergebnis bei Kategorie Sport und Freizeit: Margarete Schramböck und Harald Mah­rer – was soll man da noch sagen. Setzen, Nicht genügend. – Zitatende.

Zitat eines Users: Liebe Frau Schramböck, wenn Sie demnächst Hilfe bei der Program­mierung eines funktionierenden Internetportals brauchen, würde ich Ihnen gerne meine Hilfe anbieten. Ich kann eine Suchfunktion in so eine Webseite einbauen, sogar eine funktionierende Volltextsuche. Ich mache es auch um die Hälfte; statt 700 000 Euro, wie kolportiert, um die Hälfte. Wenn ich schon da bin, dann kümmere ich mich auch gleich um die Massentestanmeldungen. – Zitatende. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Lena Doppel-Prix hat Kaufhaus Österreich mit einem Internettelefonbuch mit Links ver­glichen. Sie ist wirklich eine Expertin, und es ist schon erschreckend – wir reden da von einem Bereich, für den wir eine Ministerin für Digitalisierung haben, die auch aus einem sehr digitalen Bereich gekommen ist –, wenn Lena Doppel-Prix da eindeutig sagt, 1999 wäre es noch als modern durchgegangen, 2020 erwarte man sich etwas anderes. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich mache mir ein bisschen Sorgen um die digitale Zukunft Österreichs. Das ist auch ein Bereich, der für unsere kleinen und mittleren Unternehmen wichtig ist und wo sie Un­terstützung brauchen. Ob das was werden wird?

Wenn wir unseren kleinen und mittleren Unternehmen helfen wollen, dann bitte mit ei­nem brauchbaren Werkzeug. Das gehört schon dazu, da müssen wir halt Profis heran­lassen und nicht so viele Tausende Euros einfach für nichts ausgeben.

Wie gesagt, der vorliegenden Gesetzesänderung geben wir unsere Zustimmung. Die Hoffnung stirbt zuletzt, vielleicht tun wir dann wirklich auch noch einmal etwas für unsere kleinen und mittleren Unternehmen, womit wir ihnen auch wirklich helfen. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ.)

19.02


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.



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19.03.02

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kollegen! Als frei­heitlicher Bundesrat begrüße ich den Beschluss des Nationalrates vom 17. November betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen wie folgt geändert wird: Der Haftungsrahmen von 375 Millionen Euro ist – wie wir vorhin schon gehört haben – bereits zu 90 Prozent ausgeschöpft, aufgrund dessen ist er auf 625 Millionen Euro zu erhöhen.

Wenn die Hotellerie, die Gastronomen, die gesamte Veranstaltungs- und Freizeitwirt­schaft investieren, dann profitieren zum Beispiel auch wieder Installateure, Möbeltisch­ler, Elektriker und viele mehr. Der zweite Lockdown bedeutet die weitere Schließung der Gastronomie und Hotellerie bis 7. Jänner 2021. Die Zulieferbetriebe, die von den der­zeitigen Schließungen indirekt betroffen sind, wissen, dass auch noch das 14. Monats­gehalt zu zahlen ist. Auch sie benötigen dringend einen Umsatzersatz.

All das bedeutet natürlich auch einen massiven Druck auf die Mitarbeiter, die Angst um ihre finanzielle Zukunft und das Wohl ihrer Familie haben. Der Zickzackkurs der türkis-grünen Wach- und Schließgesellschaft mit dem Namen Bundesregierung wird für unser Heimatland fatal enden.

Die Maßnahmen der Bundesregierung im Zuge der Coronaepidemie führen uns zu einer historischen Wirtschaftskrise. Mehr als 1,8 Millionen Menschen haben in den letzten neun Monaten ihre Arbeit verloren oder durch die Kurzarbeit deutlich weniger Einkom­men. Zigtausende Wirtschaftsbetriebe haben ebenfalls ihre Einkommensgrundlage ver­loren. Auch die Familien dieser Menschen sind betroffen. Die österreichische Wirtschaft ist am Boden. Zigtausende Betriebe, insbesondere KMUs, wurden zwangsgeschlossen. Dass viele Betriebe, Gastronomiebetriebe, Touristiker, Handwerker, aber auch Dienst­leister die Coronamaßnahmen der Regierung wirtschaftlich überleben, darf angezweifelt werden. Dass die Zahl der Aufträge plötzlich wieder in die Höhe schießt, ist unwahr­scheinlich. Sämtliche Wirtschaftsforscher prognostizieren eine schwere Rezession.

Hand in Hand mit einer drohenden gigantischen Pleitewelle geht der Konsumschock. Die österreichischen Familien und die heimischen Wirtschaftstreibenden haben nichts von Versprechungen. Von Hoffnungen allein können sie nicht leben. Sie brauchen jetzt konkrete Hilfe und Sicherheit.

Wenn wir diese massive Pleitewelle abfedern und die Kaufkraft stärken wollen, braucht es schnelle Maßnahmen, die möglichst viele Menschen erreichen und besonders schnell die Kaufkraft österreichischer Familien stärken.

Jeder Österreicher und jede Österreicherin, etwa 7,4 Millionen Menschen, sollen völlig unabhängig von ihrem Alter einen sogenannten Österreich-Gutschein in der Höhe von 1 000 Euro erhalten. Für eine vierköpfige Familie sind das 4 000 Euro. Von dieser un­bürokratischen Soforthilfe für österreichische Familien und heimische Betriebe in Höhe von rund 7,4 Milliarden Euro, die Arbeitsplätze sichert, die Wirtschaft ankurbelt und somit natürlich indirekt auch dem Sozialsystem zugutekommt, fließen rund 2,5 Milliarden Euro direkt in Form von Steuereinnahmen zurück in den Bundeshaushalt.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Bundesräte Michael Bernard, Chris­toph Steiner und weitere Bundesräte daher nachstehenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „1.000-Euro-Österreich-Gutschein“


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Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedem österreichischen Staatsbürger Gutschei­ne im Wert von 1.000 Euro auszustellen, die bis 28. Februar 2021 nur bei heimischen und in Österreich steuerpflichtigen Betrieben eingelöst werden können.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

19.07


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten Michael Ber­nard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „1.000-Eu­ro-Österreich-Gutschein“ ist ordnungsgemäß eingebracht, genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer ersten Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.


19.07.33

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Die Coronapandemie hat speziell die Tourismusbranche, die Gastronomie, die Freizeitwirtschaft und die gesamte Veranstaltungsbranche nach wie vor sehr intensiv im Griff. Es ist äußerst erfreulich, dass viele Tourismus- und Freizeitbetriebe trotz dieser sehr schwierigen Situation auch im heurigen Jahr weiter in ihre Betriebe investieren. Im Vergleich zu den ersten Quartalen des Vorjahres sind im Jahr 2020 die Investitionsförderungen durch die Österreichische Hotel- und Tourismusbank um rund 10 Prozent gestiegen.

Ich bin sehr froh, weil jeder dieser Betriebe, der jetzt in Umbauten investiert, Geld für Sanierungen oder eben auch Erweiterungen in die Hand nimmt, zusätzliche Arbeits­plätze schafft, Investitionen sichert und vor allem eben auch die vor- und nachgelagerten Bereiche maßgeblich unterstützt, sei es den Installateur, dem er den Auftrag gibt, die Möbeltischler oder den Fliesenleger oder den Malerbetrieb. Gerade jetzt ist es auch er­forderlich, diesen Haftungsrahmen für die Investitionen bei der ÖHT anzuheben.

Der bislang zur Verfügung stehende Haftungsrahmen von 375 Millionen Euro ist bereits zu 90 Prozent ausgeschöpft. Diese Erhöhung ist deswegen dringend notwendig, damit wir vor allem die vor- und nachgelagerten Bereiche der Tourismuswirtschaft in Österreich maßgeblich unterstützen können.

Mit der Covid-19-Investitionsprämie schafft die Bundesregierung daneben noch zusätz­lich spürbare Anreize zur Realisierung von Investitionen. Die Covid-19-Investitionsprä­mie kann zu den bestehenden Förderungs-, Investitions- und Finanzierungsmöglichkei­ten der ÖHT in Anspruch genommen werden und bildet so natürlich noch einmal einen zusätzlichen Anreiz.

In Kombination mit dieser Investitionsprämie leisten Haftungen einen sehr, sehr wichti­gen Beitrag zur Konjunkturbelebung. Durch den vorliegenden Gesetzesbeschluss des Nationalrates wird die Gesamtfinanzierung von Projekten ermöglicht. Geschätzte Da­men und Herren Bundesräte, ich würde mich sehr über Ihre Zustimmung freuen. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.09


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Frau Bundesministerin!

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.



BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 169

19.10.01

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen zu Hause! Die Coronapandemie hat uns und unser Leben nach wie vor fest im Griff, und wir befinden uns gerade mitten im zweiten Lockdown. Es ist aber wichtig, den Glauben an die Zukunft nicht zu verlieren, und um Investitionen in die Zu­kunft geht es auch in diesem Tagesordnungspunkt.

Wenn wir heute Änderungen im KMU-Förderungsgesetz beschließen, so geht es um die kleineren und mittleren Unternehmen in den Branchen Tourismus, Gastronomie, Frei­zeitwirtschaft wie auch in der schwer getroffenen Veranstaltungsbranche.

Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen wird die bankseitige Finanzierung ohne die Unterstützung der öffentlichen Hand immer schwieriger, in den meisten Fällen fast unmöglich. Es geht also darum, einem Herzstück der österreichischen Wirtschaft, näm­lich gerade den Klein- und Mittelbetrieben mit ihren mehreren hunderttausend Beschäf­tigten, eine Grundlage für die weitere Existenz zu sichern.

Allen Betrieben, die trotz der Krise investieren wollen und können, wird durch gezielte Maßnahmen geholfen. Das sind unter anderen die Übernahme von Haftungen und die Einräumung von Darlehen durch die ÖHT. Das Ziel dieser verstärkten Förderungen der KMUs ist es, Liquiditätsengpässe zu vermeiden, die Beschäftigung von Hunderttausen­den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu sichern und durch Strukturverbesserungen die Investitionskraft und Dynamik und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Fakt ist, es hat noch nie so viele Anträge bei der Österreichischen Hotel- und Tourismus­bank gegeben. Im Vergleich zu den ersten drei Quartalen des Vorjahres ist deren Zahl um 10 Prozent gestiegen. Das ist auch der Grund dafür, warum wir eine Änderung des KMU-Förderungsgesetzes vornehmen müssen. Der bisher bestehende Haftungsrahmen ist schon zu 90 Prozent ausgenutzt, und dieser Rahmen wird nun von 375 Millionen auf 625 Millionen Euro erhöht. Die Förderungs- und Finanzierungsmöglichkeiten der ÖHT können auch mit der Covid-19-Investitionsprämie gut kombiniert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Krise zeigt uns eindrucksvoll, wie stark die interne Abhängigkeit der unterschiedlichen Branchen unserer Wirtschaft ist. Die Un­terstützung der Hoteliers und Gastronomen sichert auch Arbeitsplätze in vielen anderen Branchen. Denken wir an die Zulieferer, vom Bäcker über den Fleischhauer, Getränke- und Lebensmittelhandel bis zur Baubranche und – wie aktuell auch sehr stark betroffen – den Rindfleischmarkt!

Besonders wichtig ist es aber auch, dass diese Investitionen in den Regionen Öster­reichs bleiben. Dieser enge Zusammenhang zwischen den verschiedenen Wirtschafts­zweigen, den Regionen und damit der Beschäftigungssicherheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zeigt uns aber auch eines sehr deutlich: Nur gemeinsam können wir diese Krise bewältigen, und deshalb ersuche ich Sie auch um Zustimmung bei diesem Tagesordnungspunkt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.13


19.13.37

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, und ich ersuche alle Bundesrätinnen und Bundesräte, ihre Plätze einzunehmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 170

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „1.000-Euro-Österreich-Gutschein“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

19.14.5012. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Schulorganisationsgesetz und das Land- und forstwirtschaftli­che Bundesschulgesetz geändert werden (344 d.B. und 427 d.B. sowie 10445/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing. Judith Ringer. – Frau Bundesrätin, ich bitte um den Bericht.


19.15.17

Berichterstatterin Ing. Judith Ringer: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich bringe den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisa­tionsgesetz und das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Dezember 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte, Frau Bundesrätin.


19.16.24

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Werte Gäste zu Hause via Livestream, so noch jemand unsere Sitzung mitverfolgen sollte! Man sollte es eigentlich gar nicht für möglich halten, was hinter dieser doch vielleicht recht sperrigen Gesetzesbezeichnung steckt, nämlich die Einführung des Ethikunterrichts in der Sekun­darstufe II.

Seit dem Schuljahr 1997/1998, also inzwischen über 20 Jahre lang, gab es den Schul­versuch an – wie wir im Ausschuss gehört haben – immerhin 250 Standorten quasi als Ersatzunterricht für jene Schülerinnen und Schüler, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet hatten. Es sind, wie wir erfahren haben, im Durchschnitt immerhin 25 Pro­zent der Schülerinnen und Schülern gewesen, die dieses Angebot genutzt haben.

Dieser Schulversuch soll nun im Schulorganisationsgesetz eben eine entsprechende ge­setzliche Verankerung finden, was an sich aus meiner Sicht durchaus begrüßenswert wäre, wenn nicht auch hier wieder ein großes Wenn dabei wäre.

Jetzt wäre aus meiner Sicht die Chance groß gewesen, den Ethikunterricht auch tat­sächlich flächendeckend und für alle zu verankern. Man nimmt dem Fach aus meiner Sicht ein bisschen den womöglich doch sehr positiven Zugang der Schülerinnen und


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Schüler dazu, wenn es jetzt wieder von nur jenen besucht werden muss, die sich vom Religionsunterricht abmelden. So wird das Fach, denke ich, diesen Anstrich der Straf­stunde nicht los, und ich befürchte, dass die Schülerinnen und Schüler da wohl eher frei nach dem Motto vorgehen: Was ist für mich das geringere Übel? Ich denke, das ist nicht unbedingt der richtige Ansatz.

Besonders für jene, die gar keinen Religionsunterricht besuchen, weil sie ohne religiöses Bekenntnis sind, ist das eine eher fragwürdige Geschichte. Dabei sind in einer moder­nen, pluralistischen, vielfältigen und bunten Gesellschaft wie der unseren die Inhalte ei­nes Fachs Ethik aktueller denn je, wie ich finde, und eine Vermittlung für alle Schülerin­nen und Schüler wäre wichtiger und wertvoller denn je. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht nicht zuletzt auch um Werte, um Normen einer Gesellschaft, unserer Gesell­schaft. Es geht darum, diese Werte auch kritisch zu hinterfragen und sich daraus ein eigenes Urteil zu bilden. Es geht um unterschiedliche Weltanschauungen, es geht um Menschenrechte, die hier ein ebenso großes und bedeutendes Thema sein dürfen und müssen.

Im Zentrum steht also nicht allein die rein klassische philosophische Ethik, sondern es geht um einen viel umfassenderen Begriff, um eine umfassendere Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Facetten der Ethik. Es geht um politische Ethik, um Berufs­ethik, Wirtschafts-, Rechts-, Medienethik und vieles, vieles mehr. Letztendlich soll und kann also Ethikunterricht eine wichtige Ergänzung zur Identitätsfindung, zur Persönlich­keitsbildung der jungen Menschen und vor allen Dingen zum sozialen Lernen sein.

Das ist in der Gesetzesvorlage, die wir heute zu beschließen haben, nicht in umfassen­dem Ausmaß der Fall und setzt aus meiner Sicht auch viel zu spät an, wenn wir hier erst mit SchülerInnen der 9. Schulstufe beginnen, zumal – ich darf Ihnen das in Erinnerung rufen – die SchülerInnen ja bereits mit 16 immerhin wahlberechtigt sind. Meiner Meinung nach müsste hier also bereits viel früher angesetzt werden, schon in der Sekundarstufe I.

Spannend finde ich in diesem Zusammenhang – das möchte ich schon noch erwähnen – die Position der Grünen, die sich ob des Gesetzesbeschlusses vom 20. November of­fensichtlich doch recht überglücklich gezeigt haben – wenn man das so formulieren darf. Da findet sich zum Beispiel auf der Homepage der Grünen in einem Eintrag vom Feb­ruar 2015 die Überschrift: „ETHIKUNTERRICHT FÜR ALLE SCHÜLERINNEN! – Wir Grüne sprechen uns für einen verpflichtenden ‚Ethik- [...]unterricht‘ im Umfang von“ – und so weiter – „aus. Herkömmlicher konfessioneller Religionsunterricht soll nur auf frei­williger Basis angeboten werden.“

Es wird aber noch spannender. In einer OTS-Aussendung der Grünen Wien – und das ist noch gar nicht so lange her – vom 5. März 2019 wird Klubobmann David Ellensohn zitiert, der meint: „Bildungsminister Heinz Faßmann spaltet die Schüler und Schülerinnen in religiöse und nicht-religiöse. Der Ethikunterreicht verkommt zur Strafmaßnahme ge­gen Kinder, die eine Freistunde haben.“ – So viel zu den Grünen. Ich habe ein bisschen den Eindruck, der Standort bestimmt wie so oft den Standpunkt. Glaubwürdig ist es auf alle Fälle nicht, liebe Grüne, aber zum Glück muss ich das ja nicht verantworten. (Beifall bei der SPÖ.)

Anscheinend wirft man schon das eine oder andere Prinzip über Bord, wenn man dafür eine Regierungsbeteiligung erhält.

Geschätzte Damen und Herren, lassen Sie mich aber noch zu einem anderen Thema kurz Stellung nehmen, nämlich zum Projekt 100 Schulen, das ja zunächst einmal wirklich als Prestigeprojekt von der Regierung präsentiert wurde, und das, wenn man genauer hinschaut, letztendlich eigentlich zu einem mickrigen Minipaket zusammengeschrumpft ist, zumal immerhin ganze 15 Millionen Euro dafür veranschlagt wurden.


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Wir haben es zwar heute schon einmal gehört, aber es passt auch der Vergleich hier sehr gut: 30 Millionen Euro zusätzlich, in Summe 210 Millionen Euro verpasst sich diese Bundesregierung selbst im Budget für Marketing, für PR, das hier beschlossen wurde. Das muss man sich in Wahrheit einmal auf der Zunge zergehen lassen: Sie geben also doppelt so viel Geld – und das dürfen wir nicht vergessen: Geld der Österreicherinnen und Österreicher – für ein Marketingunternehmen aus. Und da wundern Sie sich, wenn man dann den unguten Eindruck hat, dieser Regierung ist schlicht und einfach ihre Selbstinszenierung mehr wert als die Bildung unserer Kinder und unserer Jugend? (Bei­fall bei der SPÖ.)

Dabei – das wissen Sie selbst genauso gut wie wir – bräuchte es ein Vielfaches an Res­sourcen, um im Bildungsbereich für Gerechtigkeit zu sorgen. Das hat auch die Arbeiter­kammer in einer Studie zum Chancenindex festgestellt und sehr deutlich bestätigt, denn Bildung in Österreich ist nicht gerecht. Das bestätigt auch – das wissen Sie – der Natio­nale Bildungsbericht aus dem Jahr 2018. Dort steht auf Seite 199: Es „zeigen sich deutli­che Ungleichheiten im österreichischen Schulsystem. Die Bildung der Eltern ist ein ent­scheidender Faktor für den Kompetenzerwerb der Kinder – dies gilt für alle Kompetenz­bereiche und alle untersuchten Altersgruppen. Deutliche Unterschiede im Kompetenzer­werb zeigen sich darüber hinaus nach dem soziökonomischen Hintergrund der Fami­lie“ – und so weiter und so fort.

Das heißt, es sind zwei wichtige Fakten, mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben: Bildung wird in Österreich leider immer mehr vererbt, und es gibt sogenannte Brenn­punktschulen, deren man sich entsprechend annehmen muss.

Die Arbeiterkammer hat also angelehnt an den kanadischen Learning Opportunities In­dex Österreichs Schulen in Cluster nach Kriterien, wie eben zum Beispiel sozioökonomi­scher Hintergrund der Eltern oder auch geografische Gegebenheiten und vieles mehr, eingeteilt. Insgesamt gibt es sieben Cluster, wobei die Clusterstufe-1-Schulen einen ge­ringen Bedarf an zusätzlicher Unterstützung haben, und Schulen, die zum Beispiel dem Cluster 5, 6 oder 7 zuzurechnen wären, einen hohen bis sehr hohen Bedarf haben. Und die Arbeiterkammer hat festgestellt, dass es in Österreich lediglich 13 Prozent Schulen in den Stufen 1 und 2, aber 17 Prozent Schulen in den Stufen 5 bis 7, die also unbedingt stärker gefördert werden müssen, gibt.

Das heißt, die Schulen brauchen, um den Schülerinnen und Schülern die bestmögliche Lernumgebung bieten zu können, um etwaige Defizite aufgrund dieses Faktums, das ich genannt habe, auszugleichen, ganz besondere Ressourcen, nämlich personelle Res­sourcen, räumliche Ressourcen, auch Ressourcen, was das Lernmaterial betrifft, und vieles, vieles mehr.

Eines ist auch klar: Die Coronakrise verschärft diese Situation zusätzlich ganz immens und macht natürlich die Bildungsschere in Österreich noch viel, viel weiter auf, wenn wir nicht rechtzeitig gegensteuern. Da kann man die Augen davor verschließen, so viel man möchte, aber das wird daran nichts ändern.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolle­ginnen und Kollegen

betreffend „flächendeckende Umsetzung des Chancenindex“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, das 100-Schulen-Projekt sofort zu einem flächendeckenden Chancenindex auszubauen und


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die für alle Schularten vorgesehene Verordnung zur chancenindexierten Mittelverteilung zu erlassen.“

*****

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, vor allem geschätzte KollegInnen der Regie­rungsfraktionen! Ich wünsche mir wirklich, dass Sie hier die richtigen Prioritäten setzen. Wenn Ihnen der Einsatz eines Marketingunternehmens 30 Millionen Euro wert ist, zei­gen Sie, dass Ihnen die Bildung unserer Jugend noch mehr wert ist. Ich darf daher an Ihre Vernunft appellieren und hoffe auf Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

19.26


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den BundesrätInnen Doris Hahn, Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsan­trag betreffend „flächendeckende Umsetzung des Chancenindex“ ist ordnungsgemäß eingebracht, genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.26.45

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich zu Be­ginn herzlichst für die gute Aufnahme hier im Bundesrat bei meiner ersten Rede und bei meinen Fraktionskolleginnen und -kollegen für die Unterstützung vom ersten Tag an be­danken. – Herzlichen Dank dafür.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin überzeugt davon, dass ein nicht unwesentlicher Teil unseres Lebens durchaus auf Zufällen beruht. Auch wenn wir uns noch so sehr bemühen, nicht alles können wir planen und kontrollieren. Ich möchte es an einem Bei­spiel festmachen, Sie werden sicherlich ähnliche kennen.

Ich kenne eine Familie mit zwei Kindern, gut situiert, wohlhabend, die Eltern gebildet, und die Kinder haben ebenfalls gute Schulen besucht – also eigentlich alle Vorausset­zungen für ein gelingendes Leben. Eine Tochter hat auch maturiert und studiert derzeit, und das andere, zweite Kind hat in seinem Leben als Jugendlicher falsche Entscheidun­gen getroffen, falsche Freunde getroffen, ist abgeglitten, ist kriminell geworden und kämpft heute nach wie vor damit, wieder in die Spur zu finden.

Ich kenne aber auch das Gegenteil, und zwar junge Menschen, die in schwierigen Ver­hältnissen aufgewachsen sind, die aus zerrütteten Familien stammen, die eine Lehre gemacht haben, sich im Betrieb hochgearbeitet und dort Karriere gemacht haben und heute hoch angesehen sind.

Was ich damit sagen möchte: Auch wenn man sich als Eltern noch so sehr bemüht, ab einem gewissen Punkt in der Entwicklung eines Kindes, eines Jugendlichen, ist man als Vater oder Mutter Zuseher und Passagier. Das heißt aber nicht, dass wir als Gesellschaft keine Möglichkeit haben, den jungen Menschen in dieser sensiblen Phase Halt und Un­terstützung zu geben. Genau hier greift der Ethikunterricht. Er ist lange vorbereitet, er ist umfassend erprobt, und es ist jetzt definitiv Zeit, aus diesem Schulversuch einen Regel­unterricht zu machen. Das Konzept des Verflechtungsmodells, bei dem Religions- und Ethikunterricht parallel angeboten werden, funktioniert. Es hat sich bewährt und wird sich auch in Zukunft bewähren. (Vizepräsidentin Grossmann übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin im Gegensatz zu manch anderem hier ein klarer Gegner davon, den Religionsun­terricht gänzlich abzuschaffen. Warum? – Religion ist unbestritten ein ganz fundamen­taler Teil unseres Lebens, und zwar von uns allen, auch wenn man vielleicht aus der


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Kirche ausgetreten ist, auch wenn man vielleicht kein Kirchgänger ist. Die Prägung unse­rer Gesellschaft, unser Verständnis davon, was richtig und was falsch ist, unsere Werte, unsere Grundsätze sind allesamt auch religiös geprägt. Den Religionsunterricht auszu­schließen würde heißen, einen ganz, ganz wichtigen Teil unseres Lebens, unserer Ge­schichte, unsere Traditionen ebenfalls auszuschließen. Das lehne ich und das lehnen wir als Volkspartei ganz klar ab. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist auch deshalb so, weil der Religionsunterricht heute kein Auswendiglernen von Bibelzitaten oder von Psalmen mehr ist, sondern weil der Religionsunterricht heute auch eine ganz tiefgründige inhaltliche Auseinandersetzung mit ethischen und moralischen Fragen ist.

Und ein zweiter Grund, warum Religionsunterricht in den Schulen stattfinden sollte, ist auch: Mir ist es lieber, Religionsunterricht findet dort statt, wo man die Inhalte kontrollie­ren kann, wo man weiß, was gelehrt wird, transparent und offen, als Religion wird in Einrichtungen gelehrt, in die man keinen Einblick hat, die abgekapselt sind und wo der eine oder andere vielleicht auch versuchen könnte, Religion zu instrumentalisieren und für seine Zwecke zu missbrauchen.

Natürlich ist Ethikunterricht kein Allheilmittel für unsere gesellschaftlichen Probleme, keine Frage. Wenn wir aber nur den einen oder anderen Jugendlichen durch diesen Ethikunterricht dazu bewegen können, bei einer Entscheidung, die er trifft, ein wenig mehr nachzudenken, vielleicht auch darüber nachzudenken, welche Konsequenzen die­se nach sich zieht, was das für sein Umfeld, für seine Eltern, für seine Freunde, für seine Bekannten bedeutet, und wenn dann in Folge der Jugendliche vielleicht durch dieses Nachdenken den einen Schritt in die falsche Richtung nicht setzt, sondern sozusagen weiter in der Spur bleibt, dann haben wir alle als Gesellschaft gewonnen. Deshalb ein klares Ja zum Ethikunterricht in dieser Form, wie er jetzt auch eingeführt wird. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.31

19.31.42*****


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass inzwischen das Stenographische Proto­koll der Rede des Fraktionsvorsitzenden Christoph Steiner anlässlich der Dringlichen Anfrage an den Bundeskanzler eingetroffen ist.

Ich erteile insbesondere wegen der Formulierung – ich zitiere –: „Allerdings glaube ich, dass sich der Herr Dollfuß gegen diesen Kanzler eher als Lercherlschas entpuppen wür­de“ einen Ordnungsruf. (Beifall bei der ÖVP.)

*****

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Kollege.


19.32.25

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Da das heute schon meine vierte Rede ist, halte ich mich kürzer. Es geht um den Ethikunterricht. Wir NEOS sind der Meinung, die Einführung des Ethikunterrichts ist aus zwei Gründen eine verpasste Chance.

Erstens: Wir finden, dass der Beginn in der Sekundarstufe II zu spät ist, insbesondere weil ungefähr 29 Prozent – ich habe mir gerade die aktuellen Zahlen angeschaut – nicht


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in die Sekundarstufe II übertreten. Die verliert man, die werden nie einen Ethikunterricht genießen. Wir sind der Meinung, der Ethikunterricht sollte früher beginnen, zumindest in der Sekundarstufe I, wenn nicht auch schon in der Primarstufe. Da ja der konfessionelle Religionsunterricht auch schon in der Primarstufe stattfindet, spricht nichts dagegen, das auch für den Ethikunterricht so zu handhaben.

Gegen das zweite Manko wollen wir angehen, indem wir einen Ethikunterricht für alle fordern, nicht nur für diejenigen, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besu­chen. Er ist kein Konkurrenzprodukt, er soll auch keine Strafe sein, wie wir schon gehört haben, sondern er ist eine wertvolle Ergänzung für alle Schülerinnen und Schüler.

Eine Lücke bei der Einführung dieses Ethikunterrichts versucht die neue Wiener Stadtre­gierung auszubessern, weil dort ein Projekt geplant wird, damit auch in den Polytechni­schen Schulen, die von der Einführung dieses Ethikunterrichts nicht umfasst sind, Ethik­unterricht angeboten wird.

Wir sind insgesamt dagegen, weil es zwar ein Schritt in die richtige Richtung ist, aber zu befürchten ist, dass es nicht weitergehen wird, dass es länger bei diesem Provisorium bleiben wird. Als Gegenargument, einen Ethikunterricht für alle einzuführen beziehungs­weise einen Ethikunterricht früher einzuführen, wird dann immer kommen: Wir haben ja schon etwas. – Danke sehr. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

19.35


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Nächster Redner ist Herr Fraktionsvor­sitzender Christoph Steiner. – Bitte, Herr Kollege.


19.35.10

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Kollegen Bundesräte! Ja, unser Schul- und Bildungssystem ist mehr als bedeu­tend für unsere gesamte Gesellschaft. Schulschließungen schaffen ganze Generatio­nen, die dann in ihrem weiteren Leben enorme Verluste hinnehmen müssen. Herr Minis­ter, Sie wissen es selber, ein verlorenes Schuljahr kann später Einkommenseinbußen von bis zu 10 Prozent zur Folge haben – so Herr Wirtschaftsprofessor Haller.

Herr Minister – ganz persönlich –, Gott sei Dank haben Sie die Schulen jetzt wieder auf­gesperrt. Ein Appell, den ich noch an Sie richten darf, ist: Bitte lassen Sie sich nicht noch einmal von Kanzler Kurz vorführen! Was die Bildung betrifft, sind Sie der Experte und nicht der Herr Kanzler. Entscheiden Sie in Zukunft für die Schüler und für die Eltern! Entscheiden Sie immer für die Zukunft von Österreich, denn Bildung ist das wichtigste Gut, das wir in Österreich für unsere Zukunft haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, ich habe Sie damals in der schwarz-blauen Koalition schon aufgrund Ihrer stets sachlichen, aber sehr fachlichen Kompetenz schätzen gelernt. Der heute zu be­schließende Ethikunterricht wurde ja damals schon im Regierungsprogramm ausver­handelt, und deshalb freut es mich einfach heute, dass es gelungen ist, diese freiheitliche Forderung umzusetzen, sodass wir sie heute auch beschließen. Ethikunterricht ist wich­tig, und es ist nur schade, dass man halt die Polytechnischen Schulen nicht mit hineinge­nommen hat.

Herr Minister, wenn Sie jetzt wieder einmal den Schwung gefunden haben, eigenständig zu agieren, hoffe ich, dass man dann auch vielleicht den Ethikunterricht in den Polytech­nischen Schulen fixieren kann. Und bitte, bitte, entscheiden Sie in Zukunft stets selber über unsere Schulen! Sie sind der Experte und nicht der Kanzler. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)


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19.37


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Frau Bundesrätin Mag.a Da­niela Gruber-Pruner ans RednerInnenpult bitten.


19.37.40

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Minister, Sie haben selber im Nationalrat am Ende Ihrer Stellungnahme gesagt, man ist auf dem Weg, und das ist noch nicht das Ziel. Da stimme ich mit Ihnen überein: Dieser vorliegende Vorschlag kann noch nicht das Ziel sein, denn wir wollen, dass sich junge Menschen mit Ethik auseinandersetzen und in ihrer Grundhaltung ein gewisses Verständnis für die gemeinsamen Grundfragen der Menschheit und auch die unterschiedlichen Zugänge dazu entwickeln.

Dann kann man das aber nicht auf jene kleine Schülergruppe abwälzen, die sowieso am ehesten einen entspannten und unvoreingenommenen Zugang hat und keiner einzelnen Glaubenslehre anhängt, in dem Fall also die OberstufenschülerInnen, die sich vom Reli­gionsunterricht abgemeldet haben. Er müsste doch gerade auch für jene SchülerInnen angeboten werden, die in einer Religion unterrichtet werden, sodass auch sie eine Aus­einandersetzung dahin gehend haben, dass es eben auch andere Religionen gibt, wie diese im Grunde miteinander zusammenhängen und wo auch sozusagen die Bruchlinien sind.

Manche ReligionslehrerInnen machen das bestimmt, aber eben nicht alle. Ich glaube, jeder und jede von uns hat in der eigenen Schulbiografie so seine und ihre Erfahrungen mit guten und weniger guten ReligionslehrerInnen, das liegt in der Natur der Sache.

Eine gemeinsame Auseinandersetzung aller SchülerInnen mit diesen großen Fragen der Menschheit und den unterschiedlichen Antworten darauf müsste aber meiner Meinung nach das Ziel sein, die Entwicklung eines gemeinsamen Grundverständnisses, dass nämlich jede Religion gleichberechtigt ist, und vor allem, dass den großen Religionen ja eine gemeinsame Grundbotschaft zugrunde liegt, quasi dieser Weltethos. Ja, wir brau­chen diesen Grundkonsens über Werte und Normen, der unabhängig von Kultur, Reli­gion oder Nationalität gilt.

Ich habe mich im Zuge der Vorbereitungen für diese Rede mit diesem Weltethos ausein­andergesetzt. Das ist eine spannende internationale Bewegung, die eben versucht, re­ligionsübergreifend diesen gemeinsamen Grundkonsens herauszuarbeiten und ihn im Rahmen verschiedener Konferenzen und von internationalen Kongressen auch in die Breite zu bringen. Das ist also eine spannende Sache; es lohnt sich, das auch zu goo­geln.

Ja, wenn jeder Mensch so einen Grundkonsens verinnerlicht hätte, wäre unsere Welt eine bessere. Davon bin ich überzeugt, aber es nützt eben nichts, wenn das nur ein Teil begreift und reflektiert. Das müssen alle zusammen tun und nicht nur jene, die AtheistIn­nen sind oder sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben.

Ich gebe meinem Vorredner Arlamovsky recht: In der Oberstufe ist es zu spät. Wir wissen aus der Entwicklungspsychologie und auch aus unserer Erfahrung, dass die Grundhal­tung eines Menschen in diesem Alter bereits ausgebildet ist, die Glaubensgrundsätze sind sozusagen fertig angelegt.

Diese Auseinandersetzung müsste und kann viel früher beginnen. Wir machen sehr, sehr gute Erfahrungen – wir nennen das Kinderphilosophie – schon im Kindergarten, in der Volksschule. Man kann mit Kindern über diese großen Menschheitsfragen sehr toll philosophieren und ist dabei am Kern dieser ethischen Fragen. Daher sind wir überzeugt, dass dieser Ethikunterricht für alle Schüler und Schülerinnen, unabhängig von der reli­giösen Zugehörigkeit, ausgebaut gehört und früher beginnen sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Mir ist ein Vergleich in den Sinn gekommen, denn immer, wenn wir über politische Bil­dung oder Demokratiebildung sprechen, dann ist die große Angst da, dass diese Demo­kratiebildung LehrerInnen machen könnten, die einer politischen Partei angehören.


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(Bundesrat Schennach: Oder einer Religion!) Für mich kann man da ein bisschen eine Parallele ziehen: Das wäre so, als würde man politische Bildung nur für jene Schüler und Schülerinnen anbieten, deren Eltern nicht wählen gehen, und alle anderen Kinder zu LehrerInnen schicken, die einer politischen Partei angehören. Da würden wir alle sagen, das ist keine neutrale politische Bildung und Demokratiebildung, sondern parteipolitisch unterwandert.

Genauso – dass klarerweise die Lehrpersonen, die einer Religion angehören, das natür­lich in ihrer Religion prägen – müssen wir aber ehrlicherweise sagen, ist es natürlich auch bei ethischer Bildung und religiöser Bildung. Das ist ganz klar und ganz logisch. Das heißt, wenn man die Idee konsequent zu Ende denkt, dass Ethikunterricht sinnvoll ist und Sinn macht, dann kann er nur für alle gelten und muss bereits ab der Volksschule, wenn nicht schon im Kindergarten, Thema sein.

Daher können wir heute mit dieser Miniversion dieser Idee leider nicht mitgehen. Dan­ke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.43


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Kollegin.


19.43.24

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuse­her! Ethik ist das methodische Nachdenken über die Moral. Sie beschäftigt sich mit der Frage des richtigen Handelns in bestimmten Situationen.

Mit den Änderungen des Schulorganisationsgesetzes sowie des Land- und forstwirt­schaftlichen Bundesschulgesetzes soll der Gegenstand Ethik nun nach einem 20-jäh­rigen Schulversuch an den Schulen eingeführt werden. Ab der 9. Schulstufe soll es für Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, das Angebot des Ethikunterrichtes geben. Dieser soll Schülerinnen und Schüler zu selbstständiger Reflek­tion im Hinblick auf Wege gelingender Lebensgestaltung befähigen, ihnen Orientierungs­hilfen geben und sie zur fundierten Auseinandersetzung mit den Grundlagen des Lebens anleiten.

Es soll damit nun ein alltagstauglicher Gegenstand geschaffen werden, der einen Beitrag zur individuellen Persönlichkeitsgestaltung leistet. Das ist sicherlich keine einfache Auf­gabe, aber umso notwendiger. Unsere Welt wird immer komplexer und verführt dennoch mit einfachen Antworten, die dann ungeahnte Konsequenzen nach sich ziehen. Jungen Menschen nun die Möglichkeit zu geben, sich mit solchen Themen aus dem Gesichts­punkt der Ethik auseinanderzusetzen und ihnen auch das entsprechende Handwerks­zeug dazu zu vermitteln, um Verantwortung für das eigene Leben und das Zusammen­leben mit anderen übernehmen zu können, ist eine sehr gute und begrüßenswerte Er­neuerung im Schulwesen.

Das Ganze hat sicher Ausweitungspotenzial, da stimme ich meinen VorrednerInnen voll­inhaltlich zu, aber es ist ein erster Schritt, und ich freue mich, dass wir ihn heute setzen. Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.45


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger ans RednerInnenpult bitten.


19.45.53

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vor allem liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, die heute der Debatte beiwohnen! Nicht für die Schule, für unser Leben


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 178

lernen wir. Wer von uns hat dieses Zitat nicht schon gehört oder selbst zitiert, sei es in der persönlichen Schulzeit, als Vater, als Mutter, als Pädagoge oder Pädagogin.

Gestehen wir uns ein: Die Bedeutung dieser Aussage wird oder wurde uns erst als rei­fende Persönlichkeit mehr und mehr bewusst. In seiner Lebenswirklichkeit wird der Mensch, werden wir – und das von Kindesbeinen an – täglich vor neue Herausforderun­gen gestellt. Wie der Mensch damit umgeht, hat Auswirkungen auf seine persönliche Entwicklung, auf sein Leben und in Summe auch auf das Zusammenleben in der Gesell­schaft, und das nicht nur lokal, sondern global gesehen. Entscheidend bei der Bewälti­gung von solchen Herausforderungen sind Fragen wie: Welches moralische Grundge­rüst, welche Erfahrungen und Prägungen helfen, gut und gestärkt aus persönlichen Kri­sen und Schicksalsschlägen herauszuwachsen?

Ganz wesentlich für ein gutes und gelingendes Leben sind für uns alle die Wertevorstel­lungen und Haltungen, nach denen wir unser Leben ausrichten. Wie handeln wir? Wie leben wir? Wie kommunizieren wir? Wie gehen wir miteinander um? Eine frühe Vermitt­lung von Grundwerten obliegt – ganz wichtig! – den Eltern in der frühkindlichen Erzie­hung. Sie ist von so wesentlicher Bedeutung und kann, wenn versäumt, kaum nachge­holt werden.

Die nächste wirklich wesentliche Prägungsphase neben der im Elternhaus findet in den Kinderbetreuungseinrichtungen und in den Schulen statt. Dabei kommt den Pädagogin­nen und Pädagogen eine sehr bedeutsame und wichtige Rolle zu. Kinder und Jugendli­che verbringen einen Großteil des Tages, der Woche in Bildungseinrichtungen, sie wer­den vor allem in der Sekundarstufe dort auch maßgeblich geprägt. Daher ist es ein wich­tiger Schritt für jene Schülerinnen und Schüler, die sich vom Religionsunterricht abmel­den, dass ein verpflichtender Ethikunterricht im Umfang von zwei Wochenstunden im Schulorganisationsgesetz verankert wird.

Als Politikerin, als Bäuerin und nicht zuletzt als Mutter möchte ich heute eine Lanze bre­chen und das Thema Ethik in einen Zusammenhang mit Ernährung bringen. In einer Zeit, in der eine Klimakrise und eine Gesundheitskrise unseren politischen, aber auch gesellschaftlichen Diskurs dominieren, sehe ich es als besonders wichtig an, uns mit den Auswirkungen unseres Handelns in Bezug auf unsere Ernährung auseinanderzusetzen.

Gesellschaftliche Umbrüche, Veränderungen im Berufsalltag, neue Notwendigkeiten in der Bildung haben die Auswirkung, dass der Wert einer guten und richtigen Ernährung und ihr Einfluss auf die Umwelt und die Gesundheit von uns allen stark in den Hinter­grund gerückt werden.

Wir kennen viele extreme Auswüchse verschiedenster Ernährungsformen – Fast Food, Slow Food, Veganismus, Low Carb, Steinzeitkost, Paleo –, es gibt jede Menge, ich möchte sie von meiner Seite aus auch nicht bewerten. Von einer Geiz-ist-geil-Mentalität, Billig- und Wegwerfmentalität bis hin zur Ernährung als Religionsersatz, Essen als Aben­teuer ist in unserer Gesellschaft wirklich alles zu finden.

Tatsächlich ist zu beobachten, dass der Großteil der Gesellschaft kein fundamentales Wissen mehr rund um das Lebensmittel, seine Produktion und Verarbeitung vorweisen kann. Das hat meiner Meinung nach wirklich Auswirkungen auf die Wertschätzung, auf den Wert der Lebensmittel und auf die Ernährung selbst.

Ich bin der Überzeugung, dass in jeder Krise eine Chance steckt, aber nur dann, wenn man sie auch nutzt. Die Coronapandemie hat uns den Wert der regionalen Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln vor Augen geführt, gerade jetzt zeichnet sich eine Trendwende im Bewusstsein ab. Vielleicht erkennen wir auch den gesundheitlichen Wert der Ernährung in Bezug auf chronische Krankheiten und mögliche Pandemien noch zu wenig an. Darüber möchte ich jetzt auch nicht reden, das steht mir nicht zu, aber es gibt genügend wissenschaftliche Erkenntnisse dazu.


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Doch was führt mich hier, an dieser Stelle, dazu, Ernährung und Lebensmittelwissen im Zusammenhang mit Ethik zu bringen? – Wir, die österreichischen BäuerInnen, sind der Auffassung, dass es bei Kindern, Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen, Lehrern und Eltern ein Grundwissen über Lebensmittel, deren Produktion, Herkunft und Verarbeitung braucht, damit die Konsumentinnen und Konsumenten von heute, aber auch von mor­gen, verantwortungsbewusste Ernährungs- und Kaufentscheidungen treffen können.

Es sind durchaus auch ethische Fragen, die wir uns als Verbraucher in diesem Zusam­menhang stellen sollten: Wie gehen wir mit den Lebensmitteln um? Müssen weiterhin so viele Lebensmittel im Müll landen? Da gibt es für mich nicht nur wirtschaftliche, son­dern auch ethische Komponenten. Was heißt für uns regionale Produktion? Wie stehen wir zur bäuerlich geprägten Landwirtschaft? Welche Auswirkungen hat der Griff ins Re­gal von jedem von uns? Welche Auswirkungen hat mein Ess- und Konsumverhalten in Bezug auf Klima, Gesundheit und Gesellschaft und so weiter? Stichwort Tierwohl und Ethik: Tierwohl verträgt sich nicht mit Schleuderaktionen im Handel. Da tragen die Kon­sumentinnen und Konsumenten gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern die Verant­wortung. Welche Lehren ziehen wir aus der Coronakrise in Bezug auf Lebensmittelpro­duktion und Ernährung? Wie nutzen wir diese Chance? Ist uns als Gesellschaft Eigen­versorgung wichtig?

Welche Maßnahmen leiten wir als Politiker davon ab? In einer repräsentativen Umfra­ge haben die österreichischen BäuerInnen die Wichtigkeit der Lebensmittel-, Ernäh­rungs- und Konsumbildung in der Schule abgefragt. Fast 99 Prozent, beinahe alle Be­fragten, unterstreichen die Wichtigkeit. 95 Prozent der Befragten sind für die Wiederein­führung beziehungsweise Ausweitung des Schulfaches Ernährung und Konsumbildung in der Pflichtschule. Fast 7 500 Befragte sind davon überzeugt, dass Ernährungs-, Ge­sundheits- und Verbraucherwissen wesentliche Kompetenzen sind, um ein verantwor­tungsvolles, reflektiertes und selbstbestimmtes Leben zu führen. Dieses Fundament muss im Elternhaus und daneben aber auch bereits in der Pflichtschule aufgebaut werden.

Daher fordern wir, allen voran unsere Bundesbäuerin Andrea Schwarzmann, bestärkt durch diese Umfrage, den Ausbau und die Adaptierung des Pflichtschulfaches Ernäh­rung und Haushalt in der Sekundarstufe I. Mit dieser Forderung und dem heutigen Be­schluss zur Einführung des Ethikunterrichtes, geschätzter Herr Bundesminister, sind wir gemeinsam auf einem guten Weg. Davon bin ich als Bäuerin und auch als Mutter über­zeugt. Vielen herzlichen Dank. Bleiben wir gesund! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.53


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Heinz Faßmann gemeldet. – Bitte, Herr Minister, Sie sind am Wort.


19.53.34

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Frau Hahn, Sie haben vielleicht doch mit einer ge­wissen Zustimmung und Sympathie konstatiert, dass wir endlich diesen – ich glaube dreißigjährigen – Schulversuch Ethik in ein Regelschulsystem überführen können. Ich teile die Sympathie und sage: Ja, endlich ist es so weit, dass wir das tun.

2011 hat das Parlament eine diesbezügliche Enquete veranstaltet. Eingeladen waren alle politischen Parteien, und es gab damals einen einhelligen Beschluss, dass man Ethik einführen sollte. Das war 2011. Ich verhehle es nicht, dass ich ganz stolz bin zu sagen: Jetzt ist es gelungen, diese langjährige Forderung auch in die Realität umzuset­zen. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Frau Hahn, Sie haben auch zu Recht die Bedeutung dieses Faches betont, in dem gleichsam zentrale Werte einer liberal-freiheitlichen, pluralistischen Gesellschaft vermit­telt werden. Das ist ganz wichtig, das ist unzweifelhaft wichtig, auch wenn ich Herrn


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Kolland zustimme: Ethik und Ethikunterricht sind keine Allheilmittel, aber dennoch ist es, glaube ich, eine gute Aktion – und sind es gut investierte Gelder –, in eine Gesellschaft zu investieren, die besser mit Gewalt umgehen kann, die Freiheitswerte als solche schätzt, die aber auch zentrale Werte wie Nachhaltigkeit, die Auseinandersetzung mit den Mitmenschen und vieles andere mehr vermittelt.

Herr Kolland, Sie haben auch betont, dass wir da ein Verflechtungsmodell anstreben. Das ist, glaube ich, etwas ganz Wichtiges. Verflechtungsmodell heißt: Wir haben nicht auf der einen Seite Religionsunterricht, der nichts mit Ethik zu tun hat, und auf der anderen Seite einen Ethikunterricht, der nichts mit Religionen zu tun hat. Natürlich muss man danach trachten, dass beides irgendwie zusammenkommt. Ich habe Gespräche mit den Religionsvertretern geführt, die auch von sich aus gesagt haben: Wir sind sehr wohl bereit, so etwas wie einen gemeinsamen ethischen Kern des Unterrichts außer Streit zu stellen, also betreffend Fragen von Autonomie, Freiheit, Gewalt, Konflikt. Das kann man natürlich in einem Religionsunterricht machen, aber man will ja auch einen Ethikunter­richt machen. Sie haben das Verflechtungsmodell angesprochen: Die Stunden werden parallel stattfinden, das gibt nochmals die Möglichkeit, so etwas wie einen gemeinsamen Unterricht in diesen zentralen Bereichen durchzuführen.

Frau Gruber und Herr Steiner, Sie haben betont, es sei zu spät. (Bundesrat Steiner verneint.) – Nein, Sie haben es nicht betont. Frau Gruber, Sie haben gesagt, man ist auf dem Weg, aber das ist nicht das Ziel. – Ja, ja, das sage ich auch, unzweifelhaft. Wir haben jetzt Ethikunterricht in der Sekundarstufe II und dann, wenn er sich bewährt, wird man sicherlich die nächsten Schritte gehen können und das Poly integrieren – das ist ganz wichtig –, die Sekundarstufe I und dann auch die Primarstufe. Frau Gruber, man kann das aber nicht alles sofort machen, denn die limitierende Ressource sind entspre­chend qualifizierte Lehrer und Lehrerinnen. Ein entsprechendes Lehramtsstudium Ethik wird jetzt erst in der Universität aufgesetzt, und bis wir dann die ersten Absolventen ha­ben, wird es noch einige Jahre dauern.

Das Motto: Man ist auf dem Weg und man hat noch nicht das Ziel erreicht, ist mir ein ganz Wesentliches. – Weil das, glaube ich, so ist, wie ich es gesagt habe, würde ich Sie um breite Unterstützung auf diesem Weg zu einem letztlich gemeinsamen Ethikunterricht für alle bitten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.57


19.57.45

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlos­sen.

Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein, wir gelangen zur Abstimmung.

Ich gebe bekannt, dass auch ich von meinem Stimmrecht Gebrauch machen werde. Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „flä­chendeckende Umsetzung des Chancenindex“ vor. Ich lasse über diesen Entschlie­ßungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dieser Antrag findet nicht die Mehrheit. Daher ist der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 181

19.59.1013. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveran­staltungsausfall-Härtefonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz), geändert wird (924/A und 429 d.B. sowie 10446/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing.in Judith Ringer. – Ich bitte um den Bericht, Frau Kollegin.


19.59.39

Berichterstatterin Ing. Judith Ringer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich bringe den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveranstaltungsausfall-Härtefonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz), geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für den Bericht.

Zu Wort gemeldet ist Frau Präsidentin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte, Frau Präsi­dentin, Sie sind am Wort.


20.00.45

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Miesen­berger hat vorhin mein Zitat schon vorweggenommen – auch ich hätte mit Non scholae sed vitae discimus angefangen –, angesichts der fortgeschrittenen Zeit werde ich mich aber auf die wesentlichen Dinge dieses Tagesordnungspunktes beschränken.

Unzweifelhaft ist, dass die Schule – in welcher Form auch immer – unser aller Alltag prägt, egal ob wir Eltern sind, ob wir Großeltern sind, ob wir Lehrerinnen oder Lehrer sind, ob wir Arbeitgeberinnen, Arbeitgeber sind, ob wir Arbeitnehmerinnen, Arbeitneh­mer sind und in irgendeiner Art und Weise mit Kindern zu tun haben.

In diesen letzten Monaten seit März haben wir den Wert der Schule, der schulischen Bildung und die tägliche, engagierte Arbeit der vielen Lehrerinnen und Lehrer sehr, sehr zu schätzen gelernt – an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für diese engagierte Leistung. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Es war in diesem Lockdown umso wichtiger, dass die Möglichkeit bestand, dass die SchülerInnen und auch die Kinder im Kindergarten auch vor Ort betreut wurden, dass die Möglichkeit da war, dass sie wieder hingehen konnten. Jetzt bin ich auch sehr froh, Herr Bundesminister, dass wir ab Montag in den Pflichtschulen und für die Maturantinnen und Maturanten wieder zum Präsenzunterricht zurückkehren. Es freuen sich schon wirk­lich sehr, sehr viele darauf, wieder in dieses normale System hineinzukommen.

Zum vorliegenden Beschluss des Nationalrates, zum COVID-19-Schulstornofonds-Ge­setz: Als langjährige Elternvertreterin hätte ich mir so einen Fonds wirklich gewünscht. Wir haben damals immer die Problematik gehabt, dass wir, wenn etwas ausgefallen ist, über den Elternverein dafür sorgen mussten, dass wir diese Stornokosten – oder was immer dann angefallen ist – decken.


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Jetzt geht es darum, dass der Fonds, den es ja Gott sei Dank schon gibt, auf Schul­veranstaltungen, die im vergangenen Unterrichtsjahr bereits beschlossen waren und deren Durchführung für das Schuljahr 2020/2021 vorgesehen war oder die aus dem Schuljahr 2019/2020 in das Schuljahr 2020/2021 verschoben wurden, ausgeweitet wird. Der im Frühjahr eingesetzte Schulstornofonds wird also für dieses Unterrichtsjahr ver­längert. Er wurde ja deshalb eingesetzt, damit die Eltern auf den Stornokosten nicht sit­zen bleiben, denn Schulveranstaltungen werden durch die Covid-Krise leider sehr, sehr kurzfristig wieder abgesagt.

Wir haben im Ausschuss gehört, bis jetzt sind 2 500 Anträge für rund 3 600 Schulver­anstaltungen positiv erledigt worden. Es wurde eine Summe von 7,6 Millionen Euro aus­bezahlt und davon haben 113 000 Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern profitiert. Nur zwei Anträge mussten abgelehnt werden, weil da die Voraussetzungen nicht gege­ben waren. Wir haben auch gehört, dass sich die Mitarbeiter in den Ministerien sehr intensiv bemüht haben, wenn etwas gefehlt hat, und gesagt haben: Bringt das nach und dann erledigen wir das. Ich habe auf der anderen Seite auch von den Eltern gehört, dass das wirklich sehr flexibel und sehr, sehr unbürokratisch stattgefunden hat.

Gerade als Salzburgerin ist mir jetzt nur wichtig, eine Lanze für die Schulveranstaltungen zu brechen. Jeder von uns erinnert sich, was für eine Gaudi wir bei den Schulveranstal­tungen, den Schulsportwochen, den Schulschikursen gehabt haben. In meinem Heimat­bundesland Salzburg haben wir sehr, sehr gute Jugendgästehäuser und Jugendherber­gen, die sich auf diese Schulveranstaltungen spezialisiert haben. Die leiden natürlich jetzt sehr unter diesen Maßnahmen, darunter, dass diese Veranstaltungen derzeit nicht stattfinden können.

Darum darf ich an dieser Stelle wirklich an alle, alle appellieren: Bitte halten Sie sich an die Maßnahmen! Schauen wir, dass wir die Zahlen wieder herunterbringen, sodass wir unseren Schülerinnen und Schülern dann diese Möglichkeit der Schulveranstaltungen und damit den Inhabern der Jugendgästehäuser und Jugendherbergen das notwendige Geschäft wieder zukommen lassen!

Sie sehen, auch in diesem Bereich ist es notwendig, dass wir zusammenhelfen. Bitte helfen Sie mit und bitte unterstützen Sie den vorliegenden Gesetzentwurf! Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.05


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mag.Daniela Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Kollegin.


20.05.42

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Herr Minis­ter, noch einmal! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuse­her! Ja, die Schulen: Wer hätte sich gedacht, dass sich so viele SchülerInnen freuen, wieder in die Schule gehen zu dürfen? Ich bin tatsächlich froh, dass nächste Woche die Schulen wieder aufmachen. Das ist wirklich enorm wichtig.

Mein älterer Sohn hatte allerdings ein wirklich langes Gesicht, als er erfahren hat, dass er weiterhin zu Hause bleiben muss – er geht in die 1. Klasse HTL, wir haben gemeinsam die Pressekonferenz verfolgt. Er hat erst, glaube ich, acht oder neun Wochen mit seinen neuen SchulkollegInnen verbracht. Ich glaube, sogar diese Altersgruppe würde sich freuen und hätte es dringend notwendig, wieder im Klassenverband zu lernen und auch die praktischen Übungen, Werkstättenarbeiten und so weiter machen zu können. (Bun­desrätin Gerdenitsch: Kann ich bestätigen!)

Natürlich hätten sich die Schülerinnen und Schüler auch nach Schulveranstaltungen, nach Sportwochen, nach Sprachreisen und vielem anderen gesehnt. Diese Generation


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an SchülerInnen erträgt seit dem März wirklich enorm viel. Wir müssen wirklich wert­schätzen, was die Schülerinnen und Schüler da mitmachen und mittragen und dabei ihr Bestes geben. Ein herzliches Danke an alle Kinder! (Beifall bei der SPÖ.)

Dass es für diese abgesagten Schulveranstaltungen weiterhin einen Kostenersatz gibt, ist gut. Warum das nicht wie im Sommersemester geregelt wird und Eltern und Schulen gar keinen Selbstbehalt übernehmen müssen, ist mir nicht ganz verständlich. Es wäre gut gewesen, wenn man das fortgeführt hätte.

Die Schulen sind aber neben diesen Extraaktivitäten, neben diesen Ausflügen und Rei­sen, aktuell generell mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Eigentlich können diese nur gemeistert werden, weil es ein außerordentliches Engagement der LehrerIn­nen, eine Flexibilität der SchülerInnen und einen enormen Kraftaufwand auch von uns Eltern gibt. Nur in dieser Kombination kann diese schwierige Situation an den Bildungs­standorten und in dieser Krise gestemmt werden, das muss man auch dazusagen. Es bräuchte viele, viele Zusatzressourcen, um all diese Herausforderungen, die jetzt dazu­gekommen sind, abfangen zu können. Es bräuchte Unterstützungspersonal verschie­denster Art.

Was es in dieser Krise braucht, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das versucht zum Beispiel gerade die Wiener Stadtregierung zu ermöglichen, indem sie 120 Millionen Euro jährlich für zusätzliches Personal – Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch Sozialar­beiterinnen, Sozialarbeiter und Administrationspersonal – zur Verfügung stellt. Ich denke mir, das ist eine gute und wichtige Investition (Beifall bei der SPÖ), denn es geht jetzt darum, die Folgen der Schulschließungen oder des Distancelearnings tatsächlich abzu­fangen, und das geht nur, indem wir Zusatzkonzepte entwickeln.

Herr Minister, Sie haben es bei Ihrer Pressekonferenz selber angekündigt, und ich hoffe wirklich sehr, dass es einen großen Wurf in diese Richtung geben wird, dass dann ab dem neuen Jahr – quasi ab Jänner – mit Zusatzangeboten, mit Fördermöglichkeiten et cetera diese wirklich groß gewordene Ungleichheit zwischen den Schülerinnen und Schülern aufgefangen werden kann. Ich glaube, eine noch größere Herausforderung ist es, das zu tun, ohne zu stigmatisieren – dass es nicht wieder heißt: Ihr seid die sozial Schwachen und deshalb müsst ihr diese und jene Angebote in Anspruch nehmen –, also mit Fingerspitzengefühl, aber dennoch im großen Stil Förderangebote zu entwickeln. (Beifall bei der SPÖ.)

In den letzten Tagen kam ein aktuelles Policy Paper von der Volkshilfe heraus, das sich mit dem Thema Bildung und Armut beschäftigt. Es wurde in den letzten Monaten bei armutsbetroffenen Kindern und Familien geforscht, und was da zu finden ist, ist schon alarmierend. Es zeigt auch, dass aus dem ersten Lockdown nicht ausreichend gelernt wurde, denn man muss der Tatsache ins Auge blicken, dass trotz dieses Offenhaltens der Schulen viele Schülerinnen und Schüler zu Hause geblieben sind und dieses Distance­learning unter den Bedingungen zu Hause manchmal wirklich übel war: Es hat Platz­mangel geherrscht, die technische Ausrüstung war schlecht, es gab keine gute Grund­versorgung im Sinne von genug Bewegung, ausreichend gutem Essen und so weiter, und es war keine gute Betreuung durch die Eltern möglich.

Man sieht, dass diese soziale Schere jetzt tatsächlich aufgerissen wurde. Sie ist nicht nur ein bisschen auseinandergegangen, ich glaube, sie klafft jetzt weit auseinander. Um dem entgegenzuwirken, braucht es in derselben Intensität Maßnahmen, um diese Sche­re wieder zusammenzubringen, denn das betrifft neben den Sachinhalten und dem Lern­stoff auch die physische und die psychische Verfasstheit der Kinder und Jugendlichen.

Wenn ich kurz berichten darf: Wir hatten vor Kurzem – ich glaube, es ist zwei oder drei Wochen her – im Kinderrechteausschuss eine Aussprache mit der Kinder- und Jugend­anwältin aus Salzburg. Sie hat uns sehr eindringlich ihre Sorge um die psychische Ver­fasstheit vor allem der Jugendlichen geschildert. Das war sehr eindrücklich und wir –


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alle, die dabei waren – haben uns vorgenommen, dieses Thema mit ins Parlament zu nehmen, um die Langzeitfolgen gerade für diese Altersgruppe einzufangen.

Ein Thema habe ich noch – nein, noch zwei Dinge muss ich anbringen, ich habe nämlich einer Kollegin aus der Steiermark versprochen, dass ich es hier deponiere. Es geht um die Testungen, die jetzt für das Schulpersonal anstehen: Es gibt die Befürchtung, dass in dieser Testungsstrategie vor allem auf die Lehrerinnen und Lehrer abgezielt wird. Es ist natürlich logisch, dass das vorrangig ist, in der Schule arbeiten aber so viel mehr Menschen als nur die LehrpädagogInnen. (Beifall bei der SPÖ.) Da gibt es die Nachmit­tagsbetreuerInnen, die HortpädagogInnen, die SchulbuffetbetreiberInnen und so weiter. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Es war in dem ersten Schreiben nicht klar er­sichtlich, ob sie alle in dieser ersten Testphase drinnen sind. Ich habe gesagt, ich nehme es mit und äußere diese Notwendigkeit, dass alle, die in den Schulen ein- und ausgehen, in dieser ersten Phase jedenfalls mit dabei sind.

Noch etwas Zweites: Herr Minister, Sie kennen mich; aus der Elementarbildung errei­chen mich recht verzweifelte Nachrichten vor allem von LeiterInnen von Einrichtungen. Die KollegInnen, die dort arbeiten, arbeiten sehr ungeschützt. Sie haben sich entschlos­sen, dass man mit Kleinstkindern keine Maske tragen kann, da die Interaktion mit Klein­kindern nicht funktioniert, wenn man das Gesicht und die Gesichtszüge nicht sieht. Auch die Vorgehensweisen, wie mit Fällen, die dort auftreten, umgegangen wird, sind so unterschiedlich. Die KollegInnen haben Angst um ihre eigene Gesundheit und die ihrer Angehörigen, und das macht auf Dauer etwas mit der psychischen Verfasstheit dieser KollegInnen.

Darum richte ich immer wieder meinen Appell an alle VerantwortungsträgerInnen: Die Elementarbildung braucht Aufmerksamkeit, und sie hat es verdient (Beifall bei der SPÖ), dass man sie auch immer benennt und erwähnt, um diese KollegInnen nachhaltig zu schützen. Ich denke, es muss für das nächste Jahr ein Ziel sein, dass in der Elementar­pädagogik, im Kindergarten, tatsächlich ein großer Entwicklungsschritt passiert, um die­se Einrichtungen abzusichern.

Alles in allem: Wir stimmen diesem Härtefonds für die ausgefallenen Schulveranstal­tungen zu, wirklich Sorgen aber machen uns die großen und nachhaltigen Probleme im Bildungsbereich. Wir hoffen, dass wir da in Kürze tatsächlich von großen Konzepten, großen Würfen hören, die sich um diese Probleme kümmern. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.14


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Ich erteile dieses.


20.15.14

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Zu diesem Schulveranstaltungsausfall-Härtefonds, den wir heute behandeln: Ich glaube, die Worte des Dankes habe ich in meiner letzten Rede bereits ziemlich ausgeschöpft (Zwischenruf bei der ÖVP) und sie wären in diesem Zusammenhang auch nicht wirklich angebracht, denn es sollte doch selbstverständlich sein, dass Eltern die Entschädigungen für Veran­staltungen, die jetzt nicht stattfinden können, erhalten.

Man sieht aber an diesem Gesetzentwurf, dass das nicht selbstverständlich ist, denn die völlig überzogenen Maßnahmen, die da geschaffen wurden, ermöglichen keine Veran­staltungen, die grundsätzlich hätten stattfinden können, wie ein Skikurs oder derglei­chen. Jetzt geht man her und sagt mit dieser Gesetzesvorlage, man zahlt 70 oder 80 Pro­zent der Stornokosten an die Eltern. Das heißt, die Eltern bleiben wieder einmal auf 20 oder 30 Prozent der Kosten sitzen.


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Herr Bundesminister, ich glaube – mein Kollege Spanring hat das heute auch schon ge­sagt –, dass Sie sehr wohl mit offenen Augen durchs Leben gehen und dass Sie diese Dinge auch sehen. Ich sehe aber auch, dass Sie sich gegen Ihren Bundeskanzler oder vielleicht auch gegen den Finanzminister nicht durchsetzen können. Ich hätte wirklich die Bitte an Sie – das sind Dinge, die wirklich unfair sind –: Setzen Sie sich da durch! Es kann nur sein, dass die Entschädigungszahlungen zu 100 Prozent passieren und nicht, dass Eltern auf 20 oder 30 Prozent sitzen bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Finanzielle, Herr Bundesminister, das ist der eine Aspekt des Ganzen, es kommt aber noch ein weiterer Aspekt hinzu. Wissen Sie eigentlich, was wir bei den Kindern anrichten, wie enttäuscht Kinder sind, die sich vielleicht von der zweiten Klasse weg auf eine Schullandwoche freuen, auf Sehenswürdigkeiten freuen, auf Sportveranstaltungen freuen oder darauf, das erste Mal mit ihren FreundInnen alleine für ein paar Tage auf einer Wienwoche zu sein? Ich kann es nur von meinen eigenen Kindern erzählen: Die haben bereits in der dritten Klasse angefangen, zusammenzuschreiben, was sie auf diese Wienwoche mitnehmen möchten – einen Fotoapparat, um das auch festhalten zu können –, und mit einem Strich und mit diesen überzogenen Maßnahmen ist das jetzt heute alles nicht mehr möglich.

Ich muss Ihnen sagen, das wäre sehr wohl möglich, denn das hat einzig und allein diese Bundesregierung mit ihren überzogenen Maßnahmen zu verantworten. Nein, die Bun­desregierung ist nicht schuld an Corona, aber die Bundesregierung ist schuld an vielen, vielen Maßnahmen und Auswirkungen, die dadurch entstehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister, ich habe es vorhin bereits kurz angerissen: Dieses Homeschooling ist wirklich keine angenehme Lösung für viele, viele Eltern, die sich zu Hause im Home­office befinden. Es ist nämlich meistens nicht so, dass räumliche Aufteilungen stattfinden und das Kinderzimmer zum Klassenzimmer, das Büro zum Homeoffice wird und in der Küche gekocht wird. Ganz im Gegenteil, meistens ist der Küchentisch am Vormittag um­funktioniert zum Homeoffice, wo im besten Fall ein Elternteil, vielleicht sogar zwei El­ternteile ihren Computer aufgebaut haben. Dieser Tisch, dieser Küchentisch wird aber auch zum Klassenzimmer, an dem die Hausaufgaben gemacht werden, wo Mathematik, Deutsch, was auch immer gelernt wird, Telefongespräche mit den Firmen stattfinden – und parallel dazu müssen die Eltern den Kindern ihre Hausaufgaben erklären.

Ich sage, das ist die tatsächliche Wirklichkeit, so schaut es aus. Der Alltag findet nicht in einer 400-Quadratmeter-Wohnung – wie es viele aus den Reihen der Regierungspar­teien vielleicht gewohnt sind – statt. Meistens ist es die 3-Zimmer-Wohnung, die im Schnitt zwischen 60 und 90 Quadratmetern hat. Das alles zu bewältigen, am Vormittag das Klassenzimmer und das Büro am Küchentisch zu haben, parallel dazu Mittagessen zu kochen und am Nachmittag wieder das Klassenzimmer und das Homeoffice aufzu­bauen, das ist die tatsächliche Wirklichkeit, die durch diese Schulschließung entstanden ist.

Ich glaube, bei den Schulschließungen gibt es wirklich Verbesserungsbedarf. Ich weiß, Sie wollten die Schulen nicht schließen, aber wir sehen das Endergebnis: Die Schulen sind zum zweiten Mal geschlossen worden, im vorigen Schuljahr waren es 22 Prozent.

Ich hoffe, dass mit dieser Schulöffnung, die nun mit 7. Dezember stattfindet, die Schul­schließungen ein für alle Mal Geschichte sind. Ich hoffe auch, dass Sie bis zum 7. De­zember noch von diesem wirklich unsäglichen Maskenwahn, der jetzt an den Schulen stattfinden soll, absehen. Schnüren Sie unseren Kindern nicht die Luft zum Atmen ab! Lassen Sie unsere Kinder Kinder sein! Ich glaube, diese Masken (eine Tafel mit der Aufschrift „Keine Maskenpflicht im Unterricht“ sowie der Abbildung eines Kindes mit Mund-Nasen-Schutz und des Parteilogos der FPÖ in die Höhe haltend), brauchen wir im Unterricht wirklich nicht, Herr Bundesminister! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.20



BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 186

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Kollegin.


20.20.49

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nun zu fortge­schrittener Stunde Ihre Aufmerksamkeit nicht mehr zu sehr strapazieren und vom Thema abschweifen, sondern eigentlich nur noch eines festhalten – von meiner Vorrednerin wurde ja schon erklärt, worum es im Schulstornofonds-Gesetz geht, noch ein Satz von mir dazu –: Hintergrund ist der, dass Schulveranstaltungen sehr langfristig im Voraus geplant werden, weswegen wir nun die Erweiterung des Zeitraums für die Ersetzung der Kosten beschließen werden. Dieser Kostenersatz ist dringend notwendig.

Sonst gibt es dazu eigentlich für heute nicht mehr so viel zu sagen, außer (Heiterkeit der Rednerin): Danke für die Zustimmung. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.)

20.21


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Dann darf ich Frau Bundesrätin Doris Hahn ans RednerInnenpult bitten.


20.21.55

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst noch einmal in aller Kürze zum Schulstornofonds: Ich finde es natürlich auch positiv, dass er fortgesetzt werden soll, allerdings – da bin ich fast bei der FPÖ – ist es mir schon ein Rätsel, warum nicht die vollen 100 Prozent ersetzt werden.

Vor allen Dingen kann ich auch das Argument, das man uns im Ausschuss geliefert hat: Na ja, man hätte ja absehen können, dass in diesem Schuljahr keine Veranstaltungen möglich sein werden!, so nicht gelten lassen, wenn ich mich daran erinnere, dass ein gewisser Herr Sebastian Kurz noch vor einiger Zeit verkündet hat, er sehe Licht am Ende des Tunnels und es werde schon alles werden und so. Insofern kann ich das nicht ganz nachvollziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Außerdem – das darf man auch nicht vergessen – ist zum Beispiel gerade für Sprachwo­chen im Ausland – das hat beispielsweise meine Schule betroffen – eine entsprechende Vorlaufzeit notwendig. So etwas plant man nicht von heute auf morgen, da ist eine ent­sprechende Vorbereitungszeit nötig, da müssen zum Beispiel Flüge früh gebucht und Anzahlungen für vieles getätigt werden. Das geht eben nicht von heute auf morgen, das muss man entsprechend planen, daher gibt es natürlich auch Veranstaltungen, die jetzt noch ersetzt werden müssen. Zu sagen: Na ja, das hättet ihr halt nicht planen dürfen!, ist für mich ein bisschen zu kurz gegriffen.

Erfreulich ist, dass es in der ersten Phase immerhin nur zwei abgelehnte Anträge gab, somit konnten, wie wir erfahren haben, auf diese Weise die Kosten von 3 617 entfallenen Veranstaltungen entschädigt werden. Das entlastet auf jeden Fall die Familien, die sonst ja völlig unverschuldet zum Handkuss gekommen wären. Auch in diesem Zusammen­hang ein großes Danke an die betreffenden Lehrkräfte, die wirklich eine große zusätz­liche administrative Arbeit übernommen haben, um den Eltern Kosten zu ersparen. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

Was ich Ihnen aber auch nicht ersparen kann, ist das eine oder andere Wort zur aktuel­len Situation an den Schulen. Wir haben gestern in der Pressekonferenz – eine von 173 oder so, ich habe irgendwann aufgehört, zu zählen – erfahren, dass die Schulen also am kommenden Montag nach dreiwöchigem Homeschooling wieder öffnen dürfen, zu­mindest Volksschulen und Sekundarstufe I. Ich glaube, das ist für die Schülerinnen und


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Schüler extrem positiv, denn wir merken inzwischen doch eine sehr große Müdigkeit bei den Schülerinnen und Schülern.

Diesen stundenplanmäßigen Unterricht, der von uns ja eingefordert wurde, den ganzen Tag über vor dem Bildschirm zu erledigen, ist besonders für die jüngeren Schüler ganz, ganz schwierig, anstrengend und nicht so einfach. Auf der anderen Seite habe ich es erlebt, dass oft sogar meine eigene Mathematikklasse, die ich zu betreuen habe, frei­willig in den virtuellen Sprechstunden dazugekommen ist, und zwar aus einem Grund: damit sie einfach miteinander plaudern können. Für den sozialen Aspekt, für die Klas­sengemeinschaft, ist also diese Rückkehr in das Schulhaus immens wichtig und deswe­gen sehr positiv zu sehen.

Ich komme nun zu einem weiteren Aber. Die Lehrkräfte fragen sich schon das eine oder andere, nämlich: Sind auch wirklich genügend Sicherheitsmaßnahmen dafür getroffen worden? Wie schaut es mit dem Schutz für ältere Kolleginnen und Kollegen, für schwan­gere Kolleginnen aus? Was tun wir mit klassen- und vielleicht sogar jahrgangsübergrei­fenden Lerngruppen, ich sage nur: unverbindliche Übungen, Deutschförderklassen und vieles mehr? – Ich muss sagen, es bleiben leider Fragen über Fragen offen.

Wir haben nun ab der fünften Schulstufe die Maskenpflicht. So weit, so gut. Dazu muss ich sagen: Immerhin sind in Niederösterreich vor knapp eineinhalb Wochen FFP2-Mas­ken in den Schulen eingetroffen, obwohl sie uns schon längst versprochen wurden. Da man diese ja auch nicht über einen langen Zeitraum hinweg tragen sollte, stelle ich mir schon die Frage und bin gespannt, ob die Nachlieferung, die ja sehr regelmäßig stattfin­den muss, dann auch dementsprechend funktionieren wird. Ich habe meine Bedenken, denn wir warten beispielsweise auch immer noch auf die Grippeimpfung für die Lehr­kräfte, die uns schon längst versprochen wurde. Angeblich soll sie Mitte Dezember kom­men und ich bin gespannt, ob wir das noch vor Ende der Grippesaison erleben werden – so viel zum epidemiologisch sicheren Arbeitsplatz Schule.

Man muss dazusagen: Es sind in diesem Fall wieder die Gemeinden, die eingesprungen sind. Sie unterstützen nämlich eingreifend und besorgen beispielsweise Luftgütemess­geräte und dergleichen mehr, da finanzieren also wieder die Gemeinden, was unter Um­ständen die Bildungsdirektionen oder auch das Ministerium zu tun hätten, aber sei’s drum. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Kritik muss ich auch noch betreffend die aus meiner Sicht durchaus fehlende Kom­munikation anbringen, nämlich mit den betroffenen Personen, mit den Lehrkräften, mit den Schulleiterinnen und Schulleitern. Es wurde wieder die Presse zuerst informiert! Wir haben zuerst aus „Österreich“, „Heute“ und „Kronen Zeitung“ erfahren, was am Montag passieren wird. Die Gewerkschaft wurde in keinerlei Gespräche miteinbezogen. Ich muss Ihnen jetzt schon eine Botschaft mitgeben: Transparenz schafft Vertrauen! Eine gute Kommunikation mit den Akteurinnen und Akteuren, in dem Fall den Lehrkräften, schafft auch eine Akzeptanz und somit eine gewisse Sicherheit und ein Annehmen der Maßnahmen. Das gewährleistet, dass eben diese verordneten Maßnahmen dann auch wirklich viel eher mitgetragen werden.

Ich glaube, Personen aus der Praxis hätten mit ihren Erfahrungswerten schon aus dem Frühjahr dazu beitragen können, dass es jetzt im Herbst womöglich gar nicht zu einer weiteren Schulschließung hätte kommen müssen. Ich sage nur: Schichtbetrieb. Da gibt es durchaus schon sehr weit ausgereifte und sehr gut ausgearbeitete Konzepte, wie das hätte funktionieren können. Wir wissen, von diesem Arbeiten in Kleingruppen haben alle profitiert. Das hat man gänzlich vom Tisch gewischt, warum, kann ich auch nicht nach­vollziehen, aber sei’s drum.

Sehr positiv anzumerken ist: Das Distanceteaching, -learning hat jetzt im zweiten Lock­down wirklich gut funktioniert, zu einem großen Teil viel, viel besser, als das noch im


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Frühling der Fall war. Ich muss aber schon unterstreichen, dass das nicht das Verdienst des Ministeriums oder der Bildungsdirektion – in meinem Fall von Niederösterreich – ist, sondern ganz alleine auf die Eigeninitiative der Schulleitungen und der Lehrkräfte zu­rückzuführen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Denen ist es nämlich zu verdanken. Sie haben weit über das normale Ausmaß hinaus gearbeitet. Sie haben die SchülerInnen schon in weiser Voraussicht Wochen vor der Verkündung des Lockdowns auf die digitale Fernlehre vorbereitet, es wurde Lernmaterial umgestellt oder ganz neu erstellt. Wie schon im Frühling sind dabei auch ganz, ganz neue und sehr innovative Ideen entstanden, und das alles bei gleichzeitiger Betreuung von SchülerInnen in der Schule selber. Man darf eines auch nicht vergessen  das habe ich eigentlich in noch keiner Diskussion gehört : Viele Lehrkräfte sind selbst Eltern, das heißt, sie waren somit doppelt und dreifach, nämlich auch mit dem Homeschooling der eigenen Kinder belastet.

Das heißt, mein Dank und meine Hochachtung gilt allen meinen Kolleginnen und Kolle­gen da draußen, die wirklich das ganze Schuljahr über und genauso im letzten Schuljahr Großartiges geleistet haben. Sie haben sich beispielsweise um die Verteilung der Leih­geräte gekümmert – auch da könnte ich meine Kritik anbringen. Eine Schule mit 150 Schü­lerinnen und Schülern bekommt drei Leihgeräte, obwohl wir locker das Zehnfache hätten brauchen können – der Bedarf ist da. Da fällt mir der Begriff Bildungstriage ein: Muss ich sozusagen würfeln, welches Kind das bedürftigere ist, und dann sagen: Nein, tut mir leid, du bist nicht ganz so bedürftig, dir kann ich leider keines von diesen drei Geräten ge­ben!? – Da gäbe es also noch viel an Kritik.

Mein Dank gilt auch den Eltern, die wieder nach bestem Wissen alles mitgetragen haben, trotz aller Betreuungsschwierigkeiten, die es gegeben hat. Ein ganz großes Danke­schön – das ist mir als Lehrerin wirklich ein Bedürfnis – ergeht auch an die Schülerinnen und Schüler, die sich selbst organisieren müssen – das ist gerade für die jüngeren immer wieder sehr, sehr schwierig gewesen – und die bis zum Schluss drangeblieben sind, obwohl es extrem schwierig war.

Wir wissen aber inzwischen auch aus dem ersten Lockdown, dass diese Schulschlie­ßung sehr wohl negative Folgen mit sich brachte. Eine Volksschuldirektorin aus meinem Heimatbezirk Tulln hat das in der „Wiener Zeitung“ auch bestätigt. Sie sagt, Erstklässler hätten in diesem vergangenen Halbjahr des letzten Schuljahres einfach nicht lesen ge­lernt. Manche aus der vierten Klasse hätten dadurch den Übertritt ins Gymnasium nicht schaffen können. Sie spricht von immerhin zehn SchülerInnen von ihren 276, die die Klasse aufgrund des Lockdowns im Frühjahr wiederholen müssen. Ich frage mich jetzt – und das ist nicht böse gemeint, sondern ich möchte es einfach wissen –, was Sie, Herr Minister, geplant haben. Was sind die Konzepte, wie wir diesen Kindern ganz konkret helfen können, sodass sich der Verlust in ihrer Bildungslaufbahn nicht noch verstärkt?

Wir haben jetzt auch gehört, wir sollen Räume in den Gemeinden – Veranstaltungssäle, Sitzungssäle und so weiter – zur Verfügung stellen. Dies ist wieder eine Bitte an die Gemeinden. Ich stelle mir das etwas schwierig vor, das mag vielleicht noch in der Volks­schule funktionieren, nicht aber in den Mittelschulen, in denen wir einen fixen Stunden­plan und wandernde Lehrer haben. Wir haben auch einen Aufsichtserlass zu erfüllen, und ich glaube, das wissen Sie so gut wie ich.

Wie gesagt, vieles ist für uns Lehrkräfte einfach noch ungeklärt, zum Beispiel der in ir­gendeiner Form gestaffelte Unterrichtsbeginn, den Sie uns angeraten haben, der ebenso schwierig umzusetzen ist. Ich würde Sie einfach bitten: Vielleicht können Sie mich da erhellen und aufklären, was Ihre Konzepte dahin gehend sind. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.32



BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 189

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Dr. Heinz Faßmann. – Bitte sehr, Herr Minister.


20.32.16

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Zwei Bemerkungen, Hohes Haus, muss ich noch anbringen. Herr Leinfellner, ich bin als Politiker auch jemand, der im Leben steht. Ich lebe nicht auf 400 Quadratmeter Wohnflä­che, ich weiß sehr wohl, dass es eine schwierige Situation darstellt, wenn Menschen Homeschooling und Homeoffice machen. Was Sie schuldig geblieben sind – Sie haben gesagt, es sind lauter überzogene Maßnahmen –: Welche Maßnahmen wären eigentlich die richtigen gewesen? – Das habe ich vermisst.

Frau Gruber, Ihrem Sohn richten Sie bitte nicht nur schöne Grüße aus, sondern auch, dass praktische Übungen in der 1. Klasse der Sekundarstufe II in der HTL stattfinden, unter hygienischen Bedingungen. Praktische Übungen können bekanntlich nicht über Distancelearning und digitale Medien abgewickelt werden, aus diesem Grund finden sie statt.

Fördern ohne Stigmatisierung ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich glaube, die beste Antwort darauf ist: Die Aktionen, die man setzt, müssen so fesch, so schick, so gut sein, dass Schüler und Schülerinnen gerne hingehen. Die Sommerschule war so etwas. Sie ist un­glaublich gut angenommen worden und hat überhaupt keinen stigmatisierenden Effekt gehabt. Wir haben zwar bestimmte Schülergruppen bevorzugt, alle anderen aber haben gesagt: Schade, ich wäre auch gerne dort gewesen! – Das war keine Stigmatisierung. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Gruber, auch noch zu Ihrem Punkt – ich möchte das nur klarstellen, deswegen habe ich mich auch zu Wort gemeldet: nicht, um unbedingt recht haben zu wollen, son­dern nur, um klarzustellen –: Die Antigentestung richtet sich nicht nur an Lehrer, sondern natürlich auch an das Verwaltungspersonal, an alle Personen, die etwas mit der Schule zu tun haben, und natürlich auch an die Elementarpädagogen und ‑pädagoginnen. Das ist eine ganz wichtige Botschaft. Ihr öffentliches Votum hat Kraft, tragen Sie das bitte weiter, denn ich halte es für eine extrem wichtige Sache, dass vielleicht jene, die ganz unentdeckt infiziert sind, die nichts davon bemerken, aus einer Infektionskette herausge­nommen werden können oder sich selbst herausnehmen!

Tragen Sie also bitte diese Nachricht weiter, und ich nehme dafür Ihre Nachricht mit, dass die Elementarpädagoginnen und -pädagogen öffentliche Aufmerksamkeit brau­chen! Ich bin mir dessen absolut bewusst. Sie wissen um die schwierige kompetenz­rechtliche Frage, wer da was zu sagen hat. Nichtsdestotrotz richten sich alle unsere Ak­tivitäten auch daran aus, ihnen einen gesellschaftlichen Stellenwert zu geben, weil sie letztlich der Gesellschaft unglaublich viel zurückgeben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.35


20.35.20

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Herr Minister, wir freuen uns immer, wenn sich Regierungsmitglieder zu Wort melden und auf die Redebeiträge der Bundes­rätInnen eingehen.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 190

20.36.1014. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Sanierung des Parlamentsgebäudes (Parlamentsgebäudesanierungsgesetz, PGSG) geändert wird (984/A und 442 d.B. sowie 10450/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen zum 14. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um den Be­richt, Frau Kollegin.


20.36.26

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sanierung des Parlamentsgebäudes geän­dert wird.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für den Bericht.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Fraktionsvorsitzender Karl Bader. – Bitte, Herr Kol­lege.


20.37.26

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren vor den Bildschir­men! Es ist eine Freude, dass das Parlamentsgebäudesanierungsgesetz in der Vergan­genheit, aber auch heute hier im Hohen Haus mit einvernehmlichen Beschlüssen gefasst wurde und wird. Unser altes, ehrwürdiges Parlamentsgebäude am Ring, nach dem Ar­chitekten Theophil Hansen von vielen Hunderten Bauarbeiterinnen, Bauarbeitern errich­tet, ist ein wirkliches Juwel und ein Arbeitsplatz, der in die Gegenwart geführt werden muss.

Auf der anderen Seite gab es schon viele Schäden. Ich kann mich an Bundesrats­sitzungen erinnern – Kollege Schennach, Frau Präsidentin Zwazl und ein paar andere waren dabei, als ich zum ersten Mal 2003 bis 2008 Mitglied des Bundesrates war –, da wurden im alten Bundesratssitzungssaal bei Starkregen einige Kübel im Plenum aufge­stellt. Es war also höchst notwendig, dieses Gebäude zu sanieren. Es ist ein Auftrag an uns, dass wir diese alte Baustruktur entsprechend wertschätzen, renovieren und sanie­ren, und das geschieht gerade.

Ich darf den Bundesrat auch im Nutzerbeirat vertreten und habe daher schon einige Male die Baustelle besuchen können und dürfen. Es ist faszinierend, mitzuerleben, wie diese Arbeiten dort abgewickelt werden. Vor der Coronakrise waren dort an manchen Tagen 700 bis 800 Mitarbeiter und Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter tätig. Es ist in den Ge­sprächen mit den Architekten faszinierend gewesen, wie sie mit leuchtenden Augen be­richtet haben, was sie von Theophil Hansen alles lernen konnten. Es ist wirklich bemer­kenswert, diese Megabaustelle mit einem Megabau und einer Megaverantwortung abzu­wickeln – höchsten Respekt vor den Planerinnen und Planern, höchsten Respekt vor dem Polier, der das generalmanagt und vor allem auch vor allen Bauarbeiterinnen und Bauarbeitern, die dort diese Arbeit verrichten! Das ist wirklich sehr, sehr spannend.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 191

Die Kostenobergrenze von 352,2 Millionen Euro wird nun überschritten werden. Es gibt eine Bauzeitverlängerung, es gibt eine Kostenerhöhung, aber nicht deswegen, weil da etwas verschleppt wurde, sondern vor allem, weil zusätzliche Arbeiten dazugekommen sind, die ganz einfach notwendig waren.

Es gibt einen Vollausbau eines zweiten großen Ausschusslokals, es gibt im Erdgeschoss ein Lokal, das auch abhörsicher gemacht wird, und es werden nun auch die Fassaden außen und in den Innenhöfen gestaltet. Ich glaube, dass es gut ist, dass das jetzt ge­macht wird, weil es gerade in dieser Situation auch eine Unterstützung für die Wirtschaft ist, dass noch Geld in die Hand genommen wird.

Das wollen wir mit diesem Beschluss heute tun, und daher freue ich mich, dass wir hier einen einstimmigen Beschluss zustande bringen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.40


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundes­rätin Elisabeth Grimling. – Bitte, Frau Kollegin.


20.40.40

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream, falls noch wer zuschaut! Das bereits im Sommer 2014 einstimmig beschlossene Parla­mentsgebäudesanierungsgesetz, PGSG, sah eine nach den damaligen Gegebenheiten errechnete Kostenobergrenze mit einer festgelegten Toleranzgrenze von 20 Prozent für die Sanierung des Parlamentsgebäudes vor. Das beinhaltet auch die Kosten für die Inte­rimslocation und die Übersiedlungen.

Bereits damals wurde auch festgelegt, dass eine Überschreitung der Kostenobergrenze nur mit einem neuerlichen Gesetzesbeschluss möglich ist. Mittlerweile wurden Zusatz­maßnahmen geplant. Mein Vorredner hat sie schon berichtet, ich darf es noch einmal wiederholen: der Vollausbau eines zweiten großen Lokals im Erdgeschoss, die Schaf­fung abhörsicherer Räumlichkeiten und die Ausbauten im Rampenbereich sowie die Sa­nierung der Außenfassade und der Fassaden der Innenhöfe.

Diese Baumaßnahmen wären innerhalb der Toleranzgrenze zwar weiterhin möglich, sie werden sich aber aufgrund ihrer Arbeitsintensität auf die Jahre 2021 und 2022 erstre­cken. Diese Bauzeitverlängerung lässt Kostenerhöhungen aufgrund der derzeitigen Un­sicherheit durch die Covid-19-Krise erwarten. Deshalb hat der Bauherrenausschuss als Projektkontrollgremium gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 PGSG empfohlen, für die erwarteten Kos­ten budgetäre Vorsorge zu treffen und das PGSG entsprechend anzupassen.

Durch eine haushaltsrechtliche Ermächtigung soll daher ermöglicht werden, mit Be­schluss des Nationalrates im jeweiligen Bundesfinanzgesetz oder in einer anderen ge­setzlichen Grundlage die Höchstgrenzen zu überschreiten, wenn es infolge von außer­gewöhnlichen Umständen, die auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen sind, erfor­derlich wird.

Der bereits bisher als Kontrollorgan eingesetzte Bauherrenausschuss wird dahin gehend erweitert, dass ihm in Hinkunft auch die Rechnungshofpräsidentin beziehungsweise der Rechnungshofpräsident angehören.

Aus dem gegebenen Anlass der Erweiterung der Umbaupläne möchte ich als Bundes­rätin an den Herrn Nationalratspräsidenten, die Frau Präsidentin des Bundesrates bezie­hungsweise den Nachfolgepräsidenten des Bundesrates, die Parlamentsdirektion und den Bauherrenausschuss sowie auch an die Architekten appellieren, auch für die Mit­glieder der zweiten Kammer des Parlaments geeignete Arbeitsräumlichkeiten zu schaf­fen, um ihnen im Hause entsprechende Vorbereitungsarbeiten und Besprechungen für ihre parlamentarische Arbeit zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 192

Die Häufigkeit der Tagungen in den letzten Wochen haben gezeigt, wie sehr die Arbeit des Bundesrates für den raschen Ablauf des Gesetzgebungsprozesses wichtig ist. Es kann aber auf Dauer nicht angehen, dass die Mitglieder des Bundesrates nur als – unter Anführungszeichen – „Untermieter“ die parlamentarischen Räumlichkeiten benützen dür­fen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf seine Zustimmung geben. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

20.45


20.45.24

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.46.0415. Punkt

Wahl von Ausschüssen


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen zum 15. Punkt der Tages­ordnung.

Es liegt mir der Antrag der Bundesräte Karl Bader, Christoph Steiner, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, den Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen, den EU-Ausschuss, den Ausschuss für Familie und Jugend, den Finanzausschuss, den Geschäftsordnungsausschuss, den Gesundheitsausschuss, den Gleichbehandlungs­ausschuss, den Ausschuss für innere Angelegenheiten, den Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft, den Justizausschuss, den Kinderrechteausschuss, den Lan­desverteidigungsausschuss, den Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, den Ausschuss für Sportangelegenheiten, den Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur, den Umweltausschuss, den Unterrichtsausschuss, den Unvereinbarkeitsausschuss, den Ausschuss für Verfassung und Föderalismus, den Ausschuss für Verkehr, den Wirt­schaftsausschuss und den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung neu zu wählen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Antrag hinsichtlich der Wahl der genannten Ausschüsse ihre Zustimmung geben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Weiters bringe ich den gegenständlichen Antrag hinsichtlich der Zusammensetzung der genannten Ausschüsse mit jeweils 16 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern, wobei jeweils 7 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, jeweils 5 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die SPÖ, jeweils 3 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die FPÖ und jeweils 1 Mitglied und Ersatzmitglied auf die Grünen entfallen, zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit an­genommen.

Die vorher genannten Ausschüsse sind somit gemäß § 13 Abs. 1 der Geschäftsordnung neu gewählt.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 193

Im Sinne des § 13 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates sind die von den Frak­tionen auf sie entfallenden Ausschussmitglieder und Ersatzmitglieder schriftlich namhaft zu machen, diese gelten damit als gewählt.

Ich weise darauf hin, dass die genannten Ausschüsse unmittelbar im Anschluss an die heutige Plenarsitzung hier im Großen Redoutensaal konstituiert werden.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.49.50Abstimmung über Fristsetzungsanträge


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Novem­ber 2020 betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Verbraucherbehörden-Koopera­tionsgesetz, das Telekommunikationsgesetz 2003 und das Wettbewerbsgesetz geän­dert werden“, eine Frist bis zum 5. Dezember 2020 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Dieser Antrag findet nicht die Mehrheit und ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungs­gesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversi­cherungsgesetz und das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden“, eine Frist bis zum 5. Dezember 2020 zu setzen.

Ich gebe bekannt, dass ich von meinem Stimmrecht Gebrauch mache.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Dieser Antrag findet nicht die Mehrheit und ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Wirtschaftsausschuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammerge­setz 1998, das Ziviltechnikergesetz 2019 und das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden“, eine Frist bis zum 5. Dezember 2020 zu setzen.

Ich mache wieder von meinem Stimmrecht Gebrauch.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Auch dieser Antrag findet nicht die Mehrheit und ist somit abgelehnt.

20.53.11Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt fünf Anfragen (3812/J-BR/2020 bis 3816/J-BR/2020) eingebracht wurden.


BundesratStenographisches Protokoll915. Sitzung, 915. Sitzung des Bundesrates am 3. Dezember 2020 / Seite 194

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 282/A(E)-BR/2020 der Bundesräte Marlies Stei­ner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beibehaltung und Adaptierung der ab­schlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen“, der dem Aus­schuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermine werden Mittwoch, der 16. Dezember 2020, 12 Uhr, und Don­nerstag, der 17. Dezember 2020, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnungen dieser Sitzungen kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 15. Dezember 2020, 13 Uhr, vorge­sehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

20.55.03Schluss der Sitzung: 20.55 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien