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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

924. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Dienstag, 30. März 2021

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

924. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Dienstag, 30. März 2021

Dauer der Sitzung

Dienstag, 30. März 2021: 9.00 – 21.56 Uhr

*****

Ergänzte Tagesordnung

1. Punkt: Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und Vorhaben des Rates für das Jahr 2021

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002, das Hochschul-Quali­tätssicherungsgesetz, das Hochschulgesetz 2005, das Fachhochschulgesetz und das Privathochschulgesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über hochschulrechtliche Sonder­vorschriften an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen auf­grund von COVID-19 (2. COVID-19-Hochschulgesetz – 2. C-HG) erlassen wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsge­setz 2014 geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird, und das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebe­dingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem zur Linderung der Folgen der COVID-19-Pandemie bei den Wohnkosten das Mietrechtsgesetz und das Richtwertgesetz geändert werden (Mietzinsrechtliches Pandemiefolgenlinderungsgesetz – MPFLG)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz – KuKuSpoSiG) geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikergesetz 2019 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlassung neuer Berufsreglementierungen (Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz – VPG)

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Digitali­sierungsfonds (Digitalisierungsfondsgesetz-Digi-FondsG) erlassen wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 2

13. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Re­publik zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen in der Fassung des Notenwechsels vom 22. Dezember 1993 und 14. Jänner 1994

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Arbeitsrecht in der Land- und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz 2021) erlassen wird sowie das Behinderten-Ein­stellungsgesetz, das Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geän­dert werden

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, das Arbeitsinspektions­gesetz 1993, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957, das Betriebliche Mitarbei­ter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maß­nahmengesetz geändert werden

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Be­darfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Durchführung der Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates zu Tierseuchen und zur Änderung und Aufhebung einiger Rechtsakte im Bereich der Tiergesundheit („Tiergesundheitsrecht“) im Rahmen der bestehenden österreichischen Veterinärgesetze sichergestellt wird (Ve­terinärrechtsnovelle 2021)

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer One Mobility GmbH und das Bundesgesetz über die Einführung des Klimatickets erlassen werden

24. Punkt: Änderungen des Protokolls von 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle

25. Punkt: Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur über Haftung und Wiedergutma­chung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz ge­ändert wird

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 3

28. Punkt: Antrag der Bundesräte Karl Bader, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betref­fend die Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (290/A-BR/2021)

29. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Bonusticket für in Österreich lebende Menschen, die Urlaub in Öster­reich machen (289/A(E)-BR/2021)

*****

Inhalt

Bundesrat

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 Abs. 3 GO-BR ............................................................ 36

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kolle­gen gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR, den Antrag 290/A-BR/2021 der BundesrätInnen Karl Bader, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Änderung der Ge­schäftsordnung des Bundesrates“ ohne Vorberatung durch einen Ausschuss un­mittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme .....................................................................  36, 36

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................  122, 152, 179

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ........................  151, 179

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Vizepräsident Dr. Peter Raggl ................................................................................... 207

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ................................ 211

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 15

Ordnungsruf .................................................................................................................. 147

Aktuelle Stunde (84.)

Thema: „Das Österreichische Bundesheer in der Corona-Pandemie“ ................. 15

RednerInnen:

Bernhard Hirczy ............................................................................................................ 15

Wolfgang Beer .............................................................................................................. 17

Markus Leinfellner ........................................................................................................ 19

MMag. Elisabeth Kittl, BA ............................................................................................ 21

Bundesministerin Mag. Klaudia Tanner .............................................................  22, 30

Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................................................. 25

David Egger .................................................................................................................. 26

Marlies Steiner-Wieser ................................................................................................. 27

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ............................................................................ 29

Bundesregierung


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 4

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Beendigung der Vertretung ge­mäß Art. 73 Abs. 1 B-VG der Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. durch den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vize­kanzler Mag. Werner Kogler mit 15. März 2021 ..... 34

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Beendigung der Vertretung ge­mäß Art. 73 Abs. 1 B-VG des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober durch die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewess­ler, BA mit 15. März 2021 ................................................................................. 35

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ........................................................................... 36

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  31, 212

Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend „Der Kanzler im Korruptionssumpf“ (3870/J-BR/2021) ................................................ 122

Begründung: Korinna Schumann .............................................................................. 122

Bundeskanzler Sebastian Kurz ................................................................................ 125

Debatte:

Stefan Schennach ...................................................................................................... 129

Karl Bader ................................................................................................................... 133

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ... 135

Marco Schreuder ........................................................................................................ 139

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................... 140

Mag. Elisabeth Grossmann ....................................................................................... 142

Dr. Karlheinz Kornhäusl ............................................................................................ 144

Josef Ofner .................................................................................................................. 147

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 150

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entlassung des Bundesministers für Finanzen Gernot Blümel“ – Annahme (345/E-BR/2021) ..............................................................................................................................  138, 151

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Abberufung von Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG)“ – Annahme (343/E-BR/2021) (na­mentliche Abstimmung) ..................  144, 151

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung .................................... 152

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Arbeits­programm der Europäischen Kommission und Vorhaben des Rates für das Jahr 2021 (III-731 und Zu III-731-BR/2021 d.B. sowie 10580/BR d.B.) .................................................................................................... 37

Berichterstatter: Silvester Gfrerer ................................................................................ 37

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-731 und Zu III-731-BR/2021 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ...................................................................................................... 38

Gemeinsame Beratung über


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 5

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002, das Hochschul-Qualitätssicherungs­gesetz, das Hochschulgesetz 2005, das Fachhochschulgesetz und das Privat­hochschulgesetz geändert werden (662 d.B. und 705 d.B. sowie 10600/BR d.B.) ............................................................................................................... 38

Berichterstatterin: Ing. Judith Ringer ........................................................................... 38

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über hochschulrechtliche Sondervorschriften an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen aufgrund von COVID-19 (2. COVID-19-Hochschulgesetz – 2. C-HG) erlassen wird (706 d.B. sowie 10601/BR d.B.) .............................................................. 38

Berichterstatterin: Ing. Judith Ringer ........................................................................... 38

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014 geändert wird (664 d.B. und 708 d.B. sowie 10602/BR d.B.) ............................................................................................................... 38

Berichterstatterin: Ing. Judith Ringer ........................................................................... 38

RednerInnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................... 39

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ................................................................................... 40

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 43

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................................................ 45

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ............................................................................ 47

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ................................................................................... 48

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................... 49

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .......................................................................... 52

Christoph Steiner ......................................................................................................... 54

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu Punkt 2, gegen den Beschluss des National­rates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universi­tätsgesetz 2002, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz, das Hochschulge­setz 2005, das Fachhochschulgesetz und das Privathochschulgesetz geändert werden (662 d.B. und 705 d.B. sowie 10600/BR d.B.), keinen Einspruch zu erhe­ben – Ablehnung            42, 54

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 54

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 54

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird, und das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebeding­ter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert wird (1343/A und 753 d.B. sowie 10583/BR d.B.) ............................................................................... 55

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger ................................................................ 55

RednerInnen:

Dr. Karlheinz Kornhäusl .............................................................................................. 56

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 57

Marlies Steiner-Wieser ................................................................................................. 58


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 6

MMag. Elisabeth Kittl, BA ............................................................................................ 59

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab ............................................................ 61

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 63

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem zur Linderung der Folgen der COVID-19-Pandemie bei den Wohnkosten das Mietrechtsgesetz und das Richtwertgesetz geändert werden (Mietzinsrechtliches Pandemiefolgenlinderungsgesetz – MPFLG) (1368/A und 685 d.B. sowie 10585/BR d.B.) ................................................................. 63

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................... 64

RednerInnen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA ............................................................................................ 64

Sebastian Kolland ........................................................................................................ 65

Eva Prischl .................................................................................................................... 66

MMag. Dr. Michael Schilchegger ................................................................................ 68

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ............................................................................ 71

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................... 72

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Eva Prischl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „weitere Entlastungen für Mieterinnen und Mieter im Rahmen der COVID-19-Krise“ – Annahme (338/E-BR/2021) ..................................................................................................................................  68, 72

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 72

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportle­bens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz – KuKuSpoSiG) geändert wird (1397/A und 743 d.B. sowie 10584/BR d.B.) ............................................................................... 73

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................... 73

RednerInnen:

Eva Prischl .................................................................................................................... 73

Marco Schreuder .......................................................................................................... 75

Thomas Dim .................................................................................................................. 76

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................................................... 77

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ......................................................................... 79

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Si­cherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz – KuKuSpoSiG) geändert wird (1397/A und 743 d.B. sowie 10584/BR d.B.), keinen Einspruch zu erheben – Ablehnung ..............................................................................................  76, 80

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ziviltechnikergesetz 2019 geändert wird (686 d.B. und 715 d.B. sowie 10592/BR d.B.)   80


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 7

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ..................................................... 81

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (1379/A und 717 d.B. sowie 10593/BR d.B.)      80

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ..................................................... 81

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlassung neuer Berufs­reglementierungen (Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz – VPG) (645 d.B. und 712 d.B. sowie 10594/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 80

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ..................................................... 81

RednerInnen:

Stefan Zaggl .................................................................................................................. 81

Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................................................. 82

Josef Ofner .................................................................................................................... 83

Marco Schreuder .......................................................................................................... 85

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu Punkt 8, gegen den Beschluss des Natio­nalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechni­kergesetz 2019 geändert wird (686 d.B. und 715 d.B. sowie 10592/BR d.B.), kei­nen Einspruch zu erheben – Ablehnung .................................  82, 86

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Sicherung des Erhalts der Unabhängigkeit, der Unparteilichkeit sowie Objektivität der Ziviltechniker“ – Annahme (339/E-BR/2021) .....................................................................................  85, 86

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 86

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 86

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Digitalisierungs­fonds (Digitalisierungsfondsgesetz-Digi-FondsG) erlassen wird (682 d.B. und 714 d.B. sowie 10595/BR d.B.) ........................................ 87

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................... 87

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird (661 d.B. und 713 d.B. sowie 10596/BR d.B.) ...... 87

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................... 87

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechi­schen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen in der Fassung des Notenwechsels vom 22. Dezember 1993 und 14. Jänner 1994 (667 d.B. und 716 d.B. sowie 10597/BR d.B.) ................................... 87


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 8

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................... 87

RednerInnen:

Andrea Kahofer ............................................................................................................ 88

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................................................... 89

Josef Ofner .................................................................................................................... 91

Marco Schreuder .......................................................................................................... 92

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ......................................................... 93

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu Punkt 11, gegen den Beschluss des Natio­nalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über die Errichtung des Digitalisierungsfonds (Digitalisierungsfondsgesetz-Digi-FondsG) erlassen wird (682 d.B. und 714 d.B. sowie 10595/BR d.B.), keinen Einspruch zu erheben – Ablehnung ............................................................  90, 95

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 95

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 95

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Arbeitsrecht in der Land- und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz 2021) erlassen wird sowie das Behinderten-Einstellungsgesetz, das Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz, das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvor­sorgegesetz geändert werden (687 d.B. und 734 d.B. sowie 10575/BR d.B. und 10586/BR d.B.) .................. 95

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Andrea Holzner .............................................................. 96

RednerInnen:

Ernest Schwindsackl ................................................................................................... 96

Horst Schachner ........................................................................................................... 97

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................... 99

Andreas Lackner ........................................................................................................ 100

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ................................................................. 101

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Horst Schachner, Ernest Schwind­sackl, Michael Bernard, Andreas Lackner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamov­sky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Zurverfügungstellung von Trinkwas­ser für Erntehelferinnen und Erntehelfer auf auswärtigen Arbeitsstätten und Fel­dern durch den Arbeitgeber“ – Annahme (340/E-BR/2021)  98, 102

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 102

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsver­fassungsgesetz, das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, das Arbeitsinspektionsge­setz 1993, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1301/A und 735 d.B. sowie 10587/BR d.B.) ............................................................... 102

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Andrea Holzner ............................................................ 102

RednerInnen:


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 9

Heike Eder, BSc MBA ................................................................................................ 103

Korinna Schumann .................................................................................................... 104

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................... 106

Andreas Lackner ........................................................................................................ 109

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ................................................................. 109

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Andrea Michaela Schartel, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Rolle des Arbeitsministeriums in der Causa ‚Hygiene Austria‘“ – Annahme (341/E-BR/2021) ..............................................................................................................................  108, 110

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 110

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bau­arbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (1289/A und 736 d.B. sowie 10588/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 111

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ............................................................................... 111

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (737 d.B. sowie 10576/BR d.B. und 10589/BR d.B.) ............................................................................................................. 111

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ............................................................................... 111

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Andrea Holzner .......................................................................................... 112

Horst Schachner ......................................................................................................... 112

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................... 114

Andreas Lackner ........................................................................................................ 114

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ................................................................. 115

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verlängerung der Auszahlung der Notstandshilfe in Höhe des Arbeitslosengeldes“ – Annahme (342/E-BR/2021) .............................................................................................................  113, 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 116

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnah­mengesetz geändert werden (1324/A und 757 d.B. sowie 10577/BR d.B. und 10603/BR d.B.) .................................................................. 116

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................. 117


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 10

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (1325/A und 758 d.B. sowie 10578/BR d.B. und 10604/BR d.B.) ............................................................................................................. 116

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................. 117

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert wird (1407/A und 759 d.B. sowie 10605/BR d.B.) .................................................................................... 116

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................. 117

RednerInnen:

Korinna Schumann .................................................................................................... 117

Marco Schreuder ........................................................................................................ 120

MMag. Dr. Michael Schilchegger .....................................................................  153, 178

Johanna Miesenberger .............................................................................................. 157

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................... 159

Bundesminister Rudolf Anschober ................................................................  160, 176

Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 163

Ingo Appé .................................................................................................................... 165

Christoph Steiner ....................................................................................................... 168

Stefan Schennach ...................................................................................................... 170

Markus Leinfellner ...................................................................................................... 173

Günter Kovacs ............................................................................................................ 175

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu Punkt 18, gegen den Beschluss des Natio­nalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemie­gesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1324/A und 757 d.B. sowie 10577/BR d.B. und 10603/BR d.B.), keinen Einspruch zu erhe­ben – Ablehnung (namentliche Abstimmung) ...............................................................  121, 179

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ................................. ... 180

Entschließungsantrag der BundesrätInnen MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aussetzen von COVID19-Impfungen mit AstraZeneca-Impfstoff“ – Ablehnung         157, 180

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prolongierung des Impfchaos vermeiden – Abschaffung des Kostende­ckels bei der Beschaffung von Impfstoffen“ – Annahme (344/E-BR/2021) .........................................................  168, 181

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 181

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 181

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Durchführung der Verordnung (EU) 2016/429 des Euro­päischen Parlaments und des Rates zu Tierseuchen und zur Änderung und Auf­hebung einiger Rechtsakte im Bereich der Tiergesundheit („Tiergesundheitsrecht“) im Rahmen der bestehenden österreichischen Veterinärgesetze sichergestellt wird (Veterinärrechtsnovelle 2021) (1367/A und 765 d.B. sowie 10579/BR d.B. und 10606/BR d.B.)      ............................................................................................................................. 181


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 11

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................. 181

RednerInnen:

Mag. Bettina Lancaster .............................................................................................. 182

Andreas Lackner ........................................................................................................ 183

Martin Preineder ......................................................................................................... 184

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................... 184

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 185

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (683 d.B. und 722 d.B. sowie 10598/BR d.B.) ............................................................................................................................. 186

Berichterstatter: Martin Preineder .............................................................................. 186

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 186

Michael Bernard ......................................................................................................... 187

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. ............................................................. 189

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Nova-Erhöhung“ – Annahme (346/E-BR/2021) .......................................  188, 190

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 190

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung einer One Mobility GmbH und das Bundesgesetz über die Einführung des Klimatickets erlassen wer­den (1275/A und 767 d.B. sowie 10599/BR d.B.) ....... 190

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................... 190

RednerInnen:

Michael Bernard ......................................................................................................... 190

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 191

Bernhard Hirczy .......................................................................................................... 193

Günther Novak ............................................................................................................ 194

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. ............................................................. 196

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 198

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend Änderun­gen des Protokolls von 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle (635 d.B. und 700 d.B. sowie 10590/BR d.B.) .................. 198


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 12

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................... 198

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Zu­satzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit (684 d.B. und 701 d.B. sowie 10591/BR d.B.) ........................ 198

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................... 198

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 24, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem vor­liegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen und 3. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den nichtunions­rechtlichen Teil der Änderungen dieses Staatsvertrages durch Erlassung von Ge­setzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................................................ 199

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 25, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem vorlie­genden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen und 3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den nichtunionsrechtlichen Teil der Änderungen dieses Staatsvertrages durch Erlassung von Gesetzen zu erfül­len, keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................................................ 199

Gemeinsame Beratung über

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz geändert wird (1177/A und 724 d.B. sowie 10581/BR d.B.) ....................................................................................................................................... 200

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................... 200

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird (726 d.B. sowie 10582/BR d.B.) .... 200

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................... 200

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 26, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ........... 201

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 27, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 201

28. Punkt: Antrag der Bundesräte Karl Bader, Korinna Schumann, Christoph Stei­ner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (290/A-BR/2021) ............................................... 201

Redner:

Karl Bader ................................................................................................................... 202

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, dem gegenständlichen Antrag 290/A-BR/2021 der BundesrätInnen Karl Bader, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „die Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates“ die Zustimmung zu erteilen – Annahme .............................................................................................  202, 202

29. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bonusticket für in Österreich lebende Menschen, die Ur­laub in Österreich machen (289/A(E)-BR/2021 sowie 10607/BR d.B.) .................................................................................................. 203

Berichterstatter: Günther Novak ................................................................................. 203


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 13

RednerInnen:

Günther Novak ............................................................................................................ 203

Silvester Gfrerer ......................................................................................................... 205

Thomas Dim ................................................................................................................ 206

Antrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, dem gegenständlichen Entschließungsantrag 289/A(E)-BR/2021 der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bonusticket für in Österreich lebende Menschen, die Urlaub in Österreich ma­chen“ die Zustimmung zu erteilen – Ablehnung ..........................  203, 206

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kaufkraftstärkung durch das 1.000 Euro Gutscheinheft“ – Ab­lehnung ............  204, 206

Eingebracht wurden

Anträge der BundesrätInnen

Karl Bader, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Änderung der Geschäfts­ordnung des Bundesrates (290/A-BR/2021)

Mag. Bettina Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovs­ky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen den illegalen Welpenhan­del (291/A(E)-BR/2021)

Mag. Bettina Lancaster, Marlies Steiner-Wieser, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovs­ky, Kolleginnen und Kollegen betreffend klare Vorgaben für den Vollzug, um das im Tierschutzgesetz vorgegebene Verbot der Qualzucht zu erreichen (292/A(E)-BR/2021)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der intensivmedizini­schen Versorgung statt Regierungs-PR in Corona-Zeiten in der Höhe von 210 Millionen Euro (293/A(E)-BR/2021)

Anfragen der BundesrätInnen

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Situation von Kindern in der Corona-Pandemie (3861/J-BR/2021)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend die Situation von Kindern in der Corona-Pandemie (3862/J-BR/2021)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit be­treffend Umsetzung der Sonderbetreuungszeit (3863/J-BR/2021)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frau­en, Familie, Jugend und Integration betreffend Umsetzung der Sonderbetreuungszeit (3864/J-BR/2021)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Umsetzung der Sonderbetreuungszeit (3865/J-BR/2021)

Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Sozia­les, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kinder-Reha in Österreich (3866/J-BR/2021)


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 14

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Meldepflichten hinsicht­lich Nebenwirkungen der verschiedenen Covid-19 Impfstoffe (3867/J-BR/2021)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Razzien in der Müllbranche (3868/J-BR/2021)

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Lan­desverteidigung betreffend Umbau des Fliegerhorstes Brumowski in Sicherheitsinsel (3869/J-BR/2021)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Der Kanzler im Korruptionssumpf (3870/J-BR/2021)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Der Kanzler im Korruptionssumpf (3871/J-BR/2021)

Anfragebeantwortungen

des Bundesminister für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend nicht bezogene Beihilfen durch Salzburger Sozialhilfeverbände (3541/AB-BR/2021 zu 3820/J-BR/2021)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ermittlungen gegen Pflegeeinrichtungen und deren Beschäftigte (3542/AB-BR/2021 zu 3821/J-BR/2021)

des Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sozialleistungsbetrug im Pflegebereich (3543/AB-BR/2021 zu 3822/J-BR/2021)

des Bundesminister für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Demorichtlinie des Innenministeriums (3544/AB-BR/2021 zu 3823/J-BR/2021)

des Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend multiples Versagen um den Impfstoff von Astrazeneca (3545/AB-BR/2021 zu 3827/J-BR/2021)

des Bundesminister für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktualisierung der ACI-Liste (3546/AB-BR/2021 zu 3828/J-BR/2021)

des Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Das Vi­deo des Außenministeriums über einen Atomwaffenangriff auf Wien als trauriger Höhe­punkt einer zunehmend orientierungslosen österreichischen Außenpolitik (3547/AB-BR/2021 zu 3829/J-BR/2021)


 


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 15

09.00.55Beginn der Sitzung: 9.00 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Christian Buchmann, Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA, Vizepräsident Dr. Peter Raggl.

09.00.57*****


Präsident Mag. Christian Buchmann: Einen schönen guten Morgen! Ich eröffne die 924. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 923. Sitzung des Bundesrates vom 11. März dieses Jahres ist aufgelegen und wurde nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Otto Auer, Robert Seeber und Claudia Hauschildt-Buschberger.

09.01.21Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Das Österreichische Bundesheer in der Corona-Pandemie“

mit Frau Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner, die ich herzlich willkommen heißen darf. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise de­ren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bun­desministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Dann folgt wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Mög­lichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Bundesrat.


9.02.36

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen, Zuschauer, Zuhörer via Livestream! Einen schönen guten Morgen! „Das Österreichische Bundesheer in der Corona-Pandemie“: Seit gut einem Jahr kämpfen wir unermüdlich gegen das Coronavirus, die Soldatinnen und Soldaten unterstützen bundesweit bei den Teststraßen und beweisen, dass sich die Bevölkerung auf diese Hilfe verlassen kann.

Die Tätigkeiten unserer Soldatinnen und Soldaten umfassen folgende Themenbereiche: die gesundheitsbehördliche Kontrolle an den Grenzen, Hilfe beim Contacttracing, allge­meine Unterstützungen bei den Coronateststraßen, Unterstützung bei der Impflogistik, auch die teilweise Unterstützung beim Notruf 144 im Bereich der Impflogistik, die Unter­stützung bei den PCR-Drive-in-Teststationen.

Worum geht es dabei konkret? – Das Ziel muss die ständige Krisenvorsorge zur Auf­rechterhaltung in folgenden Bereichen sein: in der medizinischen Versorgung der Bevöl­kerung, in zentralen Funktionen unserer Gesellschaft, im öffentlichen Gesundheitssys­tem, in staatlichen Einrichtungen und der Infrastruktur und vor allem beim Schutz der


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 16

inneren Sicherheit. Ein gutes Beispiel dafür ist das Covid-19-Lager: Dort geht es um die Bereithaltung eines Notvorrates für die Dauer der aktuellen Pandemie. Dabei arbeitet das Bundesministerium mit den Ministerien für Soziales, für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort, für Justiz und für Finanzen, mit der ÖGK und der Österreichischen Ärz­tekammer sehr eng zusammen. Ich möchte mich hier ausdrücklich dafür bedanken.

Ich darf auch die Gelegenheit nützen, jedem einzelnen Soldaten, jeder einzelnen Solda­tin ein herzliches Dankeschön auszusprechen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Mit persönlichem Einsatz und viel fachlicher Kompetenz werden diese Herausforderun­gen bewältigt.

Ich darf auch auf konkrete Beispiele aus dem Burgenland, meinem Heimatbundesland, eingehen: Aktuell sind rund 650 Soldaten und Bedienstete des Bundesheeres im Bur­genland im Einsatz. Die Schwerpunkte liegen auf zwei wesentlichen Bereichen: einer­seits dem sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz zur Verhinderung der illegalen Mi­gration und andererseits dem Assistenzeinsatz im Bereich Covid-19, der wiederum in zwei Themenbereiche gegliedert ist, einerseits den Bereich der gesundheitsbehördli­chen Maßnahmen an der Grenze – Straße, Zug, Flughafen – und andererseits den Be­reich zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie. Da wird in den burgenländischen Test­zentren geholfen, im Bereich Contacttracingcenter, aber auch in der Landessicherheits­zentrale; da sind 162 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt. Es geht um eine Mehrfach­verwendung und dadurch um eine Mehrbelastung, die es neben den friedensmäßigen Grundaufträgen zu erfüllen gilt.

Der sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsatz zur Verhinderung der illegalen Migration im Auftrag des Bundesministeriums für Inneres ist mit folgenden Eckpunkten zu erklären: Es sind dazu aktuell 378 Soldaten des Bundesheeres im Burgenland eingesetzt. Es wer­den die Kontrollen zu den Staatsgrenzen Slowakei, Ungarn und Slowenien durchge­führt – das ist eine Gesamtlänge von rund 350 Kilometern. Es sollen dadurch vermehrt Grenzübertrittsversuche an der grünen Grenze verhindert werden, und es geht um die Wahrung der Sicherheit und Souveränität im Grenzgebiet. Ein wichtiges Ziel ist natürlich das Aufgreifen von Schleppern in enger Zusammenarbeit mit der Polizei, und die Polizei wird auch bei Schwerpunktaktionen unterstützt.

Ein Punkt, der mir als Südburgenländer sehr am Herzen liegt, ist die Montecuccoli-Ka­serne in Güssing. Diese ist wichtig für die Region und diese ist wichtig für das Südbur­genland. Sie ist die modernste Kaserne in Europa und beheimatet das Jägerbataillon 19. Ich durfte auch dort meinen Grundwehrdienst leisten. Es befinden sich dort moderne Ausbildungsanlagen wie eben ein Multifunktionsturm, eine Kampfbahn und ein entspre­chender Checkpoint. Diese ermöglichen eine umfassende, erlebnisreiche und praxis­nahe Ausbildung. Neben diesem Nutzen profitiert aber auch die Region. Die Kaserne sichert direkt, aber auch indirekt viele Arbeitsplätze. Es geht um die Wertschöpfung, die einerseits durch die Kaserne ausgelöst wird, aber auch die Wertschöpfung, die von den Soldatinnen und Soldaten sowie den Rekruten ausgeht.

Die Kaserne sorgt für Sicherheit in der Region, und das finde ich besonders wichtig, denn die österreichische Bevölkerung hat sich in einer Volksabstimmung für den Erhalt des Bundesheeres entschieden. Es wurde schon öfter bestätigt, dass es für die Kaserne Güssing eine Standortgarantie gibt und diese auch gültig ist. Da die Montecuccoli-Ka­serne in Güssing die modernste Kaserne in Österreich, ja in Europa ist, liegt es auf der Hand, dass dieser Standort langfristig abgesichert ist. Ich möchte mich ausdrücklich bei unserer Verteidigungsministerin Klaudia Tanner für ihr klares Bekenntnis zum Standort Güssing und zur Montecuccoli-Kaserne bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­rätInnen der Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 17

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Bereich des Entminungsdienstes. Der Entminungs­dienst, EMD, ist eine selbstständige Dienststelle innerhalb der Heeresverwaltung und ist mit 1. Jänner 2013 vom Innenministerium in das Bundesministerium für Landesverteidi­gung und Sport gewechselt. Ich darf dazu das Beispiel einer 250-Kilogramm-Flieger­bombe bringen, welche auf einem Feld nahe Jennersdorf im Burgenland im Vorjahr ent­deckt wurde. Der Entminungsdienst hat dieses Kriegsrelikt fachmännisch gesprengt. Die Detonation, die Druckwelle war über viele Hundert Meter Entfernung noch spürbar, und es war sehr beeindruckend, zu erfahren, wie sich solch ein Kriegsrelikt auswirken kann. Auch dafür darf ich mich sehr herzlich bedanken, denn dadurch konnte Schlimmeres verhindert werden.

2020 wurden im Übrigen vom Entminungsdienst 1 267 Fund- und Wahrnehmungsmel­dungen von Kriegsrelikten verschiedenster Art und aller Gefährlichkeitsgrade über­mittelt.

Abschließend darf ich festhalten: Vor allem in Krisenzeiten verfügt unser Heer über die notwendige technische Kompetenz sowie personelle und zeitliche Durchhaltefähigkeit, um alle Herausforderungen bewältigen zu können. Schutz und Hilfe – das österreichi­sche Bundesheer hilft, wenn andere nicht mehr können. Dafür darf ich allen Soldatinnen und Soldaten danken, dafür darf ich dir, liebe Frau Bundesminister, recht herzlich dan­ken. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

9.09


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Wolfgang Beer. – Bitte, Herr Kollege.


9.09.57

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Prä­sidium! Frau Ministerin! Es gab die Meldung: Das österreichische Bundesheer hat 4,5 Millionen Euro eingenommen.

Vorauszuschicken ist, dass sich unser Bundesheer auch in der Coronakrise als unver­zichtbares Element im Staate Österreich gezeigt hat.

Im Jahr 2013 gab es eine Abstimmung darüber, ob wir das österreichische Bundesheer in der Form, in der wir es kennen, weiterhin haben wollen oder – das war damals die Frage – ob es ein Berufsheer werden soll. Damals hat sich die Bevölkerung mit enormer Mehrheit dafür ausgesprochen, ein Heer, wie wir es kennen, behalten zu wollen. – Die einzige Problematik ist, dass wir von den vielen ÖVP-Ministern beim Bundesheer zu wenig Geld zur Verfügung gestellt bekommen haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

Nun zu den Zahlen im Coronajahr 2020: Es wurden knapp 660 Unterstützungsleistun­gen mit einer Gesamtzahl von 250 000 Arbeitsstunden geleistet. Man muss unterschei­den, ob es Unterstützungsleistungen sind oder ob es Leistungen sind, die von unserer Verfassung her vorgeschrieben sind. Unterstützungsleistungen sind zu bezahlen und diese Unterstützungsleistungen haben uns 4,5 Millionen Euro eingebracht. Es gab also eine Verdoppelung der Einsätze und eine Verfünffachung der Arbeitsstunden gegenüber dem Jahr 2019.

Das Bundesheer ist während der Pandemie unverzichtbar geworden. Da muss ich mit Ihnen (in Richtung Bundesministerin Tanner) konform gehen, denn das ist wirklich eine ganz tolle Leistung der Bediensteten des Bundesheeres, der Grundwehrdiener. Es gibt aber auch einige Dinge, die beim österreichischen Bundesheer geändert werden müs­sen. Schade ist, dass das Parlament nicht wirklich miteingebunden ist, die Opposition nicht miteingebunden ist und wir nicht wissen, was da geplant ist, was wir in diesen Be­reichen noch bewerkstelligen müssen.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 18

Es hat ja einen Antrag gegeben, dass zum Beispiel Grund- und Bodenverkäufe und Ka­sernenverkäufe eingestellt werden sollen. Dieser Antrag wurde von den Regierungs­parteien abgelehnt. Verkaufen wir jetzt unser Bundesheer und haben wir dann, wenn es wieder solche Probleme wie in der Coronakrise gibt, kein Heer mehr zur Verfügung oder nicht mehr in ausreichendem Maße? Wer würde die Leistungen erbringen, die das Bun­desheer als Unterstützungsleistungen gemacht hat – die Prüfung von Schutzmasken durch das Amt für Rüstung und Wehrtechnik und zur Wiederaufbereitung von Schutz­masken durch das ABC-Abwehrzentrum? Es geht in Wirklichkeit um kurzfristige und temporär begrenzte Überbrückungsmaßnahmen, die eigentlich nur das österreichische Bundesheer leisten kann, denn keine andere Institution hat in diesem Ausmaß Men­schen zur Verfügung. Man könnte das österreichische Bundesheer eigentlich auch noch weiter einsetzen.

Es erfolgten auch personelle Unterstützungen in Callcentern, bei Beladungs- und Entla­detätigkeiten am Flughafen, Prüfungen, es gab Personalaushilfen bei Pharmakonzer­nen, Lebensmittelgroßmärkten und bei der Post bis zur Transportunterstützung etwa für die Verteilung von Schutzmasken in den Landeshauptstädten oder die Verteilung von Desinfektionsmitteln. Hätten wir das Bundesheer nicht, wäre dies alles nicht möglich ge­wesen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

In Niederösterreich sind 420 Präsenzdiener und zivile Mitarbeiter des Bundesheeres zur Bekämpfung der Coronapandemie im Einsatz gewesen und, wie ich glaube, noch immer im Einsatz. 180 000 Dienststunden machten im Jahr 2019 die Unterstützungsleistungen des Militärs aus, im Jahr 2020 sind diese auf 250 000 Arbeitsstunden angewachsen – eine enorme Leistung.

Es gibt auch Assistenzeinsätze an den Grenzen, und diese Assistenzeinsätze muss das österreichische Bundesheer zu zwei Dritteln selbst bezahlen, aus seinem Budget auf­bringen – und das Budget ist nicht gerade üppig. Das sind 273 Millionen Euro an Kosten für Assistenzeinsätze. Ich frage mich: Wieso zahlen eigentlich die anderen Ministerien nichts für diese Einsätze? Das Bundesheer hat auch Botschaften bewacht, und ich weiß nicht, wie viel Geld dafür vom Innenministerium zum Bundesheer transferiert wurde.

Es wird immer gesagt, wir haben in diesem Bereich nicht die nötigen Geldmittel. Wir werden aber sehr viele Geldmittel brauchen. Wir haben die Probleme mit den Fliegern, und da muss man sagen: Ein Gurkenflieger ist kein Ersatz für eine Saab. Wir müssen uns da auch irgendetwas überlegen, um unsere Piloten auszubilden. Es werden dem­nächst 17 Piloten aus dem Dienst ausscheiden, weil sie die Voraussetzung der körper­lichen Eignung nicht mehr erfüllen. Wir wissen aber nicht – zumindest ich weiß es nicht –, wir haben keine Information, wie das Ganze gestaltet wird, um weiterhin Piloten auszu­bilden. Da wir auch wissen, dass der Eurofighter kein billiges und günstiges Flugzeug ist, wird es also die notwendigen Flugstunden nicht geben.

Am meisten beunruhigt mich eigentlich die Aussage von Ihnen, Frau Ministerin, dass wir unsere Luftraumüberwachung in einem Gesamtzusammenhang mit Europa sehen müs­sen und dass wir als neutraler Staat nicht ganz allein für unsere Luftraumsicherung auf­kommen.

In diesem Sinne haben wir noch sehr viel Arbeit vor uns. Man könnte jetzt noch sehr, sehr viele andere Möglichkeiten oder auch Unwägbarkeiten für das österreichische Bun­desheer aufzählen, aber im Grunde möchte ich sagen: Dank an das österreichische Bundesheer für seinen Einsatz in der Coronapandemie. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

9.19


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Bundesrat.



BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 19

9.19.34

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Verteidigungs­minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Dem Dank des Kollegen Beer kann ich mich nur anschließen, denn ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, den vielen Soldaten, den Offizieren und Unteroffizieren, die im letzten Jahr wirklich Großartiges geleistet haben, einmal Danke zu sagen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ja, Frau Bundesminister, Schutz und Hilfe beziehungsweise Helfen, wo andere nicht mehr können, das ist seit vielen Jahren der Leitspruch des österreichischen Bundes­heeres. Deswegen können wir alle nur hoffen, dass wir noch lange ein funktionierendes Bundesheer haben.

Man kann viel diskutieren, ob es tatsächlich die Aufgabe des Bundesheeres ist, ein Su­permarktregal nachzuschlichten, man kann darüber diskutieren, ob es die Aufgabe des Bundesheeres ist, Pakete in Postverteilerzentren zu sortieren, oder ob man da das Bundesheer vielleicht unter seinem Wert verkauft, denn ich glaube, es gäbe eine Vielzahl an Menschen in Österreich, die auch die Fähigkeiten und Fertigkeiten hätten, diese Ar­beiten zu erledigen. Nichtsdestotrotz, Frau Bundesminister, ist es eine wichtige Aufgabe; es ist eine wichtige Aufgabe, weil es wesentlich für unsere Österreicher ist, dass die Supermarktregale gefüllt sind und dass die Pakete rechtzeitig ankommen. Ich glaube, man hätte ressourcenschonender arbeiten können, aber nichtsdestotrotz war es eine wesentliche Aufgabe für unsere Bürger.

Aus diesem Blickwinkel kann man auch sagen: Ja, es war richtig, dass die Soldaten diese Aufgabe erledigt haben. Ob es andere Möglichkeiten gegeben hätte, ob es möglich gewesen wäre, vielleicht andere Menschen dafür einzusetzen, ist eine Frage, die sich diese Bundesregierung beantworten muss oder die Sie sich beantworten müssen, Frau Verteidigungsminister.

Ja, das Bundesheer leistet einen wesentlichen und wichtigen Beitrag zur Bekämpfung dieser Coronakrise, einen wesentlichen und wichtigen Beitrag vor allem im Bereich der Kontaktverfolgung, des sogenannten Contacttracings, wo wirklich viele Soldaten einge­setzt sind, die tagtäglich den ganzen Tag damit beschäftigt sind, Coronacluster frühzeitig zu erkennen. Genau zu diesem Bereich, Frau Bundesminister, müssen Sie mir heute einige Fragen beantworten, denn diesbezüglich kann ich Sie wirklich nicht verstehen.

Es handelt sich bei den Clusterbildungen meist um sehr, sehr große Datenmengen, die irgendwie zusammengefasst oder zusammengeführt werden müssen, um zu erkennen, wo Cluster entstehen. Genau dafür gibt es in Ihrem Ressort Spezialeinheiten und auch die technischen Voraussetzungen, nämlich mit einem Programm – IBM Analyst’s Note­book, glaube ich, heißt dieses Programm –, mit dem man große Datenmengen so zu­sammenfassen kann, dass man sie dann auch grafisch darstellen kann.

Ich habe ein kleines Bild mitgebracht (eine Grafik zeigend), das von diesem sogenannten IBM Analyst’s Notebook erstellt wurde, auf dem man wirklich sehr schön erkennen kann, wie die Verbindungen quer durch die Steiermark erfolgen – das stellt einen Teil der Steiermark dar. Ich habe auch ein zweites Bild mitgebracht (eine weitere Grafik zeigend), auf dem man sieht, wie die Vernetzungen da drinnen wirklich ausschauen. Menschen ist es unmöglich, diese Verbindungen zu erkennen, dafür braucht man wirklich elektroni­sche Unterstützung, und diese elektronische Unterstützung würde es in Ihrem Ressort geben.

Über die IKT-Abteilung sind sämtliche technischen Voraussetzungen geschaffen wor­den, um damit arbeiten zu können. Deswegen kann ich nicht verstehen, dass es von Ihrem Ressort nicht gewünscht ist, dass diese technischen Ressourcen eingesetzt wer­den. Da frage ich mich wirklich: Wird uns von der ÖVP da irgendetwas vorgegaukelt? Wollen wir wirklich helfen? Wir haben nahezu 3 000 Soldaten im Einsatz – ich glaube,


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es waren gestern 2 954 Soldaten, die im Assistenzeinsatz sind –, die großartige Arbeit leisten, aber denen man mögliche Unterstützungen, damit entsprechend gearbeitet wer­den kann, einfach nicht zugesteht. Für die Clusterfrüherkennung wäre diese Software wirklich etwas Wesentliches, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Verteidigungsminister, Sie haben rund 20 Lizenzen von dieser Software in Ihrem Ressort. Sie haben das direkt im Ministerium, Sie haben es bei der Militärpolizei, Sie haben es bei den Aufklärungseinheiten, Sie haben es bei den Nachrichtendiensten und Sie haben es im Abwehramt. Diese Lizenzen, die großteils ungenutzt sind – meines Wissens sind aktuell drei Lizenzen in Verwendung und die restlichen Lizenzen sind un­genützt –, wären doch eine Unterstützungsleistung, mit der Sie wirklich helfen könnten. Wenn Sie das Fachwissen und die Lizenzen zur Verfügung stellten, wäre das eine Un­terstützungsleistung, die unseren Gesundheitsbehörden und unseren Bürgern helfen und die Pandemie wirklich eindämmen würde, Frau Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe es vorhin angesprochen: Wir haben rund 3 000 Soldaten im Assistenzeinsatz. Frau Verteidigungsminister, ich kann nicht ganz verstehen, warum man gerade in Zeiten einer Pandemie Planstellensperren verhängt. Ihr Generalsekretär Kandlhofer verhängt Planstellensperren, nahezu alle Nachbesetzungen, auch jene auf den untersten Ebenen, gehen über seinen Schreibtisch, er macht diese selbst. Das kann doch bitte nicht die Aufgabe des Verteidigungsministeriums oder des Generalsekretärs sein! Also da hat man in der Vergangenheit bessere Möglichkeiten gefunden, die besser funktioniert ha­ben – jedenfalls nicht über den Schreibtisch des Generalsekretärs.

Man muss da wirklich auf das Bundesheer schauen, darauf, dass es nicht immer kleiner wird, aber ich glaube, das ist ganz die ÖVP-Linie, nämlich das Bundesheer zu verklei­nern. Wir sehen jetzt bei 3 000 Mann im Assistenzeinsatz, wie schwer es ist, tatsächlich noch Soldaten in den Assistenzeinsatz zu bringen, denn die Normaufgaben neben den Assistenzeinsätzen sind nicht weniger geworden.

Der nächste Vorwurf, Frau Bundesminister, den ich Ihnen auch nicht ersparen kann, ist: Wir schicken Soldaten in den Assistenzeinsatz nach Wien. Die Soldaten sind in einem Dienstrad, sie haben drei Tage Dienst, einen Tag frei oder sechs Tage Dienst, zwei Tage frei. Man stellt ihnen aber keine Möglichkeit zur Verfügung, nach Hause zu kommen. Sie können die gesamte Zeit in Wien verbringen oder privat nach Hause fahren.

Schauen wir uns das an: Eine Fahrt in die Steiermark kostet – hin und retour – rund 190 Euro. Wie wir alle wissen, können in Wien Einstellgenehmigungen nicht kostenlos ausgegeben werden, sondern auch die Einstellgenehmigungen in den militärischen Lie­genschaften müssen bezahlt werden. Das heißt, pro Woche entstehen für diese Solda­ten Kosten in der Höhe von mehr als 400 Euro. Frau Verteidigungsminister, das ist so viel, wie diese Soldaten in der Woche verdienen.

Ich glaube, auch da braucht es eine Lösung, Möglichkeiten, die Soldaten besser zu be­handeln, sodass sie die Möglichkeit haben, in ihrer Freizeit nach Hause zu fahren – und das ist nicht der Freifahrtschein für den Zug, denn jeden Tag lesen wir in den Zeitungen, wo Cluster entstehen, wo Coronainfizierte mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren sind. Andernfalls können wir uns diese dezentralen Bereitschaften sparen. Dann können wir wirklich alle aktiv auf den Dienststellen sitzen lassen, wenn es uns in Wirklichkeit völlig egal ist, ob sich unsere Soldaten infizieren oder nicht. Die einzige Lösung ist ein Dienstfahrzeug, mit dem die Soldaten hin- und herfahren können, und ich glaube, Dienst­fahrzeuge haben wir, wir müssen sie den Soldaten nur zur Verfügung stellen.

Ein weiterer Vorwurf, den ich Ihnen nicht ersparen kann, Frau Verteidigungsminister: Sie schicken Personen zum Assistenzeinsatz für rund vier Wochen nach Tirol. Diesen Sol­daten wird vorgegaukelt, dass sie durcharbeiten müssen, dass die Zeit ohne dienstliche


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Inanspruchnahme im Anschluss an die vier Wochen angehängt wird. Die Leute ver­lassen sich darauf, fahren vier Wochen in den Assistenzeinsatz, machen über die vier Wochen sieben Tage die Woche Dienst, kommen nach Hause, sind zu Hause und kom­men, wenn sie dann zur Dienststelle zurückkommen, drauf, dass es keine Zeit ohne dienstliche Inanspruchnahme, sprich bezahlte Zeit, gewesen ist, die hinten angehängt wurde, sondern ein Sonderurlaub. Na der Unterschied sind rund 1 000 Euro, Frau Vertei­digungsminister! Ich meine, dass man mit unseren Soldaten ehrlicher umgehen müsste, die Soldaten haben es sich wirklich verdient, Frau Verteidigungsminister! (Beifall bei der FPÖ.)

Im selben Zusammenhang darf ich den Brief eines Arztes auszugsweise zitieren. Ein Arzt schreibt: Das eingesetzte Sanitätspersonal hat aufgrund der tageweisen Einsätze nach wie vor keinen Anspruch auf eine Zeit ohne dienstliche Inanspruchnahme. Auf­grund des Mangels an Sanitätspersonal und zusätzlicher Normdienstaufgaben standen die eingeteilten Testabnehmer bereits wiederholt bis zu vier Wochen im Dienst – ohne einen freien Tag. Das bedeutet im Schnitt 350 bis 400 Testungen pro eingesetztem Testabnehmer pro Tag, und das führt wirklich zur Erschöpfung des Sanitätspersonals und die ist auch offensichtlich.

Auch in diesem Bereich haben wir einen dringenden Handlungsbedarf, Frau Bundesmi­nister. Ich glaube, es gibt gerade im öffentlichen Dienst eine Vielzahl an Zulagen, eine Vielzahl an Möglichkeiten, um diese Soldaten entsprechend zu entschädigen. Das kann aber nicht der Stundenlohn in der Höhe von 3,50 Euro sein, so wie wir es aktuell haben, Frau Verteidigungsminister! (Beifall bei der FPÖ.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Bundesrat, ich bitte Sie, zum Abschluss zu kommen!


Bundesrat Markus Leinfellner (fortsetzend): Abschließend, Frau Bundesminister: Ja, das Bundesheer leistet wirklich einen wertvollen Beitrag bei dieser Pandemiebekämp­fung. Setzen wir unsere Ressourcen so ein, wie es auch notwendig wäre! Die Bevölke­rung braucht das. Die Soldaten brauchen Ihre Unterstützung, um die Ressourcen und ihre Fähigkeiten einsetzen zu können. Die Soldaten brauchen gute Einsatzbedingungen und klare Befehle. Sie haben es sich verdient! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

9.30


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Mag.a Elisa­beth Kittl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


9.30.52

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Verteidigungsministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! In den letzten Monaten hat das Bun­desheer gezeigt, welchen Einsatz es für den Schutz aller Menschen, die in Österreich leben, leistet. Die meist jungen Männer kommen dabei mit den Sorgen der Gesund­heitserhaltung, den Zuständen in Pflegeheimen und viel ehrenamtlicher Arbeit in Kon­takt – alles Dinge, mit denen junge Männer sonst vielleicht seltener in Berührung kom­men. Krieg und Waffen werden in den Hintergrund gedrängt, gegenseitige Unterstützung und das Wissen um gegenseitige Abhängigkeit und Hilfe nehmen Raum ein.

Beim Einsatz im Bereich der Covid-Massentests traten aber auch sexuelle Belästigun­gen durch Angehörige des Bundesheeres auf. Daher möchte ich heute auf die Perspek­tive der Gleichstellung im Bundesheer eingehen, denn diese spielt während, aber auch nach der Pandemie eine wichtige Rolle. Spannend wäre es, zu wissen, ob die aktuelle Situation mehr Frauen anspricht, zum Heer zu gehen.

1998 durfte die erste Frau zum Bundesheer. Heute verrichten knapp 700 Frauen aktiven Militärdienst. Das klingt nach viel, es sind aber nur etwa 4 Prozent aller beim Bundesheer


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Tätigen – nach 23 Jahren. Längst ist bekannt, dass Frauen beim Heer zu einer Steige­rung der Qualität der Aufgabenerfüllung führen und die Summe an Talenten und Fähig­keiten erweitern. Die große Diversität der Belegschaft führt zu mehr Kreativität und damit zu einer größeren Problemlösungskapazität. Die Organisation wird flexibler und sie kann besser mit herausfordernden Situationen umgehen, wie es auch die Pandemiebekämp­fung notwendig macht.

Im Rahmen der Wehrdienstreform wurde das mittelfristige Ziel erstellt, den Anteil der Frauen auf 10 Prozent zu erhöhen; trotzdem blieb er bei 4 Prozent. Wir aber wollen ein modernes und ein diverses Bundesheer, das im 21. Jahrhundert angekommen ist, und dazu zählen auch eine aktive Frauenförderung und die Inklusion von Frauen in allen Bereichen. Das erfordert unter anderem Maßnahmen bei der Rekrutierung, die Verein­barkeit von Familie und Beruf sowie Maßnahmen beim Budget und bei den Förderungen von Frauen in Führungspositionen.

Daher haben wir in der Sondersitzung des Nationalrates zum Internationalen Frauentag einen Entschließungsantrag eingebracht, der mit Mehrheit angenommen wurde und mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, Maßnahmen zur Förderung von Gleichstel­lung und Diversität und für mehr Frauenförderung im Bundesheer zu setzen. Dazu gibt es aus 2019 auch eine Gleichstellungsrichtlinie des Bundesministeriums für Landesver­teidigung. Maßnahmen für das Erreichen der Gleichstellung von Frauen und Männern sind in vielen Ämtern schon lange angekommen und werden angewendet. Geoutete homosexuelle Politikerinnen und Politiker fallen nicht mehr auf, schon gar nicht werden sie öffentlich negativ bewertet. Wir kennen nun aber die beschämende Aussage von Herrn Bauer, die die Gleichstellungsrichtlinie eigentlich ausdrücklich verbietet. Dass die Richtlinie nun unter Einbindung der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen eva­luiert werden soll, begrüßen wir sehr.

Noch ein wichtiger Punkt zur Gleichstellung von Frauen und Männern beim Heer ist das Hereinholen von Frauen in die Verteidigungs- und Friedenspolitik. Frauen sind dort die große Ausnahme. Es braucht daher eine feministische Außen- und Verteidigungspolitik. Schauen Sie sich dazu die Forderungen der europäischen Grünen im Papier „Making the EU foreign policy a feminist one“ an! Frauen in der Verteidigungs- und Friedenspolitik erfordert auch, dass es viel mehr Frauen beim Bundesheer in entscheidungsrelevanten und repräsentativen Positionen und Delegationen gibt.

Sie, liebe Frau Verteidigungsministerin, sind das Rolemodel schlechthin! Nutzen Sie die Chance, denn es ist schon lange überfällig, dass es mehr Frauen beim Bundesheer gibt und Gleichstellung in die Kultur des Bundesheeres Einzug hält! – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

9.35


Präsident Mag. Christian Buchmann: Für eine erste Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin für Landesverteidigung. Ich erteile es ihr. – Bitte, Frau Bundesministerin.


09.35.16

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Das Wort „außergewöhnlich“ ist schon gefallen; „unermüdlich“ möchte ich hinzufügen. Seit gut einem Jahr sind wir zusätzlich zu den normalen Einsätzen im Kampf gegen das Coronavirus im Einsatz und beweisen tagtäglich durch zahlreiche Assistenzeinsätze und Unterstützungsleistungen, dass das österreichische Bundesheer die strategische Reserve der Republik ist.

Unsere Soldatinnen und Soldaten, aber auch die Zivilbediensteten meines Ressorts unterstützen im Kampf gegen die Pandemie bundesweit die Gesundheitsbehörden, das Innenministerium. Sie sind immer da, wenn sie gebraucht werden, und das unter erschwerten Bedingungen, denn auch die eingesetzten Soldatinnen, Soldaten und


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Zivilbediensteten müssen ständig aufpassen, müssen strenge Maßnahmen einhalten, um sich selbst vor Ansteckung zu schützen, um nicht krank zu werden. Dennoch sind sie, sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, tagtäglich mit unglaublicher Energie und Einsatzbereitschaft bei der Arbeit und zeigen tagtäglich, dass sich die Bevölkerung auf unsere Hilfe verlassen kann. Ich bin daher sehr stolz auf die Soldatinnen und Sol­daten und die Zivilbediensteten meines Ressorts – ein ganz großes Dankeschön! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um Ihnen hier einerseits eine Bilanz der österreich­weiten Unterstützungsleistungen im Vorjahr zu präsentieren und andererseits auch ei­nen Überblick über die aktuellen Einsätze zu geben.

Zunächst zur Bilanz der Assistenzeinsätze und Unterstützungsleistungen im Vorjahr, die vor Kurzem erschienen ist: Im Burgenland, in der Steiermark, in Tirol und in Kärnten unterstützen pro Tag durchschnittlich 814 Soldatinnen und Soldaten die Sicherheitsbe­hörden im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz, das sind 297 000 Personentage. In allen Bundesländern – bis auf Wien – versahen pro Tag durchschnittlich 286 Soldatin­nen und Soldaten ihren Dienst an der Grenze zur Unterstützung der Gesundheitsbe­hörden im Kampf gegen Covid-19, umgerechnet 83 000 Personentage.

Auch im Bereich der Assistenzeinsätze zur Bewältigung von Naturkatastrophen waren wir gefordert: In Vorarlberg, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, im Burgenland, in der Steiermark und in Nord- und Osttirol wurden Unwetterschäden beseitigt, Dächer von Schneelasten befreit, Brände aus der Luft bekämpft und vieles mehr. In Summe wurden 17 Assistenzleistungen mit Hubschraubern durchgeführt, dabei wurden 169 Flug­stunden geflogen und über 800 000 Liter Löschwasser abgeworfen.

Neben den bekannten Assistenzeinsätzen hat das Bundesheer im Pandemiejahr unzäh­lige bezahlte Unterstützungsleistungen erbracht, auch das wurde von Ihnen bereits an­gesprochen. Das Bundesheer hat im Coronajahr 2020 knapp 660 Unterstützungsleistun­gen mit einer Gesamtzahl von 250 000 Arbeitsstunden erbracht. – Ja, das bedeutet eine Verdoppelung der Einsätze und in Wahrheit eine Verfünffachung der Arbeitsstunden, denn im Jahr 2019 wurden im Vergleich dazu in 312 Einsätzen rund 50 000 Arbeits­stunden geleistet. 470 dieser Unterstützungsleistungen im Vorjahr beziehungsweise 180 000 Arbeitsstunden entstanden im Zusammenhang mit Corona selbst.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Bandbreite der Einsätze war enorm. Begonnen haben die Coronaunterstützungsleistungen mit Prüfungen von Schutzmasken durch das Amt für Rüstung und Wehrtechnik im März 2020. Diese Leistungen wurden im Laufe des Jahres durch das ABC-Abwehrzentrum zur Wiederaufbereitung von Schutzmasken er­gänzt. Bei den meisten coronabedingten Unterstützungsleistungen ging es darum, kurz­fristig und temporär begrenzt als Überbrückungsmaßnahme auszuhelfen, bis sich die betroffene Organisation wieder reorganisiert hat. Das war beispielsweise bei den Le­bensmittelgroßkonzernen und der Post der Fall.

Von Personalunterstützung in Callcentern, Lade- und Entladetätigkeiten am Flughafen, Prüfung und Wiederaufbereitung von Schutzmasken, Personalaushilfen bei Pharmakon­zernen, Lebensmittelgroßhändlern und für die Post über Transportunterstützungen wie die Verteilung – die auch schon angesprochen wurde – von Schutzmasken in den Lan­deshauptstädten, die Verteilung von Desinfektionsmitteln an Schulen, aber auch die Her­stellung von Handdesinfektionsmitteln, Lagerung von Schutzmasken und Schutzausrüs­tung bis zur Beistellung militärischer Infrastruktur: Das Bundesheer war immer da – und ist es auch in Zukunft –, wenn uns die Bevölkerung gebraucht hat. – Danke schön, au­ßergewöhnlich! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Zu Spitzenzeiten waren zeitgleich bis zu 450 SoldatInnen und Zivilbedienstete täglich allein bei den Unterstützungsleistungen zur Bekämpfung der Coronapandemie einge­setzt. Mit den gleichzeitig laufenden Assistenzeinsätzen, zum Beispiel eben bei den


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flächendeckenden Testungen, und mit den Normeinsätzen waren 2020 zu Spitzenzeiten mehr als 8 600 SoldatInnen im Inland und im Ausland im Einsatz.

Was die Aufbringung der Kräfte anbelangt, so haben wir wegen der Pandemie bei rund 2 300 Soldaten des Einrückungstermins Oktober 2019 den Grundwehrdienst um drei Monate verlängert – verlängern müssen. Dieser Aufschub im Präsenzdienst war im Kampf gegen die Pandemie genauso notwendig wie die Teilmobilmachung der Miliz.

Es war ein wahrlich historischer Moment, als ich am 3. April 2020 das Dokument der Einsatzverfügung unterzeichnet habe, denn diese Teilmobilmachung war, sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, Sie wissen es, die erste in der Geschichte des öster­reichischen Bundesheeres, die erste in der Geschichte der Zweiten Republik. Am 4. Mai 2020 rückten dann insgesamt 13 Jägerkompanien der Miliz in die Kasernen ein. Öster­reichweit übernahmen rund 1 400 Milizsoldatinnen und ‑soldaten nach dem Vorberei­tungstraining bis Ende Juli 2020 ihre Einsatzaufgaben und lösten die Aufschubpräsenz­diener ab.

Wie sieht die Lage aktuell aus? – Außergewöhnlich. Aktuell befinden sich rund 4 000 Soldatinnen und Soldaten im Inland und im Ausland im Einsatz. 900 stehen zur Überwachung der Staatsgrenze in den Bundesländern Burgenland, Steiermark, Kärnten und Tirol im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz Migration. 220 Soldatinnen und Soldaten sind noch seit dem Terroranschlag in Wien zur Bewachung von Schutzobjekten eingesetzt. Rund 2 000 Soldatinnen und Soldaten befinden sich derzeit in allen Bundes­ländern im Covid-Einsatz, um im Rahmen von Assistenzeinsätzen und Unterstützungs­leistungen bei der Umsetzung der gesundheitsbehördlichen Maßnahmen zu unterstüt­zen und zu helfen – österreichweit bei Grenzkontrollen, beim Contacttracing, bei Drive-ins und anderen Teststationen, bei der Abwicklung der Probeentnahmen und wo immer sie im Kampf gegen das Coronavirus gebraucht werden.

Wir haben erfolgreich bei den flächendeckenden Testungen in den einzelnen Bundes­ländern mitgewirkt und mehrere strategische Covid-19-Lager als Notvorrat mit Schutz­ausrüstung und sonstigen notwendigen medizinischen Geräten eingerichtet. Auch bei den Impfungen beteiligen wir uns mit unserer Logistikexpertise sowohl bei der Planung als auch bei der Organisation. Wir waren dabei, als die ersten Impfstoffe nach Österreich gekommen sind, und unterstützen, wo immer wir gebraucht werden.

Darüber hinaus versehen derzeit rund 900 Soldatinnen und Soldaten in 16 Auslandsmis­sionen ihren Dienst zur Erfüllung der sicherheitspolitischen Verpflichtungen und Aufga­ben, die Österreich im internationalen Bereich eingegangen ist. Daneben laufen noch weitere ständige Einsätze wie eben zum Beispiel die Luftraumüberwachung oder die Einsätze des Entminungsdienstes. Die Bilanz wurde ja schon gelegt: Mehr als 26 Ton­nen Kriegsmaterial sind österreichweit in 1 267 Einsätzen geborgen, untersucht, beur­teilt, abtransportiert und vernichtet worden. Im September haben wir erstmals in den Gemeinden eine Kampagne zur Sensibilisierung der Bevölkerung im Umgang mit Kriegsrelikten gestartet – Sie erinnern sich vielleicht –, das war auch notwendig.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen: Langweilig wird es sicher nicht, außerge­wöhnlich bleibt es. Sie sehen auch: Ein Jahr nach der Krise ist unser Heer der Fels in der Brandung und immer für die Bevölkerung da. Unsere Soldaten beweisen hohe Durchhaltefähigkeit, über Wochen, über Monate, mittlerweile über ein Jahr hinweg, um die Bevölkerung bei der Bewältigung dieser Krise zu unterstützen und zu helfen. Das alles geschieht neben den Normaufgaben, die ebenfalls erfüllt werden müssen, und un­ter der Gefahr, angesteckt und Opfer der Krankheit zu werden.

Derzeit sind über 200 Bedienstete meines Ressorts positiv. Die meisten von ihnen haben sich im privaten Bereich angesteckt. Diese Zahl ist im Vergleich zur hohen Bediens­tetenanzahl im Landesverteidigungsressort zum Glück sehr niedrig, weil wir besonders


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gut aufpassen und besonders darauf achten, dass in unserem Ressort die strengen Co­ronaschutzmaßnahmen eingehalten werden, gerade weil wir eben in so vielen Assis­tenzeinsätzen und Unterstützungsleistungen im Einsatz sind und mit der Bevölkerung in Kontakt treten.

Auch darauf bin ich stolz und können wir stolz sein: auf diese Disziplin, die unsere Solda­tinnen, Soldaten und die Zivilbediensteten bei ihrer Arbeit an den Tag legen; außerge­wöhnlich, weil es um die Sicherheit unseres Landes, um die Sicherheit der Bevölkerung, um die Sicherheit von uns allen geht. – Danke an alle Soldatinnen und Soldaten. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.46


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke, Frau Bundesministerin.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren TeilnehmerInnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Ing.in Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


9.46.28

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuse­herinnen und Zuseher zu Hause! Es freut mich, dass wir das österreichische Bundesheer heute in unserer Aktuellen Stunde zum Thema haben. Ich sage Ihnen auch, warum: Nach den vielen großen Einsätzen bei Naturereignissen oder im Grenzschutz hat unser Bundesheer bei der wohl größten Katastrophe seit 1945 fantastische und großartige Arbeit geleistet. Für den Einsatz unseres Heeres bei der Bekämpfung der Coronapan­demie sollten wir alle aufrichtig Danke sagen.

Wir können unheimlich stolz auf die 4 000 Bundesheersoldatinnen und -soldaten, die gerade im Einsatz sind, sein. Die Frau Ministerin hat die Zahlen schon ausführlich er­wähnt. Ich habe noch vor ein paar Tagen mit dem steirischen Militärkommandanten ge­sprochen: In der Steiermark sind gerade zusätzlich 60 Soldaten und Bedienstete bei drei durch das Bundesheer betriebenen Teststandorten in Liezen, Bruck an der Mur und in meinem Heimatbezirk, in Judenburg, im Einsatz. 60 Soldaten und Bedienstete sind an zwölf Test- und Impfstationen beteiligt, das geht von Leibnitz über Graz bis Liezen. Vier SoldatInnen und Bedienstete leisten einen wichtigen Beitrag zur Planung der Impfungen im Amt der steiermärkischen Landesregierung.

Alleine an den von der Frau Ministerin genannten Zahlen und an diesen Zahlen sieht man: Es ist wirklich gewaltig, was da im letzten Jahr geleistet wurde. – Dank an dich, liebe Frau Ministerin, und dein ganzes Team, an alle Soldatinnen und Soldaten für diese großartige Leistung! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Soldatinnen und Soldaten sind flexibel und nehmen Herausforderungen aktiv an. Assistenzleistungen wie Einreisekontrollen an der Staatsgrenze können aufgrund von sich rasch ändernden Lageentwicklungen kurzfristig umgesetzt werden. Zum Beispiel konnte die Verlegung der Einsatzgruppe aus dem Fliegerhorst Hinterstoisser in Zeltweg zur Pandemiebekämpfung in den Tiroler Bezirk Schwaz innerhalb weniger Tage durch­geführt werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch auf das neue Modell sechs plus drei eingehen. Darunter versteht man sechs Monate Grundwehrdienst und im Anschluss drei Monate Einsatz. Danke für dieses Erfolgsmodell, Frau Ministerin, denn es wird nicht nur in der Steiermark sehr gut angenommen, sondern in ganz Österreich! Rund 10 Prozent der Grundwehrdiener möchten sich daran beteiligen. Es ermöglicht planmäßige Assis­tenzleistungen ohne den Einsatz von Grundwehrdienern.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 26

Ich ersuche Sie, gerade angesichts der großen aktuellen Krise darüber nachzudenken, wie wir ohne unser Heer dastehen würden. Nehmen wir diese Krise und diese großar­tigen Leistungen als Ansatz, um unserem Bundesheer jene Anerkennung und Wert­schätzung zu geben, die es verdient!

Eines noch zum Schluss da kann ich als Steirerin nicht anders –: Mit der Neuanschaf­fung von 18 Leonardo-Hubschraubern, deren Großteil in Aigen im Ennstal stationiert ist, hat die Ministerin ein starkes Zeichen gesetzt. Wir Steirer sind sehr, sehr dankbar da­für. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Bravo, Mario Kunasek! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Bravo, Ma­rio Kunasek!)

9.50


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat David Egger. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


9.50.29

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehbildschirmen! Frau Ministerin, ich möchte mich Ihrem Dank anschließen und möchte den Dank auch gleich an alle Soldatinnen und Soldaten und besonders auch an alle Zivilbediensteten beim Bundesheer aussprechen: Danke an dieser Stelle für Ihren Einsatz! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Frau Bundesministerin, Sie haben ein Wort gesagt – ich möchte den Wortschatz um ein Wort erweitern –, und zwar: Unverzichtbar lautet die Devise. Vielen wird erst in der Krise wieder bewusst, welche unverzichtbare Stütze das Bundesheer in unserem Land ist. Egal, wo man die Soldatinnen und Soldaten des Bundesheeres im Kampf gegen diese Krise braucht, sie sind bereit. Über 3 000 von ihnen sind, wir haben es heute schon gehört, täglich im Einsatz: zur Unterstützung der Behörden beim Contacttracing, zur Un­terstützung der Polizei bei Ein- und Ausfahrtsregelungen in den Bezirken, bei Grenzkon­trollen oder zur Aufstockung der Testkapazitäten.

Herr Leinfellner und Herr Beer, ich bin ganz bei Ihnen, da muss man auch einmal sagen: Seien wir froh, dass es das österreichische Bundesheer in dieser Form gibt! An Einspa­rungen – egal ob beim Personal, beim Gerät oder beim Verkauf von Kasernen –sollten wir in dieser Zeit erst gar nicht denken. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Ich hoffe, Frau Ministerin, Sie gehen dem Kanzler oder seinen Vertrauten nicht so auf die Nerven wie andere Ihrer Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, Sie sind nicht aus ir­gendwelchen ÖVP-Quotenzwängen oder Seilschaften dort, wo Sie jetzt sind (Bundesrä­tin Eder-Gitschthaler: Nein!), und ich hoffe, Sie sind nicht steuerbar (Heiterkeit der Bun­desrätin Schumann), sondern Sie steuern, Frau Minister. Damit fallen Sie zwar nicht ins Wunschbild der ÖVP-Personalrecruiter (Heiterkeit des Bundesrates Ofner), aber Sie würden eines gegenüber Ihrem Chef richtig machen, und zwar: echtes Leadership zei­gen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)

Die restliche Bundesregierung hat nämlich, meiner Meinung nach, in dieser Krise das Ruder schon aus der Hand gegeben. Da brauchen wir wirklich starke Persönlichkeiten wie Sie. Wir müssen, und da sind wir uns alle einig, den Kampf gegen diese Pandemie gewinnen. Wer sind denn die Leidtragenden? – Die Leidtragenden sind die ganz nor­malen Menschen, die mit diesen gesundheitlichen Folgen zu kämpfen haben, die Wirt­schaft, die kleinen und mittleren Betriebe, die um ihre Existenzen kämpfen, und die ganz normalen Menschen, die fleißigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger, die um ih­ren Job zittern oder tragischerweise in dieser Krise ihren Job verloren haben.

Ein von der Regierung hausgemachtes Chaos muss beseitigt werden, und was wir brau­chen, sind Profis, Leute mit Erfahrung in Krisenbewältigung, in strategischer Planung.


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Diesen Kampf gegen die Pandemie werden wir nicht mit unzähligen Pressekonferenzen, nicht mit PR- und Marketingprofis gewinnen, nein, wir werden ihn auch nicht mit einem millionenteuren Werbebudget gewinnen.

Sämtliche Kommandanten – ob Rettung, Bundesheer, Polizei, Feuerwehr – haben be­stätigt: In der Krisenbewältigung kommt es auf ein paar essenzielle Punkte an. Sie wis­sen, warum es darauf ankommt, sie haben in der Theorie gelernt, wie man in der Kri­senbewältigung Pläne effektiv abarbeitet, sie haben es mitbekommen, sie haben die Erfahrung in der Praxis, auch aufgrund von tragischen Ereignissen bei Inlands- und Aus­landseinsätzen – das haben wir heute schon gehört.

Worauf aber kommt es an? – Da gibt es das Grundschema des taktischen Führungs­verfahrens, das Ihnen sicher etwas sagt, eine klassische Methode in Krisenfällen, die vom Bundesheer und auch von Rettungsorganisationen angewendet wird. Da geht es um einleitende Lagefeststellung, Orientierung, Entscheidungsfindung, Planung der Durchführung, Handlungsanweisung, Befehlsausgabe, Durchführung – ist Ihnen be­kannt –, und alles unter stetiger Kontrolle und Lagefeststellung.

Mir kommt vor, der Kanzler hat diese Eigenschaften nicht, deswegen – Sie haben es heute schon angeboten – gibt es die Unterstützung des Bundesheeres, wann und wo sie gebraucht wird. Ich hätte mir vor allem gewünscht, dass der Kanzler früher auf Sie zugekommen wäre, um diese Unterstützung vom Bundesheer anzufordern, denn auch das Bundesheer ist dieser Regierung in einem voraus, nämlich dann, wenn es um die Verimpfung für diejenigen, die eine Impfung bekommen wollen, geht. Mir hat der Mili­tärkommandant von Salzburg gesagt, ab dem Tag X weiß man beim Bundesheer exakt, wann wer wo geimpft wird. Ich würde mir wünschen, dass wir uns diese Expertise des Bundesheeres holen, denn der Kanzler hat sie bitter nötig. (Beifall bei der SPÖ.)

Weil das Bundesheer maßgeblich zur Sicherheit in diesem Land beiträgt, würde ich mir auch wünschen, dass neben den vielen Blaulichtorganisationen auch dem Bundesheer schnellstmöglich die Impfung zur Verfügung gestellt wird.

Frau Ministerin, Ihnen liegt die Sicherheit unseres Landes genauso am Herzen wie mir. Vielleicht schaffen Sie es, Ihrem Parteichef, dem Kanzler, unter die Arme zu greifen und das Ruder herumzureißen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.56


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.


09.56.08

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das österreichische Bundesheer in der Coronakrise: Ich habe lange überlegt, was die Frau Bundesminister innerhalb des letzten Jahres Posi­tives für das Bundesheer gemacht hat, aber viel ist mir dazu nicht eingefallen.

Sie war am 15. Juli, mitten in der Pandemiezeit, hier bei uns im Bundesrat, hat einiges angekündigt, aber wenig davon umgesetzt. Ansonsten hat sie den Eindruck erweckt, als wäre sie abgetaucht, sie hat eher durch Abwesenheit geglänzt. Ein Jahr Coronapande­mie unter Minister Tanner bedeutet für unsere Soldaten und Zivilbediensteten ein Jahr Volleinsatz, ein Jahr arbeiten unter widrigsten Umständen, nämlich auch zweckent­fremdet beim Regaleeinräumen, Packerlschupfen, bei Telefondiensten für Contact­tracing, Einsätzen in Teststraßen oder Assistenzeinsätzen für das Innenministerium. Das Positivste davon war ja noch die Hilfe für die Menschen beim Schneeschaufeln.

Schön langsam kommt es mir vor, dass die Situation gar nicht so unrecht kommt, da man doch ein bisschen von militärischen Unzulänglichkeiten ablenken kann. Anstatt sich um militärische Agenden zu kümmern – wir haben es vorhin auch gehört –, kommen nur


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 28

leere Worthülsen und Floskeln. Frau Minister, das Einzige, das Sie in militärischen Fra­gen wirklich verstehen, ist, dass Sie eine brave ÖVP-Parteisoldatin sind, die die Aufträge und die Befehle des Bundeskanzlers widerstandslos durchführt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir alle wissen es, der derzeitige Zustand des Bundesheeres ist desaströs und lässt einfach die Doktrin der umfassenden Landesverteidigung nicht mehr zu. Bis vor nicht allzu langer Zeit war es dem Bundesheer noch möglich, in Krisensituationen die zivile Bevölkerung zu schützen, zu unterstützen und zu versorgen, aber diese Zeiten sind ja schon lange vorbei. Dem Bundesheer mangelt es so gut wie an allem, um die zivile Bevölkerung in Krisenzeiten mit Essen, Strom, Treibstoff et cetera zu versorgen. Die Truppenküchen wurden ja großteils aufgelassen und zentralisiert, eine Ausspeisung der Bevölkerung geht ja gar nicht mehr. Es gibt auch so gut wie keine Notstromaggregate, die zumindest bei wichtiger Infrastruktur die benötigte Energie liefern könnten. Mit den vorhandenen Bundesheerfahrzeugen kann derzeit nicht einmal die eigene Truppe, ge­schweige denn das eh schon reduzierte Einsatzgerät transportiert werden.

Vielerorts – das ist ja so grotesk – muss das Bundesheer auf private Busunternehmer zurückgreifen, um die Mannschaften zu Übungen und Einsatzorten zu transportieren. Da weder Heerestankstellen noch zivile Tankstellen ohne Strom funktionieren, wäre es Ihre Aufgabe, die von Minister Kunasek ausgearbeiteten Sicherheitsinseln endlich auch um­zusetzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Da hapert es aber schon wieder, man schafft es nicht, dass man vorher die Autarkie der Kasernen herstellt. Stattdessen macht man wahrscheinlich wieder ein paar Projektgrup­pen und Arbeitskreise, so ganz nach dem Motto: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann gründe ich einen Arbeitskreis. Mit so einer Arbeitseinstellung werden wir aber kein Gefecht gewinnen.

All die Missstände, wir haben es ja heute schon gehört, ziehen sich durch wie ein roter Faden. Bei 5 Minuten Redezeit kann ich leider nicht mehr auf alle Punkte eingehen, was mir aber gerade jetzt in dieser Zeit besonders wichtig ist, sind die Heeresspitäler. Die Heeresspitäler wurden, wie zum Beispiel bei mir zu Hause in Salzburg, de facto auf­gelöst. Diese wären aber gerade jetzt in dieser Zeit, in dieser Krisensituation eine we­sentliche Unterstützung in der Versorgung. (Beifall bei der FPÖ.) Gerade bei pandemi­schen Ereignissen könnte unser Bundesheer mit den Heeresspitälern einen entschei­denden Beitrag leisten.

Die Aufgabe des Bundesheeres, wir wissen es, ist, die österreichische Souveränität zu schützen, die innere Ordnung sicherzustellen und aufrechtzuerhalten und die demokra­tische Freiheit der Bürger zu sichern. Es ist keinesfalls zulässig und angebracht, dass das Bundesheer politisch missbraucht und mit politisch motivierten Aufträgen ausgestat­tet wird, aber genau das passiert jetzt gerade unter einer ÖVP-Führung. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Minister, Sie hätten im letzten Jahr wirklich Ihre Kompetenz und Ihre Führungsqua­litäten unter Beweis stellen können. Leider haben Sie diese Chance nicht im Sinne des Bundesheeres und der Bevölkerung genutzt und sind völlig überfordert mit dieser Auf­gabe. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Bader: Na geh! ...! – Bundesrat Steiner: Bravo!) Es wäre daher aus staatspolitischer Verantwortung wirklich das Beste, wenn Sie das Amt zurücklegen würden (Zwischenrufe bei der ÖVP), bevor der Schaden noch größer wird. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner – in Richtung Bundesministerin Tanner, die lächelt –: Lustig ist das nicht, Frau Minister! Das ist schon ernst!)

10.01


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.



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10.01.44

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte anfangs dem österreichischen Bundesheer, den Soldatinnen und Soldaten gratulieren. Die Coronapandemie hat einen außerordentlichen Aufwand für das Bundes­heer und viele Assistenz- und Unterstützungseinsätze bewirkt. (Beifall bei BundesrätIn­nen der SPÖ.)

Jetzt hat der Rechnungshof festgestellt, dass aber die Evaluierung der Assistenzein­sätze mangelhaft ist, da das Bundesheer nur als Ultima Ratio eingreifen darf, also wenn die anfordernde Behörde selbst den Auftrag nicht erfüllen kann und die nationale Si­cherheit dadurch gefährdet wäre. Die Verfügbarkeit oder die Kosten alleine sind als Begründung nicht ausreichend, auch muss die zivile Behörde schnellstmöglich Eigen­kapazitäten schaffen, daher sind Endloseinsätze an Grenzen oder beim Objektschutz rechtlich nicht gedeckt. So hat etwa die Wiener Polizei aus Kostengründen einen As­sistenzeinsatz angefordert, das war nicht legal.

Nun haben Sie, Frau Bundesministerin, in einer Anfragebeantwortung zu einer NEOS-Anfrage mitgeteilt, dass eine Anforderung eine Weisung sei, die Sie nicht ablehnen kön­nen, außer das Ultima-Ratio-Prinzip ist verletzt, Sie das aber nicht überprüfen würden, weil es nicht in Ihren Vollzug fällt. Das führt dazu, dass das Bundesheer Assistenzein­sätze durchführt, die rechtlich nicht gedeckt sind, und trotz massiven Investitionsrück­staus Geld dafür verwendet wird, denn das Bundesheer bleibt, wie auch der Rech­nungshof festgestellt hat, auf dem Großteil dieser Kosten sitzen.

Ich komme nun zu einem anderen Thema: zur Luftraumüberwachung. Wir wissen, dass in Kürze unsere verbleibenden Abfangjäger ein Upgrade brauchen, um überhaupt noch im europäischen Luftraum fliegen zu dürfen, von notwendigen Upgrades für die Ein­satzfähigkeit ganz zu schweigen. Wir NEOS fordern seit März 2020 eine gemeinschaft­liche Lösung mit befreundeten Nachbarstaaten. Das wurde seit einem Jahr vertagt. Nun haben Sie, Frau Bundesministerin, sich ebenfalls für eine solche Lösung ausgespro­chen, wenn sie verfassungsrechtlich gedeckt ist. Ein erneuter NEOS-Antrag wurde aber wieder vertagt. Die Frage ist: Gibt es eine Meinungsverschiedenheit zwischen Ihrem Ressort und den Regierungsfraktionen? Warum wurde ein in einem Antrag gefasster Vorschlag, der Ihrem Vorschlag entspricht, vertagt?

Zum Thema Verfassungsmäßigkeit einer solchen gemeinsamen Luftraumüberwachung ist zu sagen, dass die Luftraumüberwachung ja keine Neutralitätsfrage ist. Eine gemein­same Grenzüberwachung gibt es ja schon lange. Es wäre die Luftraumverteidigung zwar eine Neutralitätsfrage, aber die können wir mit den paar Fliegern, die wir haben, ohnehin schon lange nicht mehr ernsthaft gewährleisten.

Zu diesem Thema der Luftraumüberwachung gab es unlängst eine Studie in der Milak. Das Resultat wurde von einem hohen Beamten in Ihrem Ressort als Privatmeinung abgetan, von einem anderen aber wurde entgegnet, dass es in der Milak keine Privat­meinungen gebe. Offensichtlich besteht da kein einheitliches Lagebild. Sie selbst haben sich zu dieser Kontroverse bisher noch nicht geäußert. Es wäre an der Zeit, dass Sie Ihrer Meinung zu diesem Gutachten Ausdruck verleihen. – Danke. (Beifall bei Bundes­rätInnen der SPÖ.)

10.05


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zur Abgabe einer abschließenden Stellung­nahme hat sich die Frau Bundesministerin für Landesverteidigung nochmals zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

Ich weise darauf hin, dass die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit eingehalten werden soll. – Danke.



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10.05.25

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich freue mich sehr, dass wir alle über­einstimmen, welch unverzichtbare und außergewöhnliche Leistungen das österreichi­sche Bundesheer erbringt – an dieser Stelle noch einmal ein Dankeschön auch Ihnen für die lobenden Worte. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke, worin wir auch übereinstimmen, ist, dass uns die Coronapandemie wohl auch in den kommenden Monaten noch intensiv beschäftigen wird. Wir werden sehen, wie sich die Lage entwickeln wird, Tatsache ist aber, dass das Bundesheer alles tun wird, was möglich ist, um der Bevölkerung in den Bundesländern durch diese Pandemie zu helfen.

Was wir aber auch nicht übersehen dürfen: Wir müssen coronabedingt auch in anderen Bereichen zweifelsohne flexibel sein, so zum Beispiel auch bei den Stellungsterminen. Da sich durch hohe Infektionszahlen die Lage und die Rahmenbedingungen für einen sicheren Ablauf auf der Stellungsstraße ja immer wieder ändern können, haben wir die Kundmachung der Stellungstermine in das Internet verlegt.

Was meine ich damit? – Da es passieren kann, dass wegen unvorhersehbarer Ände­rungen in der Coronalage auch die jeweilig notwendigen Schutz- und Hygienemaßnah­men bei den Stellungen und daher auch die erforderlichen Planungen der Stellungs­termine angepasst werden müssen, wird derzeit auf die schriftliche Bekanntmachung der Stellungstermine verzichtet. Stattdessen wird ab April bis auf Weiteres durch das für die jeweiligen Gemeinden zuständige Militärkommando eine vorläufige Stellungspla­nung auf unserer Homepage, auf der Homepage des österreichischen Bundesheeres, bekannt gegeben.

Ungeachtet der in der vorläufigen Stellungsplanung enthaltenen Termine werden die Wehrpflichtigen aber natürlich zu ihren konkreten Terminen schriftlich geladen werden, die Gemeindevorstände und die Wehrpflichtigen selbstverständlich über diesen Schritt extra per Brief informiert. Ich glaube, wir dürfen nie vergessen, dass es die Grundwehr­diener sind, die die Basis des gesamten Bundesheeres, sowohl der Berufssoldaten als auch der Miliz, darstellen.

Wir sind in der Landesverteidigung neben den gesamten Coronaeinsätzen und -maß­nahmen auch mit anderen Dingen beschäftigt, zum Beispiel eben mit dem Assistenz­einsatz Migration. Wir werden diesen Assistenzeinsatz zur Unterstützung des Innenmi­nisteriums aufgrund der Lageentwicklung verstärken müssen, denn die Aufgriffszahlen, sehr geehrte Damen und Herren, sind im Steigen. Nur um einen Vergleich zu ziehen: Im Vorjahr waren es 976 Aufgriffe, im Jahr davor 358.

Ich war vor ein paar Tagen gemeinsam mit dem Innenminister an der burgenländischen Grenze. Wir haben uns vor Ort ein Bild über die Situation gemacht. Direkt im Burgenland sind aktuell 380 Soldaten des Bundesheeres zur Kontrolle an der Staatsgrenze einge­setzt. Die restlichen der 900 Soldaten des sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes zur Verhinderung der illegalen Migration sind ja an den Staatsgrenzen in anderen Bun­desländern im Einsatz. Ja, und wie gefährlich, sehr geehrte Damen und Herren, die Einsätze manchmal sind, das hat die Verfolgungsjagd mit den Schleppern vergangene Woche gezeigt; es kann immer wieder zu brenzligen Situationen kommen. Sie sehen, wie wichtig das Zusammenspiel von Bundesheer und Polizei ist  all das zur Sicherheit der Bevölkerung.

Im Burgenland haben wir uns auch die technische Unterstützung zur Grenzüberwachung angesehen. Das Bundesheer setzt zum Beispiel das moderne Bodenüberwachungsra­dar Beagle ein. Mit Hilfe dieses tragbaren Radargerätes kann das Bundesheer illegale Grenzübertritte effizienter beobachten. Außerdem sind auch Mehrzweckfahrzeuge des


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Typs Husar mit Wärmebildkameras im Einsatz, eines steht im Norden des überwach­ten Gebietes an der burgenländischen Staatsgrenze. Dieses Gerät kommt auch aus Güssing.

Wenn wir schon beim Thema Güssing sind, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich gleich Folgendes zum wiederholten Mal klarstellen: Auch wenn da noch irgendwelche Gerüchte herumschwirren, die etwas anderes behaupten, die Montecuccoli-Kaserne in Güssing bleibt definitiv erhalten, der Standort ist gesichert – anderes wäre ja auch schwachsinnig, denn er ist einer der modernsten des gesamten Landes, außerdem wird die Kaserne ab 2023 weiter ausgebaut, um die militärische Autarkie zu sichern. Wieso sollte man etwas schließen wollen, wenn man Ausbaupläne hat? Dieses klare Wort ist mir persönlich auch noch wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Ja, sehr geehrte Damen und Herren, Sicherheit, die gibt es auch aus der Luft, daher freue auch ich mich wie die Frau Bundesrätin  auf die 18 neuen Mehrzweckhub­schrauber des Typs AW169M Leonardo, die ab dem kommenden Jahr als Ersatz für unseren altgedienten Hubschrauber Alouette III in der Steiermark und in Niederöster­reich eintreffen. Sie werden unsere Unterstützung aus der Luft selbstverständlich für ganz Österreich verstärken.

Gerade vor ein paar Tagen war ja wieder eine Alouette III bei einem Waldbrand in der Steiermark im Katastropheneinsatz. Durch diese neue Beschaffung um 300 Millionen Euro wird auch der Standort Aigen im Ennstal gesichert. Wie Frau Bundesrätin Kal­tenegger vorhin in ihrer Rede erwähnt hat, gibt es nun für unsere Grundwehrdiener das Maßnahmenpaket Mein Dienst für Österreich manche sagen eben auch sechs plus drei dazu – und damit mehr Optionen, mehr Geld. Ich habe im Vorjahr dieses Maßnah­menpaket deshalb eingerichtet, weil es sowohl den Grundwehrdienern als auch der Miliz nützt, denn alle Grundwehrdiener, die sich zur Miliz melden das sind 30 Übungstage in zehn Jahren , erhalten ab dem dritten Monat 400 Euro im Monat zusätzlich zu ihrem Sold. Das bietet viele Möglichkeiten für unsere jungen Menschen, die auch dringend notwendig sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Bundesheer mit all seinen Einsätzen im In- und Ausland ist nicht nur nach dem Bundes-Verfassungsgesetz die militärische Macht Ös­terreichs, sondern auch die strategische Reserve der Republik. Daher darf ich Sie auch weiterhin um Ihre Unterstützung ersuchen, wenn es um die Anliegen des österreichi­schen Bundesheeres geht. Es geht um den Schutz der Bevölkerung in allen Bundeslän­dern, um den Schutz von uns allen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Beer.)

10.11


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke, Frau Bundesministerin.

Mit der Stellungnahme der Frau Bundesministerin ist die Aktuelle Stunde beendet.

10.11.45Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Christian Buchmann: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten An­fragebeantwortungen, jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, der Schreiben des Bundeskanz­leramtes betreffend Beendigung der Vertretung gemäß Art. 73 Abs. 1 B-VG der Bundes­ministerin für Justiz, Dr. Alma Zadić, durch den Vizekanzler und Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, Mag. Werner Kogler, mit 15. März 2021 und Beendigung der Vertretung gemäß Art. 73 Abs. 1 B-VG des Bundesministers für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Rudolf Anschober, durch die Bun­desministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie,


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 32

Leonore Gewessler, mit 15. März 2021 verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Ste­nographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographi­schen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 33)

2. Eingelangter Verhandlungsgegenstand, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird (1178/A und 725 d.B.)

3. Schreiben des Bundeskanzleramtes

betreffend Beendigung der Vertretung gemäß Art. 73 Abs. 1 B-VG der Bundesministerin für Justiz, Dr. Alma Zadić, LL.M. durch den Vizekanzler, Bundesminister für Kunst, Kul­tur, öffentlichen Dienst und Sport, Mag. Werner Kogler mit 15. März 2021 (Anlage 2)

und

betreffend Beendigung der Vertretung gemäß Art. 73 Abs. 1 B-VG des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Rudolf Anschober durch die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technolo­gie, Leonore Gewessler, BA mit 15. März 2021 (Anlage 3)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung) sowie

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

(siehe Tagesordnung) sowie

Bericht der Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und Vorhaben des Rates für das Jahr 2021 (Berichtigung der Vorlage) (III-731-BR/2021)

zugewiesen dem Landesverteidigungsausschuss

und

Datenschutzbericht 2020, vorgelegt von der Bundesministerin für Justiz (III-747-BR/2021)

zugewiesen dem Justizausschuss

sowie

Bericht über die Situation und Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen der öster­reichischen Wirtschaft ("KMU im Fokus 2020"), vorgelegt von der Bundes-ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (III-748-BR/2021)

zugewiesen dem Wirtschaftsausschuss

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Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jener Bericht beziehungsweise jener Entschlie­ßungsantrag, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte verfasst.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsident Mag. Christian Buchmann: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte zu den vorliegenden Verhandlungsgegenständen Abstand zu nehmen.

Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnah­me von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einver­standen sind, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zwei­drittelmehrheit angenommen.

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR


Präsident Mag. Christian Buchmann: Die Bundesräte Karl Bader, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kolle­gen haben gemäß § 21 der Geschäftsordnung den Selbständigen Antrag 290/A-BR/2021 betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates eingebracht.

Weiters wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung beantragt, diesen Selbständi­gen Antrag ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag abstimmen, den Selbständigen Antrag 290/A-BR/2021 der Bundesräte Karl Bader, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Ge­schäftsordnung des Bundesrates gemäß § 16 Absatz 3 der Geschäftsordnung ohne Ausschussvorberatung unmittelbar in Verhandlung zu nehmen.

Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zu­stimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Danke, das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, den Selbständigen Antrag 290/A-BR/2021 betreffend Änderung der Ge­schäftsordnung des Bundesrates ohne Vorberatung im Ausschuss unmittelbar in Ver­handlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenom­men.

Ich werde daher die Tagesordnung um den gegenständlichen Antrag ergänzen und die­sen als 28. Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.

Der bisherige Tagesordnungspunkt 28 erhält die Bezeichnung 29.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände und den Entschließungsan­trag 289/A(E)-BR/2021 der Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Bonusticket für in Österreich lebende Menschen, die Urlaub in Österreich ma­chen“ sowie den Selbständigen Antrag 290/A-BR/2021 der Bundesräte Karl Bader, Korinna Schumann, Christoph Steiner, Marco Schreuder, Dr. Karl-Arthur Arlamovsky,


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Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Christian Buchmann: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschla­ges beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 2 bis 4, 8 bis 10, 11 bis 13, 16 und 17, 18 bis 20, 24 und 25 sowie 26 und 27 jeweils unter einem zu ver­handeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann gehen wir so vor.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Christian Buchmann: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Der Kanzler im Korruptions­sumpf“ an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlungen an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

10.17.431. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission und Vorhaben des Rates für das Jahr 2021 (III-731 und Zu III-731-BR/2021 d.B. sowie 10580/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Ich habe auch schon Herrn Bundesminister Dr. Faßmann gesehen, den ich damit recht herzlich begrüße. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Silvester GfrererIch bitte um den Bericht.


10.18.16

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich wünsche allen einen schönen guten Morgen und bringe den Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Bericht der Bundes­ministerin für Landesverteidigung betreffend Arbeitsprogramm der Europäischen Kom­mission und Vorhaben des Rates für das Jahr 2021.

Das gegenständliche Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission trägt den Titel „Eine vitale Union in einer fragilen Welt“. Dabei sind sechs Punkte dominierend: erstens ein europäischer Grüner Deal, zweitens ein Europa, das für das digitale Zeitalter gerüstet ist, drittens eine Wirtschaft, deren Rechnung für die Menschen aufgeht, viertens ein stärkeres Europa in der Welt, fünftens fördern, was Europa ausmacht, sechstens neuer Schwung für die Demokratie in Europa.

Der Landesverteidigungsausschuss hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 29. März in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

Der Landesverteidigungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Arbeitsprogramm der


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Europäischen Kommission und Vorhaben des Rates für das Jahr 2021 zur Kenntnis zu nehmen. – Vielen Dank.


10.19.56

Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Ich ersuche, die Plätze einzunehmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.20.272. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz, das Hochschulgesetz 2005, das Fachhochschulgesetz und das Privathochschulgesetz geändert werden (662 d.B. und 705 d.B. sowie 10600/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über hochschulrechtliche Sondervorschriften an Universi­täten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen aufgrund von COVID-19 (2. COVID-19-Hochschulgesetz – 2. C-HG) erlassen wird (706 d.B. sowie 10601/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014 geändert wird (664 d.B. und 708 d.B. sowie 10602/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 2 bis 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Ing.in Judith Ringer. Ich bitte um die Berichte.


10.21.17

Berichterstatterin Ing. Judith Ringer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Be­schluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz, das Hochschulge­setz 2005, das Fachhochschulgesetz und das Privathochschulgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge von Stimmengleichheit nicht zustande gekom­men.

Weiters berichte ich über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über hochschulrechtliche Sondervor­schriften an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen aufgrund von COVID-19 erlassen wird.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 39

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, deshalb komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, deshalb komme ich auch hier gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr die­ses. – Bitte, Frau Bundesrätin.


10.24.01

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, mit dieser Universi­tätsgesetznovelle entfernt sich Österreich weiter vom Humboldt’schen Bildungsideal der ganzheitlichen Bildung, der Universitas – einer Bildung, die den Menschen zu einer selbstbestimmten, kritischen und urteilsfähigen Persönlichkeit reifen lässt.

Stattdessen wird Bildung immer mehr auf Ausbildung, auf ein beschränkt ökonomisch verwertbares Wissen reduziert, und dabei, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht sehr viel verloren – menschlich und ökonomisch –, weil eben sehr eindimensional auf einen bestimmten Typus von Studierenden fokussiert wird: den vom Elternhaus gut unterstützten Vollzeitstudierenden, der idealerweise auch am Studienort wohnt, keinen Beruf hat, es auch nicht notwendig hat, zu arbeiten, auch keine Kinder hat, für die er oder sie sorgen muss, auch kein Zweitstudium angeht, sondern sich voll und ganz auf ein Studium nach gebotener Prüfungsreihenfolge konzentrieren kann. Aus einem Uni­versitätsstudium wird so ein – ich nenne es einmal so – Uniformitätsstudium. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Spanring.)

Ja, dieser Begriff Uniformitätsstudium ist mir eingefallen, weil alles zusammengepfercht, uniformiert werden soll, denn durch den Leistungsdruck werden logischerweise jene Fä­cher vorgezogen, in denen man schnell zu den geforderten 16 ECTS kommt, weil man ja sonst rausfliegt beziehungsweise gesperrt wird.

Wer nicht ins Schema passt, der soll nicht studieren dürfen. Das ist anscheinend die Logik, die da dahintersteht. Mich berührt diese Einschränkung des freien Hochschulzu­gangs persönlich und auch emotional insofern wirklich sehr, als ich selbst als Mutter von zwei Kindern studiert habe und nebenbei arbeiten musste und überdies auch noch 50 Kilometer vom Studienort entfernt gewohnt habe – in der Weststeiermark, 50 Kilome­ter von Graz entfernt. Ich habe also absolut nicht ins Schema gepasst – absolut nicht –, wie viele andere auch nicht, die aber dann gerade durch die Fülle an Lebens- und Be­rufserfahrung voll durchstarten konnten und auch ihre akademische Bildung bestens verwerten konnten (Beifall bei der SPÖ), wie ich das an vielen Beispielen sehe, auch hier im Haus und überall im Wirtschaftsleben, wo ich Kontakt habe.


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Ich bin ja auch sehr oft bei universitären Feiern, hauptsächlich in Graz, und sehe dort, dass diese Menschen auch ihrer Universität, ihrer Alma Mater, alle Ehre gemacht haben, obwohl sie nicht ins Schema gepasst haben – oder vielleicht auch gerade deswegen.

Studieren ist keineswegs einfacher geworden, schon gar nicht in den letzten Jahren und schon gar nicht im letzten Jahr, möchte ich sagen. Die Lebenshaltungskosten sind weiter gestiegen und in der Coronakrise sind viele Lehrveranstaltungen, unterstützende Prä­senzveranstaltungen weggefallen. Gerade in dieser Zeit bräuchten Studierende noch viel mehr an Unterstützung, als ihnen jetzt in Aussicht gestellt wurde – von dem sie eh noch nichts sehen. Sie bräuchten wirklich mehr Unterstützung, anstatt dass man ihnen jetzt noch mehr Hürden und Hindernisse aufbaut. Darum würde ich Sie schon bitten, Herr Minister: die Studierenden, die es jetzt wirklich nicht leicht haben, wirklich verstärkt zu unterstützen. Es gibt da ganz, ganz berührende, ja, aufrüttelnde Geschichten. Es soll wirklich nicht vom Geldbörsel der Eltern abhängen, ob ein Kind studieren darf und wel­che Bildungschancen ein Kind vorfindet (Beifall bei der SPÖ), sondern es soll tatsächlich von den Begabungen, vom Fleiß abhängen. Diesbezüglich brauchen einfach unsere jun­gen Menschen viel mehr an Unterstützung, als ihnen in Aussicht gestellt wird.

Bei den organisatorischen Veränderungen – Auswahl und Kompetenzen vor allem der Rektorinnen und Rektoren – wurden wichtige, auch verfassungsrechtliche Bedenken aus den Stellungnahmen leider nicht berücksichtigt. Bedenklich ist auch die Neurege­lung der sogenannten Kettendienstverträge, denn – auf diese Punkte wird im Detail noch meine Kollegin Vizepräsidentin Doris Hahn eingehen – da besteht die Gefahr, dass viele Lehrende, gerade im akademischen Mittelbau, teilweise sogar um ihre Existenzgrundla­ge gebracht werden, wenn keine Verlängerungen möglich sind. Im normalen Arbeitsle­ben ist es bei Kettendienstverträgen, bei aneinandergereihten Befristungen üblich – und die Arbeitsgerichte haben das auch so praktiziert –, diese in ein unbefristetes Dienstver­hältnis umzudeuten. Stattdessen zieht man hier einfach eine Schranke ein, ohne die Frage zu beantworten, wovon die Leute dann eigentlich leben sollen. Es sind also wirk­lich viele Ungereimtheiten mit eingebaut, und insgesamt geht diese UG-Novelle einfach in die falsche Richtung und ist daher abzulehnen. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

10.29


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA (den Vorsitz übernehmend): Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Bundesrätin.


10.30.27

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­schauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Seit nun schon mehr als einem Jahr begleiten Homeoffice und Distancelearning unser tägliches Leben – ein Leben, das nicht nur von Einschränkungen, sondern auch von sozialer Distanz geprägt ist. Neben den Schülerinnen und Schülern sind es vor allem auch die Studierenden, die sehr unter dieser Situation leiden. All das, was das Studentenleben bisher ausgemacht hat, ist von heute auf morgen verschwunden: Es gibt so gut wie keine Lehrveranstaltungen vor Ort, keine tagelangen Bibliotheksbesuche, keine Lerngruppen, und auch der Spritzer im Schanigarten nach der bestandenen Prüfung bleibt aus. Das studentische Leben am Campus und der Austausch mit Gleichgesinnten sind quasi zum Erliegen gekommen.

Neben der fehlenden sozialen Komponente eines Studiums stehen die Studierenden nunmehr auch noch vor der Herausforderung, ihre Ausbildung überwiegend im Selbst­studium durchführen zu müssen. Das wirkt sich auf so manchen belastend aus. Zudem mussten die Lehrenden wie die Lernenden zunächst die Hürde meistern, eine digitale Ausbildung zu organisieren, bereitzustellen und sinnvoll umzusetzen.

In den letzten zwei von Corona geprägten Semestern haben unser Hochschulsystem und unsere Studierenden jedoch trotz aller Widrigkeiten gezeigt, was in ihnen steckt. Es


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ist alles in allem zu keinem Leistungsabfall der Studierenden gekommen. Im Gegenteil: Im Schnitt wurden mehr Prüfungen und mehr ECTS absolviert und dadurch auch mehr Studienabschlüsse erreicht als in normalen Semestern. Zu diesem Kraftakt kann man allen Beteiligten nur gratulieren.

Doch es wird auch wieder eine Zeit nach Corona an den Unis kommen, und für diese müssen wir unsere Hochschulen mit dem nötigen Rüstzeug ausstatten. Die Novellen des Universitätsgesetzes und des Hochschülerschaftsgesetzes sind dazu ein wichtiger Schritt und werden unser Hochschulsystem fairer, flexibler und effektiver als zuvor arbei­ten lassen.

Ich möchte nun auf ein paar geplante Änderungen näher eingehen. Die wohl meistdis­kutierte Änderung ist die Einführung einer Mindestleistung in Höhe von 16 ECTS in den ersten zwei Jahren des Studiums. Durch diese Maßnahme soll die Anzahl an nicht prü­fungsaktiven Studierenden reduziert und die Abschlussquote an den heimischen Univer­sitäten erhöht werden. Das ist im Interesse der überwiegenden Zahl der Studierenden, aber auch im Interesse der Steuerzahler, die unser Bildungssystem schließlich finanzie­ren. In diesem Punkt muss ich Ihnen widersprechen, Frau Kollegin Grossmann von der SPÖ.

Lassen Sie mich den Vorschlag anhand einer Berechnung verdeutlichen: Die vorge­schriebene Mindeststudienleistung, um ein Bachelorstudium in Regelstudienzeit ab­schließen zu können, liegt bei 30 ECTS pro Semester. Wenn wir jetzt eine Milchmäd­chenrechnung zur geplanten Mindestleistung in der Höhe von 16 ECTS in zwei Jahren – das heißt 4 ECTS pro Semester – anstellen, dann würde das bedeuten, dass man für ein reguläres Bachelorstudium ganze 22 Jahre bräuchte. Auch wenn Beruf und Studium unter einen Hut gebracht werden müssen, erachte ich die mit dieser Gesetzesvorlage zu beschließenden 16 ECTS als Mindeststudienleistung innerhalb von vier Semestern als durchaus machbar und vertretbar.

Ein weiterer Punkt, den ich hervorheben möchte, ist die leichtere Anerkennung von Stu­dienleistungen. Bisher war die Anrechnung von Prüfungen, die an einer anderen Univer­sität absolviert wurden, oftmals ein Spießrutenlauf für die Studierenden. Auch klare Regeln zur Anrechenbarkeit von Praktika und außerschulischen Qualifikationen fehlten. Mithilfe der geplanten Novelle wird dieser bürokratische Dschungel, durch den sich die Studierenden bisher kämpfen mussten, ein bisschen lichter. Dies wird vor allem auch den Absolventinnen und Absolventen der berufsbildenden höheren Schulen Österreichs zugutekommen. Aber auch bereits Berufstätige, die sich auf dem zweiten Bildungsweg noch für ein Hochschulstudium entschieden haben, können durch diese Regelungen be­reits erworbene Qualifikationen mitunter einfacher anrechnen lassen.

Besonders zu begrüßen ist die Änderung zu mehr Beratung und Unterstützung durch die Universität und die Pädagogische Hochschule. Hierbei soll es unter anderem Unter­stützungsleistungen seitens der Universität geben, die die Studienplanung erheblich er­leichtern und die Erreichbarkeit des Studienabschlusses innerhalb von sechs Semestern fördern sollen, was wiederum positiv auf die Studierenden zurückfällt. Die Tatsache, dass aktuell nur 6 Prozent der Bachelorstudierenden ihr Studium in der Regelstudienzeit von sechs Semestern abschließen, zeigt, dass hier dringender Handlungsbedarf be­steht.

Eine weitere, besonders wichtige Regelung, die mit dieser Novelle umgesetzt werden soll, ist die bessere Planbarkeit des Studiums. Ab Inkrafttreten der Novelle wird es näm­lich eine einheitliche Strukturierung der Semester und somit auch eine einheitliche Zu­lassungsfrist an allen österreichischen Hochschulen geben. Für die Studierenden noch viel wichtiger: Die Termine, die Art, der Ort und die Form von Lehrveranstaltungen und Prüfungen müssen bereits vor Semesterbeginn feststehen. Eine Abänderung solcher


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Daten kann nur mehr aus zwingenden Gründen erfolgen und die Studierenden sind un­verzüglich zu informieren. Das bietet den Studierenden Planungssicherheit für das Se­mester und erleichtert so vor allem auch den berufstätigen Studierenden, Arbeit und Studium besser unter einen Hut zu bringen.

Weiters soll auch noch das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014 ge­ändert werden. Es geht bei der Änderung um die Aufnahme von datenschutzrechtlichen Löschfristen und die Streichung von postalischen Übermittlungsfristen. Den Hauptpunkt der Novelle stellt aber die Neuregelung der pauschalierten Aufwandsentschädigung dar, und zwar für Studierendenvertreter. Die Ausübung der Funktion einer Studierendenver­treterin oder eines Studierendenvertreters ist ein Ehrenamt. Dies soll auch weiterhin so bleiben. Eingeführt wird aber die Bezeichnung Funktionsgebühr, wie diese auch bei an­deren Selbstverwaltungskörperschaften vorgesehen ist. Aus Transparenzgründen soll eine Auflistung der beschlossenen Funktionsgebühren beziehungsweise der refundier­ten Aufwandsersätze eines Wirtschaftsjahres auf der Website der betreffenden Hoch­schülerinnen- und Hochschülerschaft veröffentlicht werden. Dies soll gewährleisten, dass für alle Mitglieder ersichtlich ist, wofür ein Teil der von ihnen einbezahlten ÖH-Beiträge verwendet wird.

Alles in allem kann gesagt werden, dass diese Gesetzesnovellen eine Reihe von Neue­rungen und Änderungen mit sich bringen, die den studentischen Alltag erleichtern wer­den und die Universitäten zukunftstauglich machen. Ich unterstütze aus all diesen Grün­den die zu beschließenden Gesetzesvorlagen.

Ich bringe nun noch folgenden Antrag ein:

Antrag

der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen

zu TOP 2) Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Universitätsgesetz 2002, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz, das Hochschulgesetz 2005, das Fachhochschulgesetz und das Privathochschulgesetz geändert werden (662 d.B. und 705 d.B.)

in der 924. Sitzung des Bundesrates

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

10.39


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung einge­brachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universi­tätsgesetz 2002 und weitere Gesetze geändert werden, 662 der Beilagen und 705 der Beilagen sowie 10600/BR der Beilagen, keinen Einspruch zu erheben, ist genügend un­terstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte, Herr Bundesrat.



BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 43

10.40.20

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Diese heutige Novelle des Universitätsgesetzes kann man unter ein Motto stellen: mini­male Veränderungen, maximale Verärgerungen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Regierungsparteien sprechen hier von einem großen Wurf. Von einem großen Wurf sind wir jedoch meilenweit entfernt. Anstelle die Möglichkeit zu nutzen, Studierende und auch das Personal zu motivieren, wird hier auf der einen Seite bei den Studierenden Druck aufgebaut, der sich eher demotivierend auswirken wird, und beim Personal, zum Beispiel bei der Findung von guten und geeigneten Personen als Rektoren, wird nivel­liert – leider nach unten, damit quasi auch weniger Geeignete tolle Posten bekommen können. Das ist für ein Land wie Österreich eine Schande.

Das sind wir aber leider von dieser Regierung so gewohnt. Für die einen gilt „kriegst eh alles was du willst“ mit drei Bussiherzizwinkersmileys (Heiterkeit des Bundesrates Of­ner), ganz nach dem Motto: „Koste es, was es wolle“, und die anderen – in diesem Fall die zigtausend Studierenden – schauen durch die Finger.

Wenn es die ÖVP schon selbst ausspricht und sagt, dass diese Gesetzesanpassung lediglich eine Reaktion auf Notwendigkeiten ist, dann lässt das eines ganz klar erkennen, nämlich dass es an Überlegungen, an guten Ideen und offenbar auch an innovativen Köpfen in diesem Ministerium fehlt. Verwalten allein, Herr Minister, ist zu wenig, denn während Sie und Ihr Kabinett verwalten, reiten uns die Vorreiter in Sachen Universitäten-Länderranking davon, und wir müssen froh sein, wenn wir unseren Platz im Mittelfeld halten können. Da brauchen wir keineswegs davon zu träumen, dass wir überhaupt noch besser werden.

Ein besonderer Schildbürgerstreich sind diese 16 ECTS-Punkte. Auch da wird von Moti­vation gesprochen. – Nein, Herr Minister, Sie motivieren nicht, Sie verärgern nur. Eine Motivation können Sie nur dann schaffen, wenn Sie die Qualität des Angebots steigern und nicht, wie Sie es jetzt machen, die Bürokratie forcieren. (Beifall bei der FPÖ.) Dazu kommt noch, dass es keine klare Regelung gibt, wie sich ein solcher ECTS-Punkt defi­niert. Je nach Uni oder FH hat man dann eben Glück oder Pech, wie streng diese Errei­chung eines solchen Punktes ausgelegt oder gehandhabt wird. Ebenso ist es mit der Befristung für die Kettenverträge. Auch mit dieser Regelung wird man sicher niemanden motivieren können.

Auch ganz typisch für diese Regierung ist – und ich glaube, das spreche ich jetzt schon bei fast jedem meiner Redebeiträge an –: Das Parlament wurde wieder nur am Rande eingebunden. Die ÖVP lobt sich zwar selbst, da man die sogenannten Stakeholder mit­eingebunden hat. Ja, aber das waren eben nur Vertreter im Ministerium beziehungswei­se die Beamten. Soweit ich aber weiß, werden die Gesetze schon noch im Parlament gemacht – oder? (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Wenn man will, dass die Gesetze dann im Parlament beschlossen werden, dann wäre es schon wünschenswert, wenn man zukünftig in solche Gespräche auch das Parlament wieder verstärkt mit einbindet. Wie vorhin gesagt: minimale Veränderungen, maximale Verärgerungen.

Apropos verärgert: Immer, wenn ich zu gewissen Themen spreche, bei denen ich die Möglichkeit habe, hole ich mir auch die Meinungen von Betroffenen ein und gebe sie hier wieder. In diesem Fall habe ich das auch gemacht und habe mit einigen Studieren­den gesprochen und muss Ihnen sagen: Ihre Kritik ist um einiges härter als das, was ich bisher hier zusammengefasst habe. Unterm Strich kam heraus, die Regierenden hätten sich anstelle von wenig durchdachten Gesetzen lieber auf die Probleme konzentrieren sollen, die Studenten gerade wirklich haben.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 44

Eine befreundete Studentin hat mir per Whatsapp geschrieben: Es gibt Fakultäten, dort erfährt man jedes Mal erst kurz vor der Prüfung, ob diese in Präsenz oder online statt­findet. Es gibt Prüfer, die online schlichtweg gar nicht prüfen, es gibt noch immer Vorle­sungen und Kurse, die online nach einem Jahr noch immer nicht stattfinden oder eben in einem absolut sinnlosen Ausmaß. Das passiert auf unserer Uni seit über einem Jahr.

Ein anderer Student hat mir gesagt, dass er und seine Kollegen dieses Gesetz als Affront empfinden. Einerseits werden die gesetzlichen Bedingungen zum Studieren verschärft, andererseits sind die Rahmenbedingungen des Studiums mangelhaft und Studierende oft auf sich allein gestellt.

Ein weiteres Statement eines befreundeten Jusstudenten: Der Unibetrieb wurde Anfang Corona ersatzlos heruntergefahren. Die Übungen wurden bis auf Weiteres ersatzlos ausgesetzt, unter dem Vorwand, es werde nach alternativen Unterrichtsmöglichkeiten gesucht. Die meisten der Übungen fanden de facto im Semester nicht mehr statt. Es wurde den einzelnen Professoren freigestellt, wie sie ihre Fächer dann weiter gestalten. Viele Professoren haben kommentarlos Folien und am Ende die Abschlussklausur hoch­geladen – und das war’s.

Ein weiteres Beispiel wurde genannt, und zwar die Bibliotheken, die Bücher fällig gestellt haben. Wegen Corona kam es immer wieder vor, dass sich Prüfungstermine verschoben haben – natürlich unangekündigt und intransparent. Das hat aber die Universitäten teil­weise nicht davon abgehalten, die Bücher, die man zur Prüfung braucht, nach dem Ter­min, an dem man geglaubt hat, dass man die Prüfung hat, einzuziehen. Wenn aber die Prüfung dann erst ein Monat später stattfindet, dann ist es schön, wenn man keine Bücher mehr zum Lernen hat. Was muss der Student oder die Studentin dann ma­chen? – Sie müssen hergehen und müssen sich die Bücher kaufen. Jemand, der weiß, was Studierende meistens zur Verfügung haben, der weiß, dass das ein sehr großer Aufwand ist.

Ein anderer hat mir geschrieben: Die kommende Prüfungswoche soll teilweise in Prä­senz stattfinden – hier geht es um die FFP2-Masken-Pflicht –, das heißt, du sitzt 4 Stun­den mit Maske am Sitzplatz und schreibst eine Prüfung, bei der bis zu 75 Prozent durch­fallen und für die du eh jedes mögliche Sauerstoffmolekül brauchst. Weiters gibt es jetzt sogar eine interne Diskriminierung, weil offenbar die nächste FÜM I online sein wird, während FÜM II und III wie zuvor beschrieben stattfinden sollen. – Die FÜM ist diese fächerübergreifende Modulprüfung, das sind diese ganz großen, schweren Prüfungen.

Diese Beispiele könnte man ewig weiter fortsetzen – und das Ministerium ist auf Tauch­station. Selbst die Verantwortlichen an den Universitäten sagen zu den Studierenden, sie fühlen sich vom Ministerium im Stich gelassen.

Ein kleiner Lichtblick für die Studenten: Im Mai werden die ÖH-Wahlen stattfinden, und Sie, meine Damen und Herren Studierende, können einmal zeigen, was Sie von dieser und von Ihrer ÖVP- und Grünen-Vertretung halten; denn wer Schwarz-Grün auch dies­mal unterstützt, unterstützt diese Chaospolitik des letzten Jahres – quasi das Schlech­teste aus zwei Welten. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt sehr gute Alternativen. Meine persönliche Wahlempfehlung ist natürlich der RFS, der Ring Freiheitlicher Studenten. (Heiterkeit des Bundesministers Faßmann.) Da be­danke ich mich jetzt schon für jede Stimme – oder um es mit den Worten der ÖVP zu sagen: Tu es für mich! Bussiherzizwinkersmiley. (Beifall bei der FPÖ sowie Heiterkeit des Bundesrates Ofner.)


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 45

10.49


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


10.49.37

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Vor allem die öffentliche Debatte, aber auch diese Debatte hier zum Universitätsgesetz konzentrieren sich auf einige wenige kritische Punkte. Ja, das ist durchaus auch berechtigte Kritik – zumindest je nach Sichtweise und Einschätzung.

Wir sollten aber im Blick behalten, was alles verbessert wurde, und das ist viel. Ein paar Beispiele – ein bisschen etwas haben wir dazu schon gehört –: Die Anrechnung von Vorleistungen für Studien wird massiv ausgeweitet, Universitäten dürfen in ihrem Auto­nomiebereich aus anderen Studien absolvierte Prüfungen oder berufliche sowie außer­berufliche Qualifikationen bis zu einem Ausmaß von 90 ECTS anerkennen. Gerade die Anerkennung beruflicher und außerberuflicher Leistungen, die erbracht wurden – Wei­terbildungen, Qualifizierungen –, im Ausmaß der Hälfte eines Bachelorstudiums ist wirk­lich ein Meilenstein.

Ein paar Beispiele dazu: Wenn jemand Lehramt studiert und ein Praktikum als pädago­gische Unterstützung in einem Sommercamp macht, kann man das anrechnen lassen; man kann beispielsweise wissenschaftsbezogene Praktika in einem Betrieb oder in einer Forschungseinrichtung außerhalb der Uni anrechnen lassen; wenn man eine HTL absolviert hat, kann man sich Teile für ein technisches Studium anrechnen lassen. Das ist schon eine wesentliche Erleichterung und erleichtert auch den Zugang zur Universität.

Der Übergang in den Beruf wird erleichtert: Es ist ja immer wieder so, dass Studierende gegen Ende des Studiums parallel dazu zu arbeiten beginnen – manche müssen das auch. Das ist einerseits natürlich begrüßenswert und nachvollziehbar, erschwert es aber, das Studium abzuschließen, und es besteht die Gefahr, dass man das Studium dann de facto abbricht. Ich kenne eine Reihe Kollegen, denen das passiert ist, die praktisch suk­zessive rausgeschlittert sind.

Genau da gibt es nun einen unterstützenden Mechanismus: Studierende, die ein Diplom- oder Bachelorstudium machen, bereits 100 ECTS absolviert haben und im vergangenen Studienjahr keine Prüfungen gemacht haben, können jetzt mit der Universität eine Ver­einbarung schließen. Diese Vereinbarung hat Mindesterfordernisse zu erfüllen, wie zum Beispiel Unterstützungsmaßnahmen seitens der Universität für die Studierenden. Das kann ein Anspruch auf Absolvierung bestimmter Lehrveranstaltungen und Prüfungen sein – das ist gerade dort relevant, wo die Teilnehmerzahlen beschränkt sind, wo es schwierig ist, hineinzukommen – und geht bis hin zur Rückerstattung von Studienbeiträ­gen. Ein Teil ist natürlich auch die Verpflichtung von Studierenden, eine Lehrveranstal­tung, eine Prüfung zu absolvieren.

Ich war selber viele, viele Jahre in der ÖH aktiv und habe viele Studierende beraten, und da hat sich immer wieder gezeigt, dass es für viele sehr wichtig ist, einen klaren Rahmen zu haben, sodass sie durchs Studium finden, denn eine der größten Herausforderungen neben dem Lernen ist es, wirklich dranzubleiben. Ich denke, das ist eine wichtige Unter­stützung.

Es wird mehr ECTS-Gerechtigkeit geben: Der tatsächliche Aufwand einer Vorlesung, einer Übung wird neu bewertet und stärker an die ECTS-Bepunktung angepasst. Es war immer wieder einmal so, dass es Fächer gab, in denen der Aufwand nicht mit den ECTS, die man bekommt, zusammengepasst hat. Das wird, wie gesagt, verbessert.

Zum ersten Mal wird es in Österreich möglich sein, verlangen zu können, dass ge­schlechtsspezifische akademische Grade in abgekürzter Form in Urkunden, Reisepass, Personalausweis abgedruckt werden. Das war bis dato nicht gegeben. Das ist nun in weiblicher, männlicher Form, aber auch in Form eines anderen Geschlechts möglich. Das ist für viele sehr wichtig. Das hat viel mit der eigenen Identität zu tun und soll na­türlich auch sensibilisierend nach außen wirken.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 46

Ein paar Anmerkungen noch zur heiß diskutierten Vorgabe einer Mindestleistung in den ersten zwei Studienjahren, also zu Beginn eines Studiums – danach ist es ja nicht mehr der Fall. Ich sage ganz offen, wir Grüne wollten das aus Prinzip nicht, herausgekommen ist nun ein Kompromiss, sehr weit unter dem, was zuerst beabsichtigt war. Es sind die bereits zitierten 16 ECTS in vier Semestern geworden, wobei es egal ist, wann innerhalb dieser zwei Jahre diese Leistungen erbracht werden.

Um das noch ein bisschen anders zu übersetzen: Ich habe in einer Zeit studiert, in der es keine ECTS, sondern Semesterwochenstunden gegeben hat. Wenn man das über­setzt, so sind das zwei bis drei Semesterwochenstunden pro Semester, das entspricht also einer Vorlesung. Was das betrifft, ist der Leistungsdruck meines Erachtens über­schaubar. Für alle, die zu einem Studium zugelassen sind und dieses als ihr Hauptanlie­gen verstehen, ist das, seien wir uns ehrlich, keine essenzielle Hürde.

Ich weiß schon, wovon ich rede: Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie ohne finanzielle Möglichkeiten, habe Elektrotechnik studiert – nicht gerade das Simpelste, was denkbar ist –, hatte bereits ein Kind und habe mein Studium selber finanzieren müssen. Das war alles nicht so einfach. Mit 16 ECTS in zwei Jahren oder einer Vorlesung pro Semester wäre das definitiv nicht gegangen, da hätte ich mein Studium nie im Leben abgeschlos­sen. Das geht mit so einer Leistung einfach nicht.

Diese Anforderung ist übrigens auch, das sei erwähnt, unter den Erfordernissen für den Erhalt der Familienbeihilfe, auch das ist essenziell für die vielen Studierenden mit wenig Einkommen. Das war auch für mich so, diese zu verlieren wäre ein Drama gewesen – gar nicht zu reden vom Erhalt eines Stipendiums, für das die Anforderungen drastisch höher sind.

Prohibitiver, das sei schon eingeräumt, kann es allerdings für Menschen werden und wirken, die einen Beruf haben und aus Interesse oder zum Entwickeln einer mittelfristi­gen Perspektive nebenbei studieren. Das stimmt, das halte ich auch für unerfreulich und sehe ich kritisch. Da muss man dann auch wirklich beobachten, ob das tatsächlich ein­tritt. Anmerken möchte ich noch, dass Beurlaubungen in diese Frist nicht eingerechnet werden. Die Möglichkeiten für Beurlaubungen wurden ausgedehnt, eine Beurlaubung ist nun auch aufgrund unvorhergesehener Gründe möglich. Für Studierende, die eine Be­hinderung haben, gelten diese Leistungsregelungen natürlich überhaupt nicht.

Trotzdem: Wir sind damit nicht glücklich. Der Druck auf viele Studierende ist hoch genug oder zu hoch. Nebenbei studieren zu können ist ein sehr hohes Gut, das es zu erhalten gilt. Trotzdem glauben wir, dass das UG in der Gesamtabwägung eine Verbesserung darstellt.

Es gibt ja noch eine Reihe von weiteren Erleichterungen, darunter die Möglichkeit, Prä­senzlehrveranstaltungen abzuhalten; sehr, sehr wichtig ist natürlich die Zeit, das zu kön­nen. Eine Onlineveranstaltung kann die Qualität einer Präsenzveranstaltung nicht erset­zen, schon gar nicht bei Übungen. Ich weiß das, ich habe zwei Lehraufträge, und es war im letzten Jahr sehr schwierig, diese Vorlesungen abzuhalten, weil es gerade dann, wenn eine Vorlesung zum Beispiel dialogorientiert ist, sehr, sehr schwierig ist, das in dieser Qualität online zu machen. Um die Aufwendungen für die Eintrittstestungen abzu­gelten, gibt es 20 Millionen Euro Sondermittel für die Universitäten.

Last, but not least eine weitere wichtige Option, die im Hochschülerschaftsgesetz ge­schaffen wird: Alle, auch die pädagogischen Hochschulen, Fachhochschulen und Pri­vatunis, die mehr als tausend Studierende haben, können jetzt eine Hochschülerschaft, eine Körperschaft öffentlichen Rechts bilden. Denen soll nun ein Wahlrecht eingeräumt werden, ob sie das wollen oder ob sie sich quasi der ÖH anschließen und sich dort wirtschaftlich verwalten und mitbetreuen lassen wollen. Das ist, denke ich, ein sehr wich­tiger Punkt, um eine funktionierende Interessenvertretung für die Studierenden zu ge­währleisten.


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Trotzdem befinden wir, dass das insgesamt, trotz aller Kritik, ein Paket ist, das man her­zeigen kann, auch wenn, das ist unbestritten, im universitären Bereich sicher noch eini­ges zu tun ist. – Vielen Dank. (Beifall den Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.59


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.59.18

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Beschluss des Na­tionalrates unterscheidet sich in einigen wesentlichen Kritikpunkten vom seinerzeitigen Begutachtungsentwurf, etwa bei der ECTS-Grenze für Learningagreements, der Entpoli­tisierung der Uniräte, die wieder auf den Status quo zurückgeführt wurde, der Verjährung von Ghostwriting, der Altersgrenze bei den Rektoren und der Entmachtung der Senate. – Das ist gut.

Deswegen einiges Positives zuerst: Unser NEOS-Entschließungsantrag zum Verwal­tungsstraftatbestand Ghostwriting wurde umgesetzt, außerdem wird endlich mehr ECTS-Gerechtigkeit geschaffen, was überfällig war. Die Anrechenbarkeit von beruflichen Quali­fikationen wird von uns ausdrücklich begrüßt.

Die Eintrittstests für die Universitäten finden wir gut, die haben wir schon im Vorhinein gefordert. Im Großen und Ganzen ist die Novelle des Universitätsgesetzes aber leider nur ein More-of-the-same, sie beinhaltet keine Vision, wie moderne Universitäten aus­sehen können. Da mehr als 60 Prozent der Studierenden berufstätig sind, wundert es uns sehr, dass die Möglichkeit eines Teilzeitstudiums nach wie vor nicht gesetzlich be­rücksichtigt wurde. Wir NEOS haben im Nationalrat einen Antrag eingebracht, dass ein solches Modell gesetzlich verankert werden möge; er wurde im Ausschuss leider vertagt, wobei das ein wichtiger Beitrag zum lebenslangen Lernen wäre.

Nun zur Mindestleistung von 16 ECTS-Punkten in den ersten vier Semestern: Dabei handelt es sich maximal um Symbolpolitik, denn wie viele Studierende das wirklich trifft und wie das Betreuungsverhältnis in der Praxis dadurch verbessert werden könnte, wurde in einer Anfragebeantwortung nicht beantwortet. Es wird bestenfalls die Rankings kosmetisch aufbessern, aber das war es dann auch damit.

Bei dieser Maßnahme handelt es sich um eine Politik des erhobenen Zeigefingers. Sie wird keinen Zusammenhang mit der Studiendauer, der Abschlussquote oder der Drop-out-Quote bringen. Es gibt ja ohnehin Sanktionen für – in Anführungszeichen – „langsa­mes“ Studieren: Die Familienbeihilfe ist an die Studienleistung geknüpft, die Studienge­bühren sind an die Studiendauer geknüpft, und nicht vergessen darf man die Opportuni­tätskosten, wenn man studiert und keinen Beruf ausübt. Es handelt sich dabei um eine Schikane, die maximal Härtefälle schafft, was insbesondere während einer Pandemie abzulehnen ist.

Auch die Learningagreements sehen wir gespalten. Einerseits ist mehr Verbindlichkeit natürlich auch vonseiten der Universität nötig, aber andererseits sollten solche Agree­ments – Vereinbarungen, wo etwa Plätze in Seminaren versprochen werden – gar nicht notwendig sein. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass zügiges und erfolgrei­ches Studieren möglich ist, die Rahmenbedingungen sollen das Leben der Studierenden nicht unnötig erschweren.

Zuletzt zu den Kettenverträgen: Grundsätzlich begrüßen wir, dass eine Reform kommt, das war ja bereits Inhalt eines NEOS-Antrages im Jahr 2018. Wir sind uns bewusst, dass es die eierlegende Wollmilchsau, die diese Regelung eigentlich sein müsste, nicht gibt – auch wir tun uns da schwer –, aber wenn die Stellungnahmen aus der betroffenen Com­munity, zum Beispiel der ULV oder IG LektorInnen, durchwegs ablehnend sind, teilweise


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sogar von einem Berufsverbot sprechen, dann kann man diese Regelung so nicht beschließen. Das Letzte, das der Forschungsstandort gebrauchen kann, ist zusätzlicher Braindrain.

Zusammenfassend: Wir können nicht zustimmen. Die großen, notwendigen Reformen fehlen in dieser Novelle, und wir befürchten, dass unsere Unis mit diesem Gesetz wei­terhin nur im Mittelfeld bleiben werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.03


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Dr.in Doris Berger-Grabner. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.03.48

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuschauer, die von zu Hause aus zuschauen! Meine Vorredner haben ja bereits ausführlich erklärt, worum es bei den Tagesordnungspunkten 2 bis 4 geht, mir ist aber wichtig, noch einige Punkte herauszugreifen und diese noch einmal im Speziellen zu diskutieren.

Die Novelle des Universitätsgesetzes führt, habe ich gesehen, zu sehr viel Diskussions­potenzial. Fakt ist, dass ein sehr intensiver Begutachtungsprozess mit vielen konstruk­tiven Anmerkungen stattgefunden hat; in Summe waren es 600 Stellungnahmen. Zu dieser Leistung möchte Ihnen, Herr Bundesminister, und Ihrem Team wirklich herzlich gratulieren. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Schennach.) Das Ergeb­nis ist ein Kompromiss, ein guter Mix aus den verschiedenen Interessen mit Fokus auf Leistung und mehr Verbindlichkeit im Studium. (Vizepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Da geht es jetzt auch gar nicht darum, ob das ein großartiger Wurf ist oder nicht, sondern es geht darum, dass diese Maßnahmen einen positiven Effekt bringen, und zwar in Bezug auf die Steigerung der prüfungsaktiven Studierenden, eine Verkürzung der Stu­diendauer von Studien, die Senkung der Drop-out-Raten und hoffentlich auch der No-show-Raten. Das sind Ziele, die uns allen wichtig sein sollten, die vor allem den Steu­erzahlern wichtig sind. Was wir alle sicher nicht wollen, ist eine Nivellierung nach unten.

Es ist bereits sehr viel über die 16 ECTS gesprochen worden. Es war ja auch schon bisher so, dass Studierende ab 16 ECTS als prüfungsaktiv gewertet wurden. Kollege Gross und auch Kollegin Schwarz-Fuchs haben ein Rechenbeispiel gebracht. 4 ECTS pro Semester entsprechen einem Workload von 100 Stunden. Dividiert man das durch 14 Wochen, die ein Semester hat, kommt man pro Woche auf 7 Stunden. Für berufstä­tige Studierende – die sind meiner Erfahrung nach ohnehin oft sehr, sehr motiviert – sind 7 Stunden in der Woche definitiv schaffbar.

Diese ECTS-Anzahl pro Semester kann tatsächlich nicht das Problem sein. Wir legen da ja auch nur einen Rahmen fest, und jede Hochschule hat nun die Möglichkeit, diesen Rahmen zu nutzen, um ihre Mission und Vision zu erreichen. Es geht ja vor allem darum, Studierbarkeit zu gewährleisten, zum Beispiel mit einer Kursgestaltung, die die Berufstä­tigkeit unterstützt, mit ausreichend Plätzen in Kursen oder der Vermeidung von zu hoher Prüfungsfrequenz am Semesterende. Deshalb ist es uns wichtig, mit dieser Novelle gleichzeitig auch die Hochschulen zu verpflichten, die Studierenden so zu unterstützen, dass sie ihr Studium zügig fortführen und beenden können.

Wir haben schon gehört, dass die Möglichkeit geschaffen wird, diese sogenannten Lear­ningagreements, die es ja auf den FHs bereits gibt, nun auch in die Unis hineinzuholen und in den Satzungen der Unis festzulegen.

Kollege Arlamovsky hat eines angesprochen, was auch für mich ein sehr, sehr wichtiges Thema ist, das Thema Ghostwriting und die Plagiatsregeln. (Bundesrätin Schartel: Kann


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ich verstehen, dass man das ...!) Mit dieser Novelle wird ja unter anderem das Ghost­writing von wissenschaftlichen Arbeiten strenger bestraft, mit bis zu 25 000 Euro, und schärfere Plagiatsregeln, wie zum Beispiel der Entfall der Verjährung nach 30 Jahren, werden eingeführt. Ich finde, das ist ein ganz wichtiges Signal vor allem in Richtung wissenschaftliche Redlichkeit und Aufwertung wissenschaftlicher Abschlussarbeiten. Es ist nach wie vor so, dass Ghostwriting immer wieder vorkommt. Da ist jede Plagiatssoft­ware chancenlos.

Als Kremserin und Lektorin unter anderem auch auf der Donau-Universität freue ich mich vor allem über die vollständige Überführung der Donau-Universität in das Universitätsge­setz. Das halte ich persönlich für sehr sinnvoll, da die Uni ja mittlerweile einen sehr erfolgreichen Prozess hinter sich hat.

Nun noch zu den Teststrategien an den Universitäten: Wir schaffen hiermit auch die Möglichkeit, wieder Präsenzlehrveranstaltungen, Präsenzprüfungen abhalten bezie­hungsweise besuchen zu können, wenn ein negativer Test auf Covid-19 gemacht wurde. Mir ist wichtig anzumerken – ich habe nicht nur einige ausgewählte Studierende befragt, sondern wir haben eine repräsentative Befragung gemacht, und das Ergebnis war sehr erstaunlich –, dass drei Viertel der Studierenden über alle Studiengänge hinweg dafür waren, auch das Sommersemester im Onlinemodus durchzuführen, ausgenommen na­türlich betreffend Lehrveranstaltungen, die virtuell nicht substituierbar sind.

Ich persönlich denke, dass Onlinetools auch künftig ein geeignetes Instrument für Wis­sensvermittlung sind. Für Wissensvertiefung und soziale Interaktion braucht es aber de­finitiv die Präsenzphasen. Ich freue mich auch schon wieder, meine Studierenden end­lich wieder physisch in einem Hörsaal unterrichten zu können.

Zum Abschluss: Es ist mir noch wichtig anzumerken, dass wirklich alle Hochschulen und Lektoren sich dafür eingesetzt haben, den Studierenden einen qualitätsvollen Studien­betrieb ohne größere Zeitverzögerung zu ermöglichen und gleichzeitig die Gesundheit aller Involvierten zu schützen – auch wenn wir in den Medien sehr oft vergessen wurden. Die Studierenden haben definitiv ihr Bestes gegeben und tun das noch immer. Ich denke, jetzt haben sich einmal unsere Studierenden einen Applaus verdient! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Zum Abschluss noch ein Hinweis – wir haben es schon gehört –: Von 18. bis 20. Mai finden die ÖH-Wahlen statt. Die Teilnahme ist ja auch per Briefwahl möglich. – Liebe Studierende, die ihr heute zuhört, vergesst bitte nicht, eure Vertretungen zu wählen! Ich wünsche weiterhin sehr viel Erfolg im Studium, und bleiben Sie gesund! Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

11.10


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Vizepräsidentin Doris Hahn. – Bitte.


11.10.47

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause via Livestream! Herr Minister, Sie sprachen sozu­sagen in der Nachlese zu diesem Gesetzesbeschluss im Nationalrat von einem transpa­renten, lebensnahen und leistungsbezogenen Studienrecht, das Sie da auf den Weg gebracht hätten. Ich habe mir die Mühe gemacht und das einer genaueren Überprüfung unterzogen:

Transparent: Ja, im Vergleich zu vielen anderen Gesetzen ist es durchaus transparent gewesen. Immerhin hat es, wie wir schon gehört haben, eine entsprechende Begutach­tung mit sage und schreibe 588 Stellungnahmen gegeben. Ich habe nur einen Bruchteil


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dessen (einen Stapel Schriftstücke in die Höhe haltend), was hier an Feedback einge­langt ist, mitgebracht. Es gab sehr viel kritisches Feedback, sehr viele Forderungen nach durchaus auch massiven Änderungen, aber durchaus auch einige vernichtende Stellung­nahmen, wenn ich das so bezeichnen darf. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Leistungsbezogen: Ja, es ist auch das, wenn man dem irrtümlichen Glauben, würde ich sagen, erliegen mag, dass es sich bei Österreichs Studierenden ausschließlich um Voll­zeitstudierende handelt.

Und da sind wir schon bei Ihrer dritten Aussage, nämlich dass es lebensnah sei: Nein, das ist es nicht, denn – geschätzter Herr Minister, Sie haben aus meiner Sicht doch ein sehr individuelles Bild von der Lebenssituation von Studierenden in Österreich im Jahr 2021 – bei Weitem nicht alle Studierenden haben Eltern, die die Kosten für das Studium übernehmen können oder wollen, wie wir heute schon von einer meiner Vorred­nerinnen, Frau Bundesrätin Grossmann, gehört haben.

Viele Studierende sind gezwungen, ihr Leben finanziell schlicht und einfach selbst zu stemmen. Sie müssen Wohnungen finanzieren, auch das tägliche Leben muss bestritten werden, und dazu müssen oft Jobs, vielfach auch prekäre Jobs angenommen werden. Im letzten Jahr haben wir immer wieder gesehen, gerade diese Jobs sind weggebro­chen. Das heißt, der finanzielle Druck vieler Studierender ist immens groß. Es gibt Stu­dierende mit Kindern, deren Betreuung sie übernehmen müssen, es gibt auch alleiner­ziehende Studierende. All das steigert vielfach den Druck, wie wir bereits gehört haben, und ich möchte sagen, diese Mehrfachbelastung ist in Österreich offensichtlich nicht un­bedingt als große Leistung anerkannt oder zumindest wird dies von den Regierungspar­teien nicht als Leistung anerkannt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben es heute schon mehrfach gehört, ab 2022 heißt es nun: Mindeststudienleis­tung erbringen. Diese 16 ECTS mögen sich auf den ersten Blick, wenn man sie in nackte Stundenzahlen umrechnet, vielleicht nicht nach viel anhören, aber unterm Strich steigert das den ohnehin schon vorhandenen Druck noch um eine weitere Stufe.

Aus Niederösterreich kenne ich aus dem Wahlkampf 2017/18 den Wahlslogan: Leistung muss sich lohnen. – Ja, eh. In Wahrheit bedeutet das aber nur, dass die tatsächlich er­brachte Leistung, nämlich diese Viel- und Mehrfachleistung, bestraft wird. Mehrfachleis­tung wird in Zukunft also strengstens sanktioniert, nämlich in Form von Exmatrikulation und Sperre für zwei Jahre, wenn diese 16 ECTS nicht vollständig erbracht werden können.

Es werden berufstätige Studierende bestraft, es werden Studierende bestraft, die Be­treuungstätigkeiten sowohl für Kinder als beispielsweise auch für zu pflegende Angehö­rige – auch das gibt es in Österreich – übernehmen müssen, und es werden Studierende bestraft, die zwei oder mehrere Studien parallel beginnen. Das entspricht für mich nicht unbedingt einem Fairness- und Leistungsbegriff.

Von den Türkisen – jetzt muss ich in eine andere Richtung schauen, da sie ja jetzt in der Mitte sitzen – ist man es ja gewohnt, ich erinnere nur an Geilomobil und Co, von Grün hätte ich mir aber schon ein klares Bekenntnis gewünscht. Das Bekenntnis, das die Grünen auch in der Opposition immer wieder so gerne proklamiert haben, scheinen sie inzwischen allerdings leider vergessen zu haben. Wir, die Sozialdemokratie, haben das ganz und gar nicht vergessen! (Beifall bei der SPÖ.)

Österreich braucht keinen verschärften Studien- und Hochschulzugang und Österreich braucht keinen elitären Studien- und Hochschulzugang, der noch mehr Druck erzeugt, sondern Österreich braucht einen wirklich fairen und freien Hochschulzugang für alle jungen Menschen in diesem Land, die das möchten. Es soll das nicht nur für die, die es vielleicht leichter als andere haben, geben. Das heißt: Ja, Leistung muss sich lohnen,


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aber diese Mehrfachleistung muss auch entsprechend anerkannt werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweiter für mich unverständlicher Punkt ist: Gerade jetzt, in einer Zeit, in der wir eigentlich händeringend Nachwuchsärztinnen und -ärzte suchen und dringend brauchen und die Digitalisierung allein im letzten Jahr einen unfassbaren Bedeutungssprung ge­macht hat, beharrt man in Wahrheit auf den Zugangsregeln für eben diesbezüglich wichtige Studienrichtungen wie Medizin, Informatik und andere mehr.

Wir wissen jetzt – das haben wir auch im Ausschuss gehört und erfragt –, die Evaluie­rung ist zwar bereits – bereits ist gut –, ist endlich fertig, aber sie wird erst jetzt dem Wissenschaftsausschuss des Nationalrates zugewiesen und erst dort diskutiert. Aus meiner Sicht ist das angesichts der prekären Situation, in der sich Österreich gerade befindet – gerade was das medizinische Personal betrifft –, viel zu spät und viel zu kurz­sichtig. Da hätte man mehr Weitsicht walten lassen können.

Ich komme auch zum vielbesprochenen § 109, zu den Kettenverträgen: Ja, es ist ganz klar, da hat es einer Änderung bedurft, zumal sich in den letzten Jahren aufgrund solcher befristeter Kettenverträge durchaus eine Praxis auch prekärer aneinandergereihter Be­schäftigungsverhältnisse im Bereich wissenschaftlicher und künstlerischer MitarbeiterIn­nen etabliert hat. Ich darf an dieser Stelle an den EuGH-Entscheid von 2019 erinnern, in dem festgestellt wurde, dass womöglich eine Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten Frauen vorliegt.

Das heißt, die Novelle war dringend notwendig, gar keine Frage, aber – da muss ich schon meine Kritik anbringen – beispielsweise die Gewerkschaft öffentlicher Dienst gibt bekannt, dass sie in diesen Reformprozess nicht oder viel zu wenig eingebunden war, und sie kritisiert, dass wieder einmal in Wahrheit nur die Arbeitgeberseite Berücksichti­gung gefunden hat. Sie befürchtet sogar, dass die Neuregelung letzten Endes de facto zu einem Beschäftigungsverbot führen könnte, wenn keine Möglichkeit mehr besteht, Forschungs- und Lehrtätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz fortzusetzen.

Summa summarum lässt sich aus meiner Sicht diese gesamte Novelle so zusammen­fassen, wie das der Verband des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den österreichischen Universitäten in seiner Stellungnahme formuliert hat. Ich darf das zitieren, da das, wie ich meine, schon sehr aussagekräftig ist: „Gepaart mit einem Regel­werk für Studierende, die nach Überwindung von Zugangshürden signalisiert bekom­men, die Universitäten möglichst rasch und effizient [...] wieder zu verlassen, schafft die­ses fehlgeleitete Sonderarbeitsrecht an Universitäten einen Nährboden, der keine Spit­zenleistungen, sondern Repression befeuern wird.“ – So viel zur Aussage des ULV.

TOP 2 und 3 können wir selbstverständlich unsere Zustimmung erteilen, denn das ist durchaus etwas – gar keine Frage –, bei dem wir mitgehen können, etwas Erfreuliches. Die Reform des Universitätsgesetzes, TOP 2, wie sie in dieser Form vorliegt, ist für uns aber nicht gangbar. Ich würde mir wünschen, dass auch ganz speziell die Grünen viel­leicht noch einmal in sich gehen und sich an ihre Oppositionsrolle, die sie noch vor etwas über einem Jahr innehatten, erinnern. (Bundesrat Schennach: Das ist vorbei!) – Das mag vielleicht vorbei sein, aber ich bin ein grundoptimistischer Mensch: Vielleicht kommt die Erinnerung wieder.

Ich möchte mit einem Zitat enden: Der Mensch sollte sich nie schämen, zuzugeben, dass er unrecht hatte. Damit drückt er – in anderen Worten – nur aus, dass er heute klüger ist als gestern. – Vielleicht kommt die Erinnerung zurück. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.19


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Dr. Heinz Faßmann. Ich erteile es ihm. – Bitte.



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11.20.03

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Vielleicht vorweg: Das UG 2002 ist ein sehr gutes Gesetz. Es ist 2004 in Kraft getreten, es hat den österreichischen Universitäten Autonomie gebracht, und die österreichischen Universitäten konnten sich seit damals wirklich gut entwickeln. Es hat eine politische Unabhängigkeit und auch eine gewisse Distanz zu Entscheidungsprozessen im Ministerium gebracht. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich 2000 meine Berufungsverhandlun­gen – von der TU München kommend – an der Universität Wien führte. Ich habe sie damals mit einem Beamten des Ministeriums geführt, und auch der hat gesagt: Sagen Sie, Herr Faßmann, warum kommen Sie eigentlich von der TU München zurück, das ist doch eine sehr gute Universität? Warum gehen Sie an die Uni Wien? – So etwas würde man heute nicht mehr hören, weil sich heute die Rektorate bemühen, qualifizierte Perso­nen aus dem Ausland zu bekommen. Die Universitäten haben in den letzten Jahren, in den letzten 15, 20 Jahren fast einen wirklich guten Prozess hinter sich gebracht. Ich bin dahin gehend stolz auf diese österreichischen Universitäten. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Das UG 2002 hat damals auch eine sehr ausbalancierte Machtverteilung, Checks and Balances, innerhalb der Universitäten gebracht. Da ist ein Rektorat, und das kann und soll agieren. Daneben gibt es einen Senat, der für curriculare, für studienbezogene An­gelegenheiten zuständig ist, der sich aus den Universitätsangehörigen zusammensetzt. Daneben gibt es einen Universitätsrat, der letztlich auch eine gewisse Verbindungsstelle zu gesellschaftlichen Anliegen darstellt. Das ist also eine wirklich gute Checks-and-Balances-Machtverteilung, an der wir auch in der vorliegenden Novelle nichts geändert haben.

Es muss aber eine Novellierung geben, denn es sind verschiedene externe Umstände eingetreten. Jemand hat das EuGH-Urteil hinsichtlich des § 109 erwähnt. Darauf musste man reagieren. Sie haben erwähnt, dass wir heute bei der Vergabe geschlechtsspezifi­scher Bezeichnungen anders vorgehen müssen. Es gibt unterschiedliche externe, aber auch interne Anpassungsnotwendigkeiten. Rektorate, Studierendenvertretungen haben mit uns gesprochen und haben gesagt: Das und das sollte man ändern! – Es hat ei­nen ausgiebigen Konsultationsprozess gegeben, aber das ist ja, glaube ich, etwas sehr Gutes.

Frau Grossmann, Sie behaupten, Universitäten entfernen sich vom Humboldtʼschen Bil­dungsideal. Darf ich Sie fragen, auf welcher empirischen Basis diese doch heftige Aus­sage basiert? Ich bin Universitätsprofessor, ich kann Ihnen sagen: Keineswegs bewegt sich die Universität vom Humboldtʼschen Bildungsideal weg – nein, ganz im Gegenteil. Wenn Sie so wollen: Das ist die Raison d’Être der Universität. Darauf sind sie stolz. Schauen Sie sich doch Curricula an, Frau Grossmann! Das sind keine Ausbildungs­curricula, das sind Bildungscurricula. Darauf legen Universitäten wirklich großen Wert. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich will nur sagen: Wenn Sie so eine wirklich starke Aussage treffen, die letztlich auch die Universitäten in ihrem Herz trifft, dann müssen Sie irgendeine Form des Belegs und nicht nur eine Behauptung bringen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Das hat sie in ihrer Rede gemacht! – Widerspruch bei der SPÖ.)  Ich habe mir die Rede sehr genau angehört, aber dieser Beleg fehlte. (Zwischenruf des Bundesrates Beer.) – Darf ich Frau Grossmann weiter antworten?

Frau Grossmann, Sie haben auf den Leistungsdruck der 16 ECTS hingewiesen. Darf ich nur noch einmal sagen: 16 ECTS in vier Semestern bedeuten vier ECTS pro Semester.


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Vier ECTS ist eine zweistündige Lehrveranstaltung. Da von einem Leistungsdruck zu sprechen, kann ich so nicht nachvollziehen. Eine zweistündige Lehrveranstaltung ist machbar. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Frau Grossmann, das ist aber gar kein Vorwurf. Sie erwähnen klarerweise die Dinge, die Sie für kritisierenswürdig halten, aber die Dinge, die, glaube ich, auch aus Ihrer Pers­pektive heraus wahrscheinlich sehr positiv sind, haben Sie nicht erwähnt. Frau Schwarz-Fuchs, Sie haben darauf hingewiesen: Wir haben eine ECTS-Gerechtigkeit in das Ge­setz hineingeschrieben. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Learningagreements sind ganz wesentlich für Studierende, die sich in der Zielgerade befinden, es ist nämlich ein beiderseitiges Agreement, dass diese Studierenden dann auch in einem gewissen Sinn zu privilegieren sind. Sie haben nicht darauf hingewiesen, dass es eine bessere Anrechenbarkeit von Vorqualifikationen und bessere Beratung gibt. Dass so etwas wie ein Syllabus am Beginn des Semesters vorgelegt wird, in dem klar gesagt wird, was im Semester gemacht werden muss, haben Sie auch nicht erwähnt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Dipl.-Ing. Gross, Sie haben betont, dass es sich da um einen Kompromiss han­delt. – Genau, es ist ein Kompromiss. Ich habe auch immer betont, dass ich den Kompro­miss nicht als Schwäche ansehe, sondern der Kompromiss ist so etwas wie eine de­mokratiepolitische Notwendigkeit, und der Weg, den man gehen muss, um diesen Kom­promiss zu erzielen, ist meiner Ansicht nach auch nicht Zeitverschwendung, sondern eine Notwendigkeit.

Herr Arlamovsky, Sie haben am Beginn Ihrer Rede viele positive Dinge hervorgestrichen und dann haben Sie ganz überraschend gesagt: Eigentlich ist es aber das Gleiche wie immer. – Das hat mich sehr überrascht, und dann habe ich in Ihrer Rede auf das Vi­sionäre gewartet, aber das Visionäre ist dann nicht gekommen, sondern Sie haben Din­ge wiederholt, die wir schon gehört haben.

Darf ich noch etwas sagen, Herr Spanring? – Minimale Veränderung, maximaler Ärger: Ich habe nie behauptet, dass ich eine maximale Veränderung anstrebe, denn dann hätte ich wahrscheinlich mit Sicherheit eine maximale Verärgerung erzielt. Ich sage aber im­mer: Gesetze müssen sich inkrementell weiterentwickeln. Wir müssen wissen, wohin wir kommen wollen, aber die Schritte dorthin können immer nur inkrementell sein, klarer­weise auch mit Einschluss des Gesetzgebers, des Parlamentes.

Sie haben dann Beispiele von Beschwerden und Ereignissen, die sich diesbezüglich abgespielt haben, aus Ihrer Whatsapp-Gruppe erwähnt. Ich darf darauf hinweisen: Wir haben eine Studierendenombudsstelle, die unabhängig ist, sehr gut funktioniert und jähr­lich einen Bericht über solche Dinge an das österreichische Parlament übermittelt. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.) Ich kann Ereignisse, die Sie geschildert haben, nie in ein Gesetz hineinschreiben, aber das sind Dinge, die klarerweise in der Ombudsstelle behandelt gehören und dort auch einer Lösung zugeführt werden müssen. (Zwischenruf des Bun­desrates Spanring.)

Frau Hahn, ich darf das zurückweisen, Sie haben gesagt, ich habe eine eingeschränkte Sichtweise auf studentische Realität.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Eine individuelle, habe ich gesagt.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann (fortsetzend): Jeder von uns hat eine individualisierte Sichtweise auf studentische Reali­tät – Frau Hahn, Sie auch! (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte bei allem Dissens, den wir haben – oder vielleicht haben wir auch ab und zu einen Konsens; das ist ja gar nichts Negatives –, die Gelegenheit nützen, an dieser Stel­le den Verantwortlichen der Universitäten, den Studierenden, den Krisenstäben, den


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Rektoraten für ihre professionelle Arbeit in dieser wirklich unglaublich schwierigen Zeit zu danken. Das kann ja keiner bestreiten. Ich finde es wirklich positiv, dass wir trotz all dieser schwierigen Umstände eine Steigerung der Prüfungsaktivität haben und dass wir im vergangenen Studienjahr auch einen Rekord an Abschlüssen erzielen wollten. Das zeigt, dass die Universitäten in schwierigen Zeiten sehr gut gearbeitet haben.

Mein Schlusssatz ist weiterhin: Ich werbe für die Akzeptanz dieser Novelle. Ich glaube, das ist ein vernünftiger, inkrementeller und konsensorientierter Schritt in die richtige Richtung. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

11.29


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Werden weitere Wortmeldungen gewünscht? (Bundesrat Steiner hebt die Hand.) – Bitte, Herr Bundesrat.


11.29.28

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Minister, es war mir jetzt ein Anliegen, doch noch herauszugehen, weil mich etwas noch ein bissel wurmt. Zuerst aber zum Lob: Herr Minister, Sie sind der einzige Minister in dieser Regierung, der sich in den Bundesrat setzt, bei den Redebeiträgen wirklich zuhört – ich habe Sie nämlich beobachtet –, sich Notizen macht und auf jeden einzelnen Redner repliziert.

Das ist ein respektvoller Umgang mit dem Bundesrat, und da könnten sich die anderen Minister, ob türkis oder grün, einmal eine ganz dicke Scheibe von Herrn Minister Faß­mann abschneiden, wenn es darum geht, wie man in Österreich mit dem Parlamen­tarismus umgeht. Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der FPÖ, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Jetzt zur Kritik, Herr Minister – denn das wurmt mich schon, seit ich diese Headline einer österreichischen Tageszeitung gelesen habe –: Sie haben gesagt, die Kinder und Ju­gendlichen haben in dieser Zeit jetzt so viel gelernt wie noch nie.

Herr Minister, ich kenne kein einziges Kind, das am Homeschooling teilnehmen musste und das dabei so viel gelernt hat wie noch nie. Das muss man schon aufs Schärfste zurückweisen, denn das hat überhaupt nichts mit der Realität zu tun. Gehen Sie einmal raus und fragen Sie die Eltern, die Kinder, die Schüler und die Lehrer! – Also das hat mit so viel lernen wie möglich überhaupt nichts zu tun, und das wurmt mich so sehr.

Bitte stellen Sie das daher richtig! Homeschooling ist sicher nicht die Zukunftsgeschichte in Österreich. Die Schüler müssen wieder zurück in die Schulen, denn dort bekommen sie das Kulturelle und auch das Zwischenmenschliche mit – und nicht zu Hause am Küchentisch. Da gehört ein Schüler nicht hin, ein Schüler gehört in die Schule! – Herzli­chen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.31


11.31.21

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Die Plätze sind, wie ich sehe, bereits eingenommen.

Wir gelangen daher zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 und weitere Gesetze geändert werden, 662 der Beilagen und 705 der Beilagen sowie 10600/BR der Beilagen.

Es liegt hierzu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 55

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit abgelehnt.

Ein Beschluss des Bundesrates ist somit nicht zustande gekommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein 2. COVID-19-Hochschulgesetz erlassen wird, 706 der Beilagen sowie 10601/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschü­lerschaftsgesetz 2014 geändert wird, 664 der Beilagen und 708 der Beilagen sowie 10602/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.33.345. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird und das Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Ar­mutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert wird (1343/A und 753 d.B. sowie 10583/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tages­ordnung.

Ich darf dazu die zuständige Ministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt hier bei uns im Bundesrat begrüßen. Herzlich willkommen und guten Morgen, Frau Dr. Susanne Raab! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätIn­nen der SPÖ.)

Berichterstatterin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mat­tersberger. Ich bitte um den Bericht.


11.34.20

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Minis­ter! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird und das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armuts­folgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Herr Bundesrat, bitte.



BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 56

11.35.31

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Verehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die via Livestream zugeschaltet sind! „Das Erste, was der Mensch im Leben vorfindet, das Letzte, wonach er die Hand ausstreckt, das Kostbarste, was er im Leben besitzt, ist die Familie.“ – Das ist ein wunderbares Zitat von Adolph Kolping, Worte, die in meinen Augen immerwährende Gültigkeit haben. Das ist in Normalzeiten so, das ist aber ganz besonders in Zeiten der Krise so.

Sehr geehrte Damen und Herren, vor allem für uns als Volkspartei stand und steht die Familie immer im Fokus unseres politischen Handelns, und ich bin froh und stolz und dankbar, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern in der Regierung, den Grünen, im Regierungsübereinkommen wesentliche Maßnahmen und Punkte festlegen konnten, mit denen wir die Familien auch in den nächsten Jahren wesentlich weiter unterstützen wol­len und werden. Dann aber kam diese leidige Krise, die mittlerweile seit über einem Jahr anhält und die ganze Welt fest in ihren Fängen hält.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist unbestritten, dass die Familien vor ganz beson­ders großen Herausforderungen und Problemen stehen, sei es in organisatorischer Hinsicht, sei es emotional im zwischenmenschlichen Bereich oder vor allem auch in fi­nanzieller Hinsicht. Da gibt es bei uns in der Notfallmedizin einen Grundsatz, der lautet: Wer rasch hilft, hilft doppelt.

Ich darf mich in diesem Zusammenhang bei Ihnen, Frau Bundesministerin, aber auch bei Ihnen allen hier im Hohen Haus bedanken, weil wir heute dieses wichtige Geset­zespaket einstimmig auf den Weg bringen wollen. Wir alle, wie wir hier sind, und diese Bundesregierung nehmen für unsere Familien in Österreich wirklich Geld in die Hand, und ich darf dieses Gesamtpaket in ein paar Zahlen gießen: Allein das Familienpaket wird zusätzliche 26 Millionen Euro bekommen, aus denen Einmalzahlungen in Höhe von 200 Euro für jedes Kind von Familien, die besonders bedürftig sind, die besonders be­troffen sind, die nicht wissen, ob das Geld am Ende des Monats reicht, fließen sollen. Der Familienhärtefonds wird um 50 Millionen Euro aufgestockt, und gleichzeitig werden die Antragsfristen entsprechend verlängert. Zusammen mit den 102 Millionen Euro im Krisenbewältigungsfonds sind das insgesamt 178 Millionen Euro, die die Bundesre­gierung da rasch und unbürokratisch in die Hand nimmt, um das Gröbste abzufedern, wenn es um unsere Familien geht.

Sehr verehrte Damen und Herren, Sie müssen das ja in der Summe der Gesamtmaß­nahmen sehen, die diese Bundesregierung bereits gesetzt hat. Da fallen mir spontan zum Ersten die 600 Millionen Euro Kinderbonus ein, die bereits ausbezahlt wurden, zum Zweiten der Familienkrisenfonds, zum Dritten die Unterstützung bei den Betreuungs­pflichten und, und, und. Es sind viele positive Dinge, die da bereits passiert sind, und dafür noch einmal ein herzlicher Dank, Frau Bundesministerin! (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind und wir bleiben ein Familienland. Das ist etwas, worauf wir zu Recht stolz sein können, und seit jeher erbrachten wir in Österreich hervorragende familienpolitische Leistungen. Das hat dazu geführt, dass wir in all diesen Dingen im europäischen Spitzenfeld liegen. Damit es weiterhin so ist, wird diese Bundesregierung auch in Zukunft 10 Prozent des Bundes­budgets den Familien zukommen lassen, damit es die Familien in unserem Land noch besser und noch leichter haben und dieses Land für sie noch lebenswerter ist.

Sie sehen, die österreichischen Familien können sich verlassen, sie können sich auf die Regierung verlassen, sie können sich auf uns verlassen.


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In diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiterhin viel Gesundheit und ein paar besinnliche und ruhige Osterfeiertage. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

11.40


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundes­rätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.40.45

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuse­her zu Hause! Frau Ministerin, ich stehe hier als eine stolze, unsteuerbare Frau, und ich wünsche Ihnen und Ihren ParteikollegInnen: Bleiben wir, bleiben Sie – Zitat – „nervige Weiber“! (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Frau Familienministerin! Familien, die in finanzielle Not geraten sind, sollen mit dieser Gesetzesvorlage, die heute vorliegt, eine finanzielle Zuwendung bekommen. Da müssen wir und werden wir als sozialdemokratische Fraktion mitstimmen, weil es zumindest ein Schritt ist, aber, Frau Ministerin, diese Vorgehensweise, diese Maßnahmen verkennen die Realität armutsbetroffener Familien. Sie gehen an der Lebenssituation der Betroffe­nen vorbei, denn Armut kann man nicht mit einmaligen Förderungen, Armut kann man nicht mit einer Förderung für, in dem Fall, drei Monate bekämpfen, wenn eine Pandemie schon über ein Jahr, mittlerweile 13 Monate, andauert. (Beifall bei der SPÖ.)

Armut kann man auch nicht mit einer Einmalzahlung von 200 Euro bekämpfen, wenn nicht absehbar ist, wie lange diese Armut andauert. Das ist keine echte Bekämpfung von Armut, das ist ein Beruhigen eines schlechten Gewissens diesen Familien gegenüber, das sind Almosen – so klar muss man das hier auch sagen.

Für viele Familien dauert die Kurzarbeit nämlich nun schon viele Monate, und das be­deutet auch empfindliche Einbußen beim Einkommen. Das geht sich mittlerweile mit den Reserven, die man möglicherweise angespart hat, nicht mehr aus.

In vielen Familien ist zumindest ein Elternteil arbeitslos geworden und hat damit die Hälfte des monatlichen Einkommens nicht mehr zur Verfügung, und dies bei laufenden Kosten. Wie, bitte, soll man damit über die Runden kommen?

Anstatt hier eine existenzielle Grundabsicherung zu schaffen, wie beispielsweise eine echte Arbeitsstiftung ins Leben zu rufen oder endlich das Arbeitslosengeld auf zumindest 70 Prozent zu erhöhen (Beifall bei der SPÖ) oder den Familienbonus für wirklich alle Kinder auszuzahlen, macht man wieder einmal eine einmalige Überweisung. Wie soll man, wenn man alle heiligen Zeiten einmal ein Almosen bekommt, planen? Wie soll man damit nachhaltig eine Perspektive entwickeln? – Ich kann mir das so nicht vorstellen.

Weil Sie wahrscheinlich in Kürze sagen werden, man kann beim Familienhärtefonds ansuchen, muss ich Ihnen sagen: Die Hälfte der Familien in Österreich weiß weder, dass es diese Möglichkeit gibt, noch haben diese Familien die Kapazitäten, so einen Antrag auch tatsächlich zu stellen. Eine aktuelle Befragung der Volkshilfe unter 100 armutsbe­troffenen Familien hat ergeben, dass 49 Prozent der Befragten diesen Fonds bis jetzt noch nicht kennen.

Noch ein Weiteres dazu: Wer letztes Jahr schon einmal einen Antrag für drei Monate gestellt hat, kann keinen Antrag mehr stellen. Bei mittlerweile, wie gesagt, 13 Monaten Pandemie ist eine Unterstützung für drei Monate in dieser Gesamtzeit wirklich nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Und noch ein Drittes: Nicht einmal alle Familien sind prinzipiell anspruchsberechtigt, bei­spielsweise geringfügig Beschäftigte. Also nicht einmal jede Familie, die wollte, könnte dort ansuchen. Da schauen einfach zu viele Menschen mittlerweile durch die Finger.


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Frau Ministerin! Im Regierungsübereinkommen wird groß angekündigt – darüber haben wir uns auch sehr gefreut –, dass es einen Nationalen Aktionsplan zur Armutsbekämp­fung geben wird, was damals eine gute Idee war und in der aktuellen Situation wichtiger denn je wäre. Nur: Wie ist diesbezüglich der Stand der Dinge? Wurde schon mit der Erarbeitung begonnen? Gibt es erste Ergebnisse? – Eine parlamentarische Anfrage von mir genau zu diesem Thema zeigt, dass dieser Prozess noch nicht einmal gestartet wurde, und ich frage mich: Worauf wird da gewartet? Die Armut steigt und steigt täglich, und man kann bei so einem Prozess nicht bis nach der Pandemie warten. Jetzt braucht es diesen Nationalen Aktionsplan zur Armutsbekämpfung!

Noch einmal zurück zum Familienhärtefonds, denn ich könnte mir vorstellen, dass jene Einrichtungen, nämlich die Familienberatungsstellen, genau diese Familien dabei unter­stützen könnten, so einen Antrag zu stellen, diese Information zu bekommen und viel­leicht auch diesen Antrag miteinander auszufüllen.

Man kann sich vorstellen, dass die Familienberatungsstellen gerade jetzt enormen Zu­lauf haben, enorm gefordert sind und dadurch natürlich auch überlastet sind, denn die Ressourcen sind nicht gestiegen. Es gibt nicht mehr Honorar, es gibt nicht mehr Budget, aber der Bedarf der Familien steigt. Daher brauchen diese Familienberatungsstellen ganz akut, ganz schnell mehr Ressourcen, um diesen Mehraufwand abdecken zu kön­nen. Es wurde berechnet, 18 Millionen Euro würden genügen, um das Angebot entspre­chend ausbauen zu können. Ich denke, das müsste jetzt drin sein, weil dadurch genau diese Lücke geschlossen werden könnte und diese Familien zu ihren Möglichkeiten kom­men könnten.

Ich möchte auch noch ganz besonders auf die AlleinerzieherInnen Bezug nehmen. Wir reden da von 167 000 Personen, vor allem Frauen, über 90 Prozent davon Frauen. Ak­tuell stellt sich für sie die Situation so dar, dass natürlich auch die Unterhaltszahler oft in Kurzarbeit sind, oft arbeitslos geworden sind, und angesichts der Arbeitsmarktsituation wird sich das auch so schnell nicht ändern. Das heißt, auch da bräuchte es eine dau­erhafte, nachhaltige Absicherung dieser Mütter mit ihren Kindern. Deshalb fordern wir schon lange statt dem Unterhaltsvorschuss eine echte Unterhaltsgarantie, weil auch das eine existenzielle Absicherung dieser Frauen bedeuten würde und sie sich – wir sind jetzt am Ende des Monats – nicht Sorgen machen müssten, wie sie diese letzten Tage, bis das neue Gehalt eintrifft, über die Runden bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Jetzt kommt die Oster­zeit, wir sind in der Karwoche. Es ist eigentlich die Zeit, wo man sich über die Schulferien freut, vielleicht sogar darüber, dass Elternteile, Eltern Urlaub haben, dass der Frühling kommt, dass man Familie besuchen darf. All das, was positiv wäre, fällt heuer für die meisten Familien aus. Das – so ehrlich muss man sein – ist auch der fehlenden Impfstra­tegie und dem folgenschwer schlechten Impfmanagement dieser Bundesregierung ge­schuldet. Dass sich Menschen gerade jetzt am Ende des Monats noch zusätzlich um ihre materielle Existenz Sorgen machen müssen, das könnte man verhindern, wenn man es ehrlich wollte. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.48


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


11.49.06

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein Jahr lang Pandemie hinterlässt seine Spuren. Vie­len Familien geht in diesem Land die Kraft aus, sie sind am Limit – physisch, psychisch und wirtschaftlich. Die besonders Leidtragenden sind dabei die Kinder, die Jugendlichen, die trifft es besonders hart. Die haben keine Lobby. Kinder müssen es so nehmen, wie es die Erwachsenen vorgeben. Die können sich nicht wehren.


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Allein schon diese Schulschließungen – wir haben es vorhin von Fraktionsführer Steiner gehört –, allein wenn ich mir vorstelle, dass rund 1,2 Millionen Kindern wertvolle Bil­dungszeit geraubt wurde und die Schulschließungen eine Katastrophe waren, dann schlage ich nur mehr die Hände über dem Kopf zusammen: Was da mit den Kindern und Jugendlichen angestellt wurde! (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Schulschließungen werden verheerende Langzeitfolgen für die Coronageneration haben. Zum Homeschooling: Viele Familien konnten sich das Homeschooling gar nicht leisten. 38 Prozent der Haushalte in Österreich haben im letzten Jahr finanzielle Einbu­ßen gehabt, 17 Prozent können sogar ihre Fixkosten nicht mehr abdecken, und durch das Homeschooling sind Mehrausgaben entstanden, obwohl die Menschen weniger Geld zur Verfügung haben. Ja, wie soll sich denn das ausgehen?

Wieder sind Kinder und Jugendliche die Leidtragenden, weil bei ihnen zuerst zu sparen begonnen wird, wenn man sich die Fixkosten nicht mehr leisten kann. Armutsgefährdete Schüler haben für das Homeschooling zu Hause nicht einmal einen Computer, den man dafür aber braucht. Wir reden da von einem Drittel der Kinder – ich habe es schon einmal erwähnt –, die für die Lehrpersonen während des Homeschooling gar nicht erreichbar sind. Da bleiben Mankos.

Wir Freiheitlichen werden selbstverständlich heute dieser Aufstockung des Familienbud­gets zustimmen – es sollte ja den Familien unbedingt geholfen werden –, aber eigentlich ist es nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Ich bringe unsere Kritik noch einmal an: dass eine Einmalzahlung zwar gut und nett und schön ist, aber es ist zu wenig, um damit auszukommen. Die Menschen haben jetzt durch Arbeitslosigkeit, durch Kurzarbeit weniger Einkommen. Viel besser wäre es, nach­haltige Hilfe zu leisten, das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent aufzustocken. Davon wollen aber die ÖVP und die Grünen leider gar nichts hören.

Gerade die Kinder und Jugendlichen benötigen für ihre Gesundheit, für die Psyche und für ihr allgemeines Wohlbefinden endlich einen raschen Zugang zu einem normalen Le­ben, und das ohne diesen unsinnigen stundenlangen Schulunterricht mit Masken und ohne weitere Schikanen, die auf dem Rücken einer ganzen Generation, nämlich unserer Kinder- und Jugendgeneration, ausgetragen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind überfüllt. Es gibt Triagen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, es gibt dort 16 Prozent Suizidgefährdete. Ist das notwendig? Wer übernimmt die Verantwortung? Die ÖVP? Grün? Türkis? Wer jetzt? Wer von der Regie­rung ist dafür zuständig? Was werdet ihr dagegen unternehmen?

Mir tun einfach die Kinder leid. Es ist kein Wunder: Die Kinder müssen die Sorgen der Eltern mittragen, die kriegen es voll ab. Daneben fehlt den Kindern die Bewegung, den Kindern fehlen ihre Freunde, den Kindern fehlt die Freude am Leben. Es ist herzzer­reißend, wenn man sich die Studien, die es mittlerweile schon gibt, durchliest. Es ist wirklich herzzerreißend. Jetzt an ÖVP und Grüne gerichtet: Ist es euch wirklich wurscht, wie zarte Kinderseelen da zerstört werden? – Beendet bitte endlich diesen ganzen Spuk und gebt unseren Kindern ihr Lachen wieder zurück! (Beifall bei der FPÖ.)

11.53


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin MMag.a Elisabeth Kittl. – Bitte schön.


11.53.39

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Vier Maßnah­men zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfolgen für Familien: Die erste Maßnah­me verhindert die Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe, auch wenn die


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Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt werden konnten. Niemand also muss bereits erhaltene Familienbeihilfe zurückzahlen, auch dann nicht, wenn eine sonst geforderte Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt werden konnte oder gar kein Anspruch mehr vor­lag, aber Familienbeihilfe ausbezahlt wurde. Das betrifft etwa 80 000 Kinder und Ju­gendliche, Studierende und Lehrlinge, und es werden Mittel dafür aus dem Covid-19-Krisenbewältigungsfonds in Höhe von 102 Millionen Euro bereitgestellt.

Die zweite Maßnahme: Der Corona-Familienhärtefonds wird zum vierten Mal aufge­stockt, konkret um weitere 50 Millionen Euro. Entsprechende Anträge können noch bis Ende Juni dieses Jahres eingebracht werden. Insgesamt stehen also damit 200 Millio­nen Euro für Familien, die von der Coronakrise besonders hart getroffen wurden, zur Verfügung. Das sind Familien, in denen mindestens ein Elternteil durch die Coronakrise den Arbeitsplatz verloren hat, aufgrund der Pandemie in Kurzarbeit ist oder es für Selbst­ständige aufgrund der Krise zu einer finanziellen Notsituation gekommen ist.

Eine Familie kann bis zu 1 200 Euro Unterstützung für maximal drei Monate aus dem Härtefonds erhalten, das wären insgesamt 3 600 Euro. Mit Stichtag 15. März 2021 wur­den 123 Millionen Euro bereits an knapp 100 000 Familien ausbezahlt, mit einem Durch­schnitt von etwa 1 300 Euro pro Familie. Die Voraussetzungen gelten nun bis zum Zeit­punkt der Antragstellung.

Erleichternd ist weiters, dass, wenn aufgrund fehlender Voraussetzungen ein Antrag schon einmal abgelehnt wurde, sich aber die Voraussetzungen geändert haben, Fami­lien neuerlich einen Antrag stellen können. EmpfängerInnen können auch Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte sein. Das freut mich besonders, denn diese Gruppen sind per se stark armutsgefährdet – und noch mehr durch die Pandemie und deren Fol­gen. Armut führt zu sozialer Isolation, und das ist gerade bei Integrationsbemühungen nicht von Vorteil. Leidtragende sind – es wurde schon erwähnt – im Besonderen die Kinder.

Die dritte Maßnahme zielt auf die Bekämpfung der Pandemiefolgen und wird für jedes Kind aus einem Mindestsicherungshaushalt 200 Euro zusätzlich bereitstellen. Krisensi­tuationen treffen immer jene Menschen stärker, die es schon vor der Krise schwer hatten: Arbeitslose, Flüchtlinge, Familien mit mehreren Kindern und Alleinerziehende. Kollegin Gruber-Pruner hat es schon gesagt, und ich betone es auch immer wieder: 94 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen, 150 000 Frauen. Davon leben durch die Pandemiefolgen immer mehr unter der Armutsgrenze. Waren es vor der Krise schon fast 50 Prozent der alleinerziehenden Frauen, sind es jetzt schon mehr als 50 Prozent.

2020 erhielt der Sozialminister bereits ein Sonderbudget von 20 Millionen Euro, um Haushalte mit Sozialhilfe beziehungsweise Mindestsicherung zu unterstützen. 13 Millio­nen Euro kamen Familien mit Kindern mit 100 Euro pro Kind zugute, 7 Millionen Euro wurden für Energiekostenzuschüsse verwendet. Beides durfte weder verpfändet noch gepfändet werden. Mit diesen ersten Maßnahmen konnten akute Notsituationen verrin­gert werden. Da aber armutsgefährdende Folgen manchmal erst später offenkundig werden, werden die Mittel nun wieder aufgestockt, und wir können heute weitere 14 Mil­lionen Euro beschließen. Diese werden mit 200 Euro pro Kind ausgeschüttet und sie werden automatisch und unbürokratisch, das heißt ohne entsprechende Antragserfor­dernisse, von den Ländern ausbezahlt.

Die vierte Maßnahme stellt 12 Millionen Euro für Projekte für besonders vulnerable Per­sonengruppen, wie die schon genannten, zur Verfügung. Daher werden dem Sozialmi­nisterium 12 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um Projekte gegen Covid-bedingte Armut für diese Gruppen durchzuführen. Alleinerziehende, also eigentlich Alleinerzie­herinnen, sind da die Fokusgruppe, und es wird mit den entsprechenden NGOs – konkret mit der Plattform für Alleinerziehende – zusammengearbeitet, um die Mittel bestmöglich


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einzusetzen. Auch andere NGOs können Projekte einreichen, die vulnerable Personen­gruppen unterstützen. Diese gemeinsame Arbeit mit NGOs ist sehr zu begrüßen.

Fazit: Weitere 178 Millionen Euro – Herr Kornhäusl hat es schon betont – werden den Familien zur Abfederung pandemiebedingter Härtefälle zur Verfügung gestellt, womit etwa 80 000 Kinder und mehr als 100 000 Haushalte erreicht werden.

Es gilt aber natürlich, dass die Maßnahmen zur Verringerung von pandemiebedingter Armut und von Armut schlechthin, die in krassem Gegensatz zu der Tatsache steht, dass Österreich eines der reichsten Länder der Welt ist, evaluiert werden müssen und geprüft und verhandelt werden muss, welche weiteren Maßnahmen notwendig sind. Das ist keine Frage. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.59


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Susanne Raab. – Bitte schön.


11.59.15

Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Werte Frau Präsidentin! Werte Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, wir in diesem Saal sind uns alle einig, dass die Familien in diesem letzten einen Jahr Unglaubliches, Übermenschliches geleistet haben und jene sind, die eine große Last im Kampf gegen die Pandemie tragen müs­sen – in der Vereinbarkeit von Homeoffice, Homeschooling und dem Zusammenleben zu Hause.

Daher war es uns wichtig, dass wir auf der einen Seite strukturelle Maßnahmen treffen, die insbesondere die Familien unterstützen, die in finanziell schwierigen Situationen sind. Frau Mag. Gruber-Pruner, Sie haben das auch angesprochen. Es geht natürlich auch um strukturelle Maßnahmen, die es insbesondere in Form der Wirtschaftshilfen gibt, die es insbesondere in Form der Coronakurzarbeit gibt, die es insbesondere gibt, um besonders vulnerable Gruppen zu unterstützen, aber die es natürlich auch mit weiteren Maßnahmen gibt: dass die Schulen grundsätzlich offen sind, auch wenn der Schulunterricht ausgesetzt ist, dass es immer eine Betreuungssituation gibt, denn eines ist auch klar: AlleinerzieherInnen sind von dieser schwierigen Vereinbarkeitssituation besonders betroffen.

Neben diesen strukturellen Maßnahmen, die wir setzen, braucht es aber auch zielge­richtete, punktuelle Maßnahmen, mit denen besonders jene Familien unterstützt werden, die in einer finanziellen Ausnahmesituation sind. Daher bin ich als Familienministerin sehr dankbar dafür, dass es uns gelungen ist, nun neuerlich ein Familienpaket zu schnü­ren.

Wir haben ja für die Familien schon spezielle Maßnahmen gesetzt: die 360 Euro pro Kind im letzten Herbst, die aus meiner Sicht eine gute Unterstützung waren, besonders für den Schulstart; es gibt Zahlungen für Arbeitslose, die in der Krise arbeitslos geworden sind; es gibt jetzt neuerliche Einmalzahlungen für die Kinder von Mindestsicherungsemp­fängern. All das sind Maßnahmen, die zusätzlich wirken, und dass wir jetzt neuerlich dieses millionenschwere Familienpaket beschließen können, ist etwas, das den Familien sicherlich helfen wird.

Ich kann Ihnen auch sagen, warum ich davon überzeugt bin: weil es mir auch die Zahlen sagen. Frau Mag. Gruber-Pruner, Sie haben recht, wenn Sie sagen, den Familienhärte­fonds, den wir jetzt um 50 Millionen Euro aufstocken, kennen noch zu wenige. Ja! Darum bitte auch mein Appell an Sie alle, die Sie in den Bundesländern unterwegs sind: Bitte helfen Sie uns auch, dass dieses Geld punktgenau dort ankommt und dass alle Familien wissen, dass da neues Geld bis Ende Juni zur Verfügung steht!


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Sie können mir glauben: Ich habe mir die Anträge angesehen. Wir haben wirklich daran gearbeitet. Es ist sehr unbürokratisch, diese Hilfen zu beantragen. Also lassen Sie uns bitte gemeinsam auch die Familien unterstützen! Bitte tragen Sie das auch in Ihre Bun­desländer hinaus!

Mittlerweile konnten wir über 100 000 Familien aus dem Familienhärtefonds unterstüt­zen. Es zeigt sich auch, dass der Fonds durchaus weiter bekannt wird. Ich sehe mir die Antragszahlen an und sehe, dass diese im Steigen begriffen sind. Also es gibt immer wieder Familien, die um Mittel aus diesem Fonds ansuchen. Es gibt teilweise eine ta­gesaktuelle Bearbeitung der Anträge. Das heißt, an einem Tag beantragt man und am zweiten Tag hat man schon den Bescheid.

Im Durchschnitt bekommen die Familien 1 300 bis 1 500 Euro aus dem Fonds. Man kann aber bis zu 3 600 Euro beantragen. Wie gesagt, sind die Voraussetzungen sehr einfach: entweder ist man in Kurzarbeit oder arbeitslos, und natürlich haben wir jetzt auch die Zielgruppen erweitert: Unternehmerinnen und Unternehmer, die Einkommenseinbußen haben, können beantragen, Bäuerinnen und Bauern genauso.

Alle Rednerinnen und Redner, auch Frau Steiner-Wieser, Frau Mag. Gruber-Pruner, ha­ben festgestellt, dass es tatsächlich so ist, dass AlleinerzieherInnen besonders betroffen sind. Das ist ja auch logisch. Also es ist eine ganz schwierige Situation, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen.

Ich bin froh, dass Kollegin Alma Zadić und ich erst vor wenigen Tagen noch einmal den erleichterten Zugang zum Unterhaltsvorschuss verlängert haben. Wir haben gesehen, dass das ein gutes Mittel ist, um die Frauen, die alleinerziehend sind, zu unterstützen, wenn der Partner den Unterhalt nicht beibringen kann. Aus meinem Ressort werde ich neuerlich über 143 Millionen Euro in diesem Jahr für diesen erleichterten Zugang zum Unterhaltsvorschuss, für den die rechtlichen Grundlagen von Justizministerin Zadić si­chergestellt wurden, bereitstellen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte auch noch ein Wort zur Jugend sagen. Frau Steiner-Wieser, Sie haben das angesprochen. Tatsächlich ist es so, dass natürlich Kinder und Jugendliche aktuell besonders belastet sind. Wir brauchen ja nur an unsere eigene Jugend zu denken, um zu sehen, wie wichtig die sozialen Kontakte sind, das sogenannte Peerverhalten, dass man zusammenkommt. Das ist ganz logisch. Ich habe auch gemerkt – und ich denke, Sie haben ähnliche Erfahrungen gemacht –, dass natürlich eine gewisse Tagesstruktur in der Schule schon einmal viel Luft rausnimmt.

Dennoch: Wir wollten bewusst auf diese Situation eingehen, darauf, wie schwierig das für Kinder und Jugendliche ist, und haben daher in einem allerersten Öffnungsschritt den Zugang zu Jugend- und Kindersport geöffnet. In meinem Ressort liegt auch die außer­schulische Jugendarbeit, und auch die ist jetzt mit Gruppen von bis zu zehn Personen wieder möglich. Das klingt sehr technisch: außerschulische Jugendarbeit. Es bedeutet, dass alle Vereine, vom Alpenverein über die Kinderfreunde, über die Naturfreunde bis zur Jungschar, jetzt wieder in Zehnergruppen ihre Arbeit mit den Jugendlichen und Kin­dern aufnehmen können. Das ist ganz, ganz wichtig für die Tagesstrukturierung von Kin­dern und Jugendlichen. Das ist schon im Feld. Ich habe gemerkt, in der Osterwoche wird das noch nicht so angenommen. Die Organisationen, mit denen ich ja in Kontakt bin, sagen, nach Ostern starten sie dann voll durch und bieten dann wieder diese Treffen an, indoor und outdoor, natürlich unter Sicherheitsvorkehrungen. Gerade für die Jugend und für die Kinder wird das ganz, ganz wichtig sein.

Zuletzt: Neben der Aufstockung des Familienhärtefonds um 50 Millionen Euro gibt es ja noch die sogenannte Sonderfamilienbeihilfe. Dazu möchte ich auch noch ein Wort sa­gen. Warum war es mir so wichtig, das zu machen? – Die Familienbeihilfe ist für ganz viele Familien ein so zentraler Bestandteil der Familienkasse. Im letzten Jahr war es für


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viele Familien schwierig, dass sie die notwendigen Leistungsnachweise erbringen konn­ten, weil einfach die zuständigen Behörden nicht zugänglich waren, weil natürlich schwierige Situationen entstanden sind, vor allem für junge Menschen.

Ich nenne jetzt einmal drei Beispiele: Ein junger Bursche hat die Lehre abgeschlossen. Für den fällt in dem Moment, in dem die Ausbildung zu Ende ist, die Familienbeihilfe weg, und dann entsteht eine Lücke, weil er es in Coronazeiten wahrscheinlich auch nicht so leicht haben wird, gleich eine Beschäftigung zu finden, wie während Nichtpande­miezeiten. Genauso gibt es Situationen, dass jemand in den Zivildienst oder in den Wehrdienst eingetreten ist oder dass Studierende die nötigen ECTS-Punkte nicht bei­bringen konnten. Auch da fällt die Familienbeihilfe weg, auch da entsteht eine solche Lücke.

Wir haben uns entschieden, dass all jene Familien – und das ist auch ein Signal an die Jugend, weil es da vor allem um die Jugendlichen geht, die eben auf diese Familienbei­hilfe angewiesen sind –, dass all jene über dieses schwierige Coronajahr von März letz­ten Jahres bis Februar dieses Jahres die Familienbeihilfe weiterbeziehen können.

Das heißt: All jene, die weiterbezogen haben, obwohl sie die Nachweise nicht erbringen konnten, müssen keine Nachzahlungen befürchten, die jetzt anstehen würden, und all jene, die die Familienbeihilfe nicht mehr bekommen haben, können sich über einen zu­sätzlichen Bonus freuen. Ich bin davon überzeugt, dass das noch einmal die Familien stärken wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Natürlich werde ich mich als Familienministerin und werden wir uns als gesamte Re­gierung weiterhin insbesondere in den nächsten Monaten, die ja noch kritisch werden, aber natürlich auch darüber hinaus für die Familien ganz besonders einsetzen. Mir sind auch als Frauenministerin die Alleinerzieherinnen ein ganz großes Anliegen, weil ich einfach tagtäglich sehe, dass Alleinerziehende manchmal wirklich enormen Belastungen ausgesetzt sind. Ich kann Ihnen versichern, dass wir auch in den nächsten Monaten alles tun werden, damit die Familien gut durch die Krise kommen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

12.08


12.08.32

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.09.006. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Linderung der Folgen der COVID-19-Pandemie bei den Wohnkosten das Mietrechtsgesetz und das Richtwertgesetz geändert werden (Mietzinsrecht­liches Pandemiefolgenlinderungsgesetz – MPFLG) (1368/A und 685 d.B. sowie 10585/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Vizepräsident Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Ich bitte um den


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Bericht.


12.09.25

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Linderung der Folgen der COVID-19-Pandemie bei den Wohnkosten das Miet­rechtsgesetz und das Richtwertgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

An dieser Stelle darf ich Frau Justizministerin Alma Zadić recht herzlich im Bundesrat begrüßen. – Schönen guten Morgen, Frau Ministerin. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Wir gehen somit in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist – mir fehlt leider noch der Überblick dazu – offensichtlich Frau Bun­desrätin Kittl. Sie steht schon in den Startlöchern. – Bitte, Frau Bundesrätin.


12.10.25

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Willkommen zurück, liebe Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Damit wir wissen, worüber wir hier reden, möchte ich als erste Rednerin ein wenig erklären. (Vizepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Mieten für Wohnungen, die vor 1945 erbaut wurden und unter 130 Quadratmeter groß sind, unterliegen dem sogenannten Kategorie- oder Richtwertmietzins. Die Kategorie­mietzinse gelten für Mietverträge, die zwischen 1982 und 1994 abgeschlossen wurden. Ihre Höhe ist fix und gesetzlich ausdrücklich in § 15a MRG angeführt, und sie sind indexiert. Sie erhöhen sich also dann, wenn der entsprechende Verbraucherpreisindex eine Schwelle von 5 Prozent überschreitet und das Justizministerium diesen veröffent­licht. Die letzte Erhöhung war 2018, die nächste Erhöhung würde auf den 1. April 2021 fallen.

1994 sind die Kategoriemietzinse von den Richtwertmietzinsen abgelöst worden. Sie wurden auch als fixe, indexierte Beträge festgesetzt. Berechnet wurden diese aber nach bundesländerspezifischen Bau- und Wohnkosten. Sie sind auch an den Verbraucher­preisindex gebunden, aber nicht mit 5-prozentiger Steigerungsrate, sondern sie dürfen jedes zweite Jahr zum Stichtag 1. April an den VPI angepasst werden. Die nächste Er­höhung stünde auch für den April 2021 an.

Mit dem heute besprochenen Gesetzentwurf dürfen VermieterInnen von Kategorie- oder Richtwertmietwohnungen nicht dieses Jahr, sondern erst am 1. April 2022, also ein Jahr später, die Mieten erhöhen. Eine rückwirkende Geltendmachung ist nicht möglich, und es handelt sich auch nicht um eine Stundung, sondern um eine Beibehaltung derselben Miethöhe, wie sie seit 2018 für Kategoriemieten oder seit 2019 für Mieten nach dem Richtwert galt. Das bedeutet mehrere 100 Euro pro Mietvertrag, also pro Wohnung und Haushalt.

Nehmen wir zum Beispiel eine Nettomiete von 500 Euro, so heißt das, dass bis zur nächsten Erhöhung bei Kategoriemietverträgen in etwa 330 Euro und bei Richtwertmiet­verträgen 180 Euro weniger an Miete zu bezahlen sind. Das ist eine konkrete Hilfe für etwa eine Million Österreicherinnen und Österreicher.

Dass diese Maßnahme aber das Ungleichgewicht von stark steigenden Mieten und we­niger stark steigenden Löhnen nicht kompensieren kann, steht auf einem anderen Blatt.


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Dazu braucht es andere Maßnahmen, denn es sind nicht die aufrechten Mieten nach Kategorie- oder Richtwertmietverträgen, die so immens steigen, sondern die Mieten im Neubau. Diese unterliegen keiner Mietzinsobergrenze. Es handelt sich um sogenannte angemessene und freie Mietzinse, deren Berechnung dem Markt unterliegen. Was da­gegen zu tun ist, zeigt zum Beispiel Wien.

Ich bin von Wien entsendet, daher würde ich das gerne ganz kurz anreißen. Wien ist auch hierbei international viel beachtet. Warum? – In Wien leben mehr als eine Million Menschen in geförderten Mietwohnungen. Geförderter Wohnbau bedeutet Mieten mit Mietzinsobergrenzen, unabhängig vom Markt. Auch beim Neubau hat Wien die Wid­mungskategorie Geförderter Wohnbau eingeführt, bei der ein Drittel der Wohnungen ge­fördert sein muss – eine Errungenschaft der rot-grünen Stadtregierung.

Das sind Maßnahmen, die den Mietenmarkt, der eigentlich kein Markt sein sollte, ein­schränken, denn Wohnraum als begrenzte Ressource kann und darf nicht als Ware be­handelt werden, vor allem dann nicht, wenn man sich an die UN-Menschenrechtskon­vention hält, die ein Menschenrecht auf Wohnen vorsieht.

Trotzdem begrüßen wir natürlich diese konkrete Hilfe, die allen betroffenen MieterIn­nen – circa eine Million Österreicher und Österreicherinnen – ein paar Hundert Euro er­sparen wird. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.14


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Sebastian Kolland. Ich erteile es ihm. – Bitte.


12.15.03

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin, willkommen zurück! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! „Mietzins­rechtliches Pandemiefolgenlinderungsgesetz“ ist ein sehr sperriger Titel, der draufsteht, aber das, was drinsteht, ist auf jeden Fall eine gute Sache. Die Frau Kollegin hat es ja inhaltlich schon sehr gut erklärt. Es geht um die Aussetzung der Valorisierung der Richt­wert- und auch der Kategoriemieten. Bei den Richtwertmieten geht es um circa 3 Pro­zent, bei den Kategoriemieten um 5,5 Prozent. Für Hunderttausende Menschen bringt das wirklich eine spürbare Entlastung in einer Zeit, die schwierig ist und die durchaus auch viele Menschen und auch Familien unter Druck bringt.

Es gibt für diesen Antrag eine breite Mehrheit, was mich sehr freut. Was mich aber in diesem Zusammenhang schon ein wenig verwundert, ist, dass die NEOS diesen Antrag ablehnen, vor allem auch deshalb, weil das Hauptargument der NEOS, das sie auch im Nationalrat immer wieder vorgebracht haben, und zwar dass das zu wenig sozial treff­sicher sei, meines Erachtens einfach nicht stimmt. Ich glaube, Kollege Felix Eypeltauer war es, der hier immer das Beispiel der Hofratswitwe gebracht hat. Selbst der Experte im Justizausschuss hat bestätigt, dass die durchschnittliche Zahl der Menschen, die in diesen Wohnungen leben, über dem österreichischen Schnitt liegt. Es geht also nicht um die Hofratswitwe, sondern es geht um Familien, die entlastet werden, und deshalb, glau­be ich, kann man nicht davon sprechen, dass diese Maßnahme wenig treffsicher ist.

Auch eine weitere Kritik möchte ich nicht so stehen lassen, und zwar ist die ebenfalls im Nationalrat geäußert worden. Dass diese Maßnahme zulasten der Vermieter geht und dass diese Vermieter dann wieder weniger Mittel haben, die sie in Renovierungen, in Sanierungen stecken können, stimmt natürlich, man muss sich aber schon ansehen, wie die Immobilienpreisentwicklung in den letzten Jahren stattgefunden hat. Immo Scout hat für 2020 7,4 Prozent Steigerung bei den Immobilien angegeben. Natürlich ist das nicht überall gleich – Altbau, Neubau, man muss differenzieren –, aber grundsätzlich ist diese Dynamik überall erkennbar. Da muss man sich natürlich schon anschauen: 7,4 Prozent bedeutet, eine Wohnung, die Anfang 2020 400 000 Euro gekostet hat, hat Ende des


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 66

Jahres 430 000 Euro gekostet. Es gibt also immense Steigerungen. Daher gilt meine Solidarität durchaus den Mietern, weil alles, was hilft, die Mietpreise zu dämpfen, speziell in der schwierigen Situation, in der sich viele Mieter befinden, gut ist. Ich glaube, das sollten wir auch befürworten.

Ja, mittelfristig braucht es auch weitere Maßnahmen. Im Bereich des Wohnbaus gibt es eine unheimliche Preisdynamik, die durchaus Druck erzeugt. Das ist in den Städten, im urbanen Raum so, aber das ist auch in den Landgemeinden bereits erkennbar, und des­halb braucht es weitere Maßnahmen. Die Reform des Mietrechts, die auch im Regie­rungsübereinkommen festgehalten ist, ist sicherlich eine davon, aber es gibt sicherlich auch andere Bereiche, in denen wir noch handeln müssen. Ich denke da an die Wohn­bauförderung, ich denke an die Flächenwidmung. Es gibt teilweise sehr, sehr große Alt­bestände, bei denen es darum geht, gewidmete Flächen entsprechend zu mobilisieren. Ich denke an die Raumordnung, bei der wir vor allem die Möglichkeiten der Vertrags­raumordnung noch entsprechend ausbauen müssen, oder an die technischen Bauvor­schriften, bei denen wir uns sicherlich genau ansehen müssen, welche Vorschriften ver­hältnismäßig sind und welche Vorschriften vielleicht dazu führen, dass die Errichtungs­kosten entsprechend in die Höhe gehen, was sich dann wieder bei den Mieten entspre­chend negativ niederschlägt.

Ein Thema, das bei uns in Tirol derzeit sehr heiß diskutiert wird, sind beispielsweise Freizeitwohnsitze, wobei es wegen der Wohnraumverknappung und der Wohnraumzur­verfügungstellung oder des Wohnraumankaufs von Menschen von außerhalb unseres Landes, die sich einfach eine gute Lage in Tirol sichern wollen, darum geht, dass man entsprechende Beschränkungen vornimmt. Das ist bei uns ein riesiges Thema. Es ist sicherlich nicht in allen Bundesländern gleich, aber bei uns ist es eben schon ein Thema, und wir prüfen derzeit, ob es Möglichkeiten gibt, zumindest partiell ein Freizeitwohnsitz­verbot auszusprechen, und wir schärfen da auch die Kontrollinstrumente nach.

Also es gibt eine ganze Palette an Themen, die wir sicherlich angehen müssen, und zwar auf allen Ebenen – nicht überall ist es ja Länderkompetenz, sondern Gemeinden und Länder sind entsprechend gefordert –, aber eine dieser Schrauben ist eben die Aus­setzung der Valorisierung bei den Richtwert- und Kategoriemieten.

Herr Kollege von den NEOS, vielleicht kann man Sie ja noch umstimmen und Sie gehen mit. Ich glaube, es wäre ein gutes Zeichen für Familien in einer durchaus schwierigen Zeit. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.20


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Eva Prischl. Ich er­teile ihr dieses. – Bitte.


12.20.31

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen! Die anstehende Erhöhung der Kategorie- und Richtwertmieten betrifft bundesweit Hunderttausende Mieterinnen und Mieter. Für sehr viele Familie sind das zusätzliche Belastungen.

Die Richtwertmieten – das wurde schon mehrmals gesagt – steigen alle zwei Jahre am 1. April aufgrund der Inflationsanpassung, diesmal um rund 3 Prozent. Auf Initiative der sozialdemokratischen Fraktion soll die Erhöhung der Richtwertmieten heuer ausgesetzt werden. Die Richtwertmieten betreffen in Österreich circa 750 000 Haushalte, also nahe­zu 1,5 Millionen Mieterinnen und Mieter, die vorwiegend in Altbauten, in Gemeindebau­ten wohnen. Betroffen sind allerdings auch Mietverträge mit einer Wertsicherungs­klausel.


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Mitten in der Krise, in der jetzt schon viele Menschen nicht mehr wissen, wie sie mit ihrem Geld auskommen sollen, wäre eine Erhöhung dieser Mieten ein ganz schlechter, falscher Weg. Vor Corona waren, wie Zahlen belegen, bereits 380 000 Personen mit den Wohnkosten überfordert beziehungsweise überlastet, weil sie mehr als 40 Prozent des Haushaltseinkommens für das Wohnen ausgeben. In Wien ist der Wohnungsanteil mit bis zu 80 Prozent besonders hoch. Jetzt ist die Situation für Zehntausende Arbeitslose und Hunderttausende Personen in Kurzarbeit noch prekärer geworden. Existenzängste und das Gefühl der Überforderung stehen im Raum.

In den ersten beiden Märzwochen hatten laut Medienberichten 38 Prozent der österrei­chischen Haushalte mit finanziellen Einbußen zu kämpfen. 17 Prozent – meine Vorred­ner haben es schon erwähnt – der betroffenen Haushalte können ihre Fixkosten gar nicht mehr aufbringen. Das sind um fast 500 000 Haushalte mehr als im Oktober 2020, die meisten davon Haushalte mit Kindern. Nehmen wir ihnen zumindest diesen Druck, in­dem wir diese Mieterhöhung aussetzen! Das ist eine Erleichterung für sehr, sehr viele Menschen in dieser schwierigen Zeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die Arbeiterkammer und die Mietervereinigung Österreich fordern diese Ausset­zung. Laut der Mietervereinigung entstehen bei der Wertanpassung bei einer 80-Quad­ratmeter-Wohnung in einem Altbau folgende Mehrkosten pro Jahr: in Wien ungefähr 185 Euro, in der Steiermark circa 250 Euro und in Niederösterreich, habe ich mir aus­gerechnet, 172, 173 Euro; die Richtwerte sind ja je nach Bundesland verschieden. Diese zusätzlichen Kosten sind für die betroffenen Mieter schwer leistbar und schon gar nicht, wenn sie zu der halben Million Arbeitslosen, die es in Österreich jetzt gibt, beziehungs­weise zu den 460 000 Menschen in Kurzarbeit gehören.

Es braucht jedoch noch viel, viel mehr: Es braucht eine Mietrechtsreform, ein univer­selles, transparentes, nachvollziehbares neues Mietrecht. Die Reform des Wohnrechts ist im Regierungsprogramm zwar enthalten, und es liegen auch Vorschläge auf dem Tisch, was jedoch auf sich warten lässt, ist die Umsetzung. Es muss auch endlich eine politische Entscheidung getroffen werden, um die Spekulationen in der Wohnungsbran­che einzudämmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Laut Angaben von Statistik Austria ist während der Coronakrise die durchschnittliche Teuerungsrate um 1,4 Prozent gestiegen, die Mieten jedoch um 4,1 Prozent und die Preise für Eigentumswohnungen sogar um 7 Prozent. Wohnen ist ein Grundbedürfnis und kein Luxusartikel, vergessen wir das nicht!

Die Wiener Mietervereinigung weist darauf hin, dass 50 000 Haushalte früher oder spä­ter von Räumungsklagen betroffen sein werden und bei etwa 19 000 Personen Delogie­rungen anstehen. Was passiert mit diesen Tausenden Familien? Wo kommen diese unter? Auch für die Mietstundungen ist noch keine Lösung in Sicht, obwohl schon am 31. März die Maßnahmen für die gesetzlichen Fristverlängerungen auslaufen. Es sind dann vier Monatsmieten samt 4 Prozent Verzinsung fällig. Die Situation ist für viele Leute schwierig.

Ich glaube, wir haben festgestellt, dass wir im Bundesrat heute mehrheitlich diesem An­trag zustimmen. Das bringt sicherlich eine Erleichterung für viele, aber ich möchte nochmals erwähnen, dass die Mieten viel, viel zu hoch sind und ein einheitliches Miet­recht für alle dringend notwendig ist. Eine weitere Fristverlängerung bei der Mietstun­dung ist unumgänglich. (Beifall bei der SPÖ.)

Das kann aber nur eine Übergangslösung und keine endgültige Lösung sein. Die dro­hende Wohnungslosigkeit für Tausende Familien lässt uns seitens der sozialdemokrati­schen Fraktion alles andere als kalt. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „weitere Entlas­tungen für Mieterinnen und Mieter im Rahmen der COVID-19-Krise“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat baldigst eine Regierungsvorlage vorzulegen, die rasch auf die dringendsten Probleme der Mieterinnen und Mieter im Rahmen der COVID-19-Pandemie eingeht und insbesondere folgende Maßnahmen vorsieht:

- eine weitere Fristverlängerung bei Mietstundungen,

- die Schaffung eines Mietausfallsfonds zur Unterstützung von in Not geratenen Miete­rinnen und Mieter durch die COVID-19-Pandemie,

- im Jahr 2021 auslaufende befristete Mietverträge können auf Wunsch des Mieters um ein Jahr verlängert werden.“

*****

Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ.)

12.26


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „weitere Entlastungen für Miete­rinnen und Mieter im Rahmen der COVID-19-Krise“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Schilchegger. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


12.27.05

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Berg kreißte, und ein Mäuslein ward geboren. – So kann man den Leitsatz dieses Bundesgesetzes vielleicht umschreiben.

Ich möchte noch kurz auf den Titel eingehen: „Mietzinsrechtliches Pandemiefolgenlinde­rungsgesetz“ wird es genannt, das ist natürlich ein unehrlicher Titel. Warum haben denn viele Mieter jetzt ein Problem? – Na ja, weil sie oft unverschuldet arbeitslos geworden sind oder weil sie ihrem Gewerbe nicht mehr nachkommen können. Daher haben sie Probleme damit, ihre Miete zu bezahlen.

Warum ist das so? Ist das wegen der Pandemie so? – Nein! Das ist wiederum nur dieser Spin dieser türkis-grünen Bundesregierung, dass man sagt: Na ja, wegen der Pandemie haben die Mieter jetzt ein Problem. Das ist aber nicht so. Schauen Sie sich andere Län­der an, Schweden, Florida, viele andere: Dort wurde die Wirtschaft niemals mit überbor­denden und unverhältnismäßigen Maßnahmen an die Wand gefahren. Dort lebt man ohne Masken, ohne Einschränkungen, fast wie vor der Pandemie. Und dieser Blick über den Tellerrand ärgert Sie natürlich, ist ein Ärgernis, weil man als mündiger Bürger ver­gleichen kann, wie sinnvoll andere Länder während einer weltweiten Pandemie regiert werden und welche desaströsen Entwicklungen hier durch das Regime von Bundes­kanzler Kurz zu verantworten sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Man sollte es also nicht Mietzinsrechtliches Pandemiefolgenlinderungsgesetz nennen, sondern man sollte es Mietzinsrechtliches Anschobers-Maßnahmen-Linderungsgesetz nennen. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Sie schließen ganze Wirtschaftszweige über Wochen und Monate, Sie entziehen dann den Menschen den Entschädigungsan­spruch nach dem Epidemiegesetz, der seit den Siebzigerjahren immer im Gesetz stand.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 69

Dann gängeln Sie die Menschen mit einem bürokratischen Förderwesen, das nur ÖVP-Bürokraten entsprungen sein kann. Und dann wundern Sie sich, wenn Unternehmer keinen Ausweg mehr sehen, Arbeitnehmer freistellen müssen, teilweise dann auch nicht mehr die Kurzarbeit in Anspruch nehmen können oder wollen, sondern Arbeitnehmer freistellen müssen und vielfach auch selbst gar nicht mehr wissen, wie sie ihren Lebens­standard aufrechterhalten sollen.

Dann stehen Sie vor diesem selbst geschaffenen Problem einer unglaublichen Rekord­arbeitslosigkeit in unserem Land, sodass viele Mieter von Wohnungen und Geschäftslo­kalen nicht mehr wissen, woher sie das Geld für die Miete nehmen sollen.

Was tun Sie mit dem Gesetz, was ist der Zweck? – Ich zitiere aus dem Ausschussbericht: „Nun soll aber im Hinblick auf die wirtschaftlichen und sozialen Belastungen, die die COVID-19-Pandemie für große Teile der österreichischen Bevölkerung mit sich bringt, bei den Mietzinsen eine Erleichterung für die Mieter in der Weise herbeigeführt werden, dass die an sich heranstehende Erhöhung durch eine gesetzliche Maßnahme gleichsam um ein Jahr verschoben wird.“ Ihre Antwort ist also, dass durch die einmalige Ausset­zung der Inflationsanpassung die Situation für Mieter nicht schlimmer werden soll.

Gilt das für alle Mieter? – Nein, wir haben es schon gehört, natürlich gilt das nicht für alle Mieter, sondern nur für diejenigen Mieter, deren Mietzins ohnehin schon gesetzlich gere­gelt und gedeckelt ist: für die Kategoriemieter, für die Richtwertmieter, aber nicht für die beachtliche Zahl an Mietern in unserem Land, deren Verträge nach den Regeln der frei­en Mietzinsbildung abgeschlossen wurden.

Jetzt sagen Sie vielleicht: Na ja, wir haben ja im 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz auch Stundungsregelungen geschaffen. Die laufen aber mit 1.4. aus, die laufen in zwei Tagen aus. Was tun Sie jetzt? Viele Leute wussten ja nicht einmal, was Stundung überhaupt bedeutet. Sie haben sich gedacht, na ja, gut, jetzt müssen sie einmal keine Miete zahlen. Ist das realistisch, dass alle Mieter, die diese Stundungen in Anspruch genommen ha­ben, nach nun mittlerweile einem Jahr der Pandemie und angesichts Ihrer Maßnahmen drei Monatsmieten zurückgelegt haben und das jetzt bezahlen können? Glauben Sie, dass das lebensnah ist?

Mit dieser lebensfremden Politik treiben Sie die Mieter in teure Mietzins- und Räumungs­verfahren hinein und fördern damit zu allem wirtschaftlichen Übel der Arbeitslosigkeit nun auch noch die Obdachlosigkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Und wenn wir schon einmal dabei sind, dass Sie teure Gerichtsverfahren fördern, die ja für die Menschen auch eine persönliche Katastrophe sind, weil Kosten anfallen, weil man nicht weiß, wie das Ganze ausgeht, und weil sich das Ganze über Monate oder Jahre hinzieht: Was ist eigentlich mit den Gewerbemietern? – Da gibt es Regelungen im ABGB, Sie kennen sie alle, § 1096 ABGB, § 1104, § 1105 ABGB. Frau Justizminister, Sie haben, glaube ich, schon einmal selber gesagt, dass Sie da die Rechtsansicht ver­treten: Ja, darauf kann man sich als Mieter ja durchaus berufen, das kann man auch nicht vertraglich abbedingen, und dann kann man ja seinen Mietzins mindern. Das ist im Gesetz auch ganz schön geregelt, das ehrwürdige ABGB sieht das ja schon vor.

Jetzt haben wir aber keine Judikatur zu diesen Regelungen in der Pandemie, wenn es nicht um Betriebsschließungen geht, bei denen der Mieter ganz genau weiß, dass er den Raum überhaupt nicht verwenden kann. Wir haben ja jetzt die Situation, dass man den Raum dann vielleicht teilweise nutzen kann. Man kann sein Restaurant oder seine Gast­stätte vielleicht nicht gar nicht nutzen, sondern man kann Take-away anbieten, man kann den Leuten das Essen quasi aus dem Fenster reichen. Man wird also vielleicht die Küche verwenden können, aber für den riesigen Gastwirtssaal mit vielleicht 200 Sitzplätzen, wo die Menschen üblicherweise sitzen, hat man überhaupt keine Verwendung mehr. Was ist denn dann die angemessene Mietzinsreduktion, meine Damen und Herren? Wissen


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 70

Sie es? Es gibt keine Judikatur dazu. Woher denn auch? Solch eine Situation, solche Regelungen hat es noch nie gegeben.

Unternehmer haben also die Wahl, sich mit dem Vermieter über eine Mietzinsreduktion zu einigen. Das ist sicher die bevorzugte Lösung, das möchte jeder, denken Sie aber doch einmal einen Schritt weiter: In sehr vielen Fällen wird es nämlich so sein, dass diese Einigung einfach nicht erzielt werden kann, weil der Vermieter natürlich sagt: Nein, du kannst ja dein Lokal weiter nutzen! – Vereinfacht gesagt. Ich habe jetzt als Beispiel die Gastwirte angeführt, aber das betrifft ja fast jede Branche. Das betrifft das Handels­gewerbe genauso wie Tourismusbetriebe, Dienstleistungsbetriebe, ja fast jeden Betrieb, den Sie schon seit Monaten mit Ihren Maßnahmenverordnungen gängeln. Und all diese Branchen stehen vor ihrem persönlichen Problem: Na ja, wie viel kann ich denn jetzt an Mietzins mindern? Was ist denn die korrekte Mietzinsminderung? – Wissen Sie es? Sa­gen Sie es den Leuten? – Nein, Sie sagen es ihnen nicht. Sie sagen: Na ja, da wird es dann halt irgendwann einmal Entscheidungen geben. Das ist Ihr Zugang.

Jetzt wird es aber noch besser: Ich habe als Mieter dann zwei Optionen: Ich finde keine Einigung mit meinem Vermieter, dann kann ich die Krot schlucken, zahle einfach weiter meine Miete und akzeptiere das. Und die zweite Option ist: Ich nehme eben das teure Gerichtsverfahren in Kauf. Die erste Option wird den Unternehmen aber sogar noch genommen. Viele Unternehmer haben überhaupt nicht die Möglichkeit, zu sagen: Ich schlucke die Krot und zahle meine Miete weiter. Warum nicht? – Weil Ihre Cofag, diese Förderagentur, auf Grundlage der Richtlinien Ihrer Bundesregierung den Menschen ge­radezu aufträgt: Du musst als Mieter Maßnahmen setzen, um deine Mietlast zu verrin­gern. Warum? – Weil das sonst eben als Fixkostenzuschuss mitgefördert werden muss. Das sind Ihre Richtlinien. Sie treiben also die Leute bewusst in teure Gerichtsverfahren hinein. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man dann die Vertreter Ihres Ressorts im Ausschuss fragt – die können ja nichts dafür, ich frage ja nur die Experten, die Sektionschefs, die dafür verantwortlich sind –: Haben Sie sich dazu etwas überlegt? – Überlegt haben wir uns schon etwas dazu, aber das bräuchte natürlich irgendwelche breite politische Mehrheiten und überhaupt einmal den Willen dazu. Das ist alles so furchtbar kompliziert, und es wird ja ohnehin einmal Entscheidungen der Gerichte geben. Das ist, vereinfacht gesagt, die Linie des Ressorts: Da machen wir nichts. Da müsste es, nach Ansicht des Ressorts, auch eine Gesetzesan­passung oder eine Regelung geben, das könnte man nicht mit Verordnung machen. – Das bezweifle ich zwar, weil Durchführungsverordnungen ja auch immer möglich sind, durchaus auch zum ABGB. Warum nicht? Sie wollen es nicht, Sie sagen, das wird einmal die Judikatur klären.

Dann gibt es vielleicht in ein paar Monaten einmal eine Entscheidung des Obersten Ge­richtshofes, aber hilft die wirklich weiter? Das gilt ja dann wieder nur für eine Branche und für diese spezielle Situation dieses einen Unternehmers, der die Geschäftsmiete reduziert hat. In diesem einen Fall wissen wir dann, ob das korrekt war und welcher Richtsatz gilt. Es wäre Aufgabe des Justizressorts, für alle Branchen, die Sie mit den Maßnahmen monatelang gequält haben, auch entsprechende Begleitregelungen zu er­lassen und klar zu sagen: Eine Mietzinsreduktion von 30, 40, 50, 60, 70 – was auch immer – Prozent ist angebracht.

Aus Ihrem Hause hört man nichts, und daher, meine Damen und Herren, kann ich wieder nur wie zu Beginn schon sagen: Der Berg kreißte, ein Mäuslein ward geboren. „Auf halben Wegen und zu halber Tat / Mit halben Mitteln zauderhaft zu streben.“ – Das ist das Motto Ihres Justizressorts. Mit einem kleinen Pflasterchen versorgen Sie hier die klaffenden Messerstichwunden, die die Politik dieser Bundesregierung den Mietern zu­gefügt hat. (Beifall bei der FPÖ.)

12.36



BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 71

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl-Arthur Arla­movsky. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


12.36.38

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetz hat tatsächlich, wie der Vorredner schon gesagt hat, einen irreführenden Titel, einen irreführenden Marke­tingtitel. Die SPÖ bringt ja jedes Jahr so einen Antrag ein; manchmal setzt sie sich durch, wir erinnern uns an das berühmte Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz. Und auch dieses Gesetz ist unabhängig von den Pandemiefolgen, die Mieter betreffen können, wie Arbeitsplatzprobleme, Einkommensprobleme, Krankheit. Dieser Aufschub der Wertsi­cherung in diesem Gesetz ist nämlich nur abhängig davon, dass erstens jemand in Miete wohnt, zweitens der Mietzins direkt gesetzlich an die Kategoriebeiträge geknüpft ist. Das sind entweder die Mietverträge, die in den Achtzigerjahren beziehungsweise bis 1994 abgeschlossen worden sind, oder die berüchtigten alten Friedenskronenzinse – nach­malig Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge, in der Zwischenzeit heißen sie wieder anders – oder wenn die Wertsicherung vertraglich an den Kategoriebeitrag oder an den Richtwert geknüpft ist.

Das ist aber eine geringere Menge an Mietverträgen als die, die dem Richtwertsystem unterliegt, weil eine Wertsicherung in einem Mietvertrag, der dem Richtwertsystem unter­liegt, nicht notwendigerweise an die Erhöhung des Richtwerts geknüpft sein muss. Sie kann genauso gut an die Erhöhung des Verbraucherpreisindex oder an andere gesetz­lich zulässige Wertsicherungsklauseln geknüpft sein. Deswegen sind die Zahlen, die die ganze Zeit genannt werden, wie vielen Personen damit geholfen wird, auch völlig falsch. Es sind also nicht Hunderttausende Haushalte oder 1,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher, sondern die Zahl ist weit geringer. Hier werden falsche Erwartungshaltun­gen geweckt.

Viel besser und treffsicherer wäre eine Subjektförderung gewesen, die tatsächlich daran geknüpft ist, ob Mieterinnen und Mieter, aber auch in Genossenschaftswohnungen oder in Eigentumswohnungen oder -häusern wohnende Personen von Pandemiefolgen tat­sächlich getroffen sind.

Jetzt könnte man natürlich fragen: Warum ist man dagegen? Das tut ja niemandem weh, auch wenn es nicht so viele Leute betrifft. Das Problem ist: Welchen Tendenzen wird mit solchen populistischen Aktionen tatsächlich Vorschub geleistet?

Jetzt haben wir von Kollegen Kolland vom Immobilienpreisspiegel gehört, die Immobi­lienpreise steigen ja die ganze Zeit. Was macht das für einen Unterschied, wenn man sein Haus oder seine Wohnung nur vermietet? Der Konnex ist aber tatsächlich da. Stel­len wir uns jetzt ein Zinshaus vor, vielleicht schon seit Generationen im Familienbesitz, eventuell ein Geschäftslokal im Erdgeschoss, für das man ein Jahr lang keine oder nur eine sehr geringe Miete bekommt, weil ein Betretungsverbot verhängt wurde. Jeder Zinshauseigentümer kennt das: Man bekommt im Durchschnitt einmal im Monat einen Brief von einem Maklerbüro, von einem Immobilienentwickler mit der Frage, ob man denn nicht vielleicht sein Haus verkaufen möchte. Solchen Entwicklungen wird dadurch Vorschub geleistet. Gesetze wie dieses erweisen den Mietern und Mieterinnen einen Bärendienst, wenn gefördert wird, dass Zinshäuser verkauft werden müssen.

Nun richtet sich meine Kritik weniger an die wirtschaftspolitisch links stehenden Parteien, Rot, Grün, in diesem Fall auch Blau, denn für solche planwirtschaftlichen Forderungen nach Mietzinsobergrenzen werden sie auch gewählt. Meine Kritik richtet sich an die ÖVP, die die kleinen Vermieter, die sie vielleicht sogar gewählt haben, verrät, insbeson­dere die Familienunternehmen. – Danke.

12.40



BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 72

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Ich darf Staatssekretärin Andrea Mayer bei uns im Bundesrat recht herzlich begrüßen. Grüß Gott! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Alma Zadić. – Bitte, Frau Bundesminister.


12.41.11

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Heute bin ich nach meinem Mutterschutz zum ersten Mal im Bundesrat und ich freue mich, wieder hier zu sein. Ich freue mich auch, mit Ihnen wieder über wichtige Gesetzesvorhaben diskutie­ren zu dürfen. (Allgemeiner Beifall.) – Danke.

Es geht, wie wir ja schon mehrfach gehört haben, um das Mietzinsrechtliche Pandemie­folgenlinderungsgesetz. Viele haben es schon angesprochen, es ist tatsächlich ein sper­riger Titel, aber hinter diesem Titel steckt einiges Gutes. Wir wissen, dass uns diese Pandemie schon seit einem Jahr verfolgt, und das bedeutet für viele, viele Menschen, dass sie sowohl beruflich als auch privat zahlreiche Einschränkungen hinnehmen müs­sen. Es bedeutet auch, dass sie mit wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen haben, dass sie wirtschaftliche Einbußen haben.

Wir als Bundesregierung versuchen natürlich, so gut es geht, alles zu tun, um diese Einbußen abzufedern, und, so gut es geht, die Bevölkerung dabei zu unterstützen, diese Pandemie zu meistern. Auch ich als Justizministerin tue das in meinem Bereich.

Über die Mieten haben wir schon öfter gesprochen, die Mieten machen tatsächlich für viele einen großen Teil der monatlichen Fixkosten aus und für viele Familien, die an der unteren Einkommensgrenze sind, einen sehr großen Anteil der Fixkosten. Daher ist es notwendig, etwas zu tun und entgegenzuwirken, damit die Belastung nicht noch höher wird.

Wie auch schon angesprochen würde ja dieses Jahr die Valorisierung anstehen, und wir haben uns dazu entschlossen – gemeinsam mit der SPÖ, und ich danke auch den Frei­heitlichen, dass sie bei diesem Antrag mitgehen –, die Valorisierung auszusetzen. Das betrifft sowohl die Erhöhung der Richtwertmietzinse – das sind all jene, die dem Miet­rechtsgesetz unterstehen – als natürlich auch die Erhöhung der Kategoriemietzinse. Wir wissen, dass gerade die Kategoriemietzinse Wohnungen betreffen, die unter dem Stan­dard sind, und daher ist es gerade bei diesen Wohnungen auch wichtig, die Valorisierung auszusetzen.

Uns ist klar, dass das auf der anderen Seite natürlich auch eine Belastung für die Vermieter bedeutet. Dazu möchte ich auch einmal sagen, dass ich dankbar bin und auch um Verständnis ersuche, dass man in diesen außergewöhnlichen Zeiten zusammenhält und auch den Schwächsten der Gesellschaft hilft.

Ich hoffe, dass wir mit dieser Maßnahme sehr, sehr viele Menschen unterstützen können und ihnen in diesen schwierigen Zeiten eine gewisse finanzielle Entlastung bieten kön­nen. Ich danke auch noch einmal den Beamtinnen und Beamten in meinem Haus, die das rasch ausarbeiten konnten, und ich hoffe natürlich auch auf Ihre Zustimmung im Bundesrat. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

12.44


12.44.30

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Danke, Frau Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein!


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 73

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Eva Prischl, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „weitere Entlastungen für Mieterinnen und Mieter im Rah­men der COVID-19-Krise“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstim­men.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen.

Ich ersuche die Schriftführung um Unterstützung bei der Feststellung der Mehrheit be­ziehungsweise Minderheit. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit angenommen. (338/E-BR/2021)

12.46.017. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (Kunst-, Kultur- und Sport­sicherungsgesetz – KuKuSpoSiG) geändert wird (1397/A und 743 d.B. sowie 10584/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter zu diesem Tagesordnungspunkt ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um den Bericht.


12.47.00

Berichterstatter Marco Schreuder: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht über den Beschluss des National­rates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz – KuKuSpoSiG) geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist nach Beratung der Vorlage am 29. März 2021 infolge von Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. – Bitte.


12.47.33

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! 1986 war Niederösterreich auf der Suche nach einer eigenen Landeshauptstadt, und es wurde ein Spruch kreiert – Frau Kollegin Zwazl wird es noch wissen –: Ein Land ohne Hauptstadt ist wie ein Gulasch ohne Saft. – Diesen Spruch möchte ich mir heute leihen und sagen: Ein Land ohne Kultur ist wie ein Gulasch ohne Saft (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP), nämlich eine ganz trockene Angelegenheit. Wenn man die schmackhaften Gewürze und das ganze Drum­herum weglässt, dann schmeckt es nicht so gut. Kunst und Kultur gehören nach meiner Ansicht einfach und aufrichtig zum Leben, sind mir ganz, ganz wichtig, essenziell wichtig.

Nach wie vor ist allerdings die Kunst- und Kulturszene eine der am schwersten betrof­fenen Branchen. Die Pandemie hat einen großen und hoffentlich nicht nachhaltigen


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Schaden in dieser Branche angerichtet. Sie ist wie ein Orkan über die Kulturstätten und über alle in der Kunst- und Kulturbranche tätigen Personen hinweggefegt und hat Spuren hinterlassen. Mittlerweile wandern leider auch Leute aufgrund der Perspektivenlosigkeit aus dieser Kulturbranche ab, um in anderen Branchen Fuß zu fassen. Das ist unendlich traurig, denn damit gehen Kompetenzen und Talente verloren. Hoffentlich gibt es bald einen anderen Weg.

Die bis dato 13 eingerichteten Unterstützungsmaßnahmen mit einem Volumen von über 1 Milliarde Euro sind wichtig und richtig. Das von allen am meisten ersehnte Öffnen der Kunst- und Kulturstätten ist jedoch wieder in weite Ferne gerückt. Noch immer gibt es keine Planungssicherheit, keine Hoffnung auf Schritte zur Normalität. Der Tag, an dem die Kultur endlich wieder öffnen kann, ist in weite Ferne gerückt. Es gibt noch immer Kinobetriebe, die finster sind, und noch immer proben Schauspielerinnen und Schau­spieler in leeren Theatern, also ohne Publikum und ohne Applaus.

Die finanzielle Ebene ist das eine, aber was bedeutet diese Krise langfristig für die Künstlerinnen und Künstler und für die gesamte Branche? Welche Lebensbedingungen, welche Arbeitsbedingungen wird es geben? – Viele Fragen, und am besten geht man deren Beantwortung sofort an, und zwar mit einer Kunst- und Kulturstrategie.

1 500 Kunst- und Kulturschaffende sowie 350 Kultureinrichtungen haben einen Offenen Protestbrief unterzeichnet, in dem sie endlich eine Perspektive verlangen. Die von den Kulturbetrieben schon vielfach erstellten Präventionskonzepte sollen der zentrale Aus­gangspunkt für diese neuen Regelungen sein. Die jeweiligen Bedingungen vor Ort wären damit optimal berücksichtigt. Laut Gerhard Ruiss, dem Kulturinteressenvertreter, und Yvonne Gimpel, Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich, braucht es branchenspezifi­sche Regelungen für den gesamten Kulturbereich, klare und vor allem rechtzeitige Vor­gaben für die Kulturbetriebe, eine Gleichbehandlung der Kultur, niederschwellige Test­möglichkeiten und ehestmögliche und lebensnahe Öffnungszeiten von Kultureinrichtun­gen – natürlich sobald es die Lage gestattet. (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht auch einen Fahrplan für die nächsten Monate, denn der Sommer steht vor der Tür, und Kunst- und Kulturveranstaltungen – gerade im Sommer, denken wir an die Sommerfestivals – sollen gesichert sein; wie gesagt, immer soweit die gesundheitliche Lage es erlaubt, ganz klar. Ein Fairnessprozess soll gestartet werden, der nicht nur die Bezahlung, sondern auch eine Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Branche und ihrer Akteure zum Ziel hat.

Nun zur Verlängerung der Gutscheinlösung – es ist ja so angedacht: Die Gutscheinlö­sung wird für Veranstaltungen, für die man Karten gekauft hat, die aber nicht stattgefun­den haben, bis Ende des Jahres verlängert. Es wurde eine Lösung gesucht. Herausge­kommen ist meiner Meinung nach allerdings eine Kompromisslösung, denn für die Ver­anstalter gibt es unterschiedliche Unterstützungshilfen, für die Konsumentinnen und Konsumenten jedoch nicht, nicht einmal für die, die von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen sind. Die sollten meiner Meinung nach ihr Geld sehr wohl zurückbekommen. Zumindest die GIS-Befreiten, die selbst jeden Cent zum Überleben benötigen, sollten von dieser Form der Abgabe ausgenommen werden. Das ist ja eigentlich eine Vergabe eines kostenlosen Kredits. Ich habe im Ausschuss den Sachbereichssprecher gefragt, und der hat gemeint, das wäre nicht handhabbar, es wäre zu aufwendig, das rückzuver­rechnen. – Das mag sein, aber ich denke, es wäre doch wichtig, dass wenigstens die GIS-befreiten Personen aufgenommen würden. Wir seitens der sozialdemokratischen Fraktion werden daher diesem Antrag nicht zustimmen.

Ich möchte als Bundesrätin für Niederösterreich allerdings noch einmal auf mein Bun­desland verweisen, denn da passieren viele Unterstützungsmaßnahmen für die Kunst- und Kulturbranche, und zwar wurden vor wenigen Tagen und Wochen in der niederös­terreichischen Landesregierung und in der Stadt St. Pölten Projekte fixiert, die zeigen,


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wie wichtig es ist, den kulturellen Ruf, den man sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten aufgebaut hat, zu wahren, aber auch auszubauen.

Dazu zählt in erster Linie das Kinderkunstlabor in St. Pölten, das sogenannte KiKuLa, eines der kulturellen Leuchtturmprojekte, die für das Jahr 2024 – wenn St. Pölten den Titel Landeskulturhauptstadt tragen wird – ganz wichtig sind. Es ist eine in Europa ein­zigartige Kunst- und Kulturinstitution, ein innovativer Ort der Begegnung von Kindern von bis zu zwölf Jahren mit zeitgenössischer Kunst und deren Vertretern. Als Mitglied des Ausschusses für Kinderrechte macht es mich sehr stolz, dass bei diesem Projekt Kinder­beiräte beigezogen wurden, die bei den inhaltlichen und gestalterischen Entscheidungen mitarbeiten durften. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Enden möchte ich mit einem Appell. Ich möchte den Appell des Kollegen, der vor Kurzem aus der Politik ausgeschieden ist, nämlich des Nationalrats und Kultursprechers Thomas Drozda, wiederholen: Bitte schauen Sie wirklich auf die Künstlerinnen und Künstler in unserem Land! Sie vollbringen Großartiges und durchleben gerade sehr schwere Zei­ten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.54


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


12.54.31

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ganz kurz zu meiner Vorrednerin: Es stimmt, die Kunst und die Künst­lerInnen erleben eine schwere Zeit, für Kunst und Kultur ist es die schwierigste Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg, keine Frage. Die fehlenden Auftrittsmöglichkeiten sind ganz schlimm. Genauso schlimm ist es natürlich auch für die Veranstalter und Veranstalterin­nen, und deswegen verstehe ich die Ablehnung ehrlich gesagt nicht. Wir haben hier im Bundesrat als Forderung der Opposition so oft gehört: Man benötigt viel mehr Pla­nungssicherheit. – Dieses Wort ist sehr oft gefallen.

Nun gibt es hierfür eine Maßnahme, die erfreulicherweise getroffen worden ist, nämlich diese Gutscheinlösung. Sie bedeutet eine Planungsmöglichkeit für die Eventmanager und Eventmanagerinnen und für diejenigen, die Veranstaltungen im Sport- und Kulturbe­reich planen und jetzt nicht sicher sind, ob im Juli, August, September etwas stattfinden kann. Solche Verträge mit internationalen Künstlern, Künstlerinnen werden sehr lange vorher abgeschlossen, auch die springen ja manchmal ab. Genau deswegen bieten wir das, was immer gefordert wird, nämlich Planungssicherheit – und das wird jetzt abge­lehnt. Deswegen muss ich schon auch sagen: Diese Planungsunsicherheit, die manch­mal vorgeworfen wird, entsteht aufgrund dieser achtwöchigen Verschiebung, weil ihr die­sem Antrag nicht zustimmt. Ich möchte darüber schon mein Bedauern ausdrücken. (Bei­fall bei Grünen und ÖVP.)

Dieses Gesetz dient der Absicherung der VeranstalterInnen von Events. Wir haben im­mer gesagt, die Gutscheinlösung ist nicht die beste Lösung der Welt. Sie ist bis 70 Euro gedeckelt, aber sie gibt zumindest kleineren Veranstaltern und Veranstalterinnen die Möglichkeit, statt einer Refundierung zu sagen: Ihr bekommt einen Gutschein, und sobald wir wieder ein Theaterstück, ein Konzert, ein Basketballspiel oder was auch im­mer veranstalten können, gilt der, ihr kommt wieder rein.

Es gibt auch sehr kleine Veranstalter, Veranstalterinnen. Ich bin ja auch in der Fach­gruppe Werbung und Marktkommunikation in der Wirtschaftskammer Wien aktiv, dort sind auch die Eventmanager und -managerinnen – und die haben es derzeit wirklich schwer. Diese kleine Maßnahme hat diesen Leuten wirklich geholfen. Für die sind ein paar Tickets so viel Geld, dass Insolvenz droht, wenn sie alles zurückzahlen müssen.


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Daher kann ich ehrlich nicht verstehen, warum man dieses Projekt ablehnt. Ja, es ist nicht die beste Lösung, aber es ist eine gute Lösung für kleine Manager und Managerin­nen und für den Eventbereich. Ich bitte euch: Überdenkt das noch einmal! – Danke. (Bei­fall bei Grünen und ÖVP.)

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Antrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu TOP 7) Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz – KuKuSpoSiG) geändert wird (1397/A und 743 d.B. sowie 10584/BR d.B.)

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Vielen Dank.

12.58


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreu­der, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eingebrachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie geändert wird, keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Dim. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


12.58.43

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schreuder, ich erkläre Ihnen gleich, warum wir dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen werden: nicht nur weil wir ursprünglich schon nicht zugestimmt haben, sondern auch weil die Konsumenten ver­pflichtet werden, einen Gutschein bis zu 70 Euro zu akzeptieren. Ich habe gestern auch noch einmal im Ausschuss hinterfragt, ob dem so sei: ob es ein Wahlrecht gibt, ob man einen Gutschein haben oder das Geld zurückbekommen kann. – Nein, die Konsumenten sind verpflichtet, bei Beträgen bis zu 70 Euro einen Gutschein zu akzeptieren. Das ist natürlich eine Liquiditätsbeschaffung für die Veranstalter – da gehen wir konform, das ist auch so. Nur: Gibt es die gleiche Veranstaltung dann überhaupt noch? Gibt es die noch? In den meisten Fällen gibt es sie nämlich nicht mehr. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist ungefähr so, wie wenn ich eine Wohnzimmergarnitur bestelle und dann eine Essecke bekomme: Beides sind Möbel, aber es ist halt nicht das Gleiche. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Ich kann diesen Gutschein natürlich auch weiterverkaufen, aber ich als Konsument muss mich darum kümmern, nicht der Veranstalter. Rückzahlungen gibt es dann auch; nur nicht vor dem 31. Dezember 2022, sondern erst im Jahr 2023, und es ist keinesfalls ge­sichert, dass es den Veranstalter dann noch gibt, denn was macht er einstweilen mit


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dem Geld, was macht er in der Zwischenzeit? – Sein Überleben wird er sichern. Schließ­lich kommt es dann so weit, dass die Veranstaltung durchgeführt werden könnte. Mit welchem Geld macht er die dann? Dann wird er wahrscheinlich Insolvenz anmelden, und der Konsument kann sich diesen Gutschein dann irgendwo an die Wand nageln. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Veranschaulichung – Kollege Schreuder tippt auf seinem Handy herum – werde ich noch ein Beispiel bringen. (Bundesrat Schreuder: Ich höre eh zu!) – Ich weiß es. – Ich bringe ein Beispiel zur Veranschaulichung: Im Herbst 2019 flattert das Programm von Burg Clam bei einer Familie ins Haus. Burg Clam ist eine wunderbare Naturarena, die einmalige Erlebnisse bietet, überhaupt wenn es nicht regnet, aber auch wenn es regnet, ist dort immer eine tolle Stimmung. Die Familie sieht: Am 4. Juli 2020 kommt Lenny Kra­vitz. Auf dieses Ereignis freuen sich alle. Es ist eine Seltenheit bei Jugendlichen, dass sie gemeinsam mit ihren Familien zu einem Konzerterlebnis fahren; es ist also ein Fami­lienausflug, mit dem alle Freude haben – Lenny Kravitz, 4. Juli, perfekt. Zu Weihnachten gibt es die Karten, sie kosten knapp über 70 Euro. Freunde werden auch noch überredet, dürfen auch dorthin fahren. Klarerweise hat das Konzert coronabedingt nicht stattgefun­den. So weit, so gut oder so schlecht – aber es gibt auch 2021 kein Lenny-Kravitz-Kon­zert, es gibt auch 2022 kein Lenny-Kravitz-Konzert. Was macht jetzt die Familie? – Sie wartet bis 2023 auf ihr Weihnachtsgeschenk von 2019. Eine andere Veranstaltung? – Ich verweise auf den Vergleich mit Wohnzimmertisch und Essecke.

So ist es bei vielen Veranstaltungen – Sportveranstaltungen, Kulturveranstaltungen –: Ich bekomme einen Gutschein, aber ich bekomme nicht das, was ich kaufen wollte. Das ist der eigentliche Grund dafür, dass wir das ablehnen, und auch deshalb, weil es keine Sicherheit für die Konsumenten gibt, dass es die Veranstalter, wenn die Veranstaltungen wieder möglich sind, noch gibt. (Beifall bei der FPÖ.)

13.03


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Andrea Eder-Gitsch­thaler. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


13.03.19

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Wenn man jetzt Kollegen Dim so zugehört hat, könnte man glauben, es gibt keine Veranstaltungen mehr (Bundesrat Steiner: Ist ja alles abgesagt!) und Veranstalter halten sich nicht an irgendwelche Kriterien. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Ich kann nur sagen: Wieso sehen Sie alles immer nur schwarz? (Bundesrat Steiner: Ja, das ist ja die ÖVP! Die ÖVP ist schwarz!) Das verstehe ich überhaupt nicht. Auch ich hätte letztes Jahr den Besuch eines Haindling-Konzert ge­plant, mein Mann und ich haben uns schon darauf gefreut. Dann hat uns der Veranstalter gesagt, das wird stattdessen heuer stattfinden. Okay, dann freuen wir uns auf heuer (Bundesrat Ofner: Heuer geht wieder nichts!), und wenn es vielleicht nächstes Jahr stattfindet, dann freuen wir uns auf nächstes Jahr. (Zwischenruf des Bundesrates Dim. – Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich habe ein Abo für das Mozarteumorchester, da sind viele Veranstaltungen ausgefal­len. Gut, dann gibt man den Veranstaltern Credit, denn es ist doch klar: Wenn wir alle jetzt anfangen, von den Veranstalterinnen und Veranstaltern alles zurückzufordern, dann werden die über kurz oder lang keine Veranstalter mehr sein, das hat Kollege Schreuder schon gesagt. Das geht ja gar nicht. (Bundesrat Steiner: Das können sie jetzt schon nicht mehr!)

Darum ist diese Gutscheinlösung sinnvoll und notwendig, und es geht ja jetzt nur um die Verlängerung um ein halbes Jahr, damit wir die Gutscheinlösung bis 70 Euro für Veran­staltungen, die für das nächste halbe Jahr, ab Juli, geplant sind, noch verlängern können.


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Ich verstehe da weder die SPÖ noch die FPÖ, dass sie da nicht mitgehen können (Bun­desrat Steiner: Komplett am Thema vorbei!), denn diese Lösung bietet ja Planungssi­cherheit. Sie verlangen von uns Planungssicherheit – wir schauen, dass wir das regeln können, die Frau Staatssekretärin bemüht sich, und dann gehen Sie nicht mit, dann pas­siert es nicht. Das versteht keiner, schon gar nicht die Veranstalterinnen und Veran­stalter. Da hängen ja auch Arbeitsplätze dran, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Bun­desrat Steiner: Die vernichtet ihr am laufenden Band! Ihr ÖVPler!)

Veranstaltungen passieren ja nicht von heute auf morgen! Ich habe in meinem Leben bereits viele Veranstaltungen organisiert. Da gibt es auch Vorlaufkosten, da muss man in die Zukunft investieren. Die Damen und Herren Veranstalter haben ja Kosten zu tra­gen! Also ich verstehe es nicht.

Wir diskutieren hier im Parlament, und es ist schön, dass wir so eine Meinungsvielfalt haben, nur trifft es in diesem Fall wirklich die Veranstalterinnen und Veranstalter, und da hätte ich mir ein gemeinsames Miteinander gewünscht. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Ja, hättet ihr geredet mit uns! Sucht den Diskurs!)

Kollegin Prischl hat schon gesagt, Kunst und Kultur gehören zum Leben dazu, das ist wie Wasser, wie Nahrung. Da gebe ich ihr vollkommen recht: Kunst und Kultur sind gut und notwendig, und wir brauchen sie. Wir bemühen uns ja auch sehr, sehr um die Kunst­schaffenden, auch in dieser Pandemie.

Diese Kunstschaffenden wollen ja keine dauerhafte Unterstützung, die wollen ja per­formen, und wir als Konsumentinnen und Konsumenten wollen ja auch wieder einmal in ein Konzert gehen, eine Vernissage besuchen, eine Tanzveranstaltung sehen, wir wol­len von Vereinen oder Trachtenmusikkapellen Konzerte hören. (Bundesrat Ofner: Die dürfen seit einem Jahr nicht mehr proben!)

Darum ist es ja so wichtig, dass wir uns sehr bemühen. Die Frau Staatssekretärin wird das dann sicher noch weiter ausführen. Es wird immer gesagt, wir brauchen einen Leitfaden, wir brauchen fixe Zeitpläne, wir brauchen Konzepte – nur hält sich dieses böse Virus halt einfach nicht an Vorgaben, an Konzepte, an Leitfäden. Wir sehen das jetzt leidvoll jeden Tag mit dem Steigen der Infektionszahlen und daran, dass die Inten­sivstationen an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt sind. Da können wir ja nicht sagen, wir geben jetzt einen Leitfaden vor. Dann sind Sie wieder die Ersten, die sagen: Die Regierung hält sich nicht an den Leitfaden. – Das Virus ist für uns jetzt einfach nicht beherrschbar (Bundesrat Steiner: Ja, das stimmt), und da können wir auch für Kunst und Kultur keinen Leitfaden erstellen. Wir wären die Ersten, die einer Öffnung zustim­men. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Wir haben aber schon viele Lösungen gebracht!) Wir wollen das ja. Wir wollen ja nicht, dass Künstlerinnen und Künstler nicht performen können, darum ist diese Unterstützung ja so wichtig.

Wir haben in der Sitzung vor 14 Tagen die SVS-Überbrückungsfinanzierung von 110 auf 120 Millionen Euro und den Covid-19-Fonds des Künstler-Sozialversicherungsfonds von 20 auf 40 Millionen Euro aufgestockt. Es wird wirklich schnell und unbürokratisch gehol­fen. Die Maßnahmenpakete werden ja auch ständig ergänzt. Die Frau Staatssekretärin hat ja zusätzlich auch noch ein Neustartpaket in der Höhe von 20 Millionen Euro prä­sentiert, und damit wird die Kulturbranche bei den ersten Öffnungsschritten auf dem Weg zurück unterstützt. Die ersten Maßnahmen haben wir ja im Ausschuss gehört, eine davon, das Förderprogramm für Videoadaptionen und Streaming, wurde bereits vor Ta­gen gestartet.

Daher wollen wir ja auch gemeinsam schauen, dass wir den Kunst- und Kulturbetrieb in dieser schwierigen Zeit weiter unterstützen, damit die Künstlerinnen und Künstler dann am Tag X, den wir alle so heiß herbeisehnen (Bundesrat Steiner: Tag X ...!), wieder für uns auftreten und uns ihre künstlerischen Fähigkeiten präsentieren können. Das ist ja so wichtig.


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Wir haben im Ausschuss auch gehört – Kollegin Prischl hat es schon erwähnt –, dass eine Kunst- und Kulturstrategie entwickelt wird, damit alle wichtigen Punkte im Kultur­kapitel des Regierungsprogramms auch umgesetzt werden. Es werden alle Player im Kulturbereich miteinbezogen, das heißt, es soll ein Working-Prozess werden, nicht nur eine schöne Broschüre, die man dann hat und mit der man nichts weiter anfangen kann, sondern sie soll wirklich mit den Kunst- und Kulturschaffenden laufend erarbeitet werden, und man wird sich da auch Gedanken über künftige Entwicklungen in Kunst und Kultur in Österreich machen.

Ich denke, es ist uns allen hier im Parlament wirklich ein großes Anliegen, Kunst und Kultur in deren Gesamtheit – von der Hochkultur bis zu regionalen Museen – zu fördern. Mein Appell: Besuchen Sie die Museen, jetzt sind sie offen! (Bundesrat Ofner: Die werden nicht aufsperren können, sonst sind sie pleite!) Bei uns im Westen sind sie noch offen (Bundesrätin Grimling: Nicht mehr lange!), und in Wien werden sie auch wieder aufsperren. Besuchen Sie die Museen, die freuen sich über jede Besucherin und jeden Besucher!

Wir unterstützen die vielen Ehrenamtlichen in den Vereinen und in den Laientheatern. Allen, die dabei sind, ist es ein großes gemeinsames Anliegen – das kann ich sagen –, diese weiterhin zu unterstützen, um so gut durch die Krise zu kommen. Bitte überdenken Sie noch einmal Ihr Stimmverhalten zu diesem Antrag! Kollege Schreuder und ich wür­den uns sehr wünschen (Bundesrat Steiner: ... ihr euch wünscht!), dass Sie dem Antrag von Kollegen Schreuder zustimmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.11


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Ich begrüße bei uns im Bundesrat recht herzlich Bun­desministerin Margarete Schramböck. – Grüß Gott.

Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Staatssekretärin Mayer. – Bitte schön.


13.11.24

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrä­tinnen und Bundesräte! Ich danke für die Zustimmung zur vorliegenden Gesetzesnovel­le. Es ist klar, dass es eine Bestimmung ist, die nicht nur Freunde hat und Freude macht, aber es ist eine notwendige Bestimmung, denn es soll so sein, dass es nach der Pan­demie auch noch Veranstalter und Veranstaltungen gibt, und deshalb brauchen wir die Verlängerung dieser Gutscheinlösung.

Nur kurz zur Situation in Kunst und Kultur: Ich darf Ihnen versichern, dass ich alles dafür tue, dass wir in der ersten Sekunde, in der es aus gesundheitspolitischen Erwägungen wieder möglich ist, Veranstaltungen mit einer praxistauglichen Publikumszahl und or­dentlichen Rahmenbedingungen durchzuführen, wieder öffnen können. Es ist wirklich sehr schmerzlich, dass die Perspektiven, die wir schon skizziert hatten – vielleicht April oder Mai –, wieder, wie soll man sagen, nicht besonders optimistisch gesehen werden müssen und dass in drei Bundesländern ab Donnerstag auch die Museen und Ausstel­lungshäuser wieder schließen müssen.

Wenn aber die Lage so ist, dass wir von einer Vollbelegung der Intensivstationen spre­chen, dann erübrigt es sich irgendwie, Öffnungsschritte zu fordern, sondern wir müssen gemeinsam durch diese schwierige Situation, durch diese nächsten Wochen. (Bundesrat Steiner: Die nächsten zwei Wochen sind entscheidend! Die nächsten zwei Wochen!) Dann, glaube ich, können wir guten Gewissens wieder öffnen und Kulturveranstaltungen durchführen. Bis dahin tun wir alles, um die Kunst- und Kulturbranche durch diese Krise zu bringen, seien es große Veranstalter oder kleine Kulturbetriebe oder freischaffende


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Künstler. Wir haben viele verschiedene Maßnahmen gestrickt, die der Kulturbranche helfen, sodass niemand seine kreative Tätigkeit aufgeben muss. Wir haben auch schon Ausschreibungen gemacht, die nicht nur Schäden kompensieren, sondern die auch in die Zukunft führen. Morgen zum Beispiel startet ein Call, bei dem es um Innovationen in der Kunstförderung geht, mit dem wir uns um neue künstlerische Projekte bemühen.

Sie sehen also: Wir tun alles, und ich hoffe, dass wir uns bald gemeinsam in einer an­deren Situation wiederfinden, in der wir auch wieder Kulturveranstaltungen und Ausstel­lungen besuchen können.

Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute, frohe Ostertage, und bleiben Sie gesund! – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

13.14


13.14.23

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die Stellungnah­me, aber auch vielen Dank für die schönen Osterwünsche!

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Sitzplätze ein! – Das ist ge­schehen.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Vielen Dank für die Mitwirkung beim Zählen, Herr Schriftführer! Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt. Ein Beschluss des Bundesrates ist damit nicht zustande gekommen.

13.15.388. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikergesetz 2019 geändert wird (686 d.B. und 715 d.B. sowie 10592/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (1379/A und 717 d.B. sowie 10593/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlassung neuer Berufsreglementierungen (Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz – VPG) (645 d.B. und 712 d.B. sowie 10594/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 8 bis 10, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Christine Schwarz-Fuchs. – Ich bitte um die


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Berichte.


13.16.20

Berichterstatterin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikergesetz 2019 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge Stimmengleichheit im Wirtschaftsausschuss nicht zustande gekommen.

Ich bringe weiters den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsaus­bildungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Dann komme ich noch zum dritten Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlassung neuer Berufsreglementierungen.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Zaggl. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


13.18.23

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zum Zi­viltechnikergesetz 2019: Den Beruf des unabhängigen Ziviltechnikers gibt es seit grob 160 Jahren. In diesem Zeitraum hat sich das Modell der Unabhängigkeit sehr bewährt. Durch Siegel und Urkunde wusste man, dass die Ziviltechniker von niemandem anderen beeinflusst wurden und es eine objektive und rechtskonforme Sicht auf die Dinge gab. Nun möchte man dieses Modell so nicht mehr haben.

Warum muss man gut funktionierende Systeme so verändern, dass die Betroffenen im Endeffekt nicht mehr unabhängig und somit nicht mehr vertrauenswürdig in der Arbeit wirken? Sie machen dies unter dem Deckmantel, es würde ja das EuGH-Urteil umge­setzt. – Nein, das stimmt nicht. Wenn man jedoch dieses Gesetz ändert, können nun interdisziplinäre Gesellschaften mit Angehörigen anderer Berufsgruppen gebildet wer­den, um andere Tätigkeiten als jene des Ziviltechnikerberufs auszuüben.

Die Änderung auf 50 Prozent im Bereich der interdisziplinären Gesellschaften führt wohl eher zu Pattsituationen, zu keiner eindeutigen Mehrheit, denn wer wird wohl im gesell­schaftlichen Bereich den längeren Atem haben: ein Ziviltechniker oder der zur Gesell­schaft gehörende Bauunternehmer? Ich stelle mir dazu schon die Frage: Wie unab­hängig werden wohl Bewertungen sein, wenn in einer interdisziplinären Gesellschaft der große Bauunternehmer mitdefiniert? (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.) Lassen wir dies einmal so im Raum stehen.

Auch wenn diese Änderung mit einem EuGH-Urteil zu tun hat, sollte man sich dennoch besser überlegen, welche Variante direkt bei uns in Österreich die beste ist, und nicht


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 82

einfach nur ändern, sondern sehen, was seit 160 Jahren ein starker und sinnvoller Be­rufszweig ist. Von unserer Seite hätte es Erweiterungs- beziehungsweise Änderungs­wünsche gegeben. Diese haben jedoch – wie so oft – kein Gehör gefunden, daher kön­nen wir diesem Gesetz nicht zustimmen.

Beim zweiten Tagesordnungspunkt geht es um die Zustimmung zur Fristverlängerung der Kurzarbeit für Lehrlinge von März bis Juni 2021. Wir haben in Österreich rund 105 000 Lehrlinge, die, da ihre Unternehmen in Kurzarbeit sind, teils ebenfalls diese Ein­stufung haben. Da wir die Kurzarbeit bis Juni verlängert haben, gehen wir mit der Frist­verlängerung für die Lehrlingskurzarbeit d’accord und sehen diese als eine sinnvolle und sehr wichtige Maßnahme an. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

Der dritte Tagesordnungspunkt, das Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz: Wir sehen uns da einer EU-Verordnung gegenüber. In den Mitgliedstaaten soll durch die dazu be­stellten Organe auf Bundesebene eine einheitliche Auflistung der Voraussetzungen, ein einheitliches Prüfschema – unter anderem Prüfungsfragen für die Prüfung – für die je­weiligen reglementierten Berufe erstellt werden. Die von mir angeführte Kurzerklärung geht nicht auf die Rechtslage des bestehenden Prüfungsverfahrens der reglementierten Berufe im Sinne der österreichischen Gewerbeordnung und des Richtlinientextes ein.

Wir werden heute dagegenstimmen, da bei der österreichischen Umsetzungsvorschrift ein wichtiger Absatz – nämlich jener, der die Einhaltung der geltenden Arbeits- und Be­schäftigungsbedingungen stützt und diese gewährleistet – fehlt. Wie so oft ist die Einheit der EU-Mitgliedstaaten für einheitliche Maßnahmen zwar wünschenswert, dennoch sind alle selbstständige Staaten, und das macht solche Maßnahmen aus dem eigenen Blick­winkel oft nicht so nachvollziehbar oder so umsetzbar wie für andere. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.23


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Isabella Kaltenegger. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


13.23.24

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Punkt 8 der Tagesordnung befasst sich mit dem Ziviltechnikergesetz. Die Ziviltechniker sind eine sehr wichtige Berufsgruppe, zu der in Österreich circa 9 000 Menschen gehören. Ziel der Novelle ist die Herstellung eines europakonformen Zustandes. Durch die Novelle sollen insbesondere Änderungen hinsichtlich Ziviltechnikergesellschaften vorgenommen werden. Statt der bisherigen Kapitalmehrheit sollen künftig nur mehr 50 Prozent von Zi­viltechnikern gehalten werden müssen. Es werden nun auch interdisziplinäre Ziviltech­nikergesellschaften ermöglicht, und so können diese Gesellschaften noch kunden­freundlicher tätig sein.

Es kann also weiterhin reine Ziviltechnikergesellschaften und gleichzeitig interdiszipli­näre geben. Transparenz ist in diesen Gesellschaften dadurch gegeben, dass genau deklariert werden muss, wer Ziviltechniker und wer die andere Person in der Gesellschaft ist. Der Berufsstand ist somit auch weiterhin gut abgesichert.

Dazu bringe ich gleich folgenden Antrag ein:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kollegin­nen und Kollegen gemäß zu TOP 8) Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikergesetz 2019 geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 83

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO‑BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.“

*****

Ich möchte nun noch zu Tagesordnungspunkt 9 kommen, bei dem es um eine ganz, ganz wichtige Gruppe geht, nämlich um unsere Lehrlinge. Wir alle kennen die Fakten: Während viele nach einer akademischen Laufbahn Probleme haben, einen Job zu fin­den, fehlen qualifiziert ausgebildete Fachkräfte an allen Ecken und Enden.

Gerade wir in der Steiermark haben in den vergangenen Jahren da massive Schwer­punkte gesetzt. Der Präsident der steirischen Wirtschaftskammer, Seppi Herk, hat die Attraktivierung der Lehrlingsausbildung in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt. Mit den Euroskills 2021 – das sind die Europameisterschaften der Lehrberufe, die heuer von 22. bis 26. September in der Steiermark stattfinden werden – wird europaweit ein starkes Zeichen für unsere Jugend gesetzt. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist dabei besonders erfreulich, dass die Sozialpartner – einer davon, Horst Schach­ner, sitzt hier in unserem Haus – an einem Strang ziehen. – Danke dafür. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es passt sehr gut, dass die Bundesregierung in dieser schwierigen Zeit auch für die Lehrlinge wichtige Maßnahmen setzt. 105 000 Lehrlinge absolvieren gerade eine Lehre in Österreich und leider sind viele davon auch in Kurzarbeit. Da sich die Kurzarbeit auch für die Lehrlinge gut bewährt hat, wird diese nun bis zum 30. Juni 2021 verlängert. Damit geben wir den Lehrlingen nicht nur die Sicherheit in der Beschäftigung, sondern vor allem auch die Anerkennung ihrer wichtigen Funktion für die österreichische Wirt­schaft. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.27


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreu­der, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eingebrachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerge­setz 2019 geändert wird, keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


13.27.44

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Werte Kollegen! Verehrte Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen und via Live­stream! In der heutigen Debatte über die vorliegende Novelle zum Ziviltechnikergesetz offenbart sich eines wieder einmal ganz klar: Sobald in irgendeinem Bereich Transpa­renz und Unabhängigkeit bewahrt werden sollen, ist das der ÖVP ein wirklicher Dorn im Auge. Nicht anders ist es zu deuten, wenn seitens der Regierungsparteien unter dem Deckmantel der Umsetzung des EuGH-Urteils ein wahrer Angriff auf den freien Beruf der Ziviltechniker erfolgt, denn gerade die Ziviltechniker haben in Bezug auf die Auftrag­geber ein besonderes Vertrauensverhältnis, und daher müssen auch Transparenz und Unabhängigkeit entsprechend gewährleistet sein.

Die Regierungsparteien nehmen dieses EuGH-Urteil aber wie gesagt zum Anlass, die notwendigen Anpassungen im Ziviltechnikergesetz überzuerfüllen und damit natürlich ein sogenanntes Gold Plating zu betreiben. Sie gefährden damit nicht nur die Unab­hängigkeit und Unparteilichkeit von Ziviltechnikern, sondern vor allem die Interessen der Dienstleistungsempfänger.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 84

Was ist geplant? – Mit dieser Novelle können sich nunmehr interdisziplinäre Ziviltechni­kergesellschaften mit bis zu 50 Prozent der Anteile an Ziviltechnikergesellschaften be­teiligen. Das bedeutet natürlich, dass Interessenkonflikte vorprogrammiert sind, es kön­nen Pattstellungen mit 50 : 50 entstehen. Zudem wird nunmehr auch die Möglichkeit ein­geräumt, wie es Kollege Zaggl schon gesagt hat, dass sich beispielsweise finanzstarke Baukonzerne in solchen interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern zusammen­schließen und damit aufgrund des Preiswettbewerbs der Verdrängung der eigentlichen Ziviltechniker am Markt Tür und Tor geöffnet ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, dass solche Gesellschaften dann natürlich vermehrt ihre eigenen Interessen verfolgen werden, anstatt jene des Bauherrn zu gewährleisten, wird schlussendlich auch finanzielle Auswirkungen haben, vor allem auch für die öffentliche Hand.

Viele dieser Kritikpunkte hat die Kammer der Ziviltechniker natürlich auch aufgezeigt und entsprechend schriftlich dargelegt. So wie immer, wenn es Kritik an der Vorgehensweise der Regierung gibt, hat die Regierung aber auch da gezeigt, wie sie damit umgeht. Unser Kollege im Nationalrat Angerer hat das in der letzten Nationalratssitzung auch aufge­zeigt: Da hat doch tatsächlich ein Beamter aus dem Wirtschaftsministerium als zu­ständige Aufsichtsbehörde die Abberufung jenes Vertreters der Kammer gefordert, der verständliche Kritik darüber zum Ausdruck gebracht hat, dass man anscheinend den freien Beruf des Ziviltechnikers abschaffen möchte. Und nichts anderes ist es ja. (Prä­sident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich beispielsweise als Gemeinde ein Gutachten erstellen lasse, dann möchte ich davon ausgehen können, dass dieses unabhängig erstellt wurde und nicht im Hinter­grund ein Konzern die Finger im Spiel hat, der eventuell in Folge auch noch einen Auftrag lukrieren will und das Gutachten daher dementsprechend ausfällt. Es wird ja wohl hof­fentlich jedem einleuchten, dass es wahrscheinlich nachrangige Priorität haben wird, dass sich im Falle einer Beteiligung ein Ziviltechniker in einem solchem Fall unabhängig verhalten kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher sprechen wir uns natürlich ganz klar gegen diese Beteiligungen mit 50 Prozent am Gesellschaftsvermögen durch berufsfremde beziehungsweise durch interdisziplinäre Ziviltechnikergesellschaften an den eigentlichen Ziviltechnikergesellschaften aus, eben­so dagegen, dass die Möglichkeit eingeräumt wird, dass Beurkundungen auch von sol­chen interdisziplinären Ziviltechnikergesellschaften erfolgen können, denn auch damit wären die Unabhängigkeit und die Transparenz gefährdet – wenn man beispielsweise von einer solchen interdisziplinären Ziviltechnikergesellschaft ein Prüfgutachten für Kfz-Typisierungen erstellen lässt und im Hintergrund mit 50-prozentiger Beteiligung der Kfz-Hersteller sitzt.

Das ist ungefähr der gleiche Humbug und vor allem die gleiche Vorgehensweise, wie sie sich bei der Ausschreibung dargestellt hat, die Herr Schmid für sich selber ausge­schrieben hat (Heiterkeit bei der FPÖ), um sich dann bestellen zu lassen – aber das ist eben die Vorgehensweise dieser Regierung. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Bader: Das ist die Unwahrheit!)

Auch da sieht man natürlich ganz klar, dass es dieser ÖVP wieder nur um eine Klien­telpolitik für ein paar Konzerne geht (Zwischenruf bei der ÖVP), die Grünen sind wieder einmal die willfährigen Erfüllungsgehilfen, und beiden macht es nichts aus, wenn das auf Kosten eines gesamten Berufsstandes geht, der noch dazu sehr geschätzt ist. (Zwi­schenruf des Bundesrates Steiner.)

Aus den genannten Gründen werden wir dieser Gesetzesnovelle natürlich keinesfalls unsere Zustimmung geben.

Ich bringe dazu folgenden Entschließungsantrag ein:


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 85

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung des Erhalts der Unabhängigkeit, der Unparteilichkeit sowie Objektivität der Ziviltechniker“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der sichergestellt wird, dass an Ziviltechnikergesellschaften bzw. an interdiszi­plinären Gesellschaften Ziviltechniker mit mehr als 50 % beteiligt sein müssen, und dass Siegelführung bzw. Urkundentätigkeit ausschließlich Ziviltechnikern bzw. Ziviltechniker­gesellschaften vorbehalten wird.“

*****

Meine Damen und Herren, hinsichtlich des Berufsausbildungsgesetzes, das die Kurz­arbeit für Lehrlinge ermöglicht, werden wir selbstverständlich eine Fristverlängerung un­terstützen, weil damit auch der Erhalt der Lehrstellen von rund 5 000 Lehrlingen geför­dert wird, die davon betroffen sind und die die Kurzarbeit in Anspruch nehmen. Das findet unsere Zustimmung.

Auch die Berufsfreiheit als Grundrecht und damit die unternehmerische Freiheit mit ihren Grundprinzipien ist für uns wesentlich. Daher werden wir auch dem Verhältnismäßig­keitsprüfungs-Gesetz unsere Zustimmung geben. Wir befürchten in diesem Zusammen­hang lediglich, dass die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf den Verwaltungsaufwand lei­der alles andere als angemessen sein wird. (Beifall bei der FPÖ.)

13.35


Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Josef Ofner, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Sicherung des Er­halts der Unabhängigkeit, der Unparteilichkeit sowie Objektivität der Ziviltechniker“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Fraktionsvorsitzender Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.35.24

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das EuGH-Urteil, es wurde schon er­wähnt, zum Schutz des Binnenmarktes – so heißt es dann im Urteil – ist, was es ist, und wir als Mitgliedstaat der Europäischen Union müssen das nun einmal akzeptieren. Wür­den wir das nicht tun, wäre das auch eine ziemlich teure Angelegenheit und keine be­sonders sinnvolle Geschichte.

Die Tradition, die ja durchaus eine österreichische Tradition ist und die es so nicht in allen Mitgliedstaaten gibt, ist die der geschützten Berufe. Die Europäische Kommission hat da schon immer einen etwas skeptischeren Blick gehabt und wir haben das ja sehr oft, etwa auch im EU-Ausschuss, diskutiert. Das ist einfach eine andere Tradition, die sich von Land zu Land unterscheidet. Wichtig ist jedoch, die Umgehungsmöglichkeit, die da blockiert wird, tatsächlich zu blockieren. Wir bedanken uns wirklich bei der Frau Ministerin, die das gemeinsam mit der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen ausgear­beitet hat; es ist ja nicht so, dass wir das ohne die erarbeitet hätten.

Worum geht es? – Es geht darum, die Planung und die Ausführung strikt zu trennen. Ziviltechniker, Ziviltechnikerin ist ein sehr alter, traditionsreicher und verantwortungsvol­ler Beruf. Sie gelten, wenn man das umschreiben will, sozusagen als technische Notare und Notarinnen. Sie sind ein Qualitätsgarant für die Pläne unserer Brücken, unserer Hochhäuser und von vielem, vielem mehr. Daher müssen sie auch unabhängig sein.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 86

Es darf nicht sein, dass etwa ein Baustoffproduzent über eigenartige Verschachtelungen einen willigen Ziviltechniker oder eine willige Ziviltechnikerin findet, die Kontrolle über eine Ziviltechnikergesellschaft zur Gänze übernimmt und sich so selbst Urkunden aus­stellen kann. Das darf nicht sein und dafür haben wir in den letzten Monaten auch ge­kämpft.

Gerade wir Grüne wissen die Leistungen im Bauwesen besonders zu schätzen, auch und vor allem die der Ziviltechniker und Ziviltechnikerinnen, denn das Bauwesen wird sich in den kommenden Jahren mit klimafreundlichem Bauen und Sanierungsoffensiven sehr stark verändern. Dann werden wir die Unterstützung der Ziviltechniker und Ziviltech­nikerinnen ganz intensiv brauchen. Die werden viel Arbeit haben, und das ist auch gut so.

Das ist aber nicht das einzige Gesetz, über das wir in dieser Debatte diskutieren. Ein weiteres Gesetz ist das Berufsausbildungsgesetz. Da geht es einfach darum, dass wir die Kurzarbeitsmöglichkeit für die wunderbaren Lehrlinge in unserem Land verlängern, und das ist gut so.

Im dritten Gesetz geht es um die Berufsreglementierungen. Ziel der EU-Richtlinie, die wir hier umsetzen, ist ja die Einführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Bundes­ebene, wenn es um den Zugang zu bestimmten reglementierten Tätigkeiten geht. Das ist natürlich eine durchaus heikle Sache, aber grundsätzlich eine gute Sache im Sinne des europäischen Binnenmarkts und des Funktionierens des Marktes in Österreich. Da­her begrüßen wir diese Umsetzung wie auch die der beiden anderen Gesetze. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.38


13.38.35

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. Ich ersuche, die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikergesetz 2019 ge­ändert wird.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Sicherung des Erhalts der Unabhängigkeit, der Unpar­teilichkeit sowie Objektivität der Ziviltechniker“ vor. Ich lasse über diesen Entschlie­ßungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (339/E-BR/2021)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 87

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März dieses Jahres betreffend ein Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.41.0211. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Digitalisierungsfonds (Digitali­sierungsfondsgesetz-Digi-FondsG) erlassen wird (682 d.B. und 714 d.B. sowie 10595/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird (661 d.B. und 713 d.B. sowie 10596/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen in der Fassung des Notenwechsels vom 22. Dezember 1993 und 14. Jänner 1994 (667 d.B. und 716 d.B. sowie 10597/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 11 bis 13, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. Ich bitte um die Berichte.


13.42.11

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Herr Präsident! Geschätzte Frau Minis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschafts­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Digitalisierungsfonds erlassen wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.

Weiters bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 88

Österreich und der Slowakischen Republik zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen in der Fassung des Notenwechsels vom 22. Dezember 1993 und 14. Jänner 1994.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben. – Danke schön.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich danke der Frau Berichterstatterin Isabella Kaltenegger für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr dieses. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.44.31

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Werte Zuseher via Live­stream! Ich darf im Namen der SPÖ-Fraktion gleich einmal vorwegnehmen, dass wir dem Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird, welches ja die Umsetzung einer Richtlinie der EU-Kommission aus dem Jahr 2019 beinhaltet, zustim­men werden.

Ebenso wird der Beschluss des Nationalrates betreffend Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen durch die SPÖ im Bundesrat bestätigt, handelt es sich auch dabei um eine Anpassung an das Unionsrecht, weil der EuGH im Achmea-Urteil festgestellt hat, dass solche völkerrechtlichen Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten nicht mit EU-Recht vereinbar sind. Selbiges wird dann auch für das Abkommen mit der Tschechischen Republik gültig werden.

Anders verhält es sich mit unserem Abstimmungsverhalten bezüglich des Digitalisie­rungsfondsgesetzes, des Digi-Fonds. Da ist meine erste Frage: Warum hat es keine Begutachtung gegeben? Warum wurde da schon wieder und zum wiederholten Male der ordentliche Weg der Gesetzgebung verlassen? Es werden 160 Millionen Euro ange­setzt, es gibt keine Begutachtung, es fehlen die Evaluierungs- und Transparenzbestim­mungen.

Wenn wir nur bei der Impfstoffbesorgung mit der Mittelvergabe auch so großzügig um­gegangen wären! (Beifall bei der SPÖ.) Dort, wo es nämlich wirklich essenziell ist, wo es wichtig gewesen wäre, in dem Bereich, in dem letztlich die einzige wirkliche Wirt­schaftssicherung gesehen werden kann, gab es einen Deckel bei 200 Millionen Euro. Dort wurde geknausert, und jetzt wird auch noch die Verantwortung hin und her ge­schoben und mit Anschuldigungen abgelenkt.

Zurück aber zum Digi-Fonds-Gesetz: Natürlich spricht grundsätzlich nichts gegen einen Digitalisierungsfonds. Die Mittel in diesem Fonds wurden im Finanzgesetz 2021 mit 80 Millionen Euro gebunden, weitere 80 Millionen Euro sollen jetzt im Finanzplan 2022 berücksichtigt werden. Diese Beträge beziehen sich aber nur auf den öffentlichen Be­reich. Für die Privatwirtschaft sind 50 Millionen Euro vorgesehen, und damit im Vergleich eigentlich weniger als im Vorjahr.

Gerade jetzt, gerade in Zeiten der Pandemie ist es unserer Meinung nach wichtig, die Klein- und Mittelbetriebe zu stärken, sie dabei zu unterstützen, um für den Wettbewerb


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im digitalen Bereich fit zu sein. Für diesen Bereich sollten mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden. Bei den 50 Millionen kann aufgestockt, dafür im öffentlichen Bereich zurzeit durchaus gekürzt werden. Gerade in der Privatwirtschaft braucht es diesen Digi­talisierungsschub, und wenn er innovativ sein soll, dann sollten unserer Meinung nach auch Start-ups, auch junge, innovative Ideen zum Zug kommen.

Es ist auch überhaupt nicht geklärt, wie dieser Fonds abgewickelt wird. Wir kennen die Mittelhöhe, wir kennen Überschriften, eine ungefähre Abwicklung, aber die Maßnahmen, das echte Controlling, wie evaluiert wird, das ist für uns vollkommen offen – viele Über­schriften, wenig Transparenz.

Der Aktionsplan hat auch zur Einrichtung der „Task Force Digitalisierung 2022“ geführt, und wie wir gestern im Ausschuss gehört haben, wurden bereits – ohne gesetzliche Basis, es gibt noch keinen Beschluss – Projekte ausgewählt. Bei der Befragung des Ex­perten im Ausschuss wurde auch deutlich, dass es sich um eine Zentralisierung handelt, ein Zusammenlaufen aller Daten, ein Zusammenlaufen aller Fäden im Wirtschafts- und Digitalisierungsministerium. Dort soll alles zusammenlaufen, dort ist dann die Machtkon­zentration, dort sind auch die 160 Millionen Euro, sie werden dort verantwortet.

Werte Frau Ministerin, die Verwendung dieser Mittel in der Höhe von 160 Millionen Euro ist nicht transparent und nicht nachvollziehbar. Dazu muss ich Ihnen sagen: Nach der Pleite mit dem Kaufhaus Österreich ist der Vertrauensvorschuss verspielt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)

160 Millionen Euro: Das können wir so nicht mittragen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.50


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


13.50.54

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Ich bin überzeugt, jeder von Ihnen hat schon einmal auf einem Bauernmarkt eingekauft, hat dieses Angebot genutzt, dass da unterschiedliche Produ­zenten an einem Tag auf einem Fleck zusammenkommen und man seinen Einkaufskorb mit ganz unterschiedlichen Produkten füllen kann.

Jetzt frage ich Sie, wer von Ihnen Markta kennt. Markta ist der digitale österreichische Bauernmarkt. Vom Gemüse aus Wien übers Brot aus Niederösterreich, über Joghurt und Milch aus der Steiermark bis zum Käse aus Tirol kann man dort von unterschiedli­chen Klein- und Familienunternehmen einkaufen. Man legt die Waren in den digitalen Warenkorb, am Ende gibt man seine Daten ein, man wählt einen präferierten Liefertag aus und bekommt das alles nachhaltig verpackt in einem Paket zu sich nach Hause geliefert.

Markta ist nicht nur ein ganz erfolgreiches Beispiel eines jungen, innovativen österreichi­schen Onlineanbieters, es zeigt auch sehr gut, glaube ich, was unser Anspruch bei digitalen Diensten und Anwendungen sein muss. Es geht immer darum, dass es schnell geht und rund um die Uhr verfügbar ist. Es geht darum, dass es einfach ist, dass es ganz unbürokratisch sein soll, dort etwas zu bestellen, auch wenn dahinter ein sehr ausge­klügeltes Versand- und Logistiksystem steckt. Es soll natürlich auch sicher sein, sicher für unsere Daten, und wenn Zahlungen abgewickelt werden, auch dafür eine hohe Si­cherheit bieten. Schnell, einfach, sicher – das ist es, was wir uns von digitalen Diensten erwarten. Dann bieten sie uns einen echten Mehrwert, einen echten Effizienz- und Zeit­gewinn.

Schnell, einfach und sicher – ich glaube, das ist es auch, was unser Anspruch sein muss, wenn es um die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung geht. Um genau das


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voranzutreiben und daran auf Hochtouren zu arbeiten, soll mit dem vorliegenden Gesetz­entwurf der Digitalisierungsfonds eingerichtet werden, der – wir haben es gehört – in den kommenden zwei Jahren mit jeweils 80 Millionen Euro dotiert sein wird; 80 Millionen Eu­ro pro Jahr, die dafür verwendet werden sollen, die IT-Konsolidierung voranzutreiben.

Es geht da um eine Vielzahl von im digitalen Zeitalter– erlauben Sie mir das zu sagen – fast schon historischen Systemen, die gewachsen sind und nun harmonisiert und ver­netzt werden sollen. Um beim Beispiel von Markta zu bleiben: Auch dort sind die Produ­zenten unabhängig, und man muss nicht bei jedem Produzenten seine Adresse einge­ben und dann vielleicht noch hoffen, dass das Brot gemeinsam mit dem Käse geliefert wird. Es gibt ein smartes System im Hintergrund, eine zentrale Anlaufstelle und mitein­ander gut kommunizierende Gefäße. Mit der IT-Konsolidierung ist es ganz ähnlich: Wir schaffen damit eine erhebliche Effizienzsteigerung und die Möglichkeit, um – ganz sinn­bildlich sozusagen – im Sprint durch so manches Amt zu laufen. Wir investieren damit – bitte vergessen wir das nicht! – auch ganz wesentlich in die Cybersicherheit.

Wir wollen den Digitalisierungsfonds aber auch nutzen, um Leuchtturmprojekte auf den Weg zu bringen und voranzutragen. Ein ganz aktuelles Beispiel dafür – da kann die Pan­demie ein echter Turbo sein – ist der E-Impfpass oder auch der E-Studentenausweis, bei dem es darum geht, Bürokratie an den Unis abzubauen. Es geht dabei immer darum, nicht nur analoge Dienstleistungen zu digitalisieren, sondern, ich glaube, auch darum, diese Prozesse wirklich neu zu denken, die Chance zu nutzen, mit Expertinnen und Experten, mit viel Kompetenz und Know-how vieles effizienter, unbürokratischer, einfa­cher zu machen.

So können wir Österreich wirklich auf die Überholspur bringen: von der analogen Ver­waltung über das E-Government bis hin zu einem wirklich smarten Government mit Vereinfachungen für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch mit einem großen Bürokra­tieabbau für unsere Unternehmen.

Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolle­ginnen und Kollegen zu TOP 11) Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Digitali­sierungsfonds (Digitalisierungsfondsgesetz-Digi-FondsG) erlassen wird

in der 924. Sitzung des Bunderates

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe das Beispiel von Markta nicht ganz ohne Zufall ausgewählt. Ich glaube, es kann zeigen, dass es weiterhin analoge Bauern­märkte geben kann, aber dass es eben auch eine digitale Lösung geben kann, die eine durchaus sinnvolle und wichtige Ergänzung sein kann. (Bundesrätin Schumann: ... Bau­ernmarkt! Eine Themenverfehlung!) Ich glaube, das ist sinnbildlich dafür, wie wir Digita­lisierung sehen können: digital und analog gemeinsam gut vernetzt. Markta ist meines Erachtens ein wirklich gutes Beispiel dafür, wie ein österreichisches Start-up im E-Com­merce-Bereich die Pandemie sogar als Turbo genutzt hat. Es zeigt, wie die Unter­nehmerinnen und Unternehmer in Österreich der Digitalisierung begegnen, wie sie den


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digitalen Wandel begleiten und vielfach mitgestalten. Dabei wollen wir sie natürlich auch künftig unterstützen, indem wir Anreize setzen. Mit KMU digital und der E-Commerce-Förderung haben wir erst vergangene Woche zwei erfolgreiche Vorhaben neu aufgelegt. Es stehen insgesamt 15 Millionen Euro für Digitalisierungsvorhaben in den Unterneh­men zur Verfügung.

Verwaltung und Wirtschaft: Ich glaube, da geht es nicht um ein Entweder-oder, es geht um ein Sowohl-als-auch – ein Sowohl-als-auch, bei dem es darum geht, Synergieeffekte zu nutzen, und wo es, wie ich glaube, ein gemeinsames Ziel geben kann, nämlich einen schlanken, schnellen, sicheren und smarten Staat zu fordern. Dazu bitte ich um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.57


Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung einge­brachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über die Errichtung des Digitalisierungsfonds (Digitalisierungsfondsgesetz – Digi-FondsG) erlassen wird, keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte schön.


13.57.59

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kollegen! Verehrte Zuhörer und Zuschauer vor den Bildschirmen und via Livestream! Da wir unter diesem Tagesordnungspunkt drei unterschiedliche Gesetzesmaterien behan­deln, darf ich ebenfalls vorausschicken, dass wir der Regierungsvorlage hinsichtlich der Beendigung des Abkommens der Republik Österreich und der Slowakischen Föderati­ven Republik unsere Zustimmung geben werden, und selbstverständlich werden wir un­sere Zustimmung auch der Novelle zum Maß- und Eichgesetz erteilen, da damit einfach notwendige Richtlinien und Änderungen umgesetzt werden und dieser Gesetzentwurf auch eine Verwaltungsvereinfachung bedeutet.

Wir werden aber unsere Zustimmung verwehren, wenn zum wiederholten Male ein Fonds, wie jetzt der Digitalisierungsfonds, aufgesetzt und damit wieder ein Konstrukt geschaffen wird, bei dem weder geklärt ist, wie die Abwicklung funktioniert, noch, wie die Bezug habenden Kriterien definiert sind. Klar ist nur, Frau Ministerin, dass dieser Fonds bei Ihnen angesiedelt ist und Sie im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Finan­zen über 160 Millionen Euro entscheiden – oder vielleicht schon entschieden haben, denn die Erläuterungen besagen, dass da anscheinend schon Projekte ohne gesetzliche Grundlage ausgewählt und in der Umsetzung sind. Das ist auf jeden Fall wenig vertrau­ensbildend für uns. Ich erinnere nur mit Schrecken an das Kaufhaus Österreich. – Da schaffen ja Kinder im Rahmen von Schulprojekten einen professionelleren Internetauftritt mit besserer Reichweite und vor allem einem erfolgreicheren Endergebnis! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist ja grundsätzlich nichts Negatives, dass man seitens der Bundesregierung in den nächsten zwei Jahren in den Bereich der Digitalisierung entsprechend investieren und man dazu 80 Millionen Euro jährlich bereithalten möchte. Wir befürchten nur, dass am Ende des Tages – nach zwei Jahren – zwar das Geld aufgebraucht, der Mehrwert aber überhaupt nicht erkennbar ist. Oft habe ich das Gefühl, dass die Bundesregierung und digitale Medien sich nur dann vertragen, wenn es um Inszenierung geht. Wenn aber tatsächlich damit gearbeitet werden soll, dann sieht das schon etwas kritischer aus.


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Man sieht dies ja auch am Beispiel des Impf- und Testchaos. Wir brauchen es uns ja nur zu veranschaulichen: Es ist trotz des zentralen Melderegisters anscheinend nicht mög­lich, die Anzahl der über 80-Jährigen oder der über 60-Jährigen in Österreich auszulesen und diese dann vielleicht auch noch zu informieren und – vor allem – die entsprechenden Impfdosen zur Verfügung zu stellen. Es war und ist ja anscheinend eine Herkules­aufgabe, die diesbezügliche Anzahl festzustellen. Von den Infektionszahlen will ich erst gar nicht sprechen, denn man hat ja ein ganzes Bundesland falsch ausgelesen. Wahr­scheinlich aber stelle ich mir all das im 21. Jahrhundert zu einfach vor. (Beifall bei der FPÖ.)

Was wir dieser ÖVP in Bezug auf die Digitalisierung aber zutrauen, ist ein weiterer Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte der österreichischen Bevölkerung, der mit der Imple­mentierung dieses Impfpasses einhergeht. Ich glaube, Sie haben diesen Digitalisie­rungsfonds ja damit verbunden, dass man einen Impfzwang durch die Hintertüre ein­führen kann. Vielleicht liegt der Grund, warum es noch keine klaren Kriterien gibt, darin, dass man der Bevölkerung in Österreich ein weiteres Mal türkis-grünen Sand in die Augen streut und die gesamte Ausrollung ohnedies schon lange in der Schublade hat. Das ist natürlich ein weiterer Grund, warum wir dieser Gesetzesvorlage keine Zustim­mung erteilen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

14.02


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich begrüße Herrn Bundesminister Dr. Martin Kocher in den Reihen des Bundesrates. – Herzlich willkommen!

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Fraktionsvorsitzender Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.02.22

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Herr Minister! Ich habe ein kleines Déjà-vu. Ich war ein ganz junger Bundesrat – na ja, so jung auch nicht mehr, aber es ist schon ein paar Jährchen her (Bundesrat Steiner: Ein paar Jahre hat der schon am Buckel jetzt!), in den frühen Zehnerjahren. Oppositionell, wie ich halt damals noch war (Ruf bei der FPÖ: Es war einmal und ist nicht mehr!), habe ich eine ganze Anfrageserie an die Ministerien gemacht. Wir wollten wissen: Welche Software benützt ihr? Welche Hardware benützt ihr? Wie verhandelt ihr Lizenzen? Welche Software braucht ihr? Wer hat das verhandelt? Was zahlt ihr? An welche Konzerne wird das bezahlt? – Und so weiter. (Bundesrat Stei­ner: Das ist immer noch! Ihr werdet nicht besser!) Das war damals noch die große Koa­lition ÖVP mit Kanzler Faymann und schon ein Schlamassel.

Es war ein Potpourri an Lizenzen, an unterschiedlichen Verhandlungen, an irgendwel­chen Sachen, wobei die einen andere Beträge bezahlt haben als die anderen. Es wurde nicht gemeinsam verhandelt. Das ist jetzt anders und das Gute an dem, was wir heute machen. Deswegen möchte ich den Vorwurf, der seitens der SPÖ kam, es werde jetzt zentralisiert, zurückweisen, denn man muss sagen, genau das ist notwendig, wenn man geschickt agieren möchte und eine IT-Konsolidierung auf Bundesebene haben will. Wenn man für eine Softwarelizenz zahlt, dann macht es Sinn, für alle auf einmal zu verhandeln, und nicht, dass das jedes Ministerium für sich selber macht. Deswegen möchte ich hier sagen, ich finde das, was wir heute beschließen, wirklich wichtig, richtig und gut.

Eine Kleinigkeit vielleicht noch, wenn man ein bisschen fördern will – das kann man vielleicht auch in der Taskforce sagen, und es ist ein bisschen eine Leidenschaft von mir, das gebe ich zu –: Open-Source-Software ist oft eine besonders gute Wahl, weil man damit auch sehr viele heimische Unternehmen fördern kann, die dann darauf auf­bauend Software entwickeln können.


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Eine IT-Konsolidierung zu machen, ist einfach richtig. Wenn es um E-Government geht – wir haben das im Gesundheitsausschuss diskutiert, und meine Kollegin, Frau Eder-Gitschthaler, ist da ja auch besonders aktiv –, finde ich es insbesondere wichtig, dass die Seniorinnen und Senioren nicht vergessen werden, die noch nicht diese digitalen Zugänge haben. Das ist die große Herausforderung unserer Zeit, weil wir die letzte, wirklich allerallerletzte Generation sind, die noch für beide Welten Projekte entwickeln muss. Wir brauchen für die Zukunft eine absolut fitte IT-Infrastruktur und für unsere Se­niorinnen und Senioren noch sozusagen die Welt ohne diese IT-Struktur. Ich kenne das von meiner eigenen Mutter: Wenn sie sich für die Impfung anmeldet, muss ich natürlich helfen, weil sie das alleine nicht hinkriegt. Das ist so.

Es wird nicht mehr lange dauern, so ehrlich muss man auch sein, dann werden wir alle nur noch digitale Behördenwege machen. Genau deswegen ist es so wichtig, dass das E-Government zukunftsfit gemacht wird – mit all den digitalen Erfahrungen, die wir gemacht haben. Wir wissen, wie einfache Lösungen ausschauen und wie komplizierte Lösungen ausschauen. Natürlich muss E-Government, muss der Weg zu den Behör­den – und zwar für alle, das gilt auch für die Länder und für die Gemeinden – so einfach und so einheitlich wie möglich sein.

Deswegen, finde ich, ist das Vorhaben eine gute Sache, und wir unterstützen Sie, Frau Ministerin, und das Projekt sehr gerne. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.06


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminis­terin Dr. Margarete Schramböck. – Bitte, Frau Bundesministerin.


14.06.15

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Die Digitalisierung hat uns besonders in der Covid-Krise, in dieser Pandemie geholfen. Wenn wir zurückblicken in die Zeit, als noch die spanische Grippe vorgeherrscht hat: Damals gab es das nicht. Man hatte nicht die Möglichkeiten, von zu Hause aus zu arbeiten. Die Unternehmen hatten nicht die Möglichkeit, entsprechend zu arbeiten. (Bundesrat Stei­ner: Das ist aber jetzt eine Zeit lang her!) – Ja, das ist eine Zeit lang her, da haben Sie vollkommen recht, aber gleichzeitig hat es gezeigt, welchen Fortschritt wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten gemacht haben – und das in den unterschiedlichen, in allen Bereichen.

Deshalb ist es jetzt so wichtig, dass wir in der Digitalisierung den Bereich der Verwaltung weiter voranbringen, aber natürlich auch den gesellschaftlichen Aspekt nicht vergessen, alle auf diese Reise mitzunehmen, niemanden zurückzulassen, entsprechende Schwer­punkte zu setzen und natürlich auch die Wirtschaft zu unterstützen.

Die Digitalisierung macht Österreich resilienter, nicht nur die produzierenden Leitbetrie­be, sondern auch die KMUs und EPUs. Sie macht die kleinen Unternehmen und unsere Verwaltung krisenfester und resilienter, darum ist es so wichtig, dass wir weiterhin ge­meinsam an diesem Thema arbeiten.

Digitale Verwaltung ist für mich ein Schlüssel, um es den Unternehmen einfacher zu machen und vor allem den KMUs den Zugang zu erleichtern, ihnen auch Bürokratie ab­zunehmen, die es natürlich – in jedem Staat Europas – gibt. Mit der Digitalisierung kön­nen wir helfen, dass diese weniger wird. Damit können wir Dinge auch entsprechend vereinfachen.

Was haben wir in den letzten Jahren geschafft? – Das haben wir ja mit der FPÖ begon­nen, die sich dann mit Ibiza selbst aus der Regierung geschossen hat. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Wir haben dann mit unserem neuen Koalitionspartner weitergemacht (Bun­desrat Steiner: Bussi, Bussi! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ) und es betreffend das


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Thema Verwaltung geschafft (anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ), dass wir in Europa auf Platz 3 im Bereich der digitalen Verwaltung liegen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Bussi, Bussi, Bussi!)

Wir sind auf Platz 3, nur Estland und Malta sind besser als wir. Wir haben es auch ge­schafft, gemeinsam einen Grundstein für Dinge zu legen, die weitergeführt wurden, zum Beispiel oesterreich.gv.at. Ich möchte mir nicht vorstellen, wo wir stehen würden, wenn wir in dieser Krise keine zusammengefasste und konzentrierte Kommunikation gehabt hätten. So konnten wir die unterschiedlichen Informationen zur Verfügung stellen. Ich möchte Ihnen einen entsprechenden Bericht geben: In den letzten zwei Jahren gab es 142 Millionen Seitenaufrufe auf oesterreich.gv.at. Es gab eine massive Anzahl von Wahlkartenbeantragungen – etwa 50 000 – und auch das Digitale Amt im mobilen Be­reich wurde ganz intensiv genutzt. (Bundesrat Steiner: Wie läuft’s beim Krankenhaus? ...! Österreich eine Erfolgsgeschichte?!)

Wenn wir uns anschauen, wie viele Menschen, die Internetzugang haben, digitale Ver­waltungsabläufe nutzen, so liegt der Durchschnitt in der EU bei 55 Prozent: Menschen, die Internet nutzen, nutzen zu 55 Prozent digitale Verwaltungswege. In Österreich liegt dieser Wert bei 70 Prozent. Wir haben vor allem im mobilen Bereich einen großen Zu­wachs über das Digitale Amt, das wir entsprechend weiterentwickeln.

Wenn wir nun zum Digitalfonds, den Sie auch angesprochen haben, kommen, so kann ich Ihnen versichern, dass die Abwicklungskriterien sehr klar definiert sind. Sie können auch gerne Nachfrage bei uns halten: Sie sind genau, im Detail definiert. Ebenso genau definiert ist, wie Einvernehmen herzustellen ist, und zwar nicht nur mit dem Finanzminis­terium. Natürlich sind zwei weitere Ministerien dabei, das BMK und das Bundeskanzler­amt. Diesbezüglich ist ein sehr, sehr klarer Prozess definiert.

Über das Budget haben Sie übrigens damals, als die Budgetvergabe war, schon ent­schieden. Das heißt, es ist vollkommen transparent. Wir sind sogar – das war auch mein Ziel – einen Schritt weiter gegangen, dies transparenter zu machen, als es normaler­weise ist, und haben die Taskforce eingerichtet, um Ihnen ersichtlich zu machen, welche Kriterien wir anwenden.

Was ist ein wichtiges Kriterium? – Ein wichtiges Kriterium ist, dass es ressortübergrei­fende Projekte sind. Aus dem Digitalfonds kann nur eine Finanzierung für Projekte abge­rufen werden, die ressortübergreifend sind. Zweitens ist es auch wichtig, dass Dinge, die dort entwickelt werden, wiederverwendet werden. Das heißt, wir wollen die Silos zwi­schen den Bundesministerien etwas niederreißen, indem wir sagen: Wenn Gelder aus diesem Digitalfonds genutzt werden, sind Dinge, die in einem Ministerium entwickelt wer­den, auch den anderen Ministerien zur Verfügung zu stellen.

Die Infrastruktur zu vereinheitlichen ist ein langfristiges Projekt, das es gilt, breiter voran­zutreiben. Die Verwaltungsabläufe sind auch abzusichern, um letztendlich damit den Dienstleistungscharakter der Verwaltung den Unternehmen gegenüber zu verbessern. Es ist wichtig, dass vor allem unsere österreichischen KMUs leichteren Zugang bekom­men und es einfacher haben. Eines der diesbezüglich wichtigsten Projekte wird das Once-only-Projekt sein: Daten müssen nur einmal zur Verfügung gestellt werden. Auch daran haben Sie schon mitgearbeitet, um den entsprechenden rechtlichen Rahmen zu schaffen.

Es ist wesentlich, dass wir in diesen Dingen nicht stehen bleiben. Es hat sich auch ge­zeigt, dass wir es in den letzten zwei Jahren in der digitalen Verwaltung geschafft haben, von Platz sechs auf Platz drei im europäischen Ranking nach vorne zu kommen. Das zeigt, dass es sich auszahlt.

Ich möchte noch auf eine Analyse hinweisen: Im E-Government-Monitor, in dem Deutsch­land, die Schweiz und Österreich verglichen werden, liegt Österreich weit voran. Ich


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gebe Ihnen ein Beispiel: In Deutschland verwenden nur 45 Prozent aller Menschen, die ihren Finanzabschluss, also ihren Steuerausgleich machen, ein Onlinetool, bei uns sind es 75 Prozent.

Wichtig ist also, diese Themen weiter voranzutreiben. Ich lade Sie herzlich ein, uns zu diesem Digitalisierungsfonds Fragen zu stellen und direkt mit uns in Kontakt zu treten, sodass Sie noch mehr Einblick bekommen. Das Digitalisierungsfondsgesetz hat das Ziel, noch größere Transparenz zu schaffen. Wir hätten es auch einfach im Budget beschlie­ßen und dann entsprechend umsetzen können, das haben wir nicht getan. Mir ist es wichtig, dass Sie wissen, dass wir die Arbeit in diesem Bereich weiter stark vorantrei­ben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.13


14.13.36

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Ich ersuche, die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Digitalisierungsfondsgesetz erlassen wird.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag ist damit abgelehnt.

Ein Beschluss des Bundesrates ist somit nicht zustande gekommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2021 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Beendigung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen in der Fassung des Notenwechsels vom 22. Dezember 1993 und 14. Jänner 1994.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

14.15.5314. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Arbeitsrecht in der Land- und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz 2021) erlassen wird sowie das Behinderten-Einstellungsge­setz, das Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsge­setz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geändert werden (687 d.B. und 734 d.B. sowie 10575/BR d.B. und 10586/BR d.B.)



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Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen damit zum 14. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. Ich ersuche sie um die Berichterstattung. – Bitte.


14.16.19

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Andrea Holzner: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher zu Hau­se vor den Bildschirmen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Arbeitsrecht in der Land- und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz 2021) erlassen wird sowie das Behinderten-Einstellungsgesetz, das Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geän­dert werden.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Des Weiteren bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März - -


Präsident Mag. Christian Buchmann: Frau Bundesrätin, wir behandeln Tagesord­nungspunkt 14 als einzelnen Tagesordnungspunkt. – Danke jedenfalls für die Berichter­stattung.

Wir gehen damit in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Kollege.


14.17.41

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Wer­ter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vom Land- und Forstarbeiter über den Gartenbaulehrling bis hin zur Pferdefacharbeiterin, vom Berufsjäger über den Fischereifacharbeiter bis hin zum Dienstnehmer – ich lasse das Gendern jetzt weg – in Obst- und Weinbaubetrieben, vom Landwirtschaftsmeister an einer Schule über den Mitarbeiter im Nationalpark bis hin zu den zahlreichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in den landwirtschaftlichen Genossenschaften – diese Leistungsträger gehören alle der Landarbeiterkammer in den jeweiligen Bundesländern an.

Nur in Wien und im Burgenland hat der Landesgesetzgeber keine Landarbeiterkammer errichtet. Es ist mir, glaube ich, nicht entgangen, dass gerade in Wien und im Burgenland die Bereiche Obst- und Weinbau sehr stark bewirtschaftet werden. Vertretungsmäßig werden diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leider nicht über die Landarbeiterkammer versorgt. – Vielleicht über die Metaller- oder Baugewerkschaft, wie auch immer.

Mit dem neuen Landarbeitsgesetz gehört Österreich zu den internationalen Vorreitern. Mit diesem Gesetz werden einheitliche Arbeitsbedingungen geschaffen und Ungerech­tigkeiten beseitigt. Es betrifft ja immerhin rund 35 000 Dienstnehmerinnen und Dienst­nehmer, die jeden Tag harte und unersetzliche Arbeit für unsere Lebensmittelversorgung oder die Landschafts- und Tierpflege in den rund 162 000 landwirtschaftlichen Betrieben leisten. Mit der vollzogenen Bündelung und Vereinheitlichung von unzähligen Regelun­gen und Vorschriften gibt es in Zukunft nicht mehr um die 100 Verordnungen, sondern lediglich 20. Das ist ein Meilenstein für die Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft und beispielgebend für das gesamte österreichische Arbeitsrecht.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 97

Geregelt werden ab dem 1. Juli 2021 unter anderem zulässige Arbeitszeiten, Urlaubs- und Entgeltansprüche, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Bundesrätin Schar­tel: Das stimmt nicht!), die volle Anrechnung der Elternkarenz und alle dienstzeitabhän­gigen Ansprüche und Maßnahmen zum Arbeitnehmerschutz sowie die Errichtung von Betriebsräten.

Eine wesentliche Neuerung stellt die Möglichkeit von Arbeitgeberzusammenschlüssen dar. Das Projekt der Arbeitgeberzusammenschlüsse ist 2017 bei einem Sozialpartner­gipfel gestartet worden. Damit wird für die bäuerlichen Betriebe die gesetzliche Grund­lage dafür geschaffen, dass sie Arbeitnehmer in Zukunft gemeinsam beschäftigen kön­nen. Dies ist ein wichtiges Instrument, um langfristige Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen und auch die Attraktivität in diesen Bereichen zu erhöhen.

Die neuen Rahmenbedingungen ermöglichen es, dass Dienstnehmerinnen und Dienst­nehmer zum Beispiel im Winter im Forst, im Frühjahr und im Sommer im Gemüsebau und im Herbst im Weinbau in unterschiedlichen Betrieben tätig sind. Damit sollte es zukünftig einfacher werden, das heimische Arbeitskräftepotenzial anzusprechen. Durch die Arbeitgeberzusammenschlüsse sollen mehr ganzjährige Arbeitsverhältnisse und nachhaltige Jobs im ländlichen Raum geschaffen werden. Land- und forstwirtschaftliche Betriebe unterliegen genauso wie alle anderen Betriebe dem Wettbewerb, und durch die Betriebszusammenschlüsse werden land- und forstwirtschaftliche Betriebe wettbe­werbsfähiger.

Die Landarbeiterkammer ist aber auch Interessenvertretung für Erntehelfer aus dem Ausland. Eine Informationskampagne vonseiten der Landarbeiterkammer wird durchge­führt, um die ohnehin leidgeprüften Erntehelfer in ihren Landessprachen bestmöglich über ihre Rechte und Pflichten zu informieren. Um möglichen unlauteren Methoden – wir hörten im Vorjahr von ein paar Fällen, die das Image der gesamten Erntehelfer und de­ren Arbeitgeber in der breiten Öffentlichkeit stark belasteten – entgegenzuwirken, wer­den effektive und effiziente Kontrollen, die auch schon bisher stattgefunden haben, durch höhere Kontrolldichte verstärkt. Die Landarbeiterkammer ist diesbezüglich gut aufge­stellt, braucht also keine medialen Zurufe von außen. (Bundesrat Schennach: Die Landwirtschaftsministerin sieht das ...!)

Abschließend: Das Gesetz ist eine Verbesserung für die Arbeitnehmer, für die Arbeitge­ber und eine Verbesserung für den Standort Österreich. Wir alle wollen, dass die Ver­sorgung mit regionalen Kostbarkeiten und Dienstleistungen durch motivierte und enga­gierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesichert ist. – Glück auf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.23


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster ist Herr Bundesrat Horst Schach­ner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.


14.23.52

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Du hast jetzt schon sehr viel angesprochen, Ernstl. Stimmt, es sind auch Verbesserungen drin­nen, aber über die Erntehelfer kann ich dir sagen: Du wirst in Österreich nicht leicht einen Erntehelfer finden, die kommen alle aus Drittstaaten. Sogar in der EU wirst du nicht leicht einen Erntehelfer finden, denn sie werden – jetzt sage ich es dir einmal ganz salopp – bei uns in Österreich nicht gut behandelt.

Wenn ich mir den Entschließungsantrag anschaue, den wir jetzt Gott sei Dank alle gemein­sam, den alle Fraktionen unterstützen, muss ich sagen: Dass wir im 21. Jahrhundert da­rüber reden müssen, dass es für Menschen, die bei uns arbeiten, Wasser geben soll, ist doch einfach traurig. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie der Bundesrätin Schwarz-Fuchs.)


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 98

Wir haben neun Landarbeitsgesetze gehabt, und ich finde es gut, dass wir das jetzt in einem Gesetz zusammengefasst haben, das für alle Bundesländer gilt. Trotzdem muss man da auch Kritik anbringen. Wenn ich daran denke, dass in diesem neuen Gesetz noch immer steht, dass die Landarbeiter mehr als 10 Stunden am Tag arbeiten dürfen und dass sie mehr als 50 Stunden in der Woche arbeiten dürfen, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Da stimmt doch etwas nicht! Da hat man einfach auf die Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer, die da arbeiten sollen, vergessen. (Beifall bei der SPÖ.)

Tatsache ist, und du hast es vielleicht eh schon angesprochen, dass es eine durchwegs körperlich anstrengende Arbeit ist, die nicht leicht zu machen ist. Tatsache ist ebenso, dass es eine wichtige Arbeit für die Versorgungssicherheit bei uns ist, damit wir eben tagtäglich frisches Gemüse und Obst auf unseren Tisch kriegen. Die dritte Tatsache ist, dass die Arbeit vielfach nicht von Österreicherinnen und Österreichern und auch eher nicht von EU-Bürgern gemacht wird, sondern dass in Wirklichkeit Leute aus Drittstaaten kommen.

Ich bin lang genug Sozialpartner, und ihr könnt mir glauben, wir haben bei uns in der Steiermark oft darüber diskutiert, wie wir das mit den Erntehelfern machen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als einmal gleichzeitig Apfelernte und Weintraubenernte war. Dann hat man sich zusammensetzen müssen und hat gesagt, wir brauchen auf einmal 2 000 Erntehelfer mehr. Dann sind wir draufgekommen, dass es eigentlich darum gegangen ist, dass man die Leute nur geringfügig beschäftigt und was weiß ich was alles. Wir haben dann gesagt, okay, ihr könnt 2 000 Erntehelfer ohne Weiteres haben, dann müsst ihr sie aber für 8 Stunden am Tag beschäftigen, damit sie auch ordentlich bezahlt werden, damit sie ein ordentliches Auskommen haben, wenn sie da arbeiten müssen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

Traurig finde ich auch Folgendes: Die portugiesische Ratspräsidentschaft hat vorge­schlagen, dass Agrarförderungen nur dann gegeben werden sollen, wenn soziale und Arbeitnehmerrechte eingehalten werden. Ich glaube, das kann nur in unserem Sinne sein, dass sie eingehalten werden, so kommt man nämlich nicht in irgendwelche Sozial­dumpinggeschichten hinein, die es oft in anderen Branchen, in der Baubranche zum Beispiel, gibt. Dann geht aber unsere Agrarministerin her und sagt mit fadenscheinigen Ausreden: Nein, das brauchen wir nicht! – Das ist also dann nicht beschlossen worden, und das, finde ich, ist eine Frechheit, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Für mich sind Politiker, die gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft sind, landwirtschaftsfeindlich. So wie dieses Gesetz gemacht worden ist, schaut es so aus, dass sie einfach vergessen worden sind. Es ist, wie ich schon gesagt habe, traurig, dass man heutzutage so einen Entschließungsantrag einbringen muss, aber ich möchte ihn jetzt einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Horst Schachner, Ernest Schwindsackl, Michael Bernard, Andreas Lackner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Zurverfügungstellung von Trinkwasser für Erntehelferinnen und Erntehelfer auf auswärti­gen Arbeitsstätten und Feldern durch den Arbeitgeber“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, die Sozialpartner damit zu beauftragen, dass im Zuge der zu erlassenden Arbeitsstättenverordnung für die Land- und Forstwirt­schaft (LF AStV) die Zurverfügungstellung von Trinkwasser auf Feldern bzw. auswärti­gen Arbeitsstätten durch den Arbeitgeber sichergestellt wird.“

*****


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 99

Wie gesagt, es ist traurig, hier herinnen darüber reden zu müssen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

14.28


Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Horst Schachner, Ernest Schwindsackl, Michael Bernard, Andreas Lackner, Dr. Karl-Arthur Arlamovksy, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „die Zurverfü­gungstellung von Trinkwasser für Erntehelferinnen und Erntehelfer auf auswärtigen Ar­beitsstätten und Feldern durch den Arbeitgeber“ ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.

Als Nächster ist Dr. Johannes Hübner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.29.04

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es ist natürlich traurig, wenn solche Anträge eingebracht werden müssen, da gebe ich Ihnen recht. Ich wage auch, zu bezweifeln, dass das ein echtes Problem ist, dass die Leute auf den Feldern Durst leiden, dass sie nicht in der Lage sind, das zu organisieren, oder dass die Auftraggeber ihnen das nicht geben.

Wir werden aber auch diesem Antrag der SPÖ zustimmen, sicherheitshalber, wenn­gleich ich der Meinung bin, dass das doch ein bisschen zu weit geht, den Leuten hier in Österreich vorzuschreiben, dass sie Trinkwasser zur Verfügung stellen müssen. Ich glaube, so unterentwickelt sind weder unsere europäischen – oder meinetwegen, soll sein, außereuropäischen – Erntehelfer noch unsere Bauern und Bäuerinnen, wie Sie sa­gen würden. (Bundesrätin Grimling: ... Gründe, warum ...!)

Zum Hauptantrag selbst, dem wir auch zustimmen werden: Das ganze Problem, und das hat auch der Kollege vor mir angeschnitten, ist natürlich die extrem schlechte Bezahlung dieser Gruppe. Das beruht auf dem gigantischen Kostendruck, der in dieser Branche besteht; und das beruht auf dem nach meiner Ansicht und nach Ansicht meiner Fraktion völlig verfehlten Konzept des gemeinsamen Agrarmarktes, wo kleine und mittlere Bauern teilweise in Nichtgunstlagen mit den Bestproduzenten in Frankreich, Norddeutschland, Spanien und so weiter produzieren müssen.

Dieser Kostendruck ist kein rein österreichisches Phänomen. Das haben wir auch in Spanien und Italien, wo ja auch nicht die Einheimischen Tomaten, Gemüse und derglei­chen produzieren, sondern teilweise illegale, teilweise legale, aber jedenfalls katastro­phal untergebrachte, versorgte und bezahlte Arbeitskräfte.

Das ist ein Riesenproblem. Wir können es hier im Bundesrat nicht lösen, aber wir müs­sen uns des Problems bewusst sein. Wir müssen auch wissen, dass derzeit bereits 50 Prozent des bäuerlichen Einkommens nicht durch Verkauf erwirtschaftet, sondern als Förderungen bezogen wird. Das zeigt, wie pervertiert und aus dem Ruder geraten dieses ganze Förderungssystem ist und wie weit wir von der im Fernsehen propagierten sinnvollen Regionalisierung entfernt sind. Dabei wäre eine sinnvolle Regionalisierung, die ja im Bereich der Landwirtschaft wie bei keinem anderen Wirtschaftszweig stattfinden könnte, das Gebot der Stunde.

Abschließend vielleicht: Dieses Gesetz, das wir heute nicht beschließen, gegen das wir aber keinen Einspruch erheben werden, zentralisiert Materien, nimmt also den Ländern gesetzgebende Kompetenzen weg, ist daher nicht unbedingt föderalistisch ausgelegt. Gerade die Landwirtschaft – die ja ebenso wie die Forstwirtschaft regional sehr gebun­den ist, weil man Felder, Wälder und Weingärten nicht von einem Land ins andere ver­bringen kann – würde natürlich regionale Gesetze, sprich Landesgesetze zulässig ma­chen. Allerdings ist der Wildwuchs an Gesetzen insgesamt so groß, dass wir der Mei­nung sind, diesen einen Zentralisierungsschritt mittragen zu können. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.32



BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 100

Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Lack­ner. – Bitte schön.


14.32.09

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Lie­ber Horst! Meine Erntehelfer kommen aus meinem Nachbarbezirk, nämlich aus dem be­nachbarten Slowenien. Ich weiß schon, Slowenien ist kein Bezirk, aber gleich bei mir in der Nähe.

In ungefähr zwei Wochen ist es so weit, da werde ich mit der Salaternte daheim be­ginnen, und beim Salat läuft alles sehr komprimiert ab. Da ist innerhalb von wenigen – maximal zehn – Tagen die ganze Ernte einzubringen, und das lässt sich nur mit der eigenen Familie natürlich nicht machen. Ich bin daher wie viele andere Betriebe im gan­zen Land auf fremde Hilfe, auf Arbeitskräfte von außerhalb meiner Familie angewiesen. Nur mit deren Unterstützung kann ich und können viele in der Landwirtschaft ihre Ernte überhaupt erst einfahren.

LandarbeiterInnen und ErntehelferInnen sind essenziell wichtig. Ohne sie könnte uns allen beispielsweise Obst und Gemüse nicht zur Verfügung gestellt werden. Sie verdie­nen daher unseren Respekt und vor allem gute und faire Arbeitsbedingungen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Mit diesem neuen Bundesgesetz, dem Landarbeitsgesetz 2021, ist es gelungen, neun länderspezifische Regelungen in eine bundeseinheitliche Regelung zu vereinen, und die bringt ganz klare Verbesserungen – sowohl für die bäuerlichen Betriebe als auch für die ArbeitnehmerInnen.

Die Möglichkeit, Arbeitgeberzusammenschlüsse zu bilden, ist gerade für kleinere Betrie­be ein großer Fortschritt, denn gerade die – und ich spreche aus eigener Erfahrung – stießen bisher immer mehr an ihre Grenzen, wenn es darum ging, Hilfe von außen zu bekommen. Wenn man nur zwei- oder dreimal die Woche für ein paar Stunden jemanden benötigt, ist es eben schwierig, fixe Mitarbeiter zu beschäftigen, und es ist natürlich auch für die Beschäftigten unattraktiv.

Nun gibt es die Möglichkeit, sich mit mehreren Betrieben zusammenzutun und gemein­sam MitarbeiterInnen zu beschäftigen. Das wird mit Sicherheit eine große Entlastung für kleinere Familienbetriebe bringen, die bisher oft bis zum Anschlag selbst gearbeitet haben, weil eben die Anstellung einer Arbeitskraft nur für den eigenen Betrieb wirtschaft­lich unmöglich war.

Mit den Arbeitgeberzusammenschlüssen wird für viele ArbeitnehmerInnen aber auch erstmals eine Kontinuität geschaffen, indem es durchgängigere Beschäftigungsverhält­nisse, durchgängigere Einkommensverhältnisse und damit auch eine bessere soziale Absicherung gibt. In Summe stellt die Möglichkeit von Arbeitgeberzusammenschlüssen einen wichtigen und guten Schritt dar, den wir sehr begrüßen.

Das neue Gesetz bringt auch einige Verbesserungen, was die Arbeitsstandards, die Ar­beitsrechte von Beschäftigten in der Landarbeit betrifft. Die Wochenendruhe wird auf 36 Stunden erhöht, die 12. Arbeitsstunde ist immer freiwillig, und es gibt eine bundes­weite Regelung, was Arbeitsspitzen betrifft. Diese müssen besonders definiert sein, es kann beispielsweise nicht die gesamte Erntezeit als Arbeitsspitze gelten.

Es ist bezüglich der Arbeitgeberzusammenschlüsse auch klar festgelegt, dass unabhän­gig davon, in welchem Beschäftigungsverhältnis der oder die Person ist, auf jeden Fall immer der beste, der günstigste Kollektivvertrag gilt, sodass eine Verschlechterung un­zulässig ist.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 101

Im europäischen Vergleich hat Österreich damit ausgehend von vergleichsweise hohen Standards noch einmal nachgebessert. Wichtig für die Konkurrenzfähigkeit der heimi­schen Landwirtschaft ist es daher, dass auch in anderen europäischen Ländern zumin­dest die bestehenden Mindeststandards eingehalten werden. Wir österreichischen Grü­nen unterstützen daher auch die Initiative der Grünen und der Sozialdemokraten im EU-Parlament, dass die Einhaltung der geltenden Mindeststandards eine Voraussetzung für den Erhalt von GAP-Fördergeldern darstellen soll.

Gerade Österreich mit seiner kleinstrukturierten Landwirtschaft und mit vergleichsweise hohen Standards würde sehr davon profitieren, wenn da entschlossener und effektiver – und die Streichung von Fördergeldern wäre durchaus effektiv – gegen Zustände, wie wir sie beispielsweise aus Spanien und Süditalien kennen, vorgegangen würde. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

14.37


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Kocher. – Bitte, Herr Minister.


14.37.18

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Meine sehr geehrten Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates! Hohes Haus! Es ist natürlich weiterhin insgesamt eine schwierige Situation am Arbeitsmarkt. Es gibt viele Akutmaßnahmen, die von uns zu treffen sind und die uns auch in nächster Zeit beschäftigen werden. Es geht aber auch darum, in gewissen Branchen insgesamt die Rahmenbedingungen zu verbessern und bessere Voraussetzungen für Beschäftigung zu schaffen.

Ein Bereich, in dem es den Bedarf nach einer Reform gegeben hat, ist der Bereich der Landwirtschaft und des Landarbeitsrechts. Den Status quo haben schon einige Redner angesprochen. Ich wiederhole es noch einmal ganz kurz: Es gab eine Bundesgesetzge­bung, neun Ausführungsgesetze der Länder und 100 Verordnungen. Es gab damit recht­liche Unsicherheiten, insbesondere bei Betrieben, die am Rand von Ländern oder über Ländergrenzen hinweg tätig waren. Es gab eine Reihe von bürokratischen Hürden und auch unfaire unterschiedliche Regelungen in den verschiedenen Bundesländern, was die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrifft.

Am 1. Juli soll nun das einheitliche Landarbeitsgesetz in Kraft treten und diese Landar­beitsordnungen ablösen. Die 100 Verordnungen werden auf ungefähr 20 reduziert.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich ganz herzlich bei allen, die mitgearbeitet ha­ben, zu bedanken. Es ist eine Reihe von Abgeordneten, die mitgearbeitet haben, es sind die Sozialpartner, die Landarbeiterkammer, aber natürlich auch das Arbeitsministerium. Die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen war angesichts der komplizierten Lage nicht ganz einfach, und ich bedanke mich ganz herzlich bei der Sektion für diese Vorar­beiten. (Allgemeiner Beifall.)

Es profitieren davon, auch das ist schon genannt worden, rund 30 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Bereich und insgesamt potenziell 160 000 Betriebe.

Was bringt das neue Gesetz? – Erstens eine deutliche Vereinfachung bei der Verwal­tung und Entbürokratisierung; zweitens die auch schon angesprochenen Arbeitgeberzu­sammenschlüsse, die es erlauben, gemeinsam Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzustellen und damit auch mehr Sicherheit und flexiblere Möglichkeiten zu schaffen, auch ganzjährige Anstellungen zu ermöglichen. Gerade in einer saisongeprägten Bran­che ist das ein großer Vorteil, wenn es darum geht, attraktive Arbeitsplätze bereitzu­stellen.

Was noch nicht ausführlich angesprochen wurde, aus meiner Sicht auch ein wichti­ger Aspekt des neuen Gesetzes, ist eine verbesserte und einheitliche Gestaltung der


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 102

Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vereinheitlicht wurden zum Beispiel der Papamonat, die Anrechnung der Elternkarenz auf alle dienstzeitabhängigen Ansprüche und der Anspruch auf Pflegekarenz. Damit gibt es klare, österreichweite Regelungen und auch Verbesserungen für die Beschäftigten in diesem Bereich.

Gerade für kleine Betriebe in stark saisonabhängigen Branchen und Bereichen bietet das neue Gesetz Möglichkeiten, bessere Planbarkeit, und es schafft potenziell auch zu­sätzliche Arbeitsplätze, die nachhaltig sind.

Alles in allem, glaube ich, ist das ein schönes Reformpaket, das für beide Seiten Vorteile bringt, sowohl für die Betriebe als auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. – Vie­len Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.40


14.40.53

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist damit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Horst Schachner, Ernest Schwindsackl, Michael Ber­nard, Andreas Lackner, Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „die Zurverfügungstellung von Trinkwasser für Ern­tehelferinnen und Erntehelfer auf auswärtigen Arbeitsstätten und Feldern durch den Ar­beitgeber“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen. (340/E-BR/2021)

14.42.0315. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsverfassungsge­setz, das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallver­sicherungsgesetz geändert werden (1301/A und 735 d.B. sowie 10587/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist erneut Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. – Ich ersuche jetzt um den Bericht zu TOP 15.


14.42.27

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Andrea Holzner: Jetzt aber wirklich: Ich bringe den Be­richt des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeits­vertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Dienstnehmer­haftpflichtgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 103

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.


14.43.24

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Lieber Herr Ar­beitsminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim via Livestream! Innovativ, fortschrittlich und auf Augenhöhe – das ist das neue Homeofficepaket, mit dem wir sehr schön und sehr praxisnah zeigen, dass in jeder Krise große Zukunftschan­cen stecken.

Obwohl der Begriff Telearbeit bereits seit den 1990er-Jahren im deutschsprachigen Raum herumgeisterte, ist sie nicht wirklich ins Laufen gekommen. Telearbeit hatte auch nach der Finanzkrise 2008 nur sehr wenig praktische Relevanz. Das hat sich jetzt mit der Coronakrise ganz schlagartig geändert: Von 3,5 Millionen Erwerbstätigen haben im vergangenen Jahr im dritten Quartal 700 000 Menschen, Dienstnehmer im Homeoffice gearbeitet. Es sind wahrscheinlich im darauffolgenden Lockdown im November noch deutlich mehr geworden.

Das Homeoffice hat also seinen Höhepunkt erreicht, und auch Skeptiker konnten erle­ben, dass Arbeitsdisziplin, Produktivität und auch der Erwerb neuer Fähigkeiten von beiden Seiten, von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, mehrheitlich als positiv bewertet wurden. Auch die Zeitersparnis durch den Wegfall des Wegs zum Arbeitsplatz wurde von vielen Dienstnehmern als äußerst positiv hervorgehoben, da sie dadurch mehr Zeit für die Familie hatten. Kurzum: Homeoffice ist voll in unserer Arbeitswelt angekommen und wird uns auch über die Krise hinaus erhalten bleiben.

Heute beschließen wir den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Teil des Home­officepaketes, nachdem wir den steuerrechtlichen Teil bereits in der vergangenen Sit­zung beschlossen haben. Ich möchte deshalb auch noch auf ein paar Punkte des neuen Gesetzes genauer eingehen.

Die neue Homeofficeregelung sieht vor, dass Homeoffice weiterhin freiwillig bleibt, es ist also Vereinbarungssache zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das Homeoffice kann aus wichtigen Gründen beendet werden. Da gibt es eine Kündigungsfrist von einem Monat.

Auch im Homeoffice gelten die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeits­ruhegesetzes. Unfälle im Zusammenhang mit dem Homeoffice sind Arbeitsunfälle. Wenn man also am Morgen sein Kind in die Schule oder in den Kindergarten bringt, gelten diese Wegunfälle auch als Arbeitsunfälle.

Für Arbeitsmittel hat prinzipiell der Arbeitgeber zu sorgen. Tut er das nicht, steht dem Dienstnehmer eine angemessene Pauschale zu. Damit stellen wir sicher, dass das Homeoffice zu keiner zusätzlichen finanziellen Belastung für unsere Beschäftigten wird.

Die Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes gelten auch im Homeoffice, sind auch dort anzuwenden. Wenn also Familienmitglieder oder das eigene Haustier einen Schaden an dem vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel anrich­ten, sind diese auch versichert. All diese Regelungen gelten ab 1. April, das heißt ab übermorgen.

Da wurde ein Regelwerk geschaffen, um Arbeitnehmern und Arbeitgebern gleicherma­ßen mehr Planungssicherheit und Flexibilität bezüglich der Arbeitserbringung zu ge­währleisten. Es geht also auf die Bedürfnisse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 104

Da hat die Sozialpartnerschaft wieder einmal sehr gute Arbeit geleistet und zu einer ge­meinsamen Lösung beigetragen. Auch die Opposition, insbesondere die Sozialdemokra­tie mit Gewerkschaft und Arbeiterkammer hat da wirklich wichtigen Input geleistet, der sich teilweise auch im Gesetz widerspiegelt. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Schartel.)

Wie das immer bei neuen Regelungen ist, muss man diese zuerst eine Zeit lang in der Praxis erproben, nach einer gewissen Zeit evaluieren und da und dort vielleicht auch nachschärfen und verfeinern; und das wird, wie unser Arbeitsminister schon zugesichert hat, bereits nächstes Jahr der Fall sein. Da werden wir diese Maßnahmen nochmals evaluieren.

Vielleicht findet sich bis dahin auch eine Lösung zur Betriebsstättenproblematik für Grenzgänger, damit diese bei einem Homeofficeanteil von über 25 Prozent der Arbeits­leistung keine sozialversicherungsrechtlichen Probleme bekommen. Das würde speziell für Vorarlberg sehr wertvoll sein, da dort besonders viele Grenzgänger beschäftigt sind.

Wir schaffen heute für das Homeoffice jedenfalls einen guten gesetzlichen Rahmen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: innovativ, fortschrittlich und auf Augenhöhe. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

14.48


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächste Rednerin ist Frau Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.48.30

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Heute fällt der Startschuss für das neue Homeofficepaket. Mit der heutigen Rege­lung schaffen wir es – endlich, möchte ich sagen –, eine lang angekündigte Homeoffice­regelung gesetzlich zu verankern. Es hat ein Jahr Pandemie gebraucht, um eine Lösung für das Homeoffice zustande zu bringen, und jetzt wird diese mit der Abstimmung im Bundesrat endlich Realität.

Es ist uns noch gut in Erinnerung: Bereits letztes Jahr nach dem Sommer und auch hier im Bundesrat hat Frau Bundesministerin Aschbacher bekannt gegeben, dass es eine Regelung geben wird. Am 18. September begannen dann die ersten Gespräche mit den Sozialpartnern. Im Vorfeld haben sich die Sozialpartner erfolgreich auf die neuen Rah­menbedingungen geeinigt – wieder, wie so oft in dieser Pandemie, ein großer Erfolg der Sozialpartnerschaft. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grü­nen.)

Obwohl die Einigung schon vor Weihnachten erfolgte, stand das Finanzministerium sehr lange auf der Bremse. Das Paket der Sozialpartner drohte noch einmal aufgeschnürt zu werden. Erst nach einem Aufschrei der Gewerkschaften und der Arbeiterkammern gab das Finanzministerium die Blockadepolitik auf. Am Ende des Tages konnte ein wirklich gutes Paket für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch für die Arbeitgeber erreicht werden.

Ich brauche die einzelnen Punkte jetzt wirklich nicht mehr aufzuführen. Frau Bundesrätin Eder, Sie haben das so wunderbar beschrieben – ersparen wir uns die Zeit. Trotzdem würde ich ganz gerne noch auf ein paar Punkte eingehen, die im Zusammenhang mit dem Thema Homeoffice ganz wesentlich sind.

Ich darf mit dem Schlagwort beginnen: Mit Betriebsrat fahren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch im Homeoffice besser. Es ist ein riesengroßer Vorteil für Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, in Unternehmen mit Betriebsrat zu arbeiten, denn Home­office kann in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden – auch was zum Beispiel die


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Themen Geräte- und Netzwerksicherheit, Kontrolle und so weiter anbelangt. Das bringt zusätzliche Vorteile. Hintergrund ist, dass es in Betrieben mit Betriebsrat bessere und transparentere Lösungen für alle gibt. Das hat sich in der Coronapandemie nicht nur beim Thema Homeoffice, sondern auch bei anderen Themen ganz klar gezeigt. Damit zeigt sich einmal mehr: Auch im Homeoffice fahren Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer mit Betriebsrat eindeutig besser. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Mustervereinbarung wird von den Sozialpartnern zur Verfügung gestellt. Wichtig ist jetzt, dass wir klare Regelungen haben, denn Homeoffice – auch das hat Bundesrätin Eder schon ganz richtig gesagt – ist gekommen, um zu bleiben. Vier von zehn Beschäf­tigten in Österreich haben seit Ausbruch der Coronapandemie immer wieder im Home­office gearbeitet. Galt Homeoffice vor der Krise oft noch als Ausnahme, ist es klar, dass viele Unternehmen auch in Zukunft auf das Büro zu Hause setzen werden.

So erfreulich es ist, dass dieses Homeofficepaket jetzt kommt, so hat Homeoffice doch auch seine Schattenseiten. Auch wenn derzeit, gerade in der Krisensituation, natürlich viele Menschen mit Homeoffice zufrieden sind, gibt es Gefahren – und oft sehr unter­schätzte Gefahren. Die Gefahr kann sein, dass es mit der Zeit zu einer schleichenden Aushöhlung von Regelungen kommt. Der Druck auf die Arbeitnehmer und Arbeitnehme­rinnen wird größer werden, weil Unternehmen – und auch das merken wir bereits – na­türlich die Kosten senken wollen.

Weitere Problemfelder sind die wirkliche Abtrennung von Arbeitszeit und Freizeit, die Erreichbarkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Rufbereitschaft, die Einhaltung von Mindestruhezeiten von zumindest 11 Stunden zwischen der Arbeitsniederlegung und der Arbeitsaufnahme, Arbeitszeitaufzeichnungen – 40 Prozent erklärten, dass sie im Homeoffice jetzt mehr gearbeitet haben als davor –, die ergonomische Gestaltung von Tischen und Stühlen, die Einhaltung von Bildschirmpausen. Wir wissen es alle – ich glaube, Sie alle haben es auch erlebt –: Im Homeoffice neigt man dazu, Pausen nicht einzuhalten.

Es gibt viele offene Fragen, und es stellen sich, ganz wertfrei, beim Thema Homeoffice auch Fragen, auf die es aktuell noch keine abschließenden Antworten gibt. Wir sind dabei, zu beobachten, und sie müssen dann beantwortet werden, aus unserer sozialde­mokratischen Sicht im Sinne der ArbeitnehmerInnen:

Wie können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer richtig digitalisierungsfit werden? Das heißt, man muss sich nicht nur in der digitalen Welt zurechtfinden können, sondern auch auf seine Gesundheit schauen. Warum? Im Homeoffice sitzt man nämlich länger und durchgehender ohne Pause vor seinem Bildschirm als im Büro, und das schlägt sich noch stärker auf die Gesundheit nieder. Schlagworte wie beispielsweise Officeeyesyn­drom, digitale Lähmung, digitaler Stress, digitale Balance oder Fear of missing out ma­chen vor Homeoffice nicht halt, sondern im Gegenteil.

Die Mehrfachbelastung von Frauen muss angesprochen werden. (Beifall bei der SPÖ.) Wir wissen aus vielen Studien, dass Homeoffice nicht zu einer gerechteren oder besse­ren Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit geführt hat. Im Gegenteil: Wir wis­sen, dass Frauen, die in der Pandemie im Homeoffice gearbeitet haben, noch 2 Stunden mehr Haushalts- und Betreuungstätigkeiten geleistet haben. Ganz klar muss gesagt werden: Homeoffice kann nicht das Kinderbetreuungsangebot ersetzen.

Eine weitere Frage und Gefahr ist: Wie sieht es im Fall von Krankheit und Arbeitsun­fähigkeit aus? Schalte ich den Computer trotzdem ein? Die Entscheidung darüber, ob eine Krankheit und eine damit verbundene Arbeitsunfähigkeit vorliegt, trifft der Arzt, die Ärztin. Liegt Arbeitsunfähigkeit oder eine Erkrankung vor, darf der Arbeitgeber nicht er­warten, dass im Homeoffice gearbeitet wird. Was, wenn es dann doch erwartet wird? (Beifall bei der SPÖ.)


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Wie schaut es mit den Kontakten zu den ArbeitskollegInnen in der Abstimmung, in der Teamarbeit aus? Das alles ist ja ein ganz wesentlicher Teil erfolgreicher Arbeit. Und: Wie schaut es am Arbeitsplatz aus? – Stichwort Desksharing oder flexibles Office. Wie schaut es denn bei den Menschen daheim in der 40-Quadratmeter-Wohnung aus: Homeoffice am Küchentisch, Kinderbetreuung, alles auf einmal?

Die Zukunft wird Homeoffice bedeuten, aber auch Präsenzarbeiten. Das heißt, wir ste­hen vor der Herausforderung des hybriden Arbeitens – die Mischvarianten werden es sein. Das bedeutet ganz große Herausforderungen auch für die Führungspersonen. Zu lernen, im Homeoffice oder in den verschiedenen Varianten, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Hause oder vor Ort im Betrieb sind, zu führen, das wird eine ganz, ganz große Herausforderung und ein Lernprozess für alle.

Mit dem Homeofficepaket wird die Möglichkeit eines möglicherweise dauerhaft veränder­ten Arbeitens vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffen. Auch Sie haben es schon gesagt, Frau Bundesrätin Eder: Lange Wegzeiten werden wegfallen. Das kann eine Möglichkeit sein, zum Klimaschutz beizutragen. In Wahrheit aber beginnt unsere wichtigste Arbeit erst jetzt mit dem Homeofficepaket. Die Sozialpartner werden mit dem Arbeitsinspektorat Informationsmaterialien zu Gefahren und Problemfeldern entwickeln, für die verpflichtende Arbeitsplatzevaluierung soll es für das Homeoffice eine Mustereva­luierung geben. Damit sollen mögliche belastende Faktoren bei der Arbeit in der eigenen Wohnung aufgespürt und verhindert werden. Eines ist und bleibt dabei immer noch klar: Mit Betriebsrat fahren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch im Homeoffice besser.

Jetzt freuen wir uns absolut über die Regelungen, darüber, dass wir sie heute beschlie­ßen können, und wissen gleichzeitig, dass wir am Beginn einer großen Veränderung in der Arbeitswelt stehen.

Ich möchte Ihnen noch gerne eine Kleinigkeit mitgeben, Herr Bundesminister. Sie haben in einer Aussendung geschrieben: Kocher hebt Arbeitszeitregelung auf – für das Ge­sundheitspersonal, im Zusammenhang mit Impfungen. (Bundesminister Kocher: Habe ich nicht!) Jetzt ist natürlich das Bekenntnis: Impfen, impfen, impfen, wir wollen, dass möglichst rasch geimpft wird!, aber, Herr Bundesminister, sprechen Sie mit der Gewerk­schaft, sprechen Sie mit den Arbeiterkammern! Das muss abgesprochen und geregelt werden. Und vor allen Dingen: Die KollegInnen im Gesundheitsbereich sind bereits jetzt am Limit und am Rande ihrer Möglichkeiten, sie sind schwerst und überbelastet. Wir haben für sie geklatscht – das Klatschen haben wir jetzt bereits vergessen –, aber sie haben nicht die Anerkennung erhalten, die wir für sie gefordert haben. Den Coronatau­sender gibt es bis heute nicht. Herr Bundesminister, einfach so in Schutzbestimmun­gen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzugreifen ist wahrlich kein kluger Schritt! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.57


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte, Frau Kollegin.


14.58.04

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minis­ter! Worum es heute geht, haben meine beiden Vorrednerinnen schon sehr ausführlich dargelegt. Wie gesagt: Es war einfach sehr, sehr wichtig – nicht nur aufgrund der Pande­mie, sondern generell, weil sich eben die Arbeitswelt im jetzigen Jahrhundert wandelt –, dass zumindest gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Warum sind ge­setzliche Rahmenbedingungen überhaupt notwendig und erforderlich? Damit jene Ar­beitnehmer, denen eben während der Ausübung ihrer Arbeit Unrecht widerfährt, in unse­rem Rechtsstaat überhaupt einmal die Möglichkeit haben, sich irgendwo zu beschweren


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 107

und ein Recht einzufordern. Deswegen ist es immer so wichtig, dass es rechtliche Rah­menbedingungen gibt. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Besonders wichtig finde ich – und das wird wahrscheinlich die längste Verhandlungszeit in Anspruch genommen haben –, dass man sich gemeinsam mit der AUVA durchgerun­gen hat – die Sozialpartner, vor allem jene der Arbeitnehmer, werden sich sicherlich be­sonders dafür eingesetzt haben –, dass ein Unfall nicht wie bisher als Freizeitunfall, sondern in dem Fall als ein Arbeitsunfall gewertet wird; es heißt jetzt Dienstunfall. Warum ist das so wichtig? – In erster Linie deshalb, weil ich unterschiedliche Entgeltansprüche habe. Es macht einen Unterschied, ob ich einen Freizeitunfall oder einen Arbeitsunfall erleide. Sollten Folgeerkrankungen entstehen, macht es später einen wesentlichen Un­terschied, ob ich aufgrund eines Arbeitsunfalles eine Folgeerkrankung oder womöglich eine chronische Erkrankung habe oder aufgrund eines Freizeitunfalles. Das war eine ganz wichtige Definition, und ich finde es echt super und richtig, dass es gelungen ist, diese Definition in dieses Gesetz hineinzunehmen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Wir sehen, Österreich ist ein Land, das sehr viele Dinge gut meint, wir merken aber auch, es gibt sehr viele Begrifflichkeiten. Das sieht man auch daran, dass es für die Änderung eines Punktes fast 17 Gesetze braucht, die diesbezüglich angepasst und geändert wer­den müssen.

Das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, haben wir schon gehört, muss geändert werden. Es muss ein Arbeitsort als Arbeitsort definiert werden. Ich denke mir nur: Ich hoffe, dass es im Dienstnehmerhaftpflichtgesetz auch irgendwie abgedeckt wird, wenn man zum Bei­spiel mit dem Laptop des Arbeitgebers spazieren geht. Das wollte ich nur einmal so nebenbei bemerkt haben, dass das vielleicht auch sehr wichtig wäre.

Man muss aber auch aufpassen – und da bin ich bei Frau Kollegin Schumann –, dass es dann nicht unter Umständen dazu kommt, vor allem in sehr streng geführten Be­trieben oder in Gemeinden, die aufgrund der Pandemie Schwierigkeiten mit den finan­ziellen, budgetären Mitteln haben, dass man dann irgendwann hergeht und sagt: Na brauchen wir jetzt überhaupt so viel externe Kinderbetreuung? Lässt sich das nicht viel­leicht eh ganz klass irgendwie anders machen?

Ich bin da ganz bei Ihnen (in Richtung Bundesrätin Schumann): Das ist eine ganz, ganz wichtige Sache. Das muss man wirklich ernsthaft beobachten, und man muss jetzt schon allen Frauen sagen: Bitte, wenn ihr das Empfinden habt, dass das in die falsche Richtung geht, schreit rechtzeitig auf und wehrt euch, damit es dann nicht ein geduldetes Recht wird. Österreich ist nämlich schon auch ein Land, in dem Dinge, wenn man sich nicht schnell genug wehrt, dann irgendwie Usus werden, und dann redet man nicht mehr darüber und dann pickt es einfach. Ich finde, da müssen wir alle wirklich darauf achten und darauf schauen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Es ist aber auch wieder einmal typisch Österreich: Wir machen jetzt ein Gesetz und man trennt trotzdem. Es gibt jetzt einmal das Homeofficepaket als Ganzes, aber – es wurde von der Kollegin schon erwähnt – bei der steuerrechtlichen Seite wird wieder ein Unter­schied gemacht: Bin ich jetzt im Homeoffice aufgrund der Pandemie oder ist es dann Homeoffice ohne Pandemie? Worum geht es mir? – Um das Pendlerpauschale. (Bun­desminister Kocher schüttelt den Kopf.) Das ist eine steuerliche Geschichte. Ich weiß, das ist nicht Ihr Aufgabengebiet (in Richtung Bundesminister Kocher), ich denke mir aber: Erstens einmal ist das von der Bearbeitung her – ich kann Ihnen das aus eigener Erfahrung sagen – mordskompliziert. Ist der Staat wirklich so arm, dass er jetzt den Men­schen, wenn sie ein paar Tage Homeoffice haben, das Pendlerpauschale wegnehmen muss? Also das verstehe ich momentan nicht. Seien Sie mir nicht bös! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 108

Ich würde Sie bitten, dass Sie diesbezüglich vielleicht doch Herrn Finanzminister Blümel, sofern er dann überhaupt noch Finanzminister ist – aber es kann ja sein –, fragen, ob diese Regelung wirklich notwendig ist.

Wie gesagt, wir haben jetzt ein Gesetz für eine neue Form der Arbeitsausübung, und man macht auch Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmer. Deshalb finde ich es eigentlich sehr befremdlich, wenn sich dann gerade der österreichische Staat, wenn er Aufträge an Firmen verteilt, überhaupt nicht darum schert, wie dort die Arbeitsbedingungen sind, nicht nachfragt, nicht nachschaut, sondern es nur wichtig ist, dass die Freunde die richtigen sind und man unter Umständen sagen kann: Ich habe ein bissel Geld gespart. Genau so einen Fall gibt es jetzt bei uns in Österreich, und zwar geht es um die Hygiene Austria. Aus diesem Grund stelle ich folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Andrea Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rolle des Arbeitsministeriums in der Causa ‚Hygiene Austria‘“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, dem Bundesrat einen Bericht zuzu­leiten, der folgenden Inhalt umfassen soll:

o            Eine Aufstellung über sämtliche Überprüfungsschritte des Arbeitsinspektorats bei             der Firma ‚Hygiene Austria‘,

o            eine Dokumentation sämtlicher Kommunikationsvorgänge innerhalb des Bun­       desministeriums für Arbeit im Zusammenhang mit Überprüfungsschritte des Ar­ beitsinspektorats bei der Firma ‚Hygiene Austria‘, e

o            eine Dokumentation sämtlicher Kommunikationsvorgänge des Bundesminis­         teriums für Arbeit, insbesondere des Ministerbüros und des Generalsekretariats         mit dem Bundeskanzleramt im Zusammenhang mit Überprüfungsschritte des          Arbeitsinspektorats bei der Firma ‚Hygiene Austria‘,

o            eine Dokumentation sämtlicher Kommunikationsvorgänge des Bundesministe­     riums für Arbeit, insbesondere des Ministerbüros und des Generalsekretariats mit der Firma ‚Hygiene Austria‘ im Zusammenhang mit Überprüfungsschritte des Ar­    beitsinspektorats bei der Firma ‚Hygiene Austria‘ und

o            eine Dokumentation sämtlicher Kommunikationsvorgänge des Bundesministe­     riums für Arbeit, insbesondere des Ministerbüros und des Generalsekretariats mit der Firma ‚Schütze Positionierung GmbH‘ im Zusammenhang mit Überprüfungs­             schritte des Arbeitsinspektorats bei der Firma ‚Hygiene Austria‘“

*****

Ich ersuche um Annahme. (Beifall bei der FPÖ sowie der BundesrätInnen Grimling, Schachner und Schumann.)

15.05


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Rol­le des Arbeitsministeriums in der Causa ‚Hygiene Austria‘“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte schön, Herr Bun­desrat.



BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 109

15.05.47

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ein Effekt der Coronapandemie ist ein enormer Di­gitalisierungsschub. ExpertInnen sprechen hier von einem Entwicklungsboost von etwa zehn Jahren innerhalb nur eines Jahres – eine Dynamik, die vor einem Jahr noch kaum vorstellbar war. Arbeiten von zu Hause aus ist ein Teil dieser Entwicklung.

Wir diskutieren heute die arbeits- und sozialrechtlichen Teile des sogenannten Home­officepakets. Wir machen das nicht nur vor dem Hintergrund der Pandemie. Diese war zwar der Auslöser, aber eines ist vollkommen klar – Kollegin Schumann hat es schon gesagt –: Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Es geht hier also nicht um befristete Regelungen, sondern um eine langfristige Lösung. Daher ist es auch gut und richtig, dass die Sozialpartner hier gemeinsam eine Lösung erarbeitet haben, denn: Wer, wenn nicht die, die mit den Regelungen auch arbeiten und umgehen müssen, die davon be­troffen sind, wäre dafür kompetenter?

Viele Fragen, die in Bezug auf Homeoffice in den letzten Monaten aufgetaucht sind, können nun mit diesem Paket geklärt werden. Es herrscht damit auch Rechtssicherheit, sowohl für die Beschäftigten als auch für die Unternehmen. Aus meiner Sicht ist nicht alles restlos geklärt – so etwa die Frage, ob mobiles Arbeiten nur an einem Ort, nämlich in der eigenen Wohnung, der Weisheit letzter Schluss ist. Das würde ich jetzt einmal bezweifeln.

Es ist ohnehin notwendig, in den nächsten Monaten die Entwicklungen im Homeoffice­bereich und die Wirksamkeit dieser Regelungen zu beobachten. Ich gehe davon aus, dass es dann aufgrund der Erfahrungen zu weiteren Adaptierungen kommen wird.

Besonders achten müssen wir darauf, dass Homeoffice nicht so verstanden wird, dass es zu einer Privatisierung von bisher öffentlich erbrachten Leistungen kommt, und zum Beispiel Kinderbetreuung wieder verstärkt zu Hause stattfindet.

Insgesamt aber begrüßen wir das Paket, da damit viele Fragen klargestellt sind und diese Klarheit, diese Rechtssicherheit für Menschen im Homeoffice ein ganz bedeuten­der, ein wesentlicher Schritt ist. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

15.08


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Kocher. – Bitte schön.


15.08.22

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, in der Pandemie haben viele unselbststän­dig beschäftigte Personen Erfahrung mit Homeoffice in einem Ausmaß gemacht, wie sie sie davor nicht gemacht hatten. Wir haben im ersten Lockdown mehr oder weniger er­zwungenermaßen insgesamt bis zu 40 Prozent der unselbstständig Beschäftigten im Homeoffice gehabt. Wir haben natürlich auch über Umfragen erhoben, wie sich diese Lage dargestellt hat, und man muss sagen: Grundsätzlich hat es gut funktioniert. Sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch die Betriebe waren einigermaßen zufrieden mit der Situation. 90 Prozent auf beiden Seiten haben angegeben, eher zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. Das hat pragmatisch funktioniert, aber natürlich braucht es nach so einer Zeit des pragmatischen Vorangehens auch eine rechtliche Lösung, die sichere Rahmenbedingungen schafft. Dieses Homeofficepaket macht das aus meiner Sicht: Ohne den Raum für individuelle Lösungen auf Branchen- oder Betriebsebene stark ein­zuschränken, werden diese Rahmenbedingungen gegeben.

Wir wissen auch aus den Umfragen, dass Homeoffice in diesem Ausmaß, wie wir es jetzt erleben, in einer Zeit nach der Pandemie nicht mehr so stark wahrgenommen wer­den wird. Die meisten Personen wollen ein bis zwei Tage die Woche im Homeoffice


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verbringen, wenn das möglich ist. Aber auch Betriebe wollen, dass die Mitarbeiter das tun können. Insofern gibt es da im Durchschnitt relativ viel Übereinstimmung.

Ich nutze die Gelegenheit auch noch einmal, an alle Arbeitgeberinnen, Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu appellieren, dass es jetzt während der Pande­mie, auch aufgrund der hohen Infektionszahlen, gerade im Osten von Österreich, sehr wichtig wäre, dass alle, die Homeoffice nutzen können, das auch tun. Das gilt für beide Seiten, sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer.

Jetzt zum Homeofficepaket: Über die Inhalte wurde schon ausführlich gesprochen. Mir war sehr wichtig – und das kam auch in den Redebeiträgen zum Ausdruck –, dass es spätestens nach zwei Jahren – und das wird nächstes Jahr, wahrscheinlich im zweiten Halbjahr, sein – eine Evaluation der Maßnahmen gibt. Da geht es um viele Dinge. Da geht es um die Frage, wie das Homeoffice angenommen wird, welche offenen Punkte es noch gibt – mobiles Arbeiten generell wurde angesprochen, die Frage von Grenzgän­gerinnen und Grenzgängern und viele andere Fragen, die natürlich noch zu klären sind. Dazu kommen klarerweise aber auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Frage der Mobilität, die Frage der Zurverfügungstellung von Arbeitsmitteln, wie die steuerlichen Richtlinien wirken und welche Kosten sie verursachen, die Frage der Haftpflicht und möglicher Datenschutzerfordernisse. All das wird zu evaluieren sein, und wir werden sicher daraus lernen und das Gesetz anpassen.

Wichtig ist mir: Es gibt erstmals eine Definition von Homeoffice. Homeoffice bleibt wei­terhin Vereinbarungssache – es gibt also keine einseitige Möglichkeit, Homeoffice zu verordnen. Die Bereitstellung von digitalen Arbeitsmitteln ist durch den Arbeitgeber, die Arbeitgeberin zu gewährleisten, und wenn das nicht der Fall ist – wenn der Arbeitneh­mer, die Arbeitnehmerin die Mittel bereitstellt –, dann gibt es eine angemessene Pau­schale, also keine zusätzliche finanzielle Last für die Beschäftigten.

Der Versicherungsschutz wurde angesprochen. Die Ruhezeiten und die Arbeitszeiten gelten im Homeoffice genauso wie im Büro. Es gibt ein ausdrückliches Betretungsverbot des Arbeitsinspektorats für private Wohnungen. Natürlich kann die Arbeitnehmerin, der Arbeitnehmer eine Besichtigung der Wohnung ausdrücklich wünschen, aber nur auf die­sen ausdrücklichen Wunsch ist das möglich.

Ich glaube, dass wir damit ein Regelwerk haben, das für die nächste Zeit – auch nach der Pandemie, und dafür ist das Regelwerk geschaffen – die Voraussetzungen dafür schafft, dass es klare Rahmenbedingungen gibt. Es ist ein erster großer Schritt. Es wur­de auch schon angesprochen, dass die Pandemie zu einem Sprung in der Entwicklung geführt hat. Wir haben jetzt in einem Jahr eine digitale Entwicklung gerade in der Ar­beitswelt erlebt, die wir sonst wahrscheinlich in acht bis zehn Jahren erlebt hätten. Ins­gesamt war es uns wichtig, dass es beidseitig Vorteile gibt: aufseiten der Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer klare Regeln und auch die steuerlichen Vorteile, aber auch aufseiten der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, damit sie sich darauf verlassen können, dass gewisse Regeln gelten. Mit den Mustervereinbarungen, die gerade ausgearbeitet werden, mit den Broschüren und den Erläuterungen zum Arbeiten von zu Hause wird vieles auch noch einmal für kleine Betriebe einfacher gemacht. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

15.13


15.13.06

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Danke, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 111

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Rolle des Arbeitsministeriums in der Causa ‚Hygiene Austria‘“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen – Das ist die Mehrheit. Der Antrag auf Fassung der ge­genständlichen Entschließung ist somit angenommen. (341/E-BR/2021)

15.14.0716. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlecht­wetterentschädigungsgesetz 1957, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigen­vorsorgegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommen­steuergesetz 1988 geändert werden (1289/A und 736 d.B. sowie 10588/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (737 d.B. sowie 10576/BR d.B. und 10589/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 16 und 17, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Ich bitte um die Berichte.


15.14.51

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Frau Präsidentin! Ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauar­beiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädi­gungsgesetz 1957, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden.

Der Bericht liegt schriftlich vor.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich berichte auch über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Ich wurde dort zum Berichterstatter gewählt. An der Debatte beteiligte sich Frau Dr. An­drea Eder-Gitschthaler.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Danke, Herr Bundesrat, für diese Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. – Bitte schön.



BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 112

15.16.14

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Haus! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf noch einmal zu den Fortschritten in der Digitalisierung und zum Homeofficepaket gratulieren.

Ich komme jetzt zu einem handfesteren Tätigkeitsbereich, für den ich auch ein paar Ver­besserungen präsentieren darf, nämlich betreffend die BUAG-Novelle und die Novelle des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes.

Das Erste betrifft das Überbrückungsgeld. Das ist ein Modell, das für Bauarbeiter ge­schaffen worden ist, die oft gesundheitlich angeschlagen sind und dann ihren Beruf über einen gewissen Zeitraum bis zum Antritt der Schwerarbeitspension nicht mehr ausüben können. Da gibt es Änderungen, das ist um ein halbes Jahr auf zwei Jahre verlängert worden. Der Betrachtungszeitraum für die Berechnung hat sich auf fünf Jahre erhöht, und es sind auch einmalige kurzfristige Unterbrechungen möglich, wenn zum Beispiel der vorherige Arbeitgeber eine Aushilfskraft, wie einen guten Kranfahrer oder Ähnliches, braucht.

In dieser Novelle sind auch verschärfte Maßnahmen gegen Sozialbetrug und Lohn­dumping und eine Absicherung der Schlechtwetterentschädigung enthalten – kurzfristig durch Umschichtungen und langfristig durch Mittel aus der Arbeitsmarktpolitik.

Ich selber habe während meines Studiums sehr viel im Garten- und Landschaftsbau gejobbt. Ich habe viele schöne Erinnerungen daran, aber auch Erinnerungen an kilome­terweise Autobahnböschungen, die zu bepflanzen waren, bevorzugt vielleicht im Spät­herbst bei Nebel und Nieselregen. Da geht es Böschung auf und ab, die Böschung ist vielleicht schon rutschig, man muss sich immer wieder bücken, immer wieder aufstehen. Das geht ins Kreuz, und ich habe mir damals schon gedacht: Das ist sehr hart, das ein ganzes Arbeitsleben lang durchzuhalten. Ich bin auch in der Gemeinde immer den Bau­trupps sehr dankbar, die vielleicht bei brütender Hitze Straßen asphaltieren, Kanal gra­ben und unsere Infrastruktur aufrechterhalten. Ich möchte mich an dieser Stelle auch einmal bei allen Bauarbeitern bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Des Weiteren gibt es eine sehr erfreuliche Änderung im Allgemeinen Sozialversiche­rungsgesetz, die wir Gemeinden im ländlichen Raum sehr stark gefordert haben, nämlich dass nun asymptomatische Personen auch in hausärztlichen Apotheken zu den gleichen Bedingungen wie in den Apotheken getestet werden können. Das Testangebot wird so­mit wirklich flächendeckend. Es ist für Personen, die nicht so mobil sind, leicht zugäng­lich, es ist einfach und praktikabel.

Ich freue mich über die diesbezügliche Zustimmung und möchte noch einmal an die Kol­legen von der sozialdemokratischen Fraktion, auch an Sie (in Richtung Bundesrätin Schumann), appellieren: Unsere Teststrategie ist erfolgreich, das ist jetzt wieder ein Bau­stein dazu, aber der nächste wäre die Anerkennung der Zutrittstests. Wir sind in einer gefährlichen Phase der Pandemie, es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, wir verlieren durch Ihre Blockade acht Wochen. (Bundesrätin Schumann: ... im Nationalrat!) Ich bitte noch einmal: Bitte stimmen Sie diesen Zutrittstests zu! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.19


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Horst Schachner. – Herr Bundesrat, Sie sind am Wort, bitte.


15.19.47

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Liebe Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Viel ist dem, was meine Vorred­nerin gesagt hat, nicht hinzuzufügen – außer bei den Zutrittstests. Wären Sie darauf ein­gegangen, hätten Sie das im Nationalrat geklärt, hätten wir kein Problem gehabt, wenn


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die Wohnzimmertests auch gegolten hätten, aber man sagt einfach: Das interessiert uns nicht, wir wollen gar nicht darüber reden! – Was da schon versprochen worden ist! Wir haben da einmal darüber geredet: Da ist einer herausgekommen und hat gesagt: Schau­en wir einmal, was in Vorarlberg passiert, und dann werden wir darüber diskutieren! – Ist nicht passiert, geht halt manchmal nicht so richtig – okay.

Nichtsdestotrotz möchte ich über die in Diskussion stehenden Tagesordnungspunkte sprechen. Auf die Detailregelungen beim BUAG brauche ich gar nicht einzugehen, das hat meine Vorrednerin schon gesagt: Beim Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsge­setz geht es unter anderem um eine Verbesserung beim Überbrückungsgeld, um die Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping, um die Bekämpfung von Scheinentsendun­gen und schließlich um die Finanzierung der Schlechtwetterentschädigung. Ich bin froh, dass diese Verbesserungen für Bauarbeiter kommen, und so wie die meisten Fraktionen hier herinnen werden wir das natürlich auch befürworten, sodass das mehr oder weniger gelingt.

Vielleicht eines noch ganz kurz, Herr Kocher, weil Sie hier sind: Bitte überlegt euch etwas bei den Arbeitslosen! Wir haben ein riesengroßes Problem bei den Arbeitslosen, die werden jetzt nämlich immer ärmer. Heute hat es Kollege Schilchegger schon ganz kurz angesprochen: Wie sollen die jetzt die Mieten weiterzahlen? Wenn diese Stundungen irgendwann einmal schlagend werden, haben die kein Geld mehr. Ich habe es hier schon ein paarmal gesagt – noch einmal, man muss sich vorstellen –: Wenn einer 1 800 Euro netto verdient, hat er keine 1 000 Euro mehr, wenn er arbeitslos wird –meistens unschul­dig –, weil die Firma zusperren muss oder sonst irgendetwas, weil sie nicht Kurzarbeit beanspruchen kann. Deshalb ist es ganz, ganz, ganz wichtig, da etwas zu tun, weil diese Menschen sonst wahrscheinlich irgendwann einmal auf die Straße gehen und sagen werden: Wir lassen uns das nicht mehr gefallen! – Es ist genug Geld für alle rundherum da, aber auf die Arbeitslosen wird nicht geschaut. Bitte schauen Sie darauf! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Ich habe jetzt noch den Unselbständigen Entschließungsantrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verlänge­rung der Auszahlung der Notstandshilfe in Höhe des Arbeitslosengeldes“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, unverzüglich zu handeln und die Ver­längerung der Bestimmung, wonach die Notstandshilfe in Höhe des zuvor geleisteten Arbeitslosengeldes zumindest vorerst bis zum 30. Juni 2021 verlängert wird, dem Natio­nalrat und dem Bundesrat zur Beschlussfassung zuzuleiten.“

*****

Herzlichen Dank. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

15.22


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Verlängerung der Auszahlung der Notstandshilfe in Höhe des Arbeitslosengeldes“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen. Bitte.



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15.23.15

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Ein wesentlicher Bestandteil der Tagesordnungspunkte sind die diversen Ände­rungen im Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, und das ist für mich doch ein gutes Beispiel dafür, dass es möglich ist, wenn man will und wenn die entsprechenden Leute dahinter sind, ein Gesetz, das schon sehr alt, aber durchaus sehr flexibel ist – ich bilde mir ein, dass wir jedes Mal im Bundesrat wieder eine Änderung, eine Neuerung, die dieses Gesetz betrifft, haben –, anzupassen, wobei man das Ganze ja als in Ordnung empfindet.

Für mich aber ist zum Beispiel ein sehr wichtiger Punkt in diesem Gesetz – das hat noch niemand erwähnt –, dass es um die Verfallsfrist der Abfertigungen geht. Da möchte ich schon darauf hinweisen, dass das interessanterweise noch immer nicht geändert wurde, dass genau eine Branche – im Gegensatz zu allen anderen Dienstnehmern, die Ansprü­che auf Abfertigungen haben – erstens einmal überhaupt eine Verfallfrist drinstehen hat. Wenn ich bei meinem Arbeitgeber einen Abfertigungsanspruch habe und konform be­ende, dann muss ich weder einen Antrag stellen, dass er mir die Abfertigung auszahlt, noch muss ich Angst haben, dass sie irgendwann verfällt, die steht mir einfach zu. Warum ist das immer noch nicht geändert? Das ist echt eine Diskriminierung all jener, die der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unterliegen.

Zusätzlich hat man noch immer den Umstand, dass, wenn man in dieser Branche einver­nehmlich auflöst, bedauerlicherweise die Zeit, die man bei dem Arbeitgeber, bei dem man einvernehmlich auflöst, verbracht hat, für die Anwartschaftszeit der Abfertigung eine tote Zeit ist. Das gibt es auch nur bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse.

Noch einmal mein Angebot, lieber Horst (in Richtung Bundesrat Schachner): Sag Beppo, ich würde gerne einmal mit ihm darüber reden, das wäre nicht schlecht! (Beifall bei der FPÖ.) – Aber, wie gesagt, im Großen und Ganzen ist das wieder eine gute Geschichte.

Herr Minister, weil Sie hier sind und ich dadurch die Gelegenheit habe, mit Ihnen etwas zu besprechen: Wir haben heute ja, was sehr wichtig war, auch beschlossen, dass die Kurzarbeit auch für Lehrlinge wieder verlängert wird, damit man für diese jungen Men­schen die Chance aufrechterhält, ihren sicherlich nicht leicht gefundenen Lehrlingsaus­bildungsplatz zu erhalten.

Was für mich aber für die Zukunft eine wichtige Frage wäre – und ich würde Sie bitten, diesbezüglich auch für die Zukunft Überlegungen anzustellen –: Lehrlinge in der Gastro­nomie haben jetzt aufgrund der behördlichen Betriebsschließungen – ja selbst, wenn sie in Kurzarbeit sind – nicht ernsthaft die Möglichkeit, die qualitativ hochwertige Ausbildung zu erlangen, die all jene Lehrlinge hatten, die davor in diesem Bereich einen Lehrberuf erlernt haben. Deshalb wäre es notwendig – und das ist so wichtig –, jetzt schon über die Frage nachzudenken: Was machen wir nach der Pandemie? Wie können wir nach der Pandemie bestimmte Fragen, vor allem für junge Menschen, besser lösen? Da wür­de ich ernsthaft darüber nachdenken, ob es nicht ein gangbarer Weg wäre, unter Um­ständen – natürlich mit Sozialpartnerschaftsvereinbarung – Lehrverhältnisse ausnahms­weise um ein halbes Jahr zu verlängern, damit diese Lehrlinge wirklich die gleiche quali­tativ hochwertige Ausbildung erhalten wie jeder andere, der vor der Pandemie diesen Beruf erlernt hat. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.26


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


15.26.58

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter sehr häufig Job und Arbeitsplatz wech-


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 115

seln, laufen sie ohne BUAG Gefahr, nie einen Urlaubsanspruch oder einen Abfertigungs­anspruch zu haben. Genau aus diesem Grund gibt es eben eine eigene Kasse, die BUAK, in der das geregelt ist, in der das gesammelt wird, und es kommt da auch immer wieder zu technischen Novellen – genau eine solche liegt jetzt vor. Über die BUAK wer­den auch Feiertagsansprüche, die Schlechtwetterentschädigung und eine Art Vorpen­sionsmodell, das sogenannte Überbrückungsgeld, für Bauarbeiter und Bauarbeiterinnen verwaltet.

Die Novelle regelt also technische Details wie etwa den Übergang von Ansprüchen nach Todesfällen an die Erbinnen und Erben, sie regelt bestimmte Informationspflichten der BUAK-Anstalt gegenüber den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, Veranlagungsre­gelungen und so weiter. Einige Regelungen, etwa beim Erbrecht oder beim Überbrü­ckungsgeld, sind für die Betroffenen durchaus bedeutend.

Mit dieser Novelle wird auch gegen Sozial- und Lohndumping vorgegangen und damit Sozialbetrug bekämpft. Mit der Änderung bewirken wir auch einen Abbau von Bürokratie. Wir schaffen damit auch ein flexibleres Überbrückungsgeld als bisher und sichern damit auch die Finanzierung des Bereiches der Schlechtwetterentschädigung besser ab. Ins­gesamt ist das – und ich glaube, darin sind wir uns ohnehin alle einig – also eine gute Sache, und ich denke auch, dass es dafür heute breite Zustimmung geben wird. – Dan­ke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.28


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme hat sich noch einmal Herr Bundesminister Kocher zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


15.29.06

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Ja, ich glaube, es gibt große Übereinstimmung darüber, dass die Anpassungen im Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz durchaus sinn­voll sind. Es geht aus meiner Sicht um zwei Dinge: soziale Mindeststandards einzufüh­ren, zu halten und zu gewährleisten sowie fairen Wettbewerb in der Bauwirtschaft. Dafür gibt es diese Novelle. Es gibt einige Anpassungen, die Novelle war Anfang des Jahres einige Zeit lang in Begutachtung. Sie beruht auf einer Sozialpartnereinigung und ist ein gemeinsamer Antrag von ÖVP, Grünen und Sozialdemokraten.

Ich möchte zwei Dinge herausgreifen, die aus meiner Sicht ganz zentral sind: Erstens wird bei Scheinentsendungen klargestellt, dass nun Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer ihre Ansprüche auch gerichtlich über das sogenannte Auslandsverfahren geltend machen können. Das bekämpft – es wurde schon angesprochen – Lohn- und Sozial­dumping, insbesondere in Zusammenhang mit ausländischen Briefkastenfirmen.

Der zweite wichtige Punkt sind die Verbesserungen beim Überbrückungsgeld. Da geht es sowohl um verfahrenstechnische Aspekte als auch um inhaltliche Aspekte. Eine ein­malige Unterbrechung ist möglich, um erneut Beschäftigung beim bisherigen Arbeitge­ber ausüben zu können, wenn sich die Möglichkeit dazu ergibt. Das ist jetzt möglich, das stellt auch einen Anreiz dar, um beim gleichen Arbeitgeber rasch und unkompliziert wie­der in Beschäftigung zu kommen. Zudem ist der Bezug des Überbrückungsgeldes auch für invalide Personen, die alle Voraussetzungen erfüllen, möglich.

Ich glaube, alle anderen Dinge wurden schon erwähnt. Das ist eine aus meiner Sicht wichtige Anpassung, die eben diesen zwei Zielen – der Gewährleistung von sozialen Mindeststandards und dem fairen Wettbewerb – dient. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.31


15.31.08

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 116

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Die Plätze sind, wie ich sehe, bereits eingenommen worden.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Ab­fertigungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden, 1289/A und 736 der Beilagen sowie 10588/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Verlängerung der Auszahlung der Notstandshilfe in Höhe des Arbeitslosengeldes“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag ab­stimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. Ich ersuche die Schriftführung um Unterstützung bei der Feststellung der Mehrheit oder Minderheit der Stimmen. Ich mache von meinem Stimmrecht in diesem Fall auch Gebrauch. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der An­trag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit angenommen. (342/E-BR/2021)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geän­dert wird, 737 der Beilagen sowie 10576/BR der Beilagen und 10589/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen (Unruhe im Saal), gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit an­genommen.

15.33.2418. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1324/A und 757 d.B. sowie 10577/BR d.B. und 10603/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (1325/A und 758 d.B. so­wie 10578/BR d.B. und 10604/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen er­teilt werden, geändert wird (1407/A und 759 d.B. sowie 10605/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 18 bis 20, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um die


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 117

Berichte.


15.34.35

Berichterstatter Marco Schreuder: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Da­men und Herren! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden.

Der Bericht liegt schriftlich vor.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist nach Beratung der Vorlage am 29. März 2021 infolge von Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.

Ich bringe zudem den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 29. März 2021 den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Ich bringe zudem den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesge­setz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 29. März 2021 den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Ich darf an dieser Stelle Herrn Minister Anschober in unserer Mitte begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bun­desrätin.


15.36.41

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werter Gesundheits­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Wir verhandeln jetzt also das Epidemiegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz. Lassen Sie mich gleich zu Beginn festhalten: In der Bekämpfung dieser Epidemie ist die Regierung gescheitert.

Sie haben versucht, dieses Land in der Krise mit Messagecontrol zu führen und haben das Land mit Pressekonferenzen auf Trab gehalten – viele Pressekonferenzen, ohne wirklich Inhalt zu bieten. Sie haben damit die Kontrolle über die Situation verloren. Die Menschen kennen sich nicht mehr aus. Die Menschen sind nicht mehr bereit, Ihnen zu folgen, weil sie nicht mehr wissen, wohin der Weg geht.

Die Pandemiebekämpfung ist Ihnen entglitten. So viele Menschen sind bereits an Covid verstorben! Ihren Angehörigen gilt unser tiefstes Mitgefühl. Denken wir aber auch an die vielen Menschen, die sich derzeit aufgrund einer Covid-Erkrankung in Spitalsbehand­lung befinden oder sogar auf einer der überlasteten Intensivstationen um ihr Leben ringen! Wir wünschen ihnen allen baldige Besserung, und dass sie diese Krankheit ohne schwere Folgen überstehen mögen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Die Situation ist mehr als ernst, und dafür trägt die Regierung die Verantwortung. Wir hätten bereits jetzt – morgen endet der Monat März – die genügende Anzahl an Impfdo­sen gebraucht, um den Menschen, die hier in Österreich leben, die Chance zu geben, den notwendigen Schutz gegen den Virus zu erhalten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wie kann man nur die zynische Haltung haben, bei den Impfkosten einen Deckel einzuzie­hen? Bis zu 200 Millionen Euro darf es nur kosten! Das ist ja menschenverachtend, denn wir wissen, die Kosten der Auswirkungen dieser Pandemie sind wesentlich höher, sie gehen in die Milliarden – ganz abgesehen von den menschlichen Tragödien, die sich rund um die Erkrankung, den Verlust des Arbeitsplatzes und die psychische Belastung abspielen. Da sehen wir das neuerliche Scheitern des schon vor Langem untragbar ge­wordenen Finanzministers. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass sich dann der Bundeskanzler tatsächlich hinstellt, die EU beschuldigt, dann rang­hohe Beamte Ihres Gesundheitsministeriums, Sie während Ihres Krankenstandes be­schuldigt und schließlich die gesamte Schuld irgendwohin abzuwälzen versucht – das kennt man von diesem Bundeskanzler bereits. Es lässt aber selbst uns als politisch Interessierte – wie uns der Kanzler einmal bezeichnet hat – mehr als erstaunt zurück, und es lässt nur einen Schluss zu: Da wird massiv geschlampt.

Jetzt frage ich Sie, Herr Minister: Sind diese Machtspielchen, die da von der ÖVP ge­spielt werden, Ihnen und den Grünen wirklich die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher wert? Da würde ich mir Ihr beherztes Vorgehen statt salbungsvoller Worte wünschen.

Noch etwas: Die Sozialpartner in Entscheidungen einzubinden war in dieser Krise grund­sätzlich zum Nutzen aller. Sie in wichtigen Fragen nicht zu hören ist gerade jetzt ein großer politischer Fehler, dessen Auswirkungen wir dann mühsam korrigieren müssen. (Bundesminister Anschober: Wo wurden sie nicht gehört?) – Bei der Maskenfrage zum Beispiel. (Bundesminister Anschober: ... diskutieren können ...!) – Jetzt, aber nicht zu Beginn; jetzt wird auf Anregung diskutiert.

Es geht nicht mehr um ein freundliches Klima in der Koalition, sondern um die Bekämp­fung der Auswirkungen dieser besonders schlimmen Krise in unserem Land. Seien wir uns ehrlich: Die Bevölkerung glaubt schon länger nicht mehr, dass diese Regierung die Bekämpfung der Pandemie im Griff hat – und das leider ganz zu Recht.

Die Teststrategie ist ein einziges Chaos. Wir haben immer gesagt, solange nicht genü­gend Impfstoff da ist, gilt: Testen, Testen, Testen. – Bis heute erhalten nicht alle Men­schen die nötigen Gratisselbsttests in den Apotheken. Wir Sozialdemokratinnen und So­zialdemokraten fordern die Möglichkeit der Anerkennung der Selbsttests als Zutrittstests. Zwei Mal haben wir den Antrag im Bundesrat eingebracht, zwei Mal wurde er abgelehnt. Letztes Mal wurde er, obwohl es sogar die Tourismusministerin gefordert hat, obwohl es die Sozialpartner in Niederösterreich fordern, wieder abgelehnt. Fraktionsvorsitzender Bader hat die Nichtzustimmung damit begründet, dass die Regierung ja schon dabei sei, das umzusetzen. Aber leider – schmeck’s! – stimmt das nicht, es passiert nichts! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Infektionszahlen steigen und steigen, Mutationen verschiedenster Art verschlimmern die Lage noch mehr. In der letzten Nationalratssitzung haben wir von der SPÖ einen Abänderungsantrag zum Zweckzuschussgesetz eingebracht, mit dem wir ermöglicht hätten, die Tests zur Eigenanwendung zu berücksichtigen. Die Zutrittstestungen wären für die Bevölkerung wesentlich einfacher zu erhalten gewesen. Ich darf ganz klar sagen: Grüne und ÖVP haben dies kategorisch abgelehnt. Mit dieser Lösung im Zweckzu­schussgesetz wäre es möglich gewesen, auch die Einigung der östlichen Bundesländer umzusetzen, aber nein, das wollten Sie nicht. Herr Minister, Sie wollten die in vielen Teilen abzulehnenden Änderungen des Epidemiegesetzes und des COVID-19-Maßnah­mengesetzes einfach durchpeitschen.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 119

Eine ganz herzliche Gratulation kann man an dieser Stelle dem Wiener Bürgermeister und der Wiener Stadtregierung für ihr besonnenes und vorausschauendes Handeln aus­sprechen, das gerade jetzt gefragt ist. Dafür kann man Wien wirklich gratulieren. (Zwi­schenruf des Bundesrates Raggl.) Das Ausrollen der leicht zugänglichen Gurgeltests für die gesamte Wiener Bevölkerung ist ein wichtiger Meilenstein in dieser schwierigen Zeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die klaren Worte des Bürgermeisters über die mögliche Dauer der schweren Belas­tungen sind mutig, das traut sich ein Politiker nicht so leicht, sie sind aber gerade jetzt so wichtig, weil wir wissen, dass der Impfstoff fehlt. Die Menschen brauchen in diesem Frühling 2021, der wahrlich keine Zeit des positiven Aufbruchs ist, ehrliche Zukunftsant­worten und kein Ablenkungsgeschwurbel.

Zum grünen Pass: Derzeit sind 4 Prozent der Bevölkerung geimpft und 96 Prozent nicht; 96 Prozent haben aufgrund des fehlenden Impfstoffes gar keine Chance, so einen Pass zu erhalten. Man braucht wohlgemerkt beide Impfungen, damit der geplante Pass bei Erleichterungen und Freiheiten helfen könnte. Die Frage, welche Daten durch den Pass aufgezeichnet werden, welche Rechte und vor allem welche Restriktionen entstehen, wenn man ihn nicht hat, müsste man breit diskutieren. Das kann nicht husch, pfusch behandelt werden.

Regelungen dazu gehen weit über die aktuelle Pandemiesituation hinaus. Das Virus wird uns – das ist eindeutig und klar – noch lange begleiten. Da geht es um Grundrechte, das ist mehr als sensibel, und deshalb warnen wir vor Schnellschüssen, die sich auf die Er­fahrungen anderer Staaten gründen, die teilweise einen gänzlich anderen Zugang zu Sicherheit und Überwachung haben als wir. Das alles ist leider wieder eine Pseudodis­kussion, eine Nebelgranate, um vom Versagen der Regierung abzulenken. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei den Ausgangsregelungen standen schon haarsträubende Änderungen im Raum. Kurzzeitig sah es sogar danach aus, dass Sie bei Versagen beim Contacttracing schär­fere Ausgangsbestimmungen aussprechen können. Das ist nicht gelungen, und das ist mehr als zu begrüßen. Immerhin stellen Ausgangsbeschränkungen eines der schärfsten Mittel dar, um der Pandemie Herr zu werden; sie sind ein massiver Eingriff in die Frei­heitsrechte der Bevölkerung. Dass Sie, Herr Minister, mit der Neugestaltung durch Ver­ordnungen trotzdem über Regeln für Zusammenkünfte im privaten Raum verfügen wollen, lässt uns nicht unbedingt beruhigter zurück, da wir schon zahlreiche Verordnun­gen dieser Regierung erlebt haben, die alles andere als geglückt waren. (Zwischenbe­merkung von Bundesminister Anschober.)

Dieses Epidemiegesetz enthält eine Vielzahl von datenschutzrechtlichen Punkten, bei denen wir größte Bedenken haben, und wir als Sozialdemokratie wundern uns ganz, ganz stark, dass die Grünen, die ja die Partei für BürgerInnenrechte waren, dem ihre Zustimmung geben. Für mich ist das eindeutig unverständlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, zum Abschluss noch meine wiederholte Bitte – ich sage es halt, und es steht dann im Protokoll, darüber freue ich mich auch –: Herr Bundesminister, schützen Sie endlich alle Schwangeren! Die Arbeiterkammerpräsidentin und die Ge­werkschaftsfrauen haben Ihnen und den anderen zuständigen Ministerinnen und Minis­tern einen Brief geschrieben, in dem wir Sie ersucht haben, den Schutz aller Schwan­geren und nicht nur einzelner Gruppen durchzusetzen. Die Antwort, die wir erhalten haben, spottet leider jeglicher Beschreibung. Da wurde mehr Energie dazu verwendet, die Unterschriften der MinisterInnen zu koordinieren, als sich mit diesem Thema zu be­schäftigen. Das haben sich schwangere Frauen in dieser schweren Zeit nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 120

Herr Bundesminister, bitte schaffen Sie Schutz für schwangere Frauen! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele besorgte Schwangere – Frauen im Handel, Frauen in der Pro­duktion, Lehrerinnen, Frauen in den verschiedensten Bereichen – bei uns anrufen und sagen, sie wollen Schutz haben. Bitte setzen Sie das um, die Ängste sind groß, und das ist berechtigt! Bitte nehmen Sie unsere Anliegen ernst, es geht um Frauen und deren ungeborene Kinder! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.)

15.47


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Marco Schreuder. – Herr Bundesrat, Sie gelangen zu Wort, bitte.


15.47.41

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und via Livestream! Das Coronavirus begleitet die gesamte Menschheit, den gesamten Globus und natürlich auch uns als Bundesrätinnen und Bundesräte seit über einem Jahr. Uns allen wäre es lieber gewesen, es wäre nicht so gewesen. – Es hilft nichts.

Weltweit gab es – mit Stand heute – rund 2,8 Millionen Tote. Das ist eine Zahl, die man eigentlich nicht mehr erfassen kann. Das ist eine Größenordnung, die man sich im Kopf weder als Piktogramme noch als tatsächliche Menschen vorstellen kann. Das ist eine traurige Bilanz, und sie zeigt uns, dass wir immer noch vorsichtig sein müssen. Es ist schwierig, es ist eine Zumutung – das hat Bundeskanzlerin Merkel gesagt; ich finde, das ist ein schönes Wort –, dass wir immer noch so vorsichtig sein müssen, aber das muss sein, wenn wir Menschen schützen wollen, wenn wir unser Gesundheitssystem schützen wollen und wenn wir uns gegenseitig schützen wollen, und nur darum geht es. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das macht es nach einem Jahr nicht leichter: Wir haben eine hoch ansteckende neue britische Mutation, wir haben eine neue Mutation aus Südafrika, und was wir aus Bra­silien hören, ist auch nicht gerade eine sehr beruhigende Nachricht. Wir wissen noch gar nicht, wie sehr uns das noch in Bedrängnis bringen wird – auch hinsichtlich zukünftiger Immunisierungen. Das Thema wird bleiben – auch wenn wir das nicht wollen – und leider so schnell nicht gehen.

Das Impfen wird noch ein bisschen dauern; es wird noch dauern, bis wir eine flächende­ckende Immunisierung haben werden. (Bundesrat Spanring: Und warum ist das so?) Die Impfrate in Österreich ist im europäischen Vergleich besser, als die Opposition das sagt (Bundesrat Steiner: Schlechtes Mittelfeld!), aber wir werden natürlich weiter impfen.

Es gilt jetzt, weitere gesetzliche Maßnahmen zu verabschieden, die für die Bekämpfung und vor allem für die Eindämmung des Virus von allergrößter Wichtigkeit sind. Die heu­tigen Beschlüsse wurden bereits kurz dargestellt. Es geht darum, dass Zusammenkünfte von kleineren Menschenmengen im öffentlichen Raum und im privaten Bereich geregelt werden beziehungsweise geregelt werden können. Klargestellt sei aber auch: Die Anzei­ge- und Bewilligungspflicht besteht nicht für Veranstaltungen im privaten Wohnbereich oder vergleichbare private Veranstaltungen – das noch zu meiner Vorrednerin. Die Re­gelung wird nun im COVID-19-Maßnahmengesetz und nicht im Epidemiegesetz veran­kert. Das ist auch deswegen wichtig, weil sie damit befristet ist und keine allgemeine Gültigkeit bekommt.

Bevor hier Spekulationen oder weitere Mutmaßungen auftauchen: Es gibt keine behörd­lichen Kontrollbefugnisse der PVB, somit auch keine Betretungsrechte im privaten Wohnbereich. Die Polizei hat keine Betretungsrechte für den privaten Wohnbereich. Das Gesetz legt diesbezüglich den maximal möglichen Regelungsrahmen fest. Wie die Re­gelung dann tatsächlich aussieht, hängt von entsprechenden Verordnungen und somit auch von der aktuellen epidemiologischen Lage ab.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 121

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der grüne Impfpass. Es wurde schon sehr oft gesagt – im Bundesrat wurde uns das vorgeworfen –, Israel sei so ein tolles Vorbild. Am Beispiel Israel können wir durchaus sehen, wie so etwas funktionieren kann, wenn man aufgrund eines Impfpasses eine Eintrittskarte hat, um zum Beispiel wieder ein Fitnessstudio oder ein Restaurant besuchen zu können. Da werden die Rechtsgrundlagen zur Ausstellung eines Immunitätsnachweises für die Gleichstellung von Geimpften, Genesenen und Ge­testeten geschaffen. Das ist ein wichtiger Schritt für die Vereinfachung der Zutrittsmög­lichkeiten und wohl in späterer Folge auch – und das ist nicht unwesentlich – beispiels­weise für die Reisemöglichkeiten innerhalb der Europäischen Union.

Im COVID-19-Zweckzuschussgesetz wiederum wird künftig geregelt, dass – das betrifft uns im Bundesrat besonders – den Ländern und Gemeinden via Zweckzuschuss folgen­de Leistungen durch den Bund ersetzt werden: Leistungen, die bisher nur für ASVG-Versicherte zugänglich waren, sollen nun über diesen Weg auch an KFA-Versicherte ergehen. Das betrifft den Aufwand für die kostenlose Durchführung von Tests – das sind maximal 25 Euro je Test – und die kostenlose Verteilung von Sars-Cov-2-Antigentests zur Eigenanwendung. Zusätzlich soll den Rettungs- und Krankentransportdiensten ihr Covid-19-bedingter Mehraufwand abgegolten werden. Darunter fallen etwa besondere Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen oder zusätzliche Ausgaben aufgrund des Transports von Covid-19-Verdachtsfällen.

Ein nächster wichtiger Schritt ist die Schaffung der gesetzlichen Grundlage für die Vertei­lung und Anschaffung von Covid-19-Arzneimitteln durch die Europäische Union. Auf europäischer Ebene wird derzeit die gemeinschaftliche Beschaffung von Arzneimitteln zur Behandlung von Covid-19-Patienten im Rahmen von Joint Procurements diskutiert. Da im Fall einer Teilnahme Österreichs das Gesundheitsministerium der Vertragspartner wäre, ist es notwendig, eine gesetzliche Grundlage für die Verteilung der auf diesem Weg beschafften Arzneimittel an inländische Rechtsträger oder Einzelpersonen zu schaffen. Das ist als einmalige Maßnahme im Rahmen der aktuellen Pandemie zu ver­stehen und hat keinerlei Implikationen für die generelle Regelung der Kostentragung bei einer Beschaffung von Arzneimitteln in Österreich.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: Es ist wichtig, diese Gesetzesände­rung zeitnah zu beschließen. Wir müssen auch nach diesem langen Jahr noch einmal die Kräfte bündeln und zusammenhalten, damit wir das Infektionsgeschehen in den Griff bekommen, denn jeder und jede Erkrankte ist einer oder eine zu viel. Auch eine achtwö­chige Verschiebung dieser Maßnahmen ist keine sinnvolle Idee.

Ich möchte in diesem Sinne einen Antrag einbringen:

Antrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR zu TOP 18) Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnah­mengesetz geändert werden

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.55



BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 122

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung einge­brachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemie­gesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1324/A und 757 der Beilagen sowie 10577/BR der Beilagen und 10603/BR der Beilagen), keinen Ein­spruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Ich darf darauf hinweisen, dass um 16 Uhr die Dringliche Anfrage aufzurufen ist. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schilchegger, aber ich nehme an, er möchte seinen Redebeitrag lieber im Anschluss an die Dringliche Anfrage abgeben. (Bundesrat Schilchegger: Ja!)

Ich werde die Dringliche Anfrage um 16 Uhr aufrufen und unterbreche daher die Sitzung für die nächsten 4 Minuten.

*****

(Die Sitzung wird um 15.56 Uhr unterbrochen und um 16 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich nehme die unterbrochene Sitzung hiermit wieder auf und unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

Ich darf an dieser Stelle den Herrn Bundeskanzler in unserer Mitte begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

16.00.35Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend „Der Kanzler im Korruptionssumpf“ (3870/J-BR/2021)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Korinna Schumann als erster Anfragestellerin zur Begrün­dung der Anfrage das Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.


16.01.07

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werter Herr Bundes­kanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Am vergangenen Sonntag veröffentlichten die Zeitungen „Der Standard“ und „Die Presse“ Details aus einem 320 Seiten starken Auswertungsbericht der Wirtschafts- und Korrup­tionsstaatsanwaltschaft. Gegenstand der Auswertung sind Handynachrichten von Tho­mas Schmid, dem aktuellen Alleinvorstand der Öbag, die für die Republik Unterneh­mensbeteiligungen in Höhe von 26 Milliarden Euro verwaltet. Zuvor war Schmid Kabi­nettschef und Generalsekretär im Finanzministerium.

Bereits seit Längerem ist klar, dass der neue Stil, den Kanzler Kurz 2017 beschworen hat, in Wirklichkeit der Geruch eines Sumpfs aus Korruption, Gemauschel, Überheblich­keit und ein bisschen Anstandslosigkeit ist. Nicht zuletzt die regelmäßigen Enthüllungen


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 123

im Ibiza-Untersuchungsausschuss haben diesen Eindruck in den letzten Monaten ver­festigt.

Die nun aufgetauchten Chats sind aber nur ein Teil des türkisen Kartenhauses, das nun langsam einzustürzen beginnt. Gleich zu Beginn ist da mit einem bedauerlichen Miss­verständnis aufzuräumen, nämlich damit, was der neue Spin zu sein scheint: Die 5 Mil­liarden Euro, die die Öbag besser bilanziert, sind nicht das Verdienst des Alleinvorstands Schmid, sondern vielmehr ist das das positive Ergebnis der Börsenkurse. Das ist umso deutlicher zu sagen, da wir die Mär vom erfolgreichen Vorstand Schmid in den nächsten Debattenbeiträgen der ÖVP mit Sicherheit noch hören werden. (Ruf bei der ÖVP: Rich­tig!)

Wenn es um die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen der Öbag geht: Für einige Unternehmen könnte man über die schlechten Zustände für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr wohl einiges berichten.

Gestern hat man einen Nationalratsabgeordneten der ÖVP in die „ZIB 2“ geschickt (Bun­desrat Steiner: Und der Gerstl ... wirklich nicht der Beste, deshalb haben sie den nicht mehr geschickt!), weil sich die wirklich Verantwortlichen, vom Bundeskanzler abwärts, keine lästigen Fragen stellen lassen wollten. Heute, Herr Bundeskanzler, ersparen wir Ihnen das aus mehreren Gründen nicht: zum einen, weil das Sittenbild, das sich da zeigt, tiefe Einblicke in die Gedankenwelt und die moralische Haltung der türkisen ÖVP bietet. Das türkise System und seine Hauptdarsteller zeigen ihr wahres Gesicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich die Gegensätze deutlich umreißen! Auf der einen Seite gesteht man bei der Arbeitslosigkeit keine höhere Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zu, schafft die Hacklerpension ab, lässt Unternehmen in der Krise hängen, versagt bei der Bewältigung der Pandemie und greift ungeniert die Justiz an; auf der anderen Seite werden Lieblinge versorgt, der Staat im engsten Kreise aufgeteilt und die politische Fa­milie versorgt. „Du bist Familie“, liest man da in den Chatprotokollen zwischen Schmid und dem jetzigen Finanzminister – eine eigenartige Formulierung für eine dienstliche Kommunikation.

Ich komme auf die Menschen zurück, die jetzt mit 55 Prozent ihres Einkommens aus­kommen müssen, weil Sie, Herr Bundeskanzler, sich vehement weigern, eine Verbesse­rung aus der Arbeitslosenversicherung zu gewährleisten. Wie sehr würden sich diese Menschen freuen, würden sie von Ihnen hören: „kriegst eh alles was du willst“! Sie wären schon zufrieden damit, zu hören: Kriegst eh alles, was du zum Leben brauchst!

Das betrifft auch die Menschen, die verzweifelt auf die Impfung warten, oder jene Unter­nehmen, die seit Monaten in den Seilen hängen und nicht mehr wissen, was sie tun sollen – „kriegst eh alles was du willst“, das gilt offenbar nur für Ihre Freunde, Herr Bun­deskanzler. Anscheinend haben Sie vielleicht, muss man konstatieren, einfach zu viel „House of Cards“ geschaut, wissen aber nicht, wie man Politik für echte Menschen macht. (Beifall bei der SPÖ.) Anders ist das nicht zu erklären. Sie haben alle Hemmun­gen fallen lassen, Posten geschaffen und türkis gefärbt, moralische Grenzen verschoben und uns auch im Ausland alles andere – ganz ehrlich: alles andere! – als einen Gefallen getan. (Bundesrat Spanring: Das glaube ich auch!)

Erinnern wir uns an Ihren Auftritt infolge des Bekanntwerdens des Ibizavideos! Ideen des Machtmissbrauchs unterstellten Sie Ihrem damaligen Vizekanzler Strache. Gestern haben Sie dann unter anderem auf Twitter zu Recht zahlreiche Menschen gefragt: War das Ibizavideo ärger als dieser SMS-Verkehr? – Wir finden, es ist beides unerträglich. Herr Bundeskanzler, das geht nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir noch weiter in die türkise Gedankenwelt: Leistung muss sich lohnen, die viel zitierte soziale Hängematte, der neue Stil – das waren die Schlagworte, mit denen


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 124

Sie angetreten sind. Und was haben Sie in Wirklichkeit getan? – Jobausschreibungen passend gemacht, Familienmitglieder empfohlen, Zusatzeinkommen für Gutverdienende geschaffen. Herr Bundeskanzler, das ist unfassbar und verwerflich!

Und noch etwas hat sich gezeigt: Sie und Ihre Mannen oder auch deren BeraterInnen haben ein Problem mit Frauen. „Mir gehen die Weiber so am Nerv“, „Scheiß Quote“ (Beifall bei der SPÖ – Zwischenrufe bei der FPÖ), diese Nachricht sandte Gabi Spiegel­feld, eine emsige türkise Netzwerkerin, wie „Der Standard“ schreibt, im Rahmen der Su­che nach steuerbaren Frauen für Aufsichtsräte an Schmid. (Bundesrat Steiner: Deswe­gen hat er heute zwei Ministerinnen mit!)

Konkret hörte sich das von Schmid dann so an: „Lieber Gernot, diese“ H. „ist gut. Habe mir erlaubt das auch an HBK zu schicken: Susanne“ H. „ist wirklich eine gute!“, „Com­pliant“, „Finanzexpertin“, „Steuerbar“, „Raiffeisen und“, „Sehr gutes Niederösterreich Netzwerk“, „Sie hat für NÖ“ – Niederösterreich – „auch delikate Sachen sauber erle­digt.“ – Ja, Herr Bundeskanzler, ist das der Ton, der in Ihrem Umfeld gepflegt wird? (Bundesrat Spanring: Aha, spannend!) Wird in Ihren Reihen so über Frauen gespro­chen? Und was heißt diese Aussage für Ihr Regierungsteam? Herr Bundeskanzler, da tun sich wirklich Gräben auf.

Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind wir von diesem sexistischen und frauenverachtenden Tonfall in Ihrem Umfeld erschüttert. (Beifall bei der SPÖ.) Frauen sind doch keine Verschubmasse, die man einfach einmal hierhin, einmal dorthin steuert. Das hat ja auch Ihre ehemalige Finanzministerin Fekter in ihrer Abschiedsrede im Natio­nalrat so brillant betont, als sie eine Lanze für die Quote gebrochen hat, weil es die Quote nämlich immer noch braucht, um Frauen Chancen zu geben.

Insofern ist die Aussage von Frau Spiegelfeld mehr als bemerkenswert, hat sie doch unabsichtlich auch einen erschreckenden Befund über Ihre ÖVP erstellt. Ihre Perso­naldecke ist offenbar mittlerweile sehr dünn, Frauen werden nicht gefördert und schon gar nicht empowert. Und bitte ganz ehrlich: Wo ist der Aufschrei der türkisen Frauen? (Zwischenrufe der BundesrätInnen Steiner und Steiner-Wieser.)

Und noch einen Bruch mit allen guten Sitten stellt man bei der türkisen ÖVP fest, der uns wohl bislang als undenkbar erschienen ist, und dazu möchte ich Ihnen etwas im Wortlaut vorlesen. Sie, Herr Bundeskanzler, kennen ihn ja ohnehin und er ist heute auch im „Profil“ abgedruckt. Der interessierten Öffentlichkeit darf man das nicht vorenthalten, auch wenn es wehtut.

Am 13. August 2019 fand folgende Konversation zwischen Ihnen, Herr Bundeskanzler, und dem Öbag-Chef Schmid per iMessage statt. Schmid: „Heute ist die Kirche bei uns“, „Schipka kommt um 16.00“ Uhr. „Wir werden Ihnen ordentliches Package mitgeben“. „Im Rahmen eines steuerprivilegien Checks aller Gruppen in der Republik wird für das BMF auch die Kirche massiv hinterfragt“. „Alles sind gleich“. „Dann gehen wir unsere Liste durch.“ „LG“ – liebe Grüße – „Thomas“.

Kurz replizierte: „Ja super. Bitte Vollgas geben.“

Darauf Schmid: „Yea! Das taugt mir voll“.

Noch am selben Tag erstattete Ihnen Schmid dann Bericht: „Also Schipka war fertig!“ „Steuerprivilegien müssen gestrichen werden“, „Förderungen gekürzt“, „Und bei Kultus und Denkmalpflege wesentliche Beiträge“. „Heimopfergesetz werden wir deckeln“. „Er war zunächst rot dann blass dann zittrig“. „Er bot mir Schnaps an den ich in der Fasten­zeit ablehnte weil Fastenzeit“. „Waren aber freundlich und sachlich“.

Der Kanzler bedankt sich: „Super danke vielmals!!!! Du Aufsichtsratssammler“.

Darauf antwortet Schmid mit zwei Kusssmileys. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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Ja, Herr Bundeskanzler, was soll das denn sein? Was ist denn das für ein Stil? Und ich möchte Ihnen hier nur eine Frage stellen, nämlich die Gretchenfrage: „Nun sagʼ, wie hast du’s mit der Religion?“ – Herr Bundeskanzler, vielleicht fällt es Ihnen ähnlich schwer wie Faust, die Frage zu beantworten, aber nicht wegen der hohen Moral und auch nicht wegen der Bedenken, sondern vielmehr, weil Sie sich hoffentlich dafür genieren, wie Sie mit Menschen und mit für dieses Land so wichtigen Institutionen umgehen. All das, Herr Bundeskanzler, wirft viele Fragen auf. (Beifall bei der SPÖ.)

72 davon stellen wir Ihnen heute, und wir erwarten uns wirkliche Antworten, weil es uns als Parlament zusteht, seriös informiert zu werden, und weil Sie der Öffentlichkeit ein Bild gezeigt haben, das wirklich nicht hinzunehmen ist. Und da die Spitzen der Grünen, Vizekanzler Kogler, Klubobfrau Maurer, gestern ja angekündigt haben, dass Schmid nicht mehr ihr Vertrauen genießt, würde es uns heute freuen, hoffentlich einen Vierpar­teienentschließungsantrag zustande zu bringen. Wir werden nämlich den Antrag stellen, den Öbag-Chef abzuberufen, und sind gespannt, wie sich die Kolleginnen und Kollegen der Grünen verhalten werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben jetzt fortlaufend den Niedergang des türki­sen Systems (Bundesrat Steiner: Gott sei Dank!), das in einem Korruptionssumpf ver­sinkt und trotzdem von Herzlosigkeit, Selbstherrlichkeit und Arroganz getragen wird. Ih­nen „fehlt der moralische Überbau“, wie es die „Salzburger Nachrichten“ so treffend for­mulierten. Das türkise Kartenhaus bricht zusammen! Sie müssen sich jetzt bitte Ihrer Verantwortung stellen, ob Sie wollen oder nicht, da helfen keine Unwahrheit im Un­tersuchungsausschuss und keine Messagecontrol mehr, sondern nur noch eines: ein­fach die Wahrheit zu sagen und Verantwortung zu übernehmen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.12


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundes­kanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.


16.12.18

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Frau Präsidentin! Geschätzte Regierungskolleginnen! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Man muss sich in der Politik an vieles gewöhnen, ans Rund-um-die-Uhr-Arbeiten, an ständige Kritik, da und dort schon einmal eine Morddrohung, aber an eines, das sage ich Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, werde ich mich nicht gewöhnen und eines werde ich auch niemals akzeptieren, nämlich dass Sie mir Korruption und strafrechtlich relevante Hand­lungen vorwerfen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Auch wenn Sie sich jetzt schwertun, mir in die Augen zu schauen (Bundesrat Steiner: Wir schauen Ihnen eh in die Augen! – Zwischenrufe bei der SPÖ), kann ich Ihnen nur sagen, ich werde mir das nicht gefallen lassen. Ich kann Sie jetzt nur ersuchen, meinen Ausführungen in ein paar Punkten zu folgen, denn die könnten für Sie relativ interessant sein. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Aus meiner Sicht ist es durchaus legitim, dass Sie versuchen, alles zu skandalisieren und zu kriminalisieren (Zwischenruf bei der SPÖ), aber eines sollte uns allen als demo­kratisch gewählten Vertretern der Bevölkerung schon bewusst sein, nämlich dass es zur Politik selbstverständlich auch dazugehört, neben inhaltlichen Entscheidungen auch Personalentscheidungen zu treffen. Die Regierung trifft unzählige Personalentschei­dungen, vom Verfassungsgerichtshof über die Nationalbank, von der Ernennung von Botschaftern bis hin zu Aufsichtsratsbesetzungen. Das ist das Wesen einer repräsenta­tiven Demokratie. Egal, wie sich die Regierung zusammensetzt, diese Entscheidungen werden getroffen. Sie sind immer dann legitim, wenn die ausgewählten Personen die notwendige Kompetenz mitbringen – und, ja, es ist richtig, dass es auch von Vorteil ist, wenn sie das notwendige Vertrauen genießen.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 126

Egal, ob unter Rot-Schwarz, Türkis-Blau oder jetzt Türkis-Grün: Personalentscheidun­gen finden wöchentlich statt. Allein in den letzten eineinhalb Jahren der Zusammenarbeit mit den Grünen haben wir weit über hundert Personalentscheidungen getroffen. Das ist weder strafbar noch anrüchig, sondern es ist Aufgabe der gewählten politischen Vertre­ter – und das, sehr geehrte Damen und Herren, sollte einmal in aller Deutlichkeit ausge­sprochen werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Gegen eines verwahre ich mich ganz besonders – und das möchte ich heute ganz grundsätzlich festhalten –: Ich verwahre mich dagegen, dass von Ihnen, von der Sozial­demokratie, jede Personalentscheidung einer linken Partei als Segen dargestellt wird und jede Personalentscheidung einer bürgerlichen oder rechten Partei als Verbrechen dargestellt wird. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Sehr geehrte Damen und Herren, das ist nicht akzeptabel! (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt, geschätzte Bundesräte von der Sozialdemokratie, zur Öbag im Detail: Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass die Entwicklung der verstaatlichten Wirtschaft mit einer sehr, sehr schwierigen Geschichte, vielen Arbeitslosen und teilweise auch einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung hin zu einer professionellen Beteiligungsmanagementarbeit in der Öbag, der Öbib, der ÖIAG und anderen Vorläufermodellen ein guter Schritt war. Darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig.

Was den Aufsichtsrat der Öbag im Detail betrifft, empfinde ich es als eine gewisse Chuz­pe (Zwischenruf bei der SPÖ), dass Sie von der Sozialdemokratie gerade das jetzt der Regierung vorwerfen, denn dort sitzen nicht nur Vertreter, die von der damaligen Re­gierungskonstellation ÖVP und FPÖ nominiert wurden, sondern es sitzen in diesem Aufsichtsrat auch Vertreter mit sozialdemokratischem Parteibuch. Soweit ich die Chat­protokolle mitverfolgt habe, kann ich sagen, dass diese ganz eindeutig zeigen, dass es dort eine massive Einbindung der Sozialdemokratie in alle Entscheidungsprozesse gab. Es ist daher auch nicht überraschend, dass das Gesetz im Parlament – und da verstehe ich das Schmunzeln bei den Freiheitlichen – damals nicht nur von den Freiheitlichen und der ÖVP, sondern auch von allen Abgeordneten der Sozialdemokratie beschlossen wur­de. Auch der Vorstand der Öbag wurde einstimmig, mit den Stimmen aller Aufsichtsräte, auch der Aufsichtsräte mit sozialdemokratischem Parteibuch, beschlossen. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Schumann.)

Ich spreche das hier nicht deshalb an, weil ich Ihnen das zum Vorwurf mache, sondern ganz im Gegenteil: Ich halte es für die Aufgabe von demokratisch gewählten Parteien, nicht nur inhaltliche, sondern auch personelle Entscheidungen zu treffen. Ich halte es für sinnvoll, wenn in einem Aufsichtsgremium wie jenem der Öbag auch demokratische Kräfteverhältnisse abgebildet sind. Ich würde es für falsch erachten, wenn da nur Perso­nen einer Weltanschauung vertreten wären, und ich erachte es für sinnvoll, dass es in diesem Aufsichtsrat ein breites Spektrum gibt. Ich glaube, dass es gut war, dass das Gesetz von Sozialdemokratie, Freiheitlichen und ÖVP mit einer breiten Zweidrittelmehr­heit beschlossen wurde; und dass die Entscheidungen im Aufsichtsrat einstimmig gefällt worden sind, ist sicherlich auch nicht zum Nachteil der Öbag und der dortigen Beteili­gungen.

Was ich Ihnen aber heute hier schon zum Vorwurf mache, ist, dass Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ein System skandalisieren, das Sie auf allen politischen Ebenen, überall dort, wo Sie in Verantwortung sind, leben (Widerspruch bei der SPÖ – Uh-Rufe bei der FPÖ) – und dort, wo Sie in der Opposition sind, haben Sie auch an diesem Gesetzwerdungsprozess und den Entscheidungen mitgearbeitet. (Beifall bei der ÖVP.)

Da hier zahlreiche Parteien vertreten sind, möchte ich in aller Offenheit sagen, ich habe in zehn Jahren Regierungsarbeit immer wieder sowohl mit sozialdemokratischen Vertre­tern als auch mit Vertretern der Freiheitlichen Partei als auch mit Vertretern der grünen


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 127

Partei gemeinsam Personalentscheidungen besprochen, verhandelt und auch beschlos­sen. Ich halte das in einer repräsentativen Demokratie für ein absolut normales Vorge­hen und auch für nichts Verwerfliches. Ich halte es für notwendig, stets kompetente Per­sonen auszuwählen, und ich halte es für sinnvoll, wenn sie auch das Vertrauen der de­mokratisch legitimierten Vertreter genießen.

Im Ergebnis ist entscheidend, wie erfolgreich eine Institution ist und wie erfolgreich in Organisationen gearbeitet wird.

In den vergangenen zwei Jahren, seit die Öbag mit neuer Struktur tätig ist, ist der Wert des verwalteten Portfolios um knapp 5 Milliarden Euro gestiegen. Das ist sicherlich meh­reren Faktoren geschuldet, aber es ist sicherlich auch ein Verdienst aller Beteiligten dort, insbesondere auch des breit aufgestellten Aufsichtsrates.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundesrätinnen und Bundesräte der Sozialdemo­kratie haben heute eine Dringliche Anfrage formuliert, in der sie schreiben: Millionenge­schenke für die Spender, während die kleinen Leute leer ausgehen. – Die Wahrheit ist, geschätzte Bundesräte, und ich glaube, das tut Ihnen am meisten weh: Seit ich Bun­deskanzler bin, gab es eine Steuerentlastung für die Bezieher kleiner und mittlerer Ein­kommen und nicht für die Spitzenverdiener. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei Bun­desrätInnen der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Für die Arbeitslosen ...!)

Seit ich Bundeskanzler bin, gab es mit dem Familienbonus die größte Familienentlastung in der Geschichte der Zweiten Republik. Und weil wir von kleinen Leuten sprechen: Seit wir tätig sind, gab es für die Pensionistinnen und Pensionisten in Österreich stets eine höhere Pensionsanpassung als unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern zuvor. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Da war aber ein Freiheitlicher Sozialminister, bei diesen Gesetzen!)

Sehr geehrte Damen und Herren, das ist die Wahrheit und das muss man sagen, wenn wir von kleinen Leuten sprechen, und daher fordere ich Sie auf und ersuche Sie: Bitte unterlassen Sie die Unterstellungen, und bitte unterlassen Sie es, mir strafrechtlich re­levantes Vorgehen vorzuwerfen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme nun zur Detailbeantwortung Ihrer Fragen.

Zur Frage 1:

Obwohl es regelmäßige Versuche gibt, strafrechtliche Vorwürfe vor allem durch Anzei­gen von politischen Parteien oder anonyme Anzeigen zu konstruieren, werden nach meinem Kenntnisstand derzeit keine strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen mich geführt.

Zu den Fragen 2, 22, 42, 43, 44, 45, 46 und 48 (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann):

Wie bereits anlässlich meiner Befragung im Untersuchungsausschuss ausgeführt, ersu­che ich um Verständnis, dass Details zu meiner Kommunikation – sei es via Handy, Festnetz, E-Mail et cetera (die BundesrätInnen der FPÖ halten Plakate in die Höhe, auf denen ein zwinkerndes Smiley, das einen Kussmund formt und ein Herzchen zeigt, ab­gebildet ist – Bundesrat Steiner: Bussi, Bussi! Wir sind auch konstruktiv!) – aus Sicher­heitsgründen nicht öffentlich beantwortet werden können. Gerne bin ich bereit, in den entsprechenden Gremien mit der nötigen Geheimhaltungsstufe Auskunft darüber zu ge­ben. (Bundesrat Spanring: Also über das keine Auskunft zu geben?)

Zu den Fragen 3, 4, 12, 24, 25, 26, 27, 33, 35, 47, 49, 52, 53, 54, 55, 56, 59, 60 und 69:

Als Bundeskanzler bin ich mit vielen Unternehmen, Wirtschaftstreibenden und Füh­rungskräften von Unternehmen in Kontakt. Auch meine Regierungskollegen pflegen ei­nen regen Austausch mit Personen des wirtschaftlichen Lebens. Diese Kontakte finden


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in der Regel in Form von physischen Treffen statt, aber es gibt auch immer wieder Aus­tausch auf postalischem, elektronischem oder telefonischem Wege. Bei diesen Gesprä­chen meinerseits sind auch immer wieder andere Regierungskollegen dabei. Die The­men, die dabei angesprochen werden, sind sehr breit und reichen von allgemeinen politi­schen Fragen über Themen der Regierungsarbeit bis hin zu Themen der konkreten Fra­gestellungen der jeweiligen Unternehmen.

Zu den Fragen 5 bis 19, 21, 34, 37, 38 und 39:

Die Bestellung des Öbag-Aufsichtsrates ist in der Verantwortung des Finanzministe­riums, das auch dafür verantwortlich ist, die entsprechenden Personen dafür auszuwäh­len. Der Aufsichtsrat der Öbag ist zuständig für die Bestellung des Vorstandes. Darüber hinaus trifft man als Regierung unzählige Personalentscheidungen, und auch die Mi­nister, die Mitglieder der Bundesregierung sind, treffen unzählige Personalentscheidun­gen. Das fängt bei Personalentscheidungen im Ministerrat an – vom Verfassungsge­richtshof über die Nationalbank bis hin zur Ernennung von Botschaftern –, darüber hi­naus gibt es viele Aufsichtsräte, die von Ministern direkt bestellt werden – von den ÖBB über die Kultureinrichtungen bis hin zu Unternehmen, die im Eigentum der Republik stehen.

Diese Personalentscheidungen müssen getroffen werden, denn die Gesetze in Öster­reich sehen das so vor. Die Personen, die ausgewählt werden, müssen natürlich immer qualifiziert sein, und es ist auch sinnvoll, wenn es ein entsprechendes Vertrauen ge­genüber diesen Personen seitens des Eigentümers gibt.

Die Prozesse, wie es zu diesen Entscheidungen kommt, funktionieren aus meiner Sicht immer gleich, ganz egal, wer gerade regiert – ob Rot, ob Blau, ob Schwarz, ob Pink, ob Türkis oder Grün. Der Bundeskanzler ist in unterschiedlicher Weise in diese Prozesse involviert. In einige ist er eingebunden, in andere nicht. Über manche wird er informiert, manche erfährt er aus der Zeitung. (Bundesrat Steiner: Aus den Chats! Bussi, Bussi! Mach’s für mich!) So ist es jetzt in der Koalition, und ähnlich habe ich es in allen anderen Regierungen, deren Teil ich war, auch immer erlebt.

Zu den Fragen 20 und 72:

Im Regierungsprogramm ist eine Vielzahl an Projekten angeführt, und das Finanzminis­terium ist in seinem Bereich zuständig für Vorbereitungen und Analysen zur Umsetzung dieser Projekte.

Zur Frage 23:

Es fanden zahlreiche Termine im BKA und im BMEIA sowohl mit als auch ohne meine Teilnahme statt. Ich habe naturgemäß keine Kenntnis über alle Themen der einzelnen Termine.

Zu den Fragen 28 und 29:

Wie schon mehrfach beantwortet und medial bekannt, bin ich nicht Martina Kurz, und es gab auch kein Treffen mit Johann Graf.

Zu den Fragen 30, 31, 32, 50, 51 und 61:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung und deren Mitarbeiter berichten in re­gelmäßigen Abständen über wichtige Informationen aus den verschiedenen Beteiligun­gen der Republik. Diese Informationen werden im Rahmen der Sitzung des Ministerrates oder in anderen Besprechungen mit mir geteilt. Das Bundesministeriengesetz regelt da­bei eindeutig die Zuständigkeit der Mitglieder der Bundesregierung. Als Bundeskanzler ist es mir aber ein Anliegen, dass mir regelmäßig über relevante Vorgänge aus den je­weiligen Zuständigkeitsbereichen berichtet wird.


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Zur Frage 36:

In der Vorbereitung jeder Regierungsbildung gibt es in der Regel verschiedene Überle­gungen, welche Personen infrage kommen, um ein konkretes Ministeramt zu bekleiden. Ernannt werden sie am Ende vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundeskanz­lers.

Zur Frage 40:

Mitglieder der Bundesregierung sind nicht von verwaltungsinternen Regeln umfasst, sie sind daher grundsätzlich auch frei bei der Wahl ihrer technischen Mittel. Schutz- und Sicherheitsmechanismen sind immer im konkreten Fall zwischen obersten Organen und Ressort zu treffen. Der Umgang mit klassifizierten Informationen ist im Informationssi­cherheitsgesetz geregelt. Selbstverständlich sind diese gesetzlichen Regelungen daher auch von Mitgliedern der Bundesregierung anzuwenden. Falls erforderlich, werden vom jeweiligen Ressort dafür technische Mittel zur Verfügung gestellt.

Zur Frage 41:

Ein Mitarbeiter meines Kabinetts hat mich bei verfahrensrechtlichen Fragestellungen unterstützt und mich als Vertrauensperson begleitet.

Zu den Fragen 57 und 58:

Aktuell haben alle Mitglieder meines Kabinetts die EDV-Richtlinien des Bundeskanz­leramtes unterschrieben.

Zu den Fragen 62, 63 und 66:

Mit den beiden von Ihnen angeführten Herren gab es keine persönlichen Termine oder persönlichen Kontakte auf elektronischem Weg im angeführten Zeitraum.

Zu den Fragen 64, 65, 70 und 71:

Es obliegt den zuständigen Ministerinnen und Ministern, mich in Sicherheitsfragen und Justizangelegenheiten im Anlassfall zu informieren.

Zur Frage 67:

Nein.

Zur Frage 68:

Der damalige Vizekanzler hat mich kurz vor Erscheinen des Ibizavideos informiert, dass er darin unwahre Behauptungen über mich aufgestellt hat, und sich dafür entschuldigt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

16.28


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Re­dezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.29.01

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Sehr geehrte Ministerinnen der Regierung! Herr Bundeskanzler, ich mache jetzt einmal drei Feststellungen zu Ihren Ausführungen. Erstens: In Ihren Vorbemerkun­gen – wir werden das nachlesen – haben Sie eine explizite Drohung gegenüber der Fraktionsvorsitzenden Schumann ausgesprochen. (Vizepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)


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Zweitens: Die Art, wie Sie hier eine Dringliche Anfrage beantworten, scheint den Ver­dacht zu erhärten, dass viele Inhalte dieser Fragen richtig sind, denn es war wie eine Bestätigung, dass man sich diesen Fragen so nicht stellen will.

Drittens: Sie haben einmal mehr bewiesen, dass Sie offensichtlich auch in einer anderen Wirklichkeit leben als jener, die in den letzten Tagen zutage getreten ist und die das Land in der Tat entsetzt. Es ist dieser Zusammenbruch eines Sittenbildes. Die Frage ist ja noch, liebe Frau Kollegin Schumann, ob es hier nicht nur an moralischem Überbau fehlt, sondern auch hinsichtlich des ideologischen Überbaus sozusagen eine Leermeldung erfolgt ist.

Beides ist klar, und dann haben wir durch Ihre Beantwortungen festgestellt: Dort, wo es haarig wird, was die Öbag betrifft, verlagern Sie jetzt die Verantwortung weg von Ihnen und hin zu Finanzminister Blümel. Das widerspricht aber eklatant Ihren Chatprotokollen.

Damit wir nicht von irgendetwas reden, haben wir hier einmal einen Chat vom Kanzler an Herrn Schmid (eine Tafel, auf der ein Foto des Bundeskanzlers, ein Foto des Öbag-Vorstands Thomas Schmid sowie der Wortlaut „Du Aufsichtsratssammler:)“, gefolgt von zwei Smileys, die einen Kussmund formen und ein Herzchen zeigen, zu sehen sind), so quasi – ganz familiär –: „Du Aufsichtsratssammler“!, und dazu gibt es gleich zwei ordent­liche Bussiemojis. (Die BundesrätInnen der FPÖ halten Plakate in die Höhe, auf denen ein zwinkerndes Smiley, das einen Kussmund formt und ein Herzchen zeigt, abgebildet ist. – Zwischenruf bei der FPÖ.) – Warum soll er ihn - - (Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.) – Genau. Danke schön.

Dann schreibt der besagte Verantwortliche (eine Tafel mit einem Foto von Bundesminis­ter Blümel, einem Foto von Öbag-Vorstand Schmid und dem Wortlaut „Schmid AG fertig“ in die Höhe haltend): Die „Schmid AG“ ist „fertig“. Und dazu gibt es auch einen glück­lichen Thomas Schmid.

Jetzt aber kommt es: Unser Kanzler sagt, er hat damit nichts zu tun. Er schreibt, mit gleich drei Emojis (eine weitere Tafel, in deren oberer Hälfte neben einem Foto des Bun­deskanzlers der Wortlaut „Kriegst eh alles, was du willst.“, gefolgt von drei zwinkernden Smileys, die einen Kussmund formen und ein Herzchen zeigen, zu lesen ist – Bundesrat Steiner: So viele Bussi!): „Kriegst eh alles, was du willst.“ (Bundesrat Steiner: Tu’s für mich!) – Also wenn er sagt, dass er eigentlich nur auf das wartet, was Blümel tut: Da erfolgt eine ganz klare Einflussnahme! (Die BundesrätInnen der FPÖ halten neuerlich die erwähnten Plakate in die Höhe.)

Und jetzt kommt’s (auf die untere Hälfte der Tafel weisend, wo neben einem Foto von Öbag-Vorstand Schmid der Wortlaut „Ich bin so glücklich :-))) Ich liebe meinen Kanzler“, gefolgt von zwei lächelnden Smileys, zwei Daumen-hoch-Symbolen und zwei Muskel­armsymbolen, zu lesen ist): Wer so Einfluss nimmt, bekommt die Antwort: „Ich bin so glücklich“, „Ich liebe meinen Kanzler“! (Bundesrat Steiner: Bussi, Bussi! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Wenn das nicht eine Peinlichkeit ist! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Sie können hier Ihre Verantwortung nicht leugnen.

Was auch noch interessant ist: Sie verwenden ja wahnsinnig viel Geld für die Message­control, aber sie ist irgendwie zusammengebrochen. Lesen Sie die „Salzburger Nach­richten“, lesen Sie die „Tiroler Tageszeitung“, lesen Sie den „Standard“, lesen Sie das „Profil“. (Bundesrat Spanring: Lesen Sie die „Süddeutsche Zeitung“!) – Ja, die Deut­schen kommen noch dazu, weil zwei der ausgebooteten oder nicht genommenen Kan­didaten aus Deutschland sind. – Ein Entsetzen über den Verlust von Moral und Anstand geht da durch.


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Und – ich habe das eine jetzt nicht dabei, aber Sie wissen es natürlich – diese Sprache: „Du bist Familie“. – Also ich weiß, wo man das sagt: In Sizilien zum Beispiel (Heiterkeit bei der FPÖ), in Kalabrien sagt man so etwas. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Das impliziert etwas: Herr Kanzler, Sie sind der Strippenzieher dieser Günstlingswirt­schaft! – Sie haben gesagt, Sie haben mit all dem nichts zu tun. Ich schaue zu unserem Kollegen von den NEOS: Ich habe mitbekommen, dass dort eine Strafanzeige wegen Lügen erstattet wurde, Lügen im Ibiza-Untersuchungsausschuss. Die Strafdrohung ist drei Jahre. Es ist kein Kavaliersdelikt, in einem Untersuchungsausschuss nicht die Wahr­heit zu sagen. Aber das werden ja - - (Bundesrat Bader: ... Gerichtsverhandlung!) – Ja, ja! Nicht nervös werden! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Schau, Sie schicken dir auch schon welche, ja. (Die Bundesräte der FPÖ halten die erwähnten Tafeln – in Richtung Bundesrat Bader – neuerlich in die Höhe.) – Kollege Ba­der, die gelten alle für dich, offensichtlich. (Heiterkeit bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Steiner: Lieber Kollege Bader, schau! Kriegst ein Bussi von mir! Schau! Bussi, Bussi!)

Ich habe heute in den sozialen Medien – in den sozialen Medien wird man immer ganz kreativ, wenn es um wichtige, sensible Fragen des Landes geht – eine Umdichtung un­serer Bundeshymne gesehen. Sie beginnt: „Land der Posten, Land des Schachers“, es geht dann noch so weiter.

Herr Bundeskanzler, spüren Sie nicht irgendeine Verantwortung? Sie sagen: Wir ent­scheiden wöchentlich über Personal! – Entscheiden Sie wöchentlich über jede Personal­besetzung in dieser Weise? Werden da Emojis herumgeschickt, wenn Sie irgendjeman­den ernennen oder nicht? – Das kann nicht sein.

Das Nächste ist: Wir alle kennen ja dank der Veröffentlichungen diese Sprache. Ich frage mich jetzt, was problematischer für die Republik ist: Das, was auf Ibiza stattgefunden hat – woraufhin Sie gesagt haben, es geht nicht mehr –, oder das, was hier vorliegt? (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Schartel und Leinfellner.)

Ich sage eines: Das Sprachniveau ist dasselbe, aber die in Ibiza waren noch nicht in der Regierung, Sie jedoch sind in der Regierung, und das ist der Unterschied. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Für die, die in der Regierung sind, ist auch klar, dass es bereits Ermittlungen gibt. Es gibt Ermittlungen gegen den von Ihnen jetzt verantwortlich gemachten Herrn Blümel, es gibt Ermittlungen gegen seinen Vorgänger, Herrn Löger, gegen einige ÖVP-nahe Justiz­beamte und so weiter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein Bild, angesichts dessen ich jetzt gerne in Anlehnung an die Worte des Bundespräsidenten sagen würde: So ist das Land nicht! – Aber so ist diese türkis-grüne Regierung, und ich hoffe sehr, dass der Kollege von den Grünen diesbezüglich auch eine sehr klare Sprache spricht.

Gestern Abend haben wir alle etwas erlebt: Ich habe lange gerätselt, wer dieser Herr in der „ZiB 2“ ist. (Bundesrat Bader: Krainer! Krainer heißt er!) – Nein, er heißt Hanger. Er dürfte aus dem Stall des Herrn Sobotka sein – rein geographisch, also nach dem, woher er kommt. Ich meine, es war schon das letzte Aufgebot, das ihr da geschickt habt. (Bun­desrat Steiner: Ja! – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Er hat mir ja leidgetan. Er hat dann immer gesagt: Aber die Gewinne sprechen für die zwei!

Lieber Herr Himmer, du warst an der Spitze eines Unternehmens, du weißt es besser: Diese 5 Milliarden Euro sind Veränderungen von Börsenkursen zuzuschreiben – und mit Sicherheit nicht einem Alleinvorstand und einem Aufsichtsrat, die überhaupt nicht opera­tiv tätig sind! Das ist das, was in den Unternehmen, an denen sie die Vermögensanteile


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zu verwalten haben, erarbeitet wurde! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Genau! Das ist subjektiv!)

Aber ich weiß ja nicht, Herr Bundeskanzler, warum ihr einem solch unbedarften jungen Mann das gestern angetan habt – offensichtlich hat sich niemand bereitgefunden, Rede und Antwort zu stehen. Ich muss ehrlich sagen, er hat mir mehr leidgetan, als dass meine Häme über diese Performance da war.

Nun, wir haben Karwoche: Wir haben erfahren, wie man versucht, gegenüber der katholi­schen Kirche aufzutreten. Und manche von euch glauben ja noch immer, dass ihr eine christliche Partei seid. Das seid ihr nicht mehr, das seid ihr schon lange nicht mehr! (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler. – Ruf bei der ÖVP: Hallo!) Man denke nur an euren Umgang mit den nicht ins Land geholten Minderjährigen, die in unwürdigen Lagern leben, weshalb die Bischöfe und viele andere an euch appellieren – das seid ihr also schon lange nicht mehr! (Bundesrat Spanring: Die passen schon gut zusammen!)

Jetzt geht es darum, dass man sagt: Zeigt einmal der katholischen Kirche, dass wir noch anders können! Wir können ja auch die Steuern verändern! – Und dann diese Häme: Wir haben in der Fastenzeit keinen Schnaps getrunken! – Normalerweise isst man in der Fastenzeit kein Fleisch, aber ist wurscht, man kann auch keinen Schnaps trinken. Im Ramadan ist beides nicht erlaubt. Warum aber genau die katholische Kirche? – Weil die katholische Kirche gegen ein solches Sittenbild, wie es diese Regierung abgibt, deren Überbau verloren ist, noch immer einen Widerstand darstellt und sie auch immer wieder öffentlich korrigiert.

Jetzt aber, dank dieser SMS, wissen wir, wie da vorgegangen wurde und was Herr Schmid alles zu tun gehabt hat.

Herr Bundeskanzler, Sie waren zwar nie Abgeordneter, aber Sie werden verstehen, dass wir Abgeordnete beziehungsweise Bundesräte uns Anfragebeantwortungen in der Form einfach nicht gefallen lassen können, da diese Sammelbeantwortung in der Antwort über die Fragestellung hinweghuscht. Man hat ganz offensichtlich etwas zu verheimlichen und spricht nicht Klartext. Das geht in der Weise nicht. Wir werden entsprechende Über­legungen anstellen, wie wir Sie gemäß den verfassungsrechtlichen Bestimmungen (Zwi­schenrufe bei der ÖVP) hier dazu bringen können, die Fragen auch im Einzelnen zu beantworten.

Sie wurden von zwei Ministerinnen Ihrer Regierung begleitet. Meine Damen der ÖVP, nicht nur Sie (in Richtung Bundesministerinnen Köstinger und Tanner), sondern auch Sie (in Richtung ÖVP)! Also gegen solch einen Sexismus sind andere in der ÖVP auf­getreten. Ich kann mich an Reden einer Frau Fekter erinnern, die im Parlament erklärt hat, wieso die Quote richtig und wichtig ist. Ich kann mich an eine Rauch-Kallat erinnern, die aufgestanden ist und erklärt hat, wieso die Quoten richtig und wichtig sind und warum auch die Bundeshymne entsprechend zu adaptieren ist. Was ist jetzt los mit den ÖVP-Frauen? (Zwischenruf der Bundesrätin Holzner. – Heiterkeit bei der FPÖ.) Lassen Sie solch sexistische SMS einfach durchgehen? Das kann ich mir doch nicht vorstellen, denn die ÖVP-Frauen waren immer sehr couragiert.

Ich erinnere mich, als ich in dieses Haus gekommen bin, gab es eine Vizenationalrats­präsidentin namens Marga Hubinek. Marga Hubinek hat immer die Hosen angehabt (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ), sie hat auf den Tisch gehaut und gesagt, was Sache ist. Jetzt ist Schweigen! (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Aber ihr tut dem Kanzler und Herrn Blümel und den anderen nichts Gutes, wenn ihr solchen Sexismus durchgehen lässt (Beifall bei der SPÖ), denn irgendwann trifft er auch euch. Schweigen bedeutet nicht, dass man im Leo ist, dass man im Windschatten von irgend­etwas ist – man muss Stellung nehmen!


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Herr Bundeskanzler, wir nehmen zur Kenntnis, Sie waren nicht bereit, die Fragen zum Korruptionssumpf, in dem Sie stecken, und zu dieser Günstlingswirtschaft, in der Sie der Strippenzieher sind, eine Familie aufgebaut haben natürlich haben Sie einen Adjutan­ten dabei, den willfährigsten Adjutanten, Herrn Blümel , zu beantworten. Da gibt es aber noch mehr, und das geht so nicht. Das werden Sie auch nicht so einfach mehr aus der Welt wischen können – der Herr Kollege von den NEOS wird das wahrscheinlich auch ansprechen , es wird das Gericht bemüht werden.

Sie haben hier Drohungen ausgesprochen, das schauen wir uns auch an, denn das steht Ihnen auch als Bundeskanzler nicht zu. Sie können zwar in Ihrer eigenen Welt leben, aber Sie können nicht einer Parlamentarierin hier drohen, wie Sie das getan haben. Ich weiß nicht, ob das noch jemand wie eine Drohung empfunden hat – aber ich sehe hier mehrere Leute nicken. Das war eine Drohung, wenn auch versucht versteckt.

In diesem Sinne nehmen wir Ihre Beantwortung in der Form nicht zur Kenntnis, Herr Bundeskanzler. Für uns sind Sie der Mann, der im Land der Posten und im Land des Schacherns seine Günstlinge in Stellung bringt, der gleichzeitig die Erhöhung des Ar­beitslosengeldes ablehnt, aber einer Person ermöglicht: Mach dir deine AG selber, mach dir die Ausschreibungen, setz deine Aufsichtsräte ein, die du willst! Sie sind daran be­teiligt, Sie waren daran beteiligt, das sieht man an all diesen Chatnachrichten. Herr Bun­deskanzler, Sie stecken weiterhin, auch nach dieser Dringlichen Anfrage, im Korrup­tionssumpf. Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

16.44


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karl Bader. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


16.44.59

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen Ministerinnen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr dankbar, dass heute bei dieser Dringlichen Anfrage auch der ORF da ist. Er ist ja sonst nicht so oft Gast im Bundesrat, aber ich glaube, dass es für Klarstellungen ganz gut ist, wenn eine breite Öffentlichkeit davon entsprechend erfährt. (Bundesrat Steiner – erheitert –: Das ist für euch nicht so gut! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir haben jetzt zwei ihr könnt euch ruhig zu Wort melden, liebe Kollegen (Bundesrat Steiner: Ja, wir können schon!) – Mitglieder der SPÖ-Fraktion gehört. Zunächst zu Kol­legen Schennach: Eines muss schon klar sein, die Fragen an den Herrn Bundeskanzler haben Sie gestellt, die Antworten gibt der Herr Bundeskanzler. (Bundesrätin Grimling: Welche Antworten?! Welche Antworten?!) Ob diese Antworten von Ihnen anders inter­pretiert werden wollen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das waren ja keine Antworten!), ist Ihre Sache, aber die Antworten wurden klar gegeben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das Zweite: Machen Sie sich keine Sorgen um die Volkspartei und auch nicht um die Frauen in der Volkspartei! Ich glaube, dass wir ein Menschenbild und ein Frauenbild vertreten, das in dieser Welt durchaus angemessen (Bundesrat Steiner: Angemessen?! – Rufe bei der SPÖ: Angemessen?! – Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ) und auch zeitgemäß ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir durchleben seit einem Jahr die größte Gesundheitskrise, diese Pandemie beschäf­tigt uns intensiv. Wir haben aber heute mit dieser Dringlichen Anfrage, glaube ich, auch eines der größten Ablenkungsmanöver der SPÖ (Heiterkeit bei der SPÖ) von ihrer in­ternen Problematik miterleben können und miterleben müssen (Bundesrat Spanring: Geh bitte! Geh bitte! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), einer Problematik, die nicht dazu dient, diese größte Gesundheitskrise, diese Pandemie zu bekämpfen. Wir haben ein Durcheinander gesehen, und wir haben auch dieses interne Zerwürfnis


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miterlebt, dass Sie es nicht schaffen, hier heute einem Epidemiegesetz zuzustimmen. Die roten Landeshauptleute haben mit dem Gesundheitsminister Maßnahmen zur Be­wältigung der Pandemie ausverhandelt, Sie können es nicht umsetzen. Ich darf euren Landeshauptmann Doskozil aus dem Burgenland zitieren, der sagt: dümmster Zeitpunkt, aus parteipolitischen Gründen rechtlichen Rahmenbedingungen nicht zuzustimmen. – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Ablenkung! Ablenkung! ... Epi­demiegesetz ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Skandalisieren, nach den Anschüttungen (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ) – bitte, liebe Kolleginnen, Kollegen von der SPÖ (Bundesrat Steiner: Zum Thema!), ich glaube, es hat bei den Redebeiträgen der sozialdemokratischen Kollegen keinen einzigen Zwischenruf von der ÖVP-Seite gegeben (Zwischenrufe der BundesrätInnen Beer und Grimling), daher würde ich mir auch erwarten, dass Sie hier mittun –, nach den Kriminalisierungsversu­chen, nach den moralisierenden Ausführungen, Unterstellungen und Drohungen: Sie stellen sich hierher, behaupten Drohungen und drohen dem Herrn Bundeskanzler (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann), Sie werden sich etwas überlegen, weil Sie nicht die Antworten bekommen haben, die Sie sich vielleicht gewünscht haben. (Bundesrätin Grimling: ... Wer hat gedroht? ... Drohung!) Das ist das Thema!

Ich möchte aber jetzt auch zu den Zahlen, Daten und Fakten statt Fakes  zurückkom­men. Es waren  das ist auch ein Faktum  in der Geschichte dieser Republik SPÖ-Manager, die in der verstaatlichten Industrie über viele Jahre ein finanzielles Desaster, ein Milliardengrab verursacht haben (Zwischenruf des Bundesrates Beer), Tausende Ar­beitsplätze vernichtet haben, die zu verantworten sind. – Das ist klar. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Da wart ihr nicht in der Regierung?!)

Wir haben heute mit der Öbag ein System geschaffen (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) und ein Gesetz verabschiedet, in dem klar geregelt ist, dass die Eigentümer auch Verantwortung übernehmen müssen. Diese Eigentümerverantwortung war vorher nicht entsprechend gegeben, und daher war es notwendig, dieses Gesetz zu beschlie­ßen. Der Herr Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, dieses Gesetz entstammt der türkis-blauen Regierungszeit, und es hat auch entsprechende Verhandlungen gegeben, sodass es mit breiter Mehrheit beschlossen werden konnte. Daher ist es wirklich heuch­lerisch, es ist eine Doppelmoral, die nicht zu überbieten ist, wenn Sie sich heute hierher stellen und diese Kritik üben.

Das Öbag-Gesetz wurde mit der SPÖ mit Präsident Katzian  verhandelt, inhaltlich abgestimmt (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), es gab auf Basis der Interven­tionen Katzians auch Abänderungsanträge und dann die Zustimmung. Katzian hat auch fleißig an Schmid geschrieben. (Bundesrat Steiner: Na, macht’s das jetzt besser? Macht’s das jetzt besser?) Da ging es zum einen um die Bestellung des Aufsichtsrates (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Schumann) oder darum, welche Fir­men in die Staatsholding genommen werden. „Und mit Kern“, so schreibt Katzian, „habe ich alles geklärt! Ich führe die Gespräche!“, schrieb Katzian an Schmid. (Bundesrätin Schumann: Ja, genau ...!)

Somit ist klar, dass auch die SPÖ, die einst im Parlament dem Gesetz zur Neugründung zugestimmt hat (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ), beim Entstehen dieses Ge­setzes mitgespielt hat. Na ja, Sie stellen sich her und machen Anwürfe, Unterstellungen, Kriminalisierungen. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie glauben, dass alles, was Sie tun, der höchsten Moral entspricht. Ich zitiere Wolfgang Katzian (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ) ich weiß nicht, warum Sie so nervös sind, vielleicht muss Ihnen die FPÖ wieder helfen, eine Dringliche Anfrage zu retten (Heiterkeit bei der FPÖ – Bundesrat Steiner: Machen wir natürlich gern! – Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ) –: „Jetzt next Step  deine Bestellung und dann setzen wir


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das um, was wir besprochen haben.“ – Das schrieb Katzian, und Sie stellen sich als große Moralapostel hierher.

Zur Bestellung von Thomas Schmid in der Öbag: Daten und Fakten statt Fakes. Der Ausschreibungstext wurde von einem Nominierungskomitee des Aufsichtsrates erstellt, wider besseres Wissen behaupten Sie anderes. Die Personalberatungsunternehmen haben den Text fixiert und formuliert. Es gab eine internationale Ausschreibung mit meh­reren Bewerbern, und es gab ein Hearing. Das Hearing und damit hatte der Herr Fi­nanzminister, Eigentümervertreter, nichts zu tun  hat klar ergeben, dass Thomas Schmid der Erstgereihte ist. Die Bestellung von Thomas Schmid im Aufsichtsrat erfolgte einstimmig, also auch mit den Stimmen der Vertreter der SPÖ.

Messen wir Thomas Schmid ganz einfach an den Fakten und an den Taten! Wir haben heute schon gehört, in der Öbag ist ein Portfolio von rund 26 Milliarden Euro zu verant­worten. Da kann natürlich nicht einer dafür verantwortlich sein, da gebe ich Ihnen schon recht, aber es ist trotzdem ein Erfolg, dass dieses Unternehmen heute so dasteht, das ist der Mannschaft und Thomas Schmid und natürlich auch exzellenter Arbeit geschul­det. (Bundesrat Steiner: Na, geh! ... Aufsichtsrat nichts zu tun! – Zwischenruf des Bun­desrates Spanring.)

In dieser Öbag wird natürlich auch davon berichtet, dass im Aufsichtsrat das Einver­nehmen mit den Arbeitnehmervertretern und den Eigentümervertretern ein sehr, sehr gutes ist. Daher ist das natürlich auch entsprechend positiv zu bewerten.

Sprechen wir von Fakten statt Fakes, auch betreffend die Chats! Was hat die Wirt­schafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft klar festgestellt? Es gibt keine strafrechtli­che Relevanz. Sie stellen sich immer hierher und bezichtigen den Herrn Bundeskanzler der Korruption, sprechen von Korruptionssumpf und so weiter. Das ist etwas, das zurück­zuweisen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Aus der Sicht der SPÖ geht es darum: Auf der einen Seite muss ein erfolgreicher Ma­nager aus der Öbag weg, und auf der anderen Seite steht ein erfolgreicher Bundes­kanzler, der durch Wahlen nicht zu biegen ist, dem man jetzt Korruption unterstellen muss, was ungeheuerlich ist (Bundesrat Steiner: Na, na! Dafür haben wir die Chats, da brauchen wir nichts zu unterstellen!), und der Politik für die Menschen in diesem Land macht. (BundesrätInnen der FPÖ halten Plakate in die Höhe, auf denen zum einen ein zwinkerndes Smiley, das einen Kussmund formt und ein Herzchen zeigt, und zum anderen der Text „Kriegt eh alles, was ihr wollt“ abgebildet sind. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie sind, liebe Kollegen, im Projekt Kurz muss weg so fanatisch und von blinder Wut getrieben, das ist der Sozialdemokratie nicht würdig. Ich glaube, dass das wirklich ein reines Ablenkungsmanöver von Ihren internen Problemen ist (Bundesrätin Schumann: Ja, ja!), die Sie als Sozialdemokratie haben. Das möchte ich hier festhalten, und ich weise die Unterstellungen klar und deutlich zurück. (Beifall bei der ÖVP.)

16.54


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Johannes Hübner. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.


16.54.53

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Liebe Kollegen! Ja, Kollege Bader, Sie dürfen sich so, wie Sie da argumentieren, nicht wundern, wenn die ÖVP und Sie in diesem Schlamassel sind, in dem Sie jetzt sind.

Während uns der Herr Bundeskanzler noch einigermaßen wahrheitsnahe die tatsächli­chen Zustände in der verstaatlichten Industrie oder in der staatsnahen Industrie geschildert


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hat – dass sich die Parteien nämlich Vertraute aussuchen und dass es ein Recht jedes Politikers ist, der an der Macht ist, solche Vertrauten hineinzuschicken , tun Sie so, also ob die formal bestehenden Gesetze irgendeine Spiegelung in der Realität der österrei­chischen staatsnahen Politik hätten, und reden davon, dass ein Komitee die Bewer­bungsunterlagen für Schmid gezimmert und der Aufsichtsrat das dann einstimmig be­schlossen habe (Heiterkeit bei FPÖ und SPÖ) – als ob das irgendetwas mit den tatsäch­lichen Vorgängen zu tun hätte. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Also es ist ja wohl, wie Sie selbst wissen da kann ich dir (in Richtung Bundesrat Schen­nach) auch nicht ganz recht geben –, ein Wesenszug der staatsnahen Industrie in Öster­reich seit den Verstaatlichungsgesetzen 1946 bis 1949, dass dort alle Posten proporz­mäßig oder, wenn es Alleinregierungen gibt, von der regierenden Partei alleine besetzt werden. Das wissen wir. Diese Dinge, die Sie sagen, sind ja eine Täuschung der Öf­fentlichkeit; es ist ja die große Unehrlichkeit der österreichischen Politik, dass man den Leuten vorgaukelt, es wird objektiviert.

Es gibt ein Gesetz, das in der Regierung Vranitzky II gemacht worden ist warten Sie, das war 1989, glaube ich, ja –, das Ausschreibungsgesetz 1989. Da hat man erstmals versucht, den Leuten Sand in die Augen zu streuen und so zu tun, als ob politische Besetzungen im staatsnahen Bereich objektiv erfolgen würden, als ob es da irgendwel­che Kommissionen gäbe, die in Fällen, in denen seither immer schon entschieden war, wer den Posten bekommt, bevor die Kommissionen überhaupt getagt haben, etwas mit­zureden hätten. (Beifall bei der FPÖ.) In der Causa Schmid ist ja das unter Anfüh­rungszeichen – „Problem“ für die Handelnden, dass Schmid selbst, noch bevor die Firma überhaupt existiert hat, alles auf sich zugeschnitten designed hat. (Bundesrat Spanring: Die Schmid AG!)

Dann wird davon geredet, da habe es eine Ausschreibung gegeben. – Ja, die hat es zum Schein gegeben, das wissen wir eh aus den Chats. Und dann wird davon geredet, es sei objektiv vorgegangen worden und ein Aufsichtsrat habe das gemacht. – Der Auf­sichtsrat in der staatsnahen Industrie ist ja der Witz an sich. Vorstand und Aufsichtsrat sind Gremien, die für Handelsgesellschaften gegründet worden sind, um einen Interes­sensausgleich zwischen Eigentümern und Exekutive zu schaffen. Das gibt es da ja alles nicht, weil das eine Gremium genauso wie das andere politisch besetzt ist, das eine Gremium tut wie das andere Gremium auf politischen Zuruf das, was geschehen soll. Das wissen wir aus leidvoller Erfahrung. Ich muss in diesem Fall ja zugeben, dass unser früherer Parteiobmann und Vizekanzler auch nicht völlig immun gegen diese Mechanis­men der österreichischen Nachkriegspolitik gewesen ist. (Bundesrat Schreuder: Das kann man ein bisschen schärfer formulieren!)

Deshalb ist die Antwort, die wir heute von Ihnen – speziell von Kollegen Bader, aber auch vom Bundeskanzler  bekommen haben, natürlich ein völliges Vorbeigehen an der Sache. Die Frage ist: Wollen wir dieses Politsystem, so wie es bis jetzt existiert hat, oder wollen wir das nicht? Wenn wir es wollen, dann schaffen wir bitte diese Gesetze ab! Derzeit ist es ja nicht mehr das Ausschreibungsgesetz 1989, sondern das Gesetz über Transparenz bei der Stellenbesetzung im staatsnahen Unternehmensbereich von 1988.

Da gibt es § 4, den auch der Herr Bundeskanzler vergessen haben könnte, in dem steht nämlich drinnen, dass die für die Bestellung zuständigen Organe dazu verpflichtet sind, ausschließlich nach fachlicher Qualifikation zu entscheiden. Gesetzlich ist es überhaupt keine Frage, ob der das Vertrauen des Bundeskanzlers genießt, welche Farbe der hat oder welcher sozialpartnerschaftlichen Organisation er angehört. Gesetzlich ist das alles nicht zulässig. Diese Gesetze existieren, werden aber nicht gelebt, deshalb Herr Kol­lege Schennach, da muss ich dir auch widersprechen (Bundesrat Schennach: Nur zu!)  ist die Aussage des Bundeskanzlers, dass diese Republik nicht so ist, falsch. Ge­nau so ist diese Republik konstruiert. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich werde jetzt nicht einzelne Exponenten dieses Systems offenbaren oder bloßstellen (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), das werde ich nicht machen. Ich werde mir speziell für Kollegen Schennach einen einzigen herausnehmen, der hat näm­lich wie das im Mediengesetz steht  die Schwelle an die Öffentlichkeit mit voller Be­reitschaft betreten, das ist der ehemalige SPÖ-Parteichef, Bundeskanzler, ÖBB-Direktor und so weiter Christian Kern.

Nur als Beispiel dafür, dass Österreich tatsächlich so ist, ein kurzer Werdegang ÖBB, Christian Kern –: Es wird ja hier auf der linken Seite bekannt sein, Christian Kern war ja bis 1996 Klubsekretär im SPÖ-Parlamentsklub und ist dann angeblich über ein Treffen mit einem sozialdemokratischen Aufsichtsratsmitglied der Verbundgesellschaft zur Ver­bundgesellschaft gestoßen. Er hat dort eine sehr rasche Karriere gemacht und ist schon 2007 Vorstand in der Verbundgesellschaft geworden, zuständig für den Bereich Beteili­gungen und Ausland. (Bundesrat Steiner – in Richtung Bundeskanzler Kurz, Bundesmi­nisterin Köstinger und Bundesministerin Tanner, die auf ihre Smartphones schauen –: Was ist? Seid ihr alle wieder beim Whatsapp-Schreiben? Alle drei?)

Eine interessante Sache, was hat er da gemacht? Er hat gleich Anfang 2008 eine neue Offensive gestartet: Wachstum im Ausland. Das ist sehr sinnvoll für die Verbundgesell­schaft, die eigentlich im weitesten Sinne unsere Elektrizitätsversorgung überwachen, kontrollieren und steuern soll. Da wurden Erfolgsmodelle gemacht, es hat drei große Schritte ins Ausland gegeben: der eine nach Frankreich ich schaue gerade nach, wie diese Gesellschaft geheißen hat: Poweo S.A. –, der zweite nach Italien Beteiligung als Sorgenia S.p.A.  und der dritte in die Türkei. – Das war kurz die Erfolgsgeschichte von Christian Kern, bevor er den Verbund gerade noch rechtzeitig verlassen hat.

Die Erfolgsgeschichte Poweo S.A.: Anschaffungskosten für die Verbundgesellschaft ins­gesamt 503 Millionen Euro. Wie hat das Engagement geendet? Nach dem Abgang von Christian Kern wurde das Programm Wachstum durch Expansion ins Ausland in einer Notoperation beendet. Die Anteile an dieser Poweo wurden um den Buchwert von 26 Millionen Euro verkauft. Natürlich nicht transparent, wie das bei einer staatsnahen Firma im Gesetz verlangt wird – ich habe mir das angeschaut, es hat eine dürre Mittei­lung der Verbundgesellschaft gegeben. Man hat sich aufgrund einer strategischen Neu­orientierung von den Anteilen an der Poweo um den Buchwert getrennt – 26 Millionen Euro Verlust, der Schaden, der angerichtet wurde: 480 Millionen Euro.

Das nächste Projekt, Sorgenia S.p.A. in Italien, war noch besser. Laut Bilanzen sind insgesamt 654 Millionen Euro in dieses Investment geflossen. Nach dem Abgang 2011 gab es verzweifelte Versuche, das Engagement durch Verkauf zu beenden, ein Verkauf war am Ende unmöglich, die Verschuldung lag bei 1,8 Milliarden Euro. 2013 gab es eine Wertberichtigung des Sorgenio-Engagements auf 0 Euro, seither sind die Anteile un­verkäuflich, seit 2015 unter Bankenverwaltung. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Bei der türkischen Beteiligung haben wir bereits die Milliardengrenze an angerichtetem Schaden überschritten – da will ich aus Gründen der Zeit jetzt nicht weiter in die Tiefe gehen. Was aber tut das System Österreich, der Staat, der so ist, mit so einem erfolgrei­chen Manager? Man beendet den Vertrag des damaligen ÖBB-Generaldirektors vor­zeitig. Am 3. März 2010 gibt der Generaldirektor bekannt, dass er sich mit Jahresende nicht um eine Verlängerung bewerben wird. Am 9. März, sechs Tage später, fasst der Aufsichtsrat bereits den Beschluss, Christian Kern zum neuen Vorstandsvorsitzenden zu bestellen. Dieses Amt tritt er mit 1.6.2010 nach Auflösung des Vertrags mit dem bis­herigen Vorstand an. (Bundesrat Schachner: Brauchst du was vom Bundeskanzler?! – Heiterkeit bei der SPÖ.) So läuft es! Das ist das System Österreich! (Beifall bei der FPÖ.)

Die weitere Karriere von Christian Kern kennen Sie eh gut: Mai 2016, das Erfolgsmodell Christian Kern hat sich als Parteivorsitzender, als Kanzler hervorragend geschlagen.


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(Anhaltende Heiterkeit bei der SPÖ.) – So lustig ist das nicht, immerhin hat Christian Kern den österreichischen Steuerzahler plus/minus 1 Milliarde Euro allein in der Ver­bundgesellschaft gekostet (Zwischenrufe bei der SPÖ), von weiteren Dingen rede ich gar nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieser kleine Exkurs ändert aber nichts daran, dass jetzt erstmalig in der Geschichte Vorgänge bekannt werden, die bisher mangels Einsicht in Handyprotokolle, E-Mails und so weiter der handelnden Personen der Öffentlichkeit weitgehend verborgen gewesen sind. Auch die Fakten über den Erfolg seines Engagements sind nicht den Medien zu entnehmen gewesen, sondern in einem Rechnungshofbericht Bund 2014/13 zu sehen. Der hat das aufgegliedert, untersucht und diese Zahlen zusammengesetzt, die in dem Geschäftsbericht in der Verbundgesellschaft natürlich nicht zu finden waren.

So, jetzt sind wir aber so weit, dass durch Umstände welcher Art auch immer die Handyprotokolle über Vorgänge unter anderem betreffend Schmid, aber auch viele andere  ermittelt wurden und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Herr Bundeskanzler, also das, was da drinnen steht – ich will gar nicht daran denken, was da noch alles an Hintergründen mitspielt –, geht natürlich nicht, das ist klar. Österreich ist so, aber nicht in dieser Diktion, nicht mit dieser Brutalität, nicht mit dieser Direktheit und nicht mit dieser Unverschämtheit. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb sind wir der Meinung, da muss es jetzt Konsequenzen geben. Da kann man nicht zur Tagesordnung übergehen, da kann man nicht sagen, es sind durch positive Entwicklungen bei Aktienkursen und Immobilienaufwertungen 5 Milliarden Euro Wert­steigerungen gemacht worden. Das ist ja wohl ein Witz. Da müssen die verantwortlichen Personen Konsequenzen ziehen, und Hauptverantwortlicher neben Ihnen ist nun einmal der Verteidigungsminister. (Bundesministerin Tanner: Was?! – Heiterkeit des Bundesra­tes Steiner.) Als Minimalmaßnahme, sage ich, in dieser Sache bringe ich folgenden Ent­schließungsantrag an:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entlassung des Bundesministers für Finanzen Gernot Blümel“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, im Interesse Österreichs, dem Bundespräsiden­ten vorzuschlagen, den Bundesminister für Finanzen, Mag. Gernot Blümel, zu entlassen und durch eine geeignete Person zu ersetzen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Ich füge dem jetzt nicht folgende Bitte hinzu: Tu es für mich, Herr Bundeskanzler! (Heiter­keit und Beifall bei der FPÖ.)

17.06


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Johannes Hübner, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Entlassung des Bundesministers für Finanzen Gernot Blümel“ ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.



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17.07.15

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Doktor bin ich noch nicht, aber wer weiß! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe die­se Debatte jetzt sehr interessiert und gespannt verfolgt.

Ich finde das schon interessant – ich feiere dieses Jahr das 20-jährige Jubiläum, dass ich in der Politik bin, ich habe schon alle Regierungen erlebt, auf Wiener Ebene, auf Bundesebene –, wenn sich dann alle Parteien sozusagen vorspielen: Wir sind die Sauberen und ihr seid die Unsauberen. – Ich finde, das ist schon ein bisschen eine Ver­kennung der Situation und auch eine gewisse Unkultur, die sich in Österreich breitge­macht hat. (Bundesrat Steiner: Na mit euch in der Regierung!) – Ja, ich komme noch dazu, welche Maßnahmen man setzen kann. Ich glaube, das interessiert die Leute viel mehr, als wenn da gegenseitig mit Schlamm hin und hergeworfen wird. (Beifall bei Grü­nen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Bin ja gespannt, ob ihr da Maßnahmen macht!)

Ich möchte vorab schon eines betonen: Für die Aufklärung von Korruption ist eine unab­hängige Justiz zuständig (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), für die politische Verantwortung ist ein Untersuchungsausschuss im Nationalrat zuständig, und wir hier im Bundesrat sind für Gesetze zuständig, die Transparenz schaffen, die Korruption ver­hindern, die Informationsfreiheit und dergleichen schaffen. Ich möchte mich – das halte ich für wichtig, da Menschen zuhören und zuschauen – schon viel mehr darauf kon­zentrieren, welche Maßnahmen man ergreifen kann.

Zu dieser politischen Kultur, die ich in Österreich kennengelernt habe: Da ich ja das
20-Jahres-Jubiläum feiere, erinnere ich mich zurück. Ich kam 2001 in die Politik. Damals wurde Wien noch von der SPÖ absolut regiert. Ich habe die Politik kennengelernt und kam in einen Ausschuss, und dort musste ich feststellen, dass es ganz normal ist, dass eine Ausschussvorsitzende, eine Gemeinderätin der SPÖ, einen Subventionsantrag ei­nes Vereins unterzeichnet, deren Präsidentin sie ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Grim­ling.) – Das war so.

Ich kann mich gut erinnern, ich war Mitglied des Kulturausschusses im Wiener Gemein­derat, es kamen Unternehmer und Unternehmerinnen das waren Plakatierer und Pla­katiererinnen zu mir, die zu mir gesagt haben: In Wien gibt es plötzlich von heute auf morgen eine neue Regelung, wir dürfen unser Gewerbe nicht mehr ausüben. – Da habe ich mir gedacht: Hm, was ist denn da passiert? – Dann habe ich mir das angeschaut: Die durften nicht mehr plakatieren, weil man einem Unternehmen das Monopol für Kul­turplakate gegeben hat. Der Betreiber dieses Unternehmens war ganz zufällig der Trau­zeuge eines sehr mächtigen Mannes in der Wiener SPÖ, und die waren wiederum Sub­unternehmer eines Großunternehmens, das früher ein ausgegliedertes Magistratsunter­nehmen war, dessen Chef ein Sozialdemokrat war.

Was ich damit nur sagen will: Das ist eine politische Unkultur. (Bundesrätin Grimling: Ja!) Es ist tatsächlich eine wichtige Debatte, und irgendwie ist immer verabsäumt wor­den, sie sauber und sachlich zu führen (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), weil immer geschrien und gerufen wird – so wie Sie es jetzt gerade tun, Frau Kollegin Grim­ling (Bundesrat Ofner: Ja, so wie ihr in Wien, oder?) –, weil sie nicht sachlich geführt wird.

Wissen Sie, das gefällt mir an den USA so gut. Da kommt ein neuer Präsident, und es ist völlig klar: Da sind Jobs in der Administration, das ist die Administration, und dort ist die Beamtenebene, das ist die unabhängige Ebene, das sind keine Politjobs. Das müs­sen wir erreichen, daran müssen wir noch viel mehr arbeiten.

Es gibt einfach in jeder Partei, in jeder Kommune die Situation: Wenn man den öffent­lichen Verkehr ausbauen will, hat man bei den öffentlichen Verkehrsmitteln jemanden sitzen, dem man vertraut. Das ist doch völlig normal.


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Weil aber diese Debatte nicht geführt wird, nicht ganz genau gesagt wird: Da bestellen wir nach ganz transparenten Regeln!, weil das eben nicht gemacht wird, gibt es immer wieder diese Vorwürfe und diese Diskussionen. Wenn wir da heraus wollen, müssen wir dafür etwas tun. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist mir das Wichtigste. Wir haben immer Schritte gefordert, um genau das zu tun. Es passiert jetzt, und das ist mir wichtig zu sagen. Es ist jetzt in Begutachtung. (Bundesrat Spanring: Nichts passiert!) – Dann schauen Sie einmal auf die Website des Parlaments und schauen Sie sich den Be­gutachtungsentwurf zum Informationsfreiheitsgesetz an! (Bundesrat Spanring: In Wahr­heit sind die Grünen die ...! Die Schwarzen waren eh immer schon die Schwarzen!)

Dieses Informationsfreiheitsgesetz gilt im Übrigen auch für alle vom Rechnungshof zu prüfenden Unternehmen, auch für die Öbag. Dieses Informationsfreiheitsgesetz hat die­se Regierung erarbeitet (Bundesrätin Schumann: Ja, ja!), und es bedeutet die Ab­schaffung des Amtsgeheimnisses. Ja, SPÖ, das habt ihr nie geschafft, als ihr in der Regierung wart, das wissen wir. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Es bedeutet die Schaf­fung eines Grundrechts auf Zugang zu Information, es bedeutet: Informationen von all­gemeinem Interesse sind für jedermann zugänglich. (Zwischenruf der Bundesrätin Schu­mann.) Es bedeutet die Schaffung eines zentralen Informationsregisters.

Wir haben ein ganzes Kapitel zum Thema Open Data ausgearbeitet. Das hat es jahre­lang nicht gegeben. Immer wieder wurde es gefordert, doch niemand hat es umgesetzt. Wir machen das (Bundesrätin Schumann: Ja ...!), und das ist das, was wir als gesetz­gebende Körperschaft machen können. Wie schaffen wir Rahmenbedingungen, um größtmögliche Transparenz zu erreichen? Größtmögliche Transparenz ist immer noch das beste Mittel für eine Demokratie. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Dass wir das geschafft haben, Herr Kollege Steiner, hat schon auch seinen historischen Hintergrund. Ich meine, wir Grüne sind gerade erst in den Nationalrat zurückgekehrt, im Bundesrat waren wir ja zum Glück noch länger, und die wirklich hässliche Fratze der Korruption sahen wir in einem Video aus Ibiza. (Widerspruch bei der FPÖ. – Bundesrat Spanring: Geh bitte!) – Ja, ich wusste schon, dass ihr euch jetzt aufpudelt. Diese häss­liche Fratze, die da zu sehen war, motiviert mich umso mehr, hier zu stehen und eine Regierung zu verteidigen, die zum allerersten Mal einen Bundesstaatsanwalt schafft, eine unabhängige Justiz verteidigt und ein Informationsfreiheitsgesetz schafft. Keine ein­zige Regierung hat das vorher geschafft.

Das kann ich den Leuten versprechen, die jetzt zuschauen: Das, meine Damen und Herren, ist Korruptionsbekämpfung, nicht das gegenseitige Madigmachen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Und die ÖVP klatscht noch! Die hässlichste Fratze sind die Grünen da herinnen! – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

17.14


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


17.14.46

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Bundesministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Bekanntwerden dieser Chatprotokolle kann und darf man nicht zur Tagesordnung übergehen. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Da geht es um nichts Geringeres als das Sittenbild eines zutiefst korrupten Systems von Macht und Günstlingswirtschaft, eines Systems, das in der Zweiten Republik sicher nicht neu ist, aber nun, Herr Bundeskanzler, unter Ihrer Führung von jemandem exekutiert


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und auf die Spitze getrieben wird, der Neues versprochen hat. Einer der angesehensten Journalisten des Landes hat es auf den Punkt gebracht: Postenschacher hat es unter Rot-Schwarz auch gegeben, aber Sie haben 2017 geschworen, damit Schluss zu ma­chen. Nichts davon wurde gehalten. In der Parallelwelt Ihrer Clique existieren gesetzliche Auflagen nicht. (Ruf bei der SPÖ: Jawohl!)

Es geht darum, dass die wichtigste Beteiligungsgesellschaft der Republik Österreich mit einem Portfolio von 26 Milliarden Euro keine private Spielwiese und schon gar kein Selbstbedienungsladen für eine Handvoll türkiser Parteigänger und persönlicher Kanz­lerfreunde sein darf. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Es geht um das Ansehen der Republik, es geht um das Vermögen der Republik, es geht um das Vertrauen darauf, dass Regierende ausschließlich die Interessen der Republik und der Menschen in Österreich vertreten und nicht die Interessen ein paar weniger aus einem Inner Circle, die zur Familie gehören. Das alles sind Anzeichen einer Kleptokratie, eines Machtmissbrauchs am Vermögen der Republik und damit am Volksvermögen zu­gunsten eines kleinen Kreises von Privilegierten. Egal ob Spender, loyale Parteifunktio­näre oder Vertraute – versorgt wird, wer auf der richtigen Seite steht.

Diese Chats zeigen nicht nur, wie ein treuer Parteigänger zum alleinigen Herrn über Milliarden Euro an Staatsvermögen wurde, sondern diese Chats zeigen vor allem auch, wie unsere Republik zu einer Kurz-AG umgebaut wurde. Sie, Herr Bundeskanzler, waren mittendrin statt nur dabei. Es entsteht also nicht nur der Eindruck, dass die Öbag zu einer Schmid-AG, sondern vielmehr, dass die Republik zu einer Kurz-AG verkommen ist. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Das ist ein durch und durch korruptes System. Sie haben es „nicht erfunden“, aber Sie kennen „kein besseres“, haben Sie im Untersuchungsausschuss gesagt, und damit ha­ben Sie dort zur Abwechslung die Wahrheit gesagt.

Die Chatprotokolle, die nun aufgetaucht sind, bestätigen alles, was wir NEOS 2018 ver­mutet haben, als wir als Einzige gegen das Öbag-Gesetz gestimmt haben, unter ande­rem mit dem Verweis darauf, dass es nicht im Interesse des Landes ist, mit einem Alleinvorstand, der schon im Vorhinein feststeht, die wichtigste Beteiligungsgesellschaft unseres Landes zu besetzen, als uns als Einzigen klar war, dass Ihre Clique damit die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs schwächt und nicht stärkt; was wir Anfang 2019 ver­mutet haben, als die NEOS die Öffentlichkeit darüber informiert haben, dass der Aus­schreibungstext so eindeutig für nur eine Person maßgeschneidert ist, dass es nicht auf Erfahrung in der Privatwirtschaft ankommt, sondern dass es vielmehr genau so war, wie es jetzt schwarz auf weiß auf dem Tisch liegt – der Kabinettschef des Finanzministers und gleichzeitig Generalsekretär des Finanzministeriums hat den einen Vorstandspos­ten für sich maßgeschneidert und sich auch noch den Aufsichtsrat ausgesucht, der ihn dann bestellt –; was wir im November 2019 vermutet haben, als wir einen Untersu­chungsausschuss angeregt haben, um die Causa Glücksspiel und die Causa Casinos auf Ebene der gewählten Volksvertretung zu untersuchen und zu kontrollieren.

Auch im Untersuchungsausschuss selbst haben Steffi Krisper und Helmut Brandstätter durch hartnäckige Befragung und detailliertes Studium der Akten immer klarer das Bild dieses korrupten Systems gezeichnet. Wie sind wir angegriffen worden, wie sind wir dif­famiert worden, wie sind das Kontrollrecht des Parlaments und damit die Demokratie mit Füßen getreten worden?! Nicht die Brandstifter wollte man finden, nein, die Feuerwehr wollte man diffamieren, die hartnäckig daran arbeitet, einem anderen, einem besseren, einem saubereren politischen System in Österreich zum Durchbruch zu verhelfen. (Bei­fall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir sehen jetzt erneut bestätigt, dass ein Alleinvorstand in der Beteiligungsgesellschaft des Bundes, die die Unternehmen der Republik verwaltet, untragbar ist. Wir sehen erneut, dass die Person Thomas Schmid völlig ungeeignet ist, dieser wichtigsten


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Beteiligungsgesellschaft vorzustehen. Es geht ja um Volksvermögen und auch um einen klaren rechtlichen Rahmen nach dem Aktiengesetz, der völlig klar darin ist, dass der Aufsichtsrat, will er nicht bestätigt sehen, dass er ein reiner Gefälligkeitsaufsichtsrat im Sinne der regierenden Mächtigen ist, den Vorstand Thomas Schmid abzuberufen hat.

Wir sehen jetzt erneut bestätigt, dass der Finanzminister der Republik Österreich eher die Interessen eines kleinen Kreises an türkisen Parteigängern als die der Republik ver­tritt. Jeder Tag mehr, den Gernot Blümel im Amt bleibt, schadet dem Ansehen des Amts und dem Ansehen unserer Republik.

Es zeigt sich jetzt aber auch schwarz auf weiß ein Sittenbild eines Bundeskanzlers, der nicht nur von allem wusste, sondern alles steuerte, ein Sittenbild eines Bundeskanzlers, der für das Wohl einiger weniger in seinem Dunstkreis und für die Macht seine eigenen Wähler verraten und verkauft hat. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Es zeigt sich ein Sittenbild eines Bundeskanzlers, der mit neuem Stil und Reformen an­getreten ist und nun bis zum Hals in seinem eigenen Korruptionssumpf steckt, nichts zum Besseren verändert hat, vielmehr Österreich im Ausland zum Gespött macht und die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs korrumpiert.

Es zeigt sich ein Sittenbild eines Bundeskanzlers, der „Leistung muss sich lohnen“ rich­tigerweise plakatiert hat und dann unter Leistung nichts anderes als blinden türkisen Gehorsam versteht, eines Bundeskanzler, der vorgibt, aufseiten der Wirtschaft zu stehen und darunter nichts anderes als Freunderlwirtschaft versteht, und es zeigt sich ein Sitten­bild eines Bundeskanzlers, der Republik, Parlament, Justiz und damit Demokratie und Rechtsstaat verhöhnt, sich gleichsam darüberstellt und ausschließlich Machtinteressen verfolgt, der im Untersuchungsausschuss nicht die Wahrheit sagt, gedeckt von seinem Vorsitzenden Wolfgang Sobotka, sich damit aber strafbar macht.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt viele, die gerne zur Verteidigung der Türkisen ausreiten und sagen: alles wohlbekannt; unter der großen Koalition war es nicht an­ders. – Denen kann ich antworten: Das stimmt, aber das ist ein Grund, warum es die NEOS gibt. Wir haben 2012 mit unserer Gründung ein Versprechen abgegeben. Zu viele rote Linien sind überschritten. Wir sind in der Verantwortung – vielleicht als Einzige in unserem Land –, mit politischer Korruption und Machtmissbrauch aufzuräumen. Wir sind unseren Wählerinnen und Wählern gegenüber in der Verantwortung, gegenüber allen Menschen in Österreich, gegenüber unserer Republik, gegenüber der Demokratie und dem Rechtsstaat. Daher müssen wir handeln, politisch mit Misstrauensanträgen und rechtlich wegen falscher Beweisaussage. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.22


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


17.22.57

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Ministerinnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur wir sehen das so, sondern auch die APA schreibt soeben, dass der Herr Bundeskanzler die an ihn gestellten Fragen nur „kursorisch“, aber nicht echt beantwortet hat. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Messagecontrol! Messagecontrol! ...!) Herr Bundes­kanzler, ich hoffe, Sie holen die Beantwortung, die Sie uns schuldig geblieben sind, noch nach. Das sind Sie dem Parlament, das sind Sie den gewählten Vertreterinnen und Ver­tretern des Volkes schuldig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als im Mai 2019 die Ausschnitte aus dem Ibi­zavideo über unsere Bildschirme flimmerten, waren wir alle schockiert, wenn auch aus


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unterschiedlichen Gründen. Auch Sie, Herr Bundeskanzler, haben sich schockiert ge­zeigt und die damalige Koalition aufgelöst. Herr Kollege Hübner, das dürfte Ihrem Rede­beitrag zufolge an Ihnen spurlos vorübergegangen sein, aber die Koalition mit der FPÖ wurde aufgelöst. (Beifall bei der SPÖ.)

Viele von uns haben sich gedacht: Jetzt hat Österreich den moralischen Tiefpunkt er­reicht. – Heute wissen wir: Es geht noch tiefer, noch viel tiefer. Während nämlich – und das ist der große Unterschied, Herr Fraktionschef Schreuder – Strache und Co auf Ibiza in Balzlaune unter Alkoholeinfluss fantasiert haben, was sie täten, wenn sie könnten, erleben wir nun praktische Anwendungsbeispiele derartiger Allmachtsfantasien. Was da mit vielen Gefühlssymbolen, die Sie (in Richtung FPÖ) ja auch schon gezeigt haben, in fast intim anmutenden Chats zutage tritt, ist nichts anderes, meine sehr geehrten Damen und Herren, als eine Bankrotterklärung des politischen Anstands. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Es gibt auch andere Bezeichnungen dafür. Gerade ist auf oe24.at zu lesen gewesen, wie das der ehemalige ÖVP-Obmann und Vizekanzler Busek beschreibt. Ich zitiere – damit ich jetzt keinen Ordnungsruf kriege, Herr Präsident –: „Sie sind Trottel“, sagt der ehemalige ÖVP-Vizekanzler. Also da gibt es schon unterschiedliche Sichtweisen.

Dem österreichischen House of Cards oder House of Kurz, wie man sagen möchte (Hei­terkeit bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ), haftet jedenfalls der Geruch von Freun­derlwirtschaft, Gier, Maßlosigkeit und auch Sexismus an. Diesen penetranten Geruch hat auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gewittert und Ermittlungen aufgenommen. Daraus erklären sich wohl Ihre zahlreichen, wirklich oft systematischen Angriffe auf die Justiz im Allgemeinen und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt­schaft im Besonderen, Herr Bundeskanzler.

Wir mussten Sie in diesen Angelegenheiten schon einige Male zu einer Dringlichen An­frage hierherbitten, und heute eben noch einmal. Jetzt wird die Strategie dahinter auch immer mehr sichtbar und ruchbar: Angriff ist die beste Verteidigung. Sie wittern anschei­nend schon lange, dass Ihnen und den Ihren einiges an Ungemach drohen könnte, und deshalb lassen Sie nichts unversucht, die Ermittlerinnen und Ermittler und die Behörden in der Öffentlichkeit madig zu machen und die Behörde auch kurzerhand – wie im Falle der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – aufzulösen, auch vielleicht als Lehrbeispiel dafür, was jenen passiert, die sich nicht wohlverhalten. Zum House of Kurz gehört ein klares Freund-Feind-Schema: Wer Ihnen nicht kritiklos zujubelt, wer nicht steuerbar ist, der wird zum Feind erklärt (Bundesrat Spanring: So ist es!) und mit In-Aussicht-Stellen von Sanktionen – wir haben heute auch wieder ein Anwendungsbei­spiel erlebt – konfrontiert, wie zum Beispiel auch sonst immer treue Verbündete von Ih­nen – das wird zumindest immer betont –, die katholische Kirche, der Herr Thomas Schmid „Vollgas geben“ sollte, weil sie sich erdreistet hatte, Ihre Flüchtlingspolitik zu kritisieren. Wie kann man denn?!

Insbesondere Frauen sollten gut „steuerbar“ sein. Es ist mir nicht überliefert, wie die Grünen Frauen oder auch die ÖVP-Frauen das sehen. Für mich ist jedenfalls dieses informelle Qualifikationsprofil von Aufsichtsrätinnen ein Skandal. Es ist kein Wunder, dass sich kaum qualifizierte Frauen finden lassen, die sich für so etwas hergeben, was auch in den Chatprotokollen beklagt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch was die informellen Qualifikationsprofile bezüglich des Postens des Alleinvorstan­des der Öbag-Holding betrifft, hat dieser Chatverlauf interessante Einblicke gegeben. Mit den Worten: „Kriegst eh alles was du willst“, Bussi, Bussi!, haben Sie laut Chatpro­tokoll Herrn Schmid „glücklich“ gemacht, der sich dann auch mit einer Liebeserklärung bedankt hat. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) – Sie lachen.


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Da der Hintergrund hinter dieser politischen Lovestory, möchte man fast sagen, ein sehr, sehr ernster ist und es da um wichtige Infrastruktureinrichtungen und auch die Reputa­tion Österreichs geht, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abberufung von Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG)“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage betreffend „Der Kanzler im Korruptionssumpf“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, umgehend eine Hauptversammlung der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) einberufen zu lassen und alle notwendi­gen Schritte zu setzen, um eine Abberufung von Herrn Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) zu bewirken.“

*****

Es gibt dann auch für alle Bundesrätinnen und Bundesräte die Gelegenheit, sich in einer namentlichen Abstimmung – wir haben auch den Antrag dazu gestellt – zu deklarieren, wie wichtig ihnen Anstand in der Politik ist. Da schaue ich jetzt in Richtung Grüne. (Bun­desrat Steiner: Da können sie die Fratze ablegen!)

Unsere Anfrage haben wir jetzt übrigens auch noch einmal schriftlich eingebracht, damit Sie wie gesagt auch Gelegenheit haben, noch ausführlich dazu Stellung zu nehmen.

Ja, Herr Bundeskanzler, Sie und der Herr Finanzminister zeigen, dass Sie Ihren Ämtern keineswegs gewachsen sind. Sie sollten daraus die Konsequenz ziehen, bitte! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

17.30


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Elisabeth Grossmann, Kol­leginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Abberufung von Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG)“ ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karlheinz Kornhäusl. – Bitte.


17.31.32

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Verehrter Herr Bundeskanzler! Verehrte Ministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie via Fernsehen zugeschaltet sind! Ich glaube, es steht völlig außer Zweifel: Wir erleben zurzeit die größte Pandemie seit Menschengedenken. Jeden, der das nicht glaubt, lade ich herzlich ein – wenn ich das könnte und dürfte –, auf einen Blick mit mir in mein Spital in Graz zu kommen (Bundesrat Steiner: Ja, gehört das dir, das Spital?) oder vielleicht auch auf die Intensivstation mitzugehen, um wirklich zu se­hen, wie diese Pandemie jeden Tag wütet.

Gleichzeitig erleben wir heute das größte politische Ablenkungsmanöver, weil die Sozial­demokratie nichts anderes zu tun hat, als den Bundeskanzler hier hereinzuzitieren (Zwi­schenrufe der Bundesrätinnen Grimling, Hahn und Schumann), um von den eigenen Problemen abzulenken, von der eigenen Zerrissenheit abzulenken, wie wir sie ja heute noch erleben werden, wenn es um ihr Abstimmungsverhalten geht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 145

Ich verstehe diese Nervosität (Bundesrätin Schumann: Wir sind nicht nervös!), weil viele in der sozialdemokratischen Fraktion nicht den Mut haben, zu dem zu stehen, was ihre eigenen SPÖ-Landeshauptleute mit der Bundesregierung verhandelt und vereinbart ha­ben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Kommen wir aber jetzt zur Dringlichen Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Grossmann, Schennach! Ich frage mich wirklich: Wer hat denn dieses Papier geschrie­ben? Liebe Frau Kollegin Schumann! Liebe Frau Kollegin Grossmann! Ich schätze Sie prinzipiell wirklich als besonnene Kolleginnen. (Bundesrätin Schumann: Als angemes­sene Frauen!) Das ist doch bitte nicht Ihr unwürdiges Wording, wenn ich da lese: „Ge­stank eines Sumpfes aus Korruption“. (Bundesrat Spanring: Das ist eine Beschreibung der ÖVP!)

Herr Kollege Schennach, Herr Prof. Schennach! Dieses Sammelsurium an teilweise völ­lig zusammenhanglosen Fragen, das kommt doch nicht von Ihnen, Herr Prof. Schen­nach. Ich habe ja den leisen Verdacht, dass da jemand anderer dahintersteckt. Das riecht förmlich nach Herrn Kai Jan Krainer (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ), Ihrem Kollegen im Nationalrat, dem selbsternannten Saubermann, der sich vor vielen Jahren im Bundeskanzleramt unter Kanzler Faymann selber versorgen lassen hat und jetzt durchs Land zieht und über jeden ein Scherbengericht abhält, der nur irgendwie in Verdacht kommt, der ÖVP nahe zu sein. Den habe ich tatsächlich in Verdacht. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Der steirische Scherbenhaufen! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Die SPÖ ist und bleibt für mich nach wie vor ein Paradoxon. Warum sage ich das? – Weil mich vieles in der SPÖ nicht wundert und mich gleichzeitig doch einiges sehr wohl wundert. Kommen wir zuerst zu den Dingen, die mich nicht wundern! Das ist zum einen Ihre heuchlerische Doppelmoral, die heuchlerische Doppelmoral Ihrer Fraktion. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.) Die Öbag-Gesetze, meine Damen und Herren, wurden von Ihrem eigenen Kollegen ÖGB-Präsidenten Katzian mitverhandelt und mit den Stimmen der SPÖ beschlossen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Bundesrat Schennach: Im Gesetz steht ja nicht Postenschacher! Im Gesetz steht was drinnen? Steht Posten­schacher?)

Was mich auch nicht wundert, das ist diese ständige Diffamierungstaktik, dieses ständi­ge Diffamieren. Was mich weiters nicht wundert – Herr Kollege Schennach, ich habe Ihnen auch sehr genau zugehört, und ich würde mich freuen, wenn Sie mir auch ein paar Minuten Ihrer wertvollen Aufmerksamkeit schenken würden –, was mich auch nicht wundert, das ist dieser pure Hass, mit dem Sie nur ein einziges Ziel verfolgen, nämlich: Kurz muss weg. (Bundesrätin Schartel – demonstrativen Beifall spendend –: Kurz muss weg!) Da ist Ihnen jedes Mittel recht, um dieses Ziel zu verfolgen, da greifen Sie tief in die Schublade hinein.

Ich verstehe Sie ja sogar. Wenn man diesem Mann, unserem Bundeskanzler, inhaltlich nicht das Wasser reichen kann (Bundesrätin Schumann: Danke, Herr Bundeskanzler!), wenn man es nicht schafft, den Bundeskanzler durch Wahlen in die Knie zu zwingen, na, dann muss man zum Schmutzkübel greifen, dann bleibt nicht mehr sehr viel übrig (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Hahn und Schumann), und dann muss man lange werfen, in der Hoffnung, dass irgendwann irgendetwas kleben bleibt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wissen Sie aber, Frau Fraktionsvor­sitzende Schumann, was die Gefahr ist? – Wer mit Dreck wirft, an dem bleibt selber immer etwas kleben. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

Damit komme ich jetzt zu dem Punkt, der mich an der Sozialdemokratie tatsächlich et­was wundert. Gerade die Sozialdemokratie stellt sich heute hierher, eine Partei, die sel­ber so ziemlich jedes Unternehmen in dieser Republik versenkt hat. Kollege Bader hat


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es bereits angesprochen: die Verstaatlichte – versenkt; dieser Reigen geht munter wei­ter: „Konsum“ – ein Milliardengrab, versenkt (Zwischenrufe bei der SPÖ), Tausende Ar­beitslose, die auf Ihre Kappe gehen; Bawag-Skandal – versenkt par excellence. Das sind drei bekannte Beispiele, und da könnte man noch einige anhängen.

Um zu beweisen, wie emsig die Sozialdemokratie bemüht ist, ihre eigenen Leute in die richtigen Positionen zu hieven: Ich bin über eine Studie des Instituts für Staatswissen­schaft gestolpert, und jetzt würde ich Sie gern raten lassen, was diese Studie besagt, nämlich wie viele SPÖ-nahe Manager im staatsnahen Bereich tätig sind, sehr geehrte Damen und Herren. Das ist auch wichtig für die Österreicherinnen und Österreicher vor den Bildschirmen. – Es sind nicht mehr und nicht weniger als 600 SPÖ-nahe Manager (Oh-Ruf des Bundesrates Schennach), die im staatsnahen Bereich tätig sind, 600, die Sie auf diese Posten gehoben haben. (Bundesrätin Schumann: Na schau! – Zwischen­ruf der Bundesrätin Grimling.)

Da gibt es ein ganz wunderbares rezentes Beispiel (Bundesrätin Schumann: Ja, bei der ÖVP!): Herr Kollege Drozda, unser Tausendsassa Kollege Drozda, der jetzt von Kunst und Kultur zum Wohnbau wechselt, ursprünglich aus dem Kabinett Vranitzky kam (Zwi­schenrufe bei der SPÖ), dann Geschäftsführer des Burgtheaters war, dann wieder in die Politik gewechselt ist, um jetzt in einer Gesellschaft der Stadt Wien versorgt zu werden.

Zu den NEOS, weil auch Herr Kollege Arlamovsky vor mir geredet hat: Zu den NEOS, die überhaupt nur noch nach dem Prinzip Empörung zu arbeiten versuchen, habe ich mich schlaugemacht. Eine Position durften Sie mittlerweile im ORF-Stiftungsrat beset­zen, und wem haben Sie die gegeben? – Ihrem größten Parteispender. (Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Kommen wir aber wieder zurück zur SPÖ! Genau diese SPÖ, von der ich jetzt gespro­chen habe, stellt sich her und diffamiert einen erfolgreichen und beliebten Bundeskanzler (Bundesrat Steiner: Der diffamiert sich schon selber! Der diffamiert sich selber!), diese SPÖ stellt sich her und diffamiert einen erfolgreichen Manager. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich komme schon zum Ende. Jetzt bitte noch einmal gut zuhören! Sie diffamieren, obwohl die Bestellung von Mag. Schmid durch den Aufsichtsrat (Bundesrat Steiner: Den er sich selbst ausgesucht hat!) mit den Stimmen der SPÖ erfolgt ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Sie diffamieren, obwohl dieses Team in der Öbag mit dem Aufsichtsrat im Vorstand hocherfolgreich arbeitet und, wie wir heute schon gehört haben, das Öbag-Portfolio in den letzten beiden Jahren um 5 Milliarden Euro gestiegen ist. Da könnten Sie noch etwas lernen. Ich habe die Beispiele gebracht, welche Unternehmen Sie als Sozial­demokratie versenkt haben. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Danke! Danke! Danke!)

Sie diffamieren unseren Bundeskanzler und jeden, der irgendwie mit der ÖVP in Be­rührung steht (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), obwohl im Bericht der WKStA ganz klar und unmissverständlich festgestellt wurde, dass keine, null strafrechtliche Re­levanz vorliegt.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich darf Sie bitten und auf­fordern: Hören Sie mit dieser Vernaderei auf, kommen Sie zurück auf den Weg der Vernunft und helfen Sie uns, gemeinsam einen Weg aus dieser Pandemie zu finden, denn das ist es, was die Österreicherinnen und Österreicher interessiert. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

17.40


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Josef Ofner. – Ich bitte darum.



BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 147

17.40.48

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Werte Ministerinnen! Werte Kollegen! Liebe Zuschauer zu Hause, die Sie sich heute ein sehr gutes Bild von diesem Sittenbild, das über Jahrzehnte in unserer Republik regiert, machen können! Herr Kollege Kornhäusl, also wirklich: Toll, Verteidigung ist heu­te angesagt, natürlich Verteidigung mit allen Mitteln. (Zwischenruf des Bundesrates Ba­der.) Das ist ja ganz klar: Wenn man im Korruptionssumpf versinkt, braucht man eine Verteidigung mit allen Mitteln. Ich bin mir sicher, du wirst heute auf deinem Handy auch noch eine Whatsapp-Nachricht vom Herrn Bundeskanzler finden: Danke, danke, danke! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Das gehört in Zeiten wie diesen einfach dazu. Verteidigung ist wichtig, das sehen wir daran, dass heute sogar die Verteidigungsministerin hat ausrücken müssen. (Bundesmi­nisterin Tanner: Ich war aber schon in der Früh da!) Sonst wird sie ja nicht gern herge­zeigt (Beifall bei der FPÖ), aber heute hat sie sogar ausrücken müssen, weil Sie gesagt haben, wenn wir hier heute seitens der ÖVP ein Manöver mit Blend- und Nebelgranaten starten, dann soll es wenigstens von höchster Stelle beobachtet werden. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn es nicht so ernst wäre: Mit dem Arbeitstitel Kaufhaus Österreich hätte eigentlich nicht der unsägliche Rohrkrepierer Ihrer Wirtschaftsministerin versehen werden sollen, sondern ein Projekt, das diesem Namen im negativsten Sinn mehr als gerecht wird, Herr Bundeskanzler, und vor allem auch verdient, nämlich das Projekt Ballhausplatz, bei dem man sich einfach kaufen kann, was man will. Das ist ein Projekt mit dem schwarzen Mantel im türkisen Kleid, der über ganz Österreich ausge­breitet worden ist, ein Projekt, mit dem von dieser neuen schwarz-türkisen ÖVP unser gesamtes Land in Geiselhaft genommen wird, und ein Projekt, das von Machtrausch, Käuflichkeit, Unwahrheit, Abhängigkeit, Verschleierung und Manipulation getragen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Projekt haben Sie ja als Anführer mit Ihrem fast skurril anmutenden Messias­verein, Ihrer Messiasgemeinschaft akribisch vorbereitet, nach den neuesten Erkenntnis­sen müsste man eigentlich sagen: unterstützt von einer Rasselbande mit mafiösen Ten­denzen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das haben Sie ja in den letzten Wochen und Tagen auch gezeigt, Sie haben aber vor allem eines gezeigt: Das Sagen hat noch immer der Pate. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich verstehe schon, dass die ÖVP natürlich sehr nervös ist, weil ja auch die Mafia glaubt, sie sei eine ehrenwerte Familie. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Die Wahrheit ist aber eine Tochter der Zeit und kommt halt jetzt ans Tageslicht. Wenn man sich alleine die kolpor­tierten Chatprotokolle im Zusammenhang mit dem Treffen des jetzigen Öbag-Chefs - -

17.44.27*****


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Kollege Ofner, ich muss Sie jetzt leider unterbrechen und muss Ihnen für den Ausdruck „Rasselbande mit mafiösen Tendenzen“ und dann noch einmal für die Wiederholung von „Mafia“ einen Ordnungsruf erteilen. (Bundesrätin Schartel: Ich meine, wo sind wir denn jetzt!?)

*****


17.44.35

Bundesrat Josef Ofner (fortsetzend): Herr Präsident! Ich nehme den Ordnungsruf selbstverständlich gerne an und merke, dass Sie sich in die Verteidigungsriege mitein­bringen. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 148

Wenn der jetzige Öbag-Chef Schmid mit dem Generalsekretär der Bischofskonferenz Schipka ein Gespräch führt und man sieht, wie dabei umgegangen wird, mit welchen Methoden Sie arbeiten und welche Methoden Sie auch gutheißen, nur weil es halt Kritik an der Asylpolitik der ÖVP gegeben hat, die übrigens eh von der FPÖ abgeschaut und abgekupfert worden ist, und Sie das dann kommentieren mit: „Ja super. Bitte Vollgas geben“, und der „Aufsichtsratssammler“, wie Sie ihn selber bezeichnet haben, dann vol­ler Stolz antwortet: „Also Schipka war fertig!“, ja, dann wird klar erkennbar, dass bei ei­nem Chef und vor allem bei der ÖVP ein Sittenbild zutage getreten ist, das einfach nur erbärmlich ist. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Diesem Mann, der diese Wege geebnet hat, dem Mann fürs Grobe, ist man augen­scheinlich zu Dank verpflichtet, das ist ganz klar. Daher hat er sich seine Öbag als Ge­neralsekretär im Finanzministerium natürlich selbst zusammenzimmern dürfen und dann hat er, wie Sie es gesagt haben, seine Aufsichtsräte gesammelt, die ihn schlussendlich bis zum heutigen Tag trotz der unglaublichen Vorgänge – ebenso wie Sie – halten.

Auch das ist die neue ÖVP: Da wird über steuerbare Aufsichtsräte und Interventionen mit gleich zwei ehemaligen Finanzministern herumgechattet, inklusive Interventionen für eine ehemalige Ministerin Ihrer Regierung oder seitens der Tochter eines Ex-Finanzmi­nisters. Da stellt man sich seine eigene Ausschreibung zusammen, um eine entspre­chende Position bekleiden zu können, und dieselbe Person schlägt dann vor, Politgünst­linge in entsprechende Positionen zu setzen. Dafür müsste man einfach nur irgendje­manden anderen rausschmeißen.

Ja, und das ist alles kein Problem für Sie, das ist völlig normal, dass Suchtgiftermittlun­gen kein Grund für eine Abberufung eines Vorstands sind. Ebenso ist es für Sie völlig normal, dass ein Minister, der in Ermittlungen wegen des Verdachts der illegalen Par­teienfinanzierung verstrickt ist, nicht zurücktreten muss. Es ist für Sie auch völlig normal, dass ein Minister, der in der Terrorbekämpfung vollkommen versagt hat, Vorwarnungen ignoriert hat und damit Menschenleben zu verantworten hat, auch nicht unverzüglich abzutreten hat.

Und warum? – Weil man das Spiel Kaufhaus Österreich spielt, das heißt, dass man die Medien einfach mit Inseraten in Millionenhöhe zuschüttet, die tagtägliche Inszenierungs­maschinerie startet, und wenn das alles nichts mehr hilft, dann schwärzt man einfach die Justiz an und möchte sie dringend verändern. Natürlich, klar: zum eigenen Vorteil, denn was nicht passt, wird passend gemacht! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist eben der Zugang dieser ÖVP, denn es gilt: Wenn es heiß wird, hat man sich gegenseitig die Stange zu halten. Und gerade in diesem Konnex bekommen die Dankes­mantras, die wir hier auch immer wieder hören, und diese Bussiherzizwinkersmileys wirklich eine ganz neue Bedeutung. Wenn die Mandate in der ÖVP – das mag vielleicht auch sein – auch so besetzt werden, wie das bei den Positionen passiert, dann ist das Postenschacher in vollendeter Ausprägung und vor allem ein korruptes System in Rein­kultur. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Chats von Blümel und Schmid belegen es ja: „Schmid AG fertig!“, mit den entspre­chenden Bussismileys dazu; ebenso: „Du bist Familie“, oder Konversationen zwischen Ihnen und Herrn Schmid, wo es heißt: „Kriegst eh alles was du willst“. Wir haben heute schon gehört, was dann zurückkommt: „Ich bin so glücklich [...] Ich liebe meinen Kanz­ler“. (Bundesrat Steiner hält eine Tafel mit einem Smileysymbol in die Höhe.)

Und es gibt Chats über die Besetzung von Aufsichtsräten – wir haben es schon von der SPÖ gehört – mit steuerbaren Finanzexperten, die über ein sehr gutes Netzwerk verfü­gen, das Sie anscheinend in Niederösterreich schon entsprechend angewendet haben, denn dort hat man einige Dinge zur Zufriedenheit und „delikate Sachen sauber erledigt“. Wenn es um Niederösterreich geht, bin ich ja neugierig, was noch alles zum Vorschein


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 149

kommen wird, wenn man da nur ein bissel an der Oberfläche kratzen würde. (Beifall bei der FPÖ.)

Es würde mich wirklich freuen, wenn ihr einmal alles kriegen würdet, aber nicht alles, was ihr wollt, sondern alles, was ihr verdient! (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.)

Eigentlich könnte ja auch der Innenminister einmal innerparteilich korrektiv eingreifen. Er müsste ja fast ein Interesse daran haben, herauszufinden, warum Ministerfrauen mit eigentlich gar nicht vorhandenen Laptops spazieren gehen. Er hat aber eher Interesse daran, unbescholtene Bürger, die Kritik an dieser Regierung üben und Spaziergänge unternehmen, mit einer wahren Bestrafungsorgie zu verfolgen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann kommt noch die Sache mit der Finanzierung, denn so, wie Sie dieses ganze Sys­tem aufgezogen haben, braucht es natürlich auch Geld. Dazu fördern natürlich diese Chatprotokolle zeitliche Abfolgen und Abläufe zutage, durch die im Untersuchungsaus­schuss eben auch aufgezeigt wurde, welches unglaubliche Bild Sie hier abgeben. Es gibt natürlich beste Connections zu möglichen Spendern, von KTM bis hin zu Novomatic et cetera, et cetera. Eigentlich zeigt sich: Was sich zwei beduselte Politiker in Ibiza er­träumt haben, haben machtberauschte Leute glasklar und systematisch zur Umsetzung gebracht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich gewinne da schon immer mehr den Eindruck, dass einige vielleicht dieses besagte Video tatsächlich bereits vor der medialen Veröffentlichung gekannt und als Inspirations­quelle für sich selbst entdeckt haben, denn vor diesem Hintergrund versteht man eigent­lich auch die unfassbare Vorsitzführung eines Herrn Sobotka im Untersuchungsaus­schuss. Ebenso wäre geklärt, warum sich die ÖVP gegen die Einsetzung des Untersu­chungsausschusses gesträubt hat wie der Teufel vor dem Weihbrunnen und die Grünen das noch entsprechend unterstützt haben. Das Regierungsmotto der Grünen lautet so­wieso nur mehr: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. (Beifall bei der FPÖ.)

Oder hat die Unterstützung der Grünen vielleicht damit zu tun, dass zufällig eine Frau Novomatic alias Glawischnig in Verbindung mit dem Herrn Bundespräsidenten im Unter­suchungsausschuss aufgeschlagen ist?

Dann komme ich natürlich auch noch zur SPÖ. (Bundesrätin Schumann: Das habe ich mir eh gedacht!) Zur SPÖ muss ich schon sagen: Es ist schon richtig und wichtig, in dieser Angelegenheit den Herrn Bundeskanzler dringlich zu befragen – da stimme ich vollkommen zu. (Bundesrätin Schumann: Danke!) Dass die SPÖ aber zu diesem Be­reich eine Dringliche Anfrage stellt, grenzt ja beinahe an Selbstgeißelung. Daran scheint ihr aber wahrscheinlich Gefallen zu finden, denn das letzte Mal habt ihr eine Dringliche Anfrage zur Commerzialbank Mattersburg gemacht. Dort waren die SPÖler ebenso überall mit dabei, wie jetzt bei der Öbag. Dazu war unter anderen auch ein Herr Ex-Bundeskanzler Gusenbauer im Untersuchungsausschuss Thema, und der Gewerk­schaftsboss hat sich in die Bussizwinkersmileychats natürlich auch entsprechend einge­bracht, wie wir heute schon gehört haben.

Das ist sehr interessant, denn das zeigt genau dieses österreichische System, das seit Jahrzehnten einwandfrei funktioniert. Das Land wird zwischen Rot und Schwarz selbst­verständlich brüderlich aufgeteilt, und jetzt zeigt sich, dass die ganze österreichische Parteienlandschaft und erstmals auch die Grünen in diesem unsäglichen Spiel involviert sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, es zeigt sich auch eines, dass nämlich die Freiheitliche Partei mit Ausnahme des unsäglichen Ibizavideos mit Ex-Funktionären – und darin liegt der Unterschied: von Ex-Funktionären! – eigentlich kein Thema im Untersuchungsaus­schuss ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist nämlich insgesamt eine komplett schwar­ze Baustelle der ÖVP, die bis zur Unterkante Oberlippe im Korruptionssumpf versinkt. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 150

Herr Bundeskanzler, auch wenn ich weiß, dass mit Ihnen neben mir die personifizierte Unschuldsvermutung sitzt, kann ich es Ihnen nur mit Ihren Worten sagen: Es widert mich an, mit welchen Methoden Sie und Ihresgleichen arbeiten! Sie haben diese heuchle­rische Doppelmoral wieder auf den Punkt gebracht, nur kaufen es Ihnen die Leute nicht mehr ab, denn die Menschen sind nicht blöd. Die Menschen sehen, was hier abgelaufen ist, und die Menschen haben in dieser Situation jetzt gesehen, wozu dieser Bundeskanz­ler und auch seine heuchlerischen, mit Doppelmoral ausgestatteten Funktionäre imstan­de sind. Da gibt es keinen Funken Anstand, denn sonst würden Sie die meinerseits an­geführten Funktionäre zur politischen Verantwortung ziehen und sie auch entsprechend aus dem politischen Verkehr ziehen. Wenn Sie ein bissel Anstand hätten, würden Sie in weiterer Konsequenz selbst zurücktreten, so wie Sie das vor zwei Jahren von einem FPÖ-Chef und Vizekanzler Strache eingefordert haben. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ich bin selbst Bürgermeister, und gerade die Bürgermeister sind es, die für alles gerade­zustehen haben, wenn es nur irgendeine kleine Anzeige, irgendeine kleine Anklage gibt. Dafür gibt es genügend Beispiele. Wir kennen aus Kärnten ein Beispiel, da hat ein Bür­germeister nur ohne den Beschluss des Gemeinderates eine Geschwindigkeitsbe­schränkung aufgestellt – er wollte eigentlich nur helfen –, und er ist wegen Amtsmiss­brauch dran gewesen. Ja, bitte, was glauben Sie, was das dann ist, wenn sich jemand seine Ausschreibung selber schreibt oder sie veranlasst? Geschrieben wird er sie wohl nicht selber haben, da wird es wohl jemanden gegeben haben. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Er hat aber veranlasst, dass man schaut, was drinnen stehen muss, und damit sämtliche Gesetze umgangen. Was glauben Sie, was das dann ist? Damit werden sich aber hoffentlich auch noch die Gerichte befassen.

Wie heute schon gesagt worden ist: Sie sind nicht nur dabei, Sie sind mittendrin. Das beweisen insgesamt diese Protokolle. So gesehen, wäre es eigentlich eine gute Idee, Verantwortung zu übernehmen, denn das, was Sie jetzt über Österreich gebracht haben, ist eine einzige Schande! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Bader, die moralische Instanz in diesem Haus – das bringst du ja immer gerne zum Ausdruck –, ich muss dir schon sagen: Heute hättest du einmal die Gelegen­heit, auf das Ansehen und die Würde dieses Hauses, aber auch des ganzen Staates zu achten (Bundesrat Steiner: Jawohl! Ganz genau!), denn dein Heilsbringer und deine Funktionäre schaden mit ihren Machenschaften, wie wir sie jetzt in den Chatprotokollen nachlesen können, dem Ansehen dieses Hauses und der gesamten Heimat Österreich. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

Man sieht, wie du jetzt reagiert hast: Wenn es darum geht, diese Maßstäbe an sich selbst anzulegen, seid ihr schmähstad. Deswegen, Herr Bundeskanzler, sage ich Ihnen eines: Der geile türkis-schwarze Lack ist ab; siehe Kaufhaus Österreich, Projekt Ballhausplatz! Um es mit den Worten Ihrer Ministerin zu sagen: Auf der Stelle – abtreten! (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ sowie Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.58


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Kollege Spanring, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte.


17.58.37

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Kanzler! Damen Ministerinnen! Kollege Bader hat heute gesagt, er fordert „Fakten statt Fakes“. Wenn es so ist, dass Sie Fakten statt Fakes fordern, habe ich nur eine Frage: Kommen die SMS oder die Whatsapp-Nachrichten von Herrn Kanzler Kurz und Herrn Finanzminister Blümel? Ja oder nein? (Bundesrat Steiner: Was ist jetzt?) – Gut, also Fakten. Danke.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 151

Meine Damen und Herren, Fakt ist auch, wir hatten unser Ibiza, und das war mit Sicher­heit nicht unsere Sternstunde. Es ist aber folgender Unterschied: Bei uns sind die zwei Akteure zurückgetreten. Und wenn ich da hinüberschaue (in Richtung ÖVP), frage ich mich, warum dort die ganzen Akteure noch hier sind. Heute ist der Entschließungsantrag von der SPÖ gekommen, Finanzminister Blümel möge alles tun, um Herrn Schmid abzu­berufen. – Nein, das ist falsch! Der neue Finanzminister muss Herrn Schmid abberufen! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

Bundesrat Hübner hat das sehr gut ausgeführt; er hat gesagt, die Gesetze gibt es ja – das Transparenzgesetz seit 1998 –, es ist aber wie im Asylwesen, es werden gewisse Gesetze einfach ausgeblendet. Die sind wurscht, die gibt es nicht, da setzt man sich darüber hinweg, als würden sie gar nicht existieren.

Der ÖVP möchte ich jetzt passend zu Ostern noch eines mitgeben: Spielen Sie bitte nicht das Unschuldslamm, das sind Sie nicht! Überall, wo die ÖVP regiert – das fängt in der kleinsten Kommune an –, herrscht Freunderlwirtschaft. Ich sage Ihnen zum Thema Freunderlwirtschaft: Mich persönlich kotzt dieses Wort Freunderlwirtschaft schon an, denn das ist in Wahrheit eine derartige Verniedlichung von Korruption! Es ist nichts an­deres als Korruption! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

Meine Damen und Herren, das müssen Sie sich leider gefallen lassen, denn das ist Ihre Art, wie Sie Politik machen. Der Idealismus fehlt und der Opportunismus wird gelebt. (Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kollege Schennach hat heute die Bundeshymne zitiert, die auf Facebook umge­dichtet wurde. Ich habe auch ein passendes Lied auf Facebook gefunden, das mir auf Whatsapp zugeschickt wurde. Es ist ein umgetextetes Lied von Vico Torriani, es ist „Kal­kutta liegt am Ganges“, das passt da gut dazu. Eine Strophe lautet: „Kalkutta liegt am Ganges / Die Wiener haben ihren Schmäh / Italien hat die Mafia / und wir die ÖVP.“ (Beifall bei der FPÖ.)

18.01


18.01.38

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Entlassung des Bundesministers für Finanzen Gernot Blümel“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen. (345/E-BR/2021)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Abberufung von Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG)“ vor.

Hierzu ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. Ich ersuche um deutliche Äußerung.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 152

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Gruber-Pruner geben die BundesrätInnen ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Nein.“

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 18.07 Uhr unterbrochen und um 18.08 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den gegenständlichen Entschließungsantrag bei 58 abgegebe­nen Stimmen 31 „Ja“-Stimmen und 27 „Nein“-Stimmen.

Der Entschließungsantrag ist somit angenommen. (343/E-BR/2021)

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Appé, Arlamovsky;

Beer, Bernard;

Dim;

Egger;

Gerdenitsch, Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn, Hübner;

Kahofer, Kovacs;

Lancaster, Leinfellner;

Novak;

Ofner;

Prischl;

Reisinger, Riepl;

Schachner, Schartel, Schennach, Schererbauer, Schilchegger, Schumann, Spanring, Steiner, Steiner-Wieser;

Zaggl.


BundesratStenographisches Protokoll924. Sitzung, 924. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2021 / Seite 153

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Bader, Berger-Grabner, Buchmann;

Eder, Eder-Gitschthaler;

Gfrerer, Gross;

Himmer, Hirczy, Holzner;

Kaltenegger, Kittl, Köck, Kolland, Kornhäusl;

Lackner;

Mattersberger, Miesenberger;

Preineder;

Raggl, Ringer;

Schreuder, Schwarz-Fuchs, Schwindsackl;

Wolff;

Zeidler-Beck, Zwazl.

*****

18.08.50Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir setzen die Verhandlungen über die Tages­ordnungspunkte 18 bis 20 fort.

Wir verabschieden den Herrn Bundeskanzler. – Danke.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schilchegger. – Bitte, Herr Kollege.


18.09.25

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Geset­zespaket zum COVID-19-Maßnahmengesetz und zum Epidemiegesetz kann ich aus meiner Sicht noch einmal mit zwei wesentlichen Inhalten zusammenfassen.

Erstens wird darin die Absicht dokumentiert, einen sogenannten grünen Impfpass und damit auch eine indirekte Impfpflicht einzuführen. Zweitens wird Ihre Absicht offenbar, nachträglich eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, diese verfassungswidrigen COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnungen unabhängig von tatsächlichen Belastun­gen des Gesundheitssystems gegen erfolgreiche Anfechtungen vor dem Verfassungs­gerichtshof zu schützen.

Herr Bundesminister, es wurde ja nicht nur eine Verordnung aufgehoben, wie Sie das immer wieder schönreden wollen: Es sind nun schon über 30 Fälle von Aufhebungen durch den Verfassungsgerichtshof in Bezug auf Ihre Verordnungen bekannt geworden, die ja auch in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, für jedermann im Rechtsinformationssystem einsehbar, dokumentiert sind. Ganz aktuell wurde heute wie­der bekannt: Auch die Aufhebung der Novelle zu § 7a des Epidemiegesetzes verstößt gegen das Legalitätsprinzip.

All diese Beispiele, ich möchte gar keine weiteren mehr aufzählen, sind ja keine freiheit­liche Erfindung. Das ist ja bitte schön die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Ihren Verordnungen und zu den mit Ihrer türkis-grünen Mehrheit vorgeschlagenen und beschlossenen Gesetzen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich möchte darauf verzichten, einzelne Beispiele noch einmal zu nennen, Sie kennen diese. Sie öden mich an. Sie nerven auch schon weite Teile der Bevölkerung. Die Be­völkerung hat auch kein Vertrauen mehr zu Ihnen, das haben Sie verspielt. Zu den wie­derkehrenden Vorhalten – ich höre es gerade schon –, wir Freiheitliche können nur kriti­sieren, verweise ich auf unsere zahlreichen Anträge zur Pandemiebekämpfung im Natio­nalrat und auch hier im Bundesrat, die ja nur aufgrund Ihrer türkis-grünen Regierungs­mehrheit nicht beschlossen worden sind.

Eigentlich ist es ganz einfach. Was wollen wir für die Pandemiebekämpfung, was ist der Plan der Freiheitlichen? – Ein hohes Schutzniveau in Bezug auf tatsächlich gefährdete Gruppen, vor allem Schutz von Alters- und Pflegeheimen, Förderung von Desinfektions­mittelspendern, die Empfehlung von antiviralen Mundspülungen; damit wird eine Anste­ckungsgefahr von infektiösen Personen mit einfachen Mitteln ganz massiv reduziert. Dazu gibt es zahlreiche Empfehlungen unabhängiger Ärzte. Das wurde auch in den Me­dien kolportiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Das sind ganz einfache Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung. Dazu gehört natürlich auch – das habe ich hier auch immer wieder kritisiert – eine rasche und kostenlose Tes­tung und Absonderung von Personen, die tatsächlich Krankheitssymptome aufweisen, wie sie für Covid-19 typisch sind. Ich kann mich erinnern: Noch vor einem Jahr oder eigentlich noch vor einem halben Jahr war es gang und gäbe, dass man sich bei 1450, dieser Coronahotline, gemeldet und gesagt hat: Ich habe Fieber, ich habe Husten, mir geht es nicht gut, könnte ich nicht irgendwo einen Test bekommen?, und die Antwort von der Hotline war: Nein, testen müssen Sie sich bitte schon selber, das kostet dann 100 Euro oder sogar noch mehr! Wahrscheinlich haben Sie aber eh nichts, denn Sie haben ja keinen Kontakt gehabt, es ist unwahrscheinlich, dass Sie Covid-19 haben! – Das war die Situation noch vor einem halben Jahr, meine Damen und Herren!

Beste Medikamentenversorgung, und zwar für die tatsächlich erkrankten Personen, ist ein weiterer Punkt. Da wird auch immer wieder versucht, kleinzureden, dass es ja auch im Bereich der Medikamentenentwicklung, gottlob auch der Medizin sehr positive Fort­schritte zu vermelden gibt. Das ist Ihnen aber nicht wichtig, Sie konzentrieren sich auf irgendwelche Zwangstestungen und Zwangsimpfungen.

Weiters wollen wir eine Erhöhung der Bettenkapazitäten. Es ist ja wohl selbstverständ­lich, dass man die in der Pandemie ganz nach oben schraubt, dass man die Gesund­heitskapazitäten, die der Staat zur Verfügung stellen will und kann, auch ausbaut. Was haben Sie stattdessen getan, Herr Gesundheitsminister? – Sie haben die Bettenkapa­zitäten nicht erhöht, sondern reduziert. Sie haben sie reduziert! Da beziehe ich mich auch auf die Zahlen, die immer wieder von der Ages veröffentlicht wurden, von Ihrer Agentur, die Ihnen als Minister untersteht.

Sie haben den Schutz von Alters- und Pflegeheimen verschleppt und erst Anfang No­vember mit der ersten COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung ein wirklich sinnvolles, schlüssiges Regelwerk in diesem Bereich zumindest einmal eingeführt. Vorher war da überhaupt nichts. Sie haben über ganze Wirtschaftszweige ein monatelanges Berufsver­bot verhängt und Sie treiben das auch noch immer weiter fort. Ihre Verordnungen, Herr Gesundheitsminister, belegen Ihre Planlosigkeit und ein Regieren nach dem Rudi-Car­rell-Prinzip: Lass dich überraschen! (Beifall bei der FPÖ.)

Man kann es vielleicht auch ein Regieren nach dem Prinzip Anschober Rudolf nennen, also nach den Anfangsbuchstaben Ihres Namens: Alles nur sehr chaotisch oder beson­ders erfolglos, rechtswidrig. Rechtswidrig und daneben ohne lebensnahe Fallgestaltun­gen. (Bundesrat Steiner – erheitert –: Super!) Ja, mir ist schon bewusst, solche Na­mensscherze sind zynisch und vielleicht auch ein bisschen respektlos, aber mein Zynis­mus, Herr Gesundheitsminister, soll Ihnen einen Spiegel vorhalten, stellvertretend für


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alle Menschen in diesem Land, die im vergangenen Jahr unter Ihren willkürlichen und auch verfassungswidrigen Maßnahmen gelitten haben (Bundesrat Steiner: Bravo! – Beifall bei der FPÖ), die nun, meine Damen und Herren, vor den Trümmern ihrer Exis­tenz stehen, während Sie in Pressekonferenzen über das Wachstum eines Babyele­fanten sinniert oder daran erinnert haben, dass die nächsten beiden Wochen aber nun wirklich entscheidend wären.

Wir lehnen nicht nur Ihre Maßnahmen ab, wir lehnen es auch ab, Ihr Staatsmodell einer Covid-fixierten Gesundheitsdiktatur, irgendwo zwischen Metternich und Dollfuß, nun auch noch in Gesetzesrang zu heben.

Ich habe noch einige Anmerkungen zum zweiten Schwerpunkt dieses Gesetzespakets. Da geht es um den grünen Impfpass und um Ihre Impfkampagne. Vergessen wir jetzt einmal Ihre Absicht, dass Sie nicht geimpfte Personen offen diskriminieren und damit diesen indirekten Impfzwang einführen wollen, vor dem wir Freiheitliche immer gewarnt haben! Sprechen wir einmal davon, wie Sie selbst in der türkis-grünen Bundesregierung vorankommen, was Sie in Bezug auf Ihr selbst gestecktes Ziel tun wollen – das ja auch ganz eingängig ist –, nämlich einer möglichst hohen Impfquote in der Bevölkerung hin­sichtlich dieser Covid-19-Impfungen. Schauen wir wieder einmal über den Tellerrand hinaus: Wie kommen denn die anderen Länder so voran? – Der Vergleich macht sicher. USA, Großbritannien – unter rechten Regierungen geführt –: Fast die Hälfte der Einwoh­ner hat schon eine Impfung erhalten. Mittlerweile ist ja nicht mehr Präsident Trump in Verantwortung, aber er hat diese Operation Warp Speed auf den Weg gebracht. In Israel ist sogar mehr als die Hälfte der Einwohner schon mit zwei Impfdosen Biontech/Pfizer geimpft.

Vergleichen wir das mit Österreich unter Bundeskanzler Kurz und Gesundheitsminister Anschober: Da hat es Ende Dezember 2020 einmal eine große Pressekonferenz gege­ben, zur allerersten Covid-19-Impfung in Österreich, einer alten Pensionistin. Da lässt man sich natürlich gerne fotografieren und beglückwünscht sich gegenseitig. Dann geht man einmal in die Weihnachtsruhe, denn es kann nicht sein, dass da im Amt irgendje­mand über die Weihnachtsfeiertage abhebt und irgendetwas beim Impfen vorangeht. Dann bewerben Sie mit unseren Steuergeldern ganz großflächig: Österreich impft. Sie bewerben da eine Impfung, die für weite Teile der Bevölkerung ja gar nicht zur Verfügung steht. Wo ist denn die Impfung? – Da sagen Sie: Na ja, wir haben auf die Lieferverspre­chen des Herstellers vertraut; blöd gelaufen, ist halt mal so.

Kann man sich telefonisch zur Impfung anmelden? – Nein, kann man natürlich nicht. Da müssen sich 80-jährige Leute online anmelden, und das über eine komplizierte Website, die ähnlich zweckmäßig gestaltet ist wie das Millionengrab Kaufhaus Österreich Ihrer Bundesministerin Schramböck. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, und jetzt geht es weiter: Die Impfzentren gehen nun offenbar österreichweit wieder in den Osterurlaub – nur nicht hudeln! Das ist die ÖVP-Politik unter dem Bussi-Bussi-Kanzler Kurz, gepaart mit der marxistischen Planwirtschaft der Grünen. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Und Sie scheitern und scheitern, meine Damen und Herren, und zwar an Ihren selbst definierten Erwartungshaltungen, was das Impfen betrifft! Sie behaupten, die Freiheitlichen hätten ja gar kein Konzept; aber Sie haben Ihre atembe­raubende Inkompetenz in der Pandemiebekämpfung mehrfach bewiesen und beweisen diese auch weiterhin jeden Tag. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt habe ich noch eine Frage, meine Damen und Herren: Von wem, glauben Sie, stammt das folgende Zitat in Bezug auf Covid-19-Impfstoffe: „Die Pharmafirmen for­schen natürlich mit großer Begeisterung daran, weil das ja auch ein Geschäftsmodell ist. Aber ehrlicherweise, die Frage wird dann sein, wer lässt sich denn das verabreichen?“ Bei dem, was bald am Markt ist, da wäre ich sehr, sehr vorsichtig. „Ich ließe mir das nicht spritzen!“ – Das sage ich auch öffentlich. – Zitatende.


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Also: Welcher Politiker hat wohl diese Aussage vor neun Monaten über die Medien ver­breiten lassen? War das A: der FPÖ-Klubobmann im Nationalrat Herbert Kickl? War das B: der britische Premierminister Boris Johnson? War das C: der bayerische Minister­präsident Markus Söder? Oder war das D: die oberösterreichische Gesundheitslandes­rätin der ÖVP, Christine Haberlander? (Bundesrat Steiner: C!)

Sie kennen die Antwort: Es ist nicht A, B oder C, es ist Antwort D: Christine Haberlander in der „Kronen Zeitung“ vom 15. Juni 2020. Da kann ich jetzt nur mutmaßen, wie es bei Ihnen in der ÖVP in den Spitzenchatgruppen losgegangen ist. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Da hat man vielleicht auch den Sinn einer Quotenregelung hinterfragt. „Mir gehen die Weiber so am Nerv“: Ist das nicht das angemessene Menschenbild, von dem Herr Kolle­ge Bader vorhin gesprochen hat? Oder wurde Frau Haberlander mit den Worten vertei­digt: Nein, sie ist eh „steuerbar“, sie hat auch „delikate“ Sachen „sauber erledigt“? (Beifall bei der FPÖ.)

Mittlerweile ist sie natürlich eingeschwenkt, ist sie auch wieder auf Kurs „Österreich impft“ und empfiehlt die Impfungen.

Was wollen wir Freiheitliche demgegenüber? – Impffreiheit statt Impfzwang. Jeder Ös­terreicher muss eine ordentliche Risikoaufklärung erhalten. In der Bewerbung von Covid-19-Impfstoffen muss es einen deutlich wahrnehmbaren Hinweis darauf geben, dass Arznei­mittel neben Wirkungen auch unerwünschte Wirkungen hervorrufen können und dass daher die Gebrauchsinformation genau zu beachten oder der Rat eines Arztes oder Apo­thekers einzuholen ist. Sie kennen das vielleicht aus den Werbungen. Das ist ja keine Erfindung von irgendwelchen militanten Impfgegnern, sondern das ist die gesetzliche Anforderung gemäß § 52 Arzneimittelgesetz. Ihre aktuelle Impfjubelkampagne für die Covid-Impfungen ist ein glatter Gesetzesbruch – wieder einmal. Das wollen Sie natürlich nicht hören.

Was wollen wir noch? – Jeder Österreicher soll seinen Covid-19-Impfstoff frei wählen können, und für das unvermeidliche Risiko eines Impfschadens muss es eine bessere Absicherung im Impfschadengesetz geben. Da legen Sie auch die Hände in den Schoß und tun nichts. Sie wollen einfach, dass geimpft wird, da ist es egal, wenn dann der Hausarzt in die Haftung genommen wird. Da halten Sie sich vornehm zurück. Da ist es Ihnen egal, wenn sich die Menschen anstellen und ihren Impfschaden abgegolten haben wollen, wenigstens eine Entschädigung dafür bekommen wollen. Da tun Sie nichts. Impf­schäden gibt es in Ihrer Welt offenbar nicht. Das passt nicht zu Ihrer großen Erzählung. Wir sagen: Seien Sie ehrlich zu den Menschen, gerade dann, wenn es um unangenehme Wahrheiten geht!

Sprechen wir auch einmal über den Impfstoff von Astra Zeneca, auf den Sie ja all Ihre Hoffnungen gesetzt haben, Herr Bundesminister, weil es einfach der billigste unter den verfügbaren Impfstoffen war: 60 Prozent Effizienz beim Schutz vor Covid-Erkrankungen ist vergleichsweise wenig. Das ist ja auch keine Erfindung von irgendwelchen Impfgeg­nern, das ist in der Information zur bedingten Zulassung der Europäischen Arzneimittel-Agentur ganz klar in deutscher Sprache auch im Internet abrufbar und nachlesbar.

Eine endgültige Zulassung für den Impfstoff gibt es noch gar nicht, wir befinden uns in einer weiteren Phase dieser bedingten Zulassung, in der klinische Studien erst jetzt an­hand der Erfahrungen aus der millionenfachen Impfung von Europäern durchgeführt werden und in der jetzt erst das Risiko seltener Nebenwirkungen überhaupt erst wissen­schaftlich erforscht wird. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Deswegen heißt es auch in einer Information für Ärzte: „Eine Kombination aus Thrombose und Thrombozyto­penie, in einigen Fällen begleitet von Blutungen, wurde sehr selten nach der Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca beobachtet. [...] Einige dieser Fälle hatten einen tödlichen Ausgang.“


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Na ja, was heißt „sehr selten“? – Wir reden hier von einem Fall unter 10 000. Das be­deutet natürlich rechnerisch bei vier Millionen geimpften Österreichern, die mit Astra Ze­neca geimpft werden sollen, eine Fallzahl von 400 Personen, bei denen diese Komplika­tionen, die auch lebensgefährlich sind, auftreten. (Bundesrat Steiner: Unglaublich!)

Also: Solange diese Kinderkrankheiten dieses Impfstoffes nicht beseitigt sind, ist mit Ast­ra Zeneca ein Risiko verbunden. Daher wird in einigen deutschen Bundesländern heute, ganz aktuell, auch die Impfung mit Astra Zeneca ausgesetzt: Berlin, Brandenburg, Mün­chen. Dort schützen die verantwortlichen Gesundheitspolitiker ihre Bürger, weil sie es nicht verdient haben, Versuchskaninchen für Pharmaunternehmen zu sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist eine unangenehme Wahrheit für die Impfkampagne, aber die Menschen haben sich nicht nur die Freiheit, die Sie ihnen genommen haben, verdient, sondern auch die Wahrheit, und daher, meine Damen und Herren, stellen wir Freiheitliche einen Entschlie­ßungsantrag, der da lautet - - (Der Redner geht zu seinem Sitzplatz, um ein Exemplar des Entschließungsantrages zu holen.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich darf aus zeitökonomischen Gründen die Ge­legenheit nutzen, auf die Redezeitusancen hinzuweisen. – Bitte, Kollege Schilchegger.


Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (fortsetzend): Aus formalen Gründen muss ich unseren Entschließungsantrag, der Ihnen schriftlich vorliegt, verlesen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Aussetzen von COVID19-Impfungen mit AstraZeneca-Impfstoff“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, folgende gesundheitspolitische Forderungen unmittelbar umzusetzen:

- die sofortige Aussetzung aller Covid-19-Impfungen mit AstraZeneca-Impfstoff in Öster­reich bis zum tatsächlichen wissenschaftlichen Nachweis der gesundheitlichen Unbe­denklichkeit

- die freie Wahl des Covid-19-Impfstoffs für jeden Bürger

- die freie Wahl des Arztes, der die Impfberatung vornimmt und die Covid-19-Impfung durchführt“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.22


Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Dr. Michael Schilch­egger, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Aus­setzen von COVID19-Impfungen mit AstraZeneca-Impfstoff“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


18.23.20

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Schilchegger, wenn ich jetzt


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auf Ihre pauschalen Rundumschläge antworten müsste (Bundesrat Steiner: Das ist nicht pauschal gewesen!), dann würde ich dreimal die Redezeit überziehen, wie Sie es schon getan haben. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Ja, dir fällt ja nichts ein! Probier es einfach einmal!)

Ich glaube, wir müssen uns alle eingestehen, besonders die Opposition (Bundesrat Stei­ner: Nicht vorlesen! – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), nach den vorangegangenen Ereignissen und Erkrankungen (Bundesrat Steiner: Nicht vorlesen!), dass diese Pande­mie nicht nur Österreich wirklich in Atem hält, sondern weltweit wirklich eine große He­rausforderung ist. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ich hoffe, die Stimmung im Plenum beruhigt sich wieder. (Bundesrat Steiner: Ja, passt! – Zwischenruf des Bundes­rates Schennach.)

In der mittlerweile dritten Welle der Ansteckung, in der Mutationen von Mutationen des Virus bekannt sind und sich auch ausbreiten, füllen sich wiederum die Spitäler und die Intensivstationen in Österreich mit Erkrankten. Auch wenn sich noch genügend Zweifler nicht an die Maßnahmen gegen die Ausbreitung halten, macht das Virus vor niemandem halt, und keiner von uns kann sagen, ob und wie die Krankheit sich bei ihm entwickelt.

Die mittlerweile sehr verbreitete Bereitschaft, sich testen zu lassen, hat uns in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern so viel Freiheit wie möglich und auch so viele Ein­schränkungen wie notwendig gebracht. (Ruf bei der FPÖ: Was für Freiheiten?) Gerade dank der Mithilfe der Gemeinden, der Bürgermeister und der vielen ehrenamtlichen Hel­ferInnen, aber auch in den Schulen und in den Betrieben ist ein breites Testangebot entstanden, mit dem wir in Österreich und in der EU an der Spitze liegen.

Auch wenn es so scheint, dass bei den Impfungen nichts weitergeht: Auch bei der Impf­rate liegen wir unter den Top Ten in der EU. (Bundesrätin Grimling: Hahaha!) 15 Pro­zent der Bevölkerung haben eine erste Dosis erhalten und knapp eine halbe Million Ös­terreicher hat den vollständigen Impfschutz durch alle notwendigen Impfdosen erhalten. Die gute Organisation und Abwicklung in den Ländern und Gemeinden stellt sicher, dass alles sofort verimpft werden kann. Im April sollen noch alle über 65-Jährigen und im Mai alle über 50-Jährigen ihre erste Dosis erhalten haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Sommer, die Urlaubs- und Reisezeit in Österreich und in anderen Ländern stehen unmittelbar bevor. Meine Kollegin Eva Prischl aus der SPÖ hat gesagt, der Kunst- und Kultursommer steht bevor. Diese Branchen, der Touris­mus-, der Gastrobereich, der Kultur- und Veranstaltungsbereich, befinden sich auf einer wirklich langen und sehr mühsamen Durststrecke. Diese Branchen haben sich im ver­gangenen Jahr immer wieder um Sicherheitskonzepte bemüht und diese auch eingehal­ten. Genau für diese Betriebe, für die Beschäftigten, für jeden von uns wäre es notwen­dig, einen Weg zu finden, um wieder etwas vom gewohnten Leben zurückzubekommen.

Reisen und uneingeschränkt die Freizeit verbringen zu können ist nicht nur die große Sehnsucht der Bürgerinnen und Bürger, sondern auch enorm wichtig für die weitere wirtschaftliche Entwicklung und jeden Arbeitsplatz, den wir durch diese Coronapandemie verloren haben. Wir in Österreich stehen aber nicht alleine mit dieser Herausforderung da, auch in anderen EU-Ländern sind der Tourismus, die uneingeschränkte Reisefreiheit und das gesellschaftliche Leben in Pandemiezeiten enorm wichtig und leider derzeit nicht möglich.

Dank Ministerin Köstinger, die diese Woche weitere 13 Staaten zu einem Gespräch ge­laden hat, wird auf EU-Ebene eine gemeinsame Prioritätenliste mit klaren Kriterien für den sogenannten grünen Pass erstellt. Damit soll eine standardisierte Grundlage für den sogenannten grünen Pass in der EU geschaffen werden, der als Nachweis für alle ge­impften, getesteten und genesenen Personen gelten soll.


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Liebe Kolleginnen und Kollegen, Österreich darf sich da nicht ausnehmen! Auch für uns sollten jetzt die Gesundheit, die Freiheit und die Sicherheit der Menschen an erster Stelle stehen, denn die maximale Freiheit durch einen Test, durch eine Impfung oder durch eine überstandene Infektion ist auch der maximale Schutz für die Menschen in dieser Krise. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Daher ist es jetzt enorm wichtig, dass wir auch auf nationaler Ebene eine Basis schaffen, damit die technische, datenschutzrechtliche Umsetzung des grünen Passes in Öster­reich möglich ist. Die Gleichstellung von Personen mit einem Nachweis einer überstan­denen Infektion mit Geimpften und solchen, die einen negativen Test nachweisen kön­nen, ist für diese Grundlage wichtig, für den grünen Pass ebenso wie für die Zutrittstests.

Gerade jetzt, mitten in der dritten Infektionswelle, ist es dringend notwendig, alles zu tun, um die Infektionszahlen absenken zu können, und mein Appell an die Opposition lautet: Gefährden Sie bitte nicht aus parteitaktischen Gründen die Umsetzung wichtiger Maß­nahmen und Schritte in den nächsten Monaten! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir ersuchen Sie um Zustimmung. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.29


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Dr. Karl-Ar­thur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


18.29.34

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte strukturiert vorgehen und mit dem Epidemiegesetz beginnen.

Dort ist positiv zu bemerken, dass es, einmal abgesehen von den redaktionellen Ände­rungen – unter Anführungszeichen –, „authentische Interpretationen“ einiger bisheriger Bestimmungen gibt, die um einiges ausführlicher als bisher geregelt werden, insbeson­dere die Verkehrsbeschränkungen. Da wird meines Erachtens ohne Änderung der Rechtslage deutlicher geregelt, wie vorzugehen ist.

In diesem Zusammenhang muss ich praktisch jedes Mal, wenn es um dieses Thema geht, auf die aufgrund dieser Ermächtigung im Epidemiegesetz erlassene Einreisever­ordnung eingehen, die nicht wie versprochen regelmäßig und auch nicht wie verspro­chen systematisch die Länderliste updatet. Jetzt hatten wir ungefähr eine zweiwöchige Schrecksekunde (Heiterkeit des Bundesrates Spanring), bis es gelungen ist, Norwegen von der Liste der Länder zu streichen, aus denen man ohne Quarantäne einreisen darf, weil die Siebentageinzidenz dort in der Zwischenzeit über 120 liegt, während Sie hin­gegen sehr säumig sind, Herr Minister, diejenigen Länder in die Liste aufzunehmen, de­ren Inzidenz unter 50 gefallen ist. Das wären im Moment Dänemark und Portugal, die beide wieder eine Inzidenz unter 30 haben.

Um zum COVID-19-Maßnahmengesetz zu kommen: Da gibt es positive und negative Punkte. Eine begrüßenswerte Adaptierung wäre, dass die Maskenpflicht in Innenräumen ausgeweitet wird, dass insbesondere das Thema Arbeitsplatz angegangen wird, wobei auch berücksichtigt wird, dass die Alternative ein frischer negativer Test sein kann. Wir sehen es sehr positiv, dass überall dort, wo es Eintrittstests gibt, endlich – Sie werden sich erinnern, ich erwähne das auch jedes Mal – auch Impfungen Berücksichtigung fin­den, genauso wie Genesungen und Antikörpernachweise. Wichtig ist in diesem Zusam­menhang, dass das österreichische Erfassungs- und Nachweisregime, das aufgezogen wird, nicht in eine andere Richtung geht als das europäische Regime des digitalen grü­nen Zertifikats – nicht, dass wir dann, wenn geplanterweise Ende Juni das europäische Zertifikat kommt, eine österreichische Lösung haben, die damit nicht kompatibel ist, und wir etwas umbauen müssen.


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Nicht ganz so dramatisch wie die Medien, wo das in den letzten Tagen das Hauptthema war, sehe ich die Frage, wie und ob Zutrittstests im COVID-19-Maßnahmengesetz neu geregelt werden dürfen oder können. Die bisherige Regel soll geändert werden, also legistisch soll es anders gemacht werden, aber inhaltlich entfällt im Wesentlichen die Passage, dass Zutrittstests nur dort verordnet werden können, wo eine länger andauern­de Interaktion mit anderen Personen, Kundinnen und Kunden, Besucherinnen und Besu­chern stattfindet. Das soll jetzt wegfallen.

Meiner Meinung nach würde das aber nicht viel an der Rechtslage ändern, weil die Vo­raussetzung ja sowohl bisher als auch mit der geplanten Änderung ist, dass diese Re­gelung, diese Auflage erforderlich ist, um mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Ansteckung zu verhindern. Das heißt, wenn Sie eine Verordnung erlassen wollen, die Zutrittstests dort vorschreibt, wo es zu keiner länger andauernden Interaktion mit anderen Personen kommt, müssen Sie in Ihrem Verordnungsakt im Nachhinein zumindest irgendeine Evi­denz für den Verfassungsgerichtshof beilegen, warum eine Ansteckungsgefahr auch dort besteht, wo es zu keiner länger andauernden Interaktion kommt.

Der große Knackpunkt am Entwurf der Novelle des COVID-19-Maßnahmengesetzes ist aber, dass, wie es auch schon Kollege Schilchegger erwähnt hat, gesetzliche Regelun­gen geschaffen werden sollen, die quasi im Nachhinein Verordnungen von Ihnen er­lauben sollen, die bisher gesetzwidrig waren, nämlich dass Ausgangsbeschränkungen nicht mehr nur als letzte Maßnahme verhängt werden dürfen und dass Zusammenkünfte im privaten Wohnbereich Auflagen, Bedingungen unterzogen werden dürfen. Das sind massive Grundrechtseingriffe.

Wir NEOS haben ein bisschen das Gefühl, dass diese Novelle, dieser Vorschlag eine weitere Manifestation einer Friss-Vogel-oder-stirb-Gesetzgebung ist, denn genauso we­nig, wie die Pandemiebekämpfung vorausschauend ist, ist es die Legistik der Regie­rungsparteien. Wir erkennen keine Ansätze, dass Sie diejenigen Teile durchbringen wol­len, für die es Mehrheiten gibt, weil, ganz im Gegenteil, ein Paket geschnürt wird, das für jede Oppositionspartei jeweils mindestens einen oder mehrere Dealbreaker enthält. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Steiner.)

Sehr geehrter Herr Minister! Es ist kein Geheimnis und Sie wissen, für welche Adap­tierungen es parlamentarische Mehrheiten gäbe. Wenn es Ihnen um die Sache geht, dann handeln Sie bitte auch danach! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesra­tes Steiner.)

18.36


Präsident Mag. Christian Buchmann: Für eine Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober. – Bitte, Herr Bundesminister. (Ruf bei der FPÖ: Da sind wir gespannt!)


18.36.15

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es passt, glaube ich, ganz gut, da jetzt replizieren zu können. Wo sind wir derzeit? Ich möchte über zwei Bereiche kurz informieren. Die eine Situation ist folgende: Wie entwickelt sich die Pandemie? Wo stehen wir in Österreich im Augenblick? Welche Maßnahmen setzen wir? Und warum ist deswegen aus meiner persönlichen Sicht – das werden Sie verstehen, da unterscheiden wir uns halt in unserer Position in Teilbereichen – diese Novellierung gerade des COVID-19-Maßnahmengesetzes in dem Zusammenhang besonders wichtig?

Wir haben einerseits im Augenblick mit wirklicher Sicherheit die gefährlichste Phase der Pandemie. Das ist eigentlich der Konsens aller Fachexperten in Europa. Es sind derzeit 19 EU-Mitgliedstaaten, die stark steigende Infektionszahlen haben, wiewohl im Augen­blick das Hauptrisiko und das Hauptentscheidende gar nicht so sehr die Frage der


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Infektionszahlen ist. Wir haben etwa im Vergleich mit der Krisensituation, die wir bei der zweiten Welle im Herbst hatten, jetzt in dieser dritten Welle nicht diese Dynamik der Zuwächse, was die Infektionszahlen betrifft. Es ist eher ein linearer Zuwachs, den Sie Woche für Woche beobachten können, und nicht die Dynamik – Sie erinnern sich, wir erinnern uns –, die wir ab 24., 25. Oktober hatten, wo die Kurve fast senkrecht nach oben gegangen ist. Das unterscheidet die jetzige Situation von der damaligen.

Bei den Hospitalisierungszahlen schaut es schon anders aus: Da steigen die Zahlen viel stärker, als das im Herbst der Fall gewesen ist. Wirklich brutal anders schaut es betref­fend schwere Erkrankungen aus. Es gibt derzeit viele, viele Fälle, und ich kann wirklich jedem und jeder nur empfehlen, Gespräche mit Medizinerinnen und Medizinern zu füh­ren. Gerade die großartigen Menschen im Bereich der Medizin, im Bereich der Pflege, die wir in Österreich haben, fantastische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf den Inten­sivstationen, erzählen mir – ich habe fast das ganze Wochenende mit einigen von ihnen telefoniert –, dass es im Augenblick einfach wahnsinnig dynamisch und schnell geht. Es gibt Menschen, die von der Ambulanz auf die Intensivstation gebracht werden. Es gibt Menschen, die 17, 18, 24, 26 Jahre alt sind und innerhalb kürzester Zeit auf der Inten­sivstation landen. Das ist ein Phänomen, das wir in dieser Dimension vorher nicht hatten.

Früher – und das ist natürlich auch nicht besser – waren es hauptsächlich ältere Men­schen, die betroffen waren. Jetzt geht es quer durch die Bevölkerung. Bei Älteren haben wir einen gewissen ersten Impfschutz. Also jedem und jeder, der oder die sich jetzt über Impfungen mokiert und diese kritisiert, kann ich wirklich nur empfehlen, sich die Verän­derungen in den Alten- und Pflegeheimen anzusehen: dass wir dort endlich einen Schutz der Bevölkerung haben. Ich denke, das ist ein riesengroßer Fortschritt, und wir merken daran, dass die Impfungen wirken. Also wie man das kritisieren kann, ist mir ein Rätsel. (Bundesrat Spanring: Ich glaube, Ihnen ist viel ein Rätsel!) – Es gibt eine Fraktion, die kann zumindest laut sein. Das ist eine gewisse Fähigkeit. (Bundesrat Steiner: Und wir schauen hin, wenn Sie reden! Sie drehen sich ja weg, wenn unsere reden! – Bundesrätin Zwazl: Könnt ihr jetzt nicht einmal zuhören – und redet dann!? – Zwischenruf des Bun­desrates Hübner.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Bitte, der Herr Bundesminister ist am Wort.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober (fortsetzend): Vielen Dank. – Wenn wir uns wieder beruhigt haben, dann können wir weiterreden, denn es geht hier um ein ernstes Thema und nicht um einen Jahrmarkt.

Das ernste Thema sind die Intensivstationen. Wir haben derzeit die Situation, dass wir in den drei Bundesländern Ostösterreichs bereits dasselbe Auslastungsniveau haben, wie das im vergangenen Herbst der Fall gewesen ist, als wir gerade noch durchgekom­men sind. Jetzt haben wir in Wien bereits 40 schwer Erkrankte mehr in den intensivmedi­zinischen Abteilungen, als das im Herbst der Fall gewesen ist. Das Burgenland befindet sich in etwa in derselben Situation wie im Herbst, also auch in einer akuten Krisensitua­tion; Niederösterreich detto, es hat gestern die Höchstzahlen erreicht, die wir bereits im Herbst hatten.

Das ist kein Verschulden der Politik oder der Bevölkerung in Ostösterreich, sondern da­für gibt es einen einfachen Grund: das britische Virus. Dieses britische Virus ist in Ost­österreich zuerst in die Breite gegangen. Wir haben in Ostösterreich mittlerweile zwi­schen 80 und 95 Prozent Anteil, und das führt dazu, dass die Situation der Erkrankungen viel dynamischer, aggressiver und damit gefährlicher wird. Deswegen ist die Phase, die wir derzeit europaweit haben, die schwierigste und gefährlichste Phase der Pandemie. Dem müssen wir entgegensteuern.

Ich bin daher sehr froh darüber, dass wir das, was sich jeder gewünscht und erträumt hatte, nämlich Öffnungsschritte, noch rechtzeitig im Konsens gestoppt haben. Ich bin


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sehr froh darüber, dass wir in sehr ausführlichen Verhandlungen bis halb drei Uhr früh diese Osterruhe miteinander paktiert haben. Da hat sich gezeigt, dass Parteipolitik keine Rolle spielt, keine Rolle spielen darf, wenn es um Sachfragen geht. Es war mit Kollegen Doskozil, mit Kollegin Mikl-Leitner, der Landeshauptfrau von Niederösterreich, und mit dem von mir in diesen Fragen besonders geschätzten Bürgermeister von Wien, sehr, sehr gut möglich, miteinander zu einem Gesamtpaket zu kommen, das einen Einstieg darstellt. Ich bin sehr froh darüber, dass es gestern dann auch den Konsens mit Wien darüber gegeben hat, dass wir diese Osterruhe ausdehnen. Das ist für niemanden lustig, niemand hat Freude mit solchen Maßnahmen. Es ist auch nicht populär, aber Politik in einer Krisensituation ist nicht dazu da, populistisch zu sein, sondern um Fragen zu beant­worten. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Eure Politik ist die Krise!)

Die Hauptfrage in dieser Situation ist: Wie können wir die Gesundheit der Bevölkerung schützen? Das ist ja unser gesetzlicher Auftrag. Wenn die Gesundheit bedroht ist, muss die Politik handeln, gleichgültig, ob das populär ist oder nicht. Ich glaube, dass wir in den nächsten Tagen noch weiter gehen müssen, dass wir weitergehende Maßnahmen brau­chen. Ich glaube, dass auch das Bundesland Burgenland und das Bundesland Niederös­terreich den Wiener Weg mitgehen müssen und mitgehen werden. Davon bin ich zutiefst überzeugt, weil einfach die Fakten sehr klar und eindeutig sind, und weil wir dann auch Maßnahmen für das restliche Österreich – mit Ausnahme Vorarlbergs, das ist eine Son­dersituation – brauchen werden. Es ist mein dringender Wunsch, dass wir es so gemein­sam rund um die Ostertage schaffen. Ich hoffe, dass wir das gemeinsam hinbringen.

Letzter Punkt: Warum sind diese Tagesordnungspunkte so wichtig? – Weil wir unter an­derem einen Teil dieser Punkte, nämlich die Zutrittstestungen zum Handel, in diesem Maßnahmenpaket zur Osterruhe mitverankert haben. Ich persönlich bin überzeugt da­von, dass sie gut und wichtig sind. Warum? – Weil wir damit bei den Testungen in die Breite gehen. Wir haben überhaupt nichts davon, wenn immer dieselben 30 Prozent tes­ten gehen, sondern wir müssen alle erreichen. Nur dann machen wir Fortschritte. Des­wegen ist der Zutrittstest etwa bei den Friseurinnen und Friseuren erfolgreich gelaufen. Zum Friseur geht jeder – oder fast jeder – irgendwann einmal; es gibt auch Heimwerker, die in Selbstorganisation tätig sind, aber das sind doch die wenigsten. Nehmen wir nun den Handel, die Zutrittstestungen zum Handel her, so wäre das ein zweiter großer Schritt, denn einkaufen geht auch jeder, und damit hätten wir wieder eine große Breite erreicht.

Meine Bitte ist also heute wirklich, diesen Punkt, der so wichtig und ein Teil dieses Pakets mit Wien, Niederösterreich und dem Burgenland ist, nicht auf die lange Bank zu schie­ben. Wir brauchen diese Regelungen jetzt. Ich kann nur unterstreichen, was Landes­hauptmann Doskozil formuliert hat: Diese Situation ist jetzt kein Punkt, bei dem es um Parteipolitik geht, sondern es geht um Krisenbewältigung, und deswegen ist meine Bitte, da über den Schatten zu springen und gemeinsam zu handeln. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es gibt viele andere Punkte in diesem Paket; ich möchte noch zwei aufzählen, bei denen es mir wirklich leid täte, wenn sie um zwei Monate verschoben werden würden. Das eine ist die Gleichstellung von Geimpften mit Getesteten. Warum ist das so wichtig? – Weil es natürlich eine Frage der Gleichberechtigung ist: Wenn ich eine Impfung habe, habe ich ein genauso reduziertes Ansteckungsrisiko, bin ich genauso wenig ein Risiko für andere, wie wenn ich getestet bin. Es ist aus meiner Sicht rechtlich und auch politisch nicht einzusehen, warum es da eine Ungleichbehandlung gibt. Wenn wir das jetzt so beschließen würden, dann hätten wir die Möglichkeit, dass wir bereits ab kommender Woche diese Gleichstellung zum Beispiel beim Zutritt verwirklichen, das heißt, man braucht dann keine Testung extra zu machen, sondern man ist ja geimpft und hat damit die gleichen Handlungsmöglichkeiten.


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Das Zweite ist die Vorbereitung des grünen Passes, der nicht diskriminierend wird, weil er eben die Gleichstellung zwischen Impfung und Testung und der Zertifizierung einer Genesung realisiert, und diese Gleichstellung verwirklicht. Es ist gesichert – ich glaube, der Kollege von den NEOS hat die Frage gestellt (Bundesrat Arlamovsky nickt) –, dass wir da europäisch im Gleichklang gehen. Es wäre völlig absurd, wenn es unterschiedli­che Regelungen gibt, wiewohl es in der Vergangenheit schon manchmal auch derartige Verrücktheiten gegeben hat, ich gebe es schon zu.

Es gibt derzeit einen sehr intensiven, guten Arbeitsprozess auf europäischer Ebene, in dem diese Grundstandards miteinander abgesteckt werden, in dem sich Österreich be­treffend mit unterschiedlichen Ressorts sehr offensiv einbringt, da gibt es keine Pro­bleme. Das Ziel ist, dass wir diesen grünen Pass bis Ende Juni fertig haben. Vorher macht es auch wenig Sinn, denn man braucht ja vorher die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, sonst wäre das ja für viele erst recht wieder eine sehr unkorrekte und ungerechte Situation.

Dann haben wir die Möglichkeit, dass wir in Europa auch wieder reisen können, wenn die epidemiologische Situation das zulässt; dann haben wir mit diesem grünen Pass eine Zertifizierung, die es auch ermöglichen wird, dass wir über Europa hinaus reisen, denn auch die Weltgesundheitsorganisation ist in diesen Arbeitsprozess eingebunden. Das heißt, es wird nicht nur eine europäische, sondern eine globale Abstimmung geben. Aus meiner Sicht ist das dann ein großer Schritt, ich würde nicht sagen in Richtung Norma­lität, aber in Richtung Verbesserung der Situation.

Das ist die augenblickliche Lage, und deswegen – ich will jetzt nicht parteipolitisch he­rumpolemisieren, das hat überhaupt keinen Sinn, das ist auch nicht mein Stil und meine Art – würde ich Sie einfach wirklich dringend bitten, zu überlegen, ob es nicht doch Sinn macht, dass wir diese Maßnahmen jetzt kriegen und nicht zwei Monate darauf warten müssen.

Ich kann nur mehr mit Doskozil sprechen – ich habe mir auch nicht gedacht, dass ich das einmal mache –, nämlich zu sagen: Bitte, in Zeiten der Pandemie brauchen wir keine Priorität der Parteipolitik (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), sondern wir brau­chen ein gemeinsames Umsetzen dessen, was dringend notwendig ist, damit wir bei der Pandemiebekämpfung wieder Schritte in die richtige Richtung machen! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Darum ersuche ich Sie. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.47


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Ing. Eduard Köck. – Bitte, Herr Bundesrat.


18.47.58

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Ich möchte mit meiner Rede einige Aussagen unseres Gesundheitsministers unterstreichen, weil sie eben, so wie er es auch angesprochen hat, doch sehr, sehr wichtig sind.

Wir beschließen drei Gesetze, mit denen wir die Pandemie, mit der wir seit mehr als einem Jahr leben, zurückdrängen und in den Griff bekommen wollen, damit wir die nächsten Monate noch über die Runden kommen, bis wir mit den Impfungen so gut wie möglich durch sind. Natürlich gibt es immer wieder die verschiedensten Meinungen, wie man das machen könnte, aber man muss doch erkennen, dass beinahe alle Länder der Welt ähnliche Maßnahmen ergreifen, wie wir es tun: in gewissen Bereichen Kontakte reduzieren, wenn es sein muss, manchmal auf Homeschooling umstellen und dann wie­der für eine gewisse Zeit öffnen. Darin sind sich die Länder doch sehr gleich, denke ich,


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und deshalb ist es verwunderlich, wenn hier immer wieder Möglichkeiten aufgezeigt wer­den, die ganz einfach nirgends ergriffen werden, weil sie wahrscheinlich auch nicht die richtigen sind.

Ich kann an einem Praxisbeispiel aus meiner Gemeinde zeigen, wo das sehr schnell gegangen ist. Das passiert dort natürlich im Kleinen, aber man sieht, wie es auch gehen kann. Wir hatten bis vor vier Wochen eigentlich immer sehr geringe Zahlen, und dann hatten wir ein paar Tage einen Anstieg, der uns überrascht hat. Als wir erkannt haben, dass dahinter wohl mehr steckt, haben wir sofort, innerhalb eines Tages, Entscheidun­gen getroffen.

Wir haben zwei Schulklassen geschlossen, in den anderen Klassen täglich getestet, wir haben die Eltern gebeten, die Kindergartenkinder einmal für eine Woche zu Hause zu lassen, wir haben mit den Vermarktungsorganisationen, mit allen Organisationen, bei denen die Bevölkerung zusammenkommt, gesprochen, auch mit der Kirche, und wir haben sofort eine Teststraße eingerichtet, damit sich die Bürger und Bürgerinnen testen lassen können. Wir haben zu vermehrtem Testen aufgerufen und haben innerhalb eines Tages eine Informationspolitik betrieben, damit die Menschen wachgerüttelt werden und sie die Situation so erkennen, wie sie eben war.

Innerhalb von drei Wochen haben wir die Inzidenz von mehr als 1 000 – natürlich auf 100 000 gerechnet – wieder auf jetzt 70 heruntergebracht. Wir haben seit einigen Tagen keine Neuinfektionen mehr und nur noch ganz, ganz wenige Infizierte. Das zeigt ganz einfach eines: Nur rasches Handeln hilft. Deshalb verstehe ich nicht, dass man hier im­mer wieder blockiert und manche Gesetzeswerdungen zerfleddert: man hätte jenes nicht eingehalten, und zu kurze Begutachtungsfristen, und der Verwaltungsgerichtshof habe wieder irgendetwas gemacht.

Also wenn wir so begonnen hätten – dass wir sagen: okay, jetzt laden wir zu einer Ge­meindevorstandssitzung ein, da haben wir sieben Tage Einladungsfrist, und danach la­den wir zu einer Gemeinderatssitzung ein, da haben wir wieder sieben Tage dazwischen, und dort diskutieren wir dann, was wir machen –, dann wären wir mit den Infektionszah­len irgendwo.

Auch wir hatten einen sehr hohen Anteil an Infektionen durch das britische Virus. Wenn man die Menschen kennt, die es trifft, die ins Spital kommen, wenn bei einer Infektion sofort die ganze Familie angesteckt wird, dann ist es ganz einfach greifbarer, es kommt näher, es wird bedrückender und es wird ernster. Wenn der Vizebürgermeister der Nach­bargemeinde mit 50 Jahren ohne Vorerkrankung an dieser Krankheit stirbt, dann wird das noch einmal greifbarer. Ich glaube, wir alle kennen sehr viele Menschen, die schwe­re Verläufe hatten, die schwer damit zu kämpfen haben und die letzten Endes austragen, was vielleicht andere mit ihrem Handeln verursachen.

Auch die Freiheitlichen kennen jetzt jemanden. Ich kann nur sagen: Wir wünschen – da kann ich für unsere gesamte Fraktion sprechen – Manfred Haimbuchner natürlich auch, dass er möglichst schnell wieder gesund wird, dass er und seine Familie viel Kraft haben, dass er wieder so wird, wie er früher war, voller Tatenkraft und mit allem, was dahinter­steht. Ich denke, er hat auch eine super Behandlung bekommen, so wie sehr viele in unserem Land, die auf die Intensivstation müssen, dort eine tolle Behandlung bekom­men, damit sie diese Krankheit überleben können.

Genau darum geht es an diesem heutigen Tag. Diese Beschlüsse sollen sichern, dass alle, die in Zukunft eine derartige Behandlung brauchen, sie auch bekommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Genau darum geht es und um nichts sonst, und da darf, wie schon gesagt, parteipolitisches Kalkül ganz einfach keine Rolle spielen.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, Sie haben heute auch das Kran­kenhauspersonal angesprochen. Allein in diesem Bereich sieht man schon, wie wichtig


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die Impfungen sind. Diese Menschen haben im vorigen Jahr unter dem Stress arbeiten müssen, dass sie sich selbst anstecken. Sie haben gesehen, wie Personen, die diese Krankheit haben, leiden. Sie mussten aber trotzdem in die Zimmer gehen, mussten trotzdem dorthin gehen und arbeiten. Man kann ihnen nicht genug danken, dass sie diese Arbeit verrichtet haben und heute noch verrichten, aber heute sind sie geimpft und haben ganz einfach eine viel höhere Sicherheit bei ihrer Arbeit. Wenn Sie dieses Perso­nal vor Überlastung schützen wollen, weil sie keine freien Stunden mehr haben, weil sie ständig an ihre Arbeitsplätze gerufen werden, damit dieser Dienst, der ganz einfach ge­braucht wird, auch getätigt werden kann, dann stimmen Sie heute mit uns, dann entlas­ten Sie dieses Krankenhauspersonal! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir haben auch schon viel über immer wieder veränderte Strategien gesprochen, die beschlossen werden würden, aber man muss ja auch sehen, dass sich auch die Grund­lagen immer wieder ändern. Natürlich hätten wir schon im Vorjahr gerne so viel wie heuer getestet, aber es gab ja die Tests noch gar nicht. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Dann gab es die Tests endlich, dann waren wieder welche dagegen. Dann haben wir die Massen­tests gemacht, dann gab es welche, die Stimmung gegen die Massentests machten.

Heute sind Tests für uns normal. Wir machen täglich 400 000 Tests und ermöglichen damit die derzeitigen Öffnungen. Ohne diese Testungen könnten wir körpernahe Dienst­leistungen und viele andere Bereiche nicht gestatten. Die Situation ändert sich immer wieder – auch mit den Impfungen wird die Situation immer anders –, und wir müssen ständig darauf reagieren. Somit ist es auch ständig notwendig, die Gesetzgebung anzu­passen. Manchmal kann man da nicht alle Fristen einhalten, oder es wird oft noch im Gesetzwerdungsprozess einiges geändert. Man muss auch da noch reagieren, und des­halb ist es ganz einfach nicht immer so, dass man auf alle Befindlichkeiten eingehen kann.

Würde man die Opposition einbeziehen, wie es immer wieder verlangt wird – dass man alle miteinbezieht, dann würden ja alle mitstimmen –, was soll man denn dann tun? Die einen sagen, wir müssen noch viel mehr zusperren und noch viel ärger abdrehen, und die anderen sagen, wir müssen alles aufmachen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wir können ja das alles nicht miteinbeziehen. Wir müssen uns da schon auch auf die Experten ver­lassen und eine Linie finden, von der wir meinen, dass es die richtige ist.

Ich denke, diese haben wir in den letzten Monaten sehr, sehr wohl gefunden. Wir sehen, dass wir im internationalen Vergleich sehr, sehr gut durch diese Krise kommen. Wir haben unsere Wirtschaft toll unterstützt, sehr viel besser als viele, viele andere Länder, gerade unsere Nachbarn. Die Bundesrepublik Deutschland schaut da auch sehr nei­disch auf Österreich (Bundesrätin Schumann: Geh!), von dort kommen die Leute zu uns in die Teststraßen. Die hätten gerne die Möglichkeit, sich so oft testen zu lassen – sie haben keine Möglichkeit. Also wir sind hier wirklich sehr, sehr gut unterwegs. (Zwi­schenrufe der Bundesrätinnen Schumann und Eder-Gitschthaler.)

Diese Gesetze helfen uns, dass wir das Krankenhauspersonal entlasten, und ich kann nur sagen, was Doskozil gesagt hat: Diese Situation ist nicht für parteipolitisches Kalkül da. Stimmen Sie diesen Gesetzen zu! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.56


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Ingo Appé. – Bitte, Herr Kollege.


18.57.02

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister – schön, Sie wieder gesund hier zu sehen! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Seit einem Jahr beherrscht Covid-19 nunmehr unser tägliches Leben. Vor einem Jahr


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gab es in Österreich die massivsten Eingriffe in unsere Grundrechte in der jüngsten Ge­schichte. Diese sollen nun noch einmal verschärft werden. Dafür hagelte es von vielen Seiten Kritik.

Oberste Organe der Judikative erklärten den Behörden, dass sie bei ihren Entscheidun­gen an die Grundrechte gebunden sind. Zu diesen Grundrechten zählen unter anderem das Recht auf Leben, das Recht auf persönliche Freiheit, das Recht auf Freizügigkeit der Person und des Vermögens, die Unverletzlichkeit des Hausrechtes, das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das Recht auf Vereins- und Versammlungsfreiheit und auszugsweise die Patientengrund­rechte, das Recht auf Aufklärung und umfassende Information über Behandlungsmög­lichkeiten, das Recht auf Zustimmung und Verweigerung der Behandlung, das Recht auf Selbstbestimmung, das Recht auf möglichst ausreichende Besuche und Kontakte mit der Außenwelt, das Recht auf Kontakt mit Vertrauenspersonen außerhalb der Besuchs­zeit im Fall einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes.

In einem Jahr der Pandemiebekämpfung ist es aber der Regierung leider oft nicht gelun­gen, die richtige Balance zwischen Gesundheits- und Grundrechtsschutz zu finden be­ziehungsweise diese zu wahren. Heute erleben wir die zwölfte Änderung des Epide­miegesetzes, jedoch mit Änderungen, denen wir nicht die Zustimmung erteilen können, und dabei spielt nicht parteipolitisches Kalkül eine Rolle. Das ist ein Fake, bitte, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Viele Bestimmungen waren nicht in Begutachtung jedoch mit sehr wohl gravierenden Folgen für die Bevölkerung, das ist die Systematik des COVID-19-Maßnahmengeset­zes – und werden unnötigerweise verändert, sodass das Arbeiten damit enorm er­schwert wird. Es erfolgt eine Benachteiligung eines Großteils der österreichischen Bevöl­kerung aufgrund möglicher großzügiger Ausnahmen von Beschränkungen zum Beispiel für Geimpfte, und dies in einer Zeit, in der mehr als 90 Prozent der Bevölkerung noch gar nicht geimpft sind beziehungsweise noch gar nicht geimpft werden konnten, da es nicht genug Impfdosen gibt und ein Impfchaos von besonderem Ausmaß herrscht. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Diese Ungleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften ist verfassungswidrig und verstößt auch eindeutig gegen die Resolution des Europarates.

Es ist eigentlich unglaublich, wie massiv da in unsere Grundrechte eingegriffen wird. Auf Anfrage im gestrigen Gesundheitsausschuss konnte die Expertin Ihres Ministeriums, Herr Bundesminister, gar nicht alles aufzählen und hat nach der Auflistung von circa zehn Eingriffen in unsere Grundrechte die Aufzählung beendet. Bestätigt wurde gestern auch, dass Selbsttests – die sogenannten Wohnzimmertests – als anerkannte Eintritts­tests derzeit im Gesundheitsressort leider nicht in die Überlegungen miteinbezogen wer­den.

Gehen wir zu den weiteren Grauslichkeiten dieses Gesetzes, um darauf hinzuweisen, dass es da nicht um politisches Kalkül geht, sondern wirklich um unsere verfassungs­rechtlichen Bedenken: Aufgrund der Ausgangsbeschränkung darf man sich nur mehr im eigenen privaten Bereich aufhalten, Eintrittstests nur für den Handel, verpflichtende Be­rufsgruppentests, ohne die Möglichkeit auf FFP2-Masken auszuweichen – auch das ist nicht möglich –, und das Impfen ersetzt die Tests. Eine weitreichende Ausnahme von Beschränkungen für Geimpfte, Genesene und Antikörpertragende ist durch eine Verord­nung möglich.

§ 15 Epidemiegesetz zu Zusammenkünften größerer Menschenmengen ist für Covid nicht anwendbar, dafür kommt stattdessen: Vorschriften für Zusammenkünfte werden im COVID-19-Maßnahmengesetz neu geregelt. Zusammenkünfte unter fünf Personen aus unter drei Haushalten einschließlich sechs Kindern dürfen demnach nicht geregelt wer­den, Anzeige- und Bewilligungspflicht gelten nicht für den privaten Wohnbereich – aber


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Sie, Herr Minister, können sehr wohl durch Verordnung auch die Regelung für Zusam­menkünfte im privaten Bereich ausstellen.

Es gibt nur eine Möglichkeit, Herr Bundesminister, um aus dieser Krise raschest heraus­zukommen: nicht Grundrechte einzuschränken, sondern sich aus der Krise herauszu­impfen. (Beifall bei der SPÖ.) Wie schon unsere Vorsitzende vor langer Zeit zu Recht festgestellt hat, hilft nur eines: impfen, impfen, impfen. Wir brauchen schnellstmöglich ein Impfangebot für ganz Österreich, um wenigstens jene impfen zu können, die sich derzeit auch impfen lassen wollen, denn eine rasche Durchimpfung der österreichischen Bevölkerung wäre die beste Therapie für den Arbeitsmarkt, für die Wirtschaft und – wenn man die Virusmutationen beobachtet – auch für unsere Gesundheit. Dafür hätte zum Beispiel verschwendetes Geld sinnvoll verwendet werden können: Impfdosen statt Ei­genwerbung für die Bundesregierung.

In der aktuell sehr angespannten Situation hat die Bundesregierung außer Ankündigun­gen nichts geliefert, anstatt die nötige Verantwortung zu übernehmen. Nachdem im Herbst der Herr Bundeskanzler das Impfen zur Chefsache erklärt hat, ist das Schiff jetzt am richtigen Kurs? – Leider weit gefehlt. Wo ist der Kanzler? Hat der Kapitän das Schiff schon verlassen? Es wurden nur neue Sündenböcke und Ausreden gesucht, um die eigenen Fehler zu kaschieren.

Angesichts der mittlerweile besorgniserregend langen Strecken an Pleiten, Pech und Pannen fragt man sich schon, ob am europäischen Parkett auch professionell agiert wird, um für Österreich die notwendigen Impfdosen zu beschaffen. Wenn man die letzte APA-Meldung hernimmt, kommt einem das Grausen. Auf EU-Ebene wird gedroht, die Auslieferung von 100 Millionen Impfdosen in Europa zu blockieren, wenn Österreich nicht erhöhte Kontingente zugesprochen werden. Oder hat das damit zu tun, dass be­reits mit Russland über den Sputnik-V-Impfstoff verhandelt wird?

Anstatt für Eigenwerbung satte 210 Millionen Euro auszugeben, wären diese zur An­schaffung von Impfdosen zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher sicher besser investiert gewesen. Dieses eklatante Missverhältnis ist aber ein schockierendes Sittenbild dieser Regierung, das ja fast täglich mit neuen Skandalmeldungen bereichert wird. Es geht dieser Regierung unter Kanzler Kurz nur um Eigenwerbung, PR und die Absicherung von Macht und Pfründen, anstatt sich um dringend nötige Hilfe für die Men­schen in unserem Land zu kümmern.

Es ist daher höchst an der Zeit, eine Prolongierung des Impfchaos zu vermeiden. Die Verzögerung bei der Durchimpfung der österreichischen Bevölkerung ist leider zum größten Teil hausgemacht. Mittlerweile wurde ja bekannt, dass es aufrechte Regierungs­beschlüsse gibt, die bei der Beschaffung von Impfstoffen gegen Covid-19 Kostenober­grenzen normiert haben. Es geht ganz klar daraus hervor, dass diese Regierung bei der Beschaffung von Impfstoffen eine Kostenobergrenze vorgesehen hat. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass man sich gezwungen sah, im Feber 2021 mit einem neuerlichen Re­gierungsbeschluss diese Obergrenze zu erhöhen.

Diese Kostendeckelung bei der Impfstoffbeschaffung macht keinen Sinn und ist auf­grund der aktuellen Lage eigentlich verantwortungslos. Ein Tag Lockdown kostet die ös­terreichische Wirtschaft 200 Millionen Euro. Dieser Betrag war ursprünglich als Kosten­obergrenze für die Beschaffung des Impfstoffes vorgesehen. Das ist zweifellos und augenscheinlich Sparen am falschen Platz. Israel hat bereits 660 Millionen Euro für die Beschaffung von Impfstoffen ausgegeben und plant dieselbe Summe für weitere An­käufe. Da wäre der Slogan des Bundeskanzlers „Koste es, was es wolle“ angebrachter gewesen, als für die Eigenwerbung.

Ich möchte daher folgenden Antrag einbringen:


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Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prolongierung des Impfchaos vermeiden – Abschaffung des Kostendeckels bei der Beschaffung von Impf­stoffen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert umgehend im Rahmen eines neuen Ministerrats­beschlusses festzulegen, dass für die Beschaffung von Impfstoffen gegen Covid-19 kei­ne Kostenobergrenze mehr zur Anwendung kommt.“

*****

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

19.06


Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Prolongierung des Impfchaos vermeiden – Abschaffung des Kostendeckels bei der Beschaffung von Impf­stoffen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Fraktionsvorsitzender Christoph Steiner. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.07.13

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Kollegen Bundesräte! Herr Anschober, was sollen wir mit Ihnen hier eigentlich noch machen? (Heiterkeit bei der FPÖ.) Ich stelle mir diese Frage wirklich und allen Ernstes, denn Sie kommen in den Bundesrat oder in den Nationalrat als eine für Sie lästige Pflichtübung, lassen sich dann nach aller Kunst der Politik links und rechts abwatschen, gehen wieder zurück in Ihr Ministerium und wurschteln weiter wie zuvor. Herr Anschober, das ist doch nicht der Sinn dieser Übung!

Man versucht es mit Schimpfen, man versucht es mit Nachdruck in den Reden, man versucht es mit sinnvollen Anträgen, man versucht es mit Lösungsvorschlägen. Herr An­schober, man versucht wirklich, Ihnen zu helfen. Mittlerweile glaube ich aber, Herr An­schober, Ihnen ist ganz einfach nicht zu helfen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesminister Anschober: Danke, Herr Steiner!) Zu Ihnen, Herr Anschober, ist mir ein ganz guter Spruch eingefallen (Bundesminister Anschober: Das überrascht mich ...!): Wenn man eigentlich nichts erwartet und trotzdem enttäuscht wird, dann erst kennt man Rudi An­schober.

Sie haben sich mittlerweile zur größten Enttäuschung der Zweiten Republik entwickelt. Nicht einmal die eigenen Grünen, von denen ja jetzt überhaupt keiner mehr hier im Saal ist, nicht einmal die eigenen Grünen in Tirol – Landeshauptmannstellvertreterin, Landes­rätin, Ihre drei Landtagsabgeordneten plus Klubobmann – halten sich noch an Ihre ver­korksten Coronagesetze. Was haben die gemacht? – Mittlerweile wissen wir es: Bis spät in die Nacht hinein haben Ihre grünen Freunde eine feuchtfröhliche Coronaparty gefeiert, bis die Polizei diese Party aufgelöst hat. Das sind Ihre grünen Freunde, die sich nicht einmal selber mehr an Ihren Murks halten. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber, Herr Minister, laut Bundesministeriengesetz – ich habe noch einmal nachge­schaut, weil ich es jetzt nicht mehr ganz genau gewusst habe – sind Sie auf dem Papier der Gesundheitsminister von Österreich. Ihre Bilanz nach einem Jahr Krise in diesem Land ist mehr als erschreckend. Wissen Sie eigentlich – das muss ich Sie als ehemali­gen Volksschullehrer wirklich fragen –, dass es auch andere Erkrankungen außer Covid-19


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gibt? Aufgrund Ihrer desaströsen Gesundheitspolitik werden wir alle noch traurige Zeiten in unserem Gesundheitssystem erleben müssen: unerkannte Herz-Kreislauf-Erkrankun­gen, Krebserkrankungen, die nicht oder, wenn, zu spät erkannt werden, unerkannte Stoffwechselerkrankungen, neurologische Erkrankungen und viele andere mehr, die derzeit aufgrund Ihrer desaströsen Gesundheitspolitik einfach nicht behandelt oder er­kannt werden – aufgrund Ihrer Politik, Herr Anschober, die nur noch Corona sieht und links und rechts davon alles andere ignoriert. Sie, Herr Minister, führen uns in einen gesundheitspolitischen Wahnsinn, der sich gewaschen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit Ihrer nur mit Angst besetzten Politik, die Arbeitsplätze, ganze Unternehmen, Lebens­werke und die Psyche der Kinder zerstört, mit Ihrer engstirnigen Lockdownpolitik, durch das Einsperren der Leute und das komplette Verhindern von Infektionen werden wir niemals aus dieser Krise herauskommen. Aus diesem derzeitigen Zustand kommen wir nur mit einer Herdenimmunität, die auf natürlichem Wege, aber auch über die Impfung erreicht werden kann und muss. (Bundesrat Spanring: Das ist aber traurig, wenn der Gesundheitsminister da lacht!) Sie jedoch, Herr Minister, sind dem völligen Wahnsinn des Kanzlers verfallen, jeden einzelnen Bürger, so gut es geht, wegzusperren, ihm jeg­liche Rechte zu entziehen. Doch dies, Herr Minister, ist der falsche Weg – und das seit einem ganzen Jahr! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Sie, Herr Minister, haben gefühlt 100 Pressekonferenzen veranstaltet. In keiner einzigen Pressekonferenz bis heute wäre Ihnen einmal eingefallen, die Kapazitäten auf den In­tensivstationen zu erhöhen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Täglich 200 000 Euro für Regie­rungs-PR, aber kein einziges Intensivbett mehr in Österreich: Das ist die traurige Bilanz des Rudi Anschober! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schwind­sackl.) Nein, Herr Anschober, denn was machen Sie? – Sie geben die nächste, die hun­dertunderste Pressekonferenz, wo Sie allen Ernstes den Satz bringen – und ich zitiere –, dass Sie entschieden haben, dass Sie „zeitnah“ etwas entscheiden werden, und die „nächsten“ Entscheidungen „entscheidend sein“ werden. – Ja sagen Sie einmal, Herr Minister, geht es Ihnen noch ganz gut? Wollen Sie uns wirklich für blöd verkaufen? Ein ganzes Jahr lang haben Sie versagt, und ich muss es so drastisch formulieren, weil es die Wahrheit ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Mittlerweile, Herr Minister, glaube ich ja, dass wir alle bei einem Projekt des Herrn Rudi Anschober mitmachen müssen, und zwar bei einem Projekt mit dem Titel: Wie oft kann ich, Rudi Anschober, noch sagen, dass „die nächsten“ zwei „Wochen entscheidend sein werden“, bevor ganz Österreich mit dem Kopf gegen die Wand schlägt? – Anders kann ich mir Ihre desaströse Politik nicht erklären. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, wenn es mit Ihnen und dem – wie wir es heute wieder gesehen haben – Geschichten erzählenden Kanzler so weitergeht, dann sollen die Ausgangsbeschrän­kungen wohl zum Dauerzustand werden, Gesetze, die tief in die Grundrechte einschnei­den, einfach ohne oder mit sehr kurzen Begutachtungsfristen an den Bürgern vorbei erlassen werden. Sie bekommen die volle Macht, allein und am Bürger vorbei zu ent­scheiden, ohne sich in einem demokratischen Gremium erklären zu müssen. Schnell, schnell werden dann während Sitzungen wieder Anträge eingebracht, um den Grund­stock für den grünen Pass zu legen, um eine Zweiklassengesellschaft zu formen. Herr Minister, Sie haben jeglichen – jeglichen! – Boden der Demokratie und der Rechtsstaat­lichkeit verlassen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie haben samt dieser unsäglichen Re­gierung die drei Säulen unserer Demokratie durch die Begriffe verfassungswidrig, rechts­widrig und gesetzeswidrig ersetzt. Das ist die traurige Realität im Jahr 2021 in Öster­reich. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe


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bei der ÖVP.)

Herr Minister, dieser Wahnsinn gipfelt nun in dem grünen Impfpass – Sie lachen da noch; ich weiß nicht, was da so lustig ist, Herr Minister – obwohl wir keine Impfung haben – und Sie lachen darüber, super! –, obwohl die Bürger es sich nicht einmal aussuchen können, mit welchem Impfstoff sie sich überhaupt impfen lassen wollen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wofür der grüne Pass überhaupt gilt, haben wir gestern im Gesundheits­ausschuss erfragt. – Das weiß man noch gar nicht. Ist der dann überhaupt EU-kon­form? – Auch das wurde nicht beantwortet, das hat die Expertin, die angebliche Expertin, im Gesundheitsausschuss auch nicht gewusst. Aber Hauptsache, man schwadroniert täglich und andauernd vom grünen Impfpass – ohne Impfung.

Die Impfstoffbeschaffung in Österreich, Herr Minister – und das haben wir auch Ihnen zu verdanken –, ist zur politischen Farce verkommen. (Bundesminister Anschober: Ich habe mir gedacht, ihr wollt keine Impfung!) Sie verfolgen eine völlig chaotische Impfpoli­tik, bei der sich niemand mehr auskennt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Einmal ist der Herr Kanzler zuständig, dann ist ein Beamter zuständig, den man dann schnell hinaus­schmeißt, und dann sind wieder Sie zuständig, und keiner weiß, was der andere tut. Jetzt gibt es wieder einen Alleingang in Österreich beim grünen Impfpass. Man kann ja jetzt nur für Österreich hoffen, dass dieser grüne Impfpass dasselbe Schicksal erleidet wie das Kaufhaus Österreich. Potenzial dazu gibt es in dieser Regierung mit Rudi An­schober ja mehr als genug. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend, Herr Minister: Ich und die Bürger Österreichs sind Ihrer Politik überdrüs­sig! (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP sowie Zwischenrufe bei der FPÖ.) Uns steht Ihr Verordnungswahn bis hier (mit der Hand eine Linie über dem Kopf andeutend), Sie sind eine totale Fehlbesetzung, völlig überfordert und der Aufgabe in keinem Fall gewachsen. Herr Minister, bitte treten Sie zurück und machen Sie den Platz frei für je­manden, der dann wirklich weiß, was er in diesem Ministerium tut! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Herr Minister, wenn Sie es nicht für mich machen: „Tu es für mich!“, Tu es für den Kanzler!, dann kriegen Sie von mir ein Bussismiley (ein Blatt Papier mit einem Bussismiley in Richtung Bundesminister Anschober haltend), denn das ist anscheinend in dieser Regierung gang und gäbe. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch kurz an die Damen und Herren Bundesräte von den Grünen und der ÖVP, die da jetzt die ganze Zeit die Einschnitte in die Freiheitsrechte verteidigen: Ich fordere euch wirklich und ernsthaft auf, nicht ständig in blumigen Worten und Worthülsen das Ver­sagen dieser Regierung zu vertuschen, sondern endlich euren Arbeitsauftrag hier he­rinnen ernst zu nehmen und für Österreich und nicht mit dieser Versagerregierung gegen Österreich zu arbeiten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

19.19


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.20.14

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Gesundheitsminister! Jetzt muss ich einmal einen klaren Unterschied zu meinem Vorredner machen. Kollege Appé hat bereits gesagt: Wir sind froh, dass Sie wieder hier und gesund sind! – Das sage ich jetzt als Redner auch gleich für die ganze Fraktion: Wir sind froh, dass Sie wieder hier und gesund sind! Weil Sie aber von Partei­politik gesprochen haben, möchte ich Ihnen eine kleine Erinnerung mitgeben: Im Unter­schied zu Ihrem Koalitionspartner hat meine Fraktion während Ihres Krankenstandes Sie und Ihr Ministerium nie attackiert. Ich denke, es gibt eine einzige Politikerin in diesem Land – das ist für uns auch schon manchmal sehr schwer –, die ganz ohne irgendwelche Parteipolitik da Maßnahmen setzt, die Sie auch immer sehr dankbar aufgreifen: Das ist Pamela Rendi-Wagner. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Anschober: ... ist ja eh in Ordnung!) – Was war das jetzt? (Bundesminister Anschober: Ich habe gesagt: Die ist ja eh in Ordnung!) – Ist eh in Ordnung, gut. Bist ja auch in Ordnung, es passt ja.

Aber in der Diskussion müssen wir jetzt einmal zwei Dinge unterscheiden. Wir reden von zwei unterschiedlichen Dingen: Das eine ist die Neufassung des Epidemiegesetzes, und das andere – das hat man da dazugeschwindelt – sind neue Covid-Maßnahmen.


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Wir, lieber Rudi Anschober – du weißt das ganz genau –, haben im Nationalrat angebo­ten und haben ein eigenes Gesetz vorgelegt, wie all das, was zum Beispiel Landeshaupt­mann Doskozil, was der Wiener Bürgermeister, was die gesamte Ostregion braucht, gemeinsam zu retten ist , nämlich: durch Eingangstestung in den Handel. (Beifall bei der SPÖ.) Das haben wir vorgeschlagen, und jetzt kommt es (in Richtung ÖVP blickend): Wo ist denn der Mantra-Mann – der Herr Köck –, der ja heute wie ein Mantra gesprochen hat? Es fruchtet aber nicht. (Bundesminister Anschober: Mantras sind nicht immer schlecht!) Mantras sind auch gut, aber manchmal kann die allzu häufige Wiederholung das Gegenteil bewirken. Wir haben weder von der türkisen noch von der grünen Seite auf unseren Vorschlag: Machen wir einen Schulterschluss, retten wir den Eingangstest in den Handel!, eine Antwort erhalten. (Beifall bei der SPÖ.) Damit hätten wir gemeinsam und einfach eines der größten Probleme, das jetzt offenbleibt, lösen können.

Es geht aber um das Epidemiegesetz. Dieses Epidemiegesetz, das bleibt – das bleibt! ‑, und alle seine Auswirkungen bleiben. Wenn diese Krise vorbei ist – hoffentlich! –, dann bleibt dieses Epidemiegesetz. Wir hatten so ein gutes Epidemiegesetz aufgrund von zwei Erfahrungen – der Spanischen Grippe und der Kinderlähmung – 1950 abgefasst. Das hat diese Regierung einfach zerstört. Was wir jetzt haben, ist ein Fleckerlteppich von Covid-Gesetzgebungen, bei dem man sich in Wirklichkeit nicht mehr auskennt. Wir haben hier als gesetzgebende Körperschaft ein Gesetz zu beurteilen, das auf Jahre – wenn nicht ein Jahrzehnt – weiterwirken wird. Da können wir nicht sagen: Da machen wir jetzt die Augen zu!, oder wie Herr Köck sagt: Na, gebt euch doch einen Ruck! – Das geht so nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum einen werden darin Grundrechte verletzt.

Zweitens – und jetzt kommt es, das ist hier überhaupt nicht diskutiert worden –: der Da­tenschutz. Warum, liebe türkise Gemeinde und liebe Grüne dazu, schreibt ihr dort hinein, dass ihr nicht nur die positiv, sondern auch die negativ Getesteten registrieren wollt? Wer in aller Welt braucht die Namen und Adressen jener, die negativ getestet wurden? – Genau niemand.

Der Datenschutzbeirat im Bundeskanzleramt hat das auch schon heftig kritisiert. Das ist ja noch im Nachhinein hineingeschrieben worden, also irgendein Schlaufuchs hat ge­sagt: Jetzt holen wir uns noch ein bisschen mehr Daten! Wir sind ja aber keine Börse, wir machen keinen gläsernen Menschen. Gesundheitsdaten sind extrem sensible Da­ten – nämlich für alles: in der Arbeitswelt, im Privaten und so weiter. – Bitte passt auf die Gesundheitsdaten auf! (Beifall bei der SPÖ.)

Drittens: Warum das Epidemiegesetz? – Aus demokratiepolitischen Gründen! Wir hier sind die, die Gesetze machen. Wir leben nicht in einer Verordnungsdemokratie, sondern die Parlamente haben die Gesetze zu machen, es ist unser Job. (Beifall bei der SPÖ.) Jeder Bürger und jede Bürgerin müsste sonst sagen: Wofür bekommt ihr eigentlich be­zahlt? Macht ihr denn nicht die Gesetze? Tretet ihr das alles ab, sodass irgendwelche Verordnungen dabei herauskommen, die irgendwelche Dinge konkretisieren, die so nicht zu konkretisieren sind?

Dann kommt der letzte Punkt: Wenn euch die Grundrechte, der Datenschutz und die Demokratie noch nicht genügen, dann, liebe Leute, die vielleicht auch zuhören oder zusehen, gibt es noch verfassungsrechtliche Fragen. Gerade die letzte Frage war eine verfassungsrechtliche Frage. Wir sind kein Staat der Verordnungen. Wir sind ein Staat mit Gesetzen, die klipp und klar sind, und dazu haben wir einen Nationalrat und einen Bundesrat, und so ist das ordentliche Gesetzwerdungsverfahren. (Beifall bei der SPÖ.)

Lieber Rudi Anschober, ich habe schon viele Komplimente gesagt, jetzt sage ich kein Kompliment. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Muss auch sein! 2020 kam unser Minister Anschober auf die Idee – nicht aus religiösen Gründen, wie das


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der Papst macht, sondern aus anderen Gründen –, einen Ostererlass auszugeben. Den hat er aus wichtigen und richtigen Gründen zurückgenommen, denn wie wir zu Hause sind, geht Nehammers Flex – sprich: die Polizei – nichts an. Dieser Ostererlass ist aber jetzt indirekt in diesem Epidemiegesetz drinnen, und das wollen wir nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ich weiß, jetzt kommt schon das rote Licht (auf die rot blinkende Lampe auf dem Red­nerpult deutend), Herr Gesundheitsminister, jetzt muss ich es ein bisschen schneller ma­chen. Den grünen Pass betreffend haben wir im EU-Ausschuss – Kollege Steiner, viel­leicht habt ihr es im Gesundheitsausschuss auch gemacht – einmal eines geklärt – das in Richtung Köck und so weiter (in Richtung ÖVP weisend) –: Der grüne Pass ist keine Erfindung der österreichischen Bundesregierung. Sprecher des Bundeskanzleramts ha­ben im EU-Ausschuss gesagt: Nein, das kommt von Griechenland und Zypern! – Also da kommt es einmal her. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Zweitens: Die Kommission sagt, das Allerschlimmste wäre, wenn jetzt jedes Mitglieds­land eine nicht einheitliche Regelung macht. Lieber Herr Gesundheitsminister, das Aller­schlimmste bei 6 Prozent Geimpften ist, wenn wir die Kluft in einer Gesellschaft noch größer machen. Die ist ja schon so groß zwischen jenen Menschen, die keine Arbeit haben, und jenen, die Arbeit haben, zwischen jenen Menschen, die in Kurzarbeit sind, und jenen, die es nicht sind, zwischen jenen, aus deren Familienverband schon jemand gestorben ist, und jenen, die noch keinen derartigen Verlust erlitten haben. Wie viele Klüfte verträgt eine Gesellschaft? Das geht einfach nicht mehr, und wir können nicht sagen: Für 6 Prozent, für 7 oder für 10 Prozent machen wir ein Privileg! Ihr könnt reisen, wohin ihr wollt! – Das geht nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Bevor wir zum Ende kommen (auf seinem Smartphone tippend) – ich habe das Handy extra mitgenommen, ich sage auch gleich, warum –: (Ruf: ... Smiley ...?) – Nein, nicht wegen der Smileys.

Heute gab es ja eine Sitzung des Hauptausschusses. Liebe Leute, alles, was wir wollen, ist Klarheit. Was wir nicht wollen, ist, dass man für den Alltag ein Handbuch braucht, in dem steht, wie man zu leben hat.

Aber was ist jetzt (von seinem Smartphone vorlesend) der Inhalt? – Es gibt eine Ver­längerung der allgemeinen Auflagen wie Zutrittstests und Abstand bis 25. April. Und es gibt eine Verlängerung der Ausgangsbeschränkung bis 10. April – und nicht bis 13. April, das muss man nur wissen. Für Österreich ohne die Ostregion gilt für die Kontakte: vier plus sechs aus zwei Haushalten. Haben wir es noch? – Gut.

Im Osten gibt es jetzt aber eine ganztägige Ausgangsbeschränkung für Niederösterreich und das Burgenland vom 1. bis einschließlich 6. April. Das gilt auch für Wien, aber für Wien gilt das von 1. bis 10. April. Braucht ihr das zum Mitschreiben? Das alles sollen die Menschen zu Hause wissen. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Auch die Beschränkung von Kontakten vier plus sechs aus zwei Haushalten gilt aber nicht im Osten. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Ich kann das jetzt noch weiter vorlesen, aber ihr wollt wahrscheinlich nicht mitschreiben. Ihr könnt euch bei mir melden, dann kann ich euch das zukommen lassen.

Das ist nicht das, was wir unter Klarheit verstehen. Was wir auch nicht verstehen, ist, dass Menschen, die sich an ein so kompliziertes Kompendium an Regeln für den Alltag vielleicht nicht immer ganz genau halten, bestraft werden. Das brauchen wir nicht. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)

Kommen wir noch zu zwei Dingen: Ich weiß nicht, ob der Herr Gesundheitsminister mit uns eine Klärung durchführen will. Ich weiß, ihr habt heute eine Geheimklausel unter­schrieben. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Die APA sagt, ihr


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habt eine Geheimklausel. Vielleicht hat das ja nur der Herr Bundeskanzler unterschrie­ben. Bekommen wir eine Million Dosen Sputnik V oder nicht? Offensichtlich ist das in drei Tranchen ausgehandelt. Ist es richtig, dass Österreich auf 1,5 Millionen Dosen John­son & Johnson verzichtet hat?

Und die letzte Sache ist – das muss ich jetzt zu euch sagen: – diese Astra-Zeneca-Het­ze: Das größte Drama ist dieser Impfstoff. Das ist nämlich der einzige Impfstoff, den keine Pharmafirma, sondern die University of Oxford entwickelt hat. An dieser Universität wurde ein sehr guter Impfstoff entwickelt, und man hat den dann an eine Pharmafirma gegeben, und zwar mit einer einzigen Auflage: Mit unserer Forschung dürft ihr keine Gewinne machen! – Wen stört das? Alle anderen Pharmafirmen, die etwas verdienen wollen. Deshalb wurde von Anfang an gegen diesen wirklich guten Impfstoff Hetze be­trieben.

Natürlich hat Astra Zeneca einen Fehler gemacht. Man hat bei der ersten Untersuchung die älteren Menschen vergessen. Allerdings muss man auch das ganze Mobbing im Hintergrund sehen. Dann kam die EMA-Entscheidung: nur bis 65 Jahre. Dann wurde das revidiert und so weiter. Trotzdem ist Astra Zeneca ein guter Impfstoff, und wir sollten da kein Mobbing betreiben.

Herr Bundesgesundheitsminister, wir werden dem Epidemiegesetz nicht zustimmen – das ist keine Überraschung –, aber all die anderen Maßnahmen hätte die Regierung, und das war unser Angebot, mit uns machen können. Die Regierung hat es aber abge­lehnt. Es ist nicht unsere Verantwortung – das sage ich auch in Richtung des Herrn Köck und auch anderer. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.34


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster ist Herr Bundesrat Markus Lein­fellner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.34.25

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Freiheitsberaubungen, Rechtsstaatsverletzungen, Chaosverordnungen, eine Planlosigkeit in der gesamten Pandemiebekämpfung – ich glaube, das beschreibt die Tätigkeit dieser schwarz-grünen Bundesregierung in einigen wenigen Worten. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine kaputte Wirtschaft, leere Schulen, leere Sporthallen, leere Gasthäuser aber volle Abteilungen für Kinderpsychiatrie – das ist die Erfolgsbilanz dieser schwarz-grünen Bun­desregierung, das ist Ihre Erfolgsbilanz, Herr Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Schämen Sie sich!)

Contacttracing, Homeoffice, Homeschooling, Distancelearning, Hammer and Dance, Flattening the Curve, Peak, Gamechanger, Social Distancing und was noch alles mehr – ich kann all diese Anglizismen dieser Bundesregierung nicht mehr hören, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

Ich bin wirklich froh darüber, dass Sie es beim grünen Pass geschafft haben, einen deut­schen Namen zu finden, aber das macht