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880. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Mittwoch, 30. Mai 2018

 

 


Stenographisches Protokoll

880. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 30. Mai 2018

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 30. Mai 2018: 9.02 – 15.27 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, das Bun­desgesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds, das Rotkreuzgesetz, das Integra­tions­gesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Devisengesetz 2004, das E-Geldgesetz 2010, das Einlagen­siche­rungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Finanzkonglomerategesetz, das Finanzmarkt­Geldwäschegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Natio­nal­bankgesetz 1984, das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz, das Sanierungs- und Abwick­lungsgesetz, das Sanktionengesetz 2010, das Versicherungsaufsichts­ge­setz 2016, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz, das Zahlungsdienstegesetz 2018, das Bundeshaushaltsgesetz 2013, das Transparenz­datenbankgesetz 2012, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebam­men­gesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenz­berufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitäterge­setz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Gesundheitsberufe­regis­ter-Gesetz, das IVF-Fonds-Gesetz, das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Ärzte­ge­setz 1998, das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psycho­therapiegesetz, das EWR-Psychologengesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Arzneimittelgesetz, das Blutsicherheitsgesetz 1999, das Gewebesicherheitsgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Medizinproduktegesetz, das Epidemiegesetz 1950, das Organtransplantationsgesetz, das Apothekengesetz, das Apothekerkammergesetz 2001, das Gehaltskassengesetz 2002, das Tierärzte­gesetz, das Tierärztekammergesetz, das Tierseuchengesetz, das Tiergesundheits­ge­setz, das Tierarzneimittelkontrollgesetz, das Tiermaterialiengesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher­schutz­gesetz, das Tierschutzgesetz, das Tiertransportgesetz 2007, das Bundesgesetz zur Durchführung unmittelbar anwendbarer unionsrechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet des Tierschutzes, das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH, das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, das Sucht­mittel­gesetz, das Neue-Psychoaktive­Substanzen-Gesetz, das Tabak- und Nichtraucherin­nen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Gen­technikgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­siche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und


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Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Bundes­Sport­förderungsgesetz 2017, das Anti-Doping-Bundesgesetz 2007, das Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundessporteinrichtungen, das Militärberufsför­derungs­ge­setz 2004, das Bundesgesetz über die Austro Control GmbH, das Bundesgesetz über die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, das Amateurfunkgesetz 1998, das Bun­desstraßen-Mautgesetz 2002, das Eisenbahn-Beförderungs- und Fahrgastrechte­gesetz, das Führerscheingesetz, das Funkanlagen-Marktüberwachungs-Gesetz, das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996, das Güterbeförderungsgesetz 1995, das Klima- und Energiefondsgesetz, das Kraftfahrgesetz 1967, das Kraftfahrliniengesetz, das Post­marktgesetz, das Schifffahrtsgesetz, das Seeschifffahrtsgesetz, das Weltraum­gesetz, das Patentgesetz 1970, das Gebrauchsmustergesetz, das Markenschutz­ge­setz 1970, das Halbleiterschutzgesetz und das Musterschutzgesetz 1990 geändert werden (2. Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gründung einer Bun­despensionskasse AG geändert wird

3. Punkt: Datenschutzbericht 2017

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Investment­fonds­gesetz 2011 geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulunterrichtsgesetz und das Schulpflicht­gesetz 1985 geändert werden

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Inhalt

Bundesrat

Angelobung der Bundesrätin Korinna Schumann ....................................................... 9

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend die Wahl eines Mitglieds beziehungsweise eines Ersatzmitglieds des Bundesrates ................................................................................... 48

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend Nominierung von Frau Mag. Judith Vorbach zum österreichischen Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) ........................................................................................... 33

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend Vorschlag für die Ernennung von Frau Univ.-Prof. Dr. Katharina Pabel als Kandidatin für die am 7. Oktober 2018 beginnende sechsjährige Funk­tions­periode als Richterin des Gerichtshofes der Europäischen Union                             36

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG be­treffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Revision des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Ver­mögen .......................... 37

Schreiben des Generalsekretärs des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen zwischen der Republik Albanien, der Republik Österreich, Bosnien und Herzegowina, der Republik Bul­ga-


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rien, Ungarn, der Republik Mazedonien, der Republik Moldau, Montenegro, Rumänien, der Republik Serbien und der Republik Slowenien über den auto­matisierten Austausch von DNA-, Fingerabdruck- und Fahrzeugregisterdaten durch den Bundespräsidenten .................................................. 40

Antrag der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Berichterstattung über den Antrag 250/A(E)-BR/2018 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt von Integrationsklassen an Sonderschulen“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 28. Juni 2018 zu setzen – Ablehnung ................  50, 99

Antrag der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen, dem Kinderrechteausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 249/A(E)-BR/2018 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Weiterführung der Jugendhilfe nach Erreichung der Volljährigkeit“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 28. Juni 2018 zu setzen – Ablehnung ...................................  50, 99

Antrag der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Berichterstattung über den Antrag 251/A(E)-BR/2018 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung des hochqualitativen Unterrichts an Schulen mit internationalen Curricula“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 28. Juni 2018 zu setzen – Ablehnung    50, 99

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................... 9

Aktuelle Stunde (61.)

Thema: „Verankerung des Bundesheers in den Bundesländern“ .......................... 9

RednerInnen:

Christoph Längle .................................................................................................... ..... 10

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 11

Martin Weber ........................................................................................................... ..... 14

Bundesminister Mario Kunasek ........................................................................... 16, 27

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 21

Armin Forstner, MPA ............................................................................................. ..... 23

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 24

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ..... 25

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ......................................................  45, 46

Mitteilung des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes beziehungsweise des Kabinetts des Bundesministers für Inneres betreffend die Vertretung von Bundesminister für Inneres Herbert Kickl bei der Plenarsitzung des Bundesrates am 30. Mai 2018 sowie bis auf Weiteres bei den Plenarsitzungen des Bun­des­rates durch Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler                            47

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 50


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Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 29

Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend die „Nichtein­haltung verbindlicher Länderstellungnahmen zu CETA“ (3495/J-BR/2018) ........................................................................................................................ 99

Begründung: Günther Novak ...................................................................................... 100

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................... 103

Debatte:

Stefan Schennach ...................................................................................................... 108

Edgar Mayer (tatsächliche Berichtigung) .................................................................... 111

Mag. Christian Buchmann ..................................................................................... ... 111

Christoph Steiner ................................................................................................... ... 114

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 116

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 118

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ... 121

Georg Schuster ....................................................................................................... ... 123

Mag. Michael Lindner ............................................................................................. ... 124

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, das Bundesge­setz über den Auslandsösterreicher-Fonds, das Rotkreuzgesetz, das Integra­tions­gesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Devisengesetz 2004, das E-Geldgesetz 2010, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Finanzkonglome­rategesetz, das Finanzmarkt­Geldwäschegesetz, das Finanzmarktauf­sichtsbe­hör­dengesetz, das Nationalbankgesetz 1984, das Rechnungslegungs-Kontroll­gesetz, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Sanktionengesetz 2010, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz, das Zahlungsdienste­gesetz 2018, das Bundeshaushaltsgesetz 2013, das Transparenzdatenbankgesetz 2012, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardio­technikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Gesundheitsberuferegister-Gesetz, das IVF-Fonds-Gesetz, das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Ärztege­setz 1998, das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behand­lungen und Operationen, das Musiktherapiegesetz, das Psychologen­gesetz 2013, das Psychotherapiegesetz, das EWR-Psychologengesetz, das EWR-Psycho­the­rapiegesetz, das Arzneimittelgesetz, das Blutsicherheitsgesetz 1999, das Gewe­be­sicherheitsgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Medizinproduktegesetz, das Epidemiegesetz 1950, das Organtransplan­ta­tionsgesetz, das Apothekengesetz, das Apothekerkammergesetz 2001, das Ge­haltskassengesetz 2002, das Tierärztegesetz, das Tierärztekammergesetz, das Tierseuchengesetz, das Tiergesundheitsgesetz, das Tierarzneimittelkontroll­ge­setz, das Tiermaterialiengesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicher­heits­gesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das Tier­schutz­gesetz, das Tiertransportgesetz 2007, das Bundesgesetz zur Durchfüh­rung


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unmittelbar anwendbarer unionsrechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet des Tierschutzes, das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH, das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, das Suchtmittel­gesetz, das Neue-Psychoaktive­Substanzen-Gesetz, das Tabak- und Nichtrauche­rinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Gentechnikgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungs­gesetz 1972, das Bundes­Sportförderungsgesetz 2017, das Anti-Doping-Bundes­gesetz 2007, das Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundessport­ein­richtungen, das Militärberufsförderungsgesetz 2004, das Bundesgesetz über die Austro Control GmbH, das Bundesgesetz über die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, das Amateurfunkgesetz 1998, das Bundesstraßen-Mautge­setz 2002, das Eisenbahn-Beförderungs- und Fahrgastrechtegesetz, das Führer­scheingesetz, das Funkanlagen-Marktüberwachungs-Gesetz, das Gelegenheits­verkehrs-Gesetz 1996, das Güterbeförderungsgesetz 1995, das Klima- und Energiefondsgesetz, das Kraftfahrgesetz 1967, das Kraftfahrliniengesetz, das Postmarktgesetz, das Schifffahrtsgesetz, das Seeschifffahrtsgesetz, das Welt­raumgesetz, das Patentgesetz 1970, das Gebrauchsmustergesetz, das Marken­schutzgesetz 1970, das Halbleiterschutzgesetz und das Musterschutz­gesetz 1990 geändert werden (2. Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018) (108 d.B. und 139 d.B. sowie 9967/BR d.B. und 9970/BR d.B.)                            51

Berichterstatterin: Mag. Doris Schulz ........................................................................... 52

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gründung einer Bundespen­sionskasse AG geändert wird (140 d.B. sowie 9971/BR d.B.) ................................................................................................................. 52

Berichterstatterin: Mag. Doris Schulz ........................................................................... 52

RednerInnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ..... 52

Robert Seeber ......................................................................................................... ..... 54

René Pfister ............................................................................................................. ..... 56

Gottfried Sperl ........................................................................................................ ..... 58

Peter Oberlehner .................................................................................................... ..... 59

Mag. Dr. Michael Raml ............................................................................................ ..... 60

Bundesminister Dr. Josef Moser .......................................................................... ..... 61

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 1, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 64

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 64

3. Punkt: Datenschutzbericht 2017 (III-652-BR/2018 d.B. sowie 9972/BR d.B.) ......... 64

Berichterstatterin: Sandra Kern .................................................................................... 64

RednerInnen:

Mag. Doris Schulz ................................................................................................... ..... 64

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 65

Andreas Arthur Spanring ...................................................................................... ..... 66

Bundesminister Dr. Josef Moser .......................................................................... ..... 67

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-652-BR/2018 d.B zur Kenntnis zu nehmen          ............................................................................................................................... 68


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4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Investmentfondsgesetz 2011 geändert werden (106 und Zu 106 d.B. und 136 d.B. sowie 9968/BR d.B. und 9973/BR d.B.) ......................................................................... 69

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 69

RednerInnen:

Martin Weber ........................................................................................................... ..... 69

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 70

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ..... 72

Staatssekretär MMag. DDr. Hubert Fuchs ........................................................... ..... 75

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 75

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forstwirt­schaft­liche Bundesschulgesetz, das Schulunterrichtsgesetz und das Schulpflicht­ge­setz 1985 geändert werden (107 d.B. und 120 d.B. sowie 9969/BR d.B. und 9974/BR d.B.) ................................................................................................................. 75

Berichterstatterin: Sandra Kern .................................................................................... 76

RednerInnen:

Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ..... 76

Klara Neurauter ....................................................................................................... ..... 78

David Stögmüller .................................................................................................... ..... 80

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 82

Doris Hahn, MEd MA .............................................................................................. ..... 85

Karl Bader ................................................................................................................ ..... 87

Michael Wanner ....................................................................................................... ..... 89

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................................... ..... 91

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ..... 93

Georg Schuster ....................................................................................................... ..... 95

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .................................................................... ..... 96

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............................................................................................... ..... 99

Eingebracht wurden

Petitionen ...................................................................................................................... 30

Petition betreffend „Aufenthaltsrecht für gut integrierte Asylwerber nach zwei Jahren“ (40/PET-BR/2018) (überreicht von Bundesrat David Stögmüller)

Petition betreffend „Aussetzung der Abschiebungen von Menschen in Lehre und Ausbildung“ (41/PET-BR/2018) (überreicht von Bundesrat David Stögmüller)

Anfragen der BundesrätInnen

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend das Vorgehen der Polizei während des Einsatzes bei einer Demonstration am 25. April 2018 in Linz und der darauffolgenden medialen Korrespondenz (3488/J-BR/2018)


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David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport betreffend Inserate des BMÖDS in der verschwörungstheoretischen, antisemitischen und rechtsextremen Zeitschrift „alles roger?“ (3489/J-BR/2018)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Inserate des BMI in der verschwörungstheoretischen, antisemitischen und rechtsextremen Zeitschrift „alles roger?“ (3490/J-BR/2018)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend Jürgen-Michael Kleppich (3491/J-BR/2018)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten von Gastgeschenken bei Staatsbesuchen (3492/J-BR/2018)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Tempo 140 auf den österreichischen Autobahnen, ein Signal in die falsche Richtung! (3493/J-BR/2018)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Justiz und Bundesver­waltungsge­richts­barkeit am Limit? (3494/J-BR/2018)

Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend die „Nichteinhaltung verbindlicher Länderstel­lung­nahmen zu CETA“ (3495/J-BR/2018)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend illegales Glücksspiel insbesondere in Oberösterreich (3496/J-BR/2018)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend angekündigte Evaluierung des Ver­bots­gesetzes (3497/J-BR/2018)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „mangelnde Klärung der Begleit- und Umsetzungsfragen zu den beschlossenen Deutschförderklassen“ (3498/J-BR/2018)

Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Re­formen, Deregulierung und Justiz betreffend Datenschutz-Grundverordnung (3499/J-BR/2018)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Bedarfsorientierte Mindestsicherung (3189/AB-BR/2018 zu 3454/J-BR/2018)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Überwachungspaket DDR 4.0“ (3190/AB-BR/2018 zu 3455/J-BR/2018)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtsextreme Straftaten in Oberösterreich im Jahr 2017 (3191/AB-BR/2018 zu 3456/J-BR/2018)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend rassistische Rede bei Kamerad­schaftsbund-Versammlung (3192/AB-BR/2018 zu 3458/J-BR/2018)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die An­frage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erwachsenenschutzgesetz (3193/AB-BR/2018 zu 3457/J-BR/2018)


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der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rettungsdienst (3194/AB-BR/2018 zu 3459/J-BR/2018)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die An­frage der BundesrätInnen Dr. Magnus Brunner, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend Verwaltungsreform – Synergieeffekte durch Vermeidung von Parallelstruk­turen (3195/AB-BR/2018 zu 3462/J-BR/2018)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bun­desrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehre mit Matura“ (3196/AB-BR/2018 zu 3463/J-BR/2018)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Folgeanfrage zur Anfrage „Zweifelhafte Unterrichtsmethoden und Weltanschauung an der Wein­bergschule in Salzburg“ (3197/AB-BR/2018 zu 3467/J-BR/2018)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend LAIS-Bewegung in Österreich (3198/AB-BR/2018 zu 3464/J-BR/2018)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „leistbares Wohnen und Schutz des gemeinnützigen Vermögens“ (3199/AB-BR/2018 zu 3466/J-BR/2018)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bundes­rätInnen Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Position und Abstimmungsverhalten zum Vorschlag der EU-Kommission für ein Totalverbot von drei Neonicotinoiden in Freilandkulturen (3200/AB-BR/2018 zu 3468/J-BR/2018)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „leistbares Wohnen und Schutz des gemein­nützigen Vermögens“ (3201/AB-BR/2018 zu 3465/J-BR/2018)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pilotprojekt „Rechtsabbiegen bei Rot“ (3202/AB-BR/2018 zu 3478/J-BR/2018)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Enteignung der Liegenschaft Salzburger Vor­stadt 15, 5280 Braunau – „Hitler Geburtshaus“ (3203/AB-BR/2018 zu 3471/J-BR/2018)

der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Bun­des­rätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend geplante Eröff­nungsrede der Außenministerin bei einer Veranstaltung des FPÖ-Bildungsinstitutes (3204/AB-BR/2018 zu 3470/J-BR/2018)

 

 

 


 


BundesratStenographisches Protokoll880. Sitzung, 880. Sitzung des Bundesrates am 30. Mai 2018 / Seite 9

09.02.44Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Reinhard Todt, Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M., Vizepräsident Ewald Lindinger.

*****


Präsident Reinhard Todt: Ich eröffne die 880. Sitzung des Bundesrates. – Guten Morgen!

Das Amtliche Protokoll der 879. Sitzung des Bundesrates vom 26. April 2018 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Martin Preineder.

09.03.07Angelobung


Präsident Reinhard Todt: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend die Wahl eines Mitglieds beziehungsweise eines Ersatzmitglieds des Bundesrates.

Das neu gewählte Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend, ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um die Verlesung der Gelöbnisformel.

9.03.39


Schriftführerin Marianne Hackl:Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“


9.04.12

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Ich gelobe.


Präsident Reinhard Todt: Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall. – Die neu angelobte Bundesrätin wird von ihren Kolleginnen und Kollegen beglückwünscht.)

09.05.24Aktuelle Stunde


Präsident Reinhard Todt: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema

„Verankerung des Bundesheers in den Bundesländern“

mit Herrn Bundesminister für Landesverteidigung Mario Kunasek, den ich herzlich will­kommen heißen darf. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner, eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt; sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum ein Redner, eine Rednerin pro Fraktion sowie anschließend je eine Wort­meldung der Bundesräte ohne Fraktionszugehörigkeit mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundes­ministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.


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Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidial­konferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.


9.06.43

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, herzlich willkommen hier bei uns im Bundes­rat! Das Thema der Aktuellen Stunde ist: „Verankerung des Bundesheers in den Bun­desländern“. Zum Stichwort „Verankerung“: Ich denke, dass das sehr gut passt, denn einen Anker für Sicherheit zu setzen, ist grundsätzlich nie verkehrt.

Die Menschen, unsere Gesellschaft allgemein, haben sowieso die Absicht, die Inten­tion, in Sicherheit zu leben. Man will sicher von zu Hause in die Arbeit kommen, man will die Sicherheit haben, dass die Kinder auf dem Schulweg sicher sind, man will die Sicherheit haben, dass die Kinder in der Schule sicher sind, man will Sicherheit auf der Straße, auf öffentlichen Plätzen haben, man will allgemein ein sicheres Gefühl haben.

Wer trägt dazu bei? – Selbstverständlich unsere Polizei, aber vor allem auch unser Bundesheer. Wir Freiheitliche haben uns die Sicherheit ohnedies auf unsere Fahnen geschrieben und stehen für Sicherheit ein. Mit dieser neuen Regierung, mit dieser Koalition von uns Freiheitlichen und der Volkspartei wird dies nun endlich auch gewährleistet, und wir haben in den vergangenen fünf Monaten bereits eine deutliche Verbesserung erreicht.

In der Vergangenheit war es leider so, dass dieses Sicherheitsgefühl nicht immer ge­geben war. Warum war es nicht immer gegeben? – Wir haben gesehen, dass unkon­trolliert Menschen nach Österreich gekommen sind, dass die Rechtsstaatlichkeit aus­gehebelt wurde, dass gültige internationale Gesetze ausgehebelt wurden, dass auch Abkommen – Stichwort Dublin – nicht vollzogen wurden und eigentlich gültiges Recht nicht ausgeübt, sondern einfach in die Ecke gestellt wurde.

Da muss ich schon auch sagen, liebe Sozialdemokratie: Ihr habt über Jahrzehnte den Minister im Bereich der Landesverteidigung gestellt, und da habt ihr halt schon auch relativ viele Fehler gemacht! Ihr habt zu wenig Geld für das Bundesheer ausgehandelt, ihr habt den Kadernachwuchs vernachlässigt, und ihr habt eigentlich erst zu reagieren begonnen, als es nicht fünf vor zwölf, sondern schon fünf nach zwölf war. Die Kaser­nen habt ihr vermodern lassen (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ), ihr habt die nötigen Investitionen nicht getätigt, ihr habt hinsichtlich der fehlenden Ausrüstung nichts unternommen, ihr habt das notwendige Gerät nicht beschafft, und jetzt haben wir einfach die Situation, dass wir einen sehr großen Investitionsrückstau haben und diese Schlampereien der vergangenen Jahre aufräumen müssen.

Seien wir froh, dass wir nun eine neue Regierung haben, allen voran auch unseren neuen Minister für Landesverteidigung, Herrn Minister Kunasek! Wir haben in den letzten Wochen und Monaten einige Expertenkommissionen eingesetzt, um eben den einen oder anderen Bereich aufzuarbeiten und die Missstände der Vergangenheit auszuräumen.

Insbesondere ist es auch uns ein Anliegen – Stichwort Sicherheit –, dass wir soge­nannte Pionier- und Sicherungskompanien in jedem Bundesland aufstellen, wodurch auch der Katastrophenschutz abgedeckt wird. Katastrophenschutz, das brauche ich hier sicherlich nicht im Detail auszuführen, ist nämlich sehr, sehr wichtig. Wir alle ken­nen die Bilder aus den vergangenen Jahren, aber auch aktuelle Bilder – Stichwort Hochwasser, Stichwort Windwurf, Stichwort Murenabgänge und andere Katastro­phen –, da ist es einfach notwendig, dass wir geschultes Fachpersonal haben, und dies wird


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eben mit den Pionier- und Sicherungskompanien, die in jedem Bundesland aufgestellt werden, gewährleistet.

Was ist noch erfreulich? – Erfreulich ist auch, dass es dieser neuen Regierung endlich einmal gelungen ist, dass mehr Geld für die Landesverteidigung zur Verfügung steht. (Bundesrat Schabhüttl: Ich glaube, du hast die falschen Zahlen!) Laut Doppelbudget, das vor einigen Monaten beschlossen wurde, werden insgesamt rund 180 Millionen Euro mehr da sein als in der Vergangenheit, 112 Millionen Euro für 2018 und für 2019 noch einmal rund 68 Millionen Euro. Das heißt, wir kommen beim Heeresbudget insge­samt auf über 2,2 Milliarden Euro. Das ist schon etwas Wesentliches, denn um ge­wisse Dinge zu gewährleisten, die Aufträge zu erfüllen, braucht man eben auch die finanziellen Mittel. Das ist uns gelungen, und auf die Arbeit dieser neuen Regierung kann man sicherlich stolz sein. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ein wesentlicher Parameter wird auch sein, dass man sogenannte Sicherheitsinseln in jedem Bundesland installiert, und da ist es schon wichtig, dass es in allen Bundes­ländern Kasernenstandorte gibt, die gut aufgestellt werden. Das bedeutet für das Kaderpersonal Planbarkeit – wenn man weiß, dass dort ein Standort fixiert ist, dann kann man auch sein privates Umfeld dahin gehend gestalten –, und auch vonseiten der Landesverteidigung kann man das selbstverständlich gut planen.

Wir haben tolle Kasernen in Österreich und eben auch diese Sicherheitsinseln; zu nennen sind die Standschützen-Kaserne in Innsbruck, die Khevenhüller-Kaserne in Klagenfurt, die Schwarzenberg-Kaserne in Salzburg, die Benedek-Kaserne in Bruck­neudorf, der Fliegerhorst Vogler in Hörsching, die Landwehr-Kaserne in St. Michael, die Gablenz-Kaserne in Graz, die Vega-Payer-Weyprecht-Kaserne und die Van-Swieten-Kaserne in Wien, die Burstyn-Kaserne in Zwölfaxing sowie der Fliegerhorst Brumowsky in Langenlebarn.

Das muss man eigentlich auch gar nicht ausführen: Wenn es um all diese Szenarien geht, ob das Katastrophenschutz ist oder andere Sicherheitsszenarien, dann sind diese Inseln, wo Sicherheit und Versorgung gewährleistet werden, wo Stützpunkte sind, wo es Verpflegung gibt, wo es viele gute Dinge gibt, die man für derartige Einsätze braucht, einfach sehr, sehr wichtig.

Der neuen Regierung ist es ein Anliegen, der Fehlentwicklung, die wir in diesem Be­reich in den letzten Jahrzehnten hatten, Schritt für Schritt entgegenzuwirken, Schritt für Schritt eine Verbesserung einzuleiten, und die ersten Schritte haben wir ja schon gesetzt.

Abschließend möchte ich festhalten, dass wir uns nun stark um die Sicherheit küm­mern und eben diese Schritte setzen werden. Die neue Regierung schreibt Sicherheit groß, wir haben mit unserem Minister Kunasek einen guten, fähigen Mann an der Spitze der Landesverteidigung und können somit positiv in eine sichere Zukunft blicken. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.13


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Edgar Mayer. Ich erteile dieses.


9.14.00

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Ich beginne mit einer Pas­sage aus dem Regierungsprogramm, in der unter dem Titel „Moderne Streitkräfte und effektiver Schutz für Österreich“ eine klare Definition erfolgt: „Den Herausforderungen und den verfassungsmäßigen Aufträgen wurde in den letzten zehn Jahren nur man­gelhaft nachgekommen, wodurch das ÖBH“ – das österreichische Bundesheer – „nach-


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haltig geschwächt wurde.“ – Kollege Längle hat schon darauf hingewiesen, wie sich das alles dargestellt hat; das zu wiederholen, erspare ich mir jetzt.

Es hat meiner Meinung nach auch mit der Besetzung der Ministerposten zu tun, wobei ich, und das betone ich hier ausdrücklich, Bundesminister Hans Peter Doskozil, der sich wirklich bemüht hat, aus dem Bundesheer das zu machen, wofür es steht, und auch kluge Entscheidungen getroffen hat, davon ausnehmen möchte. Doskozil wurde zum Abschied aber nicht der Marsch geblasen, sondern er wurde mit einem eigens komponierten Marsch gebührend verabschiedet. – Das war standesgemäß, Herr Minis­ter.

Es ist höchst an der Zeit, einen Kurswechsel vorzunehmen. „Es bedarf einer durch­gän­gi­gen Attraktivierung des Dienstes im ÖBH. Wir bekennen uns zu unserem Wehr­system, daher muss auch die Einsatzfähigkeit der Miliz gewährleistet sein. Die Militär­kommanden sollen in ihrer Funktionsfähigkeit insbesondere bei Krisen und Katastro­phen sowie sicherheitspolizeilichen Assistenzmaßnahmen ausrüstungstechnisch und personell [...] gestärkt und ausgestattet werden.“

Basierend auf diesen Vorgaben hat Herr Verteidigungsminister Mario Kunasek den Generalstab beauftragt, die Heeresorganisation neu zu strukturieren. Dabei sollen die Truppe gestärkt, die Kommandostrukturen verschlankt und die Militärkommanden in den Ländern für ihre Aufgaben besser ausgerüstet werden. – Das klingt für einen Län­dervertreter sehr gut, weil eine Zentralisierung, die noch unter Minister Klug vorge­sehen war, überhaupt kein Thema ist. Die Militärmusik erwähne ich jetzt gar nicht mehr, die hat schon Minister Doskozil vor dem Untergang gerettet. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Was die Sache für die Länder bedeutet: In jedem Bundesland soll beim Militärkom­mando – das ist angedacht, und mich freut das auch – eine Pionierkompanie aufge­stellt und materiell ausgerüstet werden, um besser für regionale Assistenzeinsätze zur Katastrophenhilfe gewappnet zu sein. Wie Minister Kunasek ausdrücklich betont hat: Es ist wichtig, dass sich die Bevölkerung in Katastrophenfällen voll auf das Bundesheer verlassen kann, weil vor Ort Entscheidungen schneller umgesetzt werden können und sich damit das Sicherheitsgefühl in den Ländern erhöht; das hat auch Kollege Längle ausgeführt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) – Also schlanke, effiziente Strukturen, das macht durchaus Sinn.

Weil hier immer wieder auch kritisiert wurde, dass das Militärbudget verschlankt wird: Das ist – das hat Kollege Längle auch ausgeführt – ein Märchen, genau das Gegenteil ist der Fall; und Sondergerät, wie zum Beispiel Hubschrauber et cetera, muss auch sonderfinanziert werden. Da gibt es vom Minister eine ganz klare Vorgabe, einen Wunschkatalog, das wird in der Regierung auszuverhandeln sein, weil wir da natürlich auch entsprechend nachrüsten müssen. Das ist der Auftrag unserer Regierung, die auch in diesem Zusammenhang sehr gut zusammenarbeitet.

Unser Militärkommandant hat im Konjunktiv angedeutet, dass die in den Militärkom­manden angesiedelten regionalen Jägerbataillone wieder abgezogen und den vier Brigaden der Landstreitkräfte unterstellt werden, was die militärische Verteidigungs­komponente  stärken soll. Das regionale Prinzip, dass diese Bataillone im jeweiligen Bundesland verbleiben, bleibt trotzdem aufrecht. Für Vorarlberg bedeutet das zum Beispiel, dass das Jägerbataillon 23 in Bludesch – und wir haben vorarlbergweit partei­übergreifend für unser Bundesheer sehr gekämpft, Kollege Längle wird das unter­streichen –, dass die Bataillone in Landeck zusammengezogen werden; gleichzeitig wird Vorarlberg, wie erwähnt, eine Pionierkompanie – Spezialisten für den Katastro­pheneinsatz – erhalten, die avisierte Zahl, was Soldaten anbelangt, bleibt in Vorarlberg gleich.


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Für Vorarlberg, und das betone ich schon noch einmal, hat die Katastrophenhilfe wirklich eine essenzielle Bedeutung, und das betrifft die anderen Bundesländer natür­lich auch im entsprechenden Umfang; für Österreich würde das insgesamt in etwa 1 500 zusätzliche Spezialisten, Pioniere bedeuten. Ich bin mir sicher, dass dieser Minister, wenn ein Katastrophenfall eintreten würde und wir nicht nur Pioniere, sondern auch Leute brauchen, die sozusagen mit Schaufel, Pickel und Gerät die Menschen vor Ort unterstützen, wenn die Feuerwehren nicht mehr können, relativ rasch einen entsprechenden Befehl ausarbeiten würde, um die Menschen vor Ort zu unterstützen, und das ist insbesondere in Katastrophenfällen sehr, sehr wichtig.

Es ist meiner Meinung nach auch sehr wichtig, dass wir jetzt einen Minister haben, der sozusagen aus der Truppe kommt, der die Sorgen und Nöte der Soldaten aus eigener Erfahrung kennt und deshalb den Fokus auf Personal und Ausrüstung legen wird – also ausrüsten, nicht aufrüsten.

Es gibt das klare Bekenntnis des Ministers, sich für eine Erhöhung des Heeresbudgets einzusetzen, das habe ich vorhin schon erwähnt. In diesem Zusammenhang ist auch ein modernes und attraktives Dienstrecht geplant, welches für das Bundesheer erfor­derlich ist, um entsprechend gut ausgebildetes Personal zu bekommen, zu rekrutieren, insbesondere auch im Bereich der Cyberkriminalität. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) – Ja, da kann man applaudieren.

Investitionen soll es außerdem auch in die Mobilität und in die Bereitstellung einer zeit­gemäßen Infrastruktur geben, auch bei der Sicherheit der Soldaten soll nicht gespart werden. Wie wichtig eine richtige Ausrüstung ist, hat gerade die Messerattacke vor der Residenz des iranischen Botschafters gezeigt.

Ein weiterer wichtiger Punkt im Gefüge des Bundesheers ist die Miliz. Wie der Minister auch betont hat, soll die Miliz gestärkt, ein entsprechender Personalaufbau forciert und keinesfalls bei den Übungen gespart werden, weil viele Aufgaben ohne die Miliz gar nicht erfüllt werden können – also ein klares Bekenntnis zur Miliz; das hat es in den letzten Jahren auch schon diametral anders gegeben. An dieser Stelle daher auch ein großes Dankeschön, dass es ein klares Bekenntnis zur Miliz gibt, Herr Minister, das ist wichtig und essenziell für das Bundesheer.

Abschließend: Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Auslandseinsätze des österreichi­schen Bundesheers, die eine jahrzehntelange Tradition und Österreich ein hohes Ansehen eingebracht haben. Österreich hat sich der Wahrung seiner Interessen in der Welt und der Friedenserhaltung verschrieben und leistet deshalb auch international einen Beitrag zu Stabilität, Krisenbewältigung und Friedenserhaltung. Vor allem am Westbalkan haben wir einen langjährigen Schwerpunkt. Das spiegelt sich auch im Programm der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs ab 1. Juli wider. Minister Kunasek hat sich im Februar persönlich vor Ort ein Bild von der Lage gemacht und festgestellt, wie hochprofessionell die österreichischen Truppen im Rahmen der KFOR agieren und dass sie wertgeschätzt werden.

Nicht zuletzt hat die Flüchtlings- und Migrationskrise gezeigt, wie auch Österreich von internationalen Krisenherden betroffen werden kann; daher ist es auch wichtig, unse­ren Beitrag sowohl bei den Einsätzen der UN zu leisten, das Mandat der UN aus­zuüben, als auch in ausgewählten Fällen in unserer direkten Nachbarschaft bei Ka­tastro­phen oder zum Schutz der EU-Außengrenzen zu handeln. Ich sage das auch ganz bewusst als ehemaliger UNO-Soldat in Zypern, der Krisensituationen aus nächs­ter Nähe kennengelernt hat und beurteilen kann, wie wichtig friedenssichernde und friedenserhaltende Maßnahmen sind. – Ich bedanke mich, Herr Minister. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.22



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Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Weber. Ich erteile dieses.


9.23.02

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir am heutigen Tag gleich mit einer vorarlbergischen Märchenstunde beginnen, war doch ein bisschen überraschend für mich.

Kollege Mayer, was die Militärmusik zur Sicherheit beitragen kann, das müssen Sie mir erst erklären. (Heiterkeit der Bundesrätin Posch-Gruska.) Zugegeben, für die Volks­kultur ist sie sehr wichtig, ich bin auch dafür, dass sie weiterhin besteht. (Bundesrat Mayer: Ich habe es auch nicht im Zusammenhang erwähnt!)

Bringen wir es aber auf den Punkt: Der Vorgängerminister, Hans Peter Doskozil, hat, was das österreichische Bundesheer betrifft – das haben Sie ja auch erwähnt –, ein gut bestelltes Haus übergeben. (Bundesrätin Mühlwerth: Na ja! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Nicht nur, aber auch deshalb zählt Österreich zu den fünf sichersten Ländern dieser Erde. Hans Peter Doskozil hat dem österreichischen Bundesheer den Stellenwert gegeben, den es schon lange davor nicht mehr gehabt hat. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Das müssen wir auch ehrlich zugeben. Wenn wir bei der Ehrlichkeit sind, dann fangen wir gleich bei Herbert Scheibner oder dem derzeitigen Tiroler Landeshauptmann Günther Platter – und so weiter und so fort – an. (Bundesrat Rösch: Ja nach eurer ...! ... Darabos und Klug!)

Aber: Seit 2016 hat das österreichische Bundesheer doch wieder einen Aufschwung erfahren (Bundesrat Mayer: ... nicht mehr!), einen Stellenwert bekommen, den es zuvor schon lange nicht mehr hatte, und Parteien aller politischen Couleurs haben dafür auch Verantwortung getragen, weil sie Minister gestellt haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat sicher der Darabos gemacht! Und der Klug hat es fortgesetzt!) Jetzt gilt es, den Blick in die Zukunft zu richten, rasch Antworten zu geben und das Bundesheer in eine gute Zukunft zu führen.

Erster Punkt: die Alouette-Nachfolge. Als leichter Verbindungs- und Transport­hub­schrau­ber weist er mit seiner Ausrüstung – Seilwinde, Außenlasthaken – eine viel­seitige Verwendbarkeit auf und ist vor allem im Hochgebirgseinsatz unerlässlich und dafür hervorragend geeignet. Aus diesem Grund ist dieser Hubschrauber auch im Katastrophenschutz unerlässlich und weiterhin dringend erforderlich, gehen doch zahlreiche Rettungseinsätze, bei denen Gott sei Dank viele Menschenleben gerettet wurden, auf das Konto dieses Hubschraubers.

2017 feierten wir das 50-Jahr-Jubiläum der Alouette am steirischen Standort Aigen. Eigentlich läuft die technische Zulassung für die Maschine – das ist aus internen Auskünften von Piloten bekannt – bereits 2020 aus. Vielleicht kann man durch das Ausweiden einiger Maschinen noch ein paar Jahre dazugewinnen, aber die Flotte wird dadurch natürlich immer kleiner und die Einsatzbereitschaft sinkt.

Noch immer ist nicht klar – leider –, ob und wann ein vollwertiger Ersatz, nämlich auch aus Sicht des Katastrophenschutzes, angekauft wird. Dies wäre aber für die Bundes­länder, zuständig für den Katastrophenschutz, unerlässlich. Es soll eine Sonderfinan­zierung geben, dazu wissen wir aber noch nichts Genaueres, darum meine Frage: Wann erfolgt diese dringende Ersatzbeschaffung, wann kommt der Nachfolger für die Alouette, und ist damit auch der steirische Standort Aigen längerfristig abgesichert?

Wenn es eine Sonderfinanzierung geben soll, dann wird hoffentlich nicht wieder mit Gegengeschäften argumentiert, wie es bei Schwarz-Blau I war. Da hast du als Bürger regelrecht gedacht: Ich kaufe mir auch so einen Eurofighter, so einen Flieger, denn


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wenn das so ein Geschäft ist, kann er ruhig in meinem Hof herumstehen! (Bundesrat Mayer: Da werden wir schauen, was rauskommt! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Zweites Thema: die Pionierkompanie. Sie haben angekündigt, lieber Herr Minister, dass in jedem Bundesland wieder eine Pionierkompanie zur Verfügung stehen soll. Bis wann steht diese Verstärkung? Jetzt gibt es beim Militärkommando zwei Pionierzüge, diese sollten auch für den Katstropheneinsatz zur Verfügung gestellt werden.

Zum militärischen Bauprogramm: Wir wissen, dass es zahlreiche Sanierungs­notwen­dig­keiten bei der militärischen Infrastruktur gibt. Beispiele aus unserer steirischen Heimat sind die Kaserne Feldbach, die Gablenz-Kaserne in Graz und die Kaserne in Gratkorn, die müssten Sie, Herr Minister, aus eigenem Einsatz bestens kennen. Dieser Sanierungsbedarf ist im Bauprogramm festgehalten. Bis wann wird mit der Umsetzung dieser Sanierungsarbeiten zu rechnen sein, bis wann soll dies abgeschlossen werden?

Nächster Punkt: die Organisationsreform. Hans Peter Doskozil hat eine neue Struktur im österreichischen Bundesheer eingeführt, die obere Führung des österreichischen Bundesheers sollte aus vier Kommanden bestehen: Landstreitkräfte, Luftstreitkräfte, Kommando Logistik und Kommando Führungsunterstützung.

Land- und Luftstreitkräfte wurden ja geteilt, vormals war das das Kommando Streit­kräfte, nun wird alles wieder zurückgenommen, nun sind wir sozusagen wieder bei Stunde null. Sie kennen die Sorgen der Soldaten und der Bediensteten, Herr Minister, man sollte sie nicht ständig verunsichern und ihnen nicht ständig Neues vor die Nase knallen. (Bundesrat Samt: Verunsichern tut bis jetzt nur ...!)

Die finanzielle Ausstattung war schon Thema, und das war auch ein großes Wahl­versprechen: 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für unser Heer. Das wären nach den aktuellen Zahlen rund 3,88 Milliarden Euro. Geworden sind es nach derzeitigem Stand 2,26 Milliarden Euro, wir sind also von diesem 1 Prozent des BIPs sehr weit entfernt. Wir sind derzeit bei in etwa 50 Prozent des Wahlversprechens angelangt. Bis wann wird dieses Versprechen eingelöst? Bis wann bekommt das österreichische Bun­desheer die finanzielle Ausstattung, die es tatsächlich auch braucht? (Bundesrätin Mühlwerth: Dank euch sind wir ja so in der Bredouille! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.)

Die Sicherheitsstrategie wurde ja 2013 auch mit den Stimmen der freiheitlichen Partei im Nationalrat beschlossen (Bundesrat Samt: Unglaublich!), darin sind die Auslands­einsätze mit rund 1 100 Soldatinnen und Soldaten festgeschrieben; derweil sind nur 860 Soldatinnen und Soldaten im Ausland tätig.

Ein weiteres Versprechen war, den Grundwehrdienst zu attraktivieren – mehr Geld für die Grundwehrdiener, vielleicht eine Verlängerung der Ausbildungszeit im Grund­wehr­dienst. Bis wann kommt das? Bis wann wird dieses Versprechen eingelöst? Bitte, Herr Minister, zeigen Sie, dass Steirerblut kein Himbeersaft ist, was die finanzielle Aus­stattung für unser Heer betrifft! (Bundesrätin Mühlwerth: Jetzt auf einmal haben Sie Ihr Herz für das Bundesheer entdeckt!)

In Summe würde mich interessieren, wo die Leuchtturmprojekte in Ihrem Ministerium sind, was Ihre künftigen Vorhaben für das österreichische Bundesheer sind. (Bundes­rat Steiner: Unglaublich! ... das nicht zu blöd ist!) Wie werden diese finanziert und wann werden die Versprechen eingelöst?

Was wir für das österreichische Bundesheer nicht brauchen, ist Ankündigungspolitik, was wir nicht brauchen, ist Symbolpolitik. Die gibt es in der derzeitigen Regierung schon viel zu oft und leider auch bei sehr wichtigen Fragen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)


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Die Diskussion der Frage, ob das Binnen-I jetzt im Heer Bestand hat oder abgeschafft wird, ist eine Nebelgranate, das ist Ankündigungspolitik. Die Balkanroute ist zuerst geschlossen worden, jetzt müssen wir uns darum wieder Sorgen machen – irgend­etwas habe ich, glaube ich, nicht ganz mitgekriegt (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ – Bundesrätin Mühlwerth: Das wundert uns nicht!), ob Albanien jetzt ein Balkanstaat ist oder nicht. (Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.) Auch da würde ich eine Antwort erbitten: Ist Albanien noch am Balkan oder nicht?

Zum Thema Sicherheit – auch angesichts der letzten Enthüllungen betreffend den BVT-Skandal –: Im Sicherheitsbereich haben wir bereits einen Minister, der rücktritts­reif ist, es soll nicht der zweite folgen. Österreich ist viel zu wichtig, mit dem Thema Sicherheit in Österreich spielt man nicht! Ich bitte um ausführliche Beantwortung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrat Samt: Unglaub­lich, was da für Sachen erzählt werden!)

9.32


Präsident Reinhard Todt: Zu einer ersten Stellungnahme hat sich der Herr Bun­des­minister für Landesverteidigung zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. Auch seine Re­dezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten.


9.32.35

Bundesminister für Landesverteidigung Mario Kunasek: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal: Ich freue mich sehr, wieder hier im Haus zu sein. Die meisten wissen ja, ich war sieben Jahre Mitglied des Natio­nal­rates und habe deshalb in meiner damaligen Funktion als Wehrsprecher und Mitglied des Verteidigungsausschusses auch einige Bundesheerdebatten erleben dürfen.

Umso mehr freut es mich, und das sage ich auch hier im Bundesrat, dass bis jetzt unter der neuen Regierung eine bis auf wenige Ausnahmen durchaus sachliche und gute Debatte über die Sicherheit Österreichs stattfinden kann, in der man Argumente und Gegenargumente findet, aber, so meine ich doch, über alle Fraktionsgrenzen hin­weg klar ist: Wir wollen ein starkes Bundesheer haben.

Ich werde natürlich gerne, Herr Bundesrat, auf die Fragen eingehen. Das ist zwar keine Fragestunde, dennoch ist, glaube ich, klar, dass wir eine lebhafte Debatte führen möchten. Erlauben Sie mir aber trotzdem ein paar einleitende Ausführungen zum heu­tigen Thema.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das österreichische Bundesheer leistet viel und gute Arbeit; das wurde heute von den Vorrednern ja auch schon dargestellt. Ohne jetzt noch einmal alles aufzuzählen: Wir leisten großartige Arbeit im Bereich der Auslandseinsätze. Wir haben einen sehr guten Ruf. Wir sind international hoch enga­giert. Ich war in Bosnien, in Kosovo, auch im Libanon. Überall dort, wo man hinkommt, erlebt man nicht nur, dass diese Soldaten großartig, professionell arbeiten, sondern auch internationale Wertschätzung für genau diese Arbeit. Die Bundesregierung be­kennt sich auch dazu, auf einem sehr hohen Niveau und Level diese Auslandseinsätze weiter durchzuführen.

Es wird aber, Herr Bundesrat Weber, immer so sein, und gerade beim Militär, dass wir Entsendungen natürlich auch lagebeurteilend vornehmen, und wenn wir lagebeurtei­lend entsenden, auch auf Anforderung internationaler Organisationen, dann wird es eben so sein, dass es einmal mehr und einmal weniger Bedarf gibt. Dennoch gilt aber das klare Bekenntnis, gerade im Bereich des Westbalkans und auch im Nahen Osten – und wir erleben ja auch die Entwicklungen in diesen Regionen in den letzten Mona­ten –, das natürlich auch als einen Schwerpunkt für Österreich und für diese Bundes­re­gierung zu sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


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Der zweite wichtige Bereich – und ich glaube, das trifft vor allen Dingen Sie als Län­dervertreter ganz besonders – sind die Einsätze im Inland. Da möchte ich auch zwei Bereiche herausstreichen. Das eine ist der bereits angesprochene Assistenzeinsatz. Immer dann, wenn in Österreich etwas passiert, Katastrophen außergewöhnlichen Umfangs, eben dann, wenn es den Menschen in Österreich nicht gut geht, beweist das österreichische Bundesheer, hat auch in der Vergangenheit bewiesen, dass es oftmals auch unter politisch nicht optimalen Rahmenbedingungen seinen Auftrag bestens er­füllt; es hat eben Schutz und Hilfe für die Bevölkerung geleistet, wenn es notwendig gewesen ist.

Auf der anderen Seite – und wir wissen, dass wir auch jetzt, zu dieser Minute und zu die­ser Stunde, im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz stehen – sind auch notwen­dige und wichtige Maßnahmen zu setzen, auch gemeinsam mit der Exekutive, wenn es darum geht, unsere Grenzen zu schützen, jetzt eben im Assistenzeinsatz Migration, wie er genannt wird. Außerdem sind Objekte, wie hier in Wien die Botschaften, die heute bereits angesprochen wurden, auch in Zukunft und besonders im nächsten Halb­jahr, wenn die Ratspräsidentschaft ansteht, zu schützen. Wir müssen gemeinsam mit der Exekutive diesen sehr wichtigen Einsatz für die Sicherheit Österreichs und der Bevölkerung entsprechend ausführen.

Insgesamt, meine sehr geehrten Damen und Herren, stehen jetzt in etwa 1 800 Män­ner und Frauen im Einsatz und sorgen für die Sicherheit Österreichs, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr. Ich möchte die Möglichkeit nutzen, mich hier sehr, sehr herzlich bei den Soldatinnen und Soldaten zu bedanken, die auch für unsere Sicherheit hier im Hohen Haus entsprechend eintreten und sorgen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ich bin aber, meine sehr geehrten Damen und Herren – Bundesrat Weber kennt mich und viele andere kennen mich auch –, ein pragmatischer Mensch. Ich habe gerade im Bereich der Landesverteidigung auch aufgrund meiner beruflichen Vergangenheit einen sehr praxisbezogenen und auch realistischen Zugang. Deshalb muss und werde ich einige Dinge geraderücken, die jetzt hier von meinen Vorrednern angesprochen worden sind.

Eines ist klar, und da gebe ich auch all meinen Vorrednern recht, wir haben dringenden Investitionsbedarf im österreichischen Bundesheer. Ich möchte die Sparmaßnahmen meiner Vorgänger hier nicht noch einmal taxativ aufzählen, wir alle haben sie erlebt. Faktum ist aber, dass wir jetzt in eine Phase gekommen sind, in der ein gewisses Schieben von Investitionen ganz einfach nicht mehr möglich ist.

Ich möchte gleich auf das erste Beispiel eingehen, nämlich auf die von Bundesrat Weber angesprochene Alouette: Richtig, die Alouette ist 2023 definitiv an ihr Lebens­ende gekommen. Mein Vorgänger hat bei einem Fluggerät, meine sehr geehrten Damen und Herren, das 51 Jahre alt ist, das doppelt so alt ist wie die Piloten, die es fliegen, noch einmal sogenannte lebenserhaltende Maßnahmen gesetzt. Die Piloten schätzen und lieben diesen Hubschrauber, denn er ist ein Oldtimer, aber er ist natürlich irgendwie nicht mehr zeitgemäß.

Ich sage deshalb auch: Wenn man hier jetzt so tut, als wären diese Investitionen jetzt erst schlagend geworden, dann ist das nicht redlich und nicht richtig. Faktum ist: Man hat schon vor zehn Jahren gewusst, dass das Lebensende dieses Hubschraubers naht. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau! Man hat sich nicht darum gekümmert!) Wir ge­hen es jetzt an, diese notwendige Investition zu tätigen, und selbstverständlich auch, gemeinsam mit dem Regierungspartner und dem Finanzminister entsprechende Son­derfinanzierungen sicherzustellen; denn es war immer, auch in der Vergangenheit, klar, dass Investitionen in diesen Größenordnungen und auch auf Jahrzehnte gese-


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hen – wir reden hier von einer Lebensdauer von 40 bis 50 Jahren – nicht aus dem Regelbudget zu ersetzen sind. Sie sind klarerweise über Sonderinvests darzustellen.

Wir bekennen uns zur Nachfolge der Alouette III, ich hoffe auch, im entsprechenden Zeitplan. Wir bekennen uns aber auch dazu, und das sage ich als Steirer mit vollem Herzen, dass der Standort Aigen erhalten bleiben wird, und da bitte ich vor allen Din­gen auch die steirischen Kollegen, nicht weiter Verunsicherung zu schüren. Die Mitar­beiter und Kollegen leben schon seit Langem in massiver Verunsicherung, die nicht von dieser Bundesregierung erzeugt worden ist, meine sehr geehrten Damen und Her­ren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Selbstverständlich gibt es viele andere Bereiche, ich erwähne nur die Mobilität. Kleines Beispiel: 1995 bin ich selbst in St. Michael eingerückt; die Kaserne wurde ja heute schon angesprochen. Bereits 1995 sind wir mit dem Reisebusunternehmen in den Gefechtsdienst gefahren, weil der damalige Steyr 680 auch dort bei der Jägertruppe nicht mehr einsatzfähig gewesen ist. Das heißt: Ja, auch da ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten wenig passiert, deshalb liegt ein klarer Fokus auf Mobilität, ge­schützter Mobilität, aber selbstverständlich auch auf Infrastrukturmaßnahmen, die dringendst notwendig sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen heute aufgrund von Bewer­tun­gen, auch meines Hauses, dass rund 50 Prozent der Liegenschaften und Objekte des österreichischen Bundesheers stark bis mittelstark abgenutzt und nur rund 15 Prozent als neuwertig zu bezeichnen sind – das nur zur Darstellung dessen, wo in der Ver­gangenheit, nämlich in den letzten 20, 30 Jahren, eben nicht ausreichend investiert worden ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist vollkommen richtig und wurde auch von zwei Vorrednern angesprochen, gerade im Bereich des Personals müssen wir den positiven Kurs – und ja, da nehme ich meinen Vorgänger nicht aus – weiter fortsetzen. Wir haben jetzt ein gutes Zeitfenster, um gutes, junges Personal für uns sicherzustellen und in weiterer Folge im Bundesheer auszubilden und zu integrieren.

Ich bekenne mich dazu, im Personalbereich nicht zu sparen und ganz klar zu sagen, wir brauchen ein gutes neues Dienstrecht, das im Jahr 2018 angekommen ist. Ich sage ganz offen, ein Dienstrecht, das für mich 1995 noch ausreichend war, um mich zu überzeugen, beim Bundesheer zu bleiben, ist es vielleicht für die jetzige Generation von jungen Menschen nicht mehr. Da müssen wir ankommen. Das ist ein langer, langer Prozess. Die älteren Kollegen, die heute hier sind, wissen, wie oft man diesen Anlauf Dienstrecht Neu schon genommen hat. Die Hoffnung stirbt aber zuletzt, und ich bekenne mich auch dazu, da im großen Stil ein großes Paket entsprechend zu schnüren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da das Thema der Aktuellen Stunde die „Ver­an­kerung des Bundesheers in den Bundesländern“ ist, möchte ich ganz kurz aufklä­rend ein paar Unsicherheiten ausräumen: Ja, es ist richtig, wir haben uns dazu be­kannt, die Struktur des Heers neu zu überdenken und klare, straffe Strukturen zu schaffen. Warum? – Weil wir in der Vergangenheit erlebt haben, dass wir aufgeblähte Kommandostrukturen haben und auf der anderen Seite aber für die Truppe ent­sprechend wenig im Personalbereich übergeblieben ist.

Ich bekenne mich zu schlanken Kommandostrukturen. Es wird zukünftig nur mehr zwei Kommanden geben. Eines ist aber klar, ich bekenne mich auch dazu, dass keine Standorte geschlossen werden und dass selbstverständlich das Bundesheer in den Regionen und in den Bundesländern eine fixe Verankerung findet. Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, ich möchte nur am Rande anmerken, dass das durchaus ein Kurswechsel im Vergleich zu einigen meiner Vorgänger ist, die eher einen anderen


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Weg eingeschlagen und gerade im Bereich der Ost- und Südsteiermark Standorte geschlossen haben. Heute würde ich gerne die Uhr zurückdrehen und hätte diese Standorte gerne wieder. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbstverständlich ist es auch so, dass diese Sicherheitsinseln, die heute angesprochen worden sind, auf der einen Seite zwar ein Leuchtturmprojekt dieser Bundesregierung und damit auch von mir sind, auf der anderen Seite aber – Sie sind ja auch viel mit Leuten in Kontakt und reden mit ihnen – eigentlich nichts anderes als ein Zurück zu einer militärischen Realität und Notwen­digkeit sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Autarkie – Energieautarkie, Lebensmittel­autarkie, Wasserversorgung; ich sage nur: Blackout-Szenarien –: Die Menschen glau­ben, wir haben diese Autarkie in den Kasernen, aber nein, wir wissen, wir haben sie nicht mehr! Wir haben sie in den letzten Jahren und Jahrzehnten da und dort aufgrund von politischen Fehlentscheidungen, aufgrund von Sparmaßnahmen verloren. Diese Sicherheitsinseln sind nichts anderes als ein Zurück zu einer Notwendigkeit, die wir dann brauchen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es nicht mehr möglich ist, in anderen Bereichen Schutz und Hilfe für unsere Bevölkerung zu gewährleisten. Deshalb bekenne ich mich auch dazu.

Ich glaube, die Auswahl dieser zwölf Standorte in der ersten Phase war eine gute. Jetzt geht es darum, diese Sicherheitsinseln mit Leben zu befüllen, das heißt, Autarkie her­zu­stellen und dann im Ausbau natürlich auch für das Bundesheer, für die Blaulichtorga­nisationen der Länder – gemeinsam mit den Bundesländern – und dann in der letzten Phase selbstverständlich auch für die Bevölkerung in Zeiten, in denen es eben notwendig ist, Schutz und Hilfe zu bieten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin selbst lange Abgeordneter gewesen und weiß, jeder hätte gerne die Sicherheitsinsel in seinem Bezirk oder in seinem Wahlkreis gehabt, aber ich bitte Sie auch, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Auswahl dieser zwölf nicht willkürlich festgelegt worden ist, sondern selbstverständlich auf stra­te­gischen Planungen beruht; zum einen: Standort strategisch; zum anderen: bereits vorhandene Infrastruktur.

Ich nenne nur das Beispiel Gablenz-Kaserne, da sie angeführt worden ist. Wir haben dort die Landespolizeidirektion in der Nähe, wir haben dort die Zentralküche. Es wird dort auch gerade ein Mannschaftsunterkunftsgebäude gebaut. Bundesrat Weber weiß es, da er diese Kaserne auch angesprochen hat. Das heißt, da gibt es natürlich Möglichkeiten von Synergien, die wir entsprechend nutzen möchten.

Ich bitte Sie, diese Sicherheitsinseln und die Überlegungen dazu auch in Ihrem Bun­desland entsprechend zu vertreten. Jedes Bundesland hat eine, drei haben zwei und vielleicht, so hoffe ich, werden es in Zukunft noch mehr werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich möchte abschließend vielleicht noch auf zwei Bereiche eingehen, zum einen die Ratspräsidentschaft kurz beleuchten, die wir ab dem zweiten Halbjahr in Österreich bestreiten, und zum anderen darstellen, wo die Schwerpunkte seitens meines Res­sorts, des Bundesministeriums für Landesverteidigung, liegen.

Zum einen liegt ein Schwerpunkt ganz klar im Bereich der Unterstützung dieser Rats­präsidentschaft. Wir haben insgesamt 160 Kraftfahrer im Einsatz, die dafür sorgen werden, die Delegationen der internationalen Gäste entsprechend von A nach B zu bringen. Wir werden in diesen sechs Monaten österreichweit das Logistik- und Trans­port­management übernehmen. Wir haben selbstverständlich auch die Aufgabe, ge­meinsam mit der Exekutive für die Sicherheit dieser Tagungen zu sorgen. Deshalb


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werden im Bereich der Luftsicherung bei sechs sogenannten High-Risk-Veranstal­tun­gen entsprechende Sicherungsmaßnahmen mit jeweils tausend Männern und Frauen durchgeführt, die dafür im Einsatz stehen. Selbstverständlich ist auch technische und logistische Unterstützung für andere Bereiche sicherzustellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum anderen bringen wir uns aber auch aktiv inhaltlich in diese Ratspräsidentschaft ein, da einer der Schwerpunkte das EU-Außen­grenzmanagement, der EU-Außengrenzschutz ist und da der Fokus ganz besonders am Westbalkan liegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus Sicht des Bundesministeriums für Lan­des­verteidigung werden wir dort unsere Erfahrungen des Assistenzeinsatzes aktiv ein­bringen, weil wir – es wurde heute schon gesprochen – in der Vergangenheit durchaus Kompetenzen aufgebaut haben, wenn es darum geht, die Grenzen gemeinsam mit der Exekutive zu schützen. Diese Assistenz ist allerdings in anderen europäischen Ländern nicht bekannt. Das heißt, da können wir den anderen Ländern sehr viel an Erfah­rungen mitgeben.

Der zweite Fokusbereich liegt selbstverständlich am Westbalkan, da wir in diesem Raum als Bundesheer und als sicherheitspolitische Spieler große Erfahrungswerte haben und seit Jahrzehnten dort im Einsatz stehen. Ich glaube, dass es in unserem Inter­esse ist, dass dort vor Ort auch in Zukunft Stabilität und Frieden herrschen sollen und müssen, um Stabilität und Frieden in Österreich entsprechend sicherzustellen. Das heißt, in diesen beiden Bereichen versuche ich, mich und uns aktiv einzubringen. Ich bin davon überzeugt, dass uns das auch in diesen sechs Monaten entsprechend gelingen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme noch zu ein paar Dingen, die von Ihnen angesprochen worden sind – ich hoffe, ich bin nicht schon zu weit über der Redezeit, der Präsident schaut schon –, zum einen zum Stellenwert des Bundesheers. Bundesrat Weber hat vollkommen richtig erkannt, der Stellenwert des Bundesheers hat sich Gott sei Dank in den letzten zwei bis drei Jahren wieder verändert, und zwar auf­grund von zwei Dingen. Zum einen aufgrund politischer Wertschätzung – und ja, Bun­desrat Weber, da nehme ich meinen Vorgänger nicht aus –: Wertschätzung gegenüber den Soldaten ist notwendig und wichtig, damit deren Stellenwert in weiterer Folge auch in der Bevölkerung wahrgenommen wird. Seien wir aber ganz ehrlich: Auch die Ent­wicklungen des Jahres 2015 und davor bis hin zu der untragbaren Situation an den österreichischen Grenzen im Süden haben dazu geführt, dass die Bevölkerung den klaren Wunsch nach einem starken Bundesheer wieder lautstark artikuliert, meine sehr geehrten Damen und Herren! Genau in diesem Zeitfenster bewegen wir uns, und unsere gemeinsame Aufgabe wird es sein, dieses zu nutzen, um die notwendigen Maß­nahmen zu setzen.

Sprechen wir das Thema Grenze an, so sage ich: Ja, wir als Bundesregierung beken­nen uns dazu, da genau hinzusehen, Entwicklungen zu beobachten und, wenn es notwendig ist, unsere österreichische Grenze so lange zu schützen, wie wir nicht in der Lage sind, für einen entsprechenden Schutz der Außengrenzen auf europäischer Ebene zu sorgen. Solche Situationen wie 2015 in Spielfeld, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird es mit uns ganz sicherlich nicht geben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht noch ein Wort zu den Militärkom­manden und zur Militärmusik: Ich bekenne mich ganz klar dazu, dass die Militärmusik ein wesentlicher und wichtiger, nicht nur gesellschaftlicher Faktor ist, sondern bei militärischen Feierlichkeiten notwendig ist, um sie entsprechend abzuhalten. Sie ist ein Werbeträger, und die Einsparungsmaßnahmen meiner Vorgänger in diesem Bereich finden jetzt selbstverständlich keinen Platz mehr. (Bundesrat Novak: Das hat aber schon


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der Doskozil gesagt!) Beste Grüße an die Militärmusikmeister! Es freut mich, Bun­desrat Weber nickt zustimmend. Ich glaube, da sind wir uns einig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bravoruf des Bundesrates Hammerl. – Bundesrat Novak: Das hat aber schon der Doskozil gesagt! – Bundesrat Samt – in Richtung Bundesrat Novak –: Und wer hat’s vorher abgeschafft? Das ist ja unglaublich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf der anderen Seite, wenn es um die Stär­kung der Militärkommanden geht, bekennen wir uns auch dazu, dass wir die Militär­kommanden mit solchen Aufgaben ausstatten, die für sie zu bewältigen und notwendig sind. Ich sehe die Militärkommanden als Verbindungsglied zur Landespolitik, aber selbstverständlich auch als Erst- und Krisenreaktionskraft, wenn es zu Katastrophen oder krisenhaften Zuständen an den Grenzen Österreichs kommt. Genau dort, meine sehr geehrten Damen und Herren, setzen wir an, genau in diesem Bereich möchte ich die Militärkommanden stärken. Ich bin davon überzeugt, dass uns das gelingen wird und die Bundesländer diese Stärken entsprechend positiv aufnehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist schon einiges passiert, vieles gibt es noch zu tun. Ich bitte Sie, wie auch Ihre Kollegen im Nationalrat, das Bundesheer und die Landesverteidigung nicht zum Spielball der Politik zu machen, sondern gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Wir brauchen ein starkes Bundesheer und wir brauchen die Sicherheit Österreichs dringender denn je. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.49


Präsident Reinhard Todt: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile dieses.


9.50.45

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die „Märchenstunde“, Herr Kollege Weber, haben wohl Sie abgehalten, und zwar gepaart mit einem mas­siven Gedächtnisverlust. Ich möchte Ihrem Gedächtnis jetzt ein wenig auf die Sprünge helfen.

Es bezweifelt niemand, dass Minister Doskozil sich wirklich bemüht hat, ein wohl­bestalltes Haus zu hinterlassen. Es gab aber davor auch andere Verteidigungsminister, nämlich Darabos oder Klug, die alles andere getan haben, als für das Bundesheer zu arbeiten, die nämlich eher dagegen gearbeitet haben. (Bundesrat Weber: ... Scheibner! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Eurofighter!) Erfreulicherweise kann man sagen, die öster­reichischen Soldaten haben eine wirklich lange und gute Tradition, sodass es auch diesen beiden Ministern nicht gelungen ist, die Motivation der Soldaten gänzlich zu vernichten. Da können wir uns bei den Soldaten, Männern wie Frauen, ganz herzlich bedanken, dass sie ihre Motivation trotzdem noch behalten haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich finde es immer wieder interessant, wenn gerade die SPÖ Dinge moniert und ein­fordert, aber maßgeblich daran beteiligt war, dass diese nicht passieren (Bundesrat Weber: Ihr auch!), zum Beispiel ein Budget in der Höhe von 1 Prozent des BIPs. Ihre Verteidigungsminister hätten über Jahre die Möglichkeit gehabt, dieses Budget schrittweise zu erhöhen. (Bundesrat Weber: Das höchste Budget hat es unter Doskozil gegeben! – Bundesrat Längle – in Richtung Bundesrat Weber –: Stimmt ja gar nicht!) Jetzt herzugehen und zu sagen, ein neuer Minister muss innerhalb von einem halben


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Jahr genau das leisten, was Sie über Jahrzehnte versäumt haben, ist wirklich an­maßend und auch kühn.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, im Jahr 1999, als die Black Hawk ange­schafft wurden – damals habe ich nämlich auch dazu geredet, das war meine erste Zeit im Bundesrat –, gab es massive Kritik vonseiten der SPÖ: Warum müssen es gerade die Black Hawk sein, die sind viel zu teuer, man hätte ja etwas anderes auch nehmen können? – Sie können sich einfach nicht dazu bekennen, dass wir ein gutes Gerät brauchen, das über mehrere Jahrzehnte hält, und nicht einen Gebrauchtwagen – oder in dem Fall einen Gebrauchthubschrauber –, der nach fünf oder spätestens nach zehn Jahren wieder ausgetauscht werden muss. Das ist etwas, das nachzuvollziehen Sie sich immer schwergetan haben, nämlich dass das Bundesheer auch eine gute Ausrüstung braucht.

Beim Eurofighter hat sich jetzt auch herausgestellt (Bundesrat Weber: Da hat sich gar nichts herausgestellt!), dass Ihr großartiger Verteidigungsminister Darabos, der aus dem Zivildienst kam und mit dem Bundesheer eigentlich überhaupt nichts am Hut hatte, uns finanziellen Schaden zugefügt hat. Das war ja das, was er damals verkauft hat, nämlich dass er so viel Gutes getan und für das Budget gerettet hat. (Bundesrat Weber: Wer hat es so weit gebracht?!) Jetzt stellt sich heraus, Eurofighter hätte nicht liefern können und die hätten zahlen müssen. Wir können nur froh sein, dass die Kar­riere der SPÖ-Verteidigungsminister beendet ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich möchte nicht mehr im Einzelnen wiederholen, was meine Vorredner inklusive des Herrn Ministers bereits gesagt haben. Ja, ich habe mich immer zum Bundesheer bekannt. Seit Kreisky hat es aber vonseiten der SPÖ immer wieder Bestrebungen gegeben, das Bundesheer möglichst abzuschaffen. Das haben Sie sich nicht immer so zu sagen getraut, aber Sie haben es halt einfach ausgehöhlt. Der Wehrdienst ist verkürzt worden, bei der Gerätenachrüstung hat man gespart, und, und, und. Sie kennen die Maßnahmen selber, Sie haben sie nur vergessen, darum versuche ich, Ihr Gedächtnis aufzufrischen. (Zwischenruf der Bundesrätin Dziedzic.)

Ja, wir wissen spätestens seit 2015 – wie es der Herr Minister gesagt hat –, aber auch schon seit dem Jugoslawienkrieg, als alle froh waren, dass wir ein Bundesheer gehabt haben, dass sich die Idee, eine Berufsarmee zu installieren, nicht bewährt hat. Selbst die Länder, die es gemacht haben, sind schon wieder am Zurückrudern, da es sich nicht bewährt hat und da sie auch keine Leute gefunden haben. (Bundesrat Mayer: Siehe Deutschland!) Das haben wir damals schon prophezeit.

Ja, wir wollen ein starkes, gut ausgerüstetes Bundesheer mit hochmotivierten Soldaten haben, da wir wissen, es ist wichtiger geworden denn je. Spätestens seit der Volks­befragung ist es wirklich amtlich, auch die Bevölkerung weiß das Bundesheer und die Hilfe des Bundesheers, vor allem in Katastrophenfällen, aber eben auch bei der Grenzsicherung – weil das wichtiger denn je geworden ist –, durchaus zu schätzen. Daher hat die Bevölkerung bei der Volksbefragung auch gesagt: Ja, wir wollen das Bun­desheer behalten.

Das ist gut so und das ist richtig so, und das, was heute schon angesprochen worden ist, vor allem was die Assistenzeinsätze des Bundesheers betrifft, bestätigt das. – Ich weiß aus vielen Gesprächen mit meiner Familie, mit Freunden, die in Auslands­ein­sätzen am Golan, in Zypern, aber auch bei der KFOR waren, wie hoch angesehen dort das österreichische Bundesheer ist. Aus Zypern weiß ich – Kollege Mayer war auch dort –, das hat ein Freund von uns gesagt, dass auch die anderen Länder, die dort stationiert waren, viel über Österreich abgewickelt haben, zum Beispiel das Post­wesen, da sie gesagt haben: Das funktioniert bei euch wunderbar, ihr habt da Erfah­rung, bei euch ist es verlässlich, und daher schicken wir die Post nach Kanada zum


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Beispiel lieber über die Österreicher und nicht über die eigenen Länder. – Das ist nur eine kleine Geschichte am Rande.

Das heißt, unser Bundesheer ist außerhalb Österreichs hoch angesehen, innerhalb Österreichs mehr bei der Bevölkerung, bei der Politik war es nicht immer so. Das hat sich dank unseres Verteidigungsministers (Zwischenruf bei der SPÖ) – auch des Ministers Doskozil, das muss man auch zugeben – massiv geändert. Wir werden weiter daran arbeiten, dass sich dieser Eindruck nicht nur verfestigt, sondern auch noch ausgebaut wird. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.56


Präsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Armin Forstner. Ich erteile dieses.


9.57.03

Bundesrat Armin Forstner, MPA (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Minister hat es heute schon ein paar Mal gesagt: Die Bundesregierung hat sich ein Ziel gesetzt: mehr Sicherheit für Öster­reich. Für ein neutrales Land bedeutet das auch eine eigenständige militärische Lan­des­verteidigung mit einem leistungsfähigen und gut ausgestatteten Bundesheer.

Mit den Maßnahmen Sicherheitsinseln und Rekrutenschulen leistet die Bundes­regie­rung einen wichtigen Beitrag zu einem starken Bundesheer und erhöht damit die Sicherheit unserer Österreicherinnen und Österreicher.

Sicherheitsinseln sind wichtig für Krisenfälle. In Österreich werden ausgewählte Kasernen zu Sicherheitsinseln – das wurde auch schon einige Male erwähnt –ausge­baut und für Krisen und Katastrophenfälle gerüstet.

Es ist aber speziell für uns – Kollege Weber und der Herr Minister haben es schon angesprochen – in der Steiermark sehr wichtig, dass wir ein gut ausgestattetes Bun­desheer haben. Gerade wir in der Steiermark waren in den letzten Jahren sehr oft von starken Unwettern oder anderen Katastrophen betroffen, weshalb wir Steirer und, ich glaube, ganz Österreich den Grundwehrdienern und den Beschäftigten des österreichi­schen Bundesheers zu großem Dank verpflichtet sind.

Es wurde für uns Ungewöhnliches geleistet. Erst heute Nacht gab es wieder in Kollege Webers Region schwere Überschwemmungen, Verklausungen, Vermurungen, die größtenteils nur durch unser Bundesheer weggeräumt werden können.

Ich möchte aber auch auf meine Vorredner eingehen. Was mich eigentlich sehr be­schäftigt, lieber Kollege und Präsident des Zivilschutzverbandes Martin Weber: Kollege Doskozil hat zwar ein gutes Haus übergeben, darüber brauchen wir gar nicht zu reden, aber Überschriften allein machen noch kein Haus. Das muss man auch einmal sagen.

Die Alouette III, auch von dir angesprochen, funktioniert derzeit noch wunderbar. Sie ist in meinem Heimatbezirk, in Liezen, stationiert. Wir werden es sicher nicht so machen wie unser Zivildiener der Nation, Kollege Darabos aus dem Burgenland, sondern wir wer­den einen vernünftigen Vergleich machen. Wir werden das schaffen, wir werden bis 2020/2023 fliegen. (Bundesrätin Hahn: ... nichts anderes einfällt? – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Es ist eigentlich schade, dass man bei solchen Diskussionen immer darauf zurückgreifen muss, was früher war und hin und her. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Wir haben jetzt drei Minister angesprochen, Doskozil war der Überschriftenkaiser der letzten Jahre, Darabos habe ich gerade erwähnt, und Minister Klug war auch sehr einprägend, er ist mir auch sehr lange in Erinnerung geblieben. Er war der Einzige, den sie in Frankreich mit dem Dienstwagen abgeholt haben, weil ihm offensichtlich das Alleinefahren im Urlaub zu schwer war.


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Was ich aber natürlich schon auch sagen möchte, lieber Kollege Martin Weber, weil du die Militärmusik angesprochen hast: Ja, sicher hat sie der ehemalige Herr Minister und jetzige Landesrat Doskozil wieder ins Leben gerufen, nur: Wer hat sie zugesperrt? – Nur so viel dazu.

Der Ausdruck „Märchenstunde“ hat mir sehr gut gefallen, Martin, und in diesem Zu­sammenhang muss ich jetzt auch wieder auf folgenden Punkt zurückkommen: Du kommst aus einer Region, in der dir deine eigenen Minister die Kasernen zugesperrt haben – und dann stellst du dich hier her und sagst, wir sind in einer „Märchenstunde“! (Bundesrat Weber: Das war Platter! Platter war das, lieber Kollege! – Bundesrätin Grimling: Der Platter gehört nicht zu uns!) Geschlossen wurden sie, als deine roten Minister kamen! Das ist eigentlich das Schreckliche für mich.

Aber die Bundesregierung hat sich ein Ziel gesetzt – der Herr Minister hat es heute schon gesagt –: Wir werden das, was in den letzten Jahrzehnten oder in den letzten zehn Jahren im österreichischen Bundesheer schiefgegangen ist, reparieren. Ich bin guter Dinge, dass wir mit unserem Minister, mit der derzeitigen Bundesregierung auch dementsprechend etwas erreichen werden. Nur zu kritisieren, das ist zu wenig; ich glaube, es gilt auch ein bisschen zusammenzuarbeiten und nicht gleich alles zu ver­langen. Wir werden vieles machen. Reden wir in ein paar Jahren wieder darüber! – Herzlichen Dank und ein steirisches Glückauf! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.01


Präsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. (Bundesrätin Mühlwerth: Der Spezialist! – Ruf bei der FPÖ: Für alles!) Ich erteile dieses.


10.01.25

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Als langjähriges Mitglied des Landesverteidi­gungsaus­schusses wissen Sie ja, wer immer der größte Feind des Verteidigungsministers – ganz gleich, welcher Farbe – ist: Es ist meistens der Finanzminister. Und der kommt seit mindestens 20 Jahren immer von (in Richtung ÖVP-Fraktion) euch. (Ruf bei der ÖVP: Ja, ja, ja!) Das ist es. (Bundesrat Mayer: Gott sei Dank, ja!)

Und deshalb noch einmal, weil das in der gesamten Debatte jetzt ein bisschen ver­rutscht ist – vor allem Frau Mühlwerth hat dazu beigetragen –: Das höchste Budget hatte noch Ihr Vorgänger. Vielleicht werden Sie auch die Opposition brauchen, damit Sie an die­ses Budget jemals wieder herankommen, denn im Vergleich zum BIP ist es nämlich jetzt gesunken. Das ist die Wahrheit. Sie sollten Herrn Längle die Zahlen zur Verfü­gung stellen, damit er nicht eine solche Rede hält, wie er sie heute eingangs gehalten hat. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Längle: Das war die Wahrheit, Herr Kollege!)

Dann müsste man noch eine Kleinigkeit in Erinnerung rufen, weil das dem Kollegen Forstner irgendwie in der steirischen Erregung durch die Zeilen gerutscht ist: Platter, der nämlich in diesem Bezirk die Kaserne geschlossen hat, ist ein ÖVP-Minister gewesen und hat nichts mit der SPÖ zu tun. (Bundesrätin Mühlwerth: Das fällt aber gar nicht auf beim Platter, dass der zur ÖVP gehört!) Und Platter war der Erbe des Grasser-Scheibner-Deals über die Eurofighter, über die sich die Republik noch heute den Kopf zerbrechen kann (Beifall bei der SPÖ) und über die wir damals im Bundesrat fast so etwas wie einen kleinen Untersuchungsausschuss hatten, mit zehn Sitzungen des Landesverteidigungsausschusses, da das im Nationalrat damals nicht möglich war.

Aber ich habe mich auch deshalb zu Wort gemeldet, weil ich die Situation der Ein­satztruppen im Ausland sehr gut kenne. Übrigens: Mit besagtem Herrn Platter von der ÖVP, Herr Kollege – Platter gehört zur ÖVP! –, habe ich nicht nur ein Mal Weihnach-


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ten in den verschiedensten Kasernen am Balkan gefeiert, und ich kenne dadurch die verschiedenen Kasernen und die verschiedenen Standorte sehr gut und weiß, was die Soldatinnen und Soldaten leisten. Aber es gab schon einmal ein schwarz-blaues Experiment in diesem Land, das das, was Frau Mühlwerth so großartig geschildert hat, beendet hat, nämlich die österreichische Beteiligung an der UN-Friedensmission auf Zypern. Die Beendigung unseres Einsatzes in Zypern ist einer der größten Fehler ge­wesen, denn in Zypern konnten wir die Soldaten und Soldatinnen für Friedenseinsätze, für friedenserhaltende Maßnahmen schulen. Das hat auch der damalige General Höfler bestätigt, und er hat gesagt, das ist das große Problem, dass wir einen solchen Stand­ort wie Zypern nicht haben. Wir sind im Kosovo mit derzeit über 400 Leuten, wir sind in Bosnien, aber, Herr Minister, Sie wissen, dass ungefähr 250 Leute auf die Sollstärke fehlen, und die Tendenz, und das wissen Sie auch – das haben Sie heute geflissentlich etwas übergangen –, ist sinkend.

Das ist wirklich eine tragische Situation: Das österreichische Bundesheer ist bei den Friedenseinsätzen eine der Toparmeen in dieser Welt und als solche auch anerkannt. Wenn wir jetzt, so wie damals unter Scheibner, der damals unseren Einsatz in Zypern beendet hat, auch hier weiter reduzieren, dann halte ich das für fatal.

Sie sollten beziehungsweise Sie müssen sich – okay, da brauchen Sie wieder Unter­stützung, denn auf der anderen Seite sitzt der ÖVP-Finanzminister – eine Attraktivie­rung dieser Einsätze auch finanzieller Natur überlegen, aber auch Systeme wie zum Beispiel jenes, das im Kosovo erarbeitet wurde: Das Low-Monitoring-System, das das österreichische Bundesheer dort gemacht hat, ist eines der tollsten Dinge, die es überhaupt gibt. Bei Nato-Soldaten ruft das, was die Österreicher dort machen, blankes Entsetzen hervor. Ich war in den Wohngemeinschaften, in denen die Soldaten leben – mitten unter dem Volk. Das ist etwas, was beispielhaft ist. Sich von solchen positiven Dingen weiter zurückzuziehen, wäre wirklich schlecht.

Wir haben veränderte Bedrohungsbilder, andere Bedrohungen kommen – zu Lande, zu Wasser, in der Luft. Das heißt, wir brauchen auch eine dynamische Weiterentwicklung, die sich nicht, lieber Kollege Mayer, vielleicht nur auf Jägerbataillone beschränkt, denn die Bedrohungsszenarien der Zukunft schauen vielleicht anders aus als die Bedro­hungsszenarien der Vergangenheit, und auch das Gerät, das wir in Zukunft dafür brauchen werden, wird wahrscheinlich ein anderes sein. Das heißt, wir haben einen Investitionsbedarf, auch was die neuen Bedrohungsbilder betrifft, und das ist wichtig.

Zum Schluss möchte ich nur an Folgendes erinnern: Es war der verstorbene Wiener Bürgermeister Zilk, der die große Bundesheerreformkommission über Jahre leitete. (Bundesrat Samt: Nicht umgesetzt, Herr Kollege!) Das heißt, diese starke Veran­kerung, die seitens der SPÖ in Bezug auf das Bundesheer immer gegeben war, und dass sie das Bundesheer Neu der letzten Jahre überhaupt aufgesetzt hat, geht auf die damalige wichtige Zeit zurück. (Bundesrat Mayer: Aber das habt ihr nicht umgesetzt, was der Zilk wollte! Das habt ihr nicht umgesetzt! Das ist ein Lippenbekenntnis!)

In diesem Sinne, Herr Bundesminister: Ich hoffe sehr, dass wir bei den friedens­erhaltenden Maßnahmen wieder auf die Sollstärke von 1 100 Personen kommen, denn das ist etwas ganz Wichtiges. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

10.07


Präsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic. Ich erteile dieses.


10.07.31

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! In der Aktuellen Stunde möchte


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ich eine aktuelle Bemerkung loswerden: Die türkis-blaue Regierung baut, wie wir gehört haben, ja nicht nur den Rechtsstaat um und den Sozialstaat ab (Bundesrätin Mühlwerth: Geh, geh, geh!), sondern beschwört hier, und das passt gut zum Thema, diverseste Bedrohungsszenarien sowohl innerstaatlich als auch an Europas Grenzen herauf. (Bundesrätin Mühlwerth: Alte Hüte, die nicht einmal stimmen!)

Wir leben in einer Zeit, in der die genderängstlichen Burschen, die ehemals in den Wäl­dern in Tarnanzügen herumgehüpft sind, jetzt an den Schalthebeln der Republik sitzen und Krieg spielen – gegen die Geringverdiener, die Arbeitslosen, die Flüchtlinge, die Vielfalt oder aber auch die Emanzipation. Statt für den sozialen Frieden in einem friedlichen Land zu sorgen, spalten sie, selektieren und bereiten den Boden für weitere Kriminalität, indem sie zum Beispiel Bedürftigen die Mindestsicherung wegnehmen.

Da man jetzt also vor Flüchtlingen und Feministinnen Angst hat, starten Sie als wei­terer Minister eine Bundesheerreform – Sie sind nicht der erste, wie wir gehört haben, wollen aber natürlich der strengste sein. (Bundesrat Samt – erheitert –: Das ist einfach nur lächerlich!) So nehmen Sie große Teile der von Ihrem Vorgängerminister Doskozil initiierten – auch das haben wir schon gehört – Umstrukturierung wieder zurück. Aus den vier Kommanden werden wieder zwei, und man wird tatsächlich den Eindruck nicht los, als würde es sich hier um parteipolitische Machtspiele und nicht um eine konkrete Reform handeln. (Bundesrätin Mühlwerth: Wenn man sich nicht auskennt, dann kann man das glauben, ja!) – Sie waren schon dran, Frau Mühlwerth! (Ruf bei der FPÖ: Deswegen hat sie ja dazwischengerufen!)

Die Milizverbände werden weiterhin an präsente Verbände, auch das ist klar, ange­gliedert sein. Und ja, gerade bei Katastropheneinsätzen bleibt vorerst trotz aller Ankün­digungen alles gleich (Bundesrat Spanring: Wenn es kein Bundesheer geben soll, ... Grünen, dann gibt es auch keinen Katastropheneinsatz!), nur ist das Marketing ein an­de­res geworden, außer vielleicht – das wäre eine Neuerung –, dass jetzt jedes Militär­kommando, wie wir gehört haben, eine Pionierkompanie, eben für den Katastrophen­einsatz, erhalten soll. Ich sage deshalb soll, weil wir wissen, dass diese rund 1 500 Spe­zialisten und Spezialistinnen Kosten in Millionenhöhe verursachen würden, Sie uns aber vorher nicht sagen konnten, wie das budgetiert werden soll.

Die von Ihnen propagierte Einsparung bei der Struktur steht also in einem groben Widerspruch zu der Notwendigkeit der Sanierung – die ich gar nicht infrage stelle, da gibt es tatsächlich grobe Mängel.

Weiters reden Sie über eine Attraktivierung des Grundwehrdienstes und wollen schlicht und einfach nicht wahrhaben, dass die Pflicht an der Waffe für die jungen Menschen hier im Land nicht attraktiv ist und wahrscheinlich auch nicht durch ein bisschen mehr Verdienst attraktiver werden wird.

Sie reden von mehr Sicherheit und argumentieren mit Katastrophen, wogegen wo­möglich eine konkrete Klimastrategie mehr helfen würde als die genannten Maßnah­men. (Bundesrätin Mühlwerth: ... diese selbsternannten Experten!)

Die Rekruten, das wissen Sie, klagen über grobe Organisationsmängel in der Aus­bildung, die geringe Wertschätzung, Kollektivstrafen oder auch Mängel bei den Unter­künften. Die Sonderkommission, die nach dem tragischen Tod – Sie werden sich erin­nern – eines Rekruten nach einem Fußmarsch eingesetzt worden ist, stellte fest, dass – Zitat – „eine adäquate und rechtskonforme Ausbildung von Grundwehrdienern [...] nur unzureichend“ möglich ist. Ich bezweifle, dass die von Ihnen genannten Maß­nahmen zu einem Kulturwandel führen werden, weil es sich hier um einen aus meiner Sicht groben Systemfehler handelt.


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Kurz: kein Zeitplan, keine Planungssicherheit und kein Budget. Wie die Umsetzung dieser Maßnahmen gelingen soll, bleibt weiterhin fraglich. Vielleicht werden Sie in der zweiten Runde dann doch darauf eingehen, wie es möglich sein soll, dass die, wie Sie meinen, jahrzehntelang verabsäumte und seit Jahrzehnten notwendige Umstruktu­rie­rung finanziert werden soll, wenn sie weder im Regelbudget vorgesehen ist noch uns bislang bekannt ist, wie ein Sonderbudget ausschauen könnte.

Alles in allem: Der große Stil, von dem Sie reden, das große Paket, das hier diskutiert wird, bleibt vorerst aus meiner Sicht ein Gag, der lediglich die Handlungsfähigkeit des Verteidigungsministers demonstrieren soll, der aber sicherlich nicht die Menschen, vor allem die jungen Menschen in diesem Land davon überzeugen wird, dass sie – abseits der Katastropheneinsätze – wirklich auf das Bundesheer vertrauen können, und der auch die Unsicherheit – oder die Unsicherheiten, in der Mehrzahl – hier in diesem Land, vor allem wenn es um prekäre Arbeitsverhältnisse, um Arbeitslosigkeit oder um die Absicherung von sozialer Unterstützung geht, nicht beseitigen wird.

In diesem Sinne: Wir sind gespannt, wie Sie da konkret an die Umsetzung gehen wer­den, und ich würde mich freuen, wenn es zumindest gelänge, von Ihnen zu erfahren, wie und wann und von wem dieses Sonderbudget abgesegnet werden kann. (Ruf bei der FPÖ: Von euch nicht!) – Vielen Dank. (Beifall des Bundesrates Stögmüller sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.13


Präsident Reinhard Todt: Ich begrüße Herrn Bundesminister für Verfassung, Refor­men, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser hier bei uns im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals der Herr Bundes­minister für Landesverteidigung zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und darf ihn bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten. (Bundesrätin Mühlwerth und Bundesrat Krusche: Aber nur nach Möglichkeit!)


10.13.44

Bundesminister für Landesverteidigung Mario Kunasek: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz kurze Antworten auf die Fragestellungen, die jetzt noch aufgetreten sind:

Bundesrat Schennach, ich kenne Ihre Affinität, was die Auslandseinsätze betrifft, weiß auch um Ihre Affinität zu einer durchaus notwendigen starken europäischen Verteidi­gung. Erlauben Sie mir deshalb, zu den hier angesprochenen Fragestellungen auch konkrete Antworten zu geben.

Ja, es ist richtig, wir haben am Balkan, gerade im Bereich KFOR, aber auch EUFOR Bosnien sehr, sehr gute Arbeit geleistet und leisten diese immer noch. Wir bekennen uns auch dazu, diese Arbeit weiter durchzuführen und entsprechend auch da unseren sicherheitspolitischen Fokus zu haben. Aber, und das haben Sie auch richtig erkannt, wir müssen auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen, unsere Soldatinnen und Soldaten auch entsprechend zu diesen Einsätzen zu bringen. Da gibt es so etwas wie einen Spannungszustand zwischen Inlandsaufgaben und Auslandsaufgaben – und unsere und ganz besonders meine Aufgabe, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss es sein, da das richtige Gleichgewicht zu finden und, so wie ich es bereits vorher Richtung Bundesrat Weber angesprochen habe, lagebeurteilend diese Entsendungen entsprechend vorzunehmen.

Das heißt – ich wiederhole –: ein klares Bekenntnis zum Auslandseinsatz, ein klares Bekenntnis auch zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Euro­päischen Union. Anmerkung am Rande: Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit in


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diesem Bereich ist ein guter und wichtiger Schritt und wird von mir und von der Bundesregierung auch weiter unterstützt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Eines ist aber nicht richtig, Herr Bundesrat Schennach: Die Budgetzahlen stimmen ganz einfach nicht. Ich kann es noch einmal zur Verfügung stellen, wir können es auch noch einmal gemeinsam erarbeiten: 180 Millionen Euro mehr für die nächsten zwei Jahre im Vergleich zum Erfolg meines Vorgängers. Noch einmal: Das ist nicht die Summe, die es braucht, um schlagartig alle Missstände zu verändern, aber wir können den Vorwärtskurs entsprechend halten, wir können Infrastrukturmaßnahmen positiv weiter gestalten.

Und ja – auch in Richtung der Bundesrätin der Grünen –, na selbstverständlich braucht es Sonderpakete, wie sie von mir auch dargestellt wurden, aber Sie werden uns natürlich auch die Zeit geben müssen, diese auszuverhandeln. Das ist ein großer Brocken, der hier ansteht – Sie haben einiges aufgezählt, vieles im Bereich der Luft­fahrt kommt noch auf uns zu –, und ich bekenne mich auch dazu, diese nicht von uns verursachten – ich nenne sie ganz bewusst jetzt so – Baustellen auch entsprechend zu beheben und für die Sicherheit Österreichs die richtigen Maßnahmen sicherzustellen. Und ich hoffe auch, dass wir es irgendwann einmal schaffen werden, in diesem Be­reich auch ohne Untersuchungsausschüsse tätig zu sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich wiederhole mich jetzt nicht mehr, weil mir noch etwas Wichtiges eingefallen ist – nämlich auch zu den Ausführungen eines meiner Vorredner, der die Miliz ange­sprochen hat –, etwas, das ich in meinem Eingangsstatement zu sagen vergessen habe: Na selbstverständlich bekennen wir uns zur Miliz! Die Miliz hat ganz wesentliche Aufgaben, nämlich dann, wenn es um Durchhaltefähigkeit geht, dort, wo es um Schutz der kritischen Infrastruktur geht. Deshalb braucht es auch nicht nur das berühmte Kästchen, das man zeichnet und das dann als Organisationselement bezeichnet wird, sondern auch eine entsprechende personelle und materielle Ausfüllung und Auf­wuchs­fähigkeit dieser Milizteile.

Ich weiß, dass da noch einiges zu tun ist, aber ich bin davon überzeugt, dass wir ge­meinsam mit dem Milizbeauftragten General Hameseder da auch die richtigen Maß­nahmen setzen werden. Ich gebe aber auch ganz offen zu, dass ich dafür auch die entsprechende Unterstützung aus den Bundesländern brauche, auch jene der Militär­kommandanten und jene aller, die da auch für entsprechende Werbung sorgen können, weil vieles auch in der Vergangenheit nicht dazu geeignet war, den Dienst in der Miliz als attraktiv erscheinen zu lassen.

Es gibt also noch viel zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit und spreche das Gleiche aus, was ich auch im Natio­nalrat gesagt habe: Es ist auch abseits des Parlamentarismus, abseits diverser Mecha­nismen, die es ganz einfach gibt, wie schriftliche Anfragen, Dringliche Anfragen et cetera, jederzeit möglich, mit meinem Kabinett – oder viele können es auch direkt tun, weil sie mich kennen und wir uns auch treffen – Kontakt aufzunehmen. Ich bin da­von überzeugt: Durchs Reden kommen d’ Leut zam. – Auch das ist ein steirischer Spruch, der sicherlich stimmen wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP so­wie des Bundesrates Novak.)


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10.18


Präsident Reinhard Todt: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

10.18.16Einlauf und Zuweisungen


Präsident Reinhard Todt: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen,

der Unterrichtungen des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG,

der Unterrichtungen des Bundesministers für Finanzen beziehungsweise des Gene­ral­sekretärs des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG,

der Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Auf­enthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Euro­päischen Union und einer Mitteilung des Verbindungsdienstes des Bundeskanzler­am­tes beziehungsweise des Kabinetts des Bundesministers für Inneres betreffend die Vertretung von Herrn Bundesminister für Inneres Herbert Kickl durch Frau Staatssekre­tärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen:

(siehe Anlage 1) (siehe auch S. 7)

2. Schreiben der Landtage:

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend die Wahl eines Mitglieds bzw. eines Ersatzmitglieds des Bundesrates (Anlage 9)

3. Schreiben des Bundeskanzlers:

Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend die No­minierung von Frau Mag. Judith Vorbach zum österreichischen Mitglied des Europä­ischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) (Anlage 2)

Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend Vorschlag für die Ernennung von Frau Univ.-Prof. Dr. Katharina Pabel als Kandidatin für die am 7. Oktober 2018 beginnende sechsjährige Funktionsperiode als Richterin des Gerichts­hofes der Europäischen Union (Anlage 3)

4. Eingelangte Verhandlungsgegenstände, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegen:

5. Aufenthalte von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union und Vertretung von Mitgliedern der Bundesregie­rung:

Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufent­halt von Frau Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß vom 30. Mai bis 3. Juni 2018 in Malta (Anlage 6)


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Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Auf­ent­halt von Frau Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl vom 29. bis 31. Mai 2018 in Paris (Anlage 7)

Mitteilung des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes bzw. des Kabinetts des Bundesministers für Inneres betreffend die Vertretung von Herrn Bundesminister für Inneres Herbert Kickl am 30. Mai 2018 durch Frau Staatssekretärin im Bundesminis­terium für Inneres Mag. Caroline Edtstadler (Anlage 8)

6. Unterrichtungen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

Schreiben des Bundesministers für Finanzen betreffend Aufnahme von Verhandlungen über eine Revision des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Re­publik Usbekistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Anlage 4)

und

Schreiben des Generalsekretärs des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres betreffend Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen zwischen der Republik Albanien, der Republik Österreich, Bosnien und Herzegowina, der Repu­blik Bulgarien, Ungarn, der Republik Mazedonien, der Republik Moldau, Montenegro, Rumänien, der Republik Serbien und der Republik Slowenien über den automatisierten Austausch von DNA-, Fingerabdruck- und Fahrzeugregisterdaten (Anlage 5)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates sowie EU-Vorhaben gemäß Art. 23e B-VG:

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder sowie Berichte der Volks­anwaltschaft:

(siehe Tagesordnung)

ORF-Jahresbericht 2017 gemäß § 7 ORF-Gesetz (III-654-BR/2018 d.B.)

zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus

41. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2017) (III-653-BR/2018 d.B.)

zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen

3. Petitionen:

Petition betreffend „Aufenthaltsrecht für gut integrierte Asylwerber nach zwei Jahren“, überreicht von Bundesrat David Stögmüller (40/PET-BR/2018)

und

Petition betreffend „Aussetzung der Abschiebungen von Menschen in Lehre und Ausbildung“, überreicht von Bundesrat David Stögmüller (41/PET-BR/2018)

zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen

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Anlage 8:

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Präsident Reinhard Todt: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zuge­wiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jener Bericht, die Gegenstände der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Reinhard Todt: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlags beabsich­tige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2 unter einem durchzufüh­ren.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

10.20.35Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Reinhard Todt: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundes­rates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend die „Nichteinhaltung verbindlicher Länder­stellungnahmen zu CETA“ an die Frau Bundesminister für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich deren Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

10.21.12Fristsetzungsanträge


Präsident Reinhard Todt: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich noch bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht hat, wonach dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 250/A(E)-BR/2018 der Bun­desrätInnen Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt von Inte­gra­tionsklassen an Sonderschulen“ eine Frist bis 28. Juni 2018 gesetzt wird. 

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht hat, wonach dem Kinderrechteausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungs­antrag 249/A(E)-BR/2018 der BundesrätInnen Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Weiterführung der Jugendhilfe nach Erreichung der Volljährigkeit“ eine Frist bis 28. Juni 2018 gesetzt wird. 

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht hat, wonach dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Berichterstattung über den


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Entschließungsantrag 251/A(E)-BR/2018 der BundesrätInnen Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung des hochqualitativen Unterrichts an Schulen mit internationalen Curricula“ eine Frist bis 28. Juni 2018  gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

10.24.021. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, das Bundesgesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds, das Rotkreuzgesetz, das Integrationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 2018, das Devisengesetz 2004, das E-Geldgesetz 2010, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Finanzkonglomerategesetz, das Finanz­markt-Geldwäschegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Natio­nal­bankgesetz 1984, das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Sanktionengesetz 2010, das Versicherungs­auf­sichtsgesetz 2016, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz, das Zahlungsdienstegesetz 2018, das Bundeshaus­haltsgesetz 2013, das Transparenzdatenbankgesetz 2012, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Mas­seur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Gesundheitsberuferegister-Gesetz, das IVF-Fonds-Gesetz, das Fortpflanzungs-medizingesetz, das Ärztegesetz 1998, das Bundes­gesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das Psychothe­rapie­ge­setz, das EWR-Psychologengesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Arznei­mit­telgesetz, das Blutsicherheitsgesetz 1999, das Gewebesicherheitsgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Medizinproduk­te­gesetz, das Epidemiegesetz 1950, das Organtransplantationsgesetz, das Apo­thekengesetz, das Apothekerkammergesetz 2001, das Gehaltskassengesetz 2002, das Tierärztegesetz, das Tierärztekammergesetz, das Tierseuchengesetz, das Tiergesundheitsgesetz, das Tierarzneimittelkontrollgesetz, das Tiermate­ria­lien­gesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Lebens­mittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das Tierschutzgesetz, das Tiertransportgesetz 2007, das Bundesgesetz zur Durchführung unmittelbar anwendbarer unionsrechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet des Tierschutzes, das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH, das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, das Suchtmittelgesetz, das Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz, das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Gentech­nikgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozial­ver­sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Bundes-Sportförderungsgesetz 2017, das Anti-Doping-Bundesgesetz 2007, das Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundessporteinrichtungen, das Militärberufsförderungsgesetz 2004, das Bundesgesetz über die Austro Control GmbH, das Bundesgesetz über die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, das Amateurfunkgesetz 1998, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das Eisen­bahn-Beförderungs- und Fahrgastrechtegesetz, das Führerscheingesetz, das Funkanlagen-Marktüberwachungs-Gesetz, das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996,


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das Güterbeförderungsgesetz 1995, das Klima- und Energiefondsgesetz, das Kraftfahrgesetz 1967, das Kraftfahrliniengesetz, das Postmarktgesetz, das Schiff­fahrtsgesetz, das Seeschifffahrtsgesetz, das Weltraumgesetz, das Patentgesetz 1970, das Gebrauchsmustergesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Halblei­terschutzgesetz und das Musterschutzgesetz 1990 geändert werden (2. Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018) (108 d.B. und 139 d.B. sowie 9967/BR d.B. und 9970/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gründung einer Bundespensionskasse AG geändert wird (140 d.B. sowie 9971/BR d.B.)


Präsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. und 2. Punkt.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Mag. Doris Schulz. – Ich bitte um die Berichte.


10.24.48

Berichterstatterin Mag. Doris Schulz: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte KollegInnen! Ich berichte über das 2. Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Mai 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich schließe einen weiteren Bericht an:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Mai 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­des­gesetz über die Gründung einer Bundespensionskasse AG geändert wird, keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr die­ses.


10.25.50

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister Moser! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Datenschutz geht es ja nicht nur um den Schutz irgendwelcher abstrakter Zahlen – nein, es geht um den Schutz des Menschen, der hinter diesen Zahlen, hinter diesen Daten steht. Daten­schutz ist damit Menschenschutz. Der Mensch soll in seiner Privatsphäre, in seiner Individualität geschützt werden. Die Rechtsordnung muss da mit den technischen Möglichkeiten Schritt halten und darf es nicht zulassen, dass der Mensch selbst immer mehr zur Ware wird, indem Informationen über seine Lebensverhältnisse, Lebensge­wohnheiten, ja sogar über seinen Gesundheitszustand, den Bildungsstand, das Kauf­verhalten, über vieles mehr immer mehr zur Handelsware werden, was wir leider im­mer öfter beobachten müssen. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Diesbezüglich muss es Schutzmechanismen geben. Die Europäische Union hat diese Notwendigkeit erkannt und mit der Datenschutz-Grundverordnung eben einen Mecha­nismus geschaffen, europaweit möglichst einhellige Schutzmechanismen festzumachen. Das erfolgte eben deshalb in einer Verordnung, damit eine gleichförmige Umsetzung in


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ganz Europa gewährleistet wird, denn wir wissen, die Daten werden europaweit, ja weltweit verarbeitet, gesammelt, weitergeleitet und da braucht es natürlich auch einen breiten, räumlich breiten Schutzmechanismus.

Was aber macht die österreichische Bundesregierung? – Es wird das allerniedrigste Schutzniveau implementiert, wirklich das allerunterste Niveau! Es gibt keine Verbands­klagen, sodass sich jeder Konsument, jede Konsumentin selbst mit den Großkon­zer­nen wie Google, Facebook und so weiter anlegen muss und sich nicht, selbst wenn es gleichgeartete Schädigungen und eine Vielzahl von Geschädigten, viele Einzelfälle gibt, organisiert in Form von Verbandsklagen, in Form von Sammelklagen wehren kann, was ein Gebot der Stunde wäre. Der Konsument, die Konsumentin soll auf der einen Seite kleingehalten werden und sich eben nicht mit gleichermaßen Geschädigten zusammenschließen und organisieren dürfen, während auf der anderen Seite hoch spezialisierte Anwaltskanzleien stehen, die dann vielleicht gerade in Österreich Probefeldzüge starten und eben genau dieses europäische Rechtskonstrukt auf die Probe stellen wollen.

Also was Sie hier anrichten und was Sie den österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten antun, indem Sie sich da schon über Jahre – und in diesem Fall ganz besonders – gegen Verbandsklagen wehren, meine Damen und Herren von den Re­gierungsparteien, das scheint Ihnen offensichtlich selbst gar nicht bewusst zu sein, denn sonst hätten Sie wirklich ein ordentlich schlechtes Gewissen.

Sie befinden sich damit übrigens auch in schlechter Gesellschaft der Trump-Adminis­tration, die ja unlängst auch die Sammelklagen für Arbeitnehmer und Arbeitnehme­rin­nen hat einstampfen lassen. Es ist aber eben nicht nur das: Im Bereich der inneren Sicherheit wurde das Widerspruchsrecht beseitigt, im Bereich der Straßenverkehrs­ordnung und des Kraftfahrwesens wurden die anonymisierten Daten durch sogenannte pseudonymisierte ersetzt. Was es in der Praxis bedeuten könnte, wenn dann das eine oder andere in einem Akt auftaucht, das scheint Ihnen offensichtlich auch nicht so ganz bewusst zu sein.

Besonders dramatisch ist aber: Sie werfen hoheitlich gesammelte Daten über faden­scheinige Umwege einfach auf den Markt. Gesundheitsdaten, Bildungsdaten können von Institutionen genutzt werden, wenn sie sich vom Verkehrsminister, vom Infra­strukturministerium den Stempel Forschungseinrichtung holen. Das genügt. Die Daten können dann kursieren. Sie entwerten damit grundsätzlich sinnvolle Einrichtungen wie Elga oder auch die Bildungsstandarderhebungen.

Und noch mehr: Sie erschüttern das Vertrauen der Bevölkerung in diese wichtigen und sinnvollen Einrichtungen. Man muss auch dazusagen, Sie verankern ja nicht nur den Datenschutz in Österreich auf im Europavergleich niedrigstem Niveau, Sie unter­schreiten auch die Mindeststandards, sodass die EU-Kommission – vielleicht können Sie dazu noch Stellung nehmen, Herr Minister – schon Interventionen in Aussicht ge­stellt hat. Sie setzen damit übrigens auch Österreich dem Risiko eines EU-Vertrags­ver­letzungsverfahrens mit entsprechenden Folgen, vor allem Kostenfolgen aus. Wir wis­sen, dass das sehr teuer sein kann. Das scheint Ihnen aber wurscht zu sein, denn es ist ja nicht Ihr persönliches Geld, sondern das Geld der Steuerzahlerinnen und Steu­erzahler.

Sie setzen übrigens auch die Österreicherinnen und Österreicher dem Risiko aus, als Versuchskaninchen von Konzernen gebraucht oder teilweise auch missbraucht zu werden, eben wenn es darum geht, das neue Datenschutzrecht auf niedrigstem Niveau auszutesten, weil einfach die Rechtsschutzmechanismen nicht im vollen Umfang ausgestaltet sind. Darauf hat auch Max Schrems, der Datenschützer, der Ihnen ja allen


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bekannt ist, hingewiesen, indem er davor gewarnt hat, dass von diesem niedrigen Schutzniveau eine Sogwirkung ausgehen könnte – und das bitte ich auch zu beachten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluss auch noch etwas Positives: Es ist gelungen, dem – Allmachtswahn, sage ich jetzt nicht – Allmachtsstreben, sage ich, des derzeit amtierenden Bundeskanzlers Sebastian Kurz Einhalt zu gebieten. (Wider­spruch bei der ÖVP.) – Ich habe Allmachtsstreben gesagt. – Er hat nämlich offensicht­lich ein Sammelgesetz bestellt und da allerhand sachfremde Materiengesetze hinein­verpacken lassen, die eigentlich mit dem Datenschutz dem Grunde nach nichts zu tun haben. Das ist dem Vorsitzenden des Verfassungsausschusses Peter Wittmann aufgefallen und das hat auch – erfreulicherweise – bei Vertreterinnen und Vertretern der Regierungsparteien die Alarmglocken läuten lassen, aber auch bei Ihnen, Herr Minister Moser. Das rechne ich Ihnen wirklich sehr hoch an, denn da haben Sie Ihre bewährte Courage, die wir aus dem Rechnungshof kennen, kurzzeitig – ich hoffe, nicht nur kurzzeitig – wieder aufleben lassen und haben hier sozusagen die Notbremse ge­zogen, sodass diese Sammelgesetze und diese Ziffern, die darauf hinweisen, ge­strichen wurden.

Da meine ich schon, diese Alarmbereitschaft sollte auch weiter anhalten, diese Alarmbereitschaft ist bezüglich dieser Bundesregierung auch dringend geboten, denn es geht immerhin um die Grundrechte, um die Rechte der Österreicherinnen und Österreicher. – In diesem Sinne: Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

10.34


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich darf auf der Zuschauergalerie ganz herzlich die Teilnehmerinnen des Politiklehrganges der ÖVP-Frauen Oberösterreich begrüßen. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Robert Seeber. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Lindinger: Jetzt redest du vor eigenem Publikum!)


10.34.28

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Den angesprochenen Damen aus Oberösterreich – ich bin ebenfalls Oberösterreicher – ein herzliches Willkommen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heute zum 2. Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 sprechen. Seit vorigem Freitag ist dieses Gesetz einheitlich in den EU-Staaten in Kraft getreten. Es gibt jetzt einen weltweiten Datenschutzstandard; das möchte ich hier betonen. Die zuständige Justizkommissarin Věra Jourová hat ausdrücklich betont, dass sie auf dieses Regel­werk stolz ist.

Das, was man hier vorgelegt hat, hat Hand und Fuß. Es gibt einen konkreten Nutzen für die Unternehmen und auch für die Bürger. Man hat einen Quantensprung vollzo­gen, letztendlich steht immer der Verbraucher, die Verbraucherin im Fokus, der Bürger, die Bürgerin ist besser geschützt.

Der Datenverkehr durch Unternehmen, durch Vereine und durch Behörden betreffend personenbezogene Daten wird nunmehr streng limitiert beziehungsweise geregelt. Auch als Verbraucher muss man informiert werden: Was geschieht mit meinen Daten? Was machen die damit? Ich muss zustimmen, man muss mich fragen. – Das ist eben­falls eine sehr große Verbesserung. Wenn das nicht geschieht, dann gibt es hohe Geldstrafen. Darauf komme ich noch im abschließenden Teil meiner Rede kurz zu sprechen.


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Es ist auch die Bemerkung gefallen, dass das in drei Sammelgesetzen irgendwo zugeordnet war, was nicht ganz gepasst hat. Das hat man herausgenommen, das ist also entsprechend korrigiert worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines ist klar: Wir leben heute in einer Zeit, in der die Digitalisierung eine ganz rasante gesellschaftliche Entwicklung und einen Wandel eingeleitet hat. Umso mehr ist es erforderlich, dass man einen soliden gesetzlichen Rahmen schafft, um dieser Entwicklung begegnen zu können. Das und nichts anderes hat man gemacht. Ich gebe zu, Frau Kollegin Grossmann, es wird noch Teilbereiche geben, in denen man noch wird nachschärfen müssen, es wird auch noch Novellie­rungen geben müssen, aber wir haben noch Regelungsspielräume, um auch da ent­sprechend eingreifen zu können.

Ich habe mir auch angehört, was Experten über diese Datenschutz-Grundverordnung sagen. Man hat diese jetzt in allen 28 EU-Staaten in Kraft gesetzt. Acht Staaten brauchen noch etwas Zeit, um sie umzusetzen. Die Europäische Kommission hat ausdrücklich betont, dass das Datenschutzgesetz in Österreich ausreichend kommen­tiert ist. Das heißt, das ist meines Erachtens auch eine Auszeichnung für das Justiz­ministerium – Herr Minister Moser ist ja heute unter uns –, und es ist auch ein Beispiel und ein Zeugnis für eine hervorragende Arbeit der Beamtenschaft und der Verwaltung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Frau Kollegin Grossmann, Sie haben vorhin erwähnt, dass Österreich ein Spielfeld für internationale Konzerne werden könnte, die Österreich quasi ein bisschen als Spiel­wiese benützen. Innerstaatlich wird es noch Module für einen zusätzlichen Rechts­schutz, für zusätzliche Rechtssicherheit geben. Laut Experten gab es bis 25. Mai noch keine Rückmeldungen, das muss man auch dazusagen. Man kann nicht sagen – und darauf lege ich großen Wert –, dass es dabei um eine Husch-Pfusch-Aktion geht. Es ist nämlich auch einmal die Bemerkung gefallen, in Deutschland müsse das dem Bun­desverfassungsgericht  vorgelegt werden. Man hat sich bitte viereinhalb Jahre mit die­ser Thematik beschäftigt. Die Bundesrepublik Deutschland hat das vor uns umgesetzt, ist also quasi am ersten Platz und dann kommt erst Österreich. Das möchte ich nur am Rande erwähnen. Man hat da schon sehr gründlich gearbeitet. Die Anpassungen sind rechtskonform, in Zweifelsfällen gibt es immer einen Vorrang vor dem EU-Recht und keine Einschränkungen bei der Rechtssicherheit.

Was Facebook betrifft, gebe ich zu, das ist nicht ganz einfach, Frau Kollegin Grossmann, aber es besteht jetzt auch die Möglichkeit, gegen internationale Konzerne vorzugehen. Die österreichische Datenschutzbehörde kann in Akkordierung mit der europäischen Aufsichtsbehörde Entscheidungen herbeiführen. Diese Möglichkeit hat es bis jetzt nicht gegeben. Das wird noch schwierig werden, das streite ich nicht ab, aber jetzt gibt es eine bessere Rechtsdurchsetzung. Früher war das nur bei den Bezirksverwal­tungs­behörden angesiedelt, jetzt ist die Datenschutzbehörde die tatsächliche Anlaufstelle, die nicht nur Aufsichtsbehörde, sondern auch Strafbehörde ist.

Jetzt bin ich beim eigentlichen Thema und komme gleichzeitig zum Abschluss: Sie wissen, ich bin Unternehmer im Gastronomiebereich und die Regelung betreffend die Strafen ist mir schon zu Beginn sauer aufgestoßen – es stehen ja Strafen bis 20 Mil­lionen Euro im Raum. Das ist natürlich für einen Klein- und Mittelbetrieb existenz­gefährdend, daher muss das Prinzip Beraten statt strafen Eingang finden, das fordere ich vehement.

Es stimmt, Klein- und Mittelbetriebe – ich bin in meinen Gastronomiebetrieben ja auch selbst damit konfrontiert – haben keine große Fachabteilung wie internationale Kon­zerne. Das ist richtig. Daher ist es umso wichtiger, dass die Datenschutzbehörde die­sen Betrieben Hilfestellung bietet. Dazu ist sie auch da, dazu hat man ihren Perso­nal-


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stand von 27 auf 32 aufgestockt – ist ja auch nicht schlecht. Das heißt, man kann die Betriebe diesbezüglich tatsächlich unterstützen. Es gibt ja ein Äquivalent dazu, Sie von der linken, von der sozialistischen Reichshälfte wissen das (Bundesrat Lindinger: So­zial­demokratisch heißt das! – Bundesrätin Grimling: Sozialdemokratisch!), im Arbeits­inspektionsgesetz 1993 hat man auch das Prinzip Beraten statt strafen verankert. Ich würde sogar sagen: Gehen wir so weit, dass wir im Verwaltungsstrafgesetz das auch zum Ausdruck bringen! Es sollte auch dort Eingang finden, denn man darf nicht vergessen, 98 Prozent der Betriebe sind Klein- und Mittelbetriebe, und für den Wirtschaftsstandort Österreich ist so etwas existenzgefährdend; das sollte es nicht geben.

Abschließend: Es ist ein komplexes Werk, es wird noch Novellierungen geben, Rege­lungsspielräume gibt es, aber das Justizministerium, die zuständigen Beamten haben da sehr gute Arbeit geleistet. Ich ersuche, zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.42


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat René Pfister. Ich erteile es ihm.


10.42.26

Bundesrat René Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Seeber ist ent­waffnend ehrlich, wenn er hier zu uns sagt, man werde da noch Novellierungen vor­neh­men müssen, es werde noch Veränderungen geben. Ich erinnere mich an die letzte Sitzung, Herr Minister, in der wir auch genau dieses Thema hatten, und ich denke, dass uns die Herausforderungen in diesem Zusammenhang noch sehr, sehr lange beschäftigen werden.

Wir besprechen das 2. Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz, also den zweiten Teil der Änderungen aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung. Am Beginn meiner Rede muss ich natürlich festhalten, dass ich von der Vorgehensweise der Regierung etwas enttäuscht bin. Wir sind es ja schon gewohnt, dass in verschiedenen Angele­genheiten das Parlament missachtet beziehungsweise nicht entsprechend respektiert wird; etwa von Ministern, die, wenn es um Auskünfte geht oder in der Aktuellen Stun­de, das Parlament nicht ordnungsgemäß behandeln, zumindest nicht so, wie wir es uns wünschen würden.

Man nimmt das Parlament aber auch insofern nicht ernst, als an diesen Materien­ge­setzen, die hier verpackt sind, nicht die Verwaltung, die Beamtinnen und Beamten mit­gearbeitet haben, sondern – und das weiß man – externe Rechtsanwaltskanzleien – auf deren Arbeit stützt man sich –, die nicht nur ein gutes Geschäft damit machen, sondern in den vergangenen Wochen und Monaten auch ein sehr, sehr gutes Geschäft damit gemacht haben, Unternehmungen, vor allem Klein- und Mittelbetrieben, Herr Kollege Seeber, da mehr Angst zu machen, als aufgrund dieses Gesetzes gerecht­fertigt ist.

Mich hat gewundert, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass im Ausschuss die Kollegin­nen und Kollegen der Freiheitlichen Partei da etwas zögerlich waren und eigentlich gar nichts dazu gesagt haben. Wenn man schon versucht, eine solch schwierige Materie anzupassen, dann ist die Vorgehensweise, das Vertrauen hier zu untergraben, absolut falsch.

Ich frage mich, was uns bei den Deregulierungsgesetzen, im Rahmen derer wir 5 000 Gesetze abschaffen und 4 500 davon wieder einführen, noch alles passiert ist, was wir vielleicht noch gar nicht wissen oder was wir noch gar nicht im Detail mitbekommen


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haben, weil mit diesem Sammelsurium viele Dinge geändert werden. Wir haben auch im Ausschuss darüber diskutiert.

Ich habe im Ausschuss schon gesagt, dass hier Beraten statt Strafen anscheinend die Überschrift ist, was einen Kniefall vor großen Konzernen und internationalen Unter­nehmungen bedeutet, indem man da nicht die Strafe in den Vordergrund stellt, sondern Beratung. Wenn ich jetzt beispielsweise – Herr Kollege Seeber hat auch dieses Bei­spiel gebracht – Facebook oder Google hernehme, stelle ich es mir spannend vor, wie der Herr Justizminister dann mit Facebook Kontakt aufnimmt und Facebook berät und, wenn dort 10 000 Datensätze verschwunden sind, sagt, dass das in Zukunft nicht mehr vorkommen darf.

Das heißt in Wirklichkeit, dass Sie die Großen genau mit dieser Anpassung auch schüt­­zen. Ich weiß nicht, warum man sich nicht ambitioniert auf das Verbandsklage­recht geeinigt und dieses eingeführt hat, damit man politisch die Möglichkeit gehabt hätte, diese Giganten – Facebook, Google und wie sie alle heißen – in die Knie zu zwingen; denn was im Datenschutzbereich passiert, lieber Herr Minister – wir haben es letztes Mal schon diskutiert –, erfahren wir tagtäglich: Probleme, Problemstellungen im Zu­sam­menhang mit Veränderungen, mit Daten, die quer über den Globus versendet oder natürlich auch gekauft oder auch verschachert werden.

Wir haben im Ausschuss von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Ministeriums sehr, sehr ausführliche und sehr, sehr umfangreiche Antworten bekommen. Aus meiner Sicht wurde aber nicht alles hundertprozentig geklärt, und meine Kollegin Sissi Grossmann hat schon gesagt: Ausschließen können wir da gar nichts! Rechts­sicher­heit haben wir mit diesem Gesetz nicht, es ist möglich, dass ein Vertragsverletzungs­verfahren der Europäischen Union auf uns zukommen wird, sodass wir dann mehr Probleme haben als derzeit mit der Verordnung.

Wenn es Novellierungen gibt – und Sie haben letztes Mal auch gesagt, dass uns bereits im Zusammenhang mit dem ersten Gesetzesbeschluss Novellierungen ins Haus stehen werden –, dann darf man schon auch sagen, dass das auch mit der Speed-kills-Variante zusammenhängt: Wir setzen einfach schnell etwas um, der Herr Bundeskanzler gibt etwas in Auftrag. Gott sei Dank gibt es aber auch noch MinisterIn­nen und vor allem auch Ausschüsse im Parlament, die sich das genauer anschauen – nicht nur die Allmachtsfantasien einiger weniger. (Bundesrat Mayer: ... wir hätten das schon längst beschließen sollen!)

Im Zusammenhang mit Datenschutz aber auch folgender Punkt: Auf der einen Seite sind ganze Bereiche oder Staatsapparate betroffen, wie beispielsweise das BVT, wo noch nicht ganz geklärt oder noch nicht klar ist, was dort alles passiert. Man musste nach einem Monat wieder zurückrudern, es hat sich herausgestellt, dass nur persön­liche Befindlichkeiten in den Vordergrund gestellt wurden, Personen abgesetzt wurden, die man dann sofort in den Dienst zurückstellen musste. Und jetzt sagt man mit sanfter Stimme – so, als hätte man Kreide gegessen –, man werde alles gemeinsam bear­beiten. Zuerst der Staatsfeind und dann wieder der beste Freund! – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird noch spannend, wir werden sehen, was da noch passiert!

Ich habe im Zusammenhang mit dem Datenschutz ein bisschen ein Problem, wenn es, ob im Gesundheitsbereich oder im Verkehrsbereich, pseudonymisierte Daten gibt. Es hat schon jeder von uns, die wir hier sitzen, das eine oder andere Verkehrsdelikt be­gan­gen, ob das jetzt eine Strafe aufgrund Schnellfahrens oder eines anderen Verge­hens war. Es sollte dann jedenfalls nicht möglich sein, diese pseudonymisierten Daten zurückzuverfolgen. Viele Österreicherinnen und Österreicher werden sich freuen, wenn sie dann in Listen und in diversen Statistiken nicht mehr anonymisiert aufscheinen, wenn sie durch den Einsatz relativ einfacher Mittel, die diese elektronische Verar­bei-


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tung zulässt, dann wieder aufscheinen. Das geht also zulasten der Bürgerinnen und Bür­ger, das geht zulasten der Österreicherinnen und Österreicher, die nicht die Mög­lichkeit haben, diesen umfassenden Rechtsschutz zu genießen oder diese Rechts­mittel einzusetzen, begünstigt jedoch die Unternehmerinnen und Unternehmer, vor allem die großen Konzerne, die dieses Spielfeld nützen.

Ein kleines Beispiel im Zusammenhang mit dem Datenschutz, den Datenschutzrechten und vor allem auch den Überwachungstendenzen, die in der Bundesregierung vorherr­schen – ich darf da Anleihe bei den Ausführungen einer Kollegin nehmen, die das in etwas abgewandelter Form schon gesagt hat –: Mit der Datenschutz-Grundverordnung ist das ungefähr so – so ähnlich muss man sich das vorstellen –, als würde man jeder Österreicherin und jedem Österreicher, unterstützt von privaten Rechtsanwalts­kanz­leien, sagen: Kauft euch die beste Sicherheitstür, kauft euch die Sicherheitstür mit dem höchsten Einbruchsschutz!, aber gleichzeitig dann im Innenministerium und im Justiz­ministerium den Generalschlüssel für diese Sicherheitstüren hinterlegen. Und wenn dann irgendetwas passiert, kommt der Herr Justizminister und sagt: Ich muss Sie beraten – strafen wird nicht funktionieren –, Ihnen sagen, dass Sie diesen Univer­sal­schlüssel nicht verwenden dürfen! (Bundesrat Mayer: Das ist jetzt schon eine schwere Konstruktion!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei diesen Anpassungen, in denen wir einen Kniefall vor der Wirtschaft und vor allem vor den Großkonzernen sehen, können wir nicht mit­gehen. Das werden wir auch nicht unterstützen, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ.)

10.50


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Sperl. Ich erteile es ihm.


10.50.59

Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Ein bisschen verwundert mich schon, was Kollege Pfister zuletzt gesagt hat, nämlich dass Sie nicht mitgehen können. Sie hätten ja ausreichend Zeit gehabt, das in Ihrer Regierungszeit umzusetzen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Mayer: Ja, genau! – Bundesrat Pfister: ... Verbands­klagen gewesen! Da war die ÖVP nicht ...!)

Es war ausreichend Zeit, und hinterher zu sagen, das war nicht so, und dann alles besser zu wissen ist nicht richtig, aber das ist anscheinend die derzeitige Situation, die Art, wie Sie das gerne machen. Vorher haben Sie es nicht zustande gebracht oder nicht zustande bringen wollen, und jetzt sagen Sie, da gehen Sie nicht mit, weil es die anderen gemacht haben. Das ist auch eine Methode. (Bundesrätin Grimling: Nicht anders als bei euch! – Bundesrat Pfister: Gesundheitsdaten verschachern ...!)

Wir haben in der letzten Sitzung schon das erste Materien-Datenschutz-Anpassungs­gesetz behandelt, betroffen waren damals etwa 128 Gesetze, jetzt sind weitere 100 Ge­setze betroffen. (Bundesrat Pfister: 150!) In vielen Gesetzen werden, das sieht man, wenn man es sich anschaut, nur kleine Änderungen vorgenommen, textliche Än­de­rungen, es werden alte Begriffe gegen neue ausgetauscht, in manchen Bereichen aber auch neue Textpassagen eingesetzt, neue Datenschutzbestimmungen hineinge­nom­men.

300 Seiten umfasst allein der Textvergleich zwischen altem und neuem Gesetzestext; eine Unmenge, die umzusetzen war. Dies hat sicherlich sehr viel Arbeit für die Mitar­beiter in den Ministerien bedeutet, daher gilt ihnen unser Dank auch dafür, dass sie das innerhalb dieser kurzen Zeit, in der diese Regierung dafür verantwortlich ist, um­gesetzt haben.


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Seit 25. Mai ist das nun in Kraft, und Sie selbst, wir alle haben jede Menge Mails, jede Menge Schreiben bekommen, in denen sich die ersten Auswirkungen bereits zeigen. Der eine oder andere von Ihnen hat vielleicht auch die Möglichkeit genützt und die Zustimmung nicht erteilt, um auf diese Art Altlasten zu beseitigen und seinen eigenen Bestand zu bereinigen.

Vor allem die SPÖ spricht ja immer von den Großkonzernen, aber meiner Meinung nach viel mehr betroffen sind die Bürger, die in Vereinen tätig sind, Vereinsobleute, Vor­standsmitglieder. Auch sie haben sich jetzt damit zu befassen, haben das umzu­setzen, und diese jetzt, wenn sie einen Fehler, einen kleinen Fehler machen, gleich zu strafen, wie ihr das fordert - - (Bundesrat Pfister: 4 Prozent ... Umsatz bei einem Verein, geh, hör auf!) – Es geht nicht um den Umsatz, sondern darum, dass die auch bestraft werden müssten. Ihr wollt sie, die Vereinsobleute, dann gleich bestrafen und nicht vorher beraten. Ich glaube, dass das Motto Beraten statt strafen eine gute Lösung ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ganz sicher trägt diese Diskussion aber auch dazu bei, dass die Bürger allgemein sensibler mit ihren Daten umgehen. Ich bin überzeugt davon, dass viele erst jetzt durch diese Diskussion, durch die Berichterstattung und so weiter viel mehr auf ihre Daten schauen und achten.

Ich bin überzeugt davon, dass das letztendlich ein gelungenes Werk ist, das innerhalb kurzer Zeit von der Regierung umgesetzt worden ist, und dass es allgemein wesentlich zur Sensibilisierung im Umgang mit Daten beiträgt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.55


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Oberlehner. Ich erteile es ihm.


10.56.08

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bun­desrat! Da meine Vorredner schon ausführlich über das hier vorliegende umfassende Gesetzeskonvolut des 2. Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetzes gesprochen haben und vor allem mein Fraktionskollege Robert Seeber zu diesem Tagesordnungs­punkt auch ausführlich erklärt hat, was die Vorteile sind und welche Sicherheiten sich ergeben – Kollege Sperl hat das noch ergänzt –, darf ich meine Ausführungen zu Tagesordnungspunkt 2 machen, nämlich betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gründung einer Bundespensionskasse AG geändert wird, der offenbar aufgrund eines formalen Versehens ein eigener Tagesordnungspunkt ist; es war vielleicht eine verspätete Eingabe. Ich darf mich auf diesen Punkt beschränken, dazu einige Dinge ausführen und kann meine Ausführungen dazu sehr kurz halten.

Dieser Gesetzesbeschluss dient natürlich ebenfalls der inhaltlichen Anpassung an die Datenschutz-Grundverordnung im Zusammenhang mit der Gründung einer Bun­des­pen­sionskasse. Bisherige Begriffe des DSG 2000 werden ergänzt und leicht verändert durch Begriffe der Datenschutz-Grundverordnung 2018. In § 2 Abs. 2 wird eine Klar­stellung hinsichtlich der Rolle der Bundespensionskasse AG als Verantwortlicher ge­troffen. Es wird auch für den Umstand, dass für die Erfüllung des Pensionskas­sen­ge­schäftes die Verarbeitung der übermittelten personenbezogenen Daten erforderlich ist, eine Klarstellung getroffen, da dies eine wesentliche Voraussetzung für die Durch­führung und Erfüllung der Aufgaben als betriebliche Pensionskasse darstellt.

Die Bundespensionskasse AG als Verantwortlicher sowie auch etwaige Auftrags­verar­beiter haben die jeweils geltenden gesetzlichen Datenschutzpflichten selbstver­ständ­lich einzuhalten und zu erfüllen. Das ist der Inhalt und der Grund dieses Gesetzes.


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Genau genommen werden die ohnehin schon bisher sehr sicheren Datenschutz­bestim­mungen im Bereich der Bundespensionskasse beziehungsweise bei der Gründung einer Bundespensionskasse noch einmal verstärkt, ja man könnte sogar sagen, sie werden verdoppelt.

Meine Fraktion wird daher auch diesem Beschluss des Nationalrates gerne ihre Zu­stimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.58


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Michael Raml. Ich erteile es ihm.


10.58.42

Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­si­dent! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Am Ende dieser durchaus emotional und differenziert geführten Debatte kann man noch einmal eines festhalten: Die SPÖ hat die Märchenstunde, die sie zu Beginn der Sitzung begonnen hat, bei diesem Tagesordnungspunkt fortgesetzt (Zwischenruf des Bundes­rates Weber ich weiß nicht, ob absichtlich oder unabsichtlich, ob ihr es nicht besser wisst oder ob ihr es nicht besser wissen wollt.

Es ist klar herausgekommen, es gibt hinsichtlich Datenschutz, gerade was die DSGVO betrifft, sehr große Verunsicherung in der Bevölkerung. Die einen reagieren mit Wut, die anderen nehmen es ein bisschen lockerer, reagieren mit Spaß, wie kürzlich ein Metzger aus Salzburg, der gesagt hat, wenn es die Kunden wünschen, dann tut er künftig aus Datenschutzgründen so, als würde er sie nicht kennen. Man kann das also so oder so sehen. Eines ist auch klar – auch das wurde heute schon genannt –: Die drohenden hohen Geldstrafen machen Angst. Da muss man aber schon bei der Wahrheit bleiben und sagen: Es gilt bei uns Gott sei Dank der Grundsatz Beraten statt strafen. Die Behörde ist angehalten, wenn das irgendwie möglich ist, nach diesem Grundsatz vorzugehen.

Eines muss man auch noch sagen, und das bezieht sich auch auf die Märchen der SPÖ: Es ist schon frech und unredlich, da Sie (in Richtung SPÖ) in der letzten Legis­laturperiode selbst in der Regierung vertreten waren, sich jetzt hierherzustellen und so zu tun, als hätten Sie selbst nichts machen können. Es ist leicht, sich jetzt hierher­zustellen und nur unsachlich zu kritisieren. Es ist unredlich, so zu tun, als wäre das alles eine Erfindung aus Österreich. Die Wahrheit ist: Wir und vor allem die Regierung setzen nur das um, was eure hochgeliebte Europäische Union uns verpflichtend vor­schreibt. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Diese Bundesregierung kann nur eines machen, nämlich versuchen, Schlimmeres zu verhindern, und vor allem darauf achten, dass keine überschießenden Regelungen stattfinden, kein Gold Plating betrieben wird.

Zum Abschluss sage ich noch Folgendes zur „Märchenstunde“ der SPÖ: Ich mache mir keine Sorgen, wenn anonymisierte Daten an Forschungseinrichtungen übermittelt werden. Wenn die SPÖ der Meinung ist, dass man Forschung blockieren soll, dass man Forschung nicht weiter betreiben soll, dann soll sie hier herausgehen und soll das genau so sagen, anstatt irgendwelche Märchen zu erzählen und die Bevölkerung draußen zu verunsichern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Regierung ist angetreten, um zu arbeiten, sie ist angetreten, um Reformen umzusetzen – wir unterstützen diese Bemü­hungen und wir werden daher dem vorliegenden Antrag selbstverständlich zustimmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.01



BundesratStenographisches Protokoll880. Sitzung, 880. Sitzung des Bundesrates am 30. Mai 2018 / Seite 61

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Josef Moser. Ich erteile es ihm.


11.02.00

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte heute hat gezeigt, dass jeder bereit ist, den Datenschutz ernst zu nehmen und sich damit zu beschäftigen. Das ist schon einmal ein guter Aspekt.

Es wurde davon gesprochen, dass in diesem Bereich nach dem Motto Speed kills vor­gegangen wurde, dass also wir, sprich die Regierung, innerhalb kurzer Zeit zwei Sam­melgesetze mit 228 Artikeln vorgelegt haben. Das zeigt, dass wir den Datenschutz tatsächlich ernst nehmen, indem wir vor Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverord­nung am 25.5.2018 die nötigen Anpassungen vorgenommen haben. Damit sind wir in Europa Vorreiter. Wir gehören – es ist angesprochen worden – nach Deutschland zu denjenigen, die ihre Aufgabe wahrgenommen haben. Dass aber in letzter Zeit sehr wohl eine gewisse Verunsicherung bei der Bevölkerung eingetreten ist, ist darauf zurückzuführen, dass man den Zeitraum für die nötige Anpassung – einen Zeitraum von mehr als vier Jahren – nicht genützt hat und ihn hat verstreichen lassen. Das hat dazu geführt, dass wir nun innerhalb von 50 Tagen diese Anpassungen umsetzen muss­ten, damit mit 25.5.2018 die Unternehmen und jede Bürgerin und jeder Bürger auch wirklich wissen, woran sie sich zu halten haben.

Die Datenschutz-Grundverordnung musste so umgesetzt werden, wie das vorgesehen war, sodass sie in Österreich in der Praxis auch entsprechend anwendbar ist. Wir sind diesbezüglich so vorgegangen, dass wir die in der Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen Öffnungsklauseln und den darin vorgesehenen Spielraum genützt haben, um den Datenschutz genau so anwendbar zu machen, dass die Rechte, die Schutzmechanismen, beispielsweise auch in der Justiz, nach wie vor gegeben sind beziehungsweise voll in Geltung stehen. Das heißt, wir haben das sehr, sehr ernst genommen, weil eben – wie Frau Bundesrätin Grossmann angesprochen hat – Daten­schutz ein Menschenrecht ist und Datenschutz Schutzmechanismen braucht. Das haben wir ernst genommen und in den Sammelgesetzen auch entsprechend darge­stellt.

Auch dazu ein Punkt: Aufgabe des Justizministeriums war es, genau diese Sammel­ge­setze zusammenzustellen, darauf zu achten, dass sie übersichtlich und lesbar sind, und damit Ihnen und auch den Bürgerinnen und Bürgern die nötigen Darstellungen vorzulegen. In diesem Zusammenhang möchte ich mich bedanken, insbesondere bei den Bundesräten Seeber und Sperl, die die Arbeit der Beamten und Beamtinnen hervorgehoben haben, weil gerade diese Arbeit eine sehr, sehr intensive war. Diese haben ihre Arbeit mit großer Akribie und sehr viel Sachverstand erledigt, sodass die vorliegenden Gesetzesnovellen sicherlich auch Bestand haben werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich bin Ihnen, Frau Bundesrätin Grossmann, sehr dankbar dafür, dass Sie darauf hin­gewiesen haben, dass das Justizministerium als zuständiges Ministerium darauf Be­dacht genommen hat, dass in dieses Sammelgesetz nur jene Materien, sprich Gesetze, aufgenommen werden, die notwendig sind, damit die Anpassung ent­sprechend der Datenschutz-Grundverordnung auch tatsächlich stattfindet. Sie haben recht, es war bei drei Materien aus dem Finanzministerium der Fall, dass sie nicht genau den vor­gegebenen Richtlinien entsprochen haben, weshalb diese drei Materien heraus­genom­men wurden. Aber wenn man bedenkt, dass nunmehr insgesamt 228 Materien, sprich Gesetze, angepasst werden und nur drei Materien den Vorgaben, nämlich dass nur


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jene Gesetze aufgenommen werden, die für die Datenschutz-Grundverordnung angepasst werden müssen, nicht entsprechen, dann ist das, glaube ich, ein guter Weg. Das zeigt auch, dass die Ministerien ihre Aufgabe wahrgenommen haben und auch tatsächlich darauf geachtet haben, dass sich dieses Sammelgesetz nur mit den not­wendigen Materien beschäftigt.

Es wurde auch angesprochen, dass gerade wir im Rahmen der Umsetzung der Daten­schutz-Grundverordnung nicht die nötigen Schutzmechanismen vorgesehen haben beziehungsweise dass wir Verwässerungen vorgenommen haben. Ich möchte doch darauf hinweisen, dass die Datenschutz-Grundverordnung für jeden Staat zu 100 Pro­zent gilt, und zwar unmittelbar. Das heißt, auch wenn es so wäre, dass durch die Anpassungsgesetze gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoßen wird, gilt die Datenschutz-Grundverordnung zu 100 Prozent, somit ist auch eine Verwässerung nicht möglich.

Österreich hat, wie gesagt, eine Vorreiterrolle eingenommen; Österreich hat auch eine Datenschutzbehörde, die ihre Aufgabe wahrnimmt und sich auch genau auf diese Aufgabe vorbereitet hat.

Angesprochen worden ist auch der Grundsatz Beraten statt strafe“, der besagt, dass der Beratungsansatz vor der Strafe kommt. Das ist ein Grundsatz, der auch in der Datenschutz-Grundverordnung beinhaltet ist. In Artikel 58 der Datenschutz-Grundver­ordnung ist Folgendes ausgeführt:

„(2) Jede Aufsichtsbehörde verfügt über sämtliche folgenden Abhilfebefugnisse [...]

a) einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter zu warnen, dass beab­sich­tigte Verarbeitungsvorgänge voraussichtlich gegen diese Verordnung verstoßen,

b) einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter zu verwarnen, wenn er mit Verarbeitungsvorgängen gegen diese Verordnung verstoßen hat“.

Das heißt also, die Datenschutz-Grundverordnung sieht vor, dass eine Datenschutz­behörde als Aufsichtsbehörde und Strafbehörde sowohl verwarnt als gleichzeitig auch berät beziehungsweise straft.

Genau diesen Grundsatz haben wir mit dem Entschließungsantrag aufgenommen, für den Fall nämlich, dass eine Datenschutzverletzung, eine erstmalige Datenschutz­ver­letzung vorliegt, der weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zugrunde liegen. In dem Fall ist entsprechend der Datenschutz-Grundverordnung zuerst zu beraten und erst dann zu strafen. Das heißt, wir sind da voll im Einklang mit der Datenschutz-Grund­verordnung und – worauf ich auch hinweisen möchte – auch im Einklang mit dem Arbeitsinspektionsgesetz. Schauen Sie sich § 9 des Arbeitsinspektionsgesetzes an! Es ist auch da schon seit vielen Jahren die Regel, dass der Arbeitsinspektor zuerst warnen oder beraten und erst in der Folge bestrafen soll. Ich glaube, das ist ein guter Ansatz, eine gute Methode, dass der Staat nicht nur straft, sondern zuerst berät und dann straft, wenn es möglich ist, weil eben weder eine grob fahrlässige noch eine vorsätzliche Vorgangsweise vorliegen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist auch die Verbandsklage angesprochen worden. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen – Sie wissen, Herr Bundesrat Pfister, dass wir darüber schon das letzte Mal diskutiert haben –, dass wir ja die Möglichkeit einer Sammelklage haben. Wir haben die Möglichkeit einer mandierten Sammelklage, und das heißt, dass ein Betroffener eine Organisation oder einen Verband beauftragen kann, für ihn eine Beschwerde einzubringen. Das gibt es. Was es aber nicht gibt – und das ist, glaube ich, das, was Sie angesprochen haben –, ist eine nicht mandierte Verbandsklage. Das heißt, dass eine Organisation oder ein Verband eine Beschwerde einbringen kann, ohne von einem Betroffenen beauftragt worden zu sein, das zu tun. Das ist ein Umstand, der


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auch in der Datenschutz-Grundverordnung nicht vorgesehen, nicht verpflichtend vor­gesehen ist. – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist, dass es international, beispielsweise in Amerika, genau diese nicht mandierten Verbandsklagen gibt, die zu einem sogenannten Legal Blackmailing führen. Das heißt, dass schikanös Beschwerden eingebracht werden, um die Unter­nehmer damit in Schwierigkeiten zu bringen, und man deshalb eine bestimmte Vorsicht walten lassen muss.

Dazu möchte ich sagen, dass diesbezüglich auf internationaler Ebene, auf EU-Ebene gerade Bemühungen im Gang sind. Sie wissen, dass derzeit ein Entwurf der Euro­päischen Kommission im Zusammenhang mit der Unterlassungsklagenrichtlinie zum Verbraucherschutz vorliegt, und auch darin ist grundsätzlich vorgesehen, dass der sogenannten Leistungsklage, sprich Sammelklage, eben grundsätzlich eine Beauf­tra­gung zugrunde liegen soll. Eine Beauftragung ist nur dann nicht vorgesehen, wenn es sich um die Geltendmachung von Bagatell- oder Streuschäden handelt.

Das heißt, wir befinden uns auch damit im Einklang mit den Vorgängen beziehungs­weise Diskussionen, die auf europäischer Ebene stattfinden, und ich kann Ihnen versichern, dass dieses Thema im Rahmen der weiteren Behandlung auf EU-Ebene von uns mitverfolgt und mit in Angriff genommen wird. Ich glaube aber, man sollte keinen Alleingang in Österreich starten, man soll nicht päpstlicher sein als der Papst. Ich möchte darauf hinweisen: Hätten wir eine diesbezügliche Sammelklage eingeführt, wäre das wieder ein Gold Plating gewesen, und wir hätten in Österreich eine Rege­lung, die es in anderen Staaten nicht gibt, und das wollen wir in dem Zusammenhang nicht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Abschließend vielleicht noch ein Punkt, der, wie ich glaube, uns alle trifft, Nationalrat, Bundesrat, Bund, Länder, Gemeinden, insbesondere wenn man die Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt: Wir haben auch im Bereich des Datenschutzes eine zersplitterte Kompetenzlage. Wenn jemand seine Daten in den Kalender einträgt, sind die Länder zuständig, wenn jemand seine Daten beispielsweise in seinen Computer einträgt, also automationsunterstützt verarbeitet, ist der Bund zuständig. Das heißt, wir haben im Datenschutz ein Bundesgesetz und neun Landesgesetze. Das hat dazu geführt, dass in drei Bundesländern schon eigene Landesgesetze erlassen worden sind, und man hat darauf hingewiesen, dass für den Datenschutz ohnehin wiederum die Bundes­behörde, sprich die Datenschutzbehörde, und in zweiter Instanz das Bundesverwal­tungs­gericht zuständig sein sollte.

Ich glaube, in Zeiten wie diesen, in denen sich jeder für einen klaren Föderalismus aus­spricht, wäre es zweckmäßig, dass wir beim Datenschutz eine einheitliche Kompetenz schaffen, diesen Bereich zusammenfassen und in die Kompetenz des Bundes legen. Das wäre für die Bürgerinnen und Bürger einfacher. Es wäre übersichtlicher und würde auch den Unternehmerinnen und Unternehmern dienen. Ich meine, das wäre ein Födera­lismus, wie wir ihn uns vorstellen, ein klarer Föderalismus: Eine Stelle ist verant­wortlich, und die Bürgerinnen und Bürger sind nicht in der Situation, sich aus zehn Gebietskörperschaften in irgendeiner Art und Weise heraussuchen zu müssen, was sie benötigen. Das soll nicht sein.

Aus diesem Grund ersuche ich Sie um Ihre Unterstützung, damit wir diese verfas­sungsrechtlichen Kompetenzänderungen in nächster Zeit zustande bringen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.12

11.12.08


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2018 betreffend das 2. Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gründung einer Bundespensionskasse AG geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.13.073. Punkt

Datenschutzbericht 2017 (III-652-BR/2018 d.B. sowie 9972/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir kommen nun zu Punkt 3 der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Sandra Kern. Ich bitte um den Bericht.


11.13.18

Berichterstatterin Sandra Kern: Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Aus­schusses für Verfassung und Föderalismus über den Datenschutzbericht 2017, vorge­legt vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf deshalb gleich zur Antrag­stellung kommen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Mai 2018 den Antrag, den Datenschutzbericht 2017 (III-652-BR/2018 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Doris Schulz. Ich erteile es ihr.


11.14.03

Bundesrätin Mag. Doris Schulz (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte KollegInnen! Der Datenschutzbericht 2017 wurde vom Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz vorgelegt und von der Daten­schutzbehörde der Republik Österreich erstellt. Bei genauem Durchblättern stellt man sofort fest, dass der Bericht auf knapp 50 Seiten sehr lebendige, weil exemplarische Darstellungen bietet, die ich auch als Nichtjuristin verstehen und nachvollziehen konnte. Streckenweise war es fast krimiartig spannend, diesen Bericht durchzublättern und zu lesen.

Es wurden immerhin rund 2 200 Rechtsauskünfte erteilt, auch Informationen über Beschwerdeverfahren sowie Genehmigungen für Datenverwendung sind darin zu finden. Die Zahl der Rechtsauskünfte der Datenschutzbehörde stieg zum Beispiel deut­lich an. Es finden sich statistische Darstellungen und Aufschlüsselungen, die jeder Bericht braucht; so zum Beispiel für Verfahren und Auskünfte bei Individual­be­schwer-


BundesratStenographisches Protokoll880. Sitzung, 880. Sitzung des Bundesrates am 30. Mai 2018 / Seite 65

den, die insgesamt aber – und das ist eine gute Nachricht – weniger wurden. Kontroll- und Ombudsmannverfahren wurden mit 426 beziffert. Die Rechtsauskünfte an Bür­gerinnen und Bürger sind ein eigenes umfassendes Thema, und die Genehmigun­gen im internationalen Datenverkehr sind ebenso dargestellt. Man muss sich vor­stellen, dass es da um Millionen von Daten geht.

Stammzahlenregisterbehörden, Stellungnahmen zu Gesetzes- und Verordnungsent­wür­fen sind aufgeschlüsselt; das Stammzahlenregister zum Beispiel weist bereits 264 Millionen spezifische Personenkennzahlen aus, um 30 Prozent mehr als im Vor­jahr. Das heißt, Daten werden immer mehr, und sie aufgeschlüsselt festzuhalten ist die tatsächliche Herausforderung.

Interessant ist ganz bestimmt für die wissenschaftliche Forschungsstatistik, dass die Datenschutzbehörde Genehmigungen für den internationalen Datenverkehr abge­wickelt hat, zum Beispiel für die digitale Vignette der Asfinag, für E-Gates als auto­matisierte Grenzkontrollen in Niederösterreich oder für den Einsatz von anlassbezo­genen Überwachungen per Bodycams durch die Mitarbeiter des Zugbegleitdienstes der Ostregion der ÖBB. Das sind plakative Beispiele dafür, wie tief die Datenerfassung geht, die notwendig ist, und was daraus für Forschung, Wirtschaft und Wissenschaft, die ja eine wesentliche Grundlage für die Weiterentwicklung ist, abgeleitet werden kann.

Es sind in diesem Datenschutzbericht 2017 aber grundsätzlich keine Übererfüllung und keine überbordende bürokratische Extraaufgabe zu erkennen, sondern – und auch das ist ein wesentlicher Punkt – Tätigkeiten im Bereich der europäischen Zusammenarbeit wie zum Beispiel im Zusammenhang mit Europol, Schengen, mit Zollabwicklungen, mit Eurodac – da geht es um den Personenverkehr, um Personen, die nicht amtskundig sind – oder mit dem Visa-Informationssystem wurden im Datenschutzbericht abge­bildet.

In dem Bericht sind auch wesentliche höchstgerichtliche Verfahren dargestellt. Natio­nale, aber auch europäische Gerichtshöfe sind zum Beispiel mit dem Thema Video­über­wachung befasst oder auch dann, wenn es um personenbezogene Daten geht, um persönliche Daten, um Unternehmensdaten, die sich über mehrere Länder hinweg­ziehen, und auch das heißt es darzustellen, zu kontrollieren.

Der Datenschutzbericht ist vorwiegend von den Vorbereitungen der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung, über die wir heute schon intensiv gesprochen haben, geprägt. Der Datenschutzbericht ist ein wesentlicher vorbereitender Schritt dafür. Ich danke der Direktorin der Datenschutzbehörde, Frau Dr. Andrea Jelinek, sehr herzlich für die Aufbereitung und Darstellung des Berichts, und vor allem bedanke ich mich sehr herzlich bei Bundesminister Josef Moser. Wir vonseiten der ÖVP werden den Bericht sehr gerne und dankend zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.18


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.


11.18.51

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Bundesminister! Auch unsere Fraktion wird diesen Bericht einer bei­spielhaft kleinen, aber sehr effizient und wirklich toll arbeitenden Behörde zur Kenntnis nehmen. Sie fällt ja nicht in den Kompetenzbereich des Innenministeriums, konnte also nicht versenkt werden, sondern arbeitet. 27 Personen unter der Leitung von Frau Dr. Jelinek zeigen, dass sogar in einem schwierigen Jahr, in dem die Safe-Harbor-Regelung mit den USA weggefallen ist und es zu einem dramatischen Anwachsen vor


BundesratStenographisches Protokoll880. Sitzung, 880. Sitzung des Bundesrates am 30. Mai 2018 / Seite 66

allem der Handelsdaten kam, mehr Daten erledigt werden können als 2017. Das zeigt einfach, mit welcher Effizienz und mit welcher Präzision hier gearbeitet wird.

Dabei ist unsere Datenschutzbehörde vielfach involviert. Zum Beispiel im Europarat vertritt sie im Rahmen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Öster­reich. Auch bei Europol ist sie vertreten. Bei Eurodac – das ist jene Behörde, die die Fingerabdrücke vergleicht – hat sie die österreichische Koordination über. Beim ge­meinsamen Zollinformationssystem, ZIS, aber auch beim Schengen-Abkommen ist die Datenschutzbehörde hinsichtlich Überwachung und Verarbeitung der Daten vertreten. Das Stammzahlenregister hat die Vorrednerin schon angesprochen. Da geht es ja nicht nur um die Personen, die im Stammzahlenregister drinnen sind, sondern auch um die Identifizierung jener, die nicht im Melderegister sind. Da kommen also das Ergän­zungsregister, das Unternehmensregister und das Vollmachtsregister bei der Handy­sig­natur dazu.

Im Zuge der vorher leider beschlossenen Datenschutz-Grundverordnung kommt noch dazu, dass die DSB vier Personen für die Verwaltungsstrafbehörden abstellen muss. Das ist für eine kleine Behörde mit 27 Leuten eine unglaubliche Leistung, die sie da erbringen muss. Das möchte ich hier noch einmal deutlich unterstreichen.

Es gibt nun den EU-US-Datenschutzschild, der jetzt beschlossen wurde. Schauen wir, ob es da nicht wieder Probleme bezüglich Safe Harbor geben wird. Die Diskussionen kennen wir ja alle, nicht zuletzt was zum Beispiel Facebook und anderes betrifft. Ich befürchte, dass wir gerade im transatlantischen Datenverkehr weitere Schwachstellen haben werden.

Die Datenschutzbehörde hatte im Jahre 2017 156 Individualbeschwerden zu bewäl­tigen, 333 Kontroll- und Ombudsmannverfahren, 93 amtswegige Prüfungsverfahren und hat 2 239 Rechtsauskünfte gegeben – das ist eine der Zahlen, die steigend sind. Wie gesagt, bei den Genehmigungen im internationalen Datenverkehr, sprich Handel, gibt es durch die neue Regelung, die da getroffen wurde, einen dramatischen Rück­gang, aber die Zahlen sind dennoch auf einem höheren Niveau als zwei Jahre zuvor – das muss man auch sehen, dahinter steht ja auch eine entsprechende Tätigkeit. Und es gibt auch ein leichtes Ansteigen der Zahl der Verfahren vor dem Bundesverwal­tungsgericht.

Dieser vorgelegte Bericht der Datenschutzbehörde – es ist der vierte und letzte dieser Art – wird auf jeden Fall unsere volle Zustimmung bekommen. Ich hoffe nur, dass trotz dieses Sammelgesetzes, das vorher beschlossen wurde und das Vorberatungsprinzip der Fachausschüsse eigentlich abgeschnitten hat, in Zukunft nicht Datenschutzberichte aus Österreich vorliegen werden, die das, was wir heute hier lesen, bei Weitem spren­gen werden, nämlich im Missbrauchsbereich. In diesem Sinne: Wir stimmen dem Bericht zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.23


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Spanring. Ich erteile es ihm.


11.24.02

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und auch jene, die uns via Livestream zuschauen! Der vorliegende Datenschutz­be­richt 2017 der Datenschutzbehörde umfasst knapp 50 Seiten, wie wir gehört haben: 50 Seiten voll mit Analysen, mit der Darstellung, welche Aufgaben die Datenschutzbehörde zu be­wältigen, welche Bereiche abzudecken hat, knapp 50 Seiten, die wirklich interessant


BundesratStenographisches Protokoll880. Sitzung, 880. Sitzung des Bundesrates am 30. Mai 2018 / Seite 67

und auch sehr informativ sind. Diese 50 Seiten lassen wirklich darauf schließen, dass die Behörde zumindest im vorigen Jahr sehr gut und sehr professionell gearbeitet hat.

Neben mehr als 2 200 Rechtsauskünften, zahlreichen Beschwerdeverfahren, darunter viele Individualbeschwerden, aber auch solche, bei denen die Behörde als Ombuds­mann aufgetreten war, und natürlich auch vielen Genehmigungen für Datenverwen­dungen war das Jahr 2017 von den Vorbereitungen zur DSGVO Neu geprägt

Vor wenigen Jahren noch haben sich sehr wenige Menschen Gedanken über den Schutz ihrer persönlichen Daten gemacht. Gerade die Datenschutz-Grundverordnung und die damit in Zusammenhang stehenden Diskussionen in all ihren Facetten, näm­lich über die negativen wie auch die positiven Punkte, die Vorteile wie auch die Nach­teile, haben eines sehr wohl geschafft, nämlich dass sich sehr viele Bürger inzwischen mit der Thematik Datenschutz auseinandersetzen und sich damit beschäftigen, wie mit den sensiblen Daten von uns allen umgegangen wird. Wir können also sagen, die Diskussionen haben dazu geführt, dass unsere Bürger sensibilisiert wurden, wie mit unseren Daten umgegangen wird, und das, meine Damen und Herren, ist sehr positiv.

Im Jahr 2017 waren allein im Bereich des Datenschutzregisters, das die Behörde im vorigen Jahr noch zu führen hatte, 13 700 Fälle anhängig. 13 700 – die Zahl muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Dieses Datenschutzregister gehört mit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung am 25. Mai dieses Jahres der Vergan­genheit an. Zukünftig werden die entsprechenden datenverarbeitenden Organisationen selbst sogenannte Verfahrensverzeichnisse zu führen, aber auch die entsprechenden Datenschutz-Folgenabschätzungen durchzuführen haben.

Etwas sehr Positives aus dem Bericht im Hinblick auf die DSGVO: Die Struktur der Datenschutzbehörde bleibt, Aufgaben und Befugnisse werden angepasst. Warum ist das positiv? – Weil die Datenschutzbehörde somit weisungsfrei bleibt, und das ist, glaube ich, für uns alle sehr wichtig.

Laut diesem Bericht versahen im Jahr 2017 27 Personen in Teil- oder in Vollzeit ihren Dienst bei der Datenschutzbehörde, davon 15 Juristen. Um zukünftig alle Aufgaben und Befugnisse gewährleisten zu können, hat die Datenschutzbehörde 16 weitere Plan­stellen beantragt. Dies wurde im Jahr 2017 nicht umgesetzt. Wenn ich da bei mei­nem Vorredner, Herrn Kollegen Schennach, anknüpfen darf: Es ist richtig, es ist eine kleine Behörde, und ich meine, voriges Jahr hättet ihr noch die Möglichkeit gehabt, die 16 weiteren Planstellen umzusetzen. Das ist nicht gekommen, aber binnen kürzester Zeit sind jetzt einmal fünf Planstellen mehr geschaffen worden.

Wir alle sind uns einig, dass der Schutz von sensiblen Daten eines jeden Bürgers sehr wichtig ist. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle auch mahnen, das Augenmaß nicht zu verlieren und trotz dieser vielen neuen Vorschriften mit Hausverstand zu agieren. Die Regierung hat mit der Art der Umsetzung dieser EU-Verordnung einen gangbaren und begrüßenswerten Weg beschritten. Da kann ich nur sagen: Vielen Dank für diese Weitsicht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Abschließend darf ich Ihnen sagen, wir werden den Datenschutzbericht 2017 zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.29


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Josef Moser. – Ich erteile es ihm.


11.29.13

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Bundesrätinnen und Bun-


BundesratStenographisches Protokoll880. Sitzung, 880. Sitzung des Bundesrates am 30. Mai 2018 / Seite 68

desräte! Schon am 25. Mai ist die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft getreten. Mit der heutigen Beschlussfassung sind auch die nötigen Anpassungen vorgenommen worden. Das heißt, ab dem 25. Mai ist die Datenschutzbehörde nicht nur Aufsichts­be­hörde, sondern gleichzeitig auch Strafbehörde. Ich möchte mich in dem Zusam­men­hang auf das Herzlichste bedanken.

Es hat gerade Herr Bundesrat Schennach darauf hingewiesen, dass die Datenschutz­behörde in der Vergangenheit schon als in puncto Effizienz beispielhaft arbeitende Behörde tätig gewesen ist. In dem Zusammenhang zeigt sich, gerade wenn es um die Schutzfunktion und um die Wahrnehmung der Aufgaben geht, die sich aus dem Datenschutz ergeben, dass die Datenschutzbehörde bis zum Jahr 2017 hervorragend agiert hat. Ich bin mir sicher, dass das auch in Zukunft der Fall sein wird, weil unter der Leitung von Frau Dr. Jelinek die nötigen Vorarbeiten bereits im Jahr 2017 geleistet worden sind, um eben die Datenschutzbehörde in den Zustand zu bringen, dass man Datenschutzverletzungen zur richtigen Zeit ahnden und Missbräuchen in diesem Bereich auch entschieden entgegentreten kann.

Es wurden zahlreiche interne Schulungen und Simulationen durchgeführt. Gleichzeitig wurden auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Datenschutzbehörde zu den Bezirks­verwaltungsbehörden beziehungsweise zur Finanzmarktaufsicht entsendet, um sich die nötigen Kenntnisse im Bereich des Verwaltungsstrafrechts anzueignen.

Darüber hinaus hat die Datenschutzbehörde auch auf EU-Ebene im Rahmen der Artikel-29-Gruppe agiert, und sie war auch auf Europaratsebene tätig. Es hat sich ja auch in der Vergangenheit gezeigt, dass der österreichischen Datenschutzbehörde auch international eine besondere Anerkennung zukommt, ist doch die Leiterin der Da­ten­schutzbehörde, Frau Dr. Jelinek, zur Vorsitzenden des Europäischen Datenschutz­ausschusses gewählt worden.

Das heißt, wir sind in dem Bereich in sehr guten Händen. Wir haben nunmehr die Anpassung des Datenschutzrechts durchgeführt. Wir haben eine Behörde, bei der davon auszugehen ist, dass sie ihre Aufgaben so wie in der Vergangenheit tatsächlich auch weiterhin beispielhaft wahrnehmen wird, und wir können sicher sein, dass sie auch den Grundsatz, den wir vorher diskutiert haben, nämlich Beraten statt strafen, ernst nimmt. Das heißt, dass sie dort, wo zu beraten ist, berät und dort, wo zu strafen ist, straft, da in diesem Fall eine Beratung als nicht mehr zielführend erachtet wird.

Wir sind hier also in besten Händen und haben mit den heutigen Beschlüssen alle not­wendigen Maßnahmen gesetzt und dafür gesorgt, dass die Bürgerinnen und Bürger jetzt wissen, was sie vom Datenschutz zu halten haben, wie sie die Regelungen zum Datenschutz anzuwenden haben, und auch wissen, wenn sie eine Datenschutz­verletzung begehen, wie und von wem diese Datenschutzverletzung geahndet wird.

Nochmals herzlichen Dank für Ihre positiven Worte in Richtung der Datenschutz­be­hörde, ich werde diese natürlich umgehend an die Datenschutzbehörde und deren Leiterin weitergeben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.32

11.32.10


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll880. Sitzung, 880. Sitzung des Bundesrates am 30. Mai 2018 / Seite 69

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.32.294. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Investmentfondsgesetz 2011 geändert wer­den (106 und Zu 106 d.B. und 136 d.B. sowie 9968/BR d.B. und 9973/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zu Punkt 4 der Tagesord­nung, zu dem ich Herrn Staatssekretär Dr. Hubert Fuchs ganz herzlich bei uns be­grüßen darf. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich bitte um den Bericht.


11.33.00

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich erstatte den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bank­wesengesetz und das Investmentfondsgesetz 2011 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Mai 2018 mit Stim­men­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Weber. Ich erteile es ihm.


11.33.40

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Wertes Regierungsmitglied! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 8. September 2008 werden im Mutterland des Kapitalismus, in den Vereinigten Staaten, zwei angeschlagene Hypo­thekenbanken notverstaatlicht. Am 14. September 2008 wird die US-Investmentbank Lehman Brothers für pleite erklärt. Dies löst einen Börsencrash und in weiterer Folge die größte Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit aus. Auch in Österreich mussten damals einzelne Banken und vor allem deren Sparer gerettet werden. Jene, die den Slogan: Weniger Staat, mehr privat!, plakatiert haben, werden auch bei uns plötzlich sehr, sehr leise und klein.

Die Lehman-Pleite jährt sich nun bald zum zehnten Mal. Die Gründe für die damalige Finanzkrise waren übermäßige Risiken und mangelnde Kontrolle. Noch immer ziehen wir Lehren aus dieser Finanz- und Bankenkrise. Die nächste Finanzkrise kommt be­stimmt (Bundesrat Samt: Jawohl, Ängste schüren!), war die Aussage eines Vorstandes der Finanzmarktaufsicht, um darauf hinzuweisen, dass wir jetzt, in Zeiten der Hoch­kon­junktur und in einem stabilen Finanzmarktumfeld, die richtigen Instrumente einrichten müssen, die uns in Zukunft in solchen Fällen entsprechend helfen werden. (Bundes­rätin Mühlwerth: Da hat ja die SPÖ Erfahrung damit, nicht?)

Es stellt sich also die Frage: Ziehen wir in ausreichendem Maße die richtigen Leh­ren? Eine der Lehren, die man gezogen hat, ist, dass das wichtigste Aufsichtsorgan jeder Bank, das Kontrollorgan, der Aufsichtsrat, unabhängig vom Vorstand sein sollte, denn Kontrolle findet ja meistens erst nachher statt. Das, was wir zum Beispiel bei der


BundesratStenographisches Protokoll880. Sitzung, 880. Sitzung des Bundesrates am 30. Mai 2018 / Seite 70

Hypo-Pleite mit der Freiheitlichen Partei in Kärnten gesehen haben (Bundesrätin Mühlwerth: Da habt ihr zugestimmt!), nämlich dass der Vorstandsvorsitzende von einem Tag auf den anderen - - (Bundesrätin Mühlwerth: Mit Zustimmung der SPÖ! Das wollen wir nicht vergessen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Regt euch nicht auf! Das ist euer Skandal, den werdet ihr in diesem Leben nicht mehr los! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mayer: Ihr aber die Bawag auch nicht!) – Ihr (in Richtung ÖVP) wart auch dabei! Es war, glaube ich, der Eurige, der im Gefängnis war! (Bun­des­rätin Mühlwerth: Oder der Konsum!)

Dass der Vorstandsvorsitzende von einem Tag auf den anderen in den Aufsichtsrat wechselt und sogar dessen Vorsitzender wird, war sehr, sehr schlecht. Im Nachhinein wissen wir – es wurde ja aufgedeckt –, dass es dabei nur um die Verlängerung des Systems FPÖ in Kärnten, des Systems Haider mit den bekannten Machenschaften ging. (Bundesrat Samt: Das ist schon die zweite Märchenstunde heute, Herr Kollege! Unglaublich! – Bundesrat Schuster: Auf die Toten kann man immer schimpfen!) Dies hatte einen nicht unwesentlichen Anteil daran, dass die Pleite dieser Bank, die eben die Kärntner Freiheitlichen zu verantworten hatten, derart groß wurde. (Bundesrätin Mühlwerth: Mithilfe der SPÖ!)

Heute wäre es gar nicht mehr möglich, dass ein Vorstandsmitglied einer Bank unmit­telbar in den Aufsichtsrat wechselt. Dafür gibt es die sogenannten Leitlinien europä­i­scher Aufsichtsbehörden. Die sind jetzt verändert und in den wichtigsten Fragen rich­ti­gerweise auch verschärft worden. Dabei geht es zum Beispiel um die Zusam­men­setzung des sogenannten Vergütungsausschusses, eines Teils des Aufsichtsrates, der regelt, wie viel der Vorstand verdient, wie hoch die Grundgehälter, wie hoch die Boni und dergleichen sind. In diesen neuen Leitlinien wird jetzt klargelegt, dass in diesem Ausschuss unabhängige Aufsichtsräte sitzen müssen.

Die ursprüngliche Regierungsvorlage hat die europäischen Leitlinien sehr vorbildhaft umgesetzt, allerdings wurde diese durch einen späteren Abänderungsantrag von ÖVP und FPÖ leider wieder stark verwässert, was dazu führt, dass in gewissen Banken im Vergütungsausschuss nicht eine ausreichende Anzahl an unabhängigen Aufsichtsräten sitzen wird. (Oh-Ruf des Bundesrates Schennach.) Wer da wohl interveniert haben wird? – Das wäre eigentlich sehr interessant. (Beifall bei der SPÖ.) Das Giebelkreuz lässt wahrscheinlich grüßen.

Österreich wird gegenüber den europäischen Aufsichtsbehörden Farbe bekennen und sagen müssen: Wir erfüllen diese genauen Leitlinien nur zum Teil. Sogar der Minister und einzelne Mandatare der Regierungsparteien haben dieses Manko bereits in der Nationalratssitzung zugegeben. Deswegen werden wir auch heute nicht zustimmen, so wie wir es auch am Montag im Ausschuss nicht getan haben. In Wahrheit ist es Öster­reichs unwürdig, wenn wir diese europäischen Leitlinien nicht vollständig umsetzen.

Wir meinen, dass diejenigen, die eine Bank kontrollieren, weitestgehende Unabhän­gig­keit von dieser Bank haben sollen. Diejenigen, die festlegen, wie hoch die Boni sind, wie hoch die Vergütungen des Vorstandes sind, sollen weitestgehend unabhängig von der Bank sein. Leider wird das in Österreich nicht der Fall sein. Das ist schade oder in Wahrheit eine Schande. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.39


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile es ihr.


11.39.57

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eines steht fest, nämlich dass vor zehn


BundesratStenographisches Protokoll880. Sitzung, 880. Sitzung des Bundesrates am 30. Mai 2018 / Seite 71

Jahren weder die Lehman-Pleite noch der Hypo-Alpe-Adria-Skandal vordergründig durch ein Systemversagen entstanden sind. Es sind ganz einfach kriminelle Machen­schaften einiger Manager gewesen, die zu diesen Desastern geführt haben. (Bun­desrat Weber: ... aufgedeckt wurden!)

Natürlich musste in den letzten zehn Jahren eine ganze Reihe von Bestimmungen auf gesamteuropäischer Ebene gemacht werden, die selbstverständlich auch national umgesetzt wurden, aber bei allem Verständnis für die Reglementierung am Finanzsektor muss die Leistungsfähigkeit unserer Banken ganz einfach erhalten bleiben.

Konsumentenschützer in ganz Europa versuchen, jedes Detail zu reglementieren; das weiß ich nicht nur aus unserer Arbeit im EU-Ausschuss. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, genau!) Ob das aber letztendlich tatsächlich im Sinne der Konsumenten ist, ist mehr als fraglich. Beim Faktum, dass aber die Wirtschaft für den Wohlstand verantwortlich ist und wir daher die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unter­nehmen erhalten müssen, wird bewusst weggeschaut. Wir schauen jedoch nicht weg, sondern wir schauen darauf, dass EU-Bestimmungen nicht strenger als erforderlich umgesetzt werden, und mit uns wird es in Zukunft auch kein Gold Plating geben.

Durch die Änderungen im Bankwesengesetz und im Investmentfondsgesetz werden nun entsprechende Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde und der Euro­päischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde umgesetzt. Ziel dieses Gesetzes ist es, Rechtssicherheit für die Aufsichtsbehörden und auch für die betroffenen Kredit­institute zu schaffen. Dazu gibt es einige organisatorische Anforderungen an die Kre­ditinstitute, die nunmehr auch entsprechend festgelegt werden, beispielsweise hinsicht­lich der Zusammensetzung – du (in Richtung Bundesrat Weber) hast es schon ange­sprochen – des Prüfungsausschusses oder des Risikoausschusses.

Durch den beschlossenen Abänderungsantrag wurden die Regelungen hinsichtlich der Gestaltungsweise beziehungsweise der Beschickung des Vergütungsausschusses etwas zurückgenommen – konkret geht es dabei um ein Mitglied weniger, das diese sehr strengen Bestimmungen erfüllen muss (Zwischenruf des Bundesrates Weber), was dem Eigentümer in der Gestaltung des Aufsichtsrates beziehungsweise des Ver­gütungsausschusses etwas mehr Gestaltungsmöglichkeit lässt. Ich habe hier (Schrift­stücke in die Höhe haltend) eine Unterlage, da steht das ganz genau drin. Die gebe ich (in Richtung Bundesrat Weber) dir dann, damit du dich nicht mehr so echauf­fieren musst.

Sehr gut finde ich, dass die strengeren Kriterien nur mehr bei Banken über 5 Milliarden Euro Bilanzsumme wichtig sind, denn die regionale Verankerung der Banken ist wich­tig. Es geht ganz einfach darum, dass unsere Wirtschaft bei ihren Banken noch die Unterstützung, das Geld, die Kredite bekommt.

Warum ich so gegen Gold Plating bin, zeige ich anhand von einigen Beispielen von Belastung unserer Banken in Niederösterreich durch Bürokratie – da hat die Johannes Kepler Universität in Linz vor Kurzem eine Untersuchung fertiggestellt. Die Finanz­markt­regularien werden überwiegend auf europäischer Ebene beschlossen, und die Zahl der beteiligten Akteure ist natürlich groß: die Europäische Kommission, das Euro­päische Parlament, der Rat, die europäischen Aufsichtsbehörden, natürlich die natio­nalen Gesetzgeber, dann noch die Europäische Zentralbank sowie die nationalen Auf­sichtsbehörden. Regulierungsmaßnahmen, sinkende Zinserträge und ein stärkerer Wettbewerb zwingen unsere Banken zu massiven Kostensenkungsmaßnahmen. Seit 2010 gibt es in Österreich rund ein Viertel weniger Hauptanstalten und rund 10 Prozent weniger Zweiganstalten, und wenn man mit Bankenvertretern spricht, weiß man, dass dieser Prozess ganz einfach noch nicht abgeschlossen ist. Ohne diese fortschreitende


BundesratStenographisches Protokoll880. Sitzung, 880. Sitzung des Bundesrates am 30. Mai 2018 / Seite 72

Konzentration wäre es nämlich überhaupt nicht möglich, diese anfallende Bürokratie zu bewältigen.

Neben dem allgemeinen bürokratischen Aufwand, den jedes Unternehmen zu tragen hat, sind Kreditinstitute zusätzlich mit branchenspezifischen Kosten belastet. Wenn man sich von den sechs bedeutendsten branchenspezifischen Bürokratiekosten zum Beispiel die Geldwäscherichtlinie ansieht, so werden allein damit ungefähr 5 Prozent des Personalaufwandes der Kreditinstitute gebunden, und fast 7 Prozent des Betriebs­ergebnisses der niederösterreichischen Kreditinstitute werden zur Finanzierung dieser zusätzlichen Bürokratie benötigt.

Eine weiter gehende Untersuchung aus Deutschland kommt zu dem Schluss, dass die Banken für die branchenspezifische Bürokratie über 7 Prozent des Personalaufwandes und fast 10 Prozent des Jahresüberschusses aufwenden müssen.

Mir sind diese Hinweise wichtig, damit man ganz einfach ein bisschen mehr Verständ­nis für unsere Banken hat. Wir brauchen uns ja bei dieser überbordenden Bürokratie und bei den Kosten, die dadurch entstehen, nicht zu wundern, dass die Erträge so bescheiden sind.

Es gibt natürlich – und das ist auch wichtig – neue, ergänzende Finanzierungsmodelle wie Crowdfunding, aber gleichzeitig ist es schon wichtig, dass unsere Banken das, wofür sie eigentlich geschaffen wurden, auch noch machen können. Ich selbst musste den Fit-&-proper-Test machen, und da fragt man sich schon, wenn man die ganzen Schulungen durchläuft, wie es einer Bank mit all diesen Bestimmungen noch möglich ist, das zu machen, was eigentlich ihre grundsätzliche Aufgabe ist, nämlich unseren Betrieben seriös Kredite zu gewähren.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetz, und dir (in Richtung Bun­desrat Weber) übergebe ich das (die zuvor erwähnten Schriftstücke in die Höhe hal­tend), damit du darin nachschauen kannst. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Nachhilfestunde!)

11.46


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster ist Bundesrat Mag. Rein­hard Pisec zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


11.46.28

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Weber, der türkische Präsident Erdoğan hätte mit Ihrer Rede seine Freude. Wahrscheinlich hätte er Sie gleich als Minister angestellt. (Bundesrat Weber: Um Gottes willen! Nicht so viel Ehre!) Ich sage Ihnen das Ergebnis der Politik von Erdoğan: 25 Prozent Verlust des Wertes der Türkischen Lira in den letzten vier Mo­naten, 17 Prozent Zinsen, 12 Prozent Inflation – das Land steht kurz vor dem Staats­bankrott.

Das ist das Ergebnis davon: Er beschimpft die internationalen Märkte, genauso wie Sie es hier gemacht haben, den Kapitalismus, die Marktwirtschaft, die wir seit 150 Jahren hier in Österreich haben. (Zwischenruf des Bundesrates Weber.) Das macht er, und damit das Gleiche wie Sie – das Gleiche wie Sie!

Nur gibt es bei Ihnen einen entscheidenden Fehler: Sie können den Kapitalismus be­schimpfen, das haben die kommunistischen Staaten – die Sowjetunion, die DDR, Ungarn, die Tschechoslowakei – auch gemacht, nur hatten die null Staatsschulden – null! Die waren unabhängig von den internationalen Kapitalmärkten. Sie mit Ihrer Politik der SPÖ, die Sie in den letzten 50 Jahren in Österreich, ich möchte sagen, angestellt


BundesratStenographisches Protokoll880. Sitzung, 880. Sitzung des Bundesrates am 30. Mai 2018 / Seite 73

haben, mit dem Endeffekt, ein Land mit diesen Staatsschulden zu hinterlassen, beschimp­fen jetzt hier am Rednerpult auch noch die internationalen Märkte, aber erwarten sich, dass diese Sie als Investoren rauspauken (Bundesrätin Grimling: Den Finanzminister haben aber schon andere!), genauso wie es Präsident Erdoğan erwartet?! – Das ist eine Quadratur des Kreises und wird nicht funktionieren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Darf ich Ihnen noch etwas sagen? Ich nehme das Wort Kapitalismus in den Mund, ich geniere mich nicht dafür. (Ruf bei der SPÖ: Das wissen wir!) Kapitalismus ist eng mit demokratischen Werten, mit den Menschenrechten aus den USA – die kommen alle aus den USA – und mit den Eigentumsrechten verbunden. Dass Sie von der SPÖ Probleme mit den Eigentumsrechten haben, ist mir schon lange bekannt. (Zwischenruf des Bundesrates Weber. – Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Da ich Ihren Zynismus aushalten muss, darf ich auch einmal zynisch antworten: Heuer wird der 200. Geburtstag von Karl Marx gefeiert. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Besuchen Sie Karl Marx! Vielleicht finden Sie dort Anleitungen für Ihre Politik – hier in Österreich brauchen wir das nicht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, dieses Gesetz ist ein gutes Gesetz, wie alles, was von dieser neuen, vernunftorientierten Bundesregierung kommt (Heiterkeit bei der SPÖ), weil es die Transparenz, die Durchsichtigkeit und die Unabhängigkeit von Auf­sichtsratsmandaten innerhalb der Banken gewährleistet und sicherstellt, und das ist wichtig. Es hat zwar nicht jede Krise ihre Ursachen in einer Bankenkrise, aber die Wir­kungen jeder Krise – jeder Krise! – verbreiten sich über eine Bankenkrise, weil es immer ums Kapital, immer ums Geld geht. Das wissen Sie von der SPÖ, die ein Land mit solch einer Staatsverschuldung hinterlassen hat, ganz genau! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Weber: Und was ist mit Kärnten? – Bundesrätin Ecker: Mitge­hangen, mitgefangen! – Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Lassen Sie mich das Thema Probleme der Banken ruhig aufnehmen! Was passiert mit der UniCredit? (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesrätin Grimling und Bundesrat Längle.) Was ist gestern bei der UniCredit passiert? – Die UniCredit hat bekanntlich drei Banken in Österreich versenkt: die Zentralsparkasse, die Länderbank und den über 150 Jahre alten Creditanstalt-Bankverein, von der Familie Rothschild vor 150 Jah­ren gegründet. Die UniCredit-Aktie ist gestern in Mailand vom Handel ausge­setzt worden, weil der Fall des Aktienwerts ins Bodenlose geht. Das ist das Haupt­problem, mit dem wir hier in Österreich zu tun haben: Die Probleme der Eurozone, die über Italien nach Österreich schwappen werden. Das ist ein herannahender Tsunami, dem wir uns stellen müssen.

Die Erkenntnisse aus der Finanzkrise, abgesehen von den ökonomischen Faktoren, sind vor allem, dass wir uns gegen Durchhalteparolen verwahren. Dieses Gesetz ist so wichtig, damit bereits innerhalb der Banken im Sinne der Transparenz und der Unab­hängigkeit unabhängige Aufsichtsratsmitglieder innerhalb des Aufsichtsrates sicherge­stellt sind und damit Bereiche wie Controlling oder interne Revision gewissen Vorga­ben entsprechen, was auch nach außen dargestellt wird. Die Krise hat nämlich nicht am 15. September 2008 mit dem Bankrott von Lehman Brothers begonnen, sondern bereits ein Jahr vorher durch Northern Rock, die britische Bank, die in Schwierigkeiten gekommen ist.

Nur Durchhalteparolen – es wird schon werden, es wird schon gehen! – haben letztlich zu diesem Tsunami geführt, der dann erst im Oktober, 14 Tage nach der Lehman-Pleite, zu diesem Börsencrash geführt hat. Die Börse ist immer ein Frühwarnsystem, eine Erkenntnisinstitution, wie es um die Wirtschaft eines Landes bestellt ist. Dieses Gesetz ist – wenn auch vielleicht nur in einem ganz kleinen Ausmaß, im Mikrobereich –


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deshalb so wichtig, weil wir uns diese Durchhalteparolen, die es damals gegeben hat, jetzt nicht mehr leisten können.

In Italien passiert genau das – wir kriegen das jetzt täglich mit –, und da ist die Euro­päische Union schon auch in der Verantwortung. Vermutlich wird es auch ein Thema während der österreichischen Präsidentschaft werden, warum der Kauf von Staats­anleihen nicht in die Eigenkapitalquote von Basel III gerechnet wird und damit dieser Moral Hazard, wie wir ihn in Italien in den letzten Tagen, Wochen und Jahren fest­stellen konnten und mussten, nicht hintangehalten wird.

Ein Drittel der Staatsanleihen des italienischen Staates sind im Besitz der italienischen Banken, und diese wiederum verbriefen sie an französische Banken. Deswegen ist ja der französische Präsident Macron so an dieser Bankenunion interessiert, das heißt, dass Haftungen über das Land hinaus garantiert werden müssen, wogegen wir uns aussprechen, denn warum sollen österreichische Steuerzahler für kommende Pleiten italienischer Banken haften? Das muss hintangehalten werden! Das ist sicherlich ein Problem der Bankenunion.

Diese Haltung wurde in den letzten Tagen durch eine Unterschriftenaktion von 150 deutschen Ökonomen unterstützt, die sich gegen diese Bankenunion zwischen Juncker und Macron, wie sie hier angedacht wird, aussprechen. Die Frage ist nur, und das weiß eigentlich niemand – das ist wirklich interessant! –, wie Italien aus dieser Krise herauskommt beziehungsweise wie verhindert werden kann, dass diese nach Österreich hineinschwappt.

Die Ursache dieser Staatsverschuldung, dieser herannahenden Bankenilliquidität, sind wie immer Schuldenaufnahme, Schuldentitel – Schuldentitel am internationalen Finanz­markt, worüber Sie, Herr Kollege Weber, schimpfen. Das Recht haben Sie, aber Sie werden aus diesem Problem, wie wir eine Firewall zwischen Italien und Österreich installieren können, nicht herauskommen.

Die UniCredit ist das beste Beispiel: Wie kann man allen Ernstes drei österreichische Banken nach Italien verkaufen?! – Das ist ja ein Ding der Unmöglichkeit! Gesundes Familiensilber aus österreichischem Vermögen, was Ihnen vielleicht nicht so gefällt, wurde nach Italien verkauft! Die UniCredit ist mit der Bank Austria nach wie vor eine international angesehene Bank, aber die Probleme schwappen dann natürlich auch auf österreichische Unternehmen herüber, die ja von den Bankkrediten abhängig sind, deren Vergabe dann weiter restriktiv gehandhabt wird.

Es ist also wichtig, die Bankenunion zu überdenken, Schritte zu setzen, die Österreich vom italienischen Markt abschotten, damit nicht das passiert, was in Griechenland passiert ist: Europa hat insgesamt 230 Milliarden Euro Cash an Griechenland bezahlt. Der österreichische Anteil im Rahmen des ESM im Ausmaß von 2,76 Prozent beträgt circa 6 Milliarden Euro; bei Italien wären das über 2 Billionen Euro, und für Österreich wäre das in diesem Fall das Steueraufkommen eines ganzen Jahres. Da ist also sicher­lich Handlungsbedarf gegeben.

Auch vor dem Euro machen diese Probleme nicht halt; er verliert nämlich täglich 0,5 Pro­zent gegenüber dem US-Dollar. Solche Währungsschwankungen sind für Unterneh­men im Außenhandel nicht angenehm. Die herannahende Krise wird kommen. Die Frage ist, ob man sie lösen kann.

Diesem Gesetz stimmen wir natürlich zu. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.55


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich darf bereits jetzt den für den nächsten Tagesordnungspunkt zuständigen Herrn Bundesminister Heinz Faßmann ganz herzlich bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen!


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Als Nächster hat sich Herr Staatssekretär Dr. Hubert Fuchs zu Wort gemeldet. Ich er­teile es ihm.


11.55.26

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen MMag. DDr. Hubert Fuchs: Herr Dr. Brunner! Hohes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfes ist es, den Umfang der künftig in Österreich anzu­wendenden Vorgaben der EBA- beziehungsweise ESMA-Leitlinien im Bankwesen­ge­setz und im Investmentfondsgesetz verbindlich zu konkretisieren, um so die notwen­dige Rechtssicherheit für die Aufsichtsbehörden, aber auch für die betroffenen Kreditinstitute zu gewährleisten.

Ziel dieser Bundesregierung ist es nicht, und so steht es auch im Regierungs­pro­gramm, EU-Richtlinien und EU-Leitlinien zu 100 Prozent umzusetzen. Dort, wo es Wahlrechte gibt, sollen diese selbstverständlich im Sinne einer Reduzierung des Verwaltungsaufwandes für die Unternehmer und im Sinne eines Stopps von Gold Plating auch entsprechend ausgeübt werden. Vorgaben zum Beispiel betreffend die Unabhängigkeit des Vorsitzenden und der Mehrheit der Mitglieder des Nominierungs­ausschusses, die sich ebenfalls in den genannten Leitlinien befinden, werden aus­drück­lich nicht in den österreichischen Rechtsbestand übernommen und bleiben somit unanwendbar, da es dadurch zu Konflikten mit dem österreichischen Gesellschafts­recht, insbesondere betreffend die Mitwirkungsrechte der Eigentümer, gekommen wäre.

Für besonders erwähnenswert in diesem Zusammenhang halte ich den Abände­rungs­antrag des Finanzausschusses im Nationalrat, durch den im BWG ein Freibeweis ab dem zweiten unabhängigen Aufsichtsratsmitglied hinsichtlich des formalen Unabhän­gig­keitserfordernisses ermöglicht wird. Die Einschränkung, dass dieses Verfahren erst ab dem zweiten unabhängigen Mitglied ausgeübt werden kann, hält den Verwaltungs­aufwand gering und verhindert gleichzeitig Gold Plating. Unter dieser Bundesregierung gehört Gold Plating nämlich der Vergangenheit an. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.57

11.57.23


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wei­tere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.57.575. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundes­schulgesetz, das Schulunterrichtsgesetz und das Schulpflichtgesetz 1985 geän­dert werden (107 d.B. und 120 d.B. sowie 9969/BR d.B. und 9974/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nunmehr zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Sandra Kern. Ich bitte um den


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Bericht.


11.58.17

Berichterstatterin Sandra Kern: Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Aus­schusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulunterrichtsgesetz und das Schulpflichtgesetz 1985 geändert werden.

Der Bericht liegt schriftlich vor, ich darf deshalb gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 28. Mai 2018 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich danke für den Bericht. Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile es ihr.


11.59.12

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zu­se­herinnen! Wir diskutieren jetzt also drei Bildungsthemen, nämlich im Großen und Ganzen die Deutschförderklassen, die Strafen beim Fernbleiben vom Unterricht und Verzögerungen bei der Einführung der modularen Oberstufe. Ich werde in meinem Beitrag auf das Thema der Deutschförderklassen fokussieren. (Vizepräsident Lindinger übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte meine Ausführungen mit jenen Punkten beginnen, bei denen ich eine Übereinstimmung, eine Einigkeit hier im Bundesrat finden konnte, weil ich damit auch unterstreichen möchte, dass es mir speziell um eine gute Lösung zugunsten unserer Kinder geht. 

Ich denke, wir alle hier sind uns einig, dass es gut für jedes Kind ist, wenn es die deutsche Sprache beherrscht, und wir alle wissen mittlerweile, dass mehrsprachige Kinder Deutsch als Zweitsprache besser lernen, wenn sie auch ihre Muttersprache gut beherrschen.

Ein zweiter Punkt, bei dem ich zu wissen glaube, dass Einigkeit herrscht, ist, dass wir allen Kindern im September einen möglichst guten, positiven, erfreulichen Schulstart wünschen.

Ich glaube, ein dritter Punkt, bei dem wir uns einig sind, ist, dass wir allen Päda­go­gInnen, die diese sehr wertvolle Arbeit machen, nämlich unseren Kindern eine gute Bil­dung zu ermöglichen, gute Arbeitsbedingungen für einen der wahrscheinlich wich­tigsten Jobs dieser Welt wünschen.

Ein vierter Punkt, bei dem ich Einigkeit vermute, aber nicht mehr so ganz sicher bin, ist, dass wir doch wohl alle wollen, dass sich Kinder, die in dieses Bildungssystem ein­steigen, möglichst schnell und gut integrieren können und einen guten Platz, einen eigenen Platz in unserer Gesellschaft und in diesem Bildungssystem finden und damit möglichst schnell auch Teil dieser Gesellschaft werden. Wie gesagt, ich bin mir nicht mehr ganz so sicher, ob das wirklich alle von uns so wollen.

Jetzt komme ich aber natürlich auch zu den Unterschieden und möchte voraus­schicken: Ich bin in meinem Grundberuf Pädagogin und gelernte Sonder- und Heilpädagogin. Das heißt, ich beschäftige mich in meiner beruflichen Tätigkeit mit jenen Kindern, bei denen aufgrund von körperlichen Merkmalen oder psychischen, geistigen, sozialen, aber auch sprachlichen Merkmalen ein besonderer Förderbedarf besteht, bei denen eine besondere Unterstützung notwendig ist. Wir wissen in der Pädagogik aber auch,


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dass jedes Kind eines Jahrganges, egal mit welchen besonderen Merkmalen es in das Bildungssystem eintritt, sich von jedem anderen Kind seines Jahrganges unter­schei­det. Das heißt, jedes Kind ist unterschiedlich: Jedes Kind besitzt besonderes Potenzial und besondere Stärken, jedes Kind hat aber auch in einem bestimmten Bereich eine gewisse Anregung und Förderung notwendig, und das ist gut so.

Im Idealfall gelingt es uns, durch unser Bildungssystem – beginnend natürlich mit dem Kindergarten, das ist mir sehr wichtig – dieses spezielle Potenzial, das jedes Kind hat, bestmöglich herauszuarbeiten und zur Entfaltung zu bringen und seine Chancen dadurch, dass wir es in den Mittelpunkt unseres Tuns stellen, zu erhöhen. Dass das in Gruppen und Klassen mit 25 Kindern so gut wie unmöglich ist, wissen alle, die in der Pädagogik arbeiten; auch dass es als einzelne Pädagogin oder als einzelner Päda­goge schwierig ist, die Kinder in einer so großen Gruppe bestmöglich individuell zu fördern, wissen wir. Langer Rede kurzer Sinn: Wir brauchen eigentlich mehr Ressourcen in den Klassen und in den Gruppen. Wir brauchen mehr Zeit für die Kinder. Wir brauchen kleinere Gruppen, kleinere Klassen, um das Potenzial eines jeden Kindes wirklich entfalten zu können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Was aber jetzt passiert – und da setzt meine Sorge an –, ist Folgendes: Es wird nicht geschaut, dass alle Kinder bessere Lernbedingungen haben, sondern es wird ver­sucht, aufgrund eines einzelnen Merkmals, nämlich der Sprache, zu separieren – ohne wirklich mehr Ressourcen, relativ überhapps und ohne seriöse Vorbereitung, und da­durch soll alles besser werden. Das stelle ich infrage (Bundesrat Steiner: Euer Bil­dungssystem ist gescheitert!), denn diese völlig neue Klassenstruktur, die wir ab Sep­tember haben sollen, wird jetzt vorbereitet, und wir befinden uns einen Monat vor Schulschluss und damit drei Monate vor dem neuen Schulstart.

Wir haben derzeit noch keine offizielle Information für unsere PädagogInnen und LehrerInnen. Wir haben noch nicht die Gewissheit darüber, wie viele Klassenräume in welchen Schulen tatsächlich gebraucht werden. Wir haben noch kein Curriculum für diese Deutschklassen, die im Herbst (Bundesrätin Mühlwerth: Na und? Das haben wir bei euch letztes Mal auch nicht gehabt! Ihr habt nicht einmal einen Lehrplan gehabt!), wie gesagt, im September, starten sollen. Wir haben noch keine seriöse Sprachtestung für diese Kinder, und aufgrund wovon sie jetzt eingeteilt und separiert werden, das wis­sen wir nicht genau. Ich finde das ehrlich gesagt etwas fahrlässig unseren PädagogIn­nen gegenüber, die das umsetzen sollen, aber in erster Linie natürlich auch den Kin­dern und ihren Eltern gegenüber.

Ich möchte Sie einladen, sich das jetzt einmal in der Praxis vorzustellen. Wir haben ein Vorschulkind, und dieses Kind und seine Familie haben vor ungefähr einem Monat einen Brief von der Schule bekommen, in dem mitgeteilt wurde, dass es den Schulplatz hat. Die Lehrerin stellt sich vor; es erfährt, mit welchen Kindern es in der Klasse sein wird. Dieser Tage finden die ersten Klassenabende statt. Die neue Lehrerin lädt die Eltern, vielleicht auch die Kinder ein. Man lernt sich kennen. Man bereitet sich auf den Schuleintritt vor. Die Kinder freuen sich hoffentlich den ganzen Sommer; sie werden Schulkinder, sie sind stolz. Und dann kommt möglicherweise so ein Kind am ersten Tag in die Schule, geht zu seiner Lehrerin, und die muss ihm sagen: Du bist leider doch nicht in meiner Klasse, denn du gehörst nicht zu den Normalen, sondern du musst leider in diese andere Klasse – aber in Turnen und in Musik darfst du dann schon auch bei uns sein! (Zwischenruf des Bundesrates Schuster.)

Also das muss man sich für dieses einzelne Kind vorstellen, was das ausmacht, diesen Stempel am ersten Schultag zu bekommen. Wie wird man denn so einen Stempel wieder los? (Ruf bei der FPÖ: Indem man Deutsch lernt! – Bundesrätin Mühlwerth: Geh bitte, was für ein Stempel?) Immer wird man das Kind sein, das am Anfang in dieser separaten Klasse sein musste.


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Glauben Sie wirklich, auch Sie, Herr Minister, glauben Sie das wirklich, dass Kinder unter Kindern, die nicht gut Deutsch sprechen, besser Deutsch lernen als in einer Klasse, in der gut Deutsch gesprochen wird? – Wir alle wissen, dass man unter Native Speakern eine Sprache besser erlernt als unter Nicht-Native-Speakern und Menschen, die diese nicht gut beherrschen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das geht, wenn zwei oder drei in einer Klasse sind, aber nicht bei 98 Prozent!)

Selbst der Experte, der von der ÖVP nominiert wurde, hat im Ausschuss in dem Hearing, das stattgefunden hat, deponiert, dass von diesen drei Möglichkeiten, Sprache zu fördern, die gewählte Variante die am wenigsten Erfolg versprechende ist – nämlich die separierende. Alle ExpertInnen und ganz viele Stellungnahmen haben dies auch betont, und auch aus dem internationalen Vergleich weiß man, dass die separierende Methode von den drei möglichen Methoden die am wenigsten Erfolg versprechende ist. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mayer: Weil die andere bisher nicht funktioniert hat!) – Es hat leider die Evaluierung der bestehenden Modelle nicht stattgefunden. Das heißt, wir wissen es einfach nicht, ob die Förderung (Bundesrätin Mühlwerth: Zehn Jahre!), die Sprachförderung der letzten Jahre, funktioniert hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Seit zehn Jahren Unterrichtsminister! Seit zehn Jahren sozialistische Unterrichtsminister! – Bundesrat Rösch: Seit zehn Jahren untätig!)

Zum Schluss möchte ich noch sagen: In diesem Parlament sind Kinderrechte gemäß Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen beschlossen und ratifiziert worden. Darin ist festgeschrieben, dass jedes Kind ein Recht auf Nichtdiskriminierung hat, dass jedes Kind ein Recht auf seine eigene Muttersprache hat, dass jedes Kind ein Recht auf Bildung hat, und in unserer Verfassung steht, dass bei allen Belangen und Entscheidungen das Kindeswohl vorrangig zu prüfen ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ich möchte Sie, Herr Minister, gerne noch einmal ersuchen, zu über­prüfen, ob diese Kinderrechte tatsächlich gewahrt sind.

Ich würde Ihnen zum Schluss noch gerne eine Stellungnahme, die mir besonders ins Auge gesprungen ist, aus einer Volksschule in Oberösterreich mitgeben, in der offen­sichtlich ein Weg gefunden worden ist, wie man die Sprachförderung in einer inte­grativen Form macht. Ich finde, es ist ein Best-Practice-Beispiel dafür, wie es gelingen kann, von dieser Schule kann man sich offensichtlich etwas abschauen. Das würde ich Ihnen gerne mitgeben. – Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Bundesrätin Gruber-Pruner überreicht Bundesminister Faßmann ein Schriftstück.)

12.08


Vizepräsident Ewald Lindinger: Frau Bundesrätin Klara Neurauter ist zu Wort gemel­det. Ich erteile dieses.


12.09.29

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Das ist meine erste Rede, deswegen möchte ich Ihnen einen besonderen Gruß aus Tirol entbieten. Ich danke auch für die freundlichen Worte, die beim Empfang des Herrn Präsidenten anlässlich der Verab­schiedung der ausgeschiedenen Bundesräte und der Begrüßung der neuen Bun­desrätinnen und Bundesräte gefallen sind. Man hat sich da gleich gut aufgenommen gefühlt. (Allgemeiner Beifall.) Danke schön.

Heute möchte ich im Zusammenhang mit dem Schulorganisationsgesetz hauptsächlich über die Deutschförderklassen sprechen. Wir alle wissen, der Spracherwerb ist der Schlüssel für alles, vor allem für die Integration. Darum möchte ich den Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai betreffend die Einführung von Deutschförderklassen beson-


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ders und ausdrücklich begrüßen, weil damit eine bedeutende Förderung für alle ge­boten wird, die diese Unterstützung besonders nötig haben.

Von den 15 000 im Jahre 2016 getesteten Schülerinnen und Schülern haben die Hälfte die Bildungsstandards in Deutsch nicht erreicht, zwei Drittel von ihnen haben Migra­tionshintergrund; daher besteht dringender Handlungsbedarf, wie wir alle wissen. Natürlich gibt es immer verschiedene Möglichkeiten, ein Ziel zu erreichen, und viel­leicht auch deswegen ist dieses Thema so konfliktbelastet und wird von so vielen Diskussionen begleitet.

Die von Bundesminister Dr. Faßmann vorgeschlagene und im Nationalrat beschlos­sene Maßnahme ist aber in meinen Augen eine sehr gute und vor allem rasche Lösung des Problems, dass so viele Kinder, die in unseren Schulen starten oder weitere Klassen besuchen, nicht entsprechend Deutsch können. Ohne Spracherwerb kann man in keinem Land reüssieren, mit diesem Gesetzentwurf aber werden schon früh Startnachteile ausgeglichen und wird Chancengleichheit hergestellt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das Konzept der Deutschförderklassen ist eine teilintegrative, altersmäßig abgestufte und zeitlich begrenzte Hilfe. Außerordentliche Schüler sollen ihrem Sprachstand ent­sprechend zielgerichtet gefördert werden. Ich möchte extra das positive Wort teil­inte­grativ verwenden und das Wort separieren wirklich ablehnen.

Ich selbst bin ehrenamtlich schon seit Langem im Tiroler Seniorenbund tätig, und dort haben wir begonnen – auf eine einfache Weise, informell natürlich, in bescheidenem Umfang, wir sind ja alle keine Fachleute –, mit Flüchtlingskindern Deutsch zu lernen und sie mit einfachen Ausdrücken aus dem Alltagsleben und mit unseren Werten ver­traut zu machen. Daher weiß ich, wovon ich rede und wie wichtig die vorgesehenen Maßnahmen sind.

Der Deutschunterricht in der Förderklasse beträgt 15 Stunden in der Volksschule und 20 Stunden in der Sekundarstufe I. Die Mindestzahl für eine Klasseneröffnung liegt bei acht Schülern. Die Zuteilung erfolgt auf Basis österreichweit einheitlicher, standardi­sierter Testverfahren, es wird daher ein gutes Bild davon geben, wie es im ganzen Bundesgebiet ist.

Die Deutschklassen haben einen eigenen Lehrplan, der den raschen Deutscherwerb pädagogisch in den Mittelpunkt rückt. Das Konzept ist gut, startet rasch und ist finan­ziell abgesichert. Der Herr Minister wird die Einzelheiten sicher noch nennen, die möchte ich nicht vorwegnehmen. (Heiterkeit des Bundesministers Faßmann und des Bundesrates Mayer.) Dass die Kinder dann in den nicht so sprachintensiven Klassen wie Sport, Werken und Musik zusammenkommen, finde ich ganz toll, und ich bin sicher, dass keine Lehrerin und kein Lehrer die Kinder so begrüßen und auf diese verschiedenen Bereiche hinweisen wird, wie meine Vorrednerin das befürchtet hat.

Nach einem Semester wird das Sprachniveau neuerlich getestet, damit abgeklärt wird, ob weiterhin Förderbedarf besteht oder ob der Übergang zur Regelklasse schon mög­lich ist. Notfalls wird ein zweites Semester angeboten. Die Methode wird international angewandt, ich denke da nur an die sogenannten Willkommensklassen in Berlin oder an die positiven Beispiele aus dem hohen Norden. Es gibt auch in Österreich schon positive Beispiele. Es handelt sich ja immer um außerordentliche Schülerinnen und Schüler, die neu in das System hineinkommen und nach einheitlichen Tests die Deutsch­förderungen, die sie brauchen, erhalten sollen.

Die Deutschförderklassen sind ein Element auf dem Weg des raschen Spracherwerbs. Soweit ich weiß, ist die sprachliche Frühförderung ebenfalls ein wesentliches Element


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des Gesamtkonzepts, das sieht man einerseits im Regierungsübereinkommen, ande­rerseits wird eine diesbezügliche 15a-Vereinbarung bereits vorbereitet.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Lösung des Problems. Dieser Gesetzentwurf ist eine sehr gute Maßnahme, ist ein sehr guter Weg und wird vor allem aufgrund seiner raschen Umsetzung mit dann insgesamt circa 1 200 Deutschförderklassen eine große Hilfe für den betroffenen Kreis sein, und ich bitte um Zustimmung zu diesem guten Gesetzentwurf. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.16


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile dieses. (Zwischenruf bei der FPÖ. – Bundesrat Stögmüller – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ihr braucht nicht so zu raunzen, liebe FPÖ!)


12.16.32

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Herr Minister! Ich glaube, wir sind uns über alle Fraktionen hinweg einig, dass der Schlüssel für eine gelungene Integration das Erlernen der Landessprache, also Deutsch, ist. Ich glaube, das steht außer Frage.

Gerade Kinder und Jugendliche erlernen unglaublich schnell Sprachen und neue Kom­petenzen. Zum einen lernen die Kinder Deutsch wirklich aktiv in der Schule, von den Pädagoginnen und Pädagogen im Unterricht, aber zum anderen – und viel wichtiger, da sind sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einig – erlernen sie die Sprache mit den Freunden, mit der Familie oder eben auch von Mitschülerinnen und Mitschü­lern. Das ist unglaublich wichtig, weil es einfach ein spielerisches Lernen ist und natür­lich auch ein gewisses Wollen, um dazuzugehören, ein gewisses: Ja, ich möchte Deutsch lernen, weil ich es in der Spielgruppe brauche, damit ich mich mit anderen verstän­digen kann!

Deswegen sehen wir Grüne den Vorstoß dieser Bundesregierung, des Bildungsminis­teriums, von Ihnen, Herr Minister, sehr kritisch, weil diese Selektierung, also das Tren­nen der Kinder, zu einer Einschränkung genau dieser Möglichkeiten führt. Es kommt zu einer Trennung von Kindern, die Deutsch als Muttersprache haben, und Kindern, die sozusagen dazugekommen sind und Deutsch noch nicht so gut können und erst erlernen müssen. Auch vonseiten der Sprachwissenschaftler und Sprachwissen­schaft­lerinnen gibt es massive Einwände gegen die vorgelegte Novelle. Sie widerspricht auch dem aktuellen Stand der Forschung, denn durch diese Trennung kommt es nicht nur zu einer Segregation der Schüler und Schülerinnen, sondern sie schließt auch ge­nau diese Kinder vom Fachunterricht aus und erlaubt einen Übertritt in die alters­mäßige Regelklasse nur in Ausnahmefällen.

Dazu soll anhand nur eines einzigen Tests festgestellt werden, ob jemand gut Deutsch kann oder nicht (Ruf bei der FPÖ: Na, wie soll man sonst testen?), das entbehrt auch jeder Forschungsgrundlage. Zum Glück haben wir es geschafft, dass es diesbezüglich eine Übergangsfrist von einem Jahr gibt und das nicht im September eingeführt wird. Das Curriculum wird ja gerade erstellt, es ist noch nicht einmal fertig. Es sind eigentlich noch viele Fragen offen, was die gesamte Vorlage betrifft.

Was mich aber besonders ärgert, gerade weil wir von den Grünen viel Energie in das Bildungsreformpaket 2017 gesteckt haben (Bundesrätin Mühlwerth: Na und?): dass die verpflichtende Einrichtung von Deutschklassen die hart verhandelte Schulauto­nomie massiv konterkariert. Ich glaube, man sollte den Pädagoginnen und Pädagogen, den Klassenleitern und den Schulleitern viel mehr Vertrauen entgegenbringen. Die


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PädagogInnen sollen selber entscheiden – sie sind die, die vor der Schultafel stehen, die dort stehen und unterrichten und jeden Tag mit den Schülern arbeiten –, wie und in welcher Form sie Deutschförderung gestalten wollen. Die PädagogInnen wissen ge­nau, nämlich wirklich genau, was die SchülerInnen brauchen. Sie brauchen aber Unter­stützung und nicht wieder irgendein Diktat, das vom Ministerium oder von oben herab kommt und sagt: Das muss jetzt so gemacht werden!

Ich gebe Ihnen schon recht, Herr Minister, wenn Sie sagen, wir haben Probleme an vielen sogenannten Brennpunktschulen. – Ja, die gibt es: Schulen, in denen es viele Schülerinnen und Schüler gibt, die nicht Deutsch als Muttersprache haben. Das ist absolut richtig, das geben wir zu, da brauchen wir die Augen nicht zu verschließen, da müssen wir etwas tun.

Um integrativ wirklich etwas zu bewirken, braucht es Geld – das wissen Sie –, dafür braucht es mehr PädagogInnen, es braucht kleinere Klassen, es braucht eine enge Verzahnung und Zusammenarbeit von Behörden, Sozialarbeiterinnen und Sozial­arbeitern und Schulpsychologen, und es braucht ganz klare Unterstützung von Ihnen und Ihrem Ministerium. Das wäre notwendig, um nicht wieder irgendeine Schlag­zeilen­politik zu machen, die nur darauf aus ist, zu zeigen: Liebe Österreicherinnen und Österreicher, keine Angst, wir separieren jetzt die Ausländerkinder von euren Kindern und damit ist die Bildung in Österreich gerettet! – Herr Minister, das ist zu wenig, das ist falsch, das reicht noch lange nicht, und das wissen Sie auch ganz genau.

Wir müssen allen Kindern in unserem Land die Möglichkeit geben, sich bestmöglich zu entwickeln, Freunde zu finden, sich zu integrieren, unsere Sprache zu lernen und die eigenen Talente zu entdecken. Man fördert das ganz bestimmt nicht, indem man Kindern den aktiven Sprachkontakt entzieht. Das wird nicht funktionieren. (Bundesrat Mayer: Genau das Umgekehrte ...!) – Ich habe gestern mit Harald Walser telefoniert, gerade Vorarlberg ist ein Vorzeigebundesland, wenn es um Integration geht; Edgar, das weißt du ganz genau. Da gibt es positive Beispiele, Schulen, die das vorantreiben, aktiv die PädagogInnen miteinbeziehen und wirklich unterstützen und fördern. Wir müssen es schaffen, dass die SchülerInnen auch aktiv beteiligt werden.

Wir wissen, dass Gelerntes gefestigt wird, wenn man es mit anderen teilt, wenn Schü­lerinnen und Schüler Lerninhalte gemeinsam erarbeiten können und von ihren jewei­ligen Talenten gegenseitig profitieren. Schwächere Kinder können Lerninhalte gemein­sam mit gleichaltrigen Kindern erarbeiten und dadurch besser verstehen lernen. Die stärkeren Schülerinnen und Schüler lernen, ihr Wissen so zu strukturieren, dass sie es anderen weitergeben können. Da braucht es keine Selektierung der Kinder, sondern es braucht eine Schule, die auf Chancengleichheit basiert und Pädagoginnen und Päda­gogen unterstützt, damit diese Kinder optimal und talentorientiert auf ihr weiteres Le­ben vorbereitet werden.

Herr Bildungsminister, Sie sollten sich nicht die Frage stellen: Wie verurteile ich Kin­der?, sondern: Wie schaffe ich einen Unterricht, der auf deren Fähigkeiten – und ja, da gehört Mehrsprachigkeit sehr wohl auch dazu – eingeht und sie fördert? Das wäre notwendig. Man braucht auch kein Bildungsexperte zu sein, um zu erkennen: Wenn man 25 Kinder, die wenig oder mangelhafte Deutschkenntnisse haben und untereinan­der nicht Deutsch sprechen, in eine gemeinsame Klasse steckt, werden weder sie es leicht haben, noch die PädagogInnen, sich individuell auf die Kinder und die Sprach­diagnostik einstellen zu können. Wenn man glaubt, dass es dann besser wird – na gut!

Herr Minister, Sie müssen nur über die Grenze nach Deutschland schauen, das kommt ja dann sicher auch. Wir Grüne fordern in den Ausschüssen schon seit Jahren ein Modell wie das in Hamburg entwickelte FörMig, das Sie vielleicht kennen. Ich weiß nicht, ob Sie sich schon damit beschäftigt haben. Dieses Modell sieht eine durch­gän-


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gige additive Sprachförderung von der Volksschule bis zum Ende der Pflichtschulzeit vor und setzt auf die Einbindung der Eltern sowie auf regelmäßige Sprachstands­erhe­bungen.

Warum gibt es so etwas in Österreich noch nicht? – Ja richtig, es benötigt Geld, gerade im Bildungssektor. Eine gezielte, individualisierte Förderung der Bildungssprache setzt angemessene Arbeitsbedingungen in den Kinderbetreuungseinrichtungen und Schu­len – keine Schließungen wie in Oberösterreich; dort wurden Kinderbetreuungsein­rich­tungen geschlossen oder ihre Kapazitäten reduziert – sowie, beginnend mit der Ele­mentarpädagogik, eine deutlich bessere Ausbildung der PädagogInnen gerade in der Elementarpädagogik voraus. In Österreich zahlt man offensichtlich lieber später ein Vielfaches mehr für Arbeitslosenversicherung, Sozialhilfe, Qualifizierungskurse und so weiter als die jetzt notwendige Summe.

Sie haben in Ihrer Rede von den sogenannten Willkommensklassen in Deutschland geschwärmt, Kollegin Neurauter: Sie müssen auch dort ganz genau hinschauen. In Deutschland hatten die Klassen zwölf statt wie in Österreich durchschnittlich 17 Kinder. Am Land werden wir in diesen Sonderklassen vielleicht fünf oder sechs Schüler haben und in den Städten 30 oder ich weiß nicht wie viele pro Klasse. (Bundesrat Mayer: Du hast zu viel Fernsehen geschaut!)

In Deutschland werden die PädagogInnen sehr wohl stark von Sozialarbeitern, von SchulpädagogInnen, Schulpsychologen und ehrenamtlichen Helfern unterstützt. Problematisch ist aber in Deutschland – und das wird dort sehr harsch kritisiert –, dass diese Klassen irgendwo in den Hinterhöfen, in den hintersten Gängen der Schul­gebäude untergebracht sind und die SchülerInnen dort halt einfach nicht gelernt haben, untereinander Deutsch zu sprechen, weil sie zu Deutschen gar keinen Kontakt hatten. Das gab es. Diese Kritik gibt es auch in Studien. Man muss sich das mit den Willkom­mensklassen durchlesen. Man hat damit genau das Gegenteil bewirkt, man hat Paral­lelstrukturen geschaffen und nicht aufgehoben. Es hilft keinem, wenn man Kinder wieder separiert. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja, ist ja schon gut!)

Herr Minister, wenn es Ihnen wirklich um die Kinder geht, wenn es Ihnen wirklich um Integration geht, dann müssen Sie jetzt in eine gute Ausbildung der Lehrer investieren, in optimale Klassengrößen, in ausreichend Pädagoginnen und Pädagogen, in Schul­psychologInnen und SozialarbeiterInnen, in eine Implementierung von bundesein­heit­lichen Qualitätsstandards und – das ist ganz wesentlich – in eine Ausfinanzierung des Bildungsbereichs. Sie wissen, wie viele Millionen Euro wir da noch immer im Minus sind. Herr Minister, das würden wir brauchen. Was wir in Österreich aber ganz sicher nicht brauchen, das sind irgendwelche Ghettoklassen für unsere Kinder.

Schaffen wir wirkliche Chancen für unsere Kinder in Österreich und keine Ghetto­klas­sen! Das wäre dringend nötig. – Danke schön. (Beifall bei den Bundesrätinnen Dziedzic und Reiter sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

12.25


Vizepräsident Ewald Lindinger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile dieses.


12.26.00

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle fest, die heutige Bundesratssitzung steht vonseiten der Opposition unter dem Motto Märchen­stunde und Unterstellungen. (Bundesrat Stögmüller: Da müssen Sie nur wissen­schaftliche Zeitschriften lesen, nicht nur die FPÖ-„Aula“!)


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Herr Kollege Stögmüller, alles, was Sie von sich gegeben haben, stimmt hinten und vorne nicht. (Bundesrat Stögmüller: Dann dürfen Sie nicht nur die „Aula“ lesen!) Wenn man das Sitzung für Sitzung wiederholt, wird es nicht besser und es wird auch nicht richtiger. So manches, das Sie sagen, klingt ja wirklich nett, nur, wenn man hinschaut, erkennt man, es ist unbrauchbar, wie zum Beispiel das Erlernen einer Sprache mit Freunden. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Da gebe ich Ihnen grundsätzlich schon recht, aber um die Sprache erlernen zu können, braucht man Freunde, die Deutsch sprechen.

Die Situation in Wien ist völlig anders. Die Regierung bildet keine Ghettoklassen oder sperrt Ausländer ins Ghetto. Ich kann Ihnen sagen, die in Wien machen das selber. (Bundesrätin Grimling: Das stimmt ja nicht!) In Wien sagt Ihnen jeder Zuwanderer, der heute um eine Gemeindewohnung ansucht, dass er nur in einen bestimmten Bezirk will. (Bundesrat Stögmüller: Das ist ein Problem!) Warum? – Weil er dort schon seine türkische oder sonstige Infrastruktur hat. Da hat er den Bäcker, da hat er den Friseur, da hat er seine Geschäfte, alle sprechen türkisch, und er muss überhaupt nicht mehr wirklich Deutsch lernen. Das sind dann die Kinder der zweiten, aber leider auch der dritten Generation, die eben keine Freunde hatten, mit denen sie eine Sprache erler­nen konnten, sondern sich in ihrer Community in ihrer Sprache unterhalten haben. (Bun­desrat Stögmüller: Jetzt stecken Sie noch alle in Klassen zusammen! Super!) Die finden wir dann in der ersten Volksschulklasse wieder.

Man muss also etwas tun, damit diese Kinder nicht zurückgelassen werden und nicht auf der Strecke bleiben, sondern dem Unterricht folgen können, damit sie – das wollen wir ja alle – etwas lernen. Ihr System, das Sie so preisen, haben wir jetzt wirklich lange genug ausprobiert. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Stögmüller.)

Seit zehn Jahren gibt es sozialistische Bildungsminister, alle haben versucht, in etwa das umzusetzen, was Sie wollen. (Bundesrat Stögmüller: Nein! Wir haben die SPÖ und die ÖVP genug kritisiert!) Der Erfolg ist, dass ein Fünftel der Schüler nach neun Schuljahren nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen kann. Das ist das, was Sie fortsetzen wollen? (Bundesrätin Grimling: Da habe ich schon viel gehört ...! – Zwischenrufe der Bundesräte Beer und Novak.) Das wollen Sie den Kindern wirklich antun, eine verlorene Generation, eine bildungsmäßig verlorene Generation? – Nein danke, das brauchen wir wirklich nicht mehr! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich untermauere das auch ganz gerne – am Land mag es anders sein, in den Bal­lungszentren ist es oft durchaus ähnlich –: In Wien werden 15 000 Schüler getestet, die Hälfte davon besteht nicht, 67 Prozent davon haben Migrationshintergrund. Sie können es nicht, weil sie die Sprache nicht können. Bei den Pisa-Studien von 2003 bis 2012 ist das Ergebnis, obwohl wir – Sie – mehr ausgegeben haben, gleich null. (Bundesrätin Grimling: 2003 haben wir keine Unterrichtsministerin gestellt!)

Liechtenstein ist für einen Vergleich ein gutes Beispiel, weil es in Europa liegt; ich könnte auch Japan, Korea, Singapur oder was auch immer als Vergleich hernehmen. Dort unterscheiden sich die leistungsstarken von den leistungsschwachen Kindern signifikant. In Rechnen und Lesen zum Beispiel ist der Anteil der Leistungsstarken un­gleich höher. Liechtenstein hat 24,8 Prozent leistungsstarke Schüler, aber nur 14 Pro­zent leistungsschwache.

In Finnland – das von Ihnen viel geliebte, viel gelobte Finnland (Bundesrat Stögmüller: Nein!) – ist es ziemlich ausgeglichen, Finnland hat ein bisschen einen größeren Anteil leistungsstarker Schüler. Die Finnen sind aber auch nicht bekannt dafür, dass sie leistungsstarke Schüler wirklich fördern. Man muss wissen, dass das finnische System eines ist, das mehr Mittelmaß hat – wenn auch auf hohem Niveau – und überhaupt


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kein Interesse daran hat, dass es so etwas wie eine Elite gibt. Das haben Sie übrigens auch nicht, das wollen Sie ja auch nicht. (Bundesrat Stögmüller: Das ist ein Blödsinn!)

In Österreich haben wir 18 Prozent leistungsschwache Schüler, aber nur 14 Prozent leistungsstarke Schüler. Jetzt kann man sagen, das ist eh nicht so schlecht, aber mir gefallen halt Liechtenstein und andere Staaten, in denen es doppelt so viele leistungs­starke wie leistungsschwache Schüler gibt, doch um einiges besser. Schweden übri­gens, das das finnische System hat, aber auch einen sehr hohen Migrantenanteil, hat 27 Prozent leistungsschwache Schüler und nur 8 Prozent leistungsstarke Schüler. Allein das zeigt ja schon, dass dieses System so nicht funktioniert.

Es geht nicht darum, diese Schüler im Hinterhof zu unterrichten oder in irgendeinem Klassenraum nahe dem Hinterhof – übrigens wird so eine Klasse ab acht Schülern eröffnet –, es geht darum, diesen Schülern die Möglichkeit zu geben, möglichst rasch Deutsch zu lernen, damit sie dem Unterricht folgen können, damit sie in eine Regel­klasse gehen können. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Damit das funktio­nieren kann, ist ja auch vorgesehen, die Kinder in Musik, in Werkerziehung und in Turnen miteinander kommunizieren zu lassen. Das sind ja zwei Dinge, die da pas­sieren.

In Wien gibt es Klassen mit sehr wenigen deutschsprachigen Schülern, in manchen Brennpunktschulen mit gar keinen; aber dort, wo es sie gibt, gibt es für die Schüler ja die Möglichkeit des Kommunizierens, um die Sprache zu üben. Wenn jemand sehr flink, sehr fleißig und vielleicht auch sprachtalentiert ist – es gibt ja unterschiedliche Ta­lente –, kann er das früher machen, und wenn nicht, dann braucht er halt ein bisschen länger.

Es geht doch darum, dass er oder sie, Schüler oder Schülerin, dem Unterricht folgen kann, um eine gute Schulbildung zu erhalten und sich nachher einen Beruf aussuchen zu können, den er oder sie sich wünscht – man möchte nicht den haben, den man halt nehmen muss, weil man mit gebrochenem Deutsch nur in gewissen Bereichen arbeiten kann. Wenn Sie auch für diese Dinge sind, müssten Sie eigentlich zustimmen (Bun­desrat Stögmüller: Wir wollen ein anderes Modell!), aber ich stelle fest, entgegen allen vollmundigen Erklärungen sind Ihnen die Schüler offensichtlich wurscht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling, Hahn und Stögmüller.) – Ja, es schaut so aus. Ich sage ja nicht, dass es so ist, aber es schaut so aus, weil die Schüler offensichtlich nicht im Fokus Ihres Interesses stehen, sondern Ihre Ideologie überwiegt. Sie können diese linke Ideologie der Gleichmacherei nicht ablegen – wie ein viel geliebtes Hemd oder ein viel geliebtes Sakko –, und dann bleibt das halt so. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Wir haben natürlich auch noch einiges vor, die Präzisierung der Schulreifekriterien zum Beispiel. Ja, wir wollen einen einheitlichen Standard; es soll von Bundesland zu Bun­desland überprüft werden, anhand welcher Kriterien festgestellt wird, ob man Deutsch kann oder nicht. Und ja, wir wollen ein zweites Kindergartenjahr – das wollten Sie ja auch immer –, damit wir eben nicht in diese Situation kommen, dass man erst in der Schule beginnt, Deutsch zu lernen, sondern möglichst schon vorher. Das soll all jenen Schülern zugutekommen, die eben von zu Hause aus nicht Deutsch lernen können.

So, ich sage Ihnen, das alles sind gute, sinnvolle und wirksame Maßnahmen. Ihr System hat eindeutig versagt, und daher werden wir – so, wie wir das immer schon gefordert haben – etwas anderes tun. Ich sage Ihnen, das wird erfolgversprechender sein als das, was Sie die ganze Zeit gemacht haben. (Bundesrat Stögmüller: Deren System, nicht unser System!) – Ja, aber die Grünen haben ja die Roten da immer unterstützt und haben immer gesagt, wie super das nicht alles ist. Gebracht hat das, wie gesagt, gar nichts. (Bundesrat Stögmüller: Die ÖVP war genauso dabei!) Jetzt ist


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es an der Zeit, eine Kehrtwende zu machen, Nägel mit Köpfen zum Wohle der Schüle­rinnen und der Schüler zu machen. (Beifall FPÖ und ÖVP.)

12.34


Vizepräsident Ewald Lindinger: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile ihr dieses.


12.35.07

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wenn die Argumente im Bildungsbereich ausgehen, kommt man gerne zum Wienbashing zurück, das haben wir hiermit wieder sehr eindrucksvoll erlebt. (Bundesrätin Mühlwerth: Die Argumente sind mir ausgegangen?) Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Wahrheit und die Realität in den Schulklassen eine andere ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sehen eure sozialistischen Lehrer ein bisschen anders!) Ich stehe tagtäglich in der Klasse und ich weiß, wie es läuft. (Neuer­licher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Hören Sie die nächsten paar Minu­ten zu, dann schärft sich Ihr Bild vielleicht ein bisschen! (Ruf bei der FPÖ: Jawohl, Frau Direktor! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Ich möchte uns zu Beginn noch einmal ins Gedächtnis rufen, was im Schulorgani­sationsgesetz unter § 2 zu finden ist. Dort heißt es:

„Die jungen Menschen sollen zu gesunden und gesundheitsbewussten, arbeits­tüch­tigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bür­gern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil, sozialem Verständnis und sportlich aktiver Lebensweise geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufge­schlossen sein sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.“ (Bundesrat Spanring: Eindeu­tig versagt!)

Wenn man diese Worte wirken lässt und sich deren aus meiner Sicht doch recht weitereichender Bedeutung bewusst wird, wird man sich fragen – ich weiß, das ist jetzt provokant –, was sich die Bundesregierung bei diesem Gesetzentwurf überlegt und gedacht hat. (Bundesrat Mayer: Mehr als Sie in den letzten zehn Jahren!)

Um ehrlich zu sein, frage ich mich, ob das eine oder andere Mitglied der Bundes­regie­rung all diese Lernziele, die da im SchOG geschildert sind, in seiner Schullaufbahn selbst auch wirklich erreicht hat. Ich befürchte, nicht, denn da kann weder von sozialem Verständnis gesprochen werden noch von einer Aufgeschlossenheit anderen gegen­über, allen voran natürlich betreffend die Deutschförderklassen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Das ist der Unterschied! Zuerst unsere, dann alle anderen!)

Natürlich – ich glaube, darüber sind wir alle in diesem Saal uns einig – gehört das Beherrschen der Unterrichtssprache Deutsch dazu. Zu diesem Zweck, das wissen Sie genauso gut wie ich, gibt es – oder besser gesagt: gab es – schon seit Langem, aus meiner Sicht ganz besonders seit dem Jahr 2016/17, sehr erfolgreiche Sprachstart­gruppen und Sprachförderkurse, die mit den entsprechenden Ressourcen ausgestattet waren und den einzelnen Schulen einen gewissen schulautonomen Spielraum in der Organisation eingeräumt haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Ein Fünftel kann nicht lesen und schreiben, das ist der Erfolg!)

Ohne dass man diese Maßnahmen wirken lässt und ohne dass man sie einer entsprechenden Evaluierung unterzieht (Bundesrätin Mühlwerth: Ein Fünftel kann nach neun Schuljahren nicht lesen und schreiben!), lässt man sie nun auslaufen und


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ersetzt sie durch ein – ich zitiere hier die Gewerkschaft der PflichtschullehrerInnen – unzureichend vorbereitetes Gesetz. Ich darf an dieser Stelle daran erinnern, dass die Gewerkschaft zu einem weit überwiegenden Teil nicht unbedingt sozialdemokratisch geprägt ist. (Bundesrat Schuster: Ja, genau!) Dass Gewerkschafter der FCG gemein­sam mit Vertretern der FSG eine Resolution gegen das vorliegende Gesetz verab­schiedet haben, sollte auch Ihnen zu denken geben, wenn Sie ganz ehrlich sind. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja!)

Im Gesetz ist die Rede von einem eigenen Lehrplan für die Deutschförderklassen – es gibt noch keinen; es ist die Rede von standardisierten Diagnoseinstrumenten – die gibt es auch noch nicht. Wir alle warten sehnsüchtigst auf das Bereitstellen notwendiger zusätzlicher Personalressourcen, Sprachförderlehrer und dergleichen – das Gegenteil ist der Fall, es soll massiv gekürzt werden. Das geschieht zusätzlich zu all dem, was sonst noch so gekürzt wird, etwa dem Integrationstopf – wodurch auch Sozialpäda­gogInnen, interkulturelle Teams und vieles mehr gestrichen werden –, zusätzlich zum de facto gekürzten Ganztagsschulpaket – aus meiner Sicht ein weiterer Schritt ins pädagogische Mittelalter. Moderne und vor allem realitätsnahe Bildungspolitik schaut, glaube ich, anders aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP und von der FPÖ, können Sie sich eigentlich im Entferntesten vorstellen, was das für die betroffenen Schulen in der Praxis bedeutet? Was das für die Kinder, die selektiert und von den anderen separiert wer­den, rein menschlich und emotional bedeutet, haben wir bereits sehr eindrücklich von meiner Kollegin Gruber-Pruner gehört.

Was heißt das jetzt im Konkreten für die Lehrerinnen und Lehrer, für die Schul­leiterin­nen und Schulleiter im täglichen Arbeiten? – Diese müssen bereits jetzt im Frühjahr ihre Konzepte für das kommende Schuljahr abgeben. Sie müssen gegenüber den Landesschulräten beziehungsweise jetzt den Bildungsdirektionen aufzeigen, welche Lehrer sie brauchen, welche Stundenkontingente sie benötigen. Das sind oft langwie­rige und sehr intensive administrative Tätigkeiten und Planungen, die eben jetzt auf­grund dieser Husch-Pfusch-Aktion wieder über Bord geworfen werden müssen – sozusagen: Planungen wieder zurück an den Start. (Bundesrat Steiner: Der Häupl war bis Dienstag Bürgermeister!)

Im Schulalltag wird es nicht besser ausschauen. Es wird sich die Frage stellen, wer denn diese Sprachförderklassen betreuen wird, wenn es eben nicht die notwendigen Lehrerinnen und Lehrer gibt. Wenn man daran denkt, dass eine Sprachförderklasse bis zu 20 Stunden umfassen sollte, was fast ein ganzer Lehrerposten ist: Woher nehmen, wenn er denn nicht da ist? Soll dafür zum Beispiel – und das befürchte ich stark – in den Neuen Mittelschulen auf die Doppelbesetzungen in den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch verzichtet werden? (Bundesrat Spanring: Wann ist denn die Doppelbesetzung gekommen?) Wie gesagt, ich befürchte es sehr, ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren. Darauf wird es, so fürchte ich, hinauslaufen. Es ist aber auch ganz klar, dass die Qualität im Unterricht darunter leiden wird, das liegt auf der Hand. Ja, so kann man die Neue Mittelschule auch auf subtile Art und Weise aushöhlen. (Bundesrat Mayer: Weil sie nicht Deutsch können!)

Es wird sich auch die Frage stellen, wo man mit der Deutschförderklasse hingeht, wenn es unter Umständen die notwendigen zusätzlichen Räume in den Schulen gar nicht gibt. Da stimme ich natürlich Kollegen Stögmüller zu. In der Praxis wird es so aussehen, dass bei all den widrigen Umständen, die damit einhergehen, die Pädago­ginnen und Pädagogen den Schulmotor sozusagen werden am Laufen halten müssen. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an alle Pädagoginnen und Pädagogen, die, glaube ich, eine wirklich nicht immer leichte, aber umso verantwortungsvollere Aufgabe


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übernehmen und tagtäglich im Einsatz für unsere Kinder und Schülerinnen und Schüler sind! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Zum zweiten Teil des geänderten Gesetzes, nämlich zu den Schulpflichtverletzungen: Hier wurde deshalb eine neue Regelung geschaffen, weil die derzeitig gültige mit ihrem Fünfstufenplan zur Prävention von Schulpflichtverletzungen der Regierung nicht als tauglich erscheint. – Nun, so ehrlich müssen wir sein: Mit dieser neuen Regelung wird sich am psychisch oder sozial bedingten unentschuldigten Fehlen rein gar nichts än­dern. Was passiert beispielsweise im Pflichtschulbereich, wenn ein Schüler, eine Schülerin unentschuldigt vom Unterricht fernbleibt, etwa – wie es häufig vorkommt – einige Tage vor Ferienbeginn, weil der Flieger billiger ist, weil das Hotel am Urlaubsort günstiger ist? (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist alles in Ordnung?) – Man wird halt dann in Zukunft Kopfweh oder Übelkeit als Begründung auf dem Entschuldigungszettel stehen haben. Ich bin mir sicher, dass finanzielle Sanktionen wieder jene Kinder und jene Familien treffen, die das Geld ohnehin nicht haben und die eigentlich schul­psychologische Hilfe bräuchten. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja!) Für mich ist das ein weiterer unüberlegter und kurzsichtiger Gesetzesvorschlag. (Bundesrätin Mühlwerth: Die gibt es ja trotzdem! – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Herr Bundesminister! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Genauso unüberlegt und unevaluiert wie die Deutschförderklassen und – nennen wir ihn so – der Schul­schwänzparagraf ist auch die Umsetzung der neuen modularen Oberstufe, weil sie weiter verschoben werden soll. 2012 wurden ja Rahmenbedingungen für einen modularen Aufbau der Oberstufe geschaffen, um einerseits die Kompetenzen der SchülerInnen zu erhöhen und um andererseits auch auf ein mögliches folgendes Studium besser vorzubereiten. Es geht dann nicht mehr darum, Leistungen und Beur­teilungen über ein ganzes Jahr hinweg zu sehen, sondern um eine sinnvolle Aufteilung in semesterweise Module. So wäre im schlechtesten Falle bei einer negativen Beur­teilung nicht gleich ein ganzes Schuljahr verloren, sondern es könnte eben lediglich dieses eine betreffende Modul wiederholt werden.

Viele Schulen haben sich bereits in Richtung dieser neuen Oberstufe entwickelt und entsprechende Maßnahmen gesetzt, was teilweise natürlich mit großem adminis­trativem Aufwand verbunden war und ist. Daher ist es auch in diesem Fall gänzlich unverständlich, warum nun diese Entwicklung noch weiter verzögert werden soll, be­sonders wenn man bedenkt, dass aus diesem Entwicklungsprozess jetzt auch heraus­optiert werden kann.

Alles in allem ist das vorliegende Gesetz aus meiner Sicht in allen drei Bereichen mehr als fragwürdig und erscheint für die Sozialdemokratie in dieser Form nicht durchführ­bar.

Wir hatten heute alle ein Buch auf unseren Plätzen liegen: „Überall ist Zukunft“. Ich darf zum Schluss in diesem Sinne den Titel dieses Buchs ein bisschen umformulieren: In der Schule ist Zukunft. Bildung ist Zukunft, nämlich für eine moderne, offene Gesell­schaft, die niemanden zurücklässt, die Potenziale und Talente fördert, und zwar alle Kinder gleichermaßen fördert. Das sollte, glaube ich, in unser aller Interesse sein, und daher würde ich noch einmal an ein Überdenken dieses Gesetzes appellieren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen ohne Fraktionszugehörigkeit.)

12.45


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Karl Bader. – Bitte.


12.45.26

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schulorganisationsgesetz, Schulun-


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ter­richtsgesetz, Schulpflichtgesetz und Land- und forstwirtschaftliches Bundesschul­gesetz sollen geändert werden. Ich freue mich, dass im Ministerium mit unserem Bun­desminister Faßmann Schule und Bildung wieder eine neue Zukunft im Interesse der Kinder und Jugendlichen bekommen. Dafür sind natürlich auch Regelungen erforder­lich, dafür ist es ganz einfach notwendig, dass an manchen Stellschrauben in der Bildungspolitik gedreht wird, um in eine gute Zukunft zu kommen.

Ich möchte auch im Hinblick darauf, dass wir im Ausschuss schon eine intensive Dis­kussion hatten, anmerken, dass es bei diesem Gesetz oder bei den Teilen und Inhalten dieses Gesetzes nicht um Prestigeüberschriften geht. Es ist zum einem, wenn ich auf die Schulpflichtverletzungen hinweisen darf, schon so, dass es ein sehr, sehr großes öffentliches Interesse daran gibt, dass die Regelungen betreffend Schulpflicht auf allen Ebenen eingehalten werden. Da geht es auch nicht darum, dass die Regierung, wie vorgeworfen wurde, abkassieren möchte. Das ist nicht das Thema.

Es wurde 2013 ein Fünfstufenplan eingerichtet und dieser soll eben gestrafft und effizienter gestaltet werden. Bei allem, was in diesem Fünfstufenplan enthalten ist, ist klar, dass alle Maßnahmen beibehalten werden – pädagogische Maßnahmen, soziale Maßnahmen – und die Strafe, die Verwaltungsstrafe ganz klar das letzte Mittel und die letzte Stufe ist. Es soll natürlich auch Mindeststrafen geben. Ich möchte unterstreichen, dass das wirklich eine notwendige Maßnahme ist.

Zum Zweiten: Deutschförderklassen wurden heute schon mehrmals angesprochen. Das Ziel, glaube ich, ist für uns alle: Wir wollen Schülerinnen und Schüler unterstützen, bestmöglich fördern und auch jedem Kind die besten Chancen in der Schule bieten. Ich glaube aber trotz alledem, dass wir bei dieser Thematik sehr wohl die Kirche im Dorf lassen müssen und uns in diesem Hohen Haus wirklich gut überlegen sollen, welche Begrifflichkeiten hier verwendet werden. Wir reden von Segmentierung, Separierung, Selektierung – das sind Wörter und Begriffe, die wirklich sehr, sehr negativ besetzt sind –, auch von Ghettoklassen. Es geht um eine Förderung. Es geht auch nicht da­rum, dass hier ein Bashing eines Bundeslandes oder unserer Bundeshauptstadt er­folgt, sondern es gibt ganz einfach Fakten, die Anlass dazu geben, entsprechende Unterstützungsmaßnahmen, eben Deutschförderklassen, einzusetzen. Worum es dem Herrn Minister geht, weiß er schon selber, lieber Kollege Stögmüller. Der Herr Bun­desminister weiß selber, was er tut, und er braucht hier keine Interpretation von deiner Seite, was seine Zielrichtung in diesem Zusammenhang ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Fakten sind natürlich auch da die Grundlage: Wir haben bundesweit 22,1 Prozent Einwohner mit Migrationshintergrund, 42,8 Prozent sind es in der Bundeshauptstadt. Wir haben Kinder mit einer anderen Umgangssprache als Deutsch, bundesweit hat jeder vierte Schüler Deutsch nicht als Umgangssprache. Rund jeder zehnte Schüler in diesem Land kann als außerordentlicher Schüler dem Unterricht nicht folgen, daher gibt es auch entsprechende Maßnahmen.

Frau Kollegin Gruber-Pruner hat im Ausschuss einen Satz gesagt, den ich mir gut ge­merkt und aufgeschrieben habe: In mehrheitlich deutschsprachiger Umgebung lernt man am besten. – Leider haben wir aber heute in vielen Schulen die Situation – und das ist nicht nur in Wien ein Problem, das ist auch in den ländlichen Regionen draußen so –, dass 50 und mehr Prozent der Schülerinnen und Schüler Deutsch nicht als Muttersprache haben. Sie haben dann natürlich auch keine mehrheitlich deutsch­sprachige Umgebung, daher ist das sicherlich ein Argument dafür, dass man sagen muss, weil es eben diese mehrheitlich deutschsprachige Umgebung in der Schule nicht gibt, müssen entsprechende Maßnahmen gesetzt werden. Es geht dabei auch nicht darum, dass irgendjemandem ein Stempel aufgedrückt wird. (Zwischenruf der Bundes­rätin Gruber-Pruner.)


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Ich möchte Doris Vettermann von der „Kronen Zeitung“ kurz zitieren, sie hat am 14. April zu diesem Thema geschrieben – ich zitiere wörtlich –: „Gerade Wien, das einen hohen Anteil an außerordentlichen Schülern, also jenen, die nicht beurteilt werden, weil sie dem Unterricht nicht folgen können, hat, gerade Wien, das bei den Bil­dungsstandards im Österreich-Vergleich schlecht abschneidet, und gerade Wien, das den höchsten Anteil von Schülern in Privatschulen hat, sollte merken, dass es so nicht geht. Eigene Deutschklassen sind sicher kein Allheilmittel“. (Bundesrätin Grimling: Was ist mit den Privatschulen?) Das wissen auch wir, und das weiß auch der Herr Minister. Sie sind ein Weg, obwohl sie vielleicht der Wissenschaft da und dort ein Dorn im Auge sind, aber man kann dem offensichtlich nicht ganz auskommen. (Bundesrätin Gruber-Pruner: Das ist ja Unsinn!) Daher ist diese Maßnahme auch vom Herrn Bun­desminister eingebracht worden.

Ich glaube auch, dass diese Deutschförderklassen eine Win-win-Situation sind und sein werden. Sie garantieren den Kindern, die Deutsch sprechen, einen anständigen Unterricht, sie helfen gezielt Kindern mit Deutschdefiziten. Warum wissen wir das? – Wir haben ein Beispiel, auf das wir gut zurückgreifen können, weil es eine solche Maßnahme in Niederösterreich, in Wiener Neustadt schon gegeben hat. Dort wurden in einer Klasse mit 22 Schülern von 15 Schülern sieben unterschiedliche Sprachen ge­sprochen, und da wurde eben solch eine Deutschförderklasse eingerichtet. Da gibt es familiäre Situationen, in denen auch eine schlechte Sprachkompetenz gegeben ist, und natürlich gibt es auch verzweifelte Lehrer. Ich möchte mich dem Dank der Kollegin Hahn anschließen. Die Lehrerinnen und Lehrer haben in den letzten Jahren, in denen wir es mit einem großen Zustrom an Flüchtlingen zu tun haben, in denen wir zu kämp­fen haben, um dies zu bewältigen, wirklich großartige Arbeit geleistet.

Das Modell der gezielten Sprachförderung hat schon nach wenigen Monaten klar und deutlich gezeigt, dass sich die Sprachkompetenz um bis zu 70 Prozent erhöht hat und diese Kompetenz auch nach den Ferien gut weiterentwickelt worden ist. Daher ist das eine Win-win-Situation für alle.

Ich danke daher auch dem Herrn Minister noch einmal für das Engagement und für die Initiativen in diese Richtung. Ich möchte auch eindringlich dazu auffordern, keine Parteipolitik auf dem Rücken der Schulkinder zu machen. (Bundesrätin Grimling: Wer macht denn das? – Beifall der Bundesrätin Hahn.) Wer gegen Deutschklassen ist, steht der Zukunft der Schüler im Weg; das wollen wir nicht, und daher werden wir diesen Gesetzesänderungen auch sehr, sehr gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.53


Vizepräsident Ewald Lindinger: Herr Bundesrat Michael Wanner ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


12.53.38

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich oute mich als einer, der heute das erste Mal hier spricht, und darf mich bei allen für die wirklich herzliche Aufnahme in den Reihen des Bundesrates bedanken. (Allgemeiner Beifall. – Ruf bei der FPÖ: Das kann sich rasch ändern!)

Vorab kann ich sagen, dass ich wirklich gesehen habe, dass das Ziel bei allen Frak­tionen dasselbe ist, nämlich dass unsere Kinder, unsere Mitbürger Deutsch können, dass sie an der Gesellschaft teilhaben können, dass sie unsere Kultur kennen und dass sie hier ordentlich leben. Allein der Weg, Herr Minister, ist ein ganz anderer, den


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sehen die Freiheitlichen anders, die ÖVP und Sie gehen den, den Sie vorgeschlagen haben – man muss dem nicht wirklich zustimmen.

Ich möchte ein bisschen in Richtung eines Vergleichs mit einer Firma oder eines Fußballvereins gehen: Ein Fußballverein hat einen neuen Spieler, den schickt man nicht, weil er nicht Deutsch kann, zuerst einmal aufs Nebenfeld und lässt ihn so lange mit dem Ballerl spielen, bis er Deutsch kann, und nimmt ihn dann wieder rein, sondern einen fremdsprachigen Fußballspieler integriert man von Anfang an. So macht das auch eine Firma, und so sollte es auch sein. (Bundesrat Spanring: Der muss ja auch nicht Deutsch können als Fußballspieler!) Die Deutschklassen sind ja doch ein Auf-die-Seite-Geben und dann wieder Hereinnehmen in den normalen Regelbetrieb. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das sind ja nur wenige! – Bundesrat Mayer: Was ist das für ein Vergleich? – Ruf bei der FPÖ: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!) So würde ich mir auch die Firma Österreich vorstellen, und das würde mir gut gefallen, denn mit anderen zusammen kann man unsere Kultur und unseren Staat kennenlernen, kann man erkennen, was wir wollen und was wir machen.

Man kann einer anderen Überzeugung sein und es so machen, wie Sie es machen. Es sind aber sehr viele Experten der Ansicht, dass dieser Weg nicht der zielführende ist. Professor Becker-Mrotzek hat auch gesagt, dass es mit Kontakten, mit Integration geht – nicht separieren, integrieren! Kinder lernen von Kindern, man sollte eigentlich diesen Weg gehen und nicht einen anderen. Integration ist das Einbeziehen von Ein­zelnen in das große Ganze und das Verbinden einer Vielheit von einzelnen Personen oder Gruppen in eine gesellschaftliche und kulturelle Einheit. Das kann man nur machen, indem man alle zusammenhält.

Was machen wir beziehungsweise was macht die Regierung? – Herr Minister, Sie trennen und teilen Gruppen vom Ganzen zu kleineren Teilen, Sie dividieren Kinder und Jugendliche auseinander, und ich sage sogar, dass sie teilweise auch sozial ausge­grenzt werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja!)

Das Ganze soll jetzt auch schon im Schuljahr 2018/2019 beginnen. Der Lehrplan ist noch nicht ausgearbeitet, die Klassen sind noch nicht festgelegt. (Zwischenruf der Bundesrätin Ecker.) Wie viele braucht man? Die Lehrerinnen und Lehrer sind noch nicht eingeteilt. Geld soll es mehr geben, das freut uns, hoffentlich kommt dann auch mehr heraus. Es werden also 30 000 Schüler überfallsartig ohne Ressourcen, ohne Lehrplan, ohne fertigen Test, ohne Personal, vielleicht mit ein bisschen mehr Geld in das nächste Schuljahr geschickt. Die Lehrer sind nicht gefragt worden, die Eltern sind nicht eingebunden worden, und vor allem wird das meines Erachtens auf dem Rücken der Kinder ausgetragen.

Jetzt schaue ich in die Zeitungen und lese im „Standard“ vom 11.4., dass SOS Mit­mensch von „Ausgrenzung“ spricht, also wesentlich mehr als Separierung, Teilsepa­rierung. Der Landesschulrat von Tirol, der sicher kein Roter ist, redet von negativen Auswirkungen auf den Spracherwerb, die den Integrationsprozess erschweren. (Bundesrätin Mühlwerth: In Tirol! Was erwartet man sich da?) Direktoren aus Ober­österreich sprechen von einem Organisationschaos. – Ich meine, die werden wohl wissen, wovon sie sprechen. In Wien fehlen 500 Klassen. (Zwischenruf der Bundes­rätin Ecker.) Manche Schüler werden eine wesentlich längere Schullaufbahn haben, nämlich bis zu zwei Jahre länger, und die Gewerkschaft der Pflichtschullehrer spricht von Qualitätsverlust und Autonomieunverträglichkeit in Bezug auf Schulen. (Bun­desrätin Mühlwerth: Tatsache ist, dass sie jetzt schon einen Rückstand von zwei Jahren haben wegen des sozialistischen Systems!)

Alle diese Punkte könnte man nehmen und einmal hinterfragen, überdenken und langsam angehen. Ich habe ein bisschen den Eindruck, man will das schnell und über-


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fallsmäßig durchführen, nach dem Motto: Ich habe meine Meinung gefasst, verwirren Sie mich nicht mit Tatsachen! Eine Möglichkeit wäre, es ein Jahr auszusetzen, ordent­lich auszuarbeiten, ordentlich vorzubereiten. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir haben aber keine Zeit!) – Frau Kollegin, Sie dürfen sich, glaube ich, nachher auch noch einmal zu Wort melden. (Bundesrat Samt: Auf Belehrungen stehen wir besonders!)

Das zweite Thema ist Schulschwänzen. Der Fünfstufenplan ist zu kompliziert. Nach drei Tagen Schulpflichtverletzung gibt es am vierten Tag eine Mindeststrafe von 110 Euro, bis zu 440 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen. Präventionsmaßnahmen wären da unbedingt notwendig. (Bundesrat Mayer: Die gibt es ja!) Die Kinder und Jugendlichen sind in diesem Alter in einem Persönlichkeitswandel, da gibt es verschiedenste Gründe, warum sie nicht zur Schule gehen – nicht nur, weil sie irgend­jemandem etwas zu Fleiß tun wollen –: Familie, Mitschüler, Unterforderung, Überforde­rung. (Bundesrätin Mühlwerth: Das kommt ja erst, wenn alles andere probiert wurde!) Komischerweise straft man aber bei den Schülern sehr rasch, sehr flott, und im Zu­sammenhang mit der Wirtschat, haben wir gerade vorhin gehört, müssen wir zuerst beraten, dann noch einmal beraten und dann vielleicht rügen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Ecker.)

12.59


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile es ihr.


13.00.26

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir geht es jetzt auch ein bisschen so wie Kollegin Mühlwerth, auch ich fühle mich jetzt wie in einer Märchenstunde. Ich schätze dich sehr, Kollege Wanner, du weißt es, wir kennen uns ja doch schon sehr lange. Ich schätze es, dass du gesagt hast, wir alle wollen das Gleiche. Ja, das eint uns. Wir wollen wirklich die Chancengleichheit für unsere Kinder und Jugendlichen erhöhen, verbessern, sodass wir dann zu echter Chancengleichheit kommen.

Ich habe schon im Ausschuss gesagt: Man kann das Glas als halb voll oder als halb leer betrachten. Ihr seht es leider als halb leer, wir hingegen sagen, es ist halb voll mit Potenzial nach oben – mit diesen begleitenden Maßnahmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich bin seit sieben Jahren Elternvereinsvorsitzende einer großen Schule in Salzburg. Wir haben viele, viele Kinder mit Migrationshintergrund. Wir fördern gezielt Maßnah­men wie zum Beispiel Schüler helfen Schülern, in deren Rahmen wir Nachhilfe­unter­richt geben, und zwar niedrigstschwellig, zu einem Preis, der wirklich für alle finanzier­bar ist. Wir vom Elternverein unterstützen das, aber leider ist es da dann schon zu spät. Hinter den Drop-out-Quoten stehen Schicksale, die damit verbunden sind, Jugend­liche, die keine Chance mehr auf einen Arbeitsplatz haben, sodass es ihnen nicht mög­lich ist, ihr Leben selbstbestimmt zu leben und dann für ihre Familien zu sorgen – das ist ja die Problematik.

Ein Direktor hat zu mir gesagt, es ist gerade auch bei der Matura immer wieder ein Problem, dass die Schülerinnen und Schüler die Aufgaben nicht sinnerfassend lesen und dann einfach nicht richtig wiedergeben können, etwa in Mathematik. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Ich sage nicht, dass das jetzt nur die Aufgabenstellung war, aber das wurde mir mitgegeben: Das sinnerfassende Lesen, das ist eben nicht vorhanden.

Wir sagen alle, es herrscht Handlungsbedarf – und dann handelt diese Regierung (Bundesrat Schennach: Aber falsch!), Gott sei Dank handelt sie, und dann werden wir


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wieder an den Pranger gestellt. Das kann es doch nicht geben! Gott sei Dank wird jetzt gehandelt! Wie lange wollen wir noch zuschauen und diese Systeme, die nicht funktionieren, weiterschleppen?! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben es im Ausschuss gehört, Frau Dr. Schmidt hat sehr kompetent und umfas­send alle unsere Fragen beantwortet, es hat ein Expertenhearing gegeben, auch im Unterrichtsausschuss. Es ist vorbereitet – und Sie sagen, es sei nichts vorbereitet. Frau Dr. Schmidt hat uns ganz klar gesagt, diese Sachen sind auf Schiene. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Wir haben nachgefragt. Es gibt da auch eine entsprechende Zielset­zung im Gesetzentwurf: mit dem Schuljahr 2018/2019. Der Herr Minister wird dazu sicherlich noch einiges ausführen.

Frau Dr. Schmidt hat uns sehr klar und deutlich gesagt: Wir lassen keine Kinder hinten. Wenn das jemand als Ghettoisierung bezeichnet, muss ich entgegnen, das stimmt ja gar nicht. Wir bieten diesen Kindern die Chance, gleich zu Beginn ihrer Schulkarriere Deutsch sinnerfassend zu lernen.

Herr Kollege Stögmüller – wo ist er jetzt? –, da geht es nicht nur um Kinder mit Migra­tionshintergrund; alle Kinder, die nicht Deutsch können, sind in diesen Deutschklassen dann zusammen. Wir haben auch noch die Vorschulklassen, die bleiben davon unberührt. Das ist eine zusätzliche Maßnahme. Wir geben mindestens 40 Millionen Euro in dieses Projekt hinein. Ich glaube, da kann man nicht sagen, das kann man noch evaluieren, sondern es ist Zeit, zu handeln, und wir tun das jetzt, und das ist gut und richtig. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Wir bieten Arbeitsplätze für die Pädagoginnen und Pädagogen, auch das wurde, glaube ich, noch nicht deutlich gesagt. Da geht es um 440 Arbeitsplätze, das ist ja auch etwas, damit geben wir jungen KollegInnen, die jetzt da sind, Möglichkeiten und schaffen einen Mehrwert.

Was ich von meinen Pädagoginnen und Pädagogen noch mitgenommen habe, ist, dass sie gesagt haben: Bitte sag, dass wir Bildung mit Hausverstand brauchen! Das heißt, dass wir Kinder und Jugendliche wieder das lehren, was sie wirklich brauchen, dass wir sie fit für den Alltag und für ihre Zukunft machen.

Ich bitte Sie, Herr Minister, dieses Wort auch mitzunehmen, Bildung mit Hausverstand, und all diese Dinge nicht zu überladen und immer mehr hineinzupacken. Damit tun wir weder den PädagogInnen etwas Gutes noch den Schülerinnen und Schülern, den Jugendlichen und den Kindern.

Wir haben auch schon kurz zu dem Sanktionsmechanismus bei der Schulpflicht­ver­letzung etwas gehört: Ich stehe voll dahinter, es ist keine Bagatelle, wenn jemand nicht in die Schule geht. Die Bayern waren da ganz drastisch, ich weiß nicht, ob Sie das gehört haben: Zu Pfingsten gibt es in Bayern immer Pfingstferien, und es wurden Polizeikontrollen an den Flughäfen organisiert, um zu schauen, ob die Kinder auch wirklich Ferien haben oder nicht. Das wollen wir nicht. Wir wollen aber, dass die Dinge in Fluss kommen und dass es nicht als Kavaliersdelikt behandelt wird, wenn man nicht in die Schule geht. Daher sind diese begleitenden Maßnahmen nur zu begrüßen.

Betreffend Nost kann ich noch anführen – ich bin ja auch Mitglied des SGA an unserer Schule –: Wir haben uns jetzt wieder entschlossen beziehungsweise werden uns entschließen, sie auf ein weiteres Mal hinauszuschieben, nämlich bis 1.9.2021. Die Pädagoginnen und Pädagogen an meiner Schule sagen mir nämlich, dass noch nicht klar ist, in welche Richtung es geht, und dass sie sich das noch ganz genau anschauen wollen. Darum bin ich froh, dass wir auch die Möglichkeit haben, uns das weiter anzuschauen und zu evaluieren. (Bundesrätin Gruber-Pruner: ... haben wir noch Zeit!)


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Abschließend möchte ich nochmals allen Pädagoginnen und Pädagogen ein herzliches Dankeschön aussprechen. Ich habe selber einen Mann und eine Tochter, die Pädago­gen sind, ich weiß, was sie alle in ihrem Alltag zu leisten haben. Ich weiß, dass das Engagement der Pädagoginnen und Pädagogen weit über das Normale hinausgeht. Das können wir nicht hoch genug einschätzen, darum verdienen sie auch ordentliche Rahmenbedingungen.

Ich habe gesagt, diese Regierung schaut nicht zu, sondern handelt, indem sie diese Dinge umsetzt. Vielen Dank, Herr Bundesminister, dafür, dass Sie so engagiert dabei sind! Wir werden daher keinen Einspruch gegen diesen Beschluss des Nationalrates erheben. Ich kann Sie im Namen aller unserer Kinder und Jugendlichen nur bitten, mit uns mitzustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.07


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Mag.a Dr.in Ewa Dziedzic. Ich erteile es ihr. (Bundesrätin Mühlwerth: Das auch noch! Uns bleibt aber auch nichts erspart! – Bundesrätin Dziedzic – auf dem Weg zum Rednerpult –: Sie halten die Demokratie auch nicht ganz aus, gell, Frau Mühlwerth? – Allgemeine Heiter­keit sowie Beifall des Bundesrates Stögmüller und bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)


13.08.06

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Tatsächlich stand ich nicht auf der Red­nerliste, habe mich jetzt aber gemeldet, weil die Debatte unerträglich ist. (Bundesrätin Mühlwerth: So ging’s mir auch! – Ruf bei der FPÖ: Es wir auch nicht besser!) Ich glaube, ich bin die einzige Person hier im Raum, die tatsächlich die deutsche Sprache als Zweitsprache gelernt hat, nämlich erst mit zehn Jahren, und die einen sogenannten Migrationshintergrund hat.

Da die Stimmen der Betroffenen genauso wie entsprechende Studien hier ignoriert werden, möchte ich auf ein paar Punkte eingehen. Zum einen wissen wir alle, dass Bil­dung vererbt wird – das ist nach wie vor so – und nicht unbedingt von der geogra­fischen, sondern viel mehr von der sozialen Herkunft abhängt. Es ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig, dass wir uns darüber einig sind. Wenn Sie mir nicht glauben, empfehle ich, beispielsweise „Elitesoziologie“ von Michael Hartmann zu lesen.

Zweitens: Erst eine richtige Inklusion, gerade bei Kindern, führt zu Integration, eine Selektion führt zu Segregation – so einfach, so simpel, so wahr.

Drittens: Die Kinder mit einem sogenannten Migrationshintergrund werden, liebe FPÖ und Frau Mühlwerth, nicht weniger, wenn man sie in Extraklassen setzt. Das heißt, das angesprochene Problem, dass sie untereinander ihre eigene Erstsprache verwenden, vor allem in den Pausen – habe ich auch gemacht, um nachzufragen, was da eigent­lich los ist –, kann auch dazu beitragen, dass die Kinder dem Regelunterricht über­haupt erst folgen können. (Zwischenruf des Bundesrates Samt.) Die Herausforderung, dass es in vielen Klassen tatsächlich viele migrantische Kinder gibt, werden Sie nicht dadurch lösen, dass Sie sie unsichtbar machen.

Der nächste Punkt betrifft die Förderung: Natürlich, selbstverständlich sind wir alle dafür, dass Kinder besonders gefördert werden, dass sie auch eine Förderung erhal­ten, gerade wenn es um den Spracherwerb geht. Ich kann Ihnen aus meiner per­sönlichen Erfahrung sagen, wir wurden damals nicht aus dem Regelunterricht heraus­genommen und nur im Musik- und Turnunterricht gemeinsam unterrichtet, sondern genau umgekehrt: Ich erhielt zwei bis vier Stunden in der Woche, während die anderen Musik oder Turnen hatten, eine spezielle Förderung in der deutschen Sprache in einer


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Kleingruppe, konnte aber im Regelunterricht gemeinsam mit den anderen – auch durchaus herausfordernd – dem, was die Lehrerin von sich gab, zu folgen versuchen.

Es ist ganz wichtig, dass es damals das Stundenausmaß betreffend genau umgekehrt geregelt worden ist. Das ist leider damals mit der Zeit auch ausgelaufen, wurde abgeschafft. Hier haben wir eine Maßnahme, die genau diese Stunden jetzt verkehrt. (Bundesrat Seeber: Die Gesellschaft hat eine andere geopolitische Entwicklung genommen!) – Nein, da würde ich Ihnen jetzt nicht recht geben. Ich war in einer Wiener Schule, auch damals gab es sehr viele ausländische Kinder. Wenn Sie glauben, das hat sich hier jetzt wirklich so extrem verstärkt, dann würde ich Sie bitten, dass Sie sich die Statistik ansehen, denn das ist schlicht und einfach nicht wahr, gerade in der Hauptstadt Wien.

Fünftens: Ich kann nur noch einmal betonen, dass gerade der permanente Austausch, der wirklich permanente Austausch in der Gruppe mit den anderen die Sprachkennt­nisse von Kindern überhaupt fördert. Sie wissen auch, was es für Kinder bedeutet, wenn sie das Gefühl haben, von den anderen getrennt zu sein. Wenn sie nicht per­manent dem Regelunterricht folgen, entwickeln sie erst recht das Gefühl, dass sie nicht dazugehören. Auch das ist aus sozialer Sicht sicherlich nicht förderlich.

Sechstens oder siebtens – ich weiß nicht mehr, bei welcher Zahl ich mittlerweile angelangt bin – haben wir schon gehört: Es ist teuer, es ist aufwendig, man braucht Extraräume, die Direktoren und Direktorinnen sprechen sich dagegen aus, der Städte­bund sagt, die Schulautonomie sei gefährdet. – Also auch abseits der sozialpolitischen Komponente gibt es sehr viele infrastrukturelle Probleme, die noch nicht geklärt worden sind und betreffend die wir auf eine Antwort warten.

Worüber ich mich sehr freue, weil ich die Debatte als ehemals selbst Betroffene genau verfolgt habe, sind die Nachjustierungen und kleinen Änderungen, die Sie aufge­nommen haben. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie hier gesprächsbereit gewesen sind.

Schlussendlich möchte ich festhalten, dass wir die aktuell geltenden Sprachförderun­gen, nämlich jene seit 2016/2017, nicht einmal evaluiert haben, um hier eine wirklich überbordend populistische Maßnahme zu setzen, von der wir nicht einmal wissen, ob sie für die Kinder wirklich förderlich sein wird. (Bundesrätin Mühlwerth: Also wissen Sie es doch nicht! Könnte doch sein!)

Ich glaube, ich bin selber ein Beispiel dafür, dass eine punktuelle Sprachförderung, eine Unterstützung von Kindern, die Deutsch nicht als Muttersprache haben, ganz wichtig ist, aber auch dafür, dass es noch wichtiger ist, diese Kinder nicht zu segre­gieren, sondern sie im Regelunterricht zu lassen, dem sie schwer, aber mit der Zeit immer besser folgen, und ihnen nicht damit zu drohen, dass sie infolge eines negativen Tests die Klasse wiederholen müssen. (Bundesrätin Mühlwerth: ... in der Fünften nicht lesen!)

In diesem Sinne hoffe ich, dass die Debatte noch nicht beendet ist und dass es sich vielleicht auch in der Praxis zeigen wird, dass man hie und da noch Verbesserungen vornehmen muss. – Vielen Dank. (Beifall der BundesrätInnen Reiter und Stögmüller sowie bei der SPÖ.)

13.14


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Georg Schuster. Ich erteile es ihm.

Ich begrüße in der Zwischenzeit Frau Bundesministerin Dr.in Margarete Schramböck. (Allgemeiner Beifall.)



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13.14.28

Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und via Livestream! Eigentlich sollte man annehmen, dass wir in Österreich dank unserer Muttersprache keine oder nur sehr wenige Deutschförder­klassen oder Deutschförderkurse in den Schulen benötigen.

Woran liegt es, dass unserer Schulsystem demnächst insgesamt mehr als 1 200 Deutsch­förderklassen benötigt? Woran liegt es, dass es so viele außerordentliche Schüler gibt, welche die deutsche Sprache nicht beherrschen? Woran liegt es, dass wir speziell in Wien eine so hohe Anzahl an sogenannten Brennpunktschulen haben? – Es liegt daran, dass die SPÖ das Bildungssystem in ihrer Regierungsverantwortung innerhalb der letzten Jahrzehnte an die Wand gefahren hat, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, das ist keine Polemik, sondern das ist Realität! Gehen Sie einmal mit offenen Augen durch Wiens Schulen! Es ist ganz schlimm, was sich dort teilweise abspielt. Ich kann Ihnen jetzt kurz ein Beispiel bringen: Als ich vor circa 25 Jahren noch schulpflichtig war, war ich in einer sogenannten Integrationsklasse. Wissen Sie, wie eine Integrationsklasse vor 25 Jahren ausgesehen hat, meine Damen und Herren? – In einer Integrationsklasse waren damals ein bis maximal drei Kinder, welche schlecht Deutsch sprechen konnten. Wie sieht heute die Realität in den Schulklassen aus, speziell in der Neuen Mittelschule in Wien? – Dort haben wir bereits mehr als 73 Prozent Schüler mit nicht deutscher Umgangssprache, und das ist durch die Statistik Austria für das Schuljahr 2016 und 2017 belegt, meine Damen und Herren! (Bundesrätin Dziedzic: Und die werden jetzt weniger, oder was?)

Das Problem speziell in Wien – ich komme schon auf Sie zurück – ist das rot-grüne System, meine Damen und Herren! In Wien wurde es nämlich in den letzten Jahr­zehnten verabsäumt, schon im Kindergarten darauf zu schauen, dass Kinder mit nicht deutscher Muttersprache gefördert werden, Deutsch zu lernen. Was machen Sie statt­dessen in Wien? – Sie fördern dort die Muttersprache der nicht deutschsprechenden Kinder, und das versteht ja überhaupt keiner! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätIn­nen der ÖVP.)

In Wien haben wir überhaupt das Problem, dass wir 40 Prozent Problemschüler haben, welche Probleme beim Lesen, Schreiben und Rechnen haben – nicht weil sie dumm sind, meine Damen und Herren, nein, sondern weil sie die deutsche Unterrichts­sprache nicht verstehen und dadurch dem Unterricht nicht folgen können. Ich denke, Sie sind sich der Auswirkungen Ihrer verfehlten Bildungspolitik noch gar nicht so bewusst, wenn ich mir Ihre Redebeiträge heute hier anhöre, denn wenn die deutsche Sprache nicht ordentlich gelernt wird, produzieren wir zukünftig Arbeitslose und Parallel­gesell­schaf­ten, meine Damen und Herren. Diese Parallelgesellschaften sind in Wien bereits Realität. (Bundesrat Schennach: Wenn ich die Muttersprache beherrsche ...!)

Schauen Sie sich die Vorgänge in den Atib-Kindergärten an, wo Kinder gezwungen werden, Krieg zu spielen! Schauen Sie sich in den Parks und Schulhöfen um, wo tschetschenische und afghanische Jugendliche ihr Unwesen treiben und andere Kinder einschüchtern! (Bundesrat Schennach: Ja, ja!) Schauen Sie sich die massiv ge­stiegene Gewalt an den Schulen an! Dazu gab es jetzt erst eine Statistik. Sie nennen das dann kulturelle Einheit oder kulturelle Vielfalt, aber das ist ein sehr gefährliches Spiel auf Kosten unserer Kinder, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Das Schlimmste ist, Sie stellen sich heraus und sprechen sich gegen zusätzliche Deutsch­förderklassen aus. Das ist unglaublich! Österreichische Kinder ohne Migrationshinter-


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grund sind ja schon eine Minderheit an Österreichs Schulen geworden. Wie kommt eigentlich der integrierte Migrant dazu, dass seine Kinder von unwilligen Migranten am Schulerfolg gehindert werden? Auch das müssen wir berücksichtigen. Sie zerstören da mutwillig die Erfolgschancen und die Lebensfreude unserer Kinder! Sie haben Gene­rationen von Wiener Kindern auf dem Gewissen, die Opfer Ihrer verfehlten Bildungs- und Integrationspolitik geworden sind. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist bereits fünf nach zwölf, meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, dass eine Intensivierung der deutschen Sprache stattfinden muss, nicht soll! Kinder, die dem Unterricht nicht folgen können, sollen und müssen gefördert werden, deshalb wird es zukünftig mehr als 1 200 Deutschförderklassen in Österreich geben und mehr als 40 Millionen Euro werden darin investiert. Für Schüler, die neu ins Schulsystem kommen, wird es ab 2019 eine standardisierte Feststellung der Deutschkenntnisse geben.

Wir wollen Chancengleichheit im Bildungssystem, am Arbeitsmarkt und in der Gesell­schaft in Österreich, meine Damen und Herren; dafür sorgen wir – wir, die neue Bun­desregierung. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.20


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Heinz Faßmann. Ich erteile ihm dieses.


13.20.28

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, danke für die abermals gute Diskussion! Ich habe mich schon einmal als Bundesratssympathisant deklariert und bleibe dabei, auch wenn manche Reden vielleicht argumentativ gut angefangen haben, dann aber in einer gewissen Oberflächlichkeit endeten; Herr Stögmüller, ich wollte Sie nicht extra hervorheben. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir diskutieren heute nicht zum ersten Mal das Konzept der Deutschförderklassen. Wir haben das im Unterrichtsausschuss, im Plenum des Nationalrates und auch in vielen öffentlichen Diskussionen gemacht. Wir kommen zu dem Punkt: We agree to disagree, wenn auch vielleicht nicht darin, wenn wir sagen: Eigentlich muss etwas geschehen, wir haben einen Aufholbedarf im Bereich der Sprachbildung, der Sprachförderung ins­gesamt und der Förderung der Unterrichtssprache im Speziellen. Das gilt für alle Schüler und Schülerinnen, besonders aber für jene, die neu in das Bildungssystem einsteigen.

Auf die diversen Testergebnisse zur Legitimierung meiner Argumentation möchte ich hier nicht mehr eingehen; diese wurden von meinen VorrederInnen bereits erwähnt. – Danke schön. Einigkeit besteht darin, dass etwas geschehen muss. Über das Wie sind wir politisch uneins. Das heißt also: Wir stimmen überein, dass wir uneins sind. Das ist eine interessante Perspektive.

Der Gegensatz lautet kurz zusammengefasst: Nur nicht separieren, nur keine Tren­nung! – Was mich dabei immer wundert, ist: Warum übersehen Sie das, was wir vorgeschlagen haben? Warum übersehen Sie – wenn Sie so wollen – den Spin, den ich dieser Sache gegeben habe, indem ich sage: eine Vorbereitung so kurz wie mög­lich und dann so kompetent wie notwendig in das Regelschulsystem überführen? Das ist ein wesentlicher Unterschied zu dem, was manchmal in der – nicht böse sein – oberflächlichen Diskussion dargestellt wird. Es handelt sich um eine kurzfristige Maßnahme; auf der Uni sagen wir Vorbereitungslehrgänge dazu, wenn Studierende kommen, die den Vorlesungen nicht folgen können.


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Ich bestreite den Wert von Peer Learning, des Lernens voneinander, überhaupt nicht, genau deshalb habe ich die Maßnahme so vorgeschlagen. Es ist eine Maßnahme, die innerhalb der Klassen, innerhalb der Schulgebäude stattfindet, und Kinder sind anei­nan­der interessiert und begegnen einander auf vielfältige Weise. Ich bitte Sie also abermals – während Sie mich bitten, das andere zu sehen –, zu sehen, dass es eine teilintegrative Maßnahme ist, die auch eine zeitliche Befristung kennt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Wanner, Sie haben das Bild aus dem Fußball gebracht; der Sport ist offensichtlich ein dankbares Feld, um auch andere Bilder zu bringen. Mein Bild wäre das Bild eines Nichtschwimmers, dem ich nicht raten würde, sofort in das tiefe Becken zu gehen (Beifall bei ÖVP und FPÖ), und ich würde ihm oder ihr nicht sagen: Du wirst das Schwimmen schon von den dich umgebenden Schwimmern lernen! (Heiterkeit bei Bundesräten der FPÖ.) Ich würde dem Nichtschwimmer zuerst erklären und vorzeigen, wie das Schwimmen so einigermaßen funktioniert (Bundesrat Schennach: Beim Trockentraining auf der grünen Wiese lernt man auch nicht schwimmen ...!), und dieses Vorzeigen des Schwimmens müsste ich auch separiert machen, weil der Schwimmer an den Grundbegriffen, die zu vermitteln sind, nicht interessiert wäre. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es gibt zwei Argumente, die manchmal vorgebracht werden: Wir geben zu viel aus!, oder: Wir geben zu wenig aus! Das kann man sich ja meistens aussuchen. Das Argument, dass wir zu viele Ressourcen, die nicht vorhanden sind, benötigen, höre ich auch. Es bezieht sich insbesondere darauf, dass keine Klassenräume zur Verfügung stünden oder die Lehrer zur Umsetzung dieser Maßnahmen fehlten.

Herr Stögmüller, ich muss Ihnen sagen, wir haben mit dieser Maßnahme keinen ein­zigen Schüler, keine einzige Schülerin neu erzeugt. Sie sind alle schon im System. Wir haben eine Änderung der Organisation vorgenommen, aber an der Zahl nichts geän­dert. Die Schüler und Schülerinnen mussten ja vorher schon untergebracht, beschult und von Lehrern und Lehrerinnen unterrichtet werden. Dahin gehend kann ich die Aufregung zwar verstehen, aber rational nicht nachvollziehen.

Mein Ministerium hat in vielen exemplarischen Einzelfällen durchexerziert, wie so eine Maßnahme gemanagt werden kann, vorausgesetzt natürlich, dass man das auch will. Das Wollen ist da ein ganz wichtiger Punkt, denn es gibt auch Bundesländer, die eindeutig sagen: Das wollen wir eigentlich so nicht haben, das ist eine Maßnahme, die von der türkis-blauen Regierung kommt, und wir verstehen uns als ein Gegenmodell zur türkis-blauen Regierung! – Ich bin also sicher, es wird noch ein interessanter Herbst werden, wenn ich beobachte, wie das in einzelnen Bundesländern – bezie­hungsweise eigentlich nur in einem Bundesland – wahrscheinlich nur mit Knirschen umgesetzt werden kann. (Zwischenruf bei der FPÖ: Das ist sicher Vorarlberg!) – Es ist nicht Vorarlberg. (Heiterkeit des Redners.)

Manche sagen schließlich: Das ist alles übereilt! – Das habe ich heute auch gehört. – Warum warten wir nicht? Es gibt keine Lehrpläne! – Es gibt Lehrpläne. Deutsch als Zweitsprache ist ein Lehrplan, der angewendet wird. Oder: Es gibt keinen fertigen Test! – Ja, der Test braucht noch Zeit, wir übernehmen aber die derzeitige Einstufung als a.o. Schüler und Schülerin.

Herr Stögmüller, da können Sie fragen, was denn diese derzeitige Einstufung als a.o. Schüler wert ist. Da stimme ich Ihnen auch zu, weil ich meine Zweifel habe, dass es so viele a.o. Schüler in Österreich gibt. Ein Fünftel eines Jahrganges als a.o. Schü­ler einzustufen ist eine erheblich große Zahl, und wenn ich weiß, dass mit der Einstufung als a.o. Schüler auch so etwas wie eine Ressource verknüpft ist, kann ich mir vorstellen, in welche Richtung es geht. Wir brauchen dahin gehend ganz dringend


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ernsthafte, faire und valide Tests, damit das nicht verknüpft wird: mehr a.o. Schüler einzustufen und mehr Geld für ein bestimmtes Bundesland zu erhalten. Das alles ist aber eigentlich auf dem Weg.

Als einer, der die Migrationsgeschichte Österreichs gut kennt, muss ich Ihnen auch sagen, dass wir uns in diesem Bereich wirklich lange – eigentlich zu viel und zu lange – Zeit gelassen haben. Ich wüsste nicht, worauf wir jetzt noch warten sollen, warten nämlich auch zulasten der Zugewanderten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Frau Mag. Gruber-Pruner, Sie haben mir den Brief einer Volksschule oder Neuen Mit­telschule – was auch immer – gegeben; ich habe ihn inzwischen durchgelesen. Viele dieser Maßnahmen sind weiterhin zu realisieren: Lerninseln, Lernoasen bilden, am Nachmittag einen zusätzlichen Unterricht einrichten. Wir werden nichts verbieten, was den Schülern und Schülerinnen zusätzlich dient, um möglichst rasch die Kompetenz der Unterrichtssprache Deutsch zu erwerben. Dahin gehend ist es auch kein Gegen­satz zur Autonomie, denn die Autonomie wird nicht ausgeschaltet. Man braucht aber bestimmte Eckpunkte, denn sonst würde die Autonomie in kurzer Zeit zerfleddert werden und keiner wüsste mehr, was eigentlich zu tun ist.

Ich kann auch versichern, dass das Bildungsministerium und das Bildungssystem insgesamt sicherlich lernende Systeme sind. Wenn wir nach der Implementierung dieser Maßnahme diese oder jene Verbesserungsnotwendigkeit sehen, wird das geschehen; das ist gar keine Frage. Ich bleibe aber dabei: Wir müssen anfangen, und es war Zeit, dass wir angefangen haben.

Darf ich mein Statement vielleicht folgendermaßen zusammenfassen: Wir wollen mit diesem expliziten Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht Startnachteile ausgleichen. Wir wollen letztlich – da begegnen wir uns auch wieder – für mehr Chancengerechtigkeit sorgen. Ein einfaches Weiter-so-wie-bisher erscheint mir und uns nicht ratsam. Letzt­lich realisieren wir nur, was in vielen europäischen Staaten und auch in manchen Städten – die Willkommensklassen wurden zitiert – so gehandhabt wird. Wir ziehen hier gleich. Ich glaube, dass über diese Notwendigkeit der Vorbereitung für den Unter­richt gar nicht so viel zu diskutieren ist.

Ich habe im Plenum des Nationalrates ein Zitat aus einem Essay von Vladimir Vertlib gebracht. Vladimir Vertlib ist 1966 in Sankt Petersburg zur Welt gekommen. Er kam dann 1972 als Sechsjähriger nach Österreich; die Familie wollte zuerst nach Israel aus­wan­dern, hat sich aber dann entschlossen, von Israel nach Österreich zu gehen. Vla­dimir Vertlib hat ein Essay über die Art und Weise geschrieben, wie jemand empfindet, der nicht Deutsch kann, aber in die Schule gehen muss und sozusagen dort hinein­geschubst wird. Er hat dieses Essay mit „Du fremdes, stummes Kind“ bezeichnet und 2012 verfasst, als wir damals erstmals eine Debatte über Deutschförderklassen hatten. Er schreibt – ich zitiere –:

„Es war keine schöne Zeit, und nachträglich betrachtet hätte ich viel dafür gegeben, wenn ich damals einen Crashkurs hätte besuchen können, der die allmähliche Inte­gration in die gemischte ‚Nicht-Ghetto-Klasse‘ beschleunigt hätte. [...] Ich selbst hätte viel lieber einen Unterricht in einer Vorschule gehabt, bei dem es wirklich primär um den Spracherwerb gegangen wäre – zusammen mit anderen Kindern, die in derselben Lage waren wie ich, denen ich mich nicht hätte unterlegen fühlen müssen, und mit einer Lehrkraft, die sich voll und ganz auf meine Sprachprobleme und Bedürfnisse ein­ge­stellt hätte.“ – Das schreibt Vladimir Vertlib. (Präsident Todt übernimmt den Vorsitz.)

Diese Stichprobe, Frau Kollegin Dziedzic, ist nur n ist gleich 1. Sie haben Ihr Beispiel gebracht, das war auch nur eine Stichprobe, n ist gleich 1 – beides ist nicht repräsen­tativ, aber dennoch interessant, weil es auch andere Perspektiven in die Diskussion hineinbringt.


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Ich glaube, wir sollten insgesamt ein klein wenig von tradierten und manchmal auch ideologisch fundierten Vorbehalten weg, hin zu einer effektiven Förderung im Interesse der schulischen Integration der Kinder gehen. So lautet wahrscheinlich mein Plädoyer, aber auch das Plädoyer insgesamt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.32

13.33.03


Präsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

13.33.37Abstimmung über Fristsetzungsanträge


Präsident Reinhard Todt: Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Bun­desrates David Stögmüller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Aus­schuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Berichterstattung über den Entschließungs­antrag 250/A(E)-BR/2018 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt von Integrationsklassen an Sonderschulen“ eine Frist bis 28. Juni 2018 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Kinderrechteausschuss zur Bericht­erstattung über den Entschließungsantrag 249/A(E)-BR/2018 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Weiterführung der Jugendhilfe nach Erreichung der Volljährigkeit“ eine Frist bis 28. Juni 2018 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abge­lehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 251/A(E)-BR/2018 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung des hochqualitativen Unterrichts an Schulen mit internationalen Curricula“ eine Frist bis 28. Juni 2018 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

13.36.10Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend die „Nichtein­haltung verbindlicher Länderstellungnahmen zu CETA“ (3495/J-BR/2018)



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Präsident Reinhard Todt: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­minis­terin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Günther Novak als erstem Antragsteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.


13.36.50

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Werter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die Dringliche Anfrage betreffend die „Nichteinhaltung verbindlicher Länderstellungnahmen zu CETA“ einleiten und auch begründen.

Jetzt ist Frau Kollegin Mühlwerth nicht da. – Ich hoffe, dass das keine Märchenstunde wird, sondern eher harte Realität, denn die schwarz-blaue Bundesregierung plant, Ceta völlig überhastet und ohne Grund noch vor dem Sommer durch das Parlament zu peitschen. Wir wissen das aufgrund der Einleitung durch den Regierungsbeschluss, und das soll in weiterer Folge, nachdem die Frist gesetzt worden ist, am 14. Juni passieren. Durch diese überstürzte Vorgangsweise sorgen ÖVP und FPÖ dafür, dass die in Ceta enthaltenen Konzernklagerechte erstmals in Kraft treten, denn bislang waren diese Konzernklagerechte nicht in Kraft. Erst der geplante Beschluss durch die Koalitionspartner ermöglicht, dass Konzerne gegen unsere hohen Standards klagen.

Meine Damen und Herren, die Landeshauptleutekonferenz hat im Mai 2016 eine einheitliche Länderstellungnahme an den Bund gerichtet – und die Landeshaupt­leute­konferenz ist ja nicht irgendwer: 

„Die Verhandlungen sind transparent zu führen und die Bundesländer von Beginn an umfassend zu informieren.“ – Das ist nicht passiert.

„Die bestehenden hohen Qualitätsstandards (etwa für Produktsicherheit, Daten-, Ver­braucher-, Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutz) müssen aufrecht erhalten bleiben.“

„Die Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten (sog. ISDS-Klauseln) ist nicht vorzusehen.“

„Freihandelsabkommen sind als gemischte Abkommen abzuschließen und bedürfen daher zu ihrer Wirksamkeit auch der Genehmigung durch die nationalen Parla­men­te.“ –

Die Länder „erstrecken ihre Forderungen [...] auch auf CETA.“

Die Landeshauptleutekonferenz bittet darum, „im Rat nicht zuzustimmen, solange nicht die Forderungen dieses Beschlusses, der gleichzeitig als einheitliche Stellungnahme gemäß Art 23d Abs 2 B-VG gilt, erfüllt sind“.

Das war die Bitte beziehungsweise die Aufforderung der Landeshauptleute. – Ent­schuldi­gung, dass ich die Frauen nicht mitnehme, aber damals waren es Landes­hauptmänner.

Wenn ich das jetzt als Ländervertreter betrachte, zitiere ich Herrn Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser, der zu diesem Durchpeitschen eines solchen Beschlusses Folgendes festgestellt hat: Mit diesem Beschluss „verraten Kurz und Strache unsere Bevöl­kerung“, und es ist die „Gefahr, dass Schiedsgerichte Interessen von Konzernmultis gegen Interessen Österreichs durchsetzen“. (Der Redner macht eine Pause und blättert in seinen Unterlagen. – Bundesrat Steiner: Das hast du auch am Redner-


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pult!) – Ja, warte ein bisschen! (Ruf bei der FPÖ: Da ist das Taferl drauf!) – Ja, das ist unterm Taferl drinnen. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Na ja, ich habe relativ viel zu reden, deswegen muss ich mir die Sachen raussuchen. (Bundesrat Krusche: Es sind 20 Minuten Zeit!)  Habe ich 20 Minuten Zeit? Danke, Herr Krusche!

Der bekannt gewordene Plan der ÖVP-und-FPÖ-Bundesregierung – das wissen wir jetzt ja genau –, dem umstrittenen Handelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada so plötzlich zuzustimmen, ist verantwortungslos; quasi über Nacht und ohne die noch ausständigen Ergebnisse – das muss man, glaube ich, auch sagen – der von Christian Kern damals als Bundeskanzler durchgesetzten Nachverhandlungen, insbe­sondere die problematischen Schiedsgerichte betreffend, abzuwarten.

Wenn wir uns das anschauen – ich glaube, da sind wir einer Meinung, Sie wahr­schein­lich nicht –: Es wurde in Brüssel sehr hart darum gekämpft, dieses Abkommen mit Kanada einer Verbesserung zuzuführen. Es war der damalige Bundeskanzler Kern, der in diesem schwierigen Ringen mit den 28 Staaten, Nationen mit völlig unterschied­lichen Ausgangslagen und Interessenlagen, schlussendlich verschiedene Punkte erreicht hat. Es wurde einiges erreicht. Das Wichtigste, das dabei erreicht wurde, war die Trennung dieses Abkommens in einen nationalen Teil und in einen europäischen Teil. Er hat auch ganz klar und deutlich festgestellt, dass der europäische Teil, also der handelspolitische Teil, der im Europäischen Rat beschlossen worden ist, seine Zustim­mung bekommen hat und er auch heute davon überzeugt ist, dass es richtig ist, diese handelspolitische Vereinbarung über die Kontinente hinweg zu verbessern und auf neue Beine zu stellen.

Er hat aber auch festgestellt, dass der zweite Teil aus seiner Sicht noch viel wichtiger ist, da nämlich in Österreich die österreichische Bundesregierung und das österreichi­sche Parlament, sonst niemand, sicher entscheiden kann, ob wir Sonderrechte und Privilegien für Großinvestoren und internationale Konzerne haben sollen. Das war ein entscheidender Fortschritt. Er hat erreicht, dass man in Österreich entscheiden kann, ob es eine Sonderbehandlung für einige wenige Konzerne gibt. Er hat auch erreicht, dass es ohne Beschluss des Nationalrates und der Bundesregierung keine Zustim­mung zu Ceta geben kann.

Wir haben auch gesagt: Solange wir in der Verantwortung stehen, wird dieses Abkom­men in der Form, wie es heute vorliegt, in Österreich nicht ratifiziert werden. Dafür wurde von allen, die damals in der Regierung waren, gekämpft; aber Sie haben diese Möglichkeit, eine österreichische Entscheidung zu treffen, heute, so wie Sie da sitzen, beziehungsweise der Nationalrat, im Grunde genommen leichtfertig vergeben.

Die plötzliche Eile von Kurz und Strache, also vom Herrn Bundeskanzler und vom Vize­kanzler, und der Versuch, diese Ratifizierung an der Bevölkerung vorbei diskus­sionslos durchzupeitschen (Bundesrat Längle: Stimmt ja gar nicht!), ist der Beleg dafür (Bundesrat Längle: Das Parlament ist öffentlich für jeden Bürger, oder?), dass die ÖVP den Interessen ihrer Großspender und von Konzernmultis den Vorzug gegenüber den Interessen der Österreicherinnen und Österreicher gibt. Soll ich es noch einmal wiederholen? (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mayer: ... jetzt KTM! – Weitere Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Habe ich jetzt etwas von KTM und von Pierer ge­sagt? – Davon habe ich nichts gesagt. Herr Kollege, ich habe nichts von Pierer gesagt. Das habe ich ohnehin schon oft genug getan.

Unser Landeshauptmann Kaiser verweist darauf, dass auf EU-Ebene noch ganz ent­scheidende Verhandlungen bevorstehen. Tatsächlich sollen aufgrund eines verein­barten Zusatzprotokolls weitere Verbesserungen in das Ceta-Abkommen aufgenom­men werden. Auch wegweisende Entscheidungen – ich glaube, das ist auch sehr wichtig – des EuGH zu Ceta sind noch ausständig.


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Für die SPE ist das Ceta-Regelwerk in seiner jetzigen Form jedenfalls inakzeptabel. Soziale Rechte und Regelungen betreffend den Umweltschutz könnten so ganz ein­fach unterwandert werden. Auch Deregulierungen und Privatisierungen, etwa bei der Wasserversorgung – denken wir einmal nach, was los wäre, wenn die Wasserversor­gung privatisiert wird! –, könnten erzwungen werden. (Bundesrat Rösch: Das ist jetzt aber Angstmache!) Das erinnert daran, dass der damalige - - (Zwischenruf der Bun­desrätin Posch-Gruska.) – Bitte? (Bundesrätin Posch-Gruska: ... kennt sich nicht gut aus! – Weitere Zwischenrufe.)

Das erinnert daran, dass der damalige Bundeskanzler, wie ich schon erwähnt habe, Christian Kern gemeinsam mit der Regierung doch einiges herausverhandelt hat. (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Da brauchen Sie gar nicht zu lachen, das ist so. (Bundesrat Steiner: ... war der Beipackzettel!) – Ja, zum Beipackzettel komme ich noch, warte ein bisschen! – Diese Zusatzvereinbarungen will die nunmehrige Bundesregierung nicht mehr abwarten. Sie hat das Drüberfahren und Überrumpeln zu ihrem System gemacht.

Jetzt komme ich zum Beipackzettel – Herr Kollege, hast du meine Rede vorher ge­le­sen? –: Ihr Vorgehen ist so, als würde man die Zulassung eines Medikaments be­schließen, ohne die Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel zu kennen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mayer: Du musst eine Runde im Schwimmbad machen ...! – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber jetzt noch einmal kurz zur FPÖ, weil uns heute diese Märchenstunde angedichtet wurde: Ich möchte da Dr. Tassilo Wallentin erwähnen, der in den vergangenen Zeiten in der „Krone Bunt“ am Sonntag immer gescheite Artikel schreibt, öfters natürlich gegen die Sozialdemokratie, aber diesmal hat es die FPÖ erwischt. Der Titel hat gelautet: „Die verratenen Wähler“.

Er hat ja nicht ganz unrecht, wenn er sagt: „Regieren ist ein Kompromiss – keine Frage“, darüber brauchen wir gar nicht zu reden. „Aber Wähler-Verrat ist eine ganz andere Kategorie. 80% der Österreicher lehnen das Freihandelsabkommen CETA ab. Die Menschen fürchten zu Recht, dass durch dieses Freihandelsabkommen“ unsere Umweltstandards abhandenkommen. – Das habe ich ja schon vorgelesen, bis hin zum Wasser.

Ich möchte mich da jetzt ganz speziell auf die FPÖ konzentrieren; jetzt kommt ja die Frau Vorsitzende auch wieder. „Im Zuge“ – das sollte man nicht vergessen, und das sollte man den Menschen draußen auch sagen – „der Bundespräsidentenwahl verlaut­barte der FPÖ-Chef: ‚Wer [...] CETA wirklich verhindern will, sollte Van der Bellen nicht vertrauen. Nur Norbert Hofer will und wird die Abkommen ohne Volksabstimmung nicht unterschreiben!‘“ (Bundesrat Steiner: Österreich hat anders entschieden!) Auch das FPÖ- - (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Wenn ihr dann fertig seid, sagt es mir, dann rede ich weiter. Wunderbar!

„Auch FPÖ-TV ließ die Zuschauer wissen: ‚Damit das Abkommen komplett in Kraft treten kann, müssen die nationalen Parlamente‘“ damit befasst werden. Die FPÖ ist natürlich dagegen. „Die ‚Partei des kleinen Mannes‘“ – das ist bekannt, wird von euch auch immer so propagiert – „brachte noch drei Tage vor der Nationalratswahl 2017 medienwirksam einen Antrag im Parlament ein, mit dem sie eine verbindliche Volks­abstimmung über CETA forderte. FP-Chef Strache sagte wörtlich: ‚Eine Volksabstim­mung über CETA ist Koalitionsbedingung.‘“ – „Eine Volksabstimmung über CETA ist Koalitionsbedingung“!

Diese Dreistigkeit – das muss man sich vorstellen – ist in der Zweiten Republik noch nie dagewesen: „Die FPÖ erklärte im Regierungsprogramm, CETA jetzt bedingungslos ‚umzusetzen‘“. – Das ist wirklich eine saubere Leistung gegenüber den Wählern, dazu kann man euch nur gratulieren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Vielleicht erinnern Sie sich noch daran – ich war nicht mit dabei, es ist nur überliefert, steht aber auch in dem Artikel; Kollege Mayer war, glaube ich, auch nicht mehr anwesend –: „Die FPÖ stimmte gemeinsam mit der ÖVP im Bundesrat dafür, dass unsere Regierung Konzern-Schiedsgerichte in allen derzeitigen und künftigen EU-Frei­handelsabkommen unterstützen darf.“ – Jetzt höre ich nichts mehr, okay. „Die bei der Abstimmung anwesenden Sozialdemokraten“ – das wird wohl so gewesen sein wie jetzt – „waren fassungslos.“ – Auch das steht da drin.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende: Ich wollte eigentlich nur aufzeigen – wie Frau Mühlwerth gesagt hat –, dass wir keine „Märchenstunde“ haben, sondern das ist halt alles Realität. Ich habe da übrigens noch eine Tafel mit einem Satz mit­ge­bracht – wie Herr Strache jetzt in den letzten Inseraten festgestellt hat: Wir kümmern uns um Österreich! (Der Redner hält eine Tafel mit der Aufschrift „Verbindliche Volksabstimmung zu Ceta und TTIP“ und mit einem Bild von Vizekanzler Strache in die Höhe. – Bundesrat Rösch: Fesch schaut er aus!) – Da schaut er fesch aus, ja, da haben Sie recht.

Ich weiß ja nicht, was die ÖVP-Regierung dazu sagt: Ceta wurde uns von der SPÖ-ÖVP-Regierung mit Christian Kern aufs Aug gedrückt. – Na super! (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Ja, das ist euer Koalitionspartner. Es ist euer Koalitionspartner.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss – viele werden sagen, Gott sei Dank; wie auch immer –: Für unseren Landeshauptmann jedenfalls – und ich glaube, wir alle hier vertreten ja die Länderinteressen –, also für Peter Kaiser, ist diese Form der FPÖ-Was juckt mich mein Geschwätz von gestern?-Politik – das passt jetzt ganz genau dazu – schon beinahe beängstigend moralbefreit. Kurz spannt die FPÖ zur Befriedung von Konzerninteressen vor seinen Karren und wedelt mit der Zigarette. Strache wirft dafür sämtliche Prinzipien und Versprechungen über Bord. Österreich kommt dabei unter die Räder. (Beifall bei der SPÖ.)

13.51


Präsident Reinhard Todt: Ich darf Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck bei uns im Bundesrat begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zur Beantwortung der Anfrage hat sich die Frau Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.52.10

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich freue mich, heute hier sein zu können, um mit Ihnen zu diskutieren und die unterschiedlichen Inputs und auch die unterschiedlichen Positionen zu hören.

Klar ist, dass Europa seine Außenwirtschaft selbst gestalten muss. Das ist ein wich­ti­ger Punkt. Wir haben vor allem in den letzten Monaten, Wochen und Tagen gesehen, dass wir andere Player am internationalen Markt haben. Wir können uns nicht mehr auf bisherige Partner in der Form verlassen, wie wir es gewohnt waren. Wir können nicht zusehen und einfach untätig sein.

Unsere Aufgabe ist es, die Wirtschaft zu unterstützen, den Export zu fördern und damit in den Unternehmen – und darum geht es uns – Arbeitsplätze zu schaffen, neue Arbeitsplätze zu schaffen, damit die Österreicherinnen und Österreicher diese Jobs ausfüllen können, entsprechende Einkommen erzielen können und der Wohlstand gesichert ist.


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Kanada ist ein Industriestaat westlicher Prägung. Es ist für uns das achtwichtigste Exportland außerhalb Europas. Es ist also schon ein wichtiger Handelspartner Öster­reichs; das gilt es als ersten Punkt zu berücksichtigen.

Als zweiten Punkt wollen wir einmal auf Folgendes schauen: Müssen wir uns vor kanadischen Unternehmen fürchten? Und: Welche gibt es denn da so in Österreich? – Die kanadischen Firmen, die hier sind, sind unter anderen die Firma Bombardier, die Firma Magna – die viele kennen, es pendeln auch viele aus Kärnten in die Steiermark zu dieser kanadischen Firma Magna ein, um dort zu arbeiten – und BRP-Rotax. Insgesamt beschäftigen allein diese drei Unternehmen 20 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und wir wollen wohl diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht erzäh­len, dass sie für ein gefährliches Industrieland Kanada arbeiten, vor dem man sich ordentlich fürchten muss. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die angesprochenen Unternehmen gehören zu den sehr innovativen Unternehmen in Österreich, die in Österreich Forschung und Entwicklung betreiben, die hier neue Tech­nologien entwickeln, die in die ganze Welt hinausgehen, und die laufend investieren. Ich glaube, es ist auch wichtig, das zu sehen, was diese Unternehmen bereits geleistet haben.

Dann schauen wir einmal auf die andere Seite, auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jener Unternehmen, die mit Kanada Handel treiben und die in Kanada Niederlassun­gen haben: Derzeit sind 125 österreichische Unternehmen in Kanada tätig. 14 Produk­tionsstätten gibt es, dort sind Unternehmen aus unterschiedlichsten Bundesländern und in unterschiedlichsten Bereichen tätig. Es sind also Arbeitsplätze in jedem Bundes­land davon abhängig, dass mit Kanada guter und qualitativ hochwertiger Handel getrieben werden kann.

Wichtig ist, dass unsere Standards hochgehalten werden. Die Vorschriften sowohl im Lebensmittelbereich, in der Lebensmittelsicherheit, in der Produktionssicherheit, im Verbraucherschutz, im Gesundheits- und im Umweltschutz als auch im Arbeitsschutz werden von Ceta nicht eingeschränkt. Auch wenn das immer wieder behauptet wird, ist dem nicht so.

Das ist ein völlig neues Abkommen. Ja, es wurde viele Jahre verhandelt. Es ist aber auch wichtig, es nicht mit TTIP zu verwechseln und in einen Topf zu werfen. Wir reden nicht von TTIP, wir reden von dem Handelsabkommen Ceta mit Kanada, einer hoch­ent­wickelten Industrienation, die Standards hat – hohe, qualitätsvolle Standards. Wir sollten nicht davor zurückschrecken, mit dieser Industrienation gemeinsam neue Märkte zu erschließen.

Dieses neue Abkommen schützt also die Standards, es bietet Rechtsicherheit, und es sichert auch Jobs. Was passiert bei diesem Abkommen? – Es fallen Zölle weg, und davon profitieren in erster Linie die Konsumenten. Also wenn wir jetzt schauen, profitie­ren sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kanadischen Unternehmen, es profitieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jener Unternehmen, die nach Kanada exportieren – ich werde Ihnen dann einige Beispiele dazu geben –, und es profitieren auch die Konsumenten. Wenn die Tarife sinken, gibt es geringere Preise auf beiden Seiten, also auch dem Konsumentenschutz und dem Vorteil der Konsumenten ist Genüge getan.

Österreichs Unternehmen erhalten einen Marktzugang. Es wird immer von den Groß­konzernen gesprochen; uns geht es primär um die mittelständischen Unternehmen. Diese mittelständischen Unternehmen gilt es, abzusichern, und diese mittelständischen Unternehmen werden bei ihren Investitionen in Kanada geschützt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Sie können ihre Produkte und ihre Dienstleistung stärker in Kanada positionieren. Ich möchte Ihnen dazu nur zwei Beispiele geben. Ein Beispiel aus der Steiermark ist das Unternehmen Haindl Alois. Vielleicht haben auch Sie schon das Kernöl von Haindl Alois genossen. Sieben Mitarbeiter hat das Unternehmen. Die letzten Lieferungen sind ohne Zölle und ohne Tarife nach Kanada gegangen. 

Auch in Oberösterreich gibt es ein Beispiel: Praher Plastics. Dieses Unternehmen er­zeugt Plastikarmaturen und -rohre. Es hat 200 Mitarbeiter und ist eines der Unterneh­men, die eine Produktionsstätte in Kanada haben, und zwar mit 50 Mitarbeitern. Auch sie profitieren von dem Abbau der Zölle und erwarten die Möglichkeiten und auch den Investitionsschutz, den sie genießen.

Es geht also nicht um die großen Unternehmen, sondern es geht insbesondere darum, die mittelständischen Unternehmen zu fördern. Fast 1 400 österreichische Unter­nehmen exportieren nach Kanada. Wenn man sich jetzt ansieht, welche zusätzlichen Arbeitsplätze man schaffen kann: Durch die Steigerung des Exports nach Kanada können bis zu 15 000 neue Arbeitsplätze in Österreich geschaffen werden, und uns geht es wirklich um jeden einzelnen dieser Arbeitsplätze!

Nun könnte man sagen: Stimmt ja alles nicht, der Export steigt ja nicht. – Darum habe ich mir das angesehen: Was ist in diesem halben Jahr, seitdem Ceta eigentlich mit den Tarifsenkungen schon in Kraft ist, passiert? – Faktum ist, es wurden weder Schwem­men von Ahornsirup in Österreich gesichtet noch das vielzitierte Chlorhuhn, das irgend­wo in den Supermärkten herumfliegt, sondern im Gegenteil: Wir haben viel mehr profitiert als die Kanadier in die andere Richtung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wie zeigt sich das in Zahlen? – Seit dem Inkrafttreten, das war im Oktober vergan­genen Jahres, sind die österreichischen Exporte nach Kanada um 24,4 Prozent ge­stiegen. Jetzt könnte man immer die Landwirtschaft heranziehen: Die Landwirtschaft zieht einen Nachteil daraus. Die Lebensmittelexporte – und da reden wir auch von Konserven und verarbeiteten Lebensmitteln – nach Kanada sind seit Oktober letzten Jahres tatsächlich um 41,9 Prozent gestiegen, also die Zahlen sprechen für sich.

Es ist ein wichtiger Punkt, dass wir hier ein qualitativ sehr hochwertiges Abkommen haben. Wichtig ist auch, dass es die Nachhaltigkeit im Bereich Umwelt- und Sozial­standards absichert. Ich habe mir das auch persönlich angeschaut: Es geht sogar so weit, dass die Skilehrer geschützt sind, dass die Bergsteiger, die Bergführer geschützt sind, also da ist sehr, sehr gut achtgegeben worden.

Auch das Thema right to regulate möchte ich noch gerne ansprechen, weil Bundesrat Novak es erwähnt hat. Das Wasser ist geschützt; es stimmt nicht, dass es da eine Gefährdung, einen Ausverkauf geben kann. Wir nennen das right to regulate oder eben Daseinsvorsorge; jeder Staat hat die Möglichkeit, entsprechende Sicherstellungen vorzunehmen.

Es geht uns um eine faire Partnerschaft mit Kanada. Wenn wir nicht einmal mehr mit Kanada Handel treiben können, dann können wir überhaupt die Rollläden herunter­lassen. Und wenn Sie das Wort Freihandel durch die Wörter Export und Import ersetzen und dann die Österreicherinnen und Österreicher dazu befragen, dann sind sicherlich alle dafür, denn jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich hängt vom Export ab, und diese Arbeitsplätze werden wir verteidigen. Dafür treten wir ein, und daher auch unser klares Ja zu Ceta. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Nunmehr möchte ich Ihre Fragen beantworten – es gab ja einige Fragen in Ihrer Dring­lichen Anfrage –:


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Zu den Fragen 1, 2, 7 und 13:

Da möchte ich Ihnen eine entsprechende Antwort geben: Vor der Unterzeichnung von Ceta erfolgte am 30. Oktober 2016 der Beschluss der österreichischen Bundes­regierung unter Bundeskanzler Kern zur Unterzeichnung von Ceta im Ministerrat. Daraus resultiert eine Verpflichtung zur Einleitung des für die Genehmigung von Ceta gemäß Bundesverfassung erforderlichen Ratifikationsverfahrens durch Österreich. Sollte die Ratifikation von Ceta von Österreich oder einem anderen Parlament eines EU-Mitgliedstaates abgelehnt werden, wäre eine Notifikation an die Europäische Kommission zwecks Prüfung und Einleitung allfälliger weiterer Schritte abzugeben. Darüber wäre sodann auf Ratsebene zu beraten.

Zur Frage 3:

Diese möchte ich mit Nein beantworten.

Zu den Fragen 4 und 5:

Diese Fragen sind nicht Gegenstand des Interpellationsrechts.

Zur Frage 6:

Da ist festzuhalten, dass Ceta bereits von elf Mitgliedstaaten ratifiziert wurde, also wir sind da durchaus nicht das erste Land. Ich möchte diese aufzählen: Tschechien, Dänemark, Estland, Spanien, Kroatien, Lettland, Malta, Portugal, Litauen, Schweden und auch Finnland, genau am Tage unseres Ministerratsbeschlusses. Österreich liegt daher bei der Einleitung des Ratifizierungsverfahrens durchaus im Mittelfeld.

Zu Ihren Fragen 8 und 16:

Nein, die Bestimmungen zum Investitionsschutz und zur Investor-Staat-Streitbeilegung sind erst nach Abschluss des Ratifikationsverfahrens in allen Mitgliedstaaten anwend­bar.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch Folgendes ergänzen: Es gibt keine Schieds­gerichte in diesem Ceta-Abkommen, auch wenn immer wieder darauf Bezug genom­men wurde. Schiedsgerichte sind in Ceta in dieser neuen Vertragsform nicht vorge­sehen. Es sind Investitionsgerichte mit bestellten Richtern geplant. Die Richter werden von der EU vorgeschlagen – von Österreich, von Kanada und dann eben von der EU, von unabhängiger Stelle.

Zur Frage 9:

Die genauen Voraussetzungen müssen im Einzelfall geprüft werden.

Zur Frage 10:

Wird dieses Abkommen beendet, so behalten die Bestimmungen des Kapitels 8 über den Tag der Beendigung des Abkommens hinaus noch 20 Jahre Gültigkeit für Inves­titionen, die vor diesem Tag getätigt wurden.

Zur Frage 11:

Nach einhelliger Auffassung des Rechtsdienstes der Europäischen Kommission, des Rechtsdienstes des Rates, des Rechtsdienstes von Deutschland, Frankreich, den Nie­derlanden, der Slowakei und Spaniens ist Ceta mit dem Unionsrecht kompatibel.

Zur Frage 12:

Wann das Urteil vorliegen wird, ist mir derzeit nicht bekannt.


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Zur Frage 14:

Österreich beteiligt sich konstruktiv an der Umsetzung dieses Urteils und ist gewillt, einen unionsrechtskonformen Zustand durch eine EU-weite Einigung herbeizuführen.

Zur Frage 15:

Nach Beantwortung der begründeten Stellungnahme der Kommission im Herbst 2016 wurden keine weiteren Schritte gesetzt.

Zur Frage 17:

Die Zuständigkeiten der Länder sind durch Ceta in einigen Teilbereichen berührt, zum Beispiel der Grundverkehr, Skischulen und Bergführer, was ich bereits erwähnt habe, das Kindergartenwesen, das Elektrizitäts- und Spitalswesen. In all diesen Bereichen wurden umfassende Ausnahmen verankert.

Zur Frage 18:

Die Bundesländer bekommen alle eingeschränkt zugänglichen Dokumente via Verbin­dungsstelle der Bundesländer zugesendet und können sich jederzeit dazu äußern.

Zur Frage 19:

Die Rechtsgrundlage für sogenannte einheitliche Länderstellungnahmen ist Art. 23d Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes. Zunächst verlangt Art. 23d Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz ein konkretes Vorhaben. Die Stellungnahme bezieht sich jedoch auf die Ablehnung von privaten Schiedsgerichten oder internationalen Investitions­ge­richten bei Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen Staaten mit hochent­wickelten Rechtssystemen und somit auf die gemeinsame Handelspolitik der EU.

Weiters ist infrage zu stellen, ob das Thema Schiedsgerichtsbarkeit beziehungsweise internationale Gerichtsbarkeit auf Basis von völkerrechtlichen Verträgen in der Gesetz­gebung Länderkompetenz ist. Selbst wenn man von einer Bindungswirkung der Stellungnahme ausginge, bestünde schlussendlich die Möglichkeit, aus integrations­politischen Gründen von ihr abzuweichen.

Zur Frage 20:

Es handelt sich um kein Konzerntribunal! Ich möchte wiederholen: Es handelt sich um kein Konzerntribunal, sondern um ein internationales Gericht für die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten. Auch Einzelunternehmen und KMUs fallen unter den Investorbegriff, und das ist ganz wichtig; das ist also nicht abhängig von der Größe eines Unternehmens. Die Grundvergütung wird nach Inkrafttreten des Abkommens vom gemischten Ceta-Ausschuss beschlossen.

Zur Frage 21:

Dies lässt sich derzeit noch nicht abschätzen.

Zur Frage 22:

Meine Ressortzuständigkeit erstreckt sich nicht auf die Beantwortung dieser Frage.

Zur Frage 23:

Der Bestand der kanadischen Direktinvestitionen in Österreich überstieg jene von Österreich in Kanada um 2,712 Milliarden Euro. Das heißt, die österreichischen Inves­titionen in Kanada betrugen 690 Millionen Euro, die kanadischen Investitionen in Öster­reich 3,402 Milliarden Euro.


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Zur Frage 24:

Die größten kanadischen Firmenniederlassungen in Österreich sind Magna Steyr mit fast 18 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, BRP-Powertrain mit 1 200 Mitarbeiterin­nen und Mitarbeitern und Bombardier mit 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Husky mit 260 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Eine konkrete Klageberechtigung dieser Unternehmen müsste im Einzelfall geprüft und kann nicht pauschal bejaht werden.

Zur Frage 25:

Es handelt sich nicht um Nachverhandlungen, sondern um die Ausarbeitung von Detailfragen, die vom gemischten Ceta-Ausschuss, der sich aus Vertretern der EU auf der einen Seite und Kanadas auf der anderen Seite zusammensetzt, beschlossen wer­den sollen, und somit eben nicht um Nachverhandlungen, sondern um die Ausarbei­tung von Detailfragen.

Ich freue mich, Ihre Fragen beantwortet zu haben. Ich möchte noch einmal betonen, dass Ceta, das Abkommen mit Kanada, ein wichtiges Abkommen ist und dass es wichtig für Europa, für Österreich ist, neue Handelspartner zu bekommen, gerade in einer Zeit, in der jemand wie Trump alte, langjährige Partnerschaften behindert oder sogar gefährdet. Es ist einfach wichtig, auf die Wirtschaft zu schauen, auf den Stand­ort, auf die Arbeitsplätze und auf das Wohl der Österreicherinnen und Österreicher. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.09


Präsident Reinhard Todt: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.


14.09.37

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Danke für Ihre Anfragebeantwortung. Ich möchte zu­nächst auf Ihre Einleitung zu sprechen kommen. Ich möchte nicht respektlos sein, dennoch war die Einleitung eine Themenverfehlung, denn der Titel der Dringlichen Anfrage lautet „Nichteinhaltung verbindlicher Länderstellungnahmen zu CETA“. Das wäre also schon einmal eine Themenverfehlung.

Zum Zweiten: Sie haben in Ihrer Einleitung über die Notwendigkeit und Wichtigkeit gesprochen, mit der Welt Handel zu treiben. Ich kenne niemanden – ich glaube, auch nicht die FPÖ –, der gegen den Handel wäre. Handel, Warenaustausch ist die Grund­lage für Wohlstand, ist die Grundlage für Entwicklung, für all das, was Sie zu Beginn Ihrer Rede so breit ausgeführt haben. Ich kenne niemanden, der eine andere Meinung hat – wenn jemand eine andere Meinung hat, soll er aufzeigen. Das waren also meiner Meinung nach viele umsonst gesprochene Sätze, denn das ist einfach etwas völlig Unbestrittenes.

Die dahinterstehende Frage ist eine ganz andere: Es geht dabei auch darum, die Wahrheit innerhalb der Regierungskoalition zu erkunden. Sie werden sich wahrschein­lich wundern, was ich jetzt sage: Ja, es ist das modernste Freihandelsabkommen, das die EU je abgeschlossen hat – das haben wir auch immer wieder gesagt –, weil es einfach ein modernes Abkommen ist. Dass Moderne daran sind die Nachhaltig­keits­aspekte, die also sehr wohl zu einem Gegenstand in Handelsverträgen werden kön­nen. Handel sollte insgesamt nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten erfolgen, in dem


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Sinne, dass man Parameter anlegt. Zum Beispiel wurde das ILO-Übereinkommen, also das Arbeitsübereinkommen mit unterzeichnet. Soziale, ökologische und gesund­heit­liche Standards müssen in den jeweiligen Erzeugerländern eingehalten werden. Da muss man einfach sagen: Das ist etwas sehr Modernes, etwas sehr Spannendes.

Ein Abkommen, das auch in der Pipeline ist – ich befürchte, Sie sagen dazu Ja – ist das Mercosur-Abkommen, bei dem wir all diese Nachhaltigkeitsgrundsätze versäumen und verfehlen. Das ist aber ein anderes Thema, und wir werden sicherlich Gelegenheit haben, über Mercosur, über die Mexiko-Nachbesserung und anderes hier ganz aus­führ­lich zu sprechen.

Kehren wir jetzt zu diesem Abkommen zurück! Seitens der FPÖ wurde ja erklärt – vom Herrn Klubobmann, von Herrn Hofer, vom Herrn Parteivorsitzenden und Vizekanzler –, die FPÖ hätte diesem Abkommen die Giftzähne gezogen, seit sie in der Regierung ist. Sie aber sagen: Seit dem 30.10.2016 hat sich an diesem Abkommen nichts mehr ge­ändert. – Frau Bundesministerin, Sie haben völlig recht! Ich kann das auch noch unter­streichen, denn Herr Professor Obwexer, der Europarechtsexperte von der Universität Innsbruck, den auch die Regierung befragt, sagt, seit 2016 hat sich am Ceta-Abkom­men nichts mehr geändert. 2017 aber hat die FPÖ noch gesagt, dieses Abkommen muss einer Volksabstimmung unterzogen werden. Das entsprechende Plakat, die ent­sprechende Ankündigung haben wir vorhin gesehen.

Also Giftzähne hat hier keiner mehr gezogen, außer dass es eine Initiative der öster­reichischen Bundesregierung und des damaligen Bundeskanzlers gegeben hat, die­sem Abkommen bei der Unterzeichnung im Oktober 2016 eine Art Beipackzettel bei­zufügen. Und darin ging es eben genau darum, diese Konzernklagen, die damals noch Schiedsgerichte hießen, zu verhindern. (Bundesrat Steiner: Falsch!)

Ihr müsstet überhaupt ein bissel leiser sein, denn eure Giftzähneziehgeschichte ist mittlerweile schon irgendwo als Luftballon an der Decke zerplatzt. Ich würde da jetzt nicht laut: Falsch!, schreien, wenn ich in Wahrheit gar nicht mehr in den Spiegel schauen könnte. (Bundesrat Samt: Sparen Sie sich Ihre Belehrungen!)

Gut, kehren wir zum Hauptthema zurück! – Was hier jetzt passiert, ist ja, dass mit die­ser Zustimmung, die nicht einmal das EuGH-Erkenntnis im Verfahren, das bereits eingeleitet ist, abwartet, genau dieser Bereich der sogenannten Sondergerichte be­schlossen wird. – Sie haben gesagt, Sie wollen das nicht Konzerntribunale nennen, es sind Sondergerichte. Sie selbst haben gesagt, wie hervorragend das industrialisierte Kanada zu Europa passt. Ich kann das nur bestätigen, auch ich kenne Kanada und Europa. Da kommen zwei hochindustrialisierte Regionen zusammen und treiben Han­del, mit Rechtssicherheit im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit und so weiter. Diese Gerichte wären also nicht nötig, aber man folgt offenbar einem Trieb, Konzernför­de­rung zu betreiben. Sie haben ja auch in erster Linie Konzerne als Beispiele gebracht.

Übrigens nur so nebenbei: Die Chlorhuhndebatte wurde zu Ceta nie verwendet; die kenne ich nur aus der TTIP-Diskussion. Aufgrund der Standards, die mit Kanada vereinbart wurden, war das nie Gegenstand irgendeiner Diskussion. Man soll einfach nicht irgendwelche Dinge miteinander vermischen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Sie rufen immer so heraus, wobei das Interessante ist - - (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nein, ich sage, ist ja gut. Rufen wir heraus! Die Debatte soll ja lebendig sein. Darf ich noch einmal kurz an etwas erinnern? – Im Herbst letzten Jahres gab es im Nationalrat einen interessanten gemeinsamen Beschluss von SPÖ und FPÖ, und der hat genau das zum Inhalt gehabt, wovon wir jetzt reden, nämlich keine Sonder­gerichtsbarkeit, und genau das haben Sie damals mitgetragen: keine Sondergerichts-


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barkeit von außerhalb, keine Konzernklagerechte. (Bundesrat Mayer: Das ist schon weg!) Das ist eben nicht weg!

Ich brauche keine Handelsgerichte. Das sind Märchen, die hier erzählt werden, und das sagen euch alle Experten und Expertinnen des Europarechts. (Bundesrat Steiner: Eure Experten!) Eure! Das sind nicht unsere Experten. All diese Konzernrechte sind für Klagen außerhalb der normalen Gerichtsbarkeit drin. Man meldet sich nicht bei einem Handelsgericht, man meldet sich nicht bei einem Bezirksgericht, man meldet sich nicht bei einem Landesgericht, sondern es wird ein Spezialgericht angerufen.

Und schauen Sie sich einmal die Kosten an, die in einem solchen Fall schlagend werden! Für solche Klagen gibt es bereits hoch spezialisierte Anwaltskanzleien. Wir wissen das von einem Fall, bei dem pro Jahr Kosten von über 500 000 Euro anfallen. – Ob ich gewinne oder nicht, ich muss mich ja als Land verteidigen! Und Sie können es nicht leugnen: Es ist und bleibt eine Sonderform von Gerichtsbarkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ja, ich weiß, ihr habt politisch einen Bauchfleck gemacht, ihr habt eure Versprechen gebrochen. Ich weiß, das tut weh, aber ich will jetzt einmal ein bissel mehr.

Eure Bauchfleckgeschichte ist eure Geschichte. Entsprechend finde ich es ja immer interessant, was ihr alles auf euren Homepages macht: Wir haben seit Regierungs­antritt das Ceta-Abkommen qualitativ verändert!, Es gibt keine Giftzähne mehr!, wir aber hören die ganze Zeit, dass nichts geschehen ist. Es stammt alles vom Oktober letzten Jahres, und ihr habt inzwischen auf Basis dessen, was vorliegt, mit uns die Forderung abgestimmt, die wir erhoben haben. Nichts anderes liegt heute vor, und ihr beschließt es.

Philip Morris klagt Australien jetzt wegen der Raucherbestimmungen. Da habt ihr euch wohl gedacht, wir stimmen jetzt zu, aber gleichzeitig können wir ein bissel rauchen, damit wir keine solche Klage bekommen, weil Philip Morris dann nicht klagen wird. Es werden vielleicht andere klagen. Das ist die höhere Mathematik, die höhere Logik. Ich wünsche euch mit dieser Form der Regierungszusammenarbeit viel Glück.

Nun aber noch einmal zu Ihren Ausführungen, Frau Bundesministerin! Was Sie am Anfang gesagt haben, ist ja alles richtig. Ich danke für Ihre Offenheit; man erlebt ja nicht immer so viel Offenheit vonseiten der Regierungsbank. All die Firmen, die Sie genannt haben, treiben bereits derzeit mit Österreich Handel, und österreichische Fir­men mit Kanada: Was hindert uns denn daran, weiterhin diesen Handel zu treiben? Stand Bombardier vor dem Abzug aus Österreich? Standen unsere österreichischen Firmen - - (Bundesrat Mayer: Abbau von Zöllen, Kollege Schennach!) Aha, also Abbau von Zöllen, aber muss man deshalb gleich Sondergesetze erlassen?

Wir haben ja gerade gehört, dass sich der Handel und die Zusammenarbeit zwischen Kanada und Österreich in einer Weise entwickelt haben, dass Kanada am achten Platz liegt. Es steht also überhaupt nicht diese Dramatik im Raum, dass man jetzt huschi-pfuschi in etwas hineinrennen muss, was vielleicht der Europäische Gerichtshof in kürzester Zeit völlig anders sieht.

Nun kommen wir zu einem Bereich, den auch Edgar Mayer angesprochen hat. Ich weiß ihn da immer auf meiner Seite. Es ist ja auch von der Frau Bundesministerin gesagt worden: Na, in diesem Bereich haben wir auch das Elektrizitätswesen und das Sanitätswesen drinnen. Wir kommen hier also schon tief in die Daseinsvorsorge hinein. Im Oktober 2016 – das kann man ja hier auch sagen – haben wir schon gewarnt, wir haben das diskutiert, wir haben unsere Kritik an Ceta und den Druck, der auf der Daseinsvorsorge lastet, formuliert.


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Im Oktober 2016 war einer der großen Erfolge des Bundesrates, dass zum Beispiel die Sanitätsdienste ausgenommen wurden; die Spitäler wurden aber nicht ausgenommen. Über das Wasser brauchen wir sowieso gar nicht zu reden, das ist hier nicht Ge­gen­stand. Gegenstand ist aber sehr wohl, dass durch das Kippen in diesem Ab­kom­men in Zukunft ein unglaublicher Druck auf alle kommunalen Dienstleistungen entstehen wird, denn kommunale Dienstleistungen sind in Kanada in erster Linie private Dienstleis­tungen.

Kollege Mayer, ich weiß nicht, ob du damals mit dabei warst, als wir einmal in einem Aufzug gesteckt sind. Da haben wir gemerkt, was es heißt, wenn es in einem Land keine kommunalen Dienstleistungen gibt, nach eineinhalb Stunden und in schon etwas angespannter Stimmung zwischen den Eingesperrten im Aufzug. Es gab eine private Firma, aber die private Firma war nicht vorhanden, es gab eine Feuerwehr, die in dem Fall ebenfalls privat war, sie hatte keinen Vertrag mit diesem Haus, in dem die österreichische Delegation fast zwei Stunden in einem überhitzten Lift ohne Getränke gesteckt ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Ohne Rauchen!) Das sind genau diese Dinge, die man nicht anders kennt, die wir als den Segen kommunaler Dienstleistungen betrachten, und genau auf diese wird jetzt Druck ausgeübt, und das ermöglicht ihr heute mit eurer Zustimmung. (Bundesrat Schuster: Jetzt sind wir schuld, dass der Aufzug stecken geblieben ist! – Zwischenruf des Bundesrates Krusche.)

Das heißt, unsere Gemeinden, unsere Städte geraten da unter einen massiven Druck! Ihr könnt Nebelgranaten werfen oder auch nicht – das ist eine Tatsache!

Die zweite Tatsache ist, dass es keine Giftzähne gibt, die die FPÖ gezogen hat, weil sich das Abkommen seit 2016 nicht verändert hat. Hört mit euren Märchen auf, ihr könnt hier niemandem mehr Sand in die Augen streuen! Die Volksabstimmung, die ihr versprochen habt, die ihr plakatiert habt, findet nie statt, denn wenn überhaupt jemals, dann wird die direkte Demokratie am Ende dieser Regierungszusammenarbeit in irgendeinem Stück ausgebaut. Ich glaube es nicht. Es tut mir leid, dass heute diese Zustimmung - - (Ruf bei der FPÖ: Heute passiert gar nichts!) – Heute nicht, aber wir hoffen, dass diese Debatte dazu beiträgt, dass man vielleicht noch im Nationalrat darüber nachdenkt! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic, Reiter und Stögmüller.)

14.23


Präsident Reinhard Todt: Zu einer tatsächlichen Berichtigung ist Herr Bundesrat Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte.


14.23.50

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Schennach, ich muss eine tatsächliche Berichtigung anbringen: Ich stelle hier klar und eindeutig fest: Ich bin mit dir noch nie in einem Aufzug gesteckt! – Danke schön. (Allgemeine Heiterkeit sowie Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Schennach: Das tut mir jetzt aber leid!)

14.24


Präsident Reinhard Todt: Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann ist als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte.


14.24.16

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark)|: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte einleitend die Gelegenheit nutzen, dir, geschätzte Frau Bundesministerin, für den kompetenten und kompakten Bericht zu


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dieser Anfrage sehr, sehr herzlich zu danken und dir zu gratulieren. Man spürt, dass du mit Leidenschaft dahinter bist, aber trotzdem die Kompetenz nicht vergisst. – Herz­lichen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ich glaube, Kollege Schennach, auch wenn Sie ein sehr düsteres Bild gezeichnet haben, was Freihandelsabkommen betrifft, insbesondere, was jetzt das Kanada-Europa-Abkommen Ceta betrifft, hat die Frau Bundesministerin in ihren einleitenden Bemer­kungen schon auch sehr deutlich gemacht, dass die Stellungnahmen einzelner Lan­desparlamente, so auch jene des Landtages Steiermark – wir haben uns bereits im Jahr 2016 und auch im Jahr 2017 mit diesen Themenstellungen beschäftigt –, diese Sorgen, die auch damals von einzelnen Landesparlamenten geäußert worden sind, und dann letztendlich auch die Stellungnahmen der österreichischen Landeshaupt­leutekonferenzen schon in die Erwägungen der österreichischen Bundesregierung eingeflossen sind. Ich möchte dafür Danke sagen.

Wenn man die Diskussionen hier verfolgt, hat man den Eindruck, es seien zwei unter­schiedliche Wahrnehmungen. Die einen sprechen davon, dass die Daseinsvorsorge gefährdet ist, und die anderen sagen, dass ganz klare Spielregeln dafür geschaffen worden sind. Frau Ministerin, du hast in deinen Ausführungen darauf hingewiesen, dass die Absicherung der öffentlichen Dienstleistungen gegeben ist.

Zu diesem Beispiel mit dem Lift: Ich bin auch schon gesteckt, allerdings nicht in Kanada, sondern in Österreich, und wann immer man in einem Lift in Österreich steckt, kommt nie ein kommunaler Dienstleister, um die Leute zu befreien, sondern es kommt die Firma Schindler, die Firma Otis oder es kommen andere private Unternehmungen. (Bundesrätin Mühlwerth: Also lauter Privatfirmen!) Das ist meiner Meinung nach also ein eher unglückliches Beispiel für öffentliche Dienstleistungen.

Was mich aber bei der Behandlung dieses Ceta-Themas schon freut, ist, dass das Thema Wasser offenkundig erledigt und nicht mehr Gegenstand ist, dass die Förde­rung der kulturellen Vielfalt nicht mehr infrage steht, sondern dass diese ganz beson­ders abgesichert ist, und dass Umwelt- und Sozialstandards eine besondere Berück­sichtigung finden. Es wurde hier auch die Sondergerichtsbarkeit angesprochen: Auch diese hat eine neue Qualität.

Ich freue mich, Kollege Schennach, dass Sie auch anerkannt haben, dass dieses Ceta-Abkommen als Freihandelsabkommen eine ganz besondere neue Qualität innerhalb des europäischen Regimes bietet. Auch ich glaube, dass das so ist und dass das auch guttut.

Ich habe in meinem beruflichen Vorleben in den vergangenen Jahren die Chance gehabt, über 1 000 steirische Unternehmungen vor Ort zu besuchen. Ich habe in die­sen Unternehmungen gespürt – sowohl bei den industriellen Leitbetrieben als auch bei den vielen, vielen kleinen und mittelständischen Unternehmungen, aber auch bei Start-ups –, dass sie sich natürlich wünschen, dass es klare Spielregeln für den Auftritt auf diesen Märkten gibt. Alle Unternehmungen, die innovativ sind, die sich mit neuen Pro­dukten, mit neuen Dienstleistungen auseinandersetzen, die darüber nachdenken, wie man Forschung und Entwicklung vorantreiben kann und damit Innovation in diese Produkte, Dienstleistungen und Services bringen kann, haben natürlich unterschied­liche Marktbearbeitungsstrategien im Auge.

Wir reden heute in Wahrheit darüber, wie wir österreichische Unternehmungen aller Größenklassen dabei unterstützen können, neue Märkte zu erobern. Und neue Märkte zu erobern heißt ja nicht, einen kapitalistischen Ansatz zu verfolgen, um mehr Geld zu machen, sondern die Eroberung neuer Märkte bedeutet ja insbesondere, österreichi­sche Arbeitsplätze abzusichern, und, wenn es irgendwie geht, auch neue Arbeitsplätze am Standort Österreich zu schaffen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Ich glaube, das sollte man auch bei Abschluss dieser Handelsabkommen ganz beson­ders im Blick haben. Im Zuge dieser Strategien, wie man neue Märkte erschließen kann – und das betrifft Unternehmungen aller Größenklassen –, ist es eine Möglichkeit, Direktinvestitionen vorzunehmen, und jeder von uns wird verstehen, dass man diese Direktinvestitionen vor Ort auch geregelt und abgesichert haben möchte. Das wird für kanadische Unternehmen in Österreich und in Europa so gelten, das wird aber auch für österreichische und europäische Unternehmungen in Kanada so gelten.

Wenn man den Export anschaut, dann möchten man auch tarifäre und außertarifäre Maßnahmen gerne geklärt abwickeln. Tarifäre Maßnahmen sind im wesentlichen Zölle. Durch Ceta werden 98, 99 Prozent dieser Zölle abgeschafft. Außertarifäre Handels­hemmnisse sind aber mindestens so schwierig für Unternehmungen wie tarifäre – außertarifäre Handelshemmnisse sind im Wesentlichen bürokratische Maßnahmen. Da bin ich schon froh, dass wir dann Ceta haben, weil auch diese Handelshemmnisse reduziert werden sollen.

Es stellt sich die Frage, warum wir überhaupt das Thema Freihandel diskutieren. Wir könnten eigentlich auch die Meinung vertreten, na gut, das sollen sich die Unterneh­men selbst richten. Es hat auch in der Literatur über die Jahrhunderte genug Ansätze dazu gegeben, von Adam Smith und seiner „invisible hand“ bis zu neoklassischen Modellen. Ich glaube nicht, dass das der richtige Zugang ist. Ich glaube, dass sich unsere Unternehmen erwarten, dass es Spielregeln gibt, dass es fairen Wettbewerb gibt, dass es Transparenz zwischen den Wirtschaftsräumen gibt und dass diese klaren und eindeutigen Spielregeln auch in Kanada und in Europa angewendet werden können.

Angesichts dessen, dass die Unternehmen in Österreich sehr abhängig davon sind, was wir als Politik leisten, dass in etwa 34 Prozent der österreichischen Wertschöpfung aus dem Export kommt – das besagt im Übrigen eine OECD-Studie – und dass 33 bis 50 Prozent der Arbeitsplätze in Österreich durch die Exportwirtschaft gesichert werden – in der Steiermark ist es sogar jeder zweite Arbeitsplatz, Magna Steyr wurde von der Frau Bundesministerin schon angesprochen –, dann zeigt das, dass wir ent­sprechenden Handlungsbedarf haben und dass der Abschluss solcher Handels­ab­kommen wie Ceta meines Erachtens gut ist.

Ich glaube, was wir gemeinsam wollen und vertreten, sind bestmögliche Rahmen­bedin­gungen im internationalen wirtschaftlichen Zusammenleben im Interesse unserer Ar­beit­nehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben und natürlich auch im Interesse der Betriebe, die wachsen wollen, die neue Chancen nutzen und damit die österreichi­sche Wirtschaft national und international entwickeln wollen.

Ich war in den vergangenen Jahren auch auf europäischer Ebene, nämlich im Aus­schuss der Regionen, tätig und konnte dort einige Male mit der Handelskommissarin Frau Malmström sprechen. Mir gefällt ein Zitat sehr gut, das sie in Bezug auf das EU-Kanada-Abkommen verwendet hat, und ich möchte sie zitieren. Sie hat nämlich, angesprochen auf die Sorgen mit diesem Abkommen, beispielsweise auch in Öster­reich, gemeint: Canada is not an evil country. – Ich denke, das haben auch die bis­herigen Redebeiträge zum Ausdruck gebracht. Kanada ist nicht böse. Kanada möchte genauso gute Rahmenbedingungen, wie wir sie in Österreich und in Europa wollen. Ich bitte daher die österreichische Bundesregierung, ihren Kurs weiterzugehen. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.32


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile dieses.



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14.32.50

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen Bundesräte! Ich hoffe, dass meine zweite Rede jetzt nicht so schwach wird wie die meiner beiden Vorredner von der SPÖ. Ich werde es aber schaffen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wahrscheinlich das beste Freihandelsabkommen, das die EU je geschlossen hat. – Zitat aus dem „Standard“ vom 15.9.2016. Was glauben Sie, wer das gesagt hat? – Euer Parteivorsitzender und Ex-Kanzler Christian Kern – interessant! (Bundesrat Novak: Da musst du richtig lesen! – Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Schennach.) Aber als Herr Kern das gesagt und verlautbart hat, waren die Giftzähne alle noch drinnen, Herr Schennach – alle! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ich zitiere euren ehemaligen Minister Leichtfried, der in der letzten Nationalratssitzung gesagt hat, da fliegen uns die Chlorhendl nur so bei der Tür herein. – Stimmt, recht hat er! Wenn wir das Abkommen so belassen hätten, wäre das vielleicht passiert. (Bun­desrat Novak: Du musst zuhören! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ihr hättet es ermöglicht. Wir haben die Giftzähne gezogen, und ihr wollt es einfach nicht verstehen. Ich verstehe das nicht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Novak: Er kapiert’s nicht! – Bundesrat Schabhüttl: Das hat ja damit nichts zu tun! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Euer Herr Kern war es, der uns den zahnlosen Beipackzettel als großen Erfolg ver­kaufen wollte. (Ruf bei der SPÖ: Wer hat es verhandelt?) Und was war es? – Ein Zettel ohne Rechtswirksamkeit. Keinen Menschen interessiert der Beipackzettel, wenn es richtig hart auf hart kommt.

Zu eurer Erinnerung, Herr Schennach, weil Sie hinsichtlich des Mercosur-Abkommens so schwarzgemalt haben: Euer Herr Kern hat am 20. und 21.10. im EU-Rat, und da herrscht, wie wir wissen, Einstimmigkeitsprinzip, das Mercosur-Abkommen mitbe­schlos­sen. Ich glaube aber, ihr leidet an Erinnerungslücken, denn es geht so weiter. (Bundesrat Stögmüller: Deswegen ist es aber nicht besser, oder?) Die einstimmige Erteilung des Verhandlungsmandats, des Grundmandats an die Europäische Kom­mission erfolgte am 27. April 2009. Soweit ich mich erinnere, hatten wir da auch einen roten Kanzler, oder? – Okay, dann stimmt es. (Bundesrat Schennach: Was ist das Problem?! Darf er nicht verhandeln?!)

Das Interessante ist ja, dass ihr plötzlich alles vergesst, was ihr jemals gemacht habt. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Ich verstehe es nicht, viel­leicht bräuchtet ihr einmal ein bisschen Hilfe, um euren Erinnerungslücken ein bisschen auf die Sprünge zu helfen.

Es war interessant, denn Global 2000 hat zu dem Beipackzettel, finde ich, etwas Gutes geschrieben – und Global 2000 steht wohl wirklich nicht im Verdacht, uns nahe­zu­stehen –: „Am 11. Oktober“ 2016 „wurden die aktuellsten Änderungen in der“ Beipack­zettelzusatzvereinbarung zu Ceta „veröffentlicht. Wir stellen fest: Die Umformatierung dieses Dokuments ändert nichts an den inhaltlichen Problemen!“

Liebe SPÖ, diese inhaltlichen Probleme hat die neue Regierung auf Drängen der FPÖ nun ausgeräumt. Ja, es stimmt, die FPÖ hatte damals massive Bedenken gegenüber Ceta und TTIP (Bundesrat Novak: Jetzt habt ihr die Giftzähne gezogen!), aber wie wir alle wissen – jetzt einmal zuhören, vielleicht erinnert ihr euch! –, ist TTIP aufgrund des amerikanischen Präsidenten vom Tisch. Und bei Ceta haben sich grundlegende Standards und für uns wichtige rechtliche Dinge geändert. (Rufe bei der SPÖ: Wann? Welche?) – Einen Moment! Ein paar wichtige Punkte darf ich euch jetzt aufzählen,


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dann helfe ich euch wieder auf die Sprünge, aber ich tue das ja gerne, kein Problem. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Unsere hohe Lebensmittelqualität bleibt erhalten. Waren und speziell Lebensmittel dür­fen nur nach unseren gültigen und strengen österreichischen Regeln eingeführt wer­den. Unsere strengen österreichischen Umwelt- und Sozialstandards bleiben natürlich in vollem Umfang erhalten. Öffentliche Dienstleistungen, die der Daseinsvorsorge dienen, wie Gesundheit, Bildung, Wohnen und das wichtige Thema Wasserver­sor­gung, bleiben im Entscheidungsbereich von Österreich. Verpflichtende Systeme der sozialen Sicherheit sind natürlich vom Abkommen ausgenommen.

Ceta darf natürlich nicht dazu führen, dass ausländische Unternehmen gegenüber einheimischen Investoren bevorzugt werden. Damit unsere Unternehmen vom Abkom­men profitieren, muss eine echte Verbindung zur Wirtschaft Kanadas bestehen. Was heißt das? – Das heißt, Geschäfte durch dubiose Briefkastenfirmen sind nicht möglich.

Private Schiedsgerichte und die damit verbundene Aushöhlung der staatlichen Ge­richtsbarkeit wurden verhindert. Stattdessen sind jetzt eine öffentlich-rechtliche Inves­titionsgerichtsbarkeit, Berufungsmöglichkeiten und Verfahrenstransparenz gewährleis­tet.

Jetzt frage ich mich: Warum seid ihr jetzt so leise geworden? Jetzt wart ihr plötzlich ganz still. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Schabhüttl: Wann ist das alles gekommen? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Kritik der SPÖ und eures Parteiobmannes ist völlig unglaubwürdig. Das glaubt ihr ja selber nicht! Christian Kern hat als Bundeskanzler Ceta am 18.10.2016 auf EU-Ebene besiegelt und im September 2017 provisorisch in Kraft treten lassen (Bundesrat Schennach: ... 30.10.2016! – Bundesrätin Grimling: Wann wurde das geändert?) – und das, obwohl sich bei eurer Mitgliederbefragung 88 Prozent gegen Ceta, gegen das damalige Ceta, ausgesprochen haben; so viel zu eurem jetzigen Rundumschlag und zu eurer Politshow, die man nur damit erklären kann, dass ihr jetzt einfach ideenlos und inhaltslos durch das Parlament irrt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Schabhüttl: Wenn eh alles klar ist, machen wir eine Volksabstimmung!)

Zur allgemeinen Aufklärung und damit ich der SPÖ noch ein bisschen auf die Sprünge helfen kann, habe ich mir gedacht, ich schaue mir einmal an, welche Produkte eigentlich von Österreich nach Kanada exportiert oder von Kanada nach Österreich importiert werden: „Knapp 40% des gesamten Exportvolumens“ von Kanada nach Österreich „fällt mit 168 Mio. EUR auf Flugzeuglieferungen, gemeinsam mit Eisenerz und Goldmünzen sind 53% des Gesamtvolumens erklärt. Eine Vielzahl von ver­schie­denen Maschinenbauerzeugnissen, Kfz, Aluminium und andere“ Metallerzeugnisse „runden das Ergebnis ab.“ – So steht es auf der Seite der Wirtschaftskammer Öster­reich.

Somit kommen wir zum Fazit: Das Freihandelsabkommen Ceta wurde am 18.10. – dies zur Erinnerung – vom damaligen Bundeskanzler Kern bewusst besiegelt. Dies lässt sich leider nicht mehr rückgängig machen, aber was wir erreichen konnten (Ruf bei der SPÖ: Wer?), haben wir erreicht (weitere Rufe bei der SPÖ: Wer? Wer?), nämlich deutliche Verbesserungen im Vertragswerk zugunsten Österreichs (neuerliche Rufe bei der SPÖ: Wer? Wer?) – wir, die FPÖ –, und wir haben sichergestellt, dass unsere hohen Qualitätsstandards, wie zum Beispiel im Lebensmittelbereich, und unse­re Daseinsvorsorge garantiert bleiben. Auch private Schiedsgerichte als Paralleljustiz kommen nun nicht mehr infrage. (Bundesrat Schennach: Das ist wie bei der Löwinger-Bühne oder beim Tschauner!) Somit ist wohl jedem klar, dass es sich hierbei um Sachen handelt, die unsere Sozialstandards nicht betreffen werden.


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Eines sage ich euch auch klar, liebe SPÖ: Ich habe weniger Bedenken dagegen, dass uns die Kanadier ein paar Eisenteile liefern, als gegen einen SPÖ-Kanzler, der uns Gewalttäter in einem derart hohen Ausmaß importiert hat, dass sich unsere Frauen und Kinder auf der Straße nicht mehr sicher fühlen (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Hammerl) und dass wir jetzt vor einer Entwicklung stehen, die nur Sie und Ihre berufsdemonstrierenden Willkommensklatscher zu verantworten haben.

Allerdings habt ihr heute – und das gestehe ich euch wirklich zu – mit dieser Dring­lichen ein Kunststück geschafft: Ihr habt es geschafft, euch selber ins Knie zu schießen, aber nicht nur in ein Knie, sondern mit einer Kugel durch beide Knie. Gratuliere! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Tschauner-Bühne! – Bundesrat Novak: Wenn unsere Rede schlecht war, dann war deine eine Katastrophe!)

14.42


Präsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter. Ich erteile dieses.


14.42.36

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Das ist jetzt meine endgültig letzte Rede, und ich bin froh, dass das so ist. (Ruf bei der FPÖ: Ich auch!) – Ja, das weiß ich. – Einer der Gründe dafür ist: Was sich hier im Bundesrat in den letzten Monaten verändert hat, ist dramatisch (Bun­desrat Steiner: Der Grund war der Wähler!), und das, was hier vonstattengeht, hat mit einer wirklich tragenden Diskussion oder Ähnlichem über weite Teile leider nichts mehr zu tun. (Bundesrätin Mühlwerth: Da kannst du dich bei deinen Kollegen auch bedan­ken!)

Es ist so, dass ich dankbar für diese Dringliche Anfrage bin, auch im Lichte dessen, dass ja im EU-Ausschuss auch viele andere Handelsverträge, die jetzt zur Behandlung anstehen und die jetzt offensichtlich durchgezogen werden sollen, auf der Tagesord­nung gestanden sind, weil sich natürlich im Bereich Handelspolitik die internationale Lage – aufgrund von Trump – überhaupt dramatisch verändert und auch weil wir uns immer mehr die Frage stellen müssen, inwieweit die Politik angesichts dieser Größe der Konzernmacht, dieser riesigen Konzerne, die aufgrund ihres Budgets, aufgrund ihrer Einflussmöglichkeiten doch sehr bestimmend handeln, überhaupt noch hand­lungsfähig ist. Also inwieweit hüpfen wir hier, in Anbetracht dieser Übermacht, nicht nur sehr komisch herum?

Ich denke, dass sich gerade jetzt, nach der offensichtlich stattfindenden Fusion von Bayer und Monsanto, die Frage stellt: Was heißt das für die Handlungsfähigkeit der Politik? Was heißt das zum Beispiel für die regionale Lebensmittelversorgung, die, wie wir heute gerade gehört haben, auch aus militärischer Sicht angebracht wäre? Was heißt das?

Ich erinnere mich sehr gut an die Debatten rund um die Gentechnik: In welcher Weise gelingt es überhaupt noch der Politik, zum Beispiel zu bestimmen, dass sie Gentechnik nicht auf unseren Feldern haben will oder dass gentechnikveränderte Lebensmittel nicht importiert werden sollen, oder auch zu verhindern, dass die Gentechnik eine tatsächliche Gefahr für die Existenz des Biolandbaus darstellt, weil dieser die Kriterien nicht mehr erfüllen kann? Wie sehr wir da schon an die Grenzen gestoßen sind, zeigt sich auch daran, dass auch dem Vorsorgeprinzip, das zwar in der EU noch gilt, inso­fern Grenzen gesetzt sind, als es einfach auch für einen Staat wie Österreich oder gar für ein Land wie Salzburg nicht möglich ist, die Grundlagen, die wissenschaftlichen Grundlagen zu liefern, die es sozusagen gestatten würden, einem großen Konzern zu


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verbieten, mit seinen Waren auf den Markt zu kommen und diese dort auch ent­sprechend undeklariert und so weiter abzusetzen. Bezüglich Glyphosat läuft jetzt eine vergleichbare Diskussion, in der es letztlich um die Frage geht: Inwieweit ist die Politik, auch in ihrer Aufgabe der Vorsorge für die Bevölkerung, da überhaupt noch handlungs­fähig?

Die Ökonomen streiten sich und debattieren darüber, inwieweit Freihandelsabkommen eine nachhaltige Entwicklung begünstigen, zulassen oder inwieweit sie sogar in vielen Bereichen sehr kontraproduktiv sind, auch für Länder in verschiedenen Entwicklungs­stadien, sage ich einmal.

Ich meine, Kanada hat ein hoch entwickeltes Rechtssystem, und es stimmt, Ceta ist wahrscheinlich das beste Freihandelsabkommen, das bisher verhandelt wurde. Für mich stellt sich aber auch immer die Frage der Notwendigkeit, denn offensichtlich haben ja die Investitionen und auch der Handel mit Kanada auch bis jetzt funktioniert. Diese Firmen, sowohl in Österreich als auch in Kanada, handeln ja nicht im luftleeren Raum, sondern sind sozusagen in gut entwickelte Rechtssysteme eingebunden. Inwie­weit aber – sozusagen: cui bono? – können dann entsprechende Konzerne mit ent­sprechender Größenordnung noch einmal ganz anders handeln?

Man muss sich nämlich schon vorstellen, dass es natürlich für jeden beklagten Staat – und es gibt ja schon entsprechende Beispiele – ungeheuer schwierig, ja teilweise unmöglich ist, solche Prozesse überhaupt zu führen. Da ist es ziemlich unerheblich, ob die Richter von der Europäischen Union ernannt werden können oder ob das sozu­sagen überhaupt eine private Gerichtsbarkeit ist, denn man braucht jedenfalls große Finanzmittel, um das zu tun, um das durchzustehen. Daher stellt sich die Frage: Inwie­fern machen Staaten dann nicht von vornherein entsprechende Zugeständnisse bezie­hungsweise begeben sich gar nicht in solche Auseinandersetzungen, weil diese mit einem vertretbaren Aufwand oder ohne einen entsprechenden Einsatz von Steuermit­teln nicht zu gewinnen sind?

Ich denke daher, wir alle sollten als Politiker und als politisch Interessierte da sehr aufmerksam sein, sehr kritisch sein und uns wirklich immer wieder fragen: cui bono?, denn auch Ökonomen sind sich nicht sicher, ob unseren KMUs, ob KMUs jener Größen­ordnung, wie wir sie in Österreich haben, solche Freihandelsabkommen wirklich zugutekommen oder ob sie nicht ihre Konkurrenzsituation noch einmal dra­matisch verschärfen und verschlechtern.

Darum denke ich, dass wir noch viel mehr als bisher und immer wieder über diese Handelsabkommen debattieren und sie sehr kritisch betrachten sollten. Ich finde, es ist auch diese Eile, die jetzt an den Tag gelegt wird, nicht wirklich angebracht, denn mit der Zustimmung, die jetzt noch vor dem Sommer erfolgen soll, begibt sich Österreich hinaus aus allen weiteren Vorbereitungsgesprächen zu den Schiedsgerichten oder zu den Detailvereinbarungen. Inwieweit geben wir also damit nicht noch Einflussmög­lichkeiten ab? Das, glaube ich, sollten wir auf gar keinen Fall tun.

Es ist ja auch so, dass mit dieser regulatorischen Zusammenarbeit, also diesen bila­te­ralen Arbeitsgruppen der Wirtschafts- und Industrieverbände, eigentlich ein Filter vor­geschaltet wird, der keineswegs demokratisch ist, wo Interessenverbände natürlich miteinander verhandeln, aber die Demokratie eigentlich weg ist.

Wie gesagt, das Vorsorgeprinzip ist in Ceta nicht enthalten, und inwieweit dieses abge­sichert werden kann, ist nach wie vor offen.

Es ist so, dass es einen europaweiten regionalen Widerstand gegen Ceta gibt, der nicht ausgeräumt ist. Er ist zwar offensichtlich aufseiten der Freiheitlichen verschwun­den und ausgeräumt, nicht aber in der Bevölkerung und in den Gemeinden. Auch die


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Gemeinden wissen nämlich, dass es natürlich immer schwieriger wird, Ausschreibun­gen so zu machen, dass sie ihre lokale Wirtschaft stützen, die lokale Bevölkerung einbinden, die Daseinsvorsorge absichern. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber sehr unterschiedlich! Das stimmt auch eigentlich nicht!) Man weiß aus Erfahrung, dass es immer schwieriger wird, das tatsächlich zu tun.

Diesen Widerstand gibt es also nach wie vor. Ich glaube, dass man die Tatsache, dass es fast 600 000 Unterstützer des Volksbegehrens in diesem Bereich gegeben hat, jetzt nicht einfach vom Tisch wischen kann und soll, nämlich mit dieser doch sehr nebulö­sen Ankündigung, dass diesem Abkommen irgendwelche Giftzähne gezogen wurden. Das sehe ich nicht so. Ich denke, da setzt man sich über den Willen der Bevölkerung sehr mutwillig hinweg.

Ich glaube, dass es hier sehr viel mehr Aufklärungsarbeit, Bewusstseinsarbeit, Infor­mationsarbeit bedürfte, um die Menschen mitzunehmen, anstatt ihnen zu sagen: Was auch immer ihr da gedacht habt, spielt alles gar keine Rolle, das sind irgendwelche komischen Chlorhühner, und die haben wir jetzt nicht im Abkommen drinnen! – So, denke ich, kann und darf man mit dieser Debatte nicht umgehen, wenn bei den Menschen eine völlige Demokratieverdrossenheit nicht noch weiter gefördert werden soll.

Ich würde dringendst dazu raten, dass der Forderung nach einer Volksabstimmung zu diesem Abkommen Folge geleistet wird und dass im Rahmen dieser Debatte jeder, wie er eben glaubt, dass er es am besten kann, für die entsprechende Stimme wirbt. Das würde auch einen entsprechenden Bildungs- und Diskussionsprozess in Gang bringen, der, meine ich, sowohl für die Entwicklung der Demokratie als auch für die Entwicklung weiterer Abkommen bessere Voraussetzungen schaffen würde – nämlich hinsichtlich ihrer Notwendigkeit, hinsichtlich der Frage, wie man Handelsbeziehungen in dieser sehr schwierigen Zeit gestalten soll, wie man sie nachhaltiger machen kann, als sie bisher sind, wie man tatsächlich Nachhaltigkeitsstandards, Klimastandards und so weiter absichern kann.

Das sind ja Herausforderungen, die sehr viel größer sind, als uns vor wenigen Jahren noch bewusst war, wie etwa die Frage: Wie gestalten wir einen weltweiten Freihandel, der klimaverträglich und einer nachhaltigen Entwicklung dieser Welt dienlich ist? So­ziale Verträglichkeit steht in diesem Zusammenhang ja schon länger auf der Agenda, ist uns aber ebenfalls bis dato nicht gelungen.

Ich denke, diese Herausforderungen sind riesengroß, und es stünde uns gut an, die Menschen dabei mitzunehmen. Eine Volksabstimmung über dieses Vertragswerk wäre eine gute Gelegenheit, das zu tun und das auf der Agenda zu behalten, anstatt mit der Ankündigung, die Giftzähne seien gezogen, darüber hinwegzugehen. Die Menschen haben ein Recht darauf, über ihre Zukunft entsprechend informiert zu werden und diese Zukunft auch mitzubestimmen. Daher wende ich mich an Sie mit dem dringenden Appell, das nicht aus den Augen zu verlieren. – Danke. (Beifall bei den BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller sowie bei der SPÖ.)

14.54


Präsident Reinhard Todt: Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann gelangt zu Wort. Ich erteile es ihr.


14.54.23

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rede von Frau Kollegin Reiter hat sich von der Rede des Kollegen Steiner wohltuend abgehoben. Ich möchte Ihnen, Frau Kollegin Reiter, für Ihren weiteren Lebensweg alles Gute wün-


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schen und Ihnen auch ganz herzlich für Ihre sachlichen, überlegten Beiträge danken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic, Reiter und Stögmüller.) – Ja, das ist wirklich einen Applaus wert. Es tut mir wirklich sehr leid, dass Sie das Hohe Haus verlassen.

Ich stimme Ihnen absolut zu, dass Handelsabkommen einer ganz genauen Prüfung unterzogen werden sollen, nämlich dahin gehend, also so würde ich es sehen, dass nicht Produkte auf den europäischen Markt kommen, bei denen die ökologischen und sozialen Mindeststandards nicht erfüllt sind. Das dürfen wir nicht zulassen. Dahin ge­hend müssen Handelsabkommen genauestens durchleuchtet werden, sonst konter­karieren wir natürlich automatisch unsere Standards und machen unsere Betriebe auf lange Sicht konkurrenzunfähig. Es dürfte sich auch in Kreisen der selbsternannten Wirtschaftspartei noch nicht herumgesprochen haben, dass man den eigenen Betrie­ben Schaden zufügt, wenn man es zulässt, dass Produkte auf dem europäischen Markt, auf unserem gemeinsamen Markt gehandelt werden, die ökologische und so­ziale Mindeststandards nicht erfüllen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die komödiantische Einlage des Kollegen Steiner motiviert mich dazu, den Kolleginnen und Kollegen der FPÖ die Frage zu stellen: Was hat Ihnen die ÖVP wirklich dafür gegeben, dass Sie Ihre Wählerinnen und Wähler so verraten (Rufe bei der FPÖ: Das ist eine Unterstellung!), wie Sie das tun? Ich kann Ihnen diese Frage nicht ersparen, denn der Preis muss wirklich sehr, sehr hoch gewesen sein (Bundesrat Samt: Das ist ja unerhört, was man sich da die ganze Zeit anhören muss!), wenn Sie Ihre bisherigen unverrückbaren Grundsätze und Bedingungen, O-Ton Strache, so über Bord werfen. (Bundesrat Steiner: Das war die Verhinderung einer Regierungsbeteiligung der SPÖ! Die haben wir damit sicher­gestellt!) Ich konfrontiere Sie noch einmal mit der Aussage von Heinz-Christian Strache: „Eine Volksabstimmung über Ceta ist Koalitionsbedingung.“

Ein Aufheben des Rauchverbotes allein kann es nicht gewesen sein, das wäre zu billig; so ein schlechtes Verhandlungsergebnis traue ich Ihnen auch nicht zu. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Da muss also wirklich mehr - - (Bundesrat Samt: Hören Sie auf, Verschwörungstheorien zu ...!) – Ja, das ist unangenehm für Sie, ich weiß. – Da muss wirklich mehr über den Ladentisch gegangen sein, wahrscheinlich das eine oder andere Amterl und Posterl auch (Bundesrat Steiner: Euch in der Regierung haben wir verhindert!), sonst kann ich mir das wirklich nicht erklären.

Frau Kollegin Mühlwerth, an Ihrer Stelle würde ich ganz, ganz leise sein. (Bundesrätin Mühlwerth: Das überlassen Sie mir!) – Sie sind dann eh mit Ihren Beiträgen - - (Neuerlicher Zwischenruf bei der FPÖ.) Sie melden sich eh nicht offiziell zu Wort, sondern mit einzelnen Zwischenrufen. Ich darf auch Sie zitieren (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ist gut, machen Sie das!): „Jener Teil von CETA, der ins Parlament kommt, muss einem Volksentscheid unterzogen werden.“ – So werden Sie im „Profil“ zitiert. Da muss ich Sie schon fragen: Was ist Ihr Wort wert, Frau Kollegin Mühlwerth? (Ruf bei der SPÖ: Nichts!) Diese Frage kann ich Ihnen nicht ersparen.

Sie wollen jetzt im Eilverfahren via Fristsetzung – jetzt im Nationalrat am 14.6., wenn man sich das im Fristenlauf ansieht, dann im Bundesrat am 28.6. – für dieses Abkommen grünes oder, besser gesagt, türkis-blaues Licht geben, aber in Bausch und Bogen, nicht nur für den Handelsteil, der ja nicht so schlecht ist, da gebe ich der Frau Ministerin vollkommen recht. Für unsere exportorientierte Wirtschaft kann und wird das sicherlich nützlich sein. Deshalb hat auch die Vorgängerregierung unter Bundeskanzler Christian Kern dazu ihre Zustimmung signalisiert. (Bundesrätin Mühlwerth: Ach ja?) Kollege Novak, dem ich übrigens ganz herzlich zum heutigen Geburtstag gratuliere (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller), hat das auch eingehend erläutert.


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Sie geben aber Ihr türkis-blaues Licht auch für diese Konzernklagerechte, die die Frau Ministerin irgendwie verharmlosend dargestellt hat. Dabei geht es doch um nichts weniger als um Klagsmöglichkeiten gegen unsere hohen Standards im Bereich der Gesundheit, im Bereich der Lebensmittelsicherheit, im Bereich des Umweltschutzes und so weiter. Unsere hohen Standards könnten einfach den internationalen Klagen ausgesetzt werden.

Sie geben da gewissermaßen eine Blankounterschrift, denn in vielen Punkten sind diese künftigen rechtlichen Möglichkeiten noch gar nicht ausreichend bestimmt, was noch weitere hohe Risken birgt. Es ist auch schon ausführlich über den Zeitplan de­battiert worden; diesbezüglich hat der ehemalige Kanzler Kern eine Auslegungs­erklärung erreicht – eben 2016, das ist schon alles gesagt worden –, genau für diesen strittigen Punkt. Er hat noch ganz klar Vorbehalte gegen den finalen Abschluss geäußert. (Bundesrätin Mühlwerth: Er hat das alles so super gemacht! Eh klar!) Dazu haben auch die Landeshauptleute ihre Bedenken geäußert.

Wir sind hier die Länderkammer; es ist ein Auftrag, diese Bedenken ernst zu nehmen, weil sich natürlich auch die Landeshauptleute fragen, wie es mit der Souveränität in den Ländern weitergeht. (Bundesrätin Mühlwerth: Das war eurem Kern auch ...! Die Mitgliederbefragung war auch null und nichtig! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Auf Bundesebene ist es Ihnen wurscht (Bundesrätin Mühlwerth: Alles Larifari!), aber Sie sind ja hier in der Länderkammer, hier haben Sie auch den Auftrag der Länder und der Ländervertretungen entsprechend ernst zu nehmen. Das ist unser Auftrag hier im Bundesrat, und den nehmen wir von der SPÖ-Fraktion sehr, sehr ernst. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Seit wann?) – Sie offensichtlich nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber es sind noch einige Fragen offen, über die sich die Frau Ministerin – bei allem Respekt – ein bisschen hinweggeschummelt hat. Es ist einiges offen: Wer entscheidet in Streitfällen dann wirklich? – Tribunal ist vielleicht ein nicht so unzutreffender Aus­druck, es ist ein Sondergericht. Wir wissen noch nicht wirklich hundertprozentig, wie es zusammengesetzt sein wird, denn es ist von der Befähigung zum Richteramt oder Vergleichbarem die Rede. – Was ist „Vergleichbares“?

Weitere Fragen sind: Wie werden denn die Entscheidungsträger und -trägerinnen tatsächlich entlohnt? Wer sind die? Wie steht es mit allfälligen Abhängigkeits­ver­hältnissen? – Es ist nämlich nicht unbedingt so anders als bei TTIP, wo dann vielleicht auch Anwälte aus Kanzleien berufen werden könnten, die zwar die grundsätzliche Befähigung zum Richteramt, Richterinnenamt haben, aber vielleicht doch direkt oder indirekt in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, weil halt irgendwie Auftragsverhält­nisse zu Konzernen bestehen, die unter Umständen auch involviert sind. Also da wird schon in vielen Bereichen die Katze im Sack gekauft. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Es ist zum Beispiel auch ein Passus enthalten – Sie, Frau Ministerin, haben das ein bisschen vereinfachend dargestellt –, nämlich was das vereinfachte Vertragsände­rungs­verfahren betreffend diesen Gemischten Ausschuss angeht, der eben fifty-fifty von der EU und Kanada besetzt wird. Da ist auch die Möglichkeit inkludiert, den Ver­trag anzupassen, abzuändern, ohne dass das jemals ein Parlament zu Gesicht bekommt. Das sollten Sie sich schon auch vor Augen führen, wo Sie doch sogar eine Volksabstimmung gefordert haben. Und jetzt soll nicht einmal mehr ein Parlament mit allfälligen künftigen Vertragsänderungen befasst werden!

Ich sehe schon, Frau Kollegin Mühlwerth, dass Sie mir da nicht einmal in die Augen schauen können und mir den Rücken zudrehen, denn das ist wirklich eine unange­nehme Geschichte für Sie. (Bundesrätin Mühlwerth sitzt mit dem Rücken zur Rednerin


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und spricht mit Bundesräten ihrer Fraktion in der Sitzreihe hinter ihr.) Gell, Frau Kollegin? (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Krusche: Das ist nur Langeweile! – Bundesrätin Mühlwerth: Sie langweilen mich zu Tode! Das ist der Grund! Man soll sich nicht selbst überschätzen, Frau Kollegin!) Ich kann Ihnen diese Vorhaltungen wirklich nicht ersparen.

Die FPÖ hat immer wieder anderen Parteien vorgeworfen, Vorzugsschüler, Vorzugs­schülerinnen sein zu wollen, wenn es um EU-Rechtsmaterien, um Umsetzungen und so weiter geht. Aber was tun denn Sie jetzt? – Sie biedern sich völlig an, bei den Ersten dabei zu sein, die Ceta durchwinken – noch dazu in Bausch und Bogen, ohne dass wesentliche Fragen wirklich restlos geklärt sind, und katapultieren uns zurück hinter den Status von 2016. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Genau!) Das muss auch gesagt werden: Sie katapultieren uns zurück und sind unter Umständen vielleicht sogar noch stolz darauf. Sie sollten sich schämen, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! (Beifall bei der SPÖ.)

15.05


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Eduard Köck. Ich erteile es ihm.


15.05.25

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Es sind heute schon einige Reden zu diesem Thema gehalten worden. Nicht alle waren, glaube ich, wirklich ernsthaft bei der Sache, sondern da ging es sehr oft um politisches Kalkül oder Ähnliches.

Ich möchte noch ein paar Punkte vonseiten der Landwirtschaft einbringen, weil hier immer wieder Standards erwähnt werden, was auch nicht immer der Realität ent­spricht. 

Vielleicht noch zum Kollegen Schennach, er hat ja den Europarechtler Obwexer zitiert: Er hat gesagt, es hätte sich an diesem Vertrag seit 2016 nichts mehr geändert. – Das ist richtig. – Im nächsten Satz desselben Interviews hat er aber gesagt, der viel zitierte Beipackzettel, den Kern für sich proklamiert, habe überhaupt nichts an dem Vertrag geändert. – Also wenn man jemanden zitiert, dann vielleicht in vollem Umfang und das, was er wirklich gesagt hat. Das sagt auch einiges aus.

Kollegin Reiter hat heute zum letzten Mal geredet. Ich schätze sie sehr, sie gehört sicher nicht zu jenen Grünen, die Armin Wolf als oberlehrerhaft und besserwisserisch bezeichnet hat. Ich möchte aber trotzdem auf einiges eingehen, was du gesagt hast, vor allem in Bezug auf Glyphosat.

Diese Diskussion läuft ähnlich wie die Ceta-Diskussion und läuft ähnlich wie viele Diskussionen bisher, nämlich unfair. Da ist man schnell einmal so weit, dass man Glyphosat in Österreich verbietet. Auf dieses Thema springen dann Zeitungen auf, dann springen Handelsketten auf, und in denselben Handelsketten stehen hundert Produkte ausländischer Produzenten, deren Ernteprodukte direkt mit Glyphosat besprüht wurden. Das ist in Österreich schon lange verboten, aber unseren Bauern wirft man wieder Prügel vor die Füße, da nimmt man es dann nicht so genau mit dem Welthandel. Das alles kann passieren.

So läuft diese Diskussion in Sachen Ceta leider auch. Da gibt es sehr viele Dämo­nisierungen – wir haben schon gehört, Chlorhuhn und Hormonfleisch, was da alles auf uns zukommt –, das Abkommen gibt es seit sechs Monaten, und es ist nichts davon da. Warum ist nichts da?


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Ich stütze mich in meinen Aussagen jetzt auf den Völkerrechtler und EU-Rechtler Universitätsprofessor Dr. Werner Schroeder, den Leiter des gleichnamigen Instituts in Innsbruck. Er sagt, dass es in Kanada zum Teil höhere Standards gibt als in Öster­reich. Es dürfen dort keine Rohmilchprodukte in Verkehr gebracht werden, es dürfen bei Bioprodukten keine Antibiotika angewendet werden. Dort, wo die Standards nied­riger sind, können weiterhin der WTO-Vertrag und die GATT-Verträge in Anspruch genommen werden, die von diesem Handelsabkommen nicht berührt werden, und es kann weiter Beschränkungen für Chlorhühner, für Hormonfleisch geben, so wie jetzt auch. Das hat sich die EU auch ausbedungen. Es gilt auch weiterhin das Vorsor­geprinzip, weil auch dafür diese Verträge in Anspruch genommen werden können. Wenn man aus gesundheitspolizeilichen oder pflanzenschutzrechtlichen Gründen Bedenken hat, kann man es untersagen, dass solche Produkte auf unsere Märkte kommen. Das ist weiterhin aufrecht. Die EU behält sich, wie gesagt, vor, das auch weiterhin in Anspruch zu nehmen.

Die österreichische Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und Wirtschaft braucht in dieser gesamten Ausrichtung Impulse. Wir haben wegen der Sanktionen gegen Russ­land bedeutende Märkte verloren und wissen nicht – es ist eine gewisse Ungewissheit da –, wie es mit unseren Märkten in Großbritannien aussehen wird, wenn der Brexit vollzogen sein wird.

Unsere Unternehmer haben in Kanada große Möglichkeiten. Die größeren Firmen, die dort aktiv sind, wurden angeführt. Ich kann aus meiner Region sagen, Husky zum Beispiel, eine Firma, die in meiner Nachbargemeinde ihren Standort hat, beschäftigt 260 Mitarbeiter, sie hat kanadische Eigentümer. In dieser Gemeinde gibt es auch eine österreichische Fensterbaufirma, die in Kanada ein Werk hat, von wo die Gewinne nach Österreich zurückkommen. Es gibt sehr viele österreichische Farmer, die in Kanada aktiv sind, umgekehrt kenne ich das eigentlich überhaupt nicht.

Es gibt also sehr viele Möglichkeiten für unsere Unternehmen, und ich glaube, man sollte hier auch die Erfahrungen einbringen. Ich kenne noch die Diskussionen um das EU-USA-Weinhandelsabkommen aus dem Jahr 2006. Diese Diskussionen waren genauso. Damals hat man erklärt, die Amerikaner könnten aus Holzpellets Wein produ­zieren, den sie bei uns verkaufen werden, sodass wir alle keinen richtigen Wein mehr zu trinken bekommen und unsere Bauern völlig die Basis verlieren werden.

Was hat sich in diesen zwölf Jahren getan? – Die Exporte unserer Winzer nach Amerika haben sich um 100 Prozent, auf 12 Millionen Euro, gesteigert, die Importe aus Amerika stagnieren bei 4 Millionen Euro. Das zeigt, dass wir Österreicher gewohnt sind, unsere Möglichkeiten tatsächlich in Angriff zu nehmen und umzusetzen. Wir und die Regierung wollen für unsere Bauern, für unsere Unternehmer und für unsere Arbeitnehmer arbeiten. Bei der SPÖ hat man manchmal das Gefühl, ihr wollt nur mehr für die Arbeitslosen und Migranten arbeiten. Ja, es ist so. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Heute geht es euch nur um Angstmacherei und Verunsicherung. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ihr wollt politisches Kleingeld machen. – Ja, Oppositionsarbeit ist so, das muss man auch verstehen, denke ich, wenn man politisch aktiv ist.

Ich habe vor zwei Tagen einen tollen Spruch gehört, und der geht so: Wer vor jeder Wolke Angst hat, taugt nicht zu einem Bauern. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Am Samstag haben wir zu Hause 7 Hektar Feldfutter gemäht, obwohl für Montag, Dienstag und heute Regen angesagt war. Gestern haben mein Sohn und sein Neffe die Ernte heimgebracht. Hätten wir vor dem Regen Angst gehabt, würde das Feldfutter noch heute, noch in einer Woche und noch in einem Monat auf dem Feld stehen. In der sozialistischen Planwirtschaft war das so, das wollen wir nicht! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Ich sage deshalb: Packen wir dieses Handelsabkommen bei den Hörnern und holen wir das Beste für uns heraus! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.12


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Georg Schuster. Ich erteile es ihm.


15.13.09

Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Ich kann dieses Herumgezeter seitens der SPÖ zu Ceta absolut nicht mehr nachvollziehen. Diese Anfrage ist ja schon fast eine Farce, so wie das jetzt abläuft. Vielleicht wäre es besser, Sie würden diese Dringliche Anfrage Ihrem Bundesparteiobmann Christian Kern stellen, dann hätte das Ganze nämlich etwas von einer Therapiesitzung mit Selbstfindungstrip, meine Damen und Herren von der SPÖ. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Posch-Gruska: Vielleicht brauchst du den!)

Kommen wir aber zum Wesentlichen: Mit Kanada hat Österreich einen Wirtschafts­partner, zu dem wir schon seit vielen Jahren traditionelle und erfolgreiche Beziehungen pflegen. Gerade für eine Exportnation wie Österreich hat der Freihandel eine sehr große Bedeutung, und man darf auch nicht vergessen, dass ein großer Teil der der­zeitigen Jobs, Berufe und Arbeitsplätze in Österreich an diesem Exporthandel hängen.

Von Ceta profitiert Österreich schon jetzt, denn seit dem Inkrafttreten von Ceta sind die Exporte nach Kanada um über 24 Prozent gestiegen. Des Weiteren – das vergessen Sie auch; Sie wollen ja immer die Arbeiterpartei sein, sind das aber schon lange nicht mehr – werden zukünftig über 15 000 Arbeitsplätze durch dieses Freihandelsabkom­men entstehen. Und da wollen Sie als Sozialdemokratische Partei dagegen sein, meine Damen und Herren? Die Sozialdemokratische Partei Österreichs ist gegen die Schaffung neuer Arbeitsplätze und gegen zusätzlichen Wohlstand? – Das versteht ja kein Mensch mehr, meine Damen und Herren, erklären Sie das einmal Ihren eigenen Wählern!

Ich darf den Kollegen von der SPÖ, die Änderungen, das, was die Regierung bei Ceta erfolgreich abgeändert hat, noch einmal erläutern (Zwischenruf bei der SPÖ), denn steter Tropfen höhlt ja bekanntlich den Stein, meine Damen und Herren von der SPÖ.

Durch dieses Abkommen bleiben die hohen europäischen Standards in den Bereichen Lebensmittelhandel, Sicherheit, Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte vollständig gewahrt. Wichtige Bereiche wie das Gesundheitswesen, das öffentliche Bildungswesen und auch andere soziale Dienstleistungen sind von Ceta ausgenommen. Es ist sicher­gestellt, dass ausschließlich Österreicher und kanadische Bürger von dem Abkommen profitieren werden, denn es gibt kein TTIP durch die Hintertüre, wie Sie das fälsch­licherweise immer behaupten. Es wird auch keine privaten Schiedsgerichte geben. Wir haben das heute schon fünf Mal gesagt, Sie haben es nur leider noch immer nicht verstanden. Es wird öffentlich-rechtliche Investitionsgerichte mit unabhängigen Rich­tern geben. In Österreich gibt es bisher kein Freihandelsabkommen, in dem die Schieds­gerichtsbarkeit so modern und innovativ ausgestaltet ist. Ein letzter Punkt, den Sie leider auch wieder vergessen haben: Nationalstaatliches Recht kann durch das Ceta-Abkommen nicht außer Kraft gesetzt werden.

Noch einmal kurz zu den Investitionsschutzklauseln: Ich darf erinnern, dass in allen bestehenden Handelsabkommen Österreichs innerhalb der EU Investitionsschutz­klau­seln festgeschrieben sind, das ist also per se nichts Neues, das gibt es schon. Dieses


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Abkommen ist aus unserer Sicht qualitativ hochwertig. Vorteile wird es auch für mittel­ständische Unternehmen geben, das ist ganz, ganz wichtig.

Sie sehen, Ceta wurde erfolgreich von dieser Regierung abgeändert und in den wich­tigen Teilen stark verbessert.

Was Sie von der SPÖ hier wieder einmal aufführen, ist ein populistischer Eiertanz, um Ihre schwindende Medienpräsenz mit billigen Taschenspielertricks zu erhöhen. Eines kann ich Ihnen aber versichern: Die Bevölkerung hat Ihr unmoralisches Spiel schon durchschaut, nicht umsonst laufen Ihnen die Wähler von Wahl zu Wahl davon, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Sie differenzieren nicht, Sie bringen plumpe und einfache Argumente, welche bereits von der Ministerin und von uns, den Regierungsparteien, entkräftet wurden. Ich darf noch einmal an Ihre bindende Mitgliederbefragung erinnern, mit der Sie Ihre eigenen Funktionäre – sogar bis heute – verunsichert und getäuscht haben. 88 Prozent Ihrer eigenen Parteifunktionäre haben sich damals gegen Ceta entschieden, und Ihr damaliger Kurzzeitkanzler Kern hat es dann in einer Nacht-und-Nebelaktion in Kraft gesetzt.

Wir haben wieder einmal den roten Scherbenhaufen, den Sie uns hinterlassen haben, gemeinsam mit unserem Regierungspartner beseitigt und Ihren extrem schlecht aus­verhandelten Ceta-Vertrag repariert. Es vergeht ja fast kein Tag, an dem die Regierung nicht in vielen wichtigen Bereichen wie Sicherheit, Bildung, Familie oder demnächst auch im Bereich Mindestsicherung Ihre bürgerfeindliche Politik sanieren muss, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich darf noch einmal kurz zusammenfassen: Ceta wurde modifiziert, es wurden ihm die roten Giftzähne gezogen. Die SPÖ betreibt eine unglaubwürdige Kampagne der Angstmache gegenüber der Bevölkerung. Angesichts der deutlichen Verbesserungen und des Aus von TTIP ist die Ratifizierung des Abkommens mit Kanada, zu dem Öster­reich traditionell ausgezeichnete Beziehungen unterhält, nunmehr sachlich vertretbar. Ceta wird eine Bereicherung für Österreichs Wirtschaft, aber auch für den Bürger sein. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.19


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Michael Lindner. – Ich erteile es ihm.


15.19.37

Bundesrat Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen der FPÖ: Ganz ehrlich, wenn man nicht fähig ist, zu diesem Thema eine differenzierte Debatte zu führen, wäre es besser, entweder besser zuzuhören, weniger herauszuschreien oder gleich sitzen zu bleiben.

Niemand von uns stellt Freihandel infrage, niemand stellt unsere Exportorientierung infrage. Ich frage mich, ob die Kollegen Schuster und Steiner diese verbalen Eruptio­nen auch körperlich spüren – beim Zuhören tun sie auf jeden Fall weh, darf ich euch sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Ganz offensichtlich haben Sie ein solch schlechtes Gewissen, weil Ihr Parteichef Strache da mit Anlauf umgefallen ist. Ich frage mich schon: Was ist denn das für ein Parteichef, der für das einfache Rauchen eure Volksabstimmung über Ceta verkauft hat?


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Was ist denn der Dammbruch bei Ceta? – Natürlich nicht, dass wir grenzüber­schrei­tend handeln, auch nicht, dass wir Zollbeschränkungen abbauen, und auch nicht, dass wir den Marktzugang für bestimmte Waren erleichtern. All das macht Sinn, und dies­bezüglich ist das Abkommen – das haben heute schon mehrere RednerInnen gesagt – auch wirklich vergleichsweise gut. Der Dammbruch ist jedoch, dass Sie mit diesem Durchpeitschen der Sonderklagsrechte für Konzerne die Möglichkeiten, die wir als Politiker und als Parlament haben, beschneiden.

Es geht bei Ceta in Wirklichkeit auch nur zweitrangig um Kanada. Der Handel ist wichtig, das ist alles schön und gut, wir werden mit Kanada guten Handel treiben, das ist nicht die Frage, aber mit diesem Abkommen wird die Zukunft der europäischen Handelspolitik festgelegt und bestimmt, und das hat verheerende Folgen für unsere staatliche Handlungsfähigkeit.

Wir haben schon über die regulatorische Kooperation oder die Gemischten Ausschüs­se gesprochen, die selbständig Teile des Abkommens verändern können – ohne par­lamentarische Zustimmung. Und genau deshalb hat Christian Kern – damals war er, glaube ich, zwei Wochen Bundeskanzler – wochenlang intensiv auf europäischer Ebene dafür gekämpft (Bundesrat Rösch: Und zugestimmt!), dass wir hier im Parla­ment über diese Sonderklagsrechte und die Schiedsgerichte abstimmen können; die sind bislang nicht in Kraft. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ, Sie machen das jetzt aus meiner Sicht, aus unserer Sicht vollkommen überhastet, in dem Wissen, dass es noch zu Ver­änderungen oder Nachverhandlungen zu Ceta kommen kann. Wir haben schon gehört: Ceta liegt vor dem EuGH, Ceta liegt vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht – und Sie riskieren jetzt, dass wir diese Chance von Verbesserungen nicht mehr bekom­men.

Es ist euer Beschluss, den ihr für Juni plant, der es erst ermöglicht, dass Konzerne gegen unsere hohen Standards klagen können. Diese Klagsrechte können hohe Standards aushebeln, das wisst ihr ganz genau. Und dass diese Klagen laufend erfolgen, wisst ihr auch ganz genau. Zwei Beispiele:

Beispiel eins: Deutschland hatte sich endlich dazu durchgerungen, aus der Atomkraft auszusteigen – und was war die erste Reaktion? – Der Energiekonzern Vattenfall hat die Bundesrepublik Deutschland geklagt und unglaubliche 4,7 Milliarden Euro ver­langt – für eine glasklare, gute politische Entscheidung. (Bundesrat Krusche: Da geht es aber nicht um Handelsabkommen!)

Beispiel zwei: Uruguay – ich glaube, das ist heute schon kurz angeklungen – hat sich entschieden, Warnhinweise auf Zigarettenpackungen zu drucken. Was ist passiert? – Philip Morris hat als Ausgleich 25 Millionen US-Dollar verlangt.

Für Großkonzerne kann es ein schönes und leichtes Spiel sein, sich hier auf einen Rechtsstreit einzulassen, aber wir als Staat hantieren mit Steuergeld, das man für solche Verfahren aufbringen muss. Die mittelständischen Unternehmen, die von der Frau Ministerin schon angesprochen wurden, werden sich diese langen Streitigkeiten auch nicht leisten können oder sich auf diese einlassen können.

Der noch viel schlimmere Effekt ist aber – und das muss uns Abgeordneten, Bun­des­rätInnen, PolitikerInnen doch wirklich Sorgen machen –, dass sich Staaten gar nicht mehr trauen, neue, wichtige, bessere Standards einzuführen, eben aus Angst vor diesen langen und teuren Verfahren. Wirtschaftsnobelpreisträger Stiglitz, das ist nicht irgendjemand, bringt das auf den Punkt: Das Motiv hinter den Schiedsgerichten – wie auch immer sie jetzt heißen mögen oder ausschauen sollen, die Funktion ist dieselbe –


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ist der Wunsch, neue Finanzmarktregulierung, Umweltgesetze, ArbeitnehmerInnen­schutz, Nahrungs- und Gesundheitsstandards schwerer zu machen. – Zitatende.

Die Frau Ministerin hat es bestätigt: Selbst dann, wenn wir heuer kündigen würden, gehen diese Klagsrechte noch 20 Jahre weiter. – Sie tragen die Verantwortung dafür, dass wir uns hier als Politiker, dass wir unsere Politik Stück für Stück selbst abschaf­fen. Herzliche Gratulation, liebe FPÖ! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Sie tragen auch die Verantwortung für eine Zweiklassenjustiz, denn mit den Schieds­gerichten oder dem ICS verabschieden wir uns davon, dass alle vor dem Gesetz gleich sind. Mit viel Geld kommt man dann schneller zu seinem Recht. Nichts anderes ist dieses ICS. Da kann man das Türschild des Schiedsgerichts noch dreimal austau­schen, es bleibt ein privates Gerichtssystem. Niemand kennt zum jetzigen Zeitpunkt die 15 Personen, aus denen auszuwählen ist. Es sollen Personen sein, die zum Richteramt befugt sind, wenn nicht, dann sollen sie vergleichbare Fähigkeiten haben. Transparent sind die Verfahren auch nur insoweit, als nicht Geschäftsgeheimnisse geschützt werden müssen. Die Argumentation bei einem Verfahren stelle ich mir dann spannend vor. Das ist maximal 19. Jahrhundert – das kann doch nicht euer Ernst sein!

Was ist so schlecht an unserem österreichischen, am kanadischen Rechtssystem, am EuGH, daran, dass wir uns auf die bestehenden staatlichen Gerichtssysteme verlas­sen? – Diese Frage hat mir heute von euch noch niemand beantworten können.

Liebe FPÖ! Die Giftzähne wurden nicht gezogen. Gar nichts habt ihr in diesem Bereich zustande gebracht. Ihr habt kapituliert, ihr lauft vor euren eigenen Versprechungen davon. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ganz offen gesagt, es sitzen ja auch ein paar Burschenschafter herinnen: Was passiert denn bei der Mensur mit denen, die vor der Mensur davonlaufen? – Ich glaube, recht viel Respekt erhalten die Burschen in diesem Bereich nicht mehr. (Bundesrätin Mühlwerth: Nicht über Dinge reden, über die man gar nichts weiß! – Bundesrat Krusche: Schuster, bleib bei deinem Leisten!)

Eure Ankündigungen zu Ceta waren nichts wert. Sie waren nichts wert! Das ist blaue Schaumschlägerpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

15.26


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

15.26.21Einlauf


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwölf Anfragen, 3488/J-BR/2018 bis 3499/J-BR/2018, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 28. Juni 2018, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem


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Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterlie­gen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 26. Juni 2018, 14 Uhr, vorge­sehen.

Ich wünsche eine gute Heimreise.

Die Sitzung ist geschlossen.

15.27.04Schluss der Sitzung: 15.27 Uhr

 

 

 

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