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862. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Dienstag, 20. Dezember 2016

 

 


Stenographisches Protokoll

862. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Dienstag, 20. Dezember 2016

Dauer der Sitzung

Dienstag, 20. Dezember 2016: 14.02 – 19.51 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) und das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitglied­staaten der Europäischen Union (EU-JZG) geändert werden (Strafprozessrechtsände­rungsgesetz II 2016)

2. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizi­nischer Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Jus­tizanstalten geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Ausbildungs- und Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EIRAG, das Rechtsanwaltsprüfungs­gesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und das Sachverständigen- und Dolmetscherge­setz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2016 – BRÄG 2016)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsge­setz 1994, das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das Gaswirtschaftsge­setz 2011, das Reichshaftpflichtgesetz, das Rohrleitungsgesetz und das Verkehrsop­fer­Entschädigungsgesetz geändert werden (Mindestversicherungssummen­Valorisie­rungsgesetz 2016 – MinVersValG 2016)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem zur Verbesserung der Nachhaltigkeits- und Diversi­tätsberichterstattung das Unternehmensgesetzbuch, das Aktiengesetz und das GmbH-Gesetz geändert werden (Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz, NaDiVeG)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das All­gemeine Pensionsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wer­den sowie ein Alterssicherungskommissions-Gesetz erlassen wird (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2016 – SVÄG 2016)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geän­dert werden


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 2

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpen­sionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opfer­fürsorgegesetz, das Impfschadengesetz und das Verbrechensopfergesetz geändert wer­den

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert werden

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Heeresentschädigungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Bundesgesetz über die Gewährung einer Bundeszuwendung an den Verband der Volksdeutschen Lands­mannschaften Österreichs, das Sozialministeriumservicegesetz und das Bundesbehin­dertengesetz geändert werden

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsge­setz 1977, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungs­gesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsor­gegesetz, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz und das Einkommensteu­ergesetz 1988 geändert werden (Wiedereingliederungsteilzeitgesetz)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 geändert werden

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitsmarkt­politik-Finanzierungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wer­den

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauarbeiter­Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957, das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pflegefondsgesetz geändert wird

18. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Statistik zu Straßen­verkehrsunfällen mit Personenschaden (Straßenverkehrsunfallstatistik-Gesetz) erlassen und das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (28. StVO-Novelle)

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (18. FSG-Novelle)

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (34. KFG-Novelle)

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Seeschifffahrts-Erfüllungsgesetz – SSEG geändert wird

*****


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 3

Inhalt

Bundesrat

Ansprache des Präsidenten Mario Lindner aus Anlass jüngst erfolgter Gewalt­taten                   10

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) GO-BR ................................................................................................. 11

Wortmeldung der Bundesrätin Monika Mühlwerth betreffend die Vorsitzführung von Präsidenten Mario Lindner ............................................................................................................................ 87

Stellungnahme des Präsidenten Mario Lindner dazu ............................................... 87

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 11

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 11

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 10

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) und das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mit­gliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) geändert werden (Strafprozess­rechtsänderungsgesetz II 2016) (1300 d.B. und 1403 d.B. sowie 9707/BR d.B.)              12

Berichterstatter: Stefan Schennach ............................................................................. 12

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizini­scher Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten geändert wird (1365 d.B. und 1407 d.B. sowie 9708/BR d.B.) .............. 12

Berichterstatter: Stefan Schennach ............................................................................. 12

Redner/Rednerinnen:

Mag. Michael Raml ....................................................................................................... 12

Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................... 14

Mag. Susanne Kurz ...................................................................................................... 15

Dr. Andreas Köll ........................................................................................................... 16

Martin Weber ................................................................................................................. 17

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ............................................................. 18

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 20


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 4

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 20

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Aus­bildungs- und Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechts­anwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EIRAG, das Rechtsanwaltsprüfungsge­setz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und das Sachverständigen- und Dolmetscher­gesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2016 – BRÄG 2016) (1346 d.B. und 1404 d.B. sowie 9672/BR d.B. und 9709/BR d.B.) ................................................................................................................. 20

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 21

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Reichshaftpflichtgesetz, das Rohrleitungsgesetz und das Verkehrsop­fer­Entschädigungsgesetz geändert werden (Mindestversicherungssummen­
Valorisierungsgesetz 2016 – MinVersValG 2016) (1341 d.B. und 1405 d.B. sowie 9710/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 20

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 21

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Verbesserung der Nachhaltigkeits- und Diversitätsbe­richterstattung das Unternehmensgesetzbuch, das Aktiengesetz und das GmbH-Gesetz geändert werden (Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz, NaDiVeG) (1355 d.B. und 1406 d.B. sowie 9711/BR d.B.) ........................................... 20

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 21

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ............................................................................................................. 21

Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................... 23

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ................................................................................................. 25

Mag. Susanne Kurz ...................................................................................................... 25

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ............................................................. 27

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 29

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 29

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 29

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das All­gemeine Pensionsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geän­dert werden sowie ein Alterssicherungskommissions-Gesetz erlassen wird (So­zialversicherungs-Änderungsgesetz 2016 – SVÄG 2016) (1330 d.B., 1859/A, 1303/A und 1429 d.B. sowie 9674/BR d.B.)              ............................................................................................................................... 29

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 30


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 5

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz ge­ändert werden (1349 d.B. und 1430 d.B. sowie 9675/BR d.B.)                     30

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 30

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensions­gesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (1431 d.B. sowie 9676/BR d.B.) ........................................................................ 30

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 30

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfür­sorgegesetz, das Impfschadengesetz und das Verbrechensopfergesetz geändert werden (1432 d.B. sowie 9677/BR d.B.) ................ 30

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 30

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Gesund­heits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert werden (1354 d.B. und 1439 d.B. sowie 9678/BR d.B.) ............................................................. 30

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 30

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Hee­resentschädigungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Bundesgesetz über die Gewährung einer Bundeszuwendung an den Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs, das Sozialministeriumservicegesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden (1342 d.B. und 1447 d.B. sowie 9679/BR d.B.) ................................. 30

Berichterstatterin: Renate Anderl ................................................................................. 30

Redner/Rednerinnen:

David Stögmüller ...................................................................................................  32, 41

Reinhard Todt ............................................................................................................... 34

Gregor Hammerl ........................................................................................................... 36

Hans-Jörg Jenewein, MA ............................................................................................ 37

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..............................................................  39, 49

Ana Blatnik .............................................................................................................  42, 48

Ing. Andreas Pum ......................................................................................................... 44

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 45

Gerhard Dörfler ............................................................................................................ 46

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 48

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 50

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 50

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 8, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 65

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 50


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 6

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 50

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 51

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorge­gesetz, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz und das Einkommen­steuergesetz 1988 geändert werden (Wiedereingliederungsteilzeitgesetz) (1362 d.B. und 1440 d.B. sowie 9680/BR d.B.)                        51

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 52

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 geändert werden (1334 d.B. und 1441 d.B. so­wie 9681/BR d.B.) ............................................................. 51

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 52

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird (1442 d.B. sowie 9667/BR d.B. und 9682/BR d.B.)                     51

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 52

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wer­den (1344 d.B. und 1443 d.B. sowie 9683/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 51

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 52

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauarbeiter­Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957, das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden (1343 d.B. und 1444 d.B. sowie 9684/BR d.B.) ............................................................. 51

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 52

Redner/Rednerinnen:

Rene Pfister .................................................................................................................. 53

Sandra Kern .................................................................................................................. 55

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................... 56

David Stögmüller .......................................................................................................... 59

Renate Anderl ............................................................................................................... 61

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 63

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 64

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 64


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 7

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 14, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 64

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 65

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 65

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflegefondsgesetz geändert wird (1331 d.B. und 1448 d.B. sowie 9668/BR d.B. und 9685/BR d.B.)      ............................................................................................................................... 65

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 65

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame För­derung der 24-Stunden-Betreuung geändert wird (1351 d.B. und 1449 d.B. sowie 9686/BR d.B.) ................................................................................................................. 65

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 65

Redner/Rednerinnen:

Renate Anderl ............................................................................................................... 66

Sonja Ledl-Rossmann ................................................................................................. 67

Rosa Ecker .................................................................................................................... 69

David Stögmüller .......................................................................................................... 71

Gregor Hammerl ........................................................................................................... 74

Christoph Längle .......................................................................................................... 76

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 77

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 17, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 78

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 78

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird (1917/A und 1418 d.B. sowie 9695/BR d.B.)               ............................................................................................................................... 79

Berichterstatter: Rene Pfister ........................................................................................ 79

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (1347 d.B. und 1420 d.B. sowie 9696/BR d.B.)                          79

Berichterstatter: Rene Pfister ........................................................................................ 79

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Statistik zu Straßenverkehrs­unfällen mit Personenschaden (Straßenverkehrsunfallstatistik-Gesetz) erlassen und das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (1353 d.B. und 1421 d.B. sowie 9697/BR d.B.) ............................................................................... 79

Berichterstatter: Stefan Schennach ............................................................................. 80


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 8

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (28. StVO-Novelle) (1356 d.B. und 1423 d.B. sowie 9698/BR d.B.) ................................................................................................................. 79

Berichterstatter: Stefan Schennach ............................................................................. 80

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (18. FSG-Novelle) (1358 d.B. und 1424 d.B. sowie 9699/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 79

Berichterstatter: Stefan Schennach ............................................................................. 80

Redner/Rednerinnen:

Peter Samt ..................................................................................................................... 80

Günther Novak ............................................................................................................. 82

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 84

Edgar Mayer .................................................................................................................. 88

Gerd Krusche ............................................................................................................... 89

Wolfgang Beer .............................................................................................................. 90

Gerhard Schödinger .................................................................................................... 91

Bundesminister Mag. Jörg Leichtfried ...................................................................... 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 21, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 22, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 23, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 94

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (34. KFG-Novel­le) (1359 d.B. und 1425 d.B. sowie 9700/BR d.B.)               ............................................................................................................................... 95

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 95

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Seeschifffahrts-Erfüllungsgesetz – SSEG geändert wird (1299 d.B. und 1419 d.B. sowie 9701/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 95

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 95

Redner/Rednerinnen:

Günther Novak ............................................................................................................. 95

Armin Forstner, MPA ................................................................................................... 97

Thomas Schererbauer ................................................................................................. 98

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 98

Bundesminister Mag. Jörg Leichtfried ...................................................................... 99

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 24, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 99


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 9

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 25, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 99

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit und Frauen betreffend Aufhebung des Blutspende-Verbots für Männer, die Se­xualverkehr mit Männern haben (MSM) (3193/J-BR/2016)

Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Bettlerproblematik im Bundesland Vorarlberg (3194/J-BR/2016)

Dr. Magnus Brunner, LL.M, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend Stabilitätsabgabe für österreichische Regionalbanken – Bemessung (3195/J-BR/2016)

Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend Fluglotsen sowie Flugberatungspersonal – Offene Punkte (3196/J-BR/2016)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tätigkei­ten des Bundesdenkmalamtes (2938/AB-BR/2016 zu 3175/J-BR/2016)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lärmschutz an der S 6 im Bereich von St. Marein im Mürztal (2939/AB-BR/2016 zu 3174/J-BR/2016)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Peter Samt, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Asylquartier Schloss Mühleck (2940/AB-BR/2016 zu 3178/J-BR/2016)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau des Vorarl­berger Schienennetzes (2941/AB-BR/2016 zu 3177/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Familien und Jugend auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Da­niela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ergebnisse der vom Bun­desministerium für Familien und Jugend organisierten High Level Global Conference am 1. und 2. Juni 2016 in Wien (2942/AB-BR/2016 zu 3179/J-BR/2016)


 


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 10

14.01.57Beginn der Sitzung: 14.02 Uhr

 


Präsident Mario Lindner: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin­nen! Liebe Kollegen! Ich eröffne die 862. Sitzung des Bundesrates.

Besonders bei uns begrüßen darf ich den Herrn Bundesminister für Justiz Dr. Wolf­gang Brandstetter. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße auch alle Zuseherinnen und Zuseher, die heute via ORF III diese Sitzung verfolgen.

Das Amtliche Protokoll der 861. Sitzung des Bundesrates vom 1. Dezember 2016 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Peter Oberlehner, Arnd Meißl und Dr. Dietmar Schmittner.

14.02.51Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Mario Lindner: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2938/AB-BR/2016 bis 2942/AB-BR/2016 sowie hinsichtlich je­nes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsge­setz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bun­desrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 9)

*****

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2016) (1273/NR und 1395/NR der Beilagen)

*****

14.03.24Ansprache des Präsidenten aus Anlass jüngst erfolgter Gewalttaten

 


Präsident Mario Lindner: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, sich von Ihren Sitzplätzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitz­plätzen.)

Wir stehen noch immer schockiert und tief betroffen unter dem Eindruck der furchtba­ren Gewalttaten in Berlin, Zürich und Ankara. Dort sind, wie in den vergangenen Tagen in Syrien und insbesondere in Aleppo, furchtbare Gewalttaten geschehen. Der öster­reichische Bundesrat spricht sich entschieden gegen jede Form von Gewalt und Terror gegen unschuldige Menschen aus. Wir sind entsetzt, unsere tiefste Verachtung gilt den Kriminellen, die mit diesem Terror Angst und Schrecken verbreiten und unser freies eu­ropäisches Gesellschaftssystem unterminieren wollen.

Besonders heute, am Internationalen Tag der Solidarität, und unter dem Eindruck all dieser schrecklichen Gewalttaten haben wir uns immer wieder an eines zu erinnern: Un-


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sere Antwort auf Terror muss an jedem einzelnen Tag ein klares, dauerhaftes Bekennt­nis zu mehr Demokratie sein. Ausgrenzung und Angst dürfen niemals unsere Reaktion auf Gewalt sein.

Der österreichische Bundesrat bekennt sich daher vorbehaltlos zum Zusammenhalt al­ler Bürger und Bürgerinnen in einem vereinten Europa, die sich den Werten der Frei­heit, der Demokratie, des Parlamentarismus und der Menschenrechte verbunden fühlen.

Es ist mir ein aufrichtiges Bedürfnis, namens des österreichischen Bundesrates allen Betroffenen und Angehörigen der Toten und Verletzten unser Mitgefühl auszudrücken. Unsere Gedanken sind in diesen Stunden bei ihnen. (Die Anwesenden verharren eini­ge Zeit in stummer Trauer.) – Ich danke für das Zeichen der Anteilnahme. (Die Anwe­senden nehmen ihre Sitzplätze wieder ein.)

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Mario Lindner: Eingelangt ist ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für Landesvertei­digung und Sport Mag. Hans Peter Doskozil am 20. Dezember im Kosovo bei gleich­zeitiger Beauftragung von Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger mit seiner Vertretung.

Eingelangt ist ein weiteres Schreiben betreffend den Aufenthalt der Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin vom 20. Dezember 2016 bis 1. Jän­ner 2017 in Südafrika bei gleichzeitiger Beauftragung von Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter mit ihrer Vertretung.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Mario Lindner: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündi­gen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnah­me von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einver­standen sind, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zwei­drittelmehrheit angenommen.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heu­tigen Sitzung gestellt.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Mario Lindner: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsich­tige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2, 3 bis 5, 6 bis 11, 12 bis 16, 17 und 18, 19 bis 23 sowie 24 und 25 jeweils unter einem durchzuführen.


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Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Dies ist nicht der Fall.

14.08.011. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Geschworenen- und Schöffen­gesetz 1990, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) und das Bundes­gesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaa­ten der Europäischen Union (EU-JZG) geändert werden (Strafprozessrechtsände­rungsgesetz II 2016) (1300 d.B. und 1403 d.B. sowie 9707/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend Vereinbarung ge­mäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinba­rung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizinischer Versor­gungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizan­stalten geändert wird (1365 d.B. und 1407 d.B. sowie 9708/BR d.B.)

 


Präsident Mario Lindner: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zu deren Punkten 1 und 2, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Schennach. Ich bitte um die Be­richte.

 


14.09.02

Berichterstatter Stefan Schennach: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich erstatte den Be­richt des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezem­ber 2016 betreffend das Strafprozessrechtsänderungsgesetz II 2016, in dessen Zen­trum die Verlängerung der Kronzeugenregelung steht.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Ich darf auch gleich den zweiten Bericht erstatten: Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend Vereinbarung ge­mäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungsleis­tungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mario Lindner: Vielen Dank für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Raml. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.10.34

Bundesrat Mag. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Saal, vor allem aber


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zu Hause, die uns auf ORF III sehen! Wir haben jetzt zwei Materien zu behandeln, die ich kurz getrennt behandeln möchte.

Zum einen geht es bei der Änderung der Strafprozessordnung um einige kleinere An­passungen. Im Wesentlichen geht es darum, dass die sogenannte Kronzeugenrege­lung mit 31. Dezember dieses Jahres ausläuft. Es ist daher notwendig, eine Entschei­dung zu treffen, wie man diesbezüglich weitermacht.

Wir Freiheitliche halten dazu fest, dass die Kronzeugenregelung grundsätzlich ein rich­tiges und wichtiges Instrument ist, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Kor­ruptionsbekämpfung. Wenn wir uns den gestrigen Tag vor Augen halten, dann können wir nur hoffen, dass die Kronzeugenregelung, wenn es irgendwie möglich ist, künftig auch terroristische Anschläge hintanhält, wenn man nämlich Menschen dazu bewegen kann, wieder auf den rechten Weg zurückzukommen.

Da ist natürlich auch der Grundgedanke der Kronzeugenregelung vernünftig, nämlich dass die Kronzeugenregelung kein Freibrief ist, sondern es ist wichtig, dass der Aufklä­rungsbeitrag die Schwere der eigenen Tat überschreiten muss und dass der Kronzeu­ge auch von sich aus aktiv an die Staatsanwaltschaft herantreten muss.

Sinnvoll ist aus unserer Sicht auch die gewählte Befristung auf fünf Jahre. Wir halten das deshalb für sinnvoll, weil es bisher nicht möglich war, die derzeitige Kronzeugen­regelung wirklich ordentlich zu prüfen, weil es einfach sehr, sehr wenige Fälle mit die­ser Kronzeugenregelung gegeben hat. Ein Beispiel: Im Sprengel des Oberlandesge­richtes Graz gab es etwa keinen einzigen Fall seit deren Einführung.

Beim zweiten Tagesordnungspunkt sehen wir die Sache schon etwas kritischer. Es geht dabei ja um eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die Abgel­tung von Kosten der Krankenversorgung von Häftlingen – ein sehr heikles Thema.

Es ist unserer Meinung nach insgesamt eine sehr, sehr eigenartige Situation – das muss man sich schon einmal auf der Zunge zergehen lassen! –: Häftlinge sind nicht kranken­versichert und werden aktuell wie Privatpatienten nach dem höchsten Satz in unseren Spitälern behandelt.

Sie werden daher – wir kennen das österreichische System – tendenziell besser be­handelt, bekommen wahrscheinlich auch leichter Termine. Eine Zahl auch hierzu: Was kostet denn das Ganze? – Ein Tag ärztliche Behandlung eines Häftlings im Wiener AKH kostet den Steuerzahler nach diesem höchsten Satz stolze 1 127 €.

Dieses Thema wurde ja auch vom Rechnungshof seit Jahren kritisiert, weil diese Situa­tion eben unbefriedigend ist. Die Forderung des Rechnungshofes ist es, die Häftlinge in eine gesetzliche Krankenversicherung zu bringen. Das hat der Rechnungshof ganz klar gefordert und das ist offenbar auch im aktuellen Regierungsprogramm so vorgese­hen.

Warum ist das so? – Ich kann mir das nur so vorstellen, weil es eine unbefriedigende Situation ist: Auf der einen Seite gibt es Häftlinge, die wie Privatpatienten behandelt werden, und auf der anderen Seite wird der kleine Justizwachebeamte – ich war letzte Woche in meiner Heimatstadt Linz in der Justizvollzugsanstalt; dort arbeiten fleißige Jus­tizwachebeamte unter wirklich schwierigen Umständen – nicht automatisch wie ein Ers­te-Klasse-Patient behandelt. Hier geht es um Justizwachebeamte, die täglich einen wichtigen Dienst für unsere Gesellschaft leisten und letztendlich die Häftlinge betreuen.

Dieser Zustand ist nach Meinung der Freiheitlichen wirklich unerträglich. Wir werden da­her auch gegen diese Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern stimmen.

Warum? – Weil wir der Meinung sind, dass zu lange gewartet worden ist. Wir sprechen immer von einer Regelung, die getroffen werden muss, aber es passiert offenbar nichts.


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Wir treten dafür ein, dass Häftlinge sofort und schnellstmöglich in eine gesetzliche Kran­kenversicherung eingegliedert werden.

Im Ausschuss haben wir dazu schon vom Leitenden Staatsanwalt, der uns dankens­werterweise Auskünfte erteilt hat, gehört, dass, erstens, diese Artikel-15a-Vereinba­rung natürlich nur eine Zwischenlösung sein kann, dass, zweitens, eine Gleichstellung zur GKK erstrebenswert ist und dass natürlich, drittens, dafür wieder Gespräche mit den Ländern notwendig sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzter Herr Bundesminister! Die Bun­desregierung, die sich das vornimmt, ist bereits seit drei Jahren im Amt. Das ist schon eine Zeit lang. Die Parteien Rot und Schwarz sind seit Jahrzehnten in jeder Bundes­regierung vertreten. Diesbezüglich wäre wirklich schon genug Zeit gewesen.

Ja, Rot und Schwarz sind noch, kann man sagen, in allen neun Bundesländern füh­rend vertreten. Da fragt man sich schon: Warum ist so lange nichts passiert? – Jetzt könnte man natürlich sagen: Gut Ding braucht Weile!, aber eine ständige Vertröstung kann doch wohl wirklich nicht des Rätsels Lösung sein.

In diesem Zusammenhang auch noch eine kurze Bemerkung, zurückkommend zum ers­ten Tagesordnungspunkt, zum Thema Bürokratieabbau: Jeder spricht in diesem Haus immer von Vereinfachung, von Effizienz, von Transparenz. Nun müssen wir uns aber vor Augen halten, dass die Strafprozessordnung allein in diesem Jahr, also in einem Jahr, drei Reformen erlebt hat.

§ 59 StPO etwa wurde mit 1. Jänner 2016 geändert, dann wiederum mit 1. November 2016, und nun sollen wir ihn mit 1. Jänner 2017 wieder novellieren. Bitte, seien wir doch einmal ehrlich: Es versteht doch draußen kein Mensch mehr, dass man in einem einzi­gen Jahr zu ein und derselben Bestimmung drei Novellen machen muss!

Da blickt niemand mehr durch. Da verwundert es auch wirklich nicht, dass die Men­schen das Vertrauen in die Politik verlieren. Da sollten sich die sogenannten selbster­nannten staatstragenden Parteien wirklich einmal fragen, ob es noch staatstragend ist, wenn man immer wieder etwas nachbessern muss.

Von uns gibt es dennoch zu Punkt 1, weil wir inhaltlich damit einverstanden sind, Zu­stimmung, Punkt 2 lehnen wir aus den genannten Gründen ab. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.17


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bit­te, Herr Bundesrat.

 


14.17.43

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Eine kleine Anmerkung zu meinem Vorredner, der uns so­zusagen in einem Atemzug den furchtbaren Stillstand seit Jahrzehnten vorgeworfen hat, sich aber gleichzeitig darüber beschwert hat, dass wir Reformen machen. Das war ein in sich leicht widersprüchlich geführter Schluss seines Referats. (Bundesrat Raml: Drei Reformen in einem Jahr! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Das hat er aber so nicht gesagt, das hat er so nicht gesagt. Er hat ja die Strafprozessrechtsände­rung grundsätzlich gelobt. Also man kann sich nicht hierher stellen und sagen, es wird zu wenig getan, wenn es gleichzeitig auf der anderen Seite nicht passt, dass reformiert wird. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Gesetzgebung, meine Damen und Herren, ist ein steter Prozess; Gesetzgebung, Ge­setzwerdung, aber auch Reform eines Gesetzes, dessen Erneuerung sind ein steter Prozess, der einer guten, würdevollen Diskussion in diesem Haus, in den Sitzungen des


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Justizausschusses und im Justizministerium unterliegt. Wenn etwas Gutes dabei he­rauskommt, dann soll man die Gelegenheit auch beim Schopfe packen.

Zwei Dinge, die in dieser Novelle aus meiner Sicht wesentlich sind, sind folgende: Das eine hat Herr Kollege Raml ja schon ganz gut dargelegt. Es geht um die Kronzeugen­regelung, es geht also um den Anreiz zur Aufklärung von Verbrechen; deren Erfolg ist in der praktischen Bedeutung bisher noch ein wenig überschaubar. Es gab bei dieser ersten Kronzeugenregelung, die wir bisher hatten, wie wir im Ausschuss gehört haben, zwölf Fälle, allerdings Fälle, die eben jenes Gewicht hatten, dass es hilfreich war, ins­besondere Korruption oder andere Dinge aufzuklären. In diesem Punkt ist das an sich eine sehr sinnvolle Regelung, die jetzt nicht nur für den betreffenden präsumtiven Kron­zeugen, sondern auch für den Verteidiger insofern verbessert worden ist, als dass man eine frühere Klärung und eine ordentliche Rechtswegklärung herbeiführt, ob diese Kron­zeugenregelung in Anspruch genommen werden kann oder nicht.

Es ist bei den Verfahren, die wir bisher miterlebt haben, schon eine ziemliche Hänge­partie für den einen oder anderen gewesen, der bis tief in ein Verfahren hinein abwar­ten musste, ob ihm die Kronzeugenregelung dann zuteilwird oder nicht.

In diesem Sinne ist dieser Punkt eine besondere Verbesserung, die ich herausheben möchte. Ich glaube, dass wir durch diese frühe Klärung überhaupt noch vor Einstieg in ein Verfahren, ob ein Anklagehindernis entstehen könnte, etwas sehr Gutes beschlie­ßen.

Der zweite Punkt, den ich noch hervorheben möchte, ist sicherlich ein Akt der Huma­nität, möchte ich sagen, nämlich die Ausweitung der Diversionsmöglichkeiten im Er­wachsenenstrafrecht auch für „Täter“ – unter Anführungszeichen –, die durch ihr Ver­halten einen Todesfall innerhalb der Familie mitzuverantworten haben. Dass in diesen Fällen auch Diversion angeboten werden kann, halte ich grundsätzlich für einen richti­gen Ansatz. Wir alle kennen die Geschichten, dass Mütter unter Umständen Aufsichts­pflichten vernachlässigen, dass Kinder aus dem vierten Stock in die Tiefe stürzen, dass im Aufzug Unfälle passieren, dass sich – passiert etwa auf einem Bahnhof in Linz – ein Kinderwagen selbständig macht und so weiter. Es ist – ich glaube, darüber brauchen wir nicht zu reden – ohnehin die größte Strafe für Eltern, ein Kind zu verlieren, und wenn dann sozusagen hinterher noch Post vom Staatsanwalt kommt, der mitteilt, dass auch das staatliche Strafmonopol in vollem Umfang zur Anwendung gelangt, dann ist das wohl für jeden nachvollziehbar, dass das übertrieben ist. Nunmehr ist also die Mög­lichkeit gegeben, das auch diversionell abzuhandeln.

In diesem Sinn, diese beiden Punkte in gebotener Kürze hervorgehoben, werden wir dieser Gesetzesnovelle zustimmen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bun­desrates Zelina.)

14.21


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Kurz. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


14.21.38

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beziehe mich in meiner Rede auf den ersten Tagesordnungspunkt, der zwei ver­schiedene Gesetze umfasst; den zweiten Punkt wird dann mein Kollege Weber noch zur Sprache bringen. Das heißt, auch ich rede zum Strafprozessrechtsänderungsge­setz. Es ist jetzt inhaltlich von meinen Vorrednern durchaus schon ausgeführt worden, was die wichtigsten Bestandteile dieses Gesetzes sind, nämlich zum einen die Kron­zeugenregelung. Es ist über dieses Gesetz, eigentlich über die Verlängerung dieses Ge­setzes – eigentlich handelt es sich ja um eine Verlängerung –, ziemlich lange verhan-


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delt worden. Es hat ein sehr ausführliches Begutachtungsverfahren gegeben, es hat auch kritische Einwände gegeben, vor allen Dingen auch vom OGH und von den Rechtsanwälten, von der Rechtsanwaltskammer. Es ist dann von einer Expertengrup­pe überarbeitet worden, und einige Dinge, die von der Rechtsanwaltskammer kritisiert worden sind, sind dann auch eingeflossen, etwa die höhere Sicherheit für potenzielle Kronzeugen. Das ist sicher ein sehr umfassender Prozess gewesen, der nur in diesem Sinne positiv zu beurteilen ist.

Wie wir ja schon gehört haben, geht es um den Kronzeugenstatus, und in diesem Zu­sammenhang – besonders betonenswert – um die Freiwilligkeit, die nach wie vor im Mittelpunkt steht. Der potenzielle Kronzeuge muss mit seinem Wissen über kriminelle Handlungen oder Beweisen aktiv an die Staatsanwaltschaft herantreten, und diese Auf­klärung muss das Gewicht der eigenen Tat bei Weitem überschreiten. Ein Freikaufen wird gänzlich ausgeschlossen – auch das kann nur in unserem Sinne sein –, und die betreffende Person darf diese Tat auch nicht wesentlich bestimmt oder ausgeführt ha­ben.

Auch das Faktum, dass die Rechtssicherheit für Kronzeugen erhöht wird und sie früher wissen, ob sie den Status eines Kronzeugen/einer Kronzeugin bekommen, ist schon erwähnt worden. Außerdem gibt es noch eine weitere Rechtssicherheit, indem nämlich Kronzeugen zwei Rechtsmittel erhalten. Sie können Einspruch erheben, wenn die Staats­anwaltschaft diesen Status ablehnt, und sie haben auch noch die Möglichkeit, diesen Status in der Hauptverhandlung zu erlangen.

Aus unserer Sicht ist das ein durchaus sinnvolles Instrument, auch, wie schon erwähnt worden ist, zur Bekämpfung von Korruption. Wir wissen und haben im Ausschuss auch gehört, dass es bislang nur sehr wenige, insgesamt zwölf Fälle in den letzten Jahren gegeben hat, und wir gehen davon aus, dass die Anzahl der Fälle sich nach Inkrafttre­ten dieser Regelung erhöhen wird.

Zwei weitere Dinge, die für uns auch noch wesentlich sind, sind die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Rechtsbeistand und die schon erwähnte Ausweitung des Anwen­dungsbereiches der Diversion. Kollege Fürlinger hat das sehr deutlich und ausführlich dargelegt, worum es da wirklich geht, nämlich um tragische Fälle, die sich in der Fa­milie ereignen, in denen es Strafe genug ist, dass es zu einem Todesfall gekommen ist.

In diesem Sinne befürworten wir diese Neuregelung und stimmen ihr natürlich gerne zu. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

14.24


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Köll. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.25.10

Bundesrat Dr. Andreas Köll (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich jetzt zum zweiten Tagesordnungspunkt äußern; Kollege Mag. Klaus Fürlinger hat namens unserer Frak­tion bereits zum ersten Punkt gesprochen. Ich glaube, dass unser Bundesminister für Justiz eine ausgezeichnete Arbeit in seinem Ressort und auch ressortübergreifend leis­tet und dass das auch im Nationalrat von allen Parlamentsfraktionen entsprechend ge­würdigt worden ist. Die Sache mit der noch fehlenden Krankenversicherung für Insas­sen von Haftanstalten, ausgenommen, sie sind arbeitslosenversichert, so sie arbeiten sollten, ist ein komplexeres Problem, als dies auf den ersten Blick zu sein scheint. Ich glaube, man sollte da auch nicht seitens der Freiheitlichen Partei mit billiger Polemik arbeiten, man sollte nicht die Justizwachebeamten gegen die Insassen von Haftanstal­ten ausspielen, denn ich glaube, dass es keinerlei Qualitätsunterschiede gibt. Ich kann das aus der Praxis sagen, ich bin Obmann eines öffentlichen Krankenhauses mit


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Schwerpunktcharakter; wir haben in Lienz circa 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es geht auch nicht um Zweiklassenmedizin, und es ist auch nicht so, dass es für Häft­linge Bevorzugungen bei der Verteilung oder Zuteilung von Terminen geben würde. Dem ist mit Sicherheit nicht so. Man hat natürlich Sicherheitsaspekte zu berücksich­tigen, man muss Absprachen treffen, es ist also sicherlich mehr zu berücksichtigen, was die Privilegienvorwürfe und auch die Kritik selbst am Herrn Bundesminister, der sich in diesen drei Jahren sehr bemüht hat, nicht rechtfertigt.

Dieser offene, noch ungelöste Punkt im Arbeitsprogramm der österreichischen Bun­desregierung wird noch bis zum Jahre 2018 auf der Agenda sein. Unser Bundesmi­nister – das wird er vielleicht auch noch selbst ausführen – hat auch schon entspre­chende Gespräche mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger geführt. Der­zeit geht es eben noch nicht um diesen berechtigten Wunsch, eine Krankenversiche­rung auch für alle Häftlinge österreichweit einzuführen, sondern es geht in dieser Arti­kel-15a-Vereinbarung, in einem Staatsvertrag nach Artikel 15a B-VG, ausschließlich um eine Kostenaufteilung zwischen Bund und Ländern, und wer einmal an Finanzaus­gleichsverhandlungen teilgenommen hat, der weiß, dass auch das nicht einfach ist.

Man kann hier im Bundesrat die Position der Länder vertreten – wir sind die Länder­kammer – und sagen, die Länder haben angesichts dieser 12 Millionen € ganz gut ver­handelt – der Kostenanteil würde vielleicht 24 Millionen € betragen –, man kann sagen, der Herr Bundesminister hat im Sinne der Republik gut verhandelt, aber Kritik in die­sem Zusammenhang ist nicht angebracht. Es ist auch sachlich verfehlt, dieser Rege­lung, dieser Artikel-15a-Vereinbarung, deswegen nicht zuzustimmen, weil man eben ver­sucht, hier das andere ungelöste Problem einer österreichweit fehlenden Krankenversi­cherung aufzurechnen.

Ich darf namens meiner Fraktion empfehlen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

14.28


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weber. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.29.08

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe den Vorrednern und Vorrednerinnen zugehört und glaube, zusammenfassend sagen zu können, dass es unser gemeinsa­mes Ziel ist, eine Krankenversicherung für Insassen von Justizanstalten zu schaffen. Nach heutigem Stand haben wir das noch nicht erreicht.

Dafür ist jetzt ein Zwischenschritt erforderlich. Die Finanzierung von Versorgungsleis­tungen von Krankenanstalten für Häftlinge beschreibt diese sogenannte Artikel-15a-Ver­einbarung, in der die Mittelaufbringung zwischen dem Bund und den Bundesländern ge­regelt wird, und diese Regelung hat eben seit dem Jahr 2003 Bestand und wurde seit­her kein einziges Mal der Inflation angepasst. Es geht bei der Kostenaufteilung eben auch um ein Mehr an Kostenwahrheit. Wir sind uns darin einig, dass wir noch nicht am Ziel angelangt sind, noch nicht dort sind, wo wir hinwollen, aber ein wichtiger Zwi­schenschritt ist damit geschafft.

Was wir in dieser wichtigen Frage keinesfalls brauchen und tun sollten, ist, dass man die eine Gruppe, nämlich jene der Justizwache, gegen eine andere Gruppe, jene der Häftlinge, auszuspielen versucht. Ich glaube, irgendwo muss doch auch das parteipoli­tische Spiel des gegenseitigen Aufhetzens und des Gegenseitig-Aufspielens eine Gren­ze haben, und ich meine, bei der Gesundheit sollte es jedenfalls: Stopp!, heißen.


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Jeder Mensch in Österreich hat Anspruch auf eine bestmögliche Gesundheitsversor­gung – und verlangt sie auch. Längerfristig geht es eben um die Einbindung in das Sys­tem der Krankenversicherung. Aus gesundheitspolitischer und sozialer Sicht wäre es natürlich wünschenswert, dass alle Mitbürger und Mitbürgerinnen eine Krankenversi­cherung haben, und dabei soll und darf es keinen Unterschied geben.

Derzeit werden Häftlinge als Privatpatienten geführt, und wir wissen, dass das die teu­erste Variante ist. Eine weitere Variante wäre wenn man in die Bundesrepublik schaut – ein eigenes Justizspital. Das wäre eine alternative Idee, aber ob das eine bes­sere Alternative ist, darf stark bezweifelt werden, denn die Kosten für ein eigenes Jus­tizspital werden wahrscheinlich um ein Vielfaches höher sein, wie wir auch ganz deut­lich bei den vier Militärspitälern, die es in Österreich gibt, sehen können. Dazu kommt noch das logistische Problem des Transports erkrankter Häftlinge quer durch ganz Ös­terreich. Vor allem in Akut- beziehungsweise medizinischen Notfällen ist von dieser Al­ternative wahrscheinlich eher abzuraten.

Alles in allem könnte man, glaube ich, sagen, ein wichtiger Zwischenschritt in Richtung Kostenwahrheit, ein Zwischenschritt in Sachen Inflationsanpassung ist geschafft, aber irgendwann am Ende des Tages sollte eine gemeinsame Krankenversicherung für alle Häftlinge Realität sein. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.32


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet ist unser Herr Bundesminister Dr. Brand­stetter. – Bitte, Herr Minister.

 


14.33.03

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates! Ich möchte Ihnen, Herr Prä­sident, vorweg für die sehr treffenden Worte, die Sie am Beginn dieser Sitzung gefun­den haben, danken. Auch ich bin fest davon überzeugt, dass die richtige Antwort auf Terror nur dahin gehend lauten kann, dass man die rechtsstaatlichen Strukturen und Institutionen noch mehr stärkt und sie auch im Bewusstsein ihrer demokratischen Legi­timation entsprechend verteidigt.

Die bereits angesprochene Kronzeugenregelung wird uns helfen, in vielen Bereichen der Kriminalität Fälle aufzuklären, die man ohne dieses Instrument vielleicht nicht auf­klären könnte. In diesem Zusammenhang möchte ich nur festhalten – neben all dem, was schon gesagt und zu Recht hervorgehoben wurde –, dass mich persönlich auch freut, dass es gemeinsam mit unserer wirklich hervorragenden Fachabteilung gelungen ist, etwas zu schaffen, das sicher international führend ist, etwas zu schaffen, wovon wir zu Beginn der Arbeiten daran eigentlich auch gemeint haben, es wird sehr, sehr schwer sein, in dieser so schwierigen und umstrittenen Angelegenheit wie der Kron­zeugenregelung Konsens zu finden. Ich freue mich wirklich, dass es gelungen ist, dass wir diesen Konsens gefunden haben, und wenn man Freude an der eigenen Arbeit hat, wenn etwas gelingt, dann soll man die Freude darüber auch nicht verbergen.

Wir haben Freude mit dieser Kronzeugenregelung. Sie ist, um es kurz zusammenzu­fassen, eine goldene Brücke in die Legalität für Straftäter, aber den ersten Schritt auf die Brücke, den müssen sie selbst machen. Das ist das Wesentliche daran. Diese Kron­zeugenregelung, vor allem auch mit ihrer rechtsstaatlichen Absicherung in beiden Rich­tungen, stellt auch klar, dass der staatliche Strafanspruch keine Ware ist, die man sich auf irgendeine Weise erkaufen könnte. Das sicher nicht! So gesehen ist das eine Re­gelung, für die ich wirklich dankbar bin, dass sie so, wie sie jetzt vor Ihnen liegt, ge­lungen ist, und ich denke, sie wird uns wirklich helfen.

Einige andere Dinge, die von dieser Gesetzesnovellierung ebenfalls betroffen sind, möchte ich zum Teil noch nennen, damit sie nicht untergehen. Es ist im Rahmen der


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Umsetzung der EU-Richtlinie über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand im Strafverfahren schon auch etwas Neuartiges geregelt, nämlich: dass man auch bei Fäl­len im europäischen Ausland Rechtsbeistand haben muss, insbesondere in Haftfällen. Das zeigt schon auch, dass in diesem Bereich Europa mehr und mehr zusammen­wächst, und das ist auch gut so.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass wir gerade im heuri­gen Jahr auch bei der Steigerung der Zahl jener inhaftierten Personen in Österreich, die im Wege der Übernahme der Strafvollstreckung in ihr Heimatland innerhalb der Eu­ropäischen Union überstellt werden konnten, erfolgreich waren. Das ist auch etwas, das absolut Sinn macht. Die Resozialisierung im Heimatstaat macht mehr Sinn, und da ha­ben wir gerade im heurigen Jahr einiges an Erfolgen erzielen können.

Zum Thema Diversion und Ausdehnung der Diversionsmöglichkeit auf jene Fälle, in de­nen jemand, der formal wegen fahrlässiger Tötung verfolgt wird, selbst einen nahen An­gehörigen verloren hat, sind schon alle wichtigen Argumente gesagt worden, diesbezüg­lich braucht es keine weitere Ergänzung von mir.

Ich möchte auch zum zweiten Tagesordnungspunkt, zu dem, was Herr Bundesrat Raml schon thematisiert hat, nämlich zu dieser Artikel-15a-Vereinbarung noch kurz etwas sa­gen. Ich sage Ihnen ganz offen, ich bin froh über diese Artikel-15a-Vereinbarung. Es ist schon richtig, sie ist eine Zwischenlösung, aber sie dient der Kostenwahrheit, und sie macht auch Sinn, weil es somit zu einer Valorisierung jener Beträge kam, die uns von den Ländern refundiert werden.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch Folgendes gesagt haben: Ich habe in meinem Ressort, in meinem Tätigkeitsbereich, mit den Ländern überhaupt keine Probleme, sie sind überall kooperativ. Dort, wo wir sie brauchen, dort, wo wir die Zusammenarbeit mit den Ländern brauchen, dort funktioniert sie auch. Das ist, glaube ich, auch einmal et­was, das man festhalten muss.

Diese Artikel-15a-Vereinbarung ist, wenn man so will, die zweitbeste Lösung, aber ich freue mich, zu hören, dass wir alle derselben Meinung sind. Die beste Lösung wäre na­türlich eine gesetzliche Krankenversicherung für Strafhäftlinge unter Ausschluss der Mit­versicherung der Angehörigen. Das ist ganz klar, lässt sich auch machen.

Ich habe erst heute durch Zufall erfahren, wer der Erste war, der das im Parlament vor vielen, vielen Jahren gefordert hat. Manche von Ihnen werden es vielleicht noch in Er­innerung haben, es war lange, lange, lange vor meiner Zeit. Es war Herr Abgeordneter Dr. Michael Graff, seinerzeit Justizsprecher der ÖVP, der das gefordert hat, damals schon zu Recht gefordert hat. Bis heute haben wir keine derartige Regelung. Ich bin jetzt nur für die letzten drei Jahre verantwortlich, sage Ihnen aber gerne und ganz of­fen, was ich in dieser Zeit bei dieser Thematik erlebt habe:

Ich habe sehr früh erste Gespräche mit dem damaligen Präsidenten des Hauptverban­des der Sozialversicherungsträger – das ist nämlich der primäre Ansprechpartner – ge­führt, und das war ein gewisser Dr. Hans Jörg Schelling, der mir dann in dieser Funk­tion abhandengekommen ist; jetzt ist er Finanzminister. Dann kam der nächste Präsi­dent des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, mit dem ich sofort wieder Kon­takt aufgenommen habe, und der ist mir wieder abhandengekommen; er wurde Gene­ralsekretär der ÖVP. Und jetzt, erst vor wenigen Wochen, habe ich einen Gesprächs­termin mit der jetzigen Präsidentin gehabt, die diesem Gedanken auch sehr positiv ge­genübersteht. Es werden noch Finanzierungsfragen zu klären sein, aber ich glaube, nicht zuletzt aufgrund dessen, was Sie jetzt alle gesagt haben, dass es gelingen könn­te, im kommenden Arbeitsjahr auch dieses Problem noch abzuhaken und dieses seit vielen, vielen Jahren ungelöste Problem auch einer sinnvollen Lösung zuzuführen. Ich würde mich darüber freuen.


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Ich kann sicher sein, dass Sie mich dabei unterstützen werden – das freut mich, das motiviert mich, und so gesehen freue ich mich darauf, dass wir in hoffentlich nicht allzu ferner Zeit die gesetzliche Krankenversicherung für Häftlinge hier in diesem Rahmen auch noch werden beschließen können. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen so­wie des Bundesrates Zelina.)

14.39

14.39.24

 


Präsident Mario Lindner: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezem­ber 2016 betreffend ein Strafprozessrechtsänderungsgesetz II 2016.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. De­zember 2016 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz über die Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungs­leistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.41.023. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Ausbildungs- und Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwäl­te und Rechtsanwaltsanwärter, das EIRAG, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2016 – BRÄG 2016) (1346 d.B. und 1404 d.B. sowie 9672/BR d.B. und 9709/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Reichs­haftpflichtgesetz, das Rohrleitungsgesetz und das Verkehrsopfer­Entschädigungs­gesetz geändert werden (Mindestversicherungssummen­Valorisierungsgesetz 2016 – MinVersValG 2016) (1341 d.B. und 1405 d.B. sowie 9710/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem zur Verbesserung der Nachhaltigkeits- und Diversitätsberichterstat-


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tung das Unternehmensgesetzbuch, das Aktiengesetz und das GmbH-Gesetz ge­ändert werden (Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz, NaDiVeG) (1355 d.B. und 1406 d.B. sowie 9711/BR d.B.)

 


Präsident Mario Lindner: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 bis 5 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Anderl. – Ich bitte um die Be­richte.

 


14.42.08

Berichterstatterin Renate Anderl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechts­anwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Ausbildungs- und Berufsprüfungs-Anrech­nungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EIRAG, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und das Sach­verständigen- und Dolmetschergesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Des Weiteren erstatte ich den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Eisenbahn- und Kraftfahrzeug­haftpflichtgesetz, das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Reichshaftpflichtgesetz, das Rohrleitungsgesetz und das Verkehrsopfer­Entschädigungsgesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Ferner erstatte ich den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Verbes­serung der Nachhaltigkeits- und Diversitätsberichterstattung das Unternehmensgesetz­buch, das Aktiengesetz und das GmbH-Gesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mario Lindner: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Herbert. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.45.00

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Da in dieser Debatte drei Gesetze unter einem verhandelt werden, darf ich zu jedem einzelnen meine Ausführungen vortragen.

Zum einen behandeln wir das Berufsrechts-Änderungsgesetz. Es geht darin um die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung. An und


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für sich ist das eine gute Sache, der wir unsere Zustimmung auch nicht verweigern wollen, wenngleich ich aber schon anführen darf, dass damit auch – und das ist im Ausschuss auch vom Kollegen Fürlinger sehr ausführlich dargelegt worden – ein gro­ßer administrativer Aufwand für Rechtsanwälte und Notare einhergeht. Es wurde auch der Verdacht geäußert, dass man in dieser Berufsgruppe aufgrund der rechtlichen Aus­übungslage zukünftig ein bisschen als Spion für den Staat im Sinne der finanziellen Gebarung tätig sein könnte und damit ein gewisser Konflikt mit dem Standesverhalten beziehungsweise der Verschwiegenheitspflicht und dergleichen entstehen könnte.

Ich denke, es wird wohl an der Art und Weise liegen, wie das Gesetz praktiziert wird, ob diese Befürchtungen tatsächlich berechtigt sind oder nicht. Jedenfalls sollten wir ge­rade unter dem Aspekt der aktuellen Ereignisse nichts unversucht lassen, um Terroris­mus in jeglicher Form, also auch auf diesem Wege, nachhaltig zu bekämpfen.

Das zweite Gesetz, dem wir uns in dieser Debatte widmen, ist das Mindestversiche­rungssummen­Valorisierungsgesetz. Das ist ein Gesetz, bei dem man sich aufgrund von EU-Richtlinien zum Ziel gesetzt hat, die Versicherungssummen unter Beibehaltung der gebotenen Relationen auf EU-Standard zu setzen. Im Ausschuss wurden von mir Bedenken dahin gehend geäußert, dass es möglicherweise so sein könnte, dass die Erhöhungen, die damit einhergehen, auch an die Konsumenten weitergegeben wer­den. Dazu wurde mir vom Vertreter des Ministeriums mitgeteilt, dass dem nicht so sei, weil bei den vorangegangenen Valorisierungsvorgängen eine entsprechende Weiterga­be von finanziellen Belastungen an den Konsumenten nicht registriert wurde.

Ich gehe davon aus, dass dem so ist, und sehe daher keinen Grund, nicht auch diesem Gesetz zuzustimmen, sage aber gleich dazu: Sollte das von uns Befürchtete tatsäch­lich irgendwann einmal eintreten, werden wir Freiheitliche dagegen rechtliche Schritte ergreifen, weil es ja nicht sein kann, dass aufgrund gehorsamer Erfüllung der EU-Re­geln, denen wir uns unterworfen haben, die Konsumenten Nachteile hinnehmen müs­sen.

Jetzt komme ich zum dritten Gesetz, das zur Debatte steht, dem Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz. Das ist für mich besonders interessant, weil ich es für ein tiefgreifendes Gesetz halte, denn ich erkenne eindeutige Nachteile, die durch die­ses Gesetz entstehen könnten. Es steht zwar grundsätzlich der Gedanke dahinter, dass durch die Offenlegung im Zusammenhang mit Berichtspflichten börsenotierter Un­ternehmen, die im öffentlichen Interesse stehen, das Vertrauen der Investoren und der Verbraucher erreicht werden soll, aber wenn man sich anschaut, was das faktisch für diese Unternehmen bedeutet, aber nicht nur für diese Unternehmen, sondern auch für Firmen, die mit diesen Unternehmen in einem Wirtschaftsverhältnis stehen, dann er­kennt man die Nachteile, die damit verbunden sind. Denn: Es werden diese Firmen verpflichtet, Daten, die mit den eigentlichen Zielsetzungen und Erwerbsabsichten des Unternehmens gar nichts zu tun haben, beizubringen, und zwar Daten über Alter, Be­rufshintergrund, Berufsausbildung von Leitungs- und Aufsichtsorganen, Umweltbelan­ge, Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange. Es werden also damit heimische Firmen, hei­mische Unternehmen mit administrativem Aufwand belastet, ohne dass ihnen das ei­nen Mehrwert bringt. Das hat aus reinen Informationspflichtgründen heraus zu ge­schehen.

Da stellt sich für mich schon die Frage: Ist es in einer wettbewerbsorientierten Wirt­schaft in einer Zeit, in der der Spielraum ohnedies immer enger wird, zulässig, dass man das diesen Firmen aufbürdet?

In diesem Zusammenhang darf ich jetzt auch ein paar kritische Worte an die ÖVP und an Sie, Frau Präsidentin Zwazl, richten: Wir haben in der Vergangenheit schon bei ei­nigen Gesetzen erlebt, dass den Firmen, den Unternehmen in Österreich große Mehr­belastungen auferlegt worden sind. Ich darf da etwa an die Allergenverordnung, an das


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Rauchverbot in den Gaststätten und Gasthäusern (Bundesrätin Kurz: Das dient alles der Gesundheit!) und auch an die Registrierkassenpflicht erinnern. Und jetzt haben wir hier wieder eine Gesetzesänderung vorliegen, durch die Unternehmen, durch die Be­triebe verpflichtet werden, einen Verwaltungsaufwand, der nicht in ihrem Interesse liegt und der ihnen auch keinerlei Nutzen bringt, auf sich zu nehmen und die damit ver­bundenen Aufgaben mit ihren geschäftlichen Ressourcen zu erledigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das seitens dieser Unternehmen großen Beifall hervorruft. Ich er­kenne in dieser Gesetzesänderung keinen Mehrwert in wirtschaftlicher Hinsicht, und daher muss ich Ihnen leider mitteilen, dass wir dieser Gesetzesänderung unsere Zu­stimmung verweigern werden. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Sinne mein Appell: Bitte beenden Sie diese fast wirtschaftsschädliche Vor­gangsweise dieser Bundesregierung (Bundesrätin Mühlwerth: Wirtschaftspartei!) – Wirt­schaftspartei; Frau Klubobfrau, ein richtiger Einwand! –, damit die Firmen und die Un­ternehmen endlich das machen können, was sie sich in ihrem ureigensten Sinne zum Auftrag gemacht haben, nämlich die Wirtschaft voranzutreiben. Das ist das, was Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, immer verlangen, wovon Sie aber mit diesen gesetzlichen Vorgaben meilenweit entfernt sind. Eigentlich sollten wir genau das Ge­genteil davon beschließen, wenn wir das machen, wovon Sie von der ÖVP immer reden.

Wenn das das Konzept ist, bei dem Sie von der ÖVP sagen, Sie müssen sich gegen­über den politischen Mitbewerbern abgrenzen, dann sage ich: Gute Nacht, ÖVP! – Dan­ke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.52


Präsident Mario Lindner: Ich begrüße ganz herzlich die Schülerinnen und Schüler der Neuen Mittelschule St. Anna am Aigen. Herzlich willkommen im österreichischen Bun­desrat! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte, Herr Bun­desrat.

 


14.52.55

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Selbstverständlich bekenne ich mich beziehungsweise be­kennt sich der Stand der Rechtsanwälte und auch der Notare dazu, dass wir alles tun müssen, um Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche hintanzuhalten. Ich halte aber auch im Sinne meines Vorredners hier fest, dass diesem Stand doch nicht wenige Auf­gaben zugeteilt werden, die schon ein bisschen quasistaatliche Aufgaben sind. Denn: Wenn ich das alles – und ich habe das schon im Ausschuss gesagt –, gepaart mit ei­nem Kontenregister und mit BWG-Bestimmungen über die politisch exponierten Perso­nen, zusammenmixe, dann muss ich sagen, da kommt eine Anforderung auf die Rechts­anwälte und Notare zu, die einen hohen – ich sage das klar: einen hohen! – bürokrati­schen Aufwand darstellt, zusätzlich zu dem, den wir ohnehin jetzt schon haben.

Ich will es auch ein bisschen historisch verdeutlichen: Vor 20 Jahren hat sich noch kein Mensch über das Thema Treuhandschaft Gedanken gemacht, damals war das nicht notwendig. Irgendwann einmal büßt, wie das so ist, eine Berufsgruppe, ein Stand für ein schwarzes Schaf. Damals gab es, glaube ich, 3 000 Anwälte, und einer hat ge­meint, dass die Klientengelder auch anderen Zwecken dienen könnten als der Weiter­gabe an die wahrhaft Berechtigten. Dann hat man begonnen – und das hat beim No­tariat ebenso wie bei der Rechtsanwaltschaft begonnen –, sich selbst Berufspflichten aufzuerlegen, nämlich dass jene Treuhandkonten aufgemacht werden, auf denen Kauf­preise zwischengeparkt werden.

Dieser freiwilligen Verpflichtung hat sich letztlich auch der Staat mehr oder weniger bedient, indem er diesem Stand zusätzliche Aufgaben auferlegte. Am Anfang war das


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ein kleiner Passus im Vertrag. Heute müssen die Rechtsanwälte und Notare, wenn sie einen Vertrag schreiben – und da gibt es noch eigene Zusatzverträge –, drei Seiten da­rüber schreiben, was alles sie mit dem Treuhandbetrag tun dürfen und nicht tun dürfen. Jedes Jahr ist ein Formular dazugekommen. Die Problematik ist letztlich die – ich sage das ganz klar –: Es ist schwierig, das zu tun, denn es ist ein hoher zeitlicher Aufwand damit verbunden, und zwar auch einer, den die Notare und Rechtsanwälte an ihre Kun­den und Klienten mit Sicherheit nicht in diesem Ausmaß weitergeben können, weil das sonst ausufern würde.

Das Ziel ist klar, es ist gut, aber ich sage dazu: In der Umsetzung ist dieses Gesetz schwierig. Es war für mich im Ausschuss schon ein bisschen ein Trost, als ich hörte, dass gerade im Zusammenhang mit dem Kontenregister möglicherweise über Verord­nungen noch ein paar Klarstellungen kommen werden, sodass wir Notare und Rechts­anwälte nicht bei einem Kaufvertrag, der uns vielleicht insgesamt fünf bis zehn Stun­den Arbeit kostet, dann 15 bis 20 Arbeitsstunden haben, weil wir auch noch nach­schauen müssen, woher das Geld kommt, wer es eingezahlt hat und ob irgendein Ver­dacht der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung besteht.

Es sind einige weiche Gesetzesbegriffe drinnen, die Gott sei Dank noch einer Inter­pretation bedürfen. Ich richte in diesem Zusammenhang das Signal an jene von uns, die in Brüssel tätig sind, versehen mit einer Fußnote: Ja, wir stimmen diesem Gesetz zu!, aber die Fußnote dabei ist: Es wäre jetzt an und für sich genug! Also mehr an Formularausfüllen, an Aufsichtspflichten – an teilweise auch staatlichen Aufsichts­pflichten! – sollten Freiberufler, sollten Notare und Rechtsanwälte nicht mehr überneh­men müssen.

Ich freue mich besonders über einen Teil der Änderung der Berufsordnung – da haben wir, gerade was Frauen betrifft, durchaus Aufholbedarf gehabt –, nämlich über die Ab­sicherung von Kolleginnen, die in Mutterschutz gehen. Das war bis zuletzt eigentlich ein Grund, die Berufsberechtigung ruhen zu lassen und aus dem Stand des Anwaltes auszuscheiden. Das ist eine Sache, die so aus unserer Sicht nicht sein darf. Das ist jetzt endlich angegangen worden. Es war höchste Zeit, die Anrechnung der Kinderer­ziehungszeiten und den Mutterschutz für Rechtsanwaltskolleginnen einzuführen. Dafür bestand aus meiner Sicht höchste Notwendigkeit. Es hat niemand verstanden, dass es bis jetzt der Fall war, dass hoch qualifizierte Kolleginnen aus dem Stand ausgeschie­den und nach dem Mutterschutz irgendwo anders tätig gewesen sind. Das war sicher auch ein Braindrain für den Stand.

Fast würde ich schon sagen, wenn du, Kollege Werner Herbert, nicht ganz übertrieben hättest, dann hätte ich zum Thema NaDiVeG schon ansatzweise das unterschrieben, was du gesagt hast: Oh Schreck, oh Schreck, das NaDiVeG! – Als ich das gelesen ha­be, habe ich mir gedacht, das ist wirklich etwas Schönes, das trägt zur Transparenz bei, schöne weiche Themen, aber nicht alles, was eine gute Idee ist, müsste immer gleich eine Richtlinie oder ein Gesetz werden.

Es ist dem Justizministerium ausdrücklich der Dank dafür auszusprechen, dass diese EU-Richtlinie im notwendigen Ausmaß umgesetzt worden ist, aber auch in dieser Hin­sicht glaube ich, dass wir als beschlussfassende Kammer gelegentlich unseren Damen und Herren, die in Brüssel tätig sind, einmal Folgendes mitgeben könnten: Nicht jede gute Idee muss eine Richtlinie werden, die wir dann umsetzen müssen! Vielleicht kann man gute Ideen auch anders formulieren!

Wir müssen ein wenig aufpassen, dass wir nicht jeden Sonntag eine Rede halten, in der wir zu Deregulierung und Entbürokratisierung aufrufen, und am Montag hier herin­nen das Gegenteil davon tun. Das ist für uns eine Frage der Glaubwürdigkeit der Poli­tik.


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Im Sinne der Qualität der Umsetzung stimmen wir diesem Gesetz zu, aber es gilt hier das Gleiche wie für das andere, nämlich die Fußnote: Es ist langsam, aber sicher ge­nug! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.58


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin
Mag. Dr. Dziedzic. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


14.59.03

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Werter Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Auch wenn wir diese drei Punkte hier unter einem verhandeln, haben wir Grüne unterschiedliche Einschätzungen zu den je­weiligen Punkten.

Was das Berufsrechts-Änderungsgesetz anlangt, ist es so, dass wir im Nationalrat im Ausschuss zugestimmt haben. Dann gab es aber in letzter Minute einen Abänderungs­antrag, der aus unserer Sicht eine Verschlechterung insofern vorsieht, als dass Land­tagsabgeordnete aufgrund dieses Abänderungsantrages nicht mehr zu den politisch ex­ponierten Personen gezählt werden.

Gestern im Bundesratsausschuss wurde ich von Kollegen Fürlinger schon darauf auf­merksam gemacht, dass es ja ein großer bürokratischer Aufwand ist und deswegen diese Ausnahme der Landtagsabgeordneten grundsätzlich etwas Positives sei. Wir se­hen das ganz anders, weil für uns nämlich Parlamentsmitglieder in der Regel auch Mit­glieder gesetzgebender Körperschaften sind und somit hier mitzurechnen wären. Das heißt, bei diesem Punkt gibt es deshalb unsere Skepsis.

Dem Mindestversicherungssummen-Valorisierungsgesetz dagegen werden wir zustim­men, aber auch beim Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz sind wir kritisch. Grundsätzlich ist ja eine Berichterstattung zu begrüßen, und es ist auf jeden Fall ein richtiger Schritt in eine Richtung der stärkeren Berücksichtigung von Gemein­wohlinteressen im Rahmen des wirtschaftlichen Handels. Allerdings schreibt diese Richt­linie – aber auch die österreichische Richtlinienumsetzung – kein hinreichendes Reporting vor. Das heißt, es bleibt sozusagen ein Informationsabgleich, bei dem der Wirtschafts­prüfer oder die Wirtschaftsprüferin lediglich feststellen kann oder muss, dass dieser Be­richt vorliegt, ohne dass auf irgendwelche Kriterien eingegangen werden muss.

Was heißt das konkret? – Das haben wir in einem Abänderungsantrag im Nationalrat zu formulieren versucht. Es bräuchte eine Berücksichtigung der Ganzheitlichkeit, der Messbarkeit, der Vergleichbarkeit, der Verständlichkeit, der Verbindlichkeit, aber natür­lich auch der Überprüfbarkeit. Solange es diesen Rahmen nicht gibt, ist es für die in­teressierte Öffentlichkeit sehr schwer, hier überhaupt einen Vergleich ziehen zu kön­nen. Im Gegenteil, es besteht sogar die Gefahr, dass es von diversen Unterneh­men als eine Art Marketingtool verwendet wird, um sich sozusagen ein wenig selbst zu be­werben. Aber als Kontrollinstrument ist es ohne diese Kriterien unserer Meinung nach einfach nicht ausreichend. Deswegen erfolgt hier unsere Ablehnung. – Danke schön. (Bei­fall bei den Grünen.)

15.02


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Kurz. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


15.02.32

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Wir haben jetzt schon einiges über alle drei Gesetze gehört. Ich möchte vorausschicken, dass wir von der SPÖ natürlich allen drei Gesetzen zustimmen werden, wenngleich wir bei dem


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einen oder anderen Gesetz vielleicht einen anderen Zugang oder auch einen anderen Blickwinkel haben als mein Kollege von der ÖVP, der natürlich als Anwalt auch ein Be­troffener von den meisten dieser Gesetze ist.

Wir haben schon gehört, dass mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz nicht nur die 4. EU-Geldwäsche-Richtlinie umgesetzt wird, sondern dass dabei auch auf die Emp­fehlungen der Financial Action Task Force eingegangen wurde und somit jetzt wirklich die besondere Sorgfaltspflicht von Rechtsanwälten und Notaren bei Geschäften, die potenziell für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung missbraucht werden können, geregelt wird. Es legt auch diesmal fest, wann eine Verdachtsmeldung an die Geld­wäschemeldestelle, die im Innenministerium angesiedelt ist, erstattet werden muss.

Es sind ja Rechtsanwälte und Notare schon seit 2003 verpflichtet, Verdachtsfälle in Sa­chen Geldwäsche zu melden. Jetzt, in dieser neuen Version, geht es erstmals darum, diese besonders risikoträchtigen Geschäfte, die eine erhöhte Aufmerksamkeit erfor­dern, nämlich solche von politisch exponierten Personen in hochstehenden Positionen wie zum Beispiel Staatschefs, Regierungschefs und -mitgliedern, Höchstrichtern, Offi­zieren, leitenden Angestellten staatsnaher Unternehmen, und deren Angehörigen je­weils miteingeschlossen, zu betrachten.

Ob jetzt die Landtagsabgeordneten auch dieser Gruppe angehören oder nicht, scheint mir, ehrlich gesagt, nicht von so hoher Relevanz zu sein, denn es geht ja um risiko­trächtige Geschäfte, die eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordern, es geht um Geldge­schäfte in größerem Ausmaß von politisch exponierten Personen. Seien wir ehrlich: Wir als Bundesrätinnen und Bundesräte sind ja Betroffene. Also ich weiß nicht, wie viele von uns jetzt große Geldsummen bewegen und so die Aufmerksamkeit von Rechts­anwälten oder Notaren erregen, sodass sie Verdachtsfälle melden. Mir scheint das jetzt nicht so eine riesige Anzahl zu sein.

Es ist bei Persönlichkeiten besonders zu prüfen, ob es eben einen Zusammenhang zwi­schen Geldwäsche und Terrorfinanzierung gibt. Es geht um Geschäfte, nicht um Per­sönlichkeiten – nicht ich als Person werde untersucht, sondern mein Geschäft, das ein großes Ausmaß haben muss, ob ich mit diesem Geschäft dazu beitrage, Terrorismus zu finanzieren. Wenn so ein Verdacht besteht, dann muss er an das Bundeskriminal­amt gemeldet werden. Ich denke, das ist gut und richtig, und bei allem Verständnis für Bürokratiereduktion scheint mir, ganz ehrlich gesagt, der Aufwand, den die Rechtsan­wälte und Notare dabei betreiben müssen, gerechtfertigt, wenn man damit irgendwie Terrorismusfinanzierung verhindern kann.

Klar ist allerdings, dass diese Auskunftspflicht auch eine Grenze haben muss, vor allen Dingen bei Rechtsanwälten, nämlich dort, wo berufliche Verschwiegenheitspflicht be­ginnt. In dem Moment, in dem eine wirklich rechtliche Beratung oder eine Vertretung vor Gericht einsetzt, hat natürlich das die höhere Priorität. Allerdings – und das scheint mir wohl klar – darf sich ein Rechtsanwalt, ein Notar oder ein Richter dann nicht an ir­gendwelchen strafbaren Handlungen beteiligen. – Das war dieses Gesetz.

Das Mindestversicherungssummen-Valorisierungsgesetz – ein etwas schwieriger Aus­druck – ist mit Sicherheit gut und gerechtfertigt. Es geht darum, die Mindestversiche­rungssummen zu erhöhen. In Österreich gibt es derzeit mehr als 6,6 Millionen Kraft­fahrzeuge, jedes dieser Kraftfahrzeuge kann irgendwann in einen kleineren oder grö­ßeren Unfall verwickelt werden. Im Jahr 2015 hat es über 37 960 Unfälle mit Personen­schaden gegeben, jene mit Sachschaden weiß ich jetzt gar nicht genau. Nicht immer ist der entstandene Sachschaden durch die Versicherung gedeckt. Das heißt, dem Be­teiligten bleibt Geld offen, das er – wie auch immer – irgendwie selber aufbringen oder vom Gegner einfordern muss. Ich denke, es ist wirklich höchst an der Zeit, dass diese Summen erhöht werden. Sie könnten noch höher sein, aber es ist einmal ein Schritt in die richtige Richtung.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 27

Letzter Punkt: Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz. Im Gegensatz zu den Freiheitlichen bin ich der Meinung, dass es höchst notwendig ist, diese Richtlinie umzusetzen. Ich glaube, es ist eine im Sinne der ökologischen, ethischen und sozialen Belange angehende Auskunftspflicht von großen Unternehmen. Wir sprechen da von Unternehmungen, die über 500 Millionen € Jahresumsatz haben, da kann es nicht mehr nur um Freiwilligkeit gehen. Kritiker haben im Zusammenhang mit dem, was bis­her berichtet worden ist, auch von Greenwashing gesprochen: Die Unternehmen ha­ben halt das berichtet, was sie berichten wollten; und was sie nicht berichten wollten, haben sie nicht berichtet.

Ich denke, es ist wohl im Sinne von Transparenz und Durchschaubarkeit, dass darge­stellt werden muss, wie ein so großes Unternehmen mit ökologischen Fragen, mit Fra­gen des Umweltmanagements umgeht – dazu gehört zum Beispiel so etwas wie der ökologische Fußabdruck oder die Vermeidung von Treibhausgasen, oder Energieef­fizienz – oder auch mit sozialen und mitarbeiterbezogenen Aktivitäten. Da geht es zum Beispiel auch um Angaben zu Diversität oder zum Frauenanteil. Wir alle wissen, dass in den Chefetagen der 200 größten, umsatzstärksten Unternehmen in Österreich der Frauenanteil nicht einmal 6 Prozent beträgt. Es geht also auch um Erhöhung und Trans­parenz dieser Dinge. Es geht um Achtung der Menschenrechte und natürlich auch wie­der um Korruptionsbekämpfung.

Natürlich sind auch Zulieferer betroffen. Aber es ist klar: Wenn jemand ein Zulieferer für so ein Unternehmen ist, dann muss er sich denselben Regeln unterwerfen, und ich denke, es lohnt mit Sicherheit diesen Aufwand. Es entstehen Zusatzkosten, aber es entstehen natürlich auch Vorteile. Man darf nicht vergessen, dass diese Unternehmen diese Berichterstattung ja auch zum eigenen Vorteil nutzen können. Es schafft einfach mehr Transparenz zu diesen Themen. Kundinnen und Kunden sehen ja auch, wie die Unternehmenskultur eines solchen Unternehmens ist. Wenn ich mich all diesen Dingen verpflichtet fühle, lege ich schon Wert darauf, mit einem Unternehmen zusammenzuar­beiten, das sich denselben Dingen verpflichtet fühlt, die ich in meinem Leben als wich­tig erachte. Insofern können wir gemeinsam auch einen Beitrag zur nachhaltigen Ent­wicklung von Wirtschaft und Gesellschaft leisten.

Bisher war das ja nicht wirklich in großem Ausmaß vorhanden. Im Gegenteil, es ist so­gar ein bisschen zurückgegangen: Von den 19 Unternehmen, die zu mehr als 50 Pro­zent im öffentlichen Besitz sind und mehr als 500 Millionen € Jahresumsatz haben, haben 2015 nur 32 Prozent einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt, im Jahr davor waren es noch 47 Prozent. Ich denke, es bedarf einfach solcher Regelungen, man kann da nicht auf Freiwilligkeit warten. Von den Top 100 Unternehmen gibt derzeit nur jedes vierte Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht ab.

Bei aller Kritik dahin gehend, dass nicht zu viele Regelungen von der EU kommen sollten, gibt es doch Regelungen, die notwendig sind, und diese halte ich für eine sol­che. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.10


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Brandstetter. – Bitte, Herr Minister.

 


15.10.57

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Wie Sie wissen, schätze ich den Bundesrat sehr als Forum des Dialogs. Gestatten Sie mir deshalb einige wenige Bemerkungen zu diesen drei Beschlusspunkten, von denen zwei insofern interessant sind, als sie doch den Blick auf tiefgreifendere Veränderungen in der Gesellschaft in den letzten Jahr­zehnten eröffnen!


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 28

Ich meine damit vor allem den ersten Punkt, die Änderung der berufsrechtlichen Re­gelungen im Sinne der Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung der Geldwäsche, die natürlich einen gewissen Aufwand für die Rechtsanwälte und die Notare verursachen wird. In diesem Zusammenhang sollten wir uns aber daran erinnern, dass erst heute wieder der Innenminister mit Recht gesagt hat, dass wir auch für eine effektive Be­kämpfung des Terrorismus die Mitwirkung der Bevölkerung brauchen. Wir müssen vom Wegschauen zum Hinschauen kommen. Wir brauchen da jeden Einzelnen, der muss mithelfen.

Genauso brauchen wir zur Bekämpfung der Geldwäsche schon seit jeher etwa die Mithilfe der Banken – Sie wissen, was alles in diesem Sinne im Bankwesengesetz ge­regelt ist –, und wir brauchen natürlich auch die Mithilfe jener Berufsgruppen, die hier typischerweise mit solchen Verdachtsfällen konfrontiert sein könnten. Das ist einfach eine Notwendigkeit, und natürlich muss man sich bemühen – und das haben wir auch getan –, die Umsetzung möglichst schlank zu halten. Grundsätzlich ist eine effektive Be­kämpfung dieser unerwünschten Vorkommnisse und auch durchaus kriminellen Aktivi­täten aber nur durch Mithilfe dieser Personenkreise möglich.

Die Valorisierung der Mindesthaftpflichtversicherungssumme ist eine Notwendigkeit. Die Versicherungsdeckung muss einfach sichergestellt werden, auch mit einer entsprechen­den Valorisierung. Ich glaube, darüber braucht man keine Worte zu verlieren.

Interessant ist aus meiner Sicht aber auch der dritte Punkt. Dazu wurde sehr vieles gesagt, was mich sehr, sehr beeindruckt hat. Eigentlich sind wir uns ja alle darüber einig – auch ich sehe das so –, dass es bei einem großen Unternehmen nicht nur um die rein ökonomischen Daten gehen sollte, sondern auch um ökologische Daten, auch um das, was hier schon Gemeinwohlinteresse genannt wurde. Ja, auch ich habe Ver­ständnis dafür, dass man Produkte eines Unternehmens, bei denen man davon ausge­hen muss, dass sie etwa aus Ländern, die von Kinderarbeit profitieren, importiert wur­den, sicherlich nicht sehr gern kaufen wird. Auch ich möchte gerne wissen, welche Produkte unter Missachtung jeglicher ökologischer Standards erzeugt wurden. Ja, das macht schon Sinn.

Die Grundfrage ist aber nur, wie ich das zu verwirklichen versuche: Auf freiwilliger Basis, wie das etwa die CSR-Bewegung tut, Corporate Social Responsibility, von der ich sehr viel halte? Es ist ja Gott sei Dank ein Wettbewerbsvorteil, wenn man als Un­ternehmen darauf verweisen kann, dass man auch ökologisch und im Interesse des Ge­meinwohls die entsprechenden Werte hochhält. Oder versucht man, es zwangsweise von oben zu verordnen? Das scheint mir das wirkliche Problem zu sein.

Vom Herrn Bundesrat Herbert ist schon zu Recht gesagt worden, dass die Unterneh­men unter Bürokratie leiden. Das stimmt! Nebenbei bemerkt: Nicht nur die Unterneh­men leiden unter Bürokratie, auch die Minister, ich zumindest, wir alle leiden unter Bü­rokratie. (Allgemeine Heiterkeit.) Das ist schon richtig, aber man darf eines nicht ver­gessen: Hier geht es um Unternehmen, insgesamt circa 125 in Österreich, die im Schnitt mehr als 500 Mitarbeiter haben. Es geht also wirklich um große Unternehmen, und in­sofern muss man schon auch differenzieren. Ich habe den Eindruck, dass gerade die kleineren Unternehmen besonders unter Bürokratie leiden.

Wir waren uns dieser Problematik bewusst. Das ist eine wirklich sehr schlanke Richt­linienumsetzung und nicht mehr. Grundsätzlich ist die Idee, die dahintersteckt, aber schon eine, die unterstützungswürdig ist, obwohl mir auch der Satz des Herrn Bun­desrates Fürlinger gefallen hat. Kollege Fürlinger hat gemeint, dass nicht jede gute Idee eine Richtlinie werden muss. – Ich kenne Leute, die drehen den Satz auch um: Nicht jede Richtlinie muss eine gute Idee sein.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 29

Ich bin mir der Problematik bewusst. Wir versuchen wirklich, bei der Umsetzung der Richtlinien sehr vorsichtig und schlank und sparsam zu sein, aber so gesehen ist diese Umsetzung wirklich etwas, was man unterstützen kann.

Zu einem Punkt wollte ich noch eine Bemerkung machen: Frau Bundesrätin Kurz hat sehr vieles gesagt, dem ich mich anschließen will, nur in einem Punkt muss ich Ihnen, Frau Bundesrätin, da eigentlich leicht widersprechen. Sie haben gemeint: Wir Bun­desräte bewegen ja keine großen Geldsummen. – Ich muss Ihnen ganz offen sagen, heute haben Sie mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung, die Sie freigegeben haben, eine große Geldsumme bewegt. (Bundesrätin Kurz: Ist das ein Verdachtsfall?) Damit be­wegen Sie in den nächsten fünf Jahren 21 Millionen € in Richtung Bundesministerium für Justiz, und ich kann Ihnen bescheinigen: Das ist völlig unbedenklich. – Danke. (Bei­fall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Allgemeine Heiterkeit.)

15.15

15.16.03

 


Präsident Mario Lindner: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezem­ber 2016 betreffend ein Berufsrechts-Änderungsgesetz 2016.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Mindestversicherungssummen-Valorisierungsge­setz 2016.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bedanke mich im Namen des österreichischen Bundesrates ganz herzlich für die Zusammenarbeit. Frohe Weihnachten und alles Gute für 2017! (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße ganz herzlich unseren Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Kon­sumentenschutz Alois Stöger. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

15.18.026. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wer­den sowie ein Alterssicherungskommissions-Gesetz erlassen wird (Sozialversi­cherungs-Änderungsgesetz 2016 – SVÄG 2016) (1330 d.B., 1859/A, 1303/A und 1429 d.B. sowie 9674/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 30

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wer­den (1349 d.B. und 1430 d.B. sowie 9675/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (1431 d.B. sowie 9676/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz und das Verbrechensopfergesetz geändert werden (1432 d.B. sowie 9677/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert werden (1354 d.B. und 1439 d.B. sowie 9678/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Heeresentschä­digungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Bundesgesetz über die Gewäh­rung einer Bundeszuwendung an den Verband der Volksdeutschen Landsmann­schaften Österreichs, das Sozialministeriumservicegesetz und das Bundesbehin­dertengesetz geändert werden (1342 d.B. und 1447 d.B. sowie 9679/BR d.B.)

 


Präsident Mario Lindner: Nun gelangen wir zu den Punkten 6 bis 11 der Tagesord­nung.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Anderl. – Bitte um die Be­richterstattung.

 


15.20.02

Berichterstatterin Renate Anderl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine So­zialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-So­zialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz und das Arbeitslosenversi­cherungsgesetz 1977 geändert werden sowie ein Alterssicherungskommissions-Gesetz erlassen wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 31

Ich komme somit zum nächsten Bericht, dem Bericht des Ausschusses für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezem­ber 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum nächsten Bericht, dem Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezem­ber 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bun­destheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum nächsten Bericht, dem Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezem­ber 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsge­setz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz und das Verbrechensop­fergesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Der nächste Bericht ist der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Ge­sundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum letzten Bericht, dem Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Heeresentschädigungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Bundesgesetz über die Gewährung einer Bundeszuwendung an den Verband der Volksdeutschen Lands­mannschaften Österreichs, das Sozialministeriumservicegesetz und das Bundesbehin­dertengesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 32

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mario Lindner: Vielen Dank für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bun­desrat Mayer: Das Jausensackerl! – Bundesrat Stögmüller – ein Sackerl auf das Red­nerpult stellend –: Das Jausensackerl!)

 


15.24.41

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir Grüne haben es uns zur Aufgabe gemacht, Armut und insbesondere Altersarmut zu verhindern. 100 € sind für Pensionistinnen und Pensionisten, die wenig oder eine mittlere Pension ha­ben – in Österreich sind das etwa 1 087 € im Monat –, viel Geld, und sie sind für diese im Börsel auch wirklich spürbar. Für die BezieherInnen höchster Pensionen jedoch – und da ist auch unsere Kritik an dieser Regierungsvorlage – sind diese 100 € nur ein ganz kleiner Tropfen auf den heißen Stein.

Ich habe Ihnen, Herr Minister, auch etwas mitgenommen. (Der Redner nimmt eine rote Gießkanne, auf der die Kopie eines 100-€-Scheins befestigt ist, aus dem Sackerl und stellt diese auf das Rednerpult.) Das ist eine kleine rote Gießkanne (Ruf bei der FPÖ: ... nicht in China! – Bundesrat Herbert: ... Gießkanne sein, glaub’ ich! – Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ), denn diese Vorlage erinnert schon sehr stark an das Gießkannenprinzip. Man spendiert vor Weihnachten allen PensionistInnen, egal, ob sie 872 € Pension oder 3 100 € Pension erhalten, diesen Hunderter als Einmalzahlung.

Natürlich spüren das die PensionistInnen mit 800 € ganz anders im Geldbeutel als Pen­sionistInnen mit 3 100 €, und das ist auch der Grund dafür, warum wir Grüne heute diesem Punkt zustimmen werden. Es geht uns nämlich um die Pensionistinnen und Pensionisten, die wenig Geld auf dem Konto haben, um diese geht es uns, und diese bekommen durch diesen Hunderter auch wirklich eine Hilfe und werden dadurch un­terstützt, und das gilt nicht für die Luxuspensionen, die alle drei Säulen unseres Pen­sionssystems voll ausgeschöpft haben.

Meines Erachtens ist diese einmalige Pensionsauszahlung weder sozial verträglich noch nachhaltig, und es ist ein relativ mickriger Einmaleffekt, der da entsteht, denn ab Februar 2017 werden die Pensionistinnen und Pensionisten wieder nur mehr die Er­höhung von 0,8 Prozent spüren. Was heißt das dann in der Praxis? – Die mittlere Pen­sion liegt in Österreich bei gut 1 085 €; das bedeutet eine Bruttoerhöhung von 8,68 €, und auf dem Konto der Menschen werden dann nur 8,24 € netto landen – 8,24 € mehr!

Ich will Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, unseren Vorschlag dazu unter­breiten. Herr Minister, Sie haben ihn schon im Ausschuss gehört, Sie waren im Sozial­ausschuss. Die Kollegen von der ÖVP haben dann noch ein bisschen darüber gelacht, aber ich finde diesen Vorschlag sehr nachhaltig: Pensionen bis zu 500 € im Monat werden mit 5 Prozent erhöht, Pensionen über 500 € werden mit 25 € im Monat erhöht. Damit erhöhen wir alle Pensionen mit einem Fixbetrag von 25 € im Monat. Auf diese Weise werden niedrige und mittlere Pensionen bis 1 700 € brutto im Monat – und das sind immerhin 78 Prozent der Pensionistinnen und Pensionisten – mit der doppelten Pensionserhöhung stärker unterstützt. Der Erhöhungswert schleift sich aber bis zu 3 100 € auf die 0,8 Prozent ein und entspricht dann dieser gesetzlichen Vorlage.

Damit stärken wir die Kaufkraft jener, die es auch wirklich im Geldbörsel brauchen und die es auch bemerken. Und nebenbei profitiert noch die gesamte Gesellschaft, denn


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dieser Vorschlag schafft als Konsequenz etwa 2 200 Arbeitsplätze mehr im Jahr 2017, und das stammt nicht, wie Kollege Wöginger gesagt hat, von irgendwelchen Zahlen, sondern das ist an die aktuellen Berechnungen des Sozialministeriums angelehnt be­ziehungsweise wurde mit den aktuellen Beschäftigungsmultiplikatoren berechnet. (Zwi­schenruf des Bundesrates Mayer.)

Wie schon gesagt, Herr Minister: Wir hätten uns da eine sozial verträglichere, nachhal­tige Lösung erwartet. Wir werden aber zugunsten der Pensionistinnen und Pensionis­ten, die wenig bekommen, diesem Punkt heute zustimmen.

Ich komme jetzt wieder zurück zu dieser Gießkanne. Jetzt kommt ja noch ein eher kräf­tiger Strahl aus der roten Gießkanne heraus; da schaue ich einmal in mein Sackerl hi­nein, da fehlt noch etwas. (Der Redner nimmt einen schwarzen Gießkannenaufsatz aus seinem Sackerl und steckt ihn auf die Gießkanne. – Ruf bei der ÖVP: Nikolaus! – Bun­desrat Mayer: Ein schwarzer Verteiler! – Zwischenruf des Bundesrates Samt.) – Ein Verteiler, richtig, Herr Edgar Mayer, ein schwarzer Verteiler! Und was steckt hinter die­sem schwarzen Verteiler? – Schauen wir zum Tagesordnungspunkt 10!

Im Tagesordnungspunkt 10 geht es ja – und ich nenne es jetzt wirklich direkt – um ein Geschenk der SteuerzahlerInnen und der unselbständig Erwerbstätigen an die Bäue­rinnen und Bauern. Die eigentliche Vorlage, die wir Grüne vor dem Sozialausschuss im Nationalrat bekommen haben, sah eigentlich eine Lösung vor, der wir prinzipiell hätten zustimmen können; ich werde Ihnen diese ganz kurz erläutern.

In dieser Vorlage hätten 80 Prozent der Bäuerinnen und Bauern mit den niedrigsten Betriebsbewertungen die Sozialversicherungsbeiträge für ein ganzes Quartal erlassen werden sollen. Das hätte ich in Ordnung gefunden, weil es gerade jenen Landwirt­schaftsbetrieben hilft, die sowieso schon rudern und um ihr Überleben kämpfen. (Vize­präsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Und jetzt kommt ein großes Aber: Was bekommen wir heute im Bundesrat? Was be­schließen wir? – Statt 100 Prozent Rabatt für 80 Prozent der BäuerInnen mit den nied­rigsten Einkommen beschließen wir heute: Alle BäuerInnen bekommen 53 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge eines Quartals erlassen. Und ich wiederhole: Das ist nicht sozial verträglich. Das ist es nicht. Bevor man den Bäuerinnen und Bauern mit nied­rigen Einkommen und Erträgen unter die Arme greift, gibt man lieber Geschenke an Großindustrielle und Großbauern wie Esterházy, Fürst Liechtenstein, Mayr-Melnhof, um nur ein paar zu nennen (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig), obwohl das schon eher als Landwirtschaftsindustrie zu bezeichnen ist. (Bundesrat Tiefnig: 80 Prozent der Bauern brauchen ...!) Das heißt konkret, umso mehr Einkommen ein Bauer hat, umso mehr wird ihm erlassen, umso mehr bekommt er. Herr Kollege Tiefnig, wenn Sie sagen, 80 Prozent würden nicht zu kurz kommen – na, dann sind die schon relativ reich!

Herr Minister, das ist Unterstützung der Reichen und Wohlhabenden. Bei diesem Punkt hätten wir uns – wenn schon – etwas für die Bäuerinnen und Bauern mit den nied­rigsten Einkommen erwartet und keine weihnachtliche Verteilaktion für die Landwirt­schaftsindustrie. (Bundesrat Mayer: Das ist Bauern-Bashing, was du da machst!) – Sie sagen Bauern-Bashing: Ich mache sicher kein Bauern-Bashing (Bundesrat Mayer: Aber sicher!), wenn wir uns hier für die ärmsten Bauern in diesem Land einsetzen und nicht für die Großkonzerne, wie das die ÖVP in diesem Fall macht. (Bundesrat Mayer: Ist ja Quatsch! – Bundesrat Pisec: Die ÖVP setzt sich für gar nichts ein!) – Das haben jetzt Sie gesagt.

Diese weihnachtliche Verteilaktion für die Landwirtschaftsindustrie bekommt sicher kei­ne Zustimmung von uns.

Ich will jetzt aber nicht nur das Negative hervorheben. Es gibt auch eine Reihe von Verbesserungen, die wir heute beschließen und die wir gerne bereit sind mitzutragen,


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 34

Herr Minister. Die höhere Ausgleichszulage bei 30 Beitragsjahren finden wir richtig und sehr gut, Herr Minister. Es sind immerhin um die 20 000 Personen betroffen, darunter 64 Prozent Frauen. Mit diesem Gesetzesbeschluss wird es passieren, dass wir uns mit dem Ausgleichszulagenrichtsatz zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs in die Nähe der Armutsgefährdungsschwelle begeben werden.

Ich kann diesen Weg nur begrüßen, denn wir wissen, dass mit den derzeitigen Teilzeit­quoten und dem bestehenden Gender Gap viele der Frauen, die heute zwischen 30 und 40 Jahre alt sind, zum Pensionsantritt zwar die vielen Beitragsjahre haben, aber dennoch eine niedrige Pension erhalten werden; denn wer 40 Jahre lang 1 000 € nach heutigem Wert brutto verdient, wird eine Pension von ungefähr 712 € erhalten. Das finde ich, ganz ehrlich, beschämend, und ich bin froh, dass wir dem heute schon etwas entgegensetzen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Anrechnung von Kinderbetreuungszeiten aus den Jahren vor 2005. Das haben wir Grüne schon jahrelang gefordert. Wir sind froh, dass das endlich geschieht, damit wir die Kinderbetreuungszeiten von vor 2005 pensions­begründend bewerten, wenn keine anderen Versicherungszeiten da sind. Das ist na­türlich sehr gut, und das begrüßen wir auch.

Die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf berufliche Rehabilitation anstelle einer Pflicht­aufgabe bei drohender Invalidität finden wir positiv. Auch wurden die Zugangsbeschrän­kungen verbessert, denn man benötigt, um einen vollen Berufsschutz zu erreichen, statt der bisher 7,5 Jahre in 15 Jahren nunmehr entweder eine 12 Monate Berufsschutz aus­lösende Tätigkeit innerhalb der letzten drei Jahre oder 36 Monate innerhalb der letzten fünf Jahre. Das ist natürlich eine wesentliche Verbesserung und wird von unserer Seite begrüßt.

Herr Minister, es ändert sich einiges zum Positiven, dafür auch vielen Dank an Sie und an Ihr Ministerium, aber was das wilde Verteilen von Überschüssen der Sozialversiche­rung der Bauern angeht, da können und wollen wir partout nicht mitmachen. – Vielen herzlichen Dank.

Vielleicht sind auch Sie (Bundesminister Stöger die Gießkanne überreichend) ein ge­heimer, nächtlicher Gärtner wie der Innenminister. (Beifall bei den Grünen. – Bundes­minister Stöger: Danke!)

15.34


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Todt zu Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.34.48

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Zu dem Thema der Gießkanne will ich jetzt eigentlich nichts sa­gen (Bundesrat Stögmüller: Weil es ja stimmt!), weil du, Kollege Stögmüller, in deinem Redebeitrag das wichtigste Gesetz, das wir heute beschließen, grundsätzlich auch be­grüßt, und das ist ja auch die Grundlage dafür, dass wir unser gutes staatliches Pen­sionssystem systematisch verbessern. (Bundesrätin Mühlwerth: Mit dem Hunder­ter?!) – Der Hunderter kommt schon noch, lass dir Zeit! Der kommt schon noch. (Neu­erlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Vorher möchte ich noch ein paar Punkte dahin gehend nennen, was bei dieser Ände­rung betreffend das Pensionssystem alles drin ist, denn das ist ja eigentlich das Wich­tigste: Es geht um die Halbierung der Beitragslast bei Aufschub des Pensionsantritts. Es geht um die Schaffung einer Alterssicherungskommission. Es geht um den Rechts­anspruch auf berufliche Maßnahmen bei der Rehabilitation. Es geht um den besonde­ren Ausgleichszulagenrichtsatz bei längerem Versicherungsverlauf. Es geht um die Neu-


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regelung der Mindestversicherungszeit nach dem APG, um die Erweiterung der Mög­lichkeiten zum freiwilligen Pensionssplitting, um das Abführen der Dienstnehmerbeiträ­ge für Aushilfskräfte durch den Dienstgeber, um den Entfall des Unfallversicherungs­beitrags für Aushilfskräfte, um die Anpassung des auf die Krankenversicherung entfal­lenden Pauschalbeitrags für Vollversicherte, die in einem oder mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nach dem ASVG oder dem Dienstleistungsscheckgesetz stehen.

Die wesentlichen Auswirkungen liegen im Anreiz zu einem längeren Verbleib im Er­werbsleben, über das Regelpensionsalter hinaus, einer effektiven Gestaltung des Grund­satzes Rehabilitation vor Pension und Vermeidung von Invalidität, der Bekämpfung der Altersarmut, der Verbesserung der pensionsrechtlichen Absicherung der Frauen und der gerechten Verteilung der Lasten der Kindererziehung. (Bundesrat Stögmüller: Ja, da stimme ich eh vielem zu!) – Grundsätzlich stimme ich dem, was du gesagt hast, auch zu, und ich denke, das ist eigentlich der zentrale Punkt, den wir hier beschließen. (Bundesrat Stögmüller: Es sind ja mehrere Gesetze!) – Ja, es sind mehrere Gesetze.

Es gibt auch etwas, bei dem ich sehr froh bin, dass es kommt, nämlich den Pen­sionshunderter, denn die steigenden ... (Bundesrat Dörfler: Danke, Jörg!) – Ja, das habt ihr in Kärnten gemacht, da habt ihr das (eine Handbewegung machend, als würde man mit etwas um sich werfen) so verteilt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir schaffen eine gesetzliche Grundlage. Die habt ihr nicht geschaffen, sondern ihr habt Almosen verteilt. Das ist der Unterschied dabei. (Bundesrat Herbert: Gesetzliche Almosen ver­teilen? Gesetzliche Almosen verteilen?) Eine gesetzliche Grundlage schaffen wir! (Bun­desrat Herbert: Gesetzliche Almosen, Herr Kollege, um Ihre Worte zu verwenden?) – Natürlich! Was beschließen wir denn jetzt? – Gesetze beschließen wir. Gut.

Es sind die stetig steigenden Kosten für die sogenannten täglichen Ausgaben – Mieten, täglicher Einkauf, Gebühren, Pflegeleistungen, Energie –, alles wird teurer. Die Kosten­treiber fressen den österreichischen Pensionistinnen und Pensionisten Tag für Tag das Geld aus dem Börsel. Keine Steuerentlastung und keine Pensionsanpassung können die steigenden Kosten der Lebenshaltung vollständig ausgleichen. Daher ist dieser Hun­derter so wichtig, daher müssen mehrere Hebel angesetzt werden.

Wir müssen die Teuerung in Österreich bekämpfen. Das ist eine Bitte an dich, lieber Herr Bundesminister, weil du ja auch Konsumentenminister bist, und da muss es auch zu Regelungen kommen, damit wir nicht höhere Preise zahlen als zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland oder auch in Italien, die wesentlich niedrigere Preise bei den Lebensmitteln haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Das stimmt aber nicht wirklich!) – Natürlich stimmt das! (Bundesrätin Mühlwerth: Aber geh!) – Ja, das ist verglichen und auch ausgerechnet. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Die vorgesehene Pensionsanpassung von 0,8 Prozent ist zu gering, und natürlich ist diese Anpassung gesetzeskonform. Es wird rückwirkend die durchschnittliche Teue­rung abgegolten. Aber reichen wird es nicht, denn in diesen sogenannten Verbrau­cherpreisindex werden ja auch luxuriöse riesige Flachbildschirme, Reisen und vieles andere mehr miteingerechnet, und das verfälscht vom Grundsatz her den Durchschnitt, denn die Preise für Mieten, Strom, für den täglichen Einkauf, die Pflegekosten et cetera sind weit über 0,8 Prozent gestiegen. Daher muss den Pensionistinnen und Pensio­nisten bei der Teuerung geholfen werden und muss es einen Teuerungsausgleich ge­ben. (Bundesrat Dörfler: Danke, Jörg!)

Die Forderung nach einer Einmalzahlung von 100 € netto für Pensionistinnen und Pen­sionisten ist daher berechtigt, und es ist eine soziale Notwendigkeit und eine Frage der Gerechtigkeit, dass dies geschieht, denn ein Hunderter ist ein Hunderter und nicht un­bedingt ... (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) – Du kannst über Gießkannen erzählen, was du willst, aber ein Hunderter ist ein Hunderter, und er kommt mit der De-


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zemberpension am 30. Dezember. Der Hunderter kommt netto, also steuerfrei und oh­ne Abzug. Er kommt auch für pensionierte Postler, er kommt für pensionierte Eisen­bahner, er kommt für pensionierte Gemeindebedienstete und Beamte im Ruhestand. Er kommt, der Hunderter! (Bundesrat Jenewein: Für den Hundstorfer kommt er auch! – Bundesrätin Mühlwerth: Und für den Generaldirektor!)

Ich danke unserem Bundesminister und der Bundesregierung, dass das jetzt gesche­hen ist, und ich danke auch dem Präsidenten des Seniorenrates Karl Blecha und der Präsidentin Korosec für diesen ihren unermüdlichen Einsatz.

Ich möchte nur anhand von ein paar Punkten sagen, was 2016 für Pensionistinnen und Pensionisten geschehen ist. Ich beginne bei der Pflegegelderhöhung um 2 Prozent – ein ganz wesentlicher Beitrag! Die Steuerentlastung ab 1. Jänner dieses Jahres hat mindestens 300 € netto pro Jahr ausgemacht. Bei 1 200 €-Pensionen waren es 600 € im Jahr und bei 1 500 €-Pensionen 1 000 € im Jahr. Und dieses Geld ist nicht so ein­fach verteilt worden, wie das im Land Kärnten passiert ist, sondern das ist eine Steu­erreform gewesen.

Ein weiterer Punkt ist die Negativsteuer: Jene Menschen, die Mindestpension bezie­hen, bekommen für die geleisteten Krankenversicherungsbeiträge 110 € im Jahr zu­rück.

Im Jahr 2017 kommt eine höhere Ausgleichszulage. Danke, Kollege Stögmüller, dass du darauf hingewiesen und das auch sehr gelobt hast! Ich freue mich, dass es das gibt, und ich freue mich über diesen Beitrag im Kampf gegen die Altersarmut. Und es gibt am 30. Dezember ein zusätzliches Pensionsplus von 100 €, und es freut mich sehr, dass es das geben wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Für den Hundstorfer und für den Khol!)

15.43


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Hammerl. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.43.38

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Meine Vorredner haben bereits Zahlen genannt und auf das Positive hingewiesen. Ich möchte doch auch auf diesen Hunderter eingehen, denn der Hunderter hat unsere Gesellschaft ein bisschen gespalten. So ähnlich laute­ten die Schlagzeilen in den Zeitungen anlässlich des Beschlusses einer Einmalzahlung von 100 € an alle Pensionisten. Die Leserbriefe waren gefüllt mit Reaktionen auf die­sen Beschluss, und ein heftiges Rauschen im Blätterwald ist zu hören gewesen.

In allen sechs Beschlüssen, die wir zu fassen haben, spielt der Hunderter eine Rolle. War auf der einen Seite – und das ist die größere – die Erleichterung angesichts der Aussicht auf einen Hunderter greifbar, so gab es auf der anderen Seite heftige, ganz große Kritik an der sozialen Unausgewogenheit, auch wenn sich viele mit höheren Pen­sionen über das Zusatzgeld freuten.

Es gab mir aber auch persönlich zu denken, dass viele abschätzig über den Hunderter redeten: Was soll ein Hunderter? – Du hast es auch erwähnt. Für Leute mit einer Min­destpension oder mit einer Pension unter dem offiziellen Existenzminimum, weil ein Teil der Pension auch noch gepfändet wird, ist ein Hunderter sehr viel.

Meine Damen und Herren! Die Diskussion um die Pensionserhöhung und die Einmal­zahlung sollte auch für uns ein Anlass sein, dass wir uns mit der Situation der Men­schen, denen es materiell nicht gut geht, befassen und vielleicht durch unsere Offen­heit zur Begegnung etwas Druck von den Menschen nehmen.


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Natürlich, meine Damen und Herren – dieser Einwand erfolgt zu Recht –, hätte man mit einem höheren Betrag für die Menschen mit den niedrigsten Pensionen für diese viel mehr erreichen können. Denen, die eine höhere Pension haben, wäre der Hunder­ter sicherlich nicht abgegangen. Das war für uns in den Verhandlungen nicht drinnen. Bevor es dazu kommt, dass auch die untersten Pensionsklassen nicht in den Genuss dieses Hunderters kommen, wählten wir den Weg für die Verteilung an alle. Noch ein­mal: Mir ist bewusst, dass das nicht ideal ist, aber ich hätte mir Vorwürfe gemacht, wenn wir den Ärmsten nichts hätten zukommen lassen.

Auch wirtschaftlich macht diese Einmalzahlung Sinn, weil das Geld in die Wirtschaft fließt. Dabei muss man zugeben, dass dieser Effekt noch größer wäre, wenn diese Ein­malzahlung stärker auf die Pensionshöhe abgestimmt gewesen wäre. Deswegen ist es ganz wichtig für die kommenden Pensionsverhandlungen, Herr Minister, dass wir früh nach sozial gerechten Wegen für Pensionsanpassungen und Pensionserhöhungen su­chen. Die Vielfalt der Pensionen, der Stellen, von denen Menschen Pensionen bezie­hen, stellt eine Aufforderung dar, sich die Unterschiede näher anzuschauen und dann Konsequenzen zu ziehen. Diese Vielfalt sehen wir an den zu fassenden Beschlüssen, in denen diese Einmalzahlung eine Rolle spielt: beispielsweise im Bauern-Sozialversi­cherungsgesetz, Kriegsopferversorgungsgesetz und Opferfürsorgegesetz, Kriegsgefan­genenentschädigungsgesetz, aber auch bei den Beamten.

Es gibt viele Baustellen, und es wird für die Zukunft wichtig sein, die Frage der Pensio­nen nachhaltig zu überdenken. Österreich ist unter den Ländern, die Pensionen in ei­nem Ausmaß garantieren, das in den meisten anderen Ländern nicht erreicht wird. Wir müssen alles tun, um die Absicherung im Alter weiterhin garantieren zu können, und dafür – und das ist jetzt ganz wichtig – müssen wir früh genug die Weichen stellen. Denken wir auch an die Männer und Frauen, die in 20 und 30 Jahren in Pension ge­hen, und selbstverständlich auch an die Jugend!

Herr Minister, die Frage ist, ob das in Zukunft alles noch so finanzierbar sein wird, das heißt, wir müssen das Pensionssystem wirklich überdenken. Die Diskussion um den Hunderter kann ein Anlass sein, dieses Nachdenken in ein Gestalten überzuführen. Herr Minister, Sie sind bei der nächsten Pensionsverhandlung am Ball, ich bitte Sie, denken wir darüber nach! Und das sollte man vor allem auch zu Weihnachten tun. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.48


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Jenewein das Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.48.10

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ, Wien)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleich vorweg: Wir werden dieser Fülle an Gesetzen, die da jetzt in Verhand­lung steht, zustimmen. Im Prinzip hat Gregor Hammerl in seiner Rede die Argumenta­tionskette schon relativ schön ausgearbeitet. Darum muss man diesen Pensionshun­derter schon auch kritisch sehen: Für jemanden, der eine Mindestpension hat, sind 100 € natürlich sehr viel Geld, und diesen Leuten wollen wir dieses Geld auch nicht verwehren. Wir halten es für richtig, dass sie das bekommen, aber – da bin ich beim Kollegen Stögmüller, da hat er vollkommen recht – nachhaltig ist das überhaupt nicht. Im Endeffekt hat es auf der einen Seite schon ein bisschen den Geruch des Wahl­kampfgeschehens und auf der anderen Seite diesen Almosengeruch.

Machen wir uns da nichts vor: Der Beschluss für diesen Pensionshunderter ist zu ei­nem Zeitpunkt gefasst worden, zu dem wir nicht gewusst haben, ob wir nicht vielleicht im März/April schon wieder Neuwahlen haben werden. Die Regierungsparteien haben sich ja medial ein interessantes Match geliefert, bei dem man nicht genau gewusst hat, ob sie das noch die nächsten paar Monate schaffen werden. Und dann hat man den


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 38

Beschluss gefasst: Machen wir noch schnell ein Pensionsgeschenk!, so quasi für einen beginnenden Wahlkampf. Derzeit zumindest ist Weihnachtsamnestie ausgerufen, jetzt ist ein bisschen Ruhe, es gibt zurzeit zumindest keine lauten Streitereien – und jetzt haben wir diesen Pensionshunderter.

Auf der anderen Seite – und das ist etwas, das ich nicht verstehe; damit kann man das eigentlich schön begründen – hätte man es zum Beispiel auch so machen können, dass man mit der ASVG-Höchstpension einen Deckel einzieht, dass all jene, die darüberlie­gen, diesen Hunderter eben nicht bekommen. Die freiheitliche Fraktion im Nationalrat hat auch einen diesbezüglichen Antrag gestellt. Das, was Kollege Todt nämlich nicht ge­sagt hat, ist: Die ÖBB-Arbeiter bekommen ihn, die Postler bekommen ihn – das ist a­lles in Ordnung! –, aber auch der Herr Hundstorfer bekommt seinen Pensionshunder­ter, der Herr Khol bekommt seinen Pensionshunderter, die Frau Griss bekommt ihren Pensionshunderter, auch all jene bekommen den Pensionshunderter, denen 100 € auf dem Konto wahrscheinlich nicht einmal auffallen. Und da sage ich schon: Man hätte das vielleicht schöner, man hätte das vielleicht eleganter, man hätte das vielleicht wirk­lich ausgewogener machen können.

Kollege Stögmüller hat das heute mit seiner Gießkanne, die er da hingestellt hat, sehr schön erklärt. Nur als Hinweis für die Zukunft: Wenn man schon solche Aktionen macht, dann sollte man sich nicht selbst diese Bildwirkung zusammenhauen, indem man da mit Prozenten und Zahlen herumwirft, bei denen der Zuhörer dann wieder aussteigt. (Bundesrat Stögmüller: Das sind Fakten!) – Na ja, sicher sind es Fakten, aber ich ge­be dir nur einen netten Ratschlag, wie man als Kontraredner, als Erstredner auftritt. Ich weiß ja, dass bei den Grünen gerade die Debatte darüber herrscht, ob man ein biss­chen populistischer werden soll. Wenn man populistischer werden möchte, dann muss man das richtig machen, dann muss man das zumindest so machen, dass der Fern­sehzuschauer nicht nach drei Minuten aussteigt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich hätte jetzt auch gar nichts gesagt, wenn der Kollege nicht sein Sackerl hier verges­sen hätte und mich das grüne Biosackerl von unterhalb des Rednerpults so anlachen würde, was jetzt außer mir keiner sieht; aber ich bringe es dir dann mit, wenn ich fertig bin. (Bundesrat Stögmüller: Danke! – Ruf bei der ÖVP: Da ist noch was drinnen?) – Das liegt noch immer da, ja. (Ruf bei der ÖVP: Ist noch was drinnen? – Heiterkeit.) – Ich weiß nicht, ob er etwas vergessen hat oder ob ihm die Redezeit ausgegangen ist. Ich schaue jetzt auch nicht nach, denn ich will mich nicht kamerawirksam nach unten beugen, dass man dann von mir nichts mehr sieht, das sollte auch nicht unbedingt sein.

Abschließend: Es kam auch der Zwischenruf von Gerhard Dörfler, und Kollege Todt ist während seiner Rede nicht sehr erfreut darauf eingegangen und hat gesagt: Ihr in Kärn­ten habt es als Almosen verteilt, wir schaffen gesetzliche Grundlagen dafür! – Eine Ein­malzahlung wie dieser Hunderter, Herr Kollege, ist nie nachhaltig und hat immer den Ge­ruch des Almosens.

Ich würde mir wünschen, dass man die freiheitliche Forderung umsetzt – uns wird ja immer vorgeworfen, ihr bringt ja nichts weiter, ihr kritisiert ja immer nur, ihr habt ja kei­ne Forderungen!; doch, haben wir! –, die Pensionen automatisch nach dem Pensionis­tenpreisindex anzupassen. Das wäre gerecht, und das wäre anständig. (Beifall bei der FPÖ.) – Danke, da kann man ruhig einmal applaudieren!

Dann würde man sich nämlich ersparen, dass bei solchen Beschlüssen, die mitgetra­gen werden und die ohnehin eine breite Mehrheit haben – die Grünen stimmen diesem Gesetz ja auch zu, selbstverständlich (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller) –, je­der ein bisschen das Gefühl hat: Na ja, stimmen wir halt zu! – Genau das sollten wir uns in Zukunft ersparen, das haben wir nicht notwendig. Ich denke, man könnte sich die­se Debatten über Einmalzahlungen insgesamt sparen. – Herzlichen Dank für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

15.53



BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 39

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem darf ich Herrn Bundesminister Stöger das Wort erteilen. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


15.53.23

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich freue mich, dass wir hier heute über entscheidende Verbesserungen in unserem Pensionssystem berichten dürfen und dass Sie heute auch die entsprechenden Beschlüsse fassen. Es ist schon vieles ausgeführt worden. Für mich ist es sehr erfreulich, dass man erkennt, dass die Pensionen für die Menschen in Österreich so wichtig und entscheidend sind.

Ich wiederhole: Wir haben ein Viertel der österreichischen Bevölkerung seit 60 Jahren pünktlich mit Einkommen versorgt. Das österreichische Pensionssystem stärkt und si­chert pünktlich das Einkommen für ein Viertel der österreichischen Bevölkerung. Daher ist es so wichtig, dass wir dieses Pensionssystem stärken, und mit den heutigen Ent­scheidungen stärken wir es. – Danke dafür! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Zweitens geht es um die Frage: Wie erhöhen wir Pensionen? – Ich gebe zu – Bun­desrat Hammerl hat das auch gesagt –, da kann man es nicht richtig machen. Ich hätte hier gerne die Diskussion geführt, wenn wir uns für ein anderes Modell entschieden hät­ten.

Was haben wir getan? – Die Bundesregierung hat sehr klar gesehen, dass die Er­höhung für dieses Viertel der Bevölkerung 0,8 Prozent, entsprechend der Inflation, aus­macht. Und wir wissen – das ist leider so –, dass die Pensionen im Median-Bereich bei gut 1 000 € liegen. Das heißt, die Menschen, die Pensionen beziehen, haben im Durch­schnitt keine hohen Pensionen. Und wenn wir jetzt eine Umverteilung innerhalb der Gruppe der Pensionisten hätten machen wollen, dann hätte man bei uns in – na, ich sage es nicht, ich spare es mir –, dann hätte man diese gar nicht machen können, weil selbst jene, die hohe ASVG-Pensionen beziehen, höchstens 2 500 oder 2 700 € Pen­sion haben. Sie haben deshalb diese Pension, weil sie 40 Jahre dieses Einkommen erzielt und sich einen Ersatz für dieses Einkommen durch ihre Leistung erarbeitet ha­ben und deshalb auch eine entsprechende Pension bekommen.

Das heißt, wir sichern den Lebensstandard der Menschen, die sich diesen erarbeitet haben. Daher haben wir uns entschieden, die 0,8 Prozent für alle zu geben und einen Pauschalbetrag, der den Beziehern der untersten Einkommen viel nützt und den Be­ziehern höherer Einkommen weniger, aber die werden es auch verkraften. So haben wir den Beitrag geleistet, dass diese auch die entsprechende Erhöhung bekommen.

Ich sage jetzt zwei Dinge dazu. Wir haben die Beträge erhöht – nicht für Politiker, diese bekommen keine Erhöhung, sondern wir haben die Pensionserhöhung, den Hunderter, für ASVG-Pensionen, für Beamtenpensionen und für die Kriegsopfer- und Sozialent­schädigungspensionen bestimmt. Das ist heute Thema. Ich hätte gerne gewusst, mit welchem Gesetz wir irgendetwas bei den Politikern getan hätten. Wir haben auch nichts bei Sonderpensionen getan, sondern ausschließlich bei ASVG-Pensionen, GSVG-Pensionen, Pensionen aus der bäuerlichen Sozialversicherung, also aus der gesetzli­chen Pensionsversicherung, und bei Beamtenpensionen, denn auch die Beamten, die ihr Leben lang im Dienst der Öffentlichkeit gestanden sind, haben sich – so wie alle an­deren ASVG-Versicherten – eine Pensionserhöhung verdient.

Wir haben einen zweiten Schritt gesetzt: die Aufwertung der Pensionskommission. Durch die Reduzierung der Zahl der Mitglieder in der Pensionskommission haben wir den Ge­nerationen-Sozialpartnern mehr Stimme gegeben, insbesondere auch der Jugend, weil es ganz entscheidend ist, dass sich die heutige Jugend schon damit auseinandersetzt, wie wir langfristig dieses Pensionsmodell sichern können.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 40

Ich sage es an dieser Stelle dazu: Um dieses Pensionsmodell beneidet uns die Welt – bitte das zu berücksichtigen! Verfolgen Sie bitte die Diskussionen zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland: Die Deutschen würden sich freuen, hätten sie so ein Pen­sionssystem, wie wir es umgesetzt haben.

Ich denke, dass das die entscheidenden Schritte sind. Wir haben eine bessere Anrech­nung der Kindererziehungszeiten umgesetzt, wir haben eine Ausweitung des freiwilli­gen Pensionssplittings ermöglicht, und jetzt kommt es mir schon darauf an, sehr genau hinzusehen: Was haben wir mit der Ausgleichszulage gemacht? – Sie wissen, die Aus­gleichszulage ist ein Ersatz für eine Mindestsicherung, eine Mindestpension für Men­schen, die sonst kein Einkommen haben. Wir haben gesagt: Wenn es Menschen gibt, die 30 Jahre lang gearbeitet haben, Beiträge eingezahlt haben, aber ein geringes Ein­kommen gehabt haben, auch weil sie teilzeitbeschäftigt gewesen sind – das sind eher Frauen, wir wissen das –, dann wollen wir, dass sie eine Mindestpension von 1 000 € bekommen. Das ist für diese Personengruppe eine Pensionserhöhung von knapp 13 Pro­zent. Ich glaube – das muss man auch deutlich sagen –, dass das eine entscheidende Verbesserung gerade für die Ärmsten in der Bevölkerung ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich würde noch gerne auf die Ausführungen von einigen RednerInnen eingehen. Dan­ke für die Gießkanne – mich freut auch, dass sie so schön rot ist, weil es wichtig ist: Man muss die sozialen Pflänzchen auch gießen. (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.) Da ist es manchmal wichtig, dass man alles gießt, und manchmal ist es auch wichtig, dass man irgendwo ganz besonders viel Wasser hinzugibt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Bei einer Pflanze, die zu verdorren droht, ist es wichtig, genau dieses Spiel zu machen: alle in ihrer Gesamtheit zu nähren, ihnen Wasser zu geben und manchmal über die, die besonderen Schutz brauchen, nicht mit der Gießkanne generell drüberzufahren, sondern einen besonders dicken roten Strahl hinzuzugeben. Damit habe ich kein Pro­blem. (Neuerliche Heiterkeit bei der SPÖ und ironische Heiterkeit der Bundesräte Mayer und Tiefnig.)

Da die Bauern angesprochen worden sind, sage ich jetzt Folgendes sehr deutlich und sehr klar: In der bäuerlichen Sozialversicherung gibt es keine Höchstbeitragsgrundla­ge, und daher haben manche Unternehmen einen hohen Beitrag für Solidarität geleis­tet. Das sind natürlich jene mit höheren Einkommen. Diese können es sich leisten, darüber brauchen wir nicht zu reden. Wenn wir das System aber umdrehen und eine Entlastung vornehmen, dann ist klar: Diejenigen, die vorher viel gezahlt haben, be­kommen auch viel zurück – das kann man auch solidarisch sehen. Das kann man auch kritisieren, aber ich sage es jetzt so: Die Regelung, die wir da gemacht haben – alle bekommen 53 Prozent Entlastung für die Beiträge, die sie für das vierte Quartal be­zahlen müssen –, gleicht das aus, was sie sonst immer an Solidarität leisten, und das ist in dieser Systemlogik auch durchaus akzeptabel und aus meiner Sicht wichtig.

Zum Thema Teuerung bekämpfen, das Bundesrat Todt angesprochen hat: Ich bedan­ke mich auch dafür, dass du berichtet hast, was in diesem Jahr für Pensionistinnen und Pensionisten geleistet worden ist. Tatsächlich ist das: die Pflegegelderhöhung, die Steu­erreform, die Negativsteuer, die Ausgleichszulage Plus und die Pensionserhöhung. Al­so die Bundesregierung vergisst ganz sicher nicht auf ihre Pensionistinnen und Pen­sionisten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

Ich bedanke mich ausdrücklich bei Bundesrat Hammerl, nämlich für das sachliche An­diskutieren der Fragen: Wie gehen wir mit Pensionistinnen und Pensionisten um? Wie können wir das Pensionssystem weiterentwickeln? Wie können wir es der Zeit anpas­sen? – Österreich hat bewiesen, dass wir das tun. Wir haben seit 60 Jahren dieses Mo­dell, und dieses Modell hat den Pensionistinnen und Pensionisten immer das Einkom-


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 41

men gesichert. Dabei wollen wir bleiben, das braucht auch Engagement in den nächs­ten Jahren, aber wir arbeiten in die Richtung, dass sich diese Pension weiterentwickelt.

Bundesrat Jenewein hat erklärt, wie man Populismus richtig macht – ist auch nett. (Bundesrat Schennach: Das ist halt so seine Art!) Was aus meiner Sicht wichtig ist: Wenn in Österreich ein Viertel der Menschen, die hier leben und Geld ausgeben, Pen­sionistinnen und Pensionisten sind, dann gestalten sie den allgemeinen Index ganz maß­geblich mit, und daher ist der allgemeine Index das, was bei den Pensionisten auch wirksam ist. Darauf wollte ich noch hinweisen.

In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

16.04


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem darf ich Herrn Bundesrat Stögmüller, zum zweiten Mal zu diesem Tagesordnungspunkt, das Wort erteilen. – Bitte.

 


16.04.15

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Ich kann Ihnen in sehr vielen Punkten zustimmen, Herr Minister. Vielleicht wäre es solidarisch, wenn man das Pflänz­chen spritzt, das sich im trockensten Boden befindet, und nicht jenes, das im nässes­ten Boden steht. Das wäre sicher am solidarischsten. Ich glaube, das wäre auch in Ih­rem Interesse.

Ich möchte mich noch einmal extra zu TOP 11 äußern. Bei diesem Gesetzesbeschluss geht es um viele einzelne, nicht zusammenhängende Regelungen.

Zum einen geht es um die Anhebung der Kriegsgefangenenentschädigung in einem Ausmaß von 2,5 € bis 6 € pro Monat, wobei die Zahl der BezieherInnen – und das muss man so sehen –, also von ehemaligen Kriegsgefangenen, in den letzten Jahren ja schon stark gesunken ist. Ich glaube, es sind jetzt in etwa 13 000 Personen, die es in Österreich noch gibt.

Ein weiterer Punkt ist die Schaffung einer Witwen- und Waisenpension, die auch in Fällen zusteht, in denen der Tod eines Menschen mit dem die Pension auslösenden Dienstunfall nicht in Verbindung steht – womit ein Redaktionsfehler bei der letzten No­velle, mit der diese irrtümlich abgeschafft worden war, wieder ausgebessert wird.

Eine gute Sache ist auch der Projektfördertopf für Projekte bei der Verbrechensopfer­hilfe. Da könnten zum Beispiel auch Projekte für Opfer von Menschenhandel unter­stützt werden. Das ist, finde ich, auch ein sehr guter Punkt.

Jetzt aber zu dem Artikel dieses Gesetzes, den wir ablehnen oder der uns zum Ableh­nen zwingt, und das ist Art. 4 Z 1 und 2. Hierbei geht es um eine zusätzliche Förderung für das Haus der Heimat in Wien.

Jetzt muss man zum einen wissen: Was ist das Haus der Heimat? – In diesem Haus residieren volksdeutsche Vertriebenenverbände. Und ab und zu referieren dort rechts­extreme Verschwörungstheoretiker und auch Neonazis. Ich habe einen kleinen Aus­zug – auch für Ihren Beamten im Ausschuss, der gemeint hat, da sei ohnedies nur ein­mal jemand aufgetreten, das sei also nur einmal der Fall gewesen – mitgenommen: Gerhoch Reisegger, ein rechtsextremer Publizist, Verschwörungstheoretiker, aufgetre­ten 2010, oder Richard Melisch, antisemitischer Verschwörungstheoretiker, aufgetreten 2004 und 2005, Herbert Schaller, 2007, oder Claus Nordbruch, der 1986 aus der Bun­deswehr wegen Rechtsextremismus entlassene Antisemit, der Apartheid-Aktivist in Süd­afrika ist, auch aufgetreten 2011. Nicht zu vergessen und vielleicht einer der größten Skandale in Bezug auf das Haus der Heimat ist das Auftreten von Bernhard Schaub – Revisionist, Antisemit und Gründer der neonazistischen Europäischen Aktion. Dieser hielt im Oktober 2012 dort einen Vortrag und stellte dabei seine sieben Ziele eines neu gegründeten Neonazivereins vor.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 42

Nach jeder Veranstaltung versprach dann die Spitze des VLÖ Besserung und distan­zierte sich von den Rednern. Ich weiß auch, dass es innerhalb des VLÖ, der Dachor­ganisation, genügend Verbände gibt, die mit der Einladungspolitik nicht einverstanden sind und sich vehement von diesen Vortragenden distanzieren. (Bundesrätin Mühl­werth: Woher weißt denn du das?) – Nun, wir haben auch dort einige Vertreter. (Bun­desrätin Mühlwerth: Ah? Spitzel, oder was?) – Nein, keine Spitzel, sondern diese Ver­bände treten auch an uns heran und sagen, dass das nicht in Ordnung ist.

Spannend finde ich auch die Begründung, warum sie Geld brauchen: wegen der Ent­wicklung auf dem Kapitalmarkt, also wegen der Weltwirtschaftskrise. Also Verschwö­rungstheoretiker und Weltwirtschaftskrise – die lädt man ein, und dann hat man das Problem von denen; das befeuert sie wahrscheinlich wieder. Und wie viel sie wollen, na ja, das steht so nicht genau im Gesetz. In den Erläuterungen steht, die früheren Erträge aus der Stiftung waren etwa 300 000 € jährlich, und 2015 waren es 86 000 €. Das lässt auf einen ungefähren Rahmen schließen, welche finanziellen Aufwendungen man da erhalten muss.

Die Fraktion der Grünen kann also dieser Vorlage keine Zustimmung geben, denn wir wollen einem Haus, in dem immer wieder Rechtsextreme und Nazis ein- und ausgehen und Vorträge halten, keine Steuergelder zugestehen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grü­nen.)

16.08


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


16.08.55

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Herr Bundesminister! Gospod zvezni minister! Ich bin Kärntner Slowenin, meine Familie wurde ausgesiedelt, und ich werde diesem Gesetzentwurf, den du, David, kritisiert hast oder hinsichtlich dessen du gesagt hast, dass ihr Grünen ihm nicht zustimmt, zustimmen. Meine Präsidentschaft ist unter dem Motto gestanden: „Erinnern, Versöhnen, Zukunft gestalten“.

Ich glaube, mit Abrechnen, einer gegen den anderen, können wir keine Zukunft gestal­ten. Ich könnte dir auch andere Namen von Menschen nennen, die in diesem Haus der Heimat auch schon drinnen gewesen sind und Veranstaltungen besucht haben. Ich glau­be, unser Motto für die Zukunft sollte etwa sein: Miteinander, nebeneinander und gar nicht gegeneinander! – Ich glaube, Erinnern und Versöhnen, das ist unsere Zukunft. Das heißt nicht, dass wir die Vergangenheit, die Geschichte vergessen sollen, aber dass wir da­ran arbeiten müssen, dass sie sich zukünftig nicht mehr wiederholt, dass in Europa, in Österreich kein Krieg mehr eine Chance hat, zu entstehen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf Folgendes hinweisen: Es gibt den Obmann des Kärntner Heimatdienstes, Herrn Dr. Feldner, und es gibt einen zweiten Mann, Herrn Dr. Sturm, der jahrelang Vorsitzender des slowenischen Volksgruppenbeirates war und jetzt Obmann des Zentralverbandes ist. Diese zwei Menschen waren ganz arge Kontrahenten. Sie haben sich zusammengefunden, haben einander die Hand ge­reicht – und zwar nicht, um nur Populismus zu betreiben, sondern um für das Mitein­ander in Kärnten zu sorgen. Das sehe ich als beispielhaft! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon sehr viel gesprochen worden im Rahmen dieser umfangreichen Tagesordnungspunkte, die eine Fülle von Gesetzen be­inhalten, über Inhalte, über Ziele, über Veränderungen. Ich möchte aber zur Verbesse­rung der eigenständigen pensionsrechtlichen Absicherung von Frauen Stellung bezie­hen.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 43

In diesem Gesetz geht es auch um die Verbesserung der Situation von Frauen und um mehr Fairness, um mehr Gerechtigkeit für Frauen. Und für mich bedeutet mehr Ge­rechtigkeit für Frauen auch insgesamt mehr soziale Gerechtigkeit in unserer Gesell­schaft.

Konkret geht es um drei Punkte: Es geht erstens um die Ausweitung des Pensions­splittings, zweitens um eine Neuerung bei der Anrechnung der Versicherungsjahre und drittens um die Erhöhung der Ausgleichszulage von 883 € auf 1 000 €. Der Herr Bun­desminister hat es schon erwähnt, und weil es meiner Ansicht nach so wichtig ist, möchte ich es noch einmal wiederholen: Es geht dabei um Pensionisten und Pensio­nistinnen, die mindestens 30 Jahre erwerbstätig waren, dafür Versicherungsbeiträge ge­leistet haben und jetzt eine Mindestpension von 1 000 € monatlich bekommen. Das ist ein Plus von fast 13 Prozent.

Wer bekommt das? – Es sind diejenigen, die hart arbeiten, aber hauptsächlich gering­fügig oder in Teilzeit. Und wenn man sich anschaut, wer Teilzeit arbeitet, dann muss man einfach sagen, dass Teilzeitbeschäftigung weiblich ist. Wir hatten noch nie so vie­le Frauen, die erwerbstätig sind, aber fast jede Frau arbeitet in Teilzeit. Und ich be­kenne mich zur Wahlfreiheit. Es gibt solche, die aus Not, die als Überbrückung in Teil­zeit arbeiten, weil es nicht genug Kindererziehungseinrichtungen gibt, und es gibt selbst­verständlich auch solche, die sagen: Okay, ich bleibe zu Hause. Denen muss man aber Folgendes sagen: Teilzeit heißt weniger Lohn, weniger Pension. Und es sind ge­rade diese Frauen, die im Alter in die Armutsfalle tappen. Diese Information muss man diesen Frauen oder diesen Menschen weitergeben.

Der zweite Punkt ist die Neuerung bei der Anrechnung von Versicherungszeiten, ins­besondere von Kindererziehungszeiten. Auch das führt zu einer Verbesserung für Frau­en. Ich möchte auch da ganz klar sagen: Es hat sich vieles in Richtung partnerschaft­liche Kindererziehung geändert, aber trotzdem müssen wir feststellen, dass es noch immer zum Großteil Frauen sind, die diese Erziehung und die Betreuung von alten Men­schen zu Hause übernehmen.

Bisher war es so, dass bestimmte Versicherungszeiten – ich habe es schon erwähnt, ich meine da die Kindererziehung – erst ab 2005 angerechnet wurden. Aufgrund der aktuellen Reform werden auch Zeiten vor 2005 berücksichtigt und auf die Mindestver­sicherungszeit bis zum Pensionsanspruch angerechnet.

Der dritte Punkt ist die Ausweitung des Pensionssplittings. Da profitieren meistens die­jenigen, die eine partnerschaftliche Erziehung leben. Wir SPÖ-Frauen haben uns im­mer für diese partnerschaftliche Erziehung eingesetzt. Dadurch verhindert man, dass diejenige oder derjenige, die oder der zu Hause bleibt, bei der Pensionsberechnung ei­nen Nachteil hat.

Bei der Ausweitung des Pensionssplittings soll die Übertragung von Teilgutschriften am Pensionskonto bis zum siebten Lebensjahr des Kindes möglich werden. Bis jetzt war es ja so, dass diese bis zum vierten Lebensjahr auf den anderen übertragen werden konnten, und jetzt ist es bis zum siebten Lebensjahr möglich. Ich glaube – nein, ich glaube nicht, sondern ich weiß es –, das ist sicherlich ein Positivum.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Es ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Auf diesen muss aber eine Fortsetzung folgen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Ich möchte aber noch einen deutschen Satz hinzufügen: Einmalzahlungen an Pen­sionisten und Pensionistinnen waren zur Zeit der schwarz-blauen Regierung auch ganz selbstverständlich. – Danke. Hvala lepa. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesra-
tes Längle.)

16.16



BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 44

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem darf ich Herrn Bundesrat Ing. Pum das Wort erteilen. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.16.22

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Geld gerecht zu verteilen ist eine besondere Herausforderung. Und letztendlich ist die Erkenntnis immer wieder die, dass Gerechtigkeit im Auge des Betrachters liegt. Und zuallerletzt sei gesagt: Ge­rechtigkeit fängt dort an, wo jeder für sich dann das in Anspruch nimmt, was er für sich benötigen wird. Ich glaube, der Pensionshunderter für alle ist jetzt genug diskutiert wor­den, und er ist als solcher positiv zu sehen und in dieser Form auch angenommen.

Ich möchte speziell den Punkt der Bauern-Sozialversicherung ein wenig stärker be­leuchten, da das eine Materie ist, die mich in meinem persönlichen Umfeld sehr stark betrifft und die natürlich auch gesellschaftspolitisch immer wieder viele Diskussionen aufwirft.

Solidarität ist eine Form der sozialen Unterstützung. Reden wir jedoch von der wirt­schaftlichen Entwicklung unserer bäuerlichen Betriebe und von der Situation, vor der unsere Landwirtschaft heute steht, so stellt sich die Frage, wie wir einer zukünftigen Produktion auch finanziell Unterstützung zukommen lassen können, um letztendlich die Lebensmittelproduktion auch zu sichern.

Und da – damit möchte ich auch auf die Aussagen von Herrn Bundesrat Stögmüller re­plizieren – von Geschenken zu sprechen, ist vielleicht zu Weihnachten angebracht, aber die bäuerlichen Betriebe empfinden es nicht als Geschenke, vielmehr empfinden sie es als wirtschaftliche Unterstützung in einer sehr, sehr krisengeschüttelten Zeit und damit letztlich auch als Leistung für eine Gegenleistung. Vielleicht sollten sich das die Grünen auch bei ihrer Wortwahl etwas klarer vor Augen halten: Geschenke sind etwas, wofür keine Gegenleistung erfolgt – und daher werden es die bäuerlichen Betriebe mit Sicherheit nicht als Geschenk empfinden.

Betrachten wir diese Diskussion über finanzielle Fragen, gerade auch was die Sozial­versicherung betrifft, dann wissen wir, dass dies eine Chance ist, durch eine finanzielle Maßnahme auch Wettbewerbsgleichheit am Markt zu schaffen. Die heimische Land- und Forstwirtschaft steht unter enormen Zwängen, gerade auch im Bereich der Pro­duktion durch enorm viele Auflagen – im Tierschutz, im Pflanzenschutz oder auch in der Frage des Umweltschutzes, bei welcher immer wieder neue Auflagen zu Produk­tionshemmnissen führen und all diese Auflagen aber keinen Niederschlag im Preis fin­den. Da ist es notwendig, einen Ausgleich zu schaffen.

Ich kann eines versichern: All das, was wir hier diskutieren, wird in der Landwirtschaft immer wieder ganz anders empfunden. Die Landwirte empfinden das, was ihnen als Ergebnis solcher Diskussionen dann vielleicht zugestanden wird, letztlich als Almosen­empfang, und sie sehen sich immer wieder in ein Eck gedrängt – eine Sichtweise, die sie in dieser Form keinesfalls bekräftigen wollen. Und daher, glaube ich, bedeutet ge­rade diese Entscheidung bezüglich der Sozialversicherung eine soziale Abfederung – sehr kurzfristig, einmalig und auch zu einem Zeitpunkt, zu dem es die Betriebe drin­gend benötigen.

Es handelt sich dabei, das wurde angeschnitten, um eine Reduktion der letzten Quar­talszahlung um 53 Prozent, die jeder Vollversicherte als Gutschrift erhält und damit auch in all den Leistungen – Pensionsversicherung, Kranken-, Unfallversicherung – angerech­net bekommt, die er benötigt. Wenn hier aber davon gesprochen wird, dass es gerecht ist, dann ist es gerechter, als es die Diskussion im Vorfeld gezeigt hat.

Geschätzter Herr Minister Stöger, auch Sie hatten ja verschiedene Varianten zur Dis­kussion gestellt. Die Erstvariante konnte vonseiten der bäuerlichen Vertretung so nicht


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 45

anerkannt werden, weil sie zu einer Zweiklassengesellschaft geführt hätte und es zu einer Trennung innerhalb der Berufsgruppen gekommen wäre, die die wirtschaftlichen Entwicklungen nicht widergespiegelt hätte. Daher ist es Gott sei Dank zu einer Än­derung und Veränderung dieser Regelung gekommen, die heute letztlich mit rund 88 Mil­lionen Euro zu Buche schlägt und damit rund die Hälfte der benötigten Leistung wider­spiegelt, die auch anfangs zur Diskussion gestanden ist.

Wir goutieren diese Entscheidung, sagen aber auch sehr klar, dass es vielleicht gerade bei diesen Diskussionen notwendig wäre – gerade zum Beitrag eines guten großkoa­litionären Klimas –, vielleicht auch Vorschläge der Koalitionspartner sehr ernst darzu­stellen und hinzunehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Schennach: Genau das wollen wir!) Letztendlich werden die Vorschläge immer wieder auch innerhalb der Interessengemeinschaften diskutiert, und es kommt zu einer gemeinsamen Lösung, die dann auch gemeinsam nach außen getragen werden kann. Ich glaube, das ist das Ziel einer gut funktionierenden Regierungsarbeit.

Dieses Geld, das da bezahlt wird, steht immer wieder auch zur Diskussion; und es wird vor allem von den Grünen kritisiert, dass es letztlich bäuerlichen Betrieben, die immer wieder sehr falsch dargestellt werden, zugutekommt. Ich kann nur sagen, diese Be­triebe, geschätzter Herr Bundesrat Stögmüller, die du erwähnt hast, sind Stiftungen, bei denen diese Regelung gar nicht zum Tragen kommt. Wenn wir nur von den Bäue­rInnen im Nebenerwerb sprechen und die Lösung, die im Vorfeld diskutiert wurde, nä­her betrachten, dann hätten allein viele BäuerInnen, die im Nebenerwerb arbeiten, kei­nen Profit aus dieser Regelung gezogen.

Geschätzter Herr Sozialminister, ich glaube nicht, dass es auch im Sinne einer Sozial­politik ist, gerade die Betriebe, die im Nebenerwerb viele Leistungen für unsere Umwelt und für unsere Produktion sichern, nicht auch in den Genuss einer sozialen Unterstüt­zung kommen zu lassen. Letztendlich ist es auch eine Zahlung, die sehr klar nach Be­triebsgrößen unterscheidet, denn jeder, der das Steuersystem kennt, weiß auch, dass Betriebe mit höherem Einheitswert Sozialleistungen in der Einkommenssteuerberech­nung zum Abzug bringen können. Daher ist es gerade auch da so, dass bei größeren Betrieben unterm Strich mehr Einkommensteuer zu zahlen ist. Diese Leistung kommt auch wieder uns allen, den Steuerzahlern zugute. Unterm Strich: Eigentlich zahlen es sich die Bauern selbst. Ich glaube, das ist das Fazit dieser gesamten Diskussion. Die Bäuerinnen und Bauern leisten letztlich aus diesen Rückhalten ihre soziale Sicherheit.

Abschließend kann ich allen, die immer wieder glauben, dass diese Forderungen nicht zielgerichtet seien, dass vielleicht Zahlungen der Landwirtschaft zugutekommen, die ungerecht wären, nur sagen, dass es viele Forderungen gibt, die längstens am Tisch liegen und zugunsten der Landwirtschaft auch zur Umsetzung kommen sollten. Ich sa­ge nur Agrardiesel – viele wissen, wovon ich spreche –, Kennzeichnung von Lebens­mitteln aus heimischer Produktion oder gleiche Tierschutzstandards in der Putenpro­duktion und vieles, vieles mehr.

Herr Minister, ich zähle da auf Ihre Zusammenarbeit und letztendlich auch auf eine soziale Ader, die unseren bäuerlichen Betrieben die Zukunft sichert. Es ist wichtig, nicht nur davon zu reden, sondern auch danach zu handeln, um im Sinne einer bäuerlichen Entwicklung Positives zu schaffen. Wir stimmen dem Beschluss zu und hoffen auf eine weitere positive Entwicklung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.24


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Punkt zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.25.00

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Herr Prä­sident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren vor den Bild-


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 46

schirmen! Kollege Stögmüller kommt aus dem Bezirk Braunau, und das Thema der Sozialversicherung der Bauern hätte im Bezirk Braunau massive Anschläge auf das bäuerliche Einkommen gehabt. 60 bis 70 Prozent der Bauern wäre die Gutschrift im Ausmaß von 53 Prozent nicht zugutegekommen. (Bundesrat Stögmüller: Aber den Groß­bauern!) Am Ende muss man sagen, dass es eine vernünftige Lösung ist.

Lieber Herr Kollege Stögmüller, wenn der Bezirk Braunau für dich eine Gunstlage ist, dann muss ich dir (eine Grafik, die das Bauernsterben illustriert, in die Höhe haltend) eine Folie zeigen. In den letzten Jahren haben im Bezirk Braunau 41 Prozent der Be­triebe ihre Produktion aufgegeben, und das nicht wegen der Gunstlage oder der So­zialversicherung oder weil sie so gut gestellt sind, sondern wegen der Strukturbedin­gungen. Ich kann mit dir gerne eine Diskussion über Landwirtschaft im Berg- und Flach­land beginnen. Ich glaube nicht, dass das sinnvoll ist.

Ihr seid immer diejenigen, die das Volk nicht spalten wollen, aber mit deinen Aussagen spaltest du das Volk massivst. Ich muss dir wirklich sagen, lieber Kollege Stögmüller, in deinem Bezirk wird das Einkommen größtenteils aus der Produktion erzielt und nicht aus öffentlichen Geldern. Du schüttelst den Kopf. (Bundesrat Stögmüller: Ich schüttle gar nicht den Kopf!) Zweitens weißt du ganz genau, oder du weißt es nicht, warum die Rückvergütung der Sozialversicherung eigentlich gekommen ist. (Bundesrat Stögmül­ler: Sicher!)

Im Mai und Juni hatten wir starke Unwetter und Niederschläge (Bundesrat Mayer: Frostschäden!): Ein Großteil der Ernteausfälle wurde von den Versicherungen nicht ver­gütet, weil diese Produktionszweige nicht versicherungsfähig waren. Im Endeffekt ha­ben wir eine Lösung gefunden, mit der genau diese betroffenen Betriebe eine Ent­schädigung für den Ausfall der Ernten, für die Unwetterschäden bekommen. Dement­sprechend ist das auch ein Thema. Der Hagel hat sich in der Südsteiermark und im Burgenland abgespielt, bei uns gab es Hochwasserschäden, auf der anderen Seite, im Weinviertel, Frostschäden. Genau diese Gebiete hätten die Vergütung nicht bekommen.

Es ist gerechtfertigt, dass die Bauern jetzt diese Rückvergütung bekommen. Bitte stell dich nicht heraus und sage nicht immer solche polemischen Sachen! Du hast vor kur­zer Zeit einmal behauptet, Tiefnig hat ja noch nie gearbeitet (Bundesrat Stögmüller: Wo?), ich muss sagen, das war mir wurscht, denn (seine Hände zeigend): Diese Hän­de haben gearbeitet. Wenn du aber meine Bauern im Bezirk Braunau mit solchen Aus­sagen angreifst, dann muss ich sie verteidigen, und das werde ich auch in Zukunft ma­chen. Lieber Kollege Stögmüller, überlege dir das nächste Mal, was du sagst! (Beifall bei der ÖVP.)

16.27


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Dörfler. (Bundesrat Schen­nach: Als Edelbauer!)

 


16.27.27

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Hohes Präsidium! Geschätzter Herr Mi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wo immer Jörg Haider sein mag – in der Hölle, im Fegefeuer, im Himmel –, heute wird er sagen: Danke, Christian! Herr Bundeskanz­ler Christian Kern ist ja der perfekte Haider-Kopierer. (Bundesrätin Kurz: Wie bitte? Was soll das heißen? – Bundesrätin Grimling: Das darf nicht wahr sein!) Es ist nur so, dass das, was der eine macht, Populismus ist, und wenn ein anderer das Gleiche macht, ist es SPÖ-Politik. (Bundesrätin Kurz: Was ist das für ein Blödsinn?)

Ich möchte schon auch etwas festhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen, und ich weiß, wovon ich da rede: Der Kärntner Teuerungsausgleich ist entstanden, weil Kleinpen-


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 47

sions- und Kleinsteinkommensbezieher tatsächlich massiv unter der Inflation des klei­nen Warenkorbs gelitten haben.

Vielleicht noch etwas zum Kollegen Todt, weil er so aufgeregt gemeint hat, wir hätten Hunderter verteilt. (Bundesrat Todt: Sicher!) – Herr Kollege Todt, zuhören und nicht irgendetwas behaupten! Ich habe die Zahlen noch schnell recherchiert: 2012 wurden in Kärnten 2,1 Millionen € Teuerungsausgleich ausgezahlt. 60 Prozent der 20 000 Bezie­her haben das Geld bar abgeholt, 40 Prozent wurde das Geld überwiesen. Warum ist die Barabholung überhaupt notwendig gewesen? – Weil viele Kleinsteinkommensbe­zieher den Hunderter gar nicht vom Bankkonto kriegen. Das war eine Dienstleistung.

Es ist keine Schande, wenn die Politik dem Bürger in der Landesregierung und den Bezirkshauptmannschaften – das sind ja Einrichtungen, die der Bürger finanziert – auch die Möglichkeit gibt, mit ihm a) in Kontakt zu treten und b) die Auszahlung abzuwickeln. Von mir wird es kein Hunderter-Foto geben. Man mag über Darstellungen reden, wenn zwei das Gleiche tun.

Herr Bundesminister, ich bedanke mich. Der Jörg würde heute sagen, der Stöger ist ein guter Mann (Bundesrat Mayer: Das freut ihn! – Bundesminister Stöger: Das freut mich!), er hat viel von mir gelernt. Das ist Faktum, das tut der SPÖ ein bisserl weh.

Noch einmal zur Geschichte des Kärntner Teuerungsausgleichs: Er ist jährlich ausge­zahlt worden, also war er nachhaltig. Er wurde mit der ÖVP beschlossen, und im letz­ten Jahr meiner Regentschaft hat unter Peter Kaiser sogar die SPÖ mitgestimmt. Was hat man in Kärnten gemacht? – Den Teuerungsausgleich abgeschafft. Das verstehen viele Menschen nicht; 20 000 Bezieher, die das Geld wirklich brauchen. Sie können sich nicht vorstellen, welche persönlich tiefgreifenden Erlebnisse man hat, wenn ein al­tes Mutterl kommt und sich bedankt, da sie sich mit dem Hunderter eine Kleinigkeit zu Weihnachten leisten kann. Das ist für viele nicht vorstellbar.

Ich weise auch die Kritik des Herrn Felderer an dem jetzigen Hunderter zurück, da Herr Felderer Zeit seines Lebens ein Einkommen gehabt hat, mit dem er sich zu Weih­nachten wahrscheinlich mehrere hundert Euro schwere Champagnerflaschen leisten konnte. Der hat ja gar keine Ahnung davon, was ein Mensch, der ein Geringsteinkom­men hat, mit 100 € alles machen kann.

Herr Minister, eine Bitte hätte ich noch, die ist insbesondere auch an die ÖVP gerichtet, da ich ein leidenschaftlicher Vertreter vor allem auch des Kleinbauernstandes bin. Ich habe schon einmal von einer Pensionistin in Kärnten gesprochen, die 192 € Pension hat. 192 € für eine Bäuerin, die ein Leben lang hart geschuftet hat. Ihr Mann, der eine Pension von circa 800 € hat, ist jetzt krebskrank und bräuchte Medikamente um mo­natlich 500 €, die man ihm nicht bewilligt, weil er um 20 € über diesem Einkommens­schlüssel liegt. Es ist eine Schande, dass im Sozialstaat Österreich ein krebskranker Mensch keine Behandlung erfahren kann, weil er sich die Medikamente nicht leisten kann. Jetzt wird es eine Spenden- und Sammelaktion in der Familie geben, mit der man ihm zu helfen versucht.

Herr Bundesminister – das richte ich besonders auch an die ÖVP als die Bauernpartei, wie sie sich immer nennt; ich behaupte, sie ist es nicht –, es ist ein dringendes Anlie­gen, dass derartige Vorkommnisse nicht passieren. Sie können diesen Pensionsbe­scheid gerne haben, ich habe ihn hier schon einmal vorgelegt, habe mich auch ge­wundert, dass die SPÖ-Frauen gemeint haben, diese Frau habe nichts eingezahlt. Hat eine Flüchtlingsfrau aus Syrien oder Afghanistan etwas eingezahlt? (Bundesrätin Grim­ling: Na nicht schon wieder mit den Asylwerbern kommen! – Bundesrätin Posch-Grus­ka: Zwischen Birnen und Äpfeln ist ein Unterschied!) Die bekommt aber sehr wohl die Mindestsicherung. Darüber zerbrechen Sie sich nicht den Kopf. Es ist für mich unzuläs­sig, dass man behauptet: Die betreffende Frau hat nichts eingezahlt, daher bekommt


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 48

sie nur 192 €. Sie hat ein Leben lang hart für ihre Familie, hart als Bäuerin gearbeitet (Bundesrätin Posch-Gruska: Aber nichts eingezahlt! – Bundesrätin Kurz: Trotzdem nichts eingezahlt!), und sie hat auch ein Recht, am Sozialsystem Österreichs teilzuneh­men. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines noch, Herr Bundesminister: Bei einer Lebensmittelaktion, bei der das Bier um 25 Prozent billiger ist, drückt man auf einen Knopf am Computer und in ganz Öster­reich haben Billa, Spar und Hofer den entsprechenden Preis. Ich hätte mir schon er­wartet, und es wäre überhaupt kein Problem gewesen, zu sagen, dass es eine Grenze für Pensionen bis 2 000 € netto gibt: Die kriegen den Hunderter, und der Rest der schö­nen und reichen Pensionisten braucht ihn nicht. – Das ist ein Versäumnis, das ich ein­fach nicht verstehen kann. Das kann man heute automatisieren.

Es wird mir niemand erklären können, dass es bei den österreichischen Pensionsversi­cherungen nicht möglich ist, ganz einfach ein System einzuziehen und zu sagen: 2 000 € – wer die nicht hat, für den gibt es den Hunderter, und darüber hinaus, den Luxuspensio­nisten, können wir das nicht zugestehen. Rudi Hundstorfer braucht ihn wirklich nicht. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesminister Stöger: Er kriegt ihn auch nicht!)

16.32


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Noch einmal zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


16.32.55

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Herr Minister! Ich möchte zwei Sätze sagen, weil ich das nicht unkommentiert lassen kann: Kärnten muss sparen. Wir müssen Sparmaßnahmen setzen, nicht des­halb, weil es lustig ist, sondern weil wir es müssen.

Danke, Jörg, für 24,7 Milliarden € Haftungen! Danke, Jörg, für diese vielen, vielen Schul­den, die wir alle abbezahlen müssen! Danke, allen Bundesländern, die uns Kärntnern geholfen haben, das auszubügeln. – Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Damit hat die SPÖ überhaupt nichts zu tun?!)

16.33


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


16.34.00

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier und vor den Bildschirmen! Ana Blatnik ist eigentlich nicht der Grund dafür, dass ich mich zu Wort gemeldet habe, aber da Sie vor mir gesprochen hat: Es ist schon interessant, wie Kindesweglegung betrie­ben wird: Die SPÖ war da nie dabei, hat nie irgendetwas mitbeschlossen, alles war nur Jörg Haider. Das kann man auch nur machen, weil er schon tot ist, sonst würde die Geschichte ein wenig anders ausschauen. (Ruf bei der FPÖ: Das ist wahr!)

Was mich bewogen hat, mich noch einmal zu Wort zu melden, ist, dass ich das, was Kollege Stögmüller gesagt hat, nicht unkommentiert lassen kann. Ich kann nicht auf dem Haus der Heimat sitzen lassen, dass behauptet wird, dass das ein rechtsextre­mer, nazistischer Verein ist. (Bundesrat Stögmüller: Das war eh klar! Das habe ich nicht gesagt!) Nur weil „Standard“, „profil“ und Ihr Nationalratskollege Öllinger, der so­wieso Schaum vor dem Mund bekommt, wenn er das Wort FPÖ nur hört, das be­haupten, muss es ja nicht stimmen. Es stimmt auch nicht! (Ruf bei der FPÖ – in Rich­tung Bundesrat Stögmüller –: Zuhören, Herr Kollege! – Bundesrat Stögmüller: Ich ha­be gesagt, dass dort Rechtsextreme reingehen und Vorträge halten!)


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 49

Beim von Ihnen zitierten Schaub hat das Haus der Heimat die Veranstaltung von sich aus abgebrochen, Sie haben jedoch leider vergessen, das zu erwähnen. Sie haben nur eine Seite der Medaille gebracht, also nur die halbe Wahrheit. Das Haus der Heimat hat gesagt, mit den Ideologien dieses Herrn könne es nichts anfangen, daher wurde die Veranstaltung abgebrochen, und der Herr hat jetzt auch Betretungsverbot. Also wenn Sie schon etwas zitieren, dann bitte doch im Gesamtkontext und nicht nur von der Seite, die Ihnen gerade gefällt.

Dann möchte ich Ihnen noch etwas sagen, weil Sie ihn so herausgehoben haben: Im Jahr 2016 war Stadtrat Ludwig dort und hat geredet. Nach Ihrer Lesart ist das offen­sichtlich auch so ein nazistischer, rechtsextremer Verschwörungstheoretiker. – Karl Habs­burg-Lothringen und Kardinal Schönborn haben auch schon einmal dort gesprochen. Sie sehen schon, es ist ein sehr honorables Publikum, würde ich sagen, das dort schon geredet hat. Vielleicht nehmen Sie das auch einmal zur Kenntnis und vielleicht kehren Sie auch einmal vor Ihrer eigenen Tür!

Die Grünen haben die Antifa unterstützt, die gegen den WKR-Ball und späteren Akade­mikerball demonstriert hat. Da haben Sie überhaupt keine Berührungspunkte. Die Anti­fa, das wissen wir nicht nur aus Wien, demonstriert ja überall. Ihr einziges Ziel, ihr Zweck ist gar nicht so sehr, dass sie so antifaschistisch sind und gegen die FPÖ vor­gehen wollen. Das ist der Motor, ihr Vehikel. Der Antifa und dem Schwarzen Block geht es in den meisten oder in allen Fällen eigentlich nur darum, Krawall zu machen, Anar­chie zu schüren und zu zerstören. Das sind Dinge, bei denen Sie ideologisch über­haupt kein Problem haben, ihnen irgendwie nahezustehen und sie auch noch, und wenn es nur informell ist, zu unterstützen. Sie subventionieren mit ihrer rot-grünen Re­gierung in Wien Vereine, die sehr linksextrem sind. (Bundesrätin Posch-Gruska: Das ist aber jetzt ein Schmäh! Das kann nicht wahr sein! – Bundesrat Stögmüller: Wen zum Beispiel? – Bundesrätin Dziedzic: Was?) Linksextrem ist offensichtlich nicht das­selbe wie rechtsextrem; extrem macht nichts, es muss nur die richtige Seite sein. Wenn es linksextrem ist, dann passt es schon, alles andere darf und kann nicht sein. Für Sie ist sowieso alles, was nicht links ist, rechtsextrem. Das kennen wir seit Lan­gem.

Ich würde Ihnen wirklich dringend raten, einmal vor Ihrer eigenen Tür zu kehren, nicht nur auf einem Auge sehend zu sein, sondern auf beiden Augen, dann können wir uns vielleicht dahingehend einigen, dass wir, wir beide, Extreme in beide Richtungen aus tiefem Herzen ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.37


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Nun gelangt Herr Bundesminister Stöger zu Wort. – Bitte, Herr Minister.

 


16.37.43

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Ich möchte zu Tagesordnungspunkt 11 sprechen, bei dem es darum geht, dem Ver­band der Landsmannschaften in Österreich die Möglichkeit zu eröffnen, ihn zu fördern, weil das Fördermodell, das es vorher gegeben hat, bei der derzeitigen Zinsenland­schaft nicht funktioniert, um das auch deutlich zu sagen. Das ist der Grund für diese Ge­setzesänderung.

Mir als Mitglied der österreichischen Bundesregierung ist es sehr wichtig, auf eines hinzuweisen und damit auch ein bisschen zu entkrampfen: Es geht darum, dass wir nicht akzeptieren, dass die Grundlagen des österreichischen Staates und vor allem die Grundlagen der Zweiten Republik in Frage gestellt werden. Eine Grundlage der Zwei­ten Republik ist, dass Nazis in Österreich nichts verloren haben. Das ist eine Grundla­ge. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 50

Die zweite Grundlage dieser Republik ist, dass es Menschen gibt, die vertrieben wor­den sind, aus welchen Gründen auch immer. Menschen haben zu irgendeinem Zeit­punkt entschieden, ihre Heimat zu verlassen, weil dort Zustände vorgeherrscht haben, die wir, die wir unter schönen Lebensbedingungen leben, nicht einmal nachvollziehen können; nicht einmal nachvollziehen können wir, was diese Menschen dort erlebt ha­ben. Dass diese Erfahrung auch einen Raum hat, in dem das benannt wird, das halte ich für wichtig, und ich sage das sehr deutlich. Das ist das, was wir heute beschließen, diesen Raum wird die Zweite Republik diesen Menschen geben.

Ich bedanke mich bei allen, die einen kritischen Blick darauf werfen. Es ist gut so, dass man einen kritischen Blick darauf hat, aber mir als Mitglied der österreichischen Bun­desregierung ist es wichtig, sehr klar zu sagen, wir wollen den Raum geben, aber wir wollen den Nazis keinen Raum geben. – Ganz einfach, ganz klar, das ist mir wichtig. (Allgemeiner Beifall.)

16.39

16.40.03

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nunmehr nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die einzelnen Punkte getrennt erfolgt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezem­ber 2016 betreffend ein Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2016.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Oder? – Herr Zelina stimmt nicht mit. Dann ist es die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversi­cherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist wieder die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenom­men.

*****

(Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8 siehe bitte S. 65.)

*****

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. De­zember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsge­setz 1957 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. De­zember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz und das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 51

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. De­zember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädi­gungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Damit sind die Abstimmungen erfolgt.

16.42.2412. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorge­gesetz, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz und das Einkommen­steuergesetz 1988 geändert werden (Wiedereingliederungsteilzeitgesetz) (1362 d.B. und 1440 d.B. sowie 9680/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Arbeits­platz-Sicherungsgesetz 1991 geändert werden (1334 d.B. und 1441 d.B. sowie 9681/BR d.B.)

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird (1442 d.B. sowie 9667/BR d.B. und 9682/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzie­rungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (1344 d.B. und 1443 d.B. sowie 9683/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauarbei­ter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden (1343 d.B. und 1444 d.B. sowie 9684/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 52

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen zu den Punkten 12 bis 16 der Tages­ordnung.

Berichterstatterin zu all diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Ebner. Ich bitte um die Be­richte.

 


16.43.12

Berichterstatterin Adelheid Ebner: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Arbeits­platz-Sicherungsgesetz 1991 geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt schriftlich vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt schriftlich vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finan­zierungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden.

Dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauar­beiter­Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt schriftlich vor, ich komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 53

16.46.33

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir be­schließen heute eine Innovation in der Sozialpolitik, die Wiedereingliederungsteilzeit. Das ist ein völlig neues Instrument in der Sozialpolitik in Österreich, auf das wir, glaube ich, auch in Zukunft sehr, sehr stolz sein werden. Wir schaffen mit dieser Gesetzesno­velle Schritte, um Menschen wieder in die Arbeit eingliedern zu können, wenn sie auf­grund schwerer Erkrankungen lange Krankenstände hatten.

Wir haben heute Regelungen betreffend die Binnenschifffahrt im Zusammenhang mit dem Arbeitszeitgesetz zu beschließen. Wir regeln auch die Arbeitszeit und die Pausen bei Fahrten mit Tourneebussen, um die Sicherheit für die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer, die da unterwegs sind, zu geben. Auch das sind Anpassungen an verän­derte Situationen und meines Erachtens für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich besonders wichtig.

Ich denke zum Beispiel auch an die Baubranche. Dort will die Mehrheit der Unterneh­merinnen und Unternehmer nicht zulassen, dass manche in diesem Bereich Sozialbe­trug machen. Es ist mir auch ein Anliegen, darauf hinzuweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ich sozialpartnerschaftliche Maßnahmen für sehr wichtig erachte. Es ist wichtig in Unternehmen, in Betrieben, gemeinsame Problemlagen zu lösen, anzuspre­chen, zu diskutieren und Lösungen für alle Gruppen zu finden. Das macht unseren viel beneideten Sozialstaat hier in Österreich aus. Dafür beneiden uns sehr viele.

Wenn Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien am Rednerpult stehen, dann wird sichtbar, dass wir gemeinsame große Ziele haben, nämlich unser Sozialsys­tem hier in Österreich abzusichern, auszubauen und entsprechend zu verändern, wo es Änderungsbedarf gibt und wo es notwendig ist, Anpassungen vorzunehmen. Das tun wir heute mit einer Fülle von gesetzlichen Änderungen, von Verbesserungen im In­teresse der Menschen in unserem Land – ob das die Ausgleichszulage Plus ist, ob das die Verbesserung bei der Anrechnung der Kindererziehungszeiten ist, ob das die Kurz­arbeitsbeihilfe ist, die unbefristet kommen wird und auch in ihrer Dauer von 18 auf 24 Monate verlängert wird, oder ob es die Erhöhung der Pensionen ist – um nur einige Beispiele zu nennen.

Das Thema Pensionen begleitet uns nicht nur heute, es begleitete schon unsere Väter und Urgroßväter, denn die ewige Diskussion über die Frage, ob die Pensionen sicher sind, verunsichert letztendlich die Menschen. Fakt ist: Die staatliche Pension ist das Fun­dament für alle Menschen, die Bezieherinnen und Bezieher niedriger Pensionen sind, und das soll auch so bleiben.

Damit das so bleibt, ist es wichtig, auch für Beschäftigung zu sorgen. Ich hoffe, dass wir mit vielen Maßnahmen, die wir auf den Weg schicken, die wir heute auch noch be­schließen werden und in den letzten Monaten bereits beschlossen haben, wichtige Impulse für das Jahr 2017 setzen, um auch wieder Beschäftigungszuwachs zu errei­chen. Die zukünftigen und zusätzlichen Investitionen in den Gemeinden und Ländern, die zusätzlichen Förderanreize, Investitionen für Klein- und Mittelbetriebe sind, glaube ich, ein richtiges Zeichen in diese Richtung. Wenn wir mehr Beschäftigung haben, ist es umso wichtiger, darauf zu achten, dass der Wettbewerb weiterhin fair gestaltet wird.

Wir wissen alle, dass es auf dem Arbeitsmarkt nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa Probleme gibt. Die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping haben wir mit einer verschärften Richtlinie, die ab 1.1.2017 in Kraft tritt, bereits auf den Weg ge­bracht. Man muss auch sagen, dass unser Sozialminister bereits im Jahr 2016 viele Dinge in der Sozialgesetzgebung auf Schiene gebracht hat. In der Bauwirtschaft gibt es sinkende Arbeitslosenzahlen, wir sehen steigende Beschäftigungszahlen mit neuen Regelungen, die auch EU-konform umgesetzt werden.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 54

Ich möchte die Gelegenheit nützen, mich auch bei all jenen zu bedanken, die beim Ar­beitsverfassungsgesetz mitgewirkt haben, um es zu verbessern; ich spreche hier an die Ausweitung der Funktionsperiode der PersonalvertreterInnen, der Betriebsräte und Betriebsrätinnen und die gesetzlichen Anpassungen. Es ist heute nämlich nicht mehr selbstverständlich, dass sich Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stellen, um sich für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsplatz, im Betrieb ein­zusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich schon die Möglichkeit habe, dann möchte ich darauf hinweisen, weshalb es klug ist, die Funktionsperioden den gesetzlichen Ge­gebenheiten, wie wir sie auch hier im Hohen Haus haben, anzupassen. Wenn wir von Herausforderungen bei Betriebsrätinnen und Betriebsräten sprechen, dann werden die­se immer größer: internationale Konzerne, Vernetzungen, verschiedene Standorte, Ent­sendungen, länderübergreifende Probleme mit Niederlassungen, länderübergreifende Probleme mit Arbeitszeiten, keine oder nur schlechte Absicherungen von Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmern, Regelungen werden umgangen oder werden einseitig geän­dert oder ausgesetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht einfach, sich als Arbeitnehmervertreter und Arbeitnehmervertreterin mit all den Materien, die heute nicht nur auf den regio­nalen österreichischen Arbeitsmarkt abzielen, sondern international vernetzt sind, ver­traut zu machen. Die Probleme und Herausforderungen, die heute an Arbeitnehmer­vertreterinnen und Arbeitnehmervertreter gestellt werden, bedeuten auch, dass man nicht mehr einmal gewählt wird und die nächsten 30 Jahre Betriebsrätin oder Be­triebsrat ist, sondern dass es in dieser Zeit sehr, sehr viele Veränderungen gibt – nicht nur, dass sich die Unternehmen gänzlich ändern, Unternehmensstrukturen ändern, son­dern auch, dass Arbeitsplätze wegfallen oder ganz woanders aufgebaut werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch noch einen Satz zur Novelle die Kurzarbeit betreffend, die ja heute beschlossen wird, sagen. Das ist ein Instrumenta­rium, das uns von 2009 bis 2013 sehr gut durch die Wirtschaftskrise gebracht hat. Das Instrument der Kurzarbeit hat Beschäftigung gesichert und Qualifikationen in den Un­ternehmungen gehalten, sodass es dann, als die Arbeit in den verschiedenen Berei­chen wieder mehr geworden ist, nicht das Problem gab, dass Aufträge nicht abgear­beitet werden konnten, sondern diese Aufträge konnten dann in den verschiedenen Be­trieben entsprechend durchgeführt werden.

Es ist heute aber auch Realität, dass zur Stunde bereits Gespräche geführt werden – in niederösterreichischen Betrieben, von denen ich es konkret weiß –, in denen es um Kurzarbeitsverhandlungen geht. Lassen Sie mich bitte mit einer Sache aufräumen, näm­lich dass das alles kompliziert ist! Tatsache ist, dass innerhalb von wenigen Tagen Ver­einbarungen mit den Unternehmungen, den Sozialpartnern im hervorragenden Zusam­menspiel mit AMS und allen Beteiligten, die dabei sind, getroffen werden. Das heißt, wenn der Wille besteht, funktioniert das auch.

Das Zweite, das ich aus dieser Erfahrung heraus mitbringe, ist, dass viele Kolleginnen und Kollegen, vor allem die älteren, heute noch immer sagen: Die Zeit während der Kurzarbeit war eine sehr angenehme, weil ich die Möglichkeit hatte, diesen Arbeits­druck, den ich immer gewohnt bin oder dem ich tagtäglich ausgesetzt bin, etwas bes­ser auszuhalten. Den älteren Kolleginnen und Kollegen ist es heute immens wichtig, mehr Freizeit zu haben und nicht jede Überstunde, die angeordnet ist, zu machen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und mich recht herzlich bei den Mitgliedern im Sozialausschuss bedanken. Ich weiß, dass 2016 kein einfaches Jahr war, wir leisteten aber konstruktive und wichtige Arbeit. Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit auch im Jahr 2017.


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Da wir schon in der Weihnachtszeit sind, möchte ich abschließend noch einen Wunsch und einen Dank vorbringen; ich möchte mit dem Wunsch beginnen. Vielleicht besinnen wir uns doch alle etwas und denken darüber nach, wie wir in Österreich mit unserem Sozialsystem umgehen. Blicken wir über die Staatsgrenzen und vergleichen wir, wie es in anderen Ländern ist, so werden wir uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, wirklich be­sinnen können und uns bewusst sein, welch tolles Land unser Österreich ist!

Abschließend möchte ich auch noch Danke sagen, Danke an den Minister, der – wie wir in den letzten Wochen und Monaten und in der letzten Ausschusssitzung, vor allem im Sozialausschuss, gesehen haben – wieder ein Mammutprogramm auf die Reise schickt, wobei es sehr wichtig ist, dass dieses Mammutprogramm mit 1.1.2017 auch umgesetzt wird. Das sind wir von dir, lieber Alois, als Sozialminister und vor allem auch von den Kolleginnen und Kollegen im Sozialministerium gewohnt. Dafür ein herzliches Dankeschön, dir, lieber Alois, und deinem gesamten Team! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.56


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster darf ich Frau Bundesrätin Kern das Wort erteilen. – Bitte, Frau Bundesrätin, du bist am Wort.

 


16.56.41

Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Ich darf in meinem Redebeitrag auf zwei Bereiche, auf zwei wichtige Maßnahmen für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich eingehen. Das eine ist die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess nach langem Krankenstand als eine lang­jährige Forderung aller Arbeitnehmervertreter- und ‑vertreterinnen und das andere die Verlängerung der Funktionsperiode von Betriebsräten auf fünf Jahre.

Mit dem etwas sperrigem Titel Wiedereingliederungsteilzeitgesetz geben wir Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmern, die nach einem Langzeitkrankenstand wieder auf den Ar­beitsplatz zurückkehren wollen, einen rechtlichen Rahmen. Ab Juli 2017 können Be­troffene, die mindestens sechs Wochen im Krankenstand waren, Schritt für Schritt in den Betrieb zurückkehren. Wir hatten bisher die Situation, entweder krank oder ge­sund, es gab nichts dazwischen. Es gibt aber Menschen, die nach langer Krankheit wie Krebs oder Burnout wieder arbeiten wollen, aber nicht von Beginn an die volle Ar­beitsleistung erbringen können. Für diese Betroffenen kann es nun Schritt für Schritt zurück zur Vollarbeitszeit gehen.

Wenn sie so weit gesund sind und vom Arzt die Genehmigung bekommen, können Langzeitkranke im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber ihre Arbeitszeit reduzieren. Sie können dann sechs Monate lang, in Ausnahmefällen auch neun Monate, langsam ihre Arbeitszeit erhöhen. Diese Maßnahme ist für den weiteren Genesungsverlauf wichtig und förderlich. Wir wissen, gerade nach einem schweren Unfall oder nach einer schwe­ren Krankheit spielen Existenzängste eine große Rolle im Genesungsverlauf. Mit die­ser neuen Regelung können wir solche Ängste reduzieren.

Wie sieht diese Regelung nun im Detail aus? – Wer nach mindestens sechs Wochen Krankenstand gesund und fähig ist, wieder langsam in den Arbeitsprozess zurückzu­kehren, kann künftig mit dem Arbeitgeber für maximal sechs Monate Teilzeitarbeit ver­einbaren. Voraussetzung für diese Teilzeit sind ein Wiedereingliederungsplan, die Ge­nehmigung eines Arztes und das beiderseitige Einverständnis zwischen Arbeitnehme­rInnen und ArbeitgeberInnen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können die Ar­beitszeit zwischen 25 und 50 Prozent reduzieren, das ermöglicht am Beginn einen sanfteren Einstieg. Für den betroffenen Arbeitnehmer wird ein Teil des Krankenentgelts zusätzlich zur Teilzeitarbeit weiterhin bezahlt.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 56

Wir begrüßen, dass die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Ini­tiative fit2work des Sozialministeriums beraten und begleitet werden und das Sozialmi­nisterium für die Wiedereingliederungsmaßnahmen 770 000 € budgetiert hat.

Viele Betriebe haben bereits in der Vergangenheit eigene Maßnahmen zur Reintegra­tion von Kolleginnen und Kollegen nach einem Langzeitkrankenstand umgesetzt. Die­ses betriebliche Eingliederungsmanagement ist Vorbild für dieses Gesetz. Alles in al­lem kann dieses Gesetz einen wesentlichen Baustein zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit des Menschen bieten, denn Arbeit gibt den Menschen nicht nur Sicherheit, sondern auch Sinn, Würde und Gemeinschaft.

Nun darf ich noch kurz auf das zweite wichtige Thema zu sprechen kommen; mein Kol­lege Rene Pfister hat es schon angesprochen: die Änderung des Arbeitsverfassungs­gesetzes, die Verlängerung der Betriebsratsperiode von vier auf fünf Jahre. Der Antrag des Arbeits- und Sozialausschusses des Nationalrates geht auf die Initiative unseres Sozialsprechers August Wöginger zurück, worüber ich mich sehr freue. Wie es Rene schon gesagt hat, hat sich in den letzten drei Jahrzehnten sehr viel getan und viel verändert. Die Bedingungen der Arbeitswelt und die Anforderungen an die Beleg­schaftsvertreter haben sich massiv gewandelt. Heute ist ein Betriebsrat an allen Ecken und Enden gefordert, Betriebsräte müssen Expertise aufbauen, um im Arbeitsrecht, im Sozialrecht und in allen anderen Fragen, die das Unternehmen betreffen, fit zu sein. Oft, das kennen Sie, unterstützen sie ihre Kolleginnen und Kollegen auch bei privaten Problemen und Schwierigkeiten und stehen mit Rat und Tat zur Seite. Zusätzlich braucht es natürlich auch die Erfahrung bei Verhandlungen mit der Unternehmensfüh­rung. Einfach gesagt: Der Betriebsrat braucht heute viel mehr Fachwissen und viel mehr Einarbeitung, um ein starker Belegschaftsvertreter zu sein.

Gerade für mich als Arbeitnehmervertreterin sind starke Betriebsräte wesentliche Säu­len einer funktionierenden Arbeitswelt. Für mich ist die Ausweitung der Funktionsperio­de auf fünf Jahre eine wichtige Verbesserung für die Arbeit unserer Betriebsräte. Mit der heutigen Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes stärken wir den Status unse­rer Betriebsräte, und wir zeigen den Menschen, die sich für unsere Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben einsetzen, dass wir sie mit aller Kraft unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

17.01


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Ing. Rösch zu Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.01.57

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geschätztes Präsidium! Sehr ge­ehrte Herren Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! So sieht man mich nicht mehr, dann lasse ich das Pult wieder ein bisschen herunter. (Heiterkeit.) Wenn man wie ich größer ist, ist es eben leichter, dass man sich das Pult hinaufstellt; deswegen ist auch ein Motor eingebaut. (Der Redner senkt das Rednerpult wieder et­was ab.)

Zu den Ausführungen des Kollegen Rene Pfister, der die guten Punkte der Gesetzes­änderungen der Tagesordnungspunkte 12 bis 16 in Euphorie dargebracht hat, ist mir in der Vorbereitung eingefallen: Was lange währt, wird endlich gut.

Das erste Gesetz, um das es gegangen ist, betrifft die Wiedereingliederung. Das ist et­was, was die freiheitlichen Arbeitnehmer schon vor vier, fünf Jahren in der Sozialpart­nerschaft eingebracht haben, damals unter der Bezeichnung „Teilzeitkrankenstand“. Es geht um den Wiedereintritt in das Berufsleben nach einem langen Krankenstand auf­grund von dramatischen, sehr schweren Krankheiten, die einen Menschen entweder psychisch oder physisch sehr mitnehmen und ihn dann meistens auch in eine Lage


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versetzen, dass er nicht gleich hundertprozentig wieder auf seinen Arbeitsplatz zurück­kehren kann. Diese Arbeitnehmer wollen natürlich in ihr soziales Umfeld zurück und wollen mit der Arbeit auch wieder sehen, dass die Genesung vorangeht.

Da kann man natürlich darum streiten, ob sie noch krank oder nicht mehr so krank oder ob sie schon gesund oder noch nicht ganz gesund sind. Damals ist der Streit darum gegangen, ob wir einen Wiedereintritt oder einen Teilzeitkrankenstand vorliegen ha­ben. Es ist eigentlich nur um das Wort gegangen. Es hat dann vier bis fünf Jahre ge­dauert, bis man sich das doch näher angesehen und gesagt hat, dass das eigentlich eine ganz gescheite Sache ist, die man umsetzen wird. Deswegen begrüßen wir das natürlich.

In der Vergangenheit, vom Jahr 2000 an, als Blau-Schwarz an der Regierung war – und das kann ich immer wieder nur betonen –, wurden die Elternteilzeit, das Kinder­geld, die Abfertigung Neu und der Mehrstundenzuschlag für Teilzeitkräfte beschlossen. All das ist in dieser Zeit damals gekommen, man hat es nur schon vergessen, weil es schon ein paar Jahre her ist. Das waren wirklich soziale Errungenschaften, das kann man nicht absprechen. Was hat es denn in den letzten 30 Jahren Vergleichbares in der Sozialpolitik gegeben? Solche Würfe, solche soziale Errungenschaften hat es seitdem nicht mehr gegeben, und jetzt haben wir wieder ein paar Punkte, wo wir ansetzen kön­nen.

Da gebe ich Ihnen schon recht, der Tausender nach 30 Arbeitsjahren ist fair und gut, aber auch billig. Wenn sie 30 Jahre gearbeitet haben, dann sollen diejenigen, die eine Pension bekommen, zumindest diese 1 000 € bekommen. Es sollen keine Almosen sein, so wie es der Hunderter meiner Meinung nach tatsächlich ist. Der Unterschied zu Jörg Haiders Hunderter ist, dass sein Hunderter mit dem Kindergeld dann nachhaltig war. Das, was für die Kinder ausgegeben worden ist, oder das, was für die Pensionis­ten ausgegeben worden ist, wurde dann ja alles nachhaltig, aber dieser Hunderter jetzt wird ganz einfach verebben.

Ich erinnere mich auch an Vranitzky, der den Pensionisten vor den Wahlen einen Brief geschrieben hat: Alles wird gut sein und ihr braucht euch nicht zu fürchten! – Dann ist bei der Pensionserhöhung die große Null gekommen. Und dann kann ich mich noch erinnern, dass wir nur ganz wenig erhöht haben und dann auch noch den Alleinerhal­terbeitrag wegfallen haben lassen. Da sind dann sehr viele aufgestanden und haben gesagt: Jetzt habe ich weniger als vorher.

Wenn wir das alles Revue passieren lassen, so stellen wir fest, die Pensionen werden scheibchenweise verringert, die Kaufkraft schwindet, und das ist schon dramatisch, weil selbstverständlich auch die Pensionisten ein Recht haben, wenn sie dafür fest gearbeitet haben und dann in eine Phase kommen, in der sie es sich wirtschaftlich nicht mehr aussuchen können, dass sie sich etwas dazuverdienen, dass man sie dann nicht um die Früchte eines ganzen Lebens bringt. Jeder, der Zinseszins rechnen kann, weiß, dass das unredlich ist. Ja, wir müssen uns, wenn wir länger leben, überlegen: Wie können wir das finanzieren? Es darf dann aber nicht so sein, dass auf einem Schleichweg im Endeffekt gar keiner mehr etwas davon hat. Es darf aber auch nicht sein, dass, wenn Arbeitnehmer wirklich brav gearbeitet haben, sich bemüht haben, viel­leicht auch ein bisschen mehr verdient haben und in den Mittelstand gekommen sind, dieser Mittelstand dann ausgehöhlt wird.

Das vorliegende Gesetz, in dem es um die Wiedereingliederung geht, kann man wirk­lich unterstützen. Es kann auch die Fünfjahresperiode im nächsten Gesetz unterstützt werden, zu der wir aliquot die Weiterbildungszeiten erweitert haben. Es ist da also nichts dazugekommen, was es nicht schon gegeben hätte, nämlich die drei Tage. Wenn ich ein Jahr dazugebe, dann sind die aliquot einfach dabei; das war logisch.


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Ich hätte mir auch gewünscht, dass man noch einen Punkt berücksichtigt, wenn man die Rahmenbedingungen für Betriebsratswahlen ändert. Es steht ja drinnen, dass Wahl­karten per Post zu versenden sind, man muss sie eingeschrieben versenden, und das dauert bis zu zwei Wochen. Man hat aber nur eine Woche Zeit! Und ich habe das bei meinen Betriebsratswahlen gesehen: Es sind ungefähr 100 Kuverts zurückgekommen, aber zu spät. Und das ist erheblich! Und da muss man ganz einfach die Initiative er­greifen. Wir werden das machen, wir werden das einbringen, und ich hoffe, dass wir dann zumindest von der Gewerkschaft die Unterstützung bekommen, damit das repa­riert wird.

Zum Punkt 15, zum Gesetz, das die Voraussetzung für die Überprüfung der sozialen Zuwendungen schafft, sage ich: Das ist längst überfällig. Es ist nichts Schlimmes da­bei, wenn man sagt: Ich gebe dir etwas aufgrund der Daten, die du zur Verfügung ge­stellt hast. Du sagst, das ist so und so, und dafür bekommst du das, was im Gesetz vorgesehen ist. Wenn es nicht so ist und man kommt drauf, dann muss das einfach auch weggenommen werden können. Das ist ein No-na-Gesetz! Wenn es Scheinmel­dungen gibt, Wirtschaftsgemeinschaften, Partnerschaften oder sonst etwas gibt, das man falsch angegeben hat, dann ist das zu ahnden. Dass man dazu so lange gebraucht hat, hat mich immer schon verwundert, aber jetzt ist es Gott sei Dank da.

Im Punkt 16 kann ich erkennen, dass jetzt endlich einmal nicht immer nur die Billigst­bieter, sondern auch die Bestbieter irgendwann einmal zum Zug kommen. Auch wenn die Europäische Union das nicht möchte, nämlich Protektionismus, wird es mit diesem Gesetz möglich, dass man das eigene Land ein bisschen fördert. Das ist heute etwas verpönt, aber in Zeiten wie diesen notwendig. Wenn man in manchen Bereichen der Wirtschaft unsere Leute nicht mehr in Arbeit bringt, dann muss man etwas tun, denn das sind wir unseren Leuten einfach schuldig, und das wird mit diesem Gesetz ermög­licht.

Zum sektoralen Arbeitsverbot, zur sektoralen Schließung des Arbeitsmarktes ist es ver­schiedentlich zu Ablehnungen gekommen. Dazu habe ich mir eine Pressemitteilung von Rudi Kaske, vom Arbeiterkammerchef, in der „Presse“ angeschaut. Unter dem Titel „AK-Chef Kaske will Zustrom zum Arbeitsmarkt stoppen“ steht zu lesen: „Darunter versteht Kaske“ die erwähnte „Eindämmung der Beschäftigung von Ausländern (...)“

Also der Sozialpartner, der FSG-Chef in der Sozialpartnerschaftsinstitution Arbeiterkam­mer, spricht da ganz klare Worte – das ist nicht von mir, sondern das ist aus der „Presse“ –, er sagt, das kann es nicht sein, dass wir dort unsere Leute nicht mehr in Ar­beit bringen. Wenn andere Arbeitskräfte über die Grenze hereinkommen, muss man irgendwo eine sektorale Schließung machen können. Wir wissen, dass das am Bau so ist. In anderen Fällen wird es so sein wie bei der Pflege, dass wir sogar froh wären, wenn wir vielleicht den/die eine/n oder andere/n Pfleger/in mehr hätten, weil wir da noch einen Bedarf haben.

Ich will mit einem Zitat von Robert Bosch enden: „Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne bezahle.“ – Dieser Aus­spruch begleitet mich immer, denn es ist so: Wenn der Austausch zwischen Arbeitszeit und Lohn so ist, dass jeder etwas davon hat und diejenigen, die arbeiten, sich auch etwas am Markt kaufen können, dann funktioniert es. Wenn aber sehr viele nichts mehr haben, nicht mehr den Markt nutzen können, sich nichts mehr leisten können, dann können auch die Betriebe zusperren. So funktioniert Wirtschaft nicht!

Da wir hier fünf Tagesordnungspunkte haben, denen wir zustimmen werden, kann ich nur sagen: Das ist ja fast ein weihnachtlicher Friede, diesmal mit fünf Plus zu enden. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrats Hammerl.)

17.12



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Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem darf ich Herrn Bundesrat Stögmüller das Wort erteilen. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.12.24

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ganz essenziell, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach einer längeren Krankheit oder nach einem Unfall wieder die Möglichkeit haben, zu ihrer gewohnten Arbeit zurückzukehren. Einen ordentlichen Schritt machen wir mit der Schaffung einer Wiedereingliederungsteilzeit. Man kann nach einer zumindest sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit mit den Dienstge­berInnen eine solche Wiedereingliederungsteilzeit vereinbaren. Die von Ihnen, Herr Mi­nister, vorgelegte Regelung ist doch – wie soll ich sagen? – sehr komplex, und es be­steht die Wahrscheinlichkeit, dass es immer wieder zu zeitlichen Überschneidungen beziehungsweise Aneinanderreihungen von Zeiten der Eingliederung mit Zeiten des Re­habilitationsgeldbezugs oder des Bezugs von Umschulungsgeld kommen wird. Diese komplexe Regelung benötigt eine erste Erprobungsphase, und dann müssen wir schau­en, wo Nachbesserungsbedarf gegeben ist, denn der Regelungsbedarf ist extrem hoch.

Wir Grüne begrüßen dieses Gesetz sehr. Schon Kurt Grünewald, also nicht nur die FPÖ, sondern auch unser Gesundheitssprecher dazumal, hat im Nationalrat schon im­mer eine derartige Regelung gefordert. Aus unserer Sicht sind auch die grundsätzli­chen Kriterien erfüllt worden. Zum einen wird die Maßnahme medizinisch kontrolliert und von fit2work begleitet. Zum anderen haben DienstgeberInnen, und das ist auch wich­tig, nicht die Möglichkeit, solch eine Teilzeit zu verordnen.

Ein Punkt, den wir natürlich gerne in diesem Gesetz gehabt hätten, ist, dass es einen Rechtsanspruch auf Wiedereingliederungsteilzeit gibt, aber das können wir ja dann ger­ne noch einmal verhandeln, Herr Minister. Vielleicht kommt es ja dann bei der nächs­ten Novellierung.

Wahrscheinlich etwas weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trifft die Umset­zung der EU-Regelung zur europäischen Binnenschifffahrt und zu den Tourneebussen. Ich habe das ganz spannend gefunden, mich da ein bisschen einzuarbeiten, und habe dann auch mit der Gewerkschaft telefoniert. Die Binnenschifffahrt ist ja nicht etwas, das wir in Österreich täglich behandeln. Die beiden Bereiche sind ja in einem kleineren Land wie Österreich sehr wahrscheinlich grenzüberschreitend, und es gibt auch weni­ge gesetzliche Regelungen zu deren Arbeitszeiten.

Die österreichische Binnenschifffahrt umfasst den Donauabschnitt und auch ein paar Seengebiete. Das haben wir im Ausschuss auch beredet. Man sollte vielleicht, wenn wir schon über die Schifffahrt diskutieren, über das Thema auch ein bisschen allge­meiner diskutieren, also zum Beispiel, dass die kollektivvertragliche Entlohnung in den östlichen Ländern etwa ein Zehntel der österreichischen ausmacht. Es lohnt sich für die Schiffsunternehmen also schon, die Schiffe unter einer anderen Landesfahne fah­ren zu lassen. Sogar der Rest der ehemaligen Donaudampfschifffahrtsgesellschaft ist bereits nach Ungarn ausgewandert beziehungsweise dort angemeldet. Das ist sozusa­gen die Entwicklung, die die gesamte Binnenschifffahrt nimmt.

Zurück zur konkreten Regelung: Die zentrale Änderung ist sicherlich, dass die Be­schäftigten nach der abgeleisteten Arbeitszeit „am wandelnden Arbeitsort“ – so heißt es –, sprich am Schiff oder im Tourneebus, bleiben und ihre Ruhezeit dort verbringen dürfen. Das Gesetz bringt damit die Gefahr von Mehrarbeit, denn es wird eher schwer möglich sein, unangekündigt im Tourneebus oder auf dem Schiff zu kontrollieren, be­ziehungsweise wird es auch schwierig sein, herauszufinden, wer gerade arbeitet und wer gerade irgendwo im Bus oder am Schiff seine Ruhezeit genießt. Hier bräuchte es eindeutige Funktionstests in Kombination mit modernen Arbeitsaufzeichnungstechnolo­gien.


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Positiv in dieser Richtlinie sind sicherlich die Ruhezeitbestimmungen für Beschäftigte von Schifffahrtsunternehmen. Die Mindestruhezeit wird, wenn es der Kollektivvertrag zulässt, um zwei Stunden auf zehn Stunden erhöht, davor waren es nur acht Stunden. Dass die Nachtarbeit um drei Stunden länger definiert wird als im Arbeitszeitgesetz und es dafür ein Maximalkontingent gibt, finden wir als Grüne auch positiv.

Ich muss bei dieser Gelegenheit dem Verkehrsinspektorat einen Dank für die gute Arbeit besonders im Zusammenhang mit der Schifffahrtsbehörde beziehungsweise der Finanzpolizei aussprechen. Auch wenn der internationale Spielraum sehr begrenzt ist, meine ich, dass es verbindliche Standards für den Donauraum braucht, die die Län­derkommissionen beschließen sollten, so wie es etwa für den Rhein den rheinländi­schen Standard gibt.

Es wird heute die weitere Finanzierung der Kurzarbeit beschlossen. Diese wird ins Dau­errecht aufgenommen. Die Kurzarbeit hat sich als Instrument in der Wirtschafts- und Finanzkrise halbwegs bewährt und viele Beschäftigte in Arbeit gehalten. Aktuell dürften sich so um die 3 000 Beschäftigte in Kurzarbeit befinden. Es ist für uns Grüne wichtig, dass das unter Einbeziehung der Sozialpartner, sprich von Gewerkschaft, AMS und Wirtschaftskammer, geschieht, damit von Unternehmen nicht leichtfertig auf Kurzarbeit zurückgegriffen wird.

Es gibt natürlich einen Nachteil für Branchen, die nicht organisiert sind. Zum Beispiel sind lediglich 10 Prozent der KurzarbeiterInnen Frauen. Auffallend ist die Dominanz der Produktions- und Industriebranchen. Aufgefallen ist auch, dass Qualifikationsbeihilfen wesentlich weniger in Anspruch genommen wurden. Die erhöhte Beihilfe könnte einen leichten Lenkungseffekt hin zu mehr Qualifikation bringen.

Bei dieser Gesetzesvorlage sehe ich die Änderung in der Datenabfrage des AMS kri­tisch. Da wird dem AMS die Möglichkeit eingeräumt, direkt auf die Meldedaten zuzu­greifen. Zum einen ist es dem AMS jetzt schon möglich, auf das Zentrale Melderegister zuzugreifen, zum Beispiel bei der Überprüfung der Notstandshilfe. Für mich ist der springende Punkt, dass Wohngemeinschaften keine Wirtschaftsgemeinschaften sein müssen. Das heißt, nur weil zwei gemeinsam in einer Wohnung leben, müssen sie kein gemeinsames Konto haben. In dieser Realität müssen wir auch einmal ankommen. Je­der Mensch ist ein Individuum, und da man muss nicht unbedingt ein gemeinsames Kon­to haben. Leistungen des AMS – wie zum Beispiel das Arbeitslosengeld – sind Versi­cherungsleistungen, und daher ist eine Prüfung auf etwaige Lebensgemeinschaften so­wieso überflüssig.

Abschließend noch ein paar Sätze zur jährlichen Novellierung des BUAG, also des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes. Es gibt auf den österreichischen Bau­stellen drei Kontrollinstanzen. Das ist zum einen die BUAK, die kontrolliert die Beschäf­tigung der BUAK-pflichtigen Betriebe und Mischbetriebe; dann gibt es die Finanzpoli­zei, die kontrolliert die grenzüberschreitenden inklusive die überlassenen Beschäftigten von SubauftragsnehmerInnen; und dann gibt es noch die Gebietskrankenkasse, die die Beschäftigten von nicht BUAK-pflichtigen Betrieben kontrolliert. Ich kann da der Stel­lungnahme des ÖGB nur beipflichten. Auch ich halte eine dreigleisige Kontrollstruktur für etwas aufgebläht. Man bräuchte ein einziges schlagkräftiges Organ, um die Kontrol­len durchzuführen.

Abgesehen davon ist in diesem Bereich natürlich positiv, dass die BUAK bis 2019 per­sonell aufgestockt wird, nämlich um 25 zusätzliche Planstellen.

Bei der Finanzpolizei warten wir noch – ich glaube, es war im Lohn- und Sozialdum­ping-Bekämpfungsgesetz, wo wir das dazumal mitbeschlossen haben – auf einen Kon­trollplan und Tätigkeitsbericht zur Ressourcenausstattung. Der soll uns 2018 vorliegen.

In diesem Gesetz werden auch die Finanzierungsströme festgelegt, somit kommen 2 Millionen € beim Überbrückungsgeld weg und 2 Millionen € bei der Schlechtwetter-


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entschädigung dazu – das kann ich unterstützen. Die Lohnkosten steigen nämlich, und auch die Lehrlinge bekommen seit Juli 2016 – erst im Juli letzten Jahres haben wir das beschlossen, wenn ich mich richtig erinnere – eine Entschädigung bei Schlechtwetter, so wie ihre ausgelernten Kolleginnen und Kollegen, was mich natürlich auch sehr freut.

Wir Grüne werden also auch der BUAG-Vorlage unsere Zustimmung geben. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

17.20


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Anderl. – Bitte.

 


17.20.39

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister Stöger! Werte Bundesrätinnen und werte Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Als fünfte und letzte Rednerin zu einem Pa­ket von Tagesordnungspunkten könnte ich jetzt hier stehen und sagen, es wäre alles schon gesagt – aber es gibt immer wieder interessantes Neues hier zu hören.

Wenn sich Bundesratskollege Bernhard Rösch hier ans Rednerpult stellt und tatsäch­lich so tut, als wäre jetzt die FPÖ die einzige soziale Partei, die es gibt, dann kann ich mich ja … (Bundesrätin Mühlwerth: Soziale Heimatpartei!) – Ja, genau, die soziale Hei­matpartei! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundesrat Rösch: Ist so!)

Da habe ich jetzt Folgendes im Kopf: Als Blau in der Regierung war, gab es so einige Dinge im Regierungsübereinkommen wie Selbstbehalte bei Krankheiten, Urlaubsali­quotierung, Verkürzung der Behaltefrist bei Lehrlingen – ich denke, das könnte man jetzt lange weiterführen. Das sind die Dinge, die du uns jetzt nicht gesagt hast, lieber Kollege! (Bundesrat Rösch: Was habt ihr geändert? – Gar nichts!)

Das Neueste, das erst vor Kurzem aktuell war – und da erkenne ich das Soziale daran absolut nicht! –, erst vor einigen Wochen oder Monaten, betrifft die Abschaffung der Selbstbehalte für Krankenhausaufenthalte von Kindern – dem nicht zuzustimmen, das ist etwas, das ich absolut nicht verstehe, und das ist weit davon entfernt, sozial zu agie­ren! (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)

Ich möchte jetzt aber zu den heutigen Tagesordnungspunkten zurückkommen. Es freut mich, dass wir heute von 25 Tagesordnungspunkten 13 Punkte haben, die den Bereich Arbeit und Soziales betreffen. Das zeigt ganz einfach die tolle Arbeit unseres Minis­ters – eines Ministers, der statt vieler Worte Taten setzt und viele Maßnahmen enga­giert umsetzt.

Diese Maßnahmen haben positive Auswirkungen auf unsere Pensionisten und Pensio­nistinnen, auf Beschäftigte, auf Arbeitslose – kurz gesagt: positive Auswirkungen auf Menschen in Österreich. Dafür möchte ich an dieser Stelle dir, lieber Minister, lieber Alois, ein herzliches Danke, vor allem im Namen der Beschäftigten sowie der Pensio­nistinnen und Pensionisten aussprechen. Danke für dein engagiertes Arbeiten! (Beifall bei der SPÖ.)

Viele der diskutierten Maßnahmen, die wir heute hier beschließen werden, sind Maß­nahmen, die ja teilweise schon längere Zeit auf der Agenda der GewerkschafterInnen waren, und daher meine ich, wir können mit Stolz auf unser Sozialsystem blicken.

Das Stichwort Pension – und auch das hat mein Kollege Rene Pfister schon ange­sprochen – ist ein Thema, das uns noch länger ständig begleiten wird, ein Thema, das auch die Generationen nach uns beschäftigen wird. Auch wenn unser Pensionssystem immer wieder schlechtgeredet wird, können wir mit Stolz sagen, dass unsere Pen­sionen nach wie vor stabil sind. Ja, es ist richtig, dass es auch in Zukunft in diesem Be-


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reich wahrscheinlich die eine oder andere Herausforderung geben wird, der wir uns werden stellen müssen – das tun wir ja, und das werden wir auch in Zukunft tun.

Damit unser Pensionssystem aber auch weiterhin so stabil bleibt, brauchen wir Be­schäftigung, auch das ist heute schon angesprochen worden. Zu diesem Zweck haben wir in den letzten Monaten hier im Haus viele Maßnahmen auf den Weg gebracht, um in Zukunft für mehr Beschäftigung zu sorgen.

Was wir aber vor allem brauchen, ist Fairness und Chancengleichheit am österreichi­schen Arbeitsmarkt, das heißt für uns: gleiche Bezahlung für die gleiche Arbeit am gleichen Ort. Wir begrüßen daher die Verdoppelung des Personals, das mit der Auf­gabe der Sozialbetrugsbekämpfung, vor allem im Bereich der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, betraut ist. Damit kann sichergestellt werden, dass zukünftig den sogenannten kritischen Unternehmen – im Großen und Ganzen sind es ausländi­sche Unternehmen, die Billigstarbeitskräfte beschäftigen – ganz genau auf die Finger geschaut werden kann.

Auf die Verlängerung der Funktionsperiode von Betriebsratskörperschaften sind meine Vorredner und Vorrednerinnen ja bereits eingegangen. Dazu möchte ich vielleicht noch eines anmerken: Wir sprechen immer wieder von Bildung, Bildung, Bildung – Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg. Natürlich begrüße ich dieses Gesetz, weil es auch eines unserer Anliegen als Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen war.

Mein persönlicher Wunsch, mit dem ich mich noch anschließen möchte: Die drei Tage mehr, die wir jetzt geschafft haben, könnten ein bisschen mehr sein, um als Betriebs­ratskörperschaft wirklich Bildungszeit konsumieren zu können.

Obwohl es noch sehr viel zu sagen gäbe, komme ich zum letzten meiner Punkte, den ich kurz ansprechen möchte: die Wiedereingliederungsteilzeit. Für mich ist die Wieder­eingliederungsteilzeit ein wirklich tolles Instrument, ein sehr wertvolles Instrument, das wir heute hier beschließen. Es ist eine neue Maßnahme auf gesetzlicher Ebene, auf die wir sicher auch in Zukunft stolz sein können.

Erstmals haben Menschen, die länger als sechs Wochen krank sind, die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das wäre auch heute schon möglich, auch heute können Beschäftigte ihre Arbeitszeit reduzieren – die Pro­blematik dabei ist aber, dass es dann sehr schwer ist, nach dem Umstieg auf Teilzeit wieder auf Vollzeit zurück zu wechseln. Leider gibt es viele Beschäftigte, die diese Chan­ce gar nicht mehr bekommen.

Ich meine, es ist nicht nur eine Wortklauberei: Was mir bei diesem Bereich ganz, ganz wichtig ist, ist, dass es da um Menschen geht, die gesund sind. Sie sind nicht hun­dertprozentig leistungsfähig, aber gesund, nach ihrer Krankheit wiederhergestellt und möchten an ihren Arbeitsplatz zurück. Das eint uns auch nicht, lieber Bernhard Rösch, denn Teilzeitkrankenstand ist dies eben bewusst nicht. Es geht darum, dass wir ge­sunde Menschen wieder zurück an den Arbeitsplatz führen. (Bundesrat Rösch: … Be­handlungsende!) – Das ist kein Behandlungsende, da gibt es keine Behandlung!

Es geht um Folgendes, lieber Bernhard, ich weiß ja, wovon ich spreche: Wenn Men­schen krebskrank sind, dann ist die Behandlung erledigt, und eigentlich sind sie ge­sund und wiederhergestellt, nur der Körper ist nicht auf 100 Prozent. Für diese Men­schen ist es eine gute Sache, dass es sich da um eine Wiedereingliederung nach langem Krankenstand handelt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundesrat Rösch: … Wortklauberei!)

Für mich ist es wichtig, besondere Betonung darauf zu legen, dass das auf Freiwillig­keit des Arbeitnehmers, der Arbeitnehmerin basiert. Ich schließe mich da auch Herrn Bundesrat Stögmüller an, dass uns da noch dieser Rechtsanspruch fehlt. Bundesrätin


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Sandra Kern hat es auch gesagt: Der Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin kann es frei­willig in Anspruch nehmen, aber letztendlich trifft der Arbeitgeber die letzte Entschei­dung. Wir als Arbeitnehmerinnen, als Arbeitnehmer sind daher wieder auf eine Ent­scheidung des Arbeitgebers angewiesen.

Nichtsdestotrotz bin ich davon überzeugt, dass dieses Gesetz wirklich eine tolle Sache für Menschen ist, die wieder zurück an den Arbeitsplatz wollen, und dass es vor allem sehr häufig auch für ihre Psyche notwendig wäre, dass sie wiedereingegliedert werden.

Wir haben mit all den gesetzlichen Maßnahmen, die heute beschlossen wurden, wie­der einmal gezeigt, dass wir, wie ich schon eingangs erwähnt habe, sehr stolz auf un­ser Sozialsystem sein können. Ich denke, dass wir sehr häufig auf sehr hohem Niveau jammern, und wie heute schon Bundesrat und Betriebsrat Rene Pfister gesagt hat: Wir sollten ab und zu auch über die Grenzen Österreichs schauen, dann sehen wir, was unser Sozialsystem eigentlich hermacht. – Ich sage daher: Blicken wir mit Stolz auf un­ser System!

Ich danke nochmals unserem Minister und seinem ganzen Team für ihren Einsatz und für all die Maßnahmen, die wir hier heute, vier Tage vor Weihnachten, beschließen kön­nen. – Ich danke dir. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.29


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Nun darf ich Herrn Bundesminister Stöger das Wort erteilen. – Bitte.

 


17.29.44

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Her­ren! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ich kann nur sagen: danke für den Dank! Ich danke Ihnen, dass es möglich geworden ist, da eine gemeinsame Lösung zustande zu bringen. Ich werde meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihren Dank weiterleiten und schließe mich selbst diesem Dank auch an.

Es war wirklich wichtig, dass wir ein paar schwere Geburten zustande gebracht ha­ben – aber manchmal sind aus schweren Geburten die schönsten Kinder entstanden, und die muss man auch hegen und pflegen und darauf schauen, dass die Erziehung passt. (Allgemeine Heiterkeit.)

Insofern verstehe ich also die Anmerkungen, gerade was die Frage der Wiedereinglie­derungsteilzeit betrifft. Da gibt es einen Rechtsanspruch auf Leistungen der Kranken­versicherung, und das wäre nicht möglich, wenn wir das nicht regeln würden.

Zum zweiten Punkt: Ja, das ist ein bisschen ein Nachteil, nicht jeder Chef, jede Chefin muss das auch akzeptieren, sondern das beruht auf Freiwilligkeit. Aber ganz ehrlich: Wenn jemand nach einem langen Krankenstand wieder in die Arbeit gehen muss und diesen Weg braucht, etwa nach einer Krebserkrankung, nach einem Burn-out, dann ist es doch gescheit, wenn man auch freiwillig mit dem Chef redet, denn sonst hält es die Person ja gar nicht aus.

Entschuldigung, da müssen wir ein bisschen pragmatisch sein, und darum bitte ich auch. Ich meine, dass es trotzdem wichtig ist, dass alle gemeinsam darüber reden, und die meisten Chefinnen und Chefs werden das akzeptieren. Die paar Narrischen, die es nicht tun – mit denen reden wir, ich würde das so einfach formulieren.

Die meisten Chefinnen und Chefs werden das für ihre Mitarbeiter tun, und ich sage diesen auch jetzt schon Danke dafür, denn die kämpfen auch dafür. Es haben viele BundesrätInnen zu diesem Thema etwas gesagt, ich will die Debatte nicht noch einmal verlängern. Ich meine, dass alles schon sehr gut beschrieben worden ist.


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Mir ist es wichtig, noch auf zwei Dinge hinzuweisen. Erstens die Datenabfrage beim AMS: Da geht es um ganz etwas anderes als um Lebensverhältnisse. Ich kann dazu etwas berichten, das ich selbst erlebt habe. Ich war einmal Mitglied einer Wahlkom­mission der Arbeiterkammer, und da habe ich gesehen, dass an einer Adresse 90 Leu­te als wohnhaft eingetragen waren, bei einem Arbeitgeber. Da ich das Haus und die Lebensbedingungen dort ein bisschen gekannt habe, habe ich mich gewundert: Wo sind die? – Ein Hochhaus habe ich dort nicht gesehen. Dort hat es keine Wohnung ge­geben, aber 90 Menschen waren dort gemeldet.

Das sind die Themen, bei denen man genau hinschauen muss, denn da geht es da­rum, Sozialmissbrauch zu verhindern. Daher braucht man beim AMS auch die entspre­chende Information, und ich meine, das ist wichtig.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass es notwendig war, die Betriebsratsfunktionsperio­de auszuweiten und gleichzeitig auch die Bildungsfreistellung zu erweitern.

Ich darf mich aus diesem Grund bei allen Betriebsrätinnen und Betriebsräten bedan­ken. Sie sind jene, die sich bemühen, in den Betrieben den Menschen ein Sprachrohr zu geben. Im Betrieb, wo es schwierig ist, eine Konfrontation zu führen, auf die Inter­essen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu schauen – das machen die Be­triebsrätinnen und Betriebsräte freiwillig. Dazu brauchen diese eine Ausbildung, auch das haben wir garantiert.

Mir ist es ein Anliegen, mich bei genau diesen Betriebsrätinnen und Betriebsräten für ihre tagtägliche Arbeit zu bedanken, wenn es um Kurzarbeit geht, wenn es um Schlie­ßung von Betrieben geht, aber auch, wenn es ganz einfach darum geht, die wirtschaft­lichen, sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu vertreten: Sie machen das ganz ausgezeichnet, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich danke Ihnen für Ihre Zustimmung. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.34

17.34.20

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezem­ber 2016 betreffend ein Wiedereingliederungsteilzeitgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezem­ber 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein


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Handzeichen. – Das ist wiederum die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit an­genommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezem­ber 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezem­ber 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abferti­gungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist wiederum die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit an­genommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Aufgrund eines Versehens meinerseits beim vorheri­gen Abstimmungsblock, bei dem ich ein Blatt des Croquis überblättert habe, wurde die Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 8 nicht durchgeführt.

Ich ersuche daher, mit Ihrer Zustimmung die Abstimmung über den Beschluss des Na­tionalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pen­sionsgesetz 1965 und weitere Gesetze geändert werden, zum jetzigen Zeitpunkt durch­führen zu dürfen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich danke für die Bereinigung dieses Versehens.

17.37.0117. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Pflegefondsgesetz geändert wird (1331 d.B. und 1448 d.B. so­wie 9668/BR d.B. und 9685/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend Vereinbarung ge­mäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinba­rung zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung geändert wird (1351 d.B. und 1449 d.B. sowie 9686/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zu den Punkten 17 und 18 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Ebner. Ich bitte um die Be­richte.

 


17.37.42

Berichterstatterin Adelheid Ebner: Herr Präsident! Herr Bundesminister Stöger! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über


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den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Pflegefondsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Vizepräsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Der zweite Bericht ist jener des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumenten­schutz über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2016 betreffend Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Anderl. – Bitte.

 


17.39.01

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuseher und Zuseherin­nen vor den Bildschirmen! Wer von uns Anwesenden war noch nie in der Situation, dass er mit der Pflege von nahen Angehörigen zu tun hatte?

Es ist natürlich sehr positiv zu sehen, dass die Menschen in Österreich immer älter werden und immer länger leben. Gleichzeitig steigt dadurch aber auch der Bedarf an Pflege und vor allem auch der Bedarf an Betreuung, daher war die Einführung des Pfle­gefonds eine wichtige Maßnahme zur Verbesserung der Pflegedienstleistung.

Die finanzielle Basis, um den Pflegefonds einzuführen, war damals die Einführung der Bankenabgabe. Man hat nicht lange dazu gebraucht, hat nicht lange darüber nachden­ken müssen, wofür dieses Geld eingesetzt werden soll – und ja, es war eine wichtige Entscheidung und eine richtige Entscheidung!

Die Zukunft der Pflege ist durch die steigende Zahl der Pflegebedürftigen gekenn­zeichnet – wie ich schon eben erwähnt habe – und dadurch, dass wir immer älter wer­den und es einen massiven gesellschaftlichen Wandel mit geänderten Familienstruk­turen, einen veränderten Arbeitsmarkt und veränderte geografische Mobilität gibt. Da­her ist es notwendig, genau diesen Bereich der Pflege abzusichern.

Ich bedanke mich bei unserem Sozialminister Alois Stöger für seinen Einsatz im Rah­men der Finanzausgleichsverhandlungen, da dadurch der Pflegefonds, der durch den Bundesminister außer Dienst Rudolf Hundstorfer im Jahre 2009 eingeführt wurde, nicht nur verlängert wird, sondern auch finanziell abgesichert ist.

Derzeit werden in Österreich für die Pflege circa 2,5 Milliarden € ausgegeben. Damit die Länder ihre Aufgaben wahrnehmen können, werden zusätzlich noch 1,9 Milliar­den € in den Pflegefonds fließen. Damit können die Länder qualitative Pflege anbieten beziehungsweise auch die Pflegeangebote weiter ausbauen.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 67

Wir finden selten Situationen vor, in denen ganze Familien in einem Haushalt leben, wo Großmütter, Mütter, Enkelkinder alle gemeinsam leben und jemand da ist – in der Regel sind es die Töchter, die das machen –, der dann die Pflege der Mütter, Schwie­germütter oder Großmütter übernimmt. Frauen sind nämlich sehr häufig selbst berufs­tätig. Nichtsdestotrotz passiert es immer wieder, dass es nach wie vor, wenn zu wenige Pflegeeinrichtungen vorhanden sind, Frauen sind, die ihre Berufstätigkeit aufgeben müs­sen, um einen nahen Angehörigen zu pflegen.

Wenn wir uns die Pflegeeinrichtungen oder auch die 24-Stunden-Pflege ansehen, dann sehen wir auch in diesem Bereich, dass überwiegend Frauen diese Tätigkeit der Pflege ausüben. Als Gewerkschafterin freut es mich sehr, dass bei diesem Pflegefonds auch darauf geachtet worden ist, dass auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflegehei­men, in allen anderen Einrichtungen gute Arbeitsbedingungen vorfinden und man auch bei dieser Maßnahme, bei diesem Gesetz nicht auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer in diesen Einrichtungen vergisst.

Ich möchte abschließend die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Menschen, die andere pflegen, egal, ob es im privaten Bereich ist oder im professionellen Bereich, recht herz­lich zu bedanken. Ich glaube, dass uns allen klar ist und wir alle wissen, dass je­manden zu pflegen eine sehr schwierige Aufgabe ist, eine körperlich schwierige Auf­gabe. Und ich hänge auch noch an, dass dies sehr häufig nicht wirklich so bezahlt ist, wie wir uns das wünschen würden.

Heute wurde es, glaube ich, schon einmal gesagt: Wir stehen ein paar Tage vor Weih­nachten, daher erlaube auch ich mir einen Wunsch an das Christkind, nämlich dass der Pflegefonds auch in Zukunft, über das Jahr 2021 hinaus immer finanziell abgesi­chert ist und Menschen, die nicht mehr für sich alleine sorgen können, trotzdem in Ge­borgenheit und mit guter Pflege die Chance haben, alt werden zu können. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.43


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Ledl-Ross­mann zu Wort. – Bitte.

 


17.43.32

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines vorweg – eigentlich sind es zwei Punkte: Die Verlängerung des Pflegefonds und auch die Verlängerung der 24-Stunden-Betreuung sind Förderungen, denen wir und vor allem ich sehr gerne zustimmen werden. Gerade die weitere Dotierung des Pflege­fonds vom Jahr 2017 bis 2021 trägt für mich die ganz klare Handschrift der Sozial- und Finanzreferenten der Länder, aber auch des Sozial- und des Finanzministers, die den Pfad für die kommenden Jahre genau festgelegt haben.

Die Zahlen wurden ja schon von meiner Vorrednerin genannt, deswegen möchte ich sie nicht wiederholen, ich werde aber zu ein paar inhaltlichen Punkten Stellung bezie­hen, die ich als sehr wichtig empfinde – vor allem, dass die Qualität sichergestellt ist.

Es gibt aber einen Punkt, über den ich mich im ersten Moment wirklich gewundert habe, nämlich dass nun im Gesetz steht, dass auch in den Nachtstunden Personal mit der Ausbildung der Pflegefachassistenz oder des gehobenen Dienstes vor Ort sein oder über Rufbereitschaft verfügbar sein muss.

Ich sage auch, warum ich verwundert war: weil ich eigentlich schon vor 15 Jahren mei­nen Dienstplan im Heim genau so geschrieben habe, dass 24 Stunden am Tag eine diplomierte Kraft vor Ort ist. In der Folge bin ich auch draufgekommen, dass, auch wenn es sehr viele Heime in vielen Bundesländern Gott sei Dank richtig handhaben, dies leider nicht überall der Fall ist.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 68

Daher hoffe ich sehr, dass dadurch, dass es genau festgehalten ist, auch lückenlos vollzogen wird, denn es geht um zwei Dinge: selbstverständlich in erster Linie um die absolute Qualitätssicherung für die Betroffenen, aber, wie ich glaube – auch wenn sie wegen der Kosten Sorgen haben –, gerade auch um die Betreuer. Ihnen möchte ich sagen, es geht ja auch um ihre Absicherung. Ich denke, wir wollen uns alle nicht vor­stellen, wie es ist, wenn es in den Nachtstunden einen Notfall gibt und keine Pfle­geperson vor Ort ist, die die Kompetenzen hat, Maßnahmen zu ergreifen oder einzu­leiten. Aber ich hoffe, dass das dann wirklich auch der Vergangenheit angehört.

Beim stationären Bereich wurde festgehalten, dass man, wenn möglich, nur ab der Pfle­gestufe 4 aufnimmt. Aber auch da bin ich dankbar, dass es einen zusätzlichen Aspekt gibt. Wenn es nämlich soziale Gründe gibt, werden auch niedrigere Pflegestufen auf­genommen. Das ist sehr oft im Demenzbereich der Fall, aber auch bei jenen – diese Fälle gibt es auch –, die keinen Menschen in der nahen Umgebung haben, die sie pflegen können, oder wo Angehörige diese Arbeit nicht übernehmen wollen. Deswegen finde ich es wichtig, dass es auch hierbei die Möglichkeit einer stationären Aufnahme gibt. Darüber hinaus halte ich es für zentral, dass bei den Kostenbeiträgen die sozialen Aspekte berücksichtigt werden, und vor allem auch, dass man einen Schwerpunkt setzt betreffend die Versorgung zukünftiger demenzieller Erkrankungen. Ich glaube, auch das ist ein Thema, das uns immer mehr beschäftigen wird.

Ein Teil – und über den freue ich mich wirklich sehr –, der ganz klar festgehalten ist, sind die zusätzlichen 18 Millionen € jährlich für den Hospiz- und Palliativbereich. Die Enquete-Kommission „Würde am Ende des Lebens“ hat diese Empfehlung im März 2015 abgegeben – eine Enquete-Kommission, bei der ich selber dabei war. Sehr viele Menschen haben sich über ein Jahr lang sehr intensiv mit diesem Thema aus­einandergesetzt. Wenn man selber dabei war, freut es einen natürlich umso mehr, dass solche Maßnahmen auch sehr zeitnah ergriffen werden und Empfehlungen aufge­nommen wurden.

Parallel zu diesem Thema sei es mir erlaubt, sehr aktuell aus Tirol Folgendes zu be­richten: Nach der heutigen Regierungssitzung unter Federführung unseres Landeshaupt­mannes wurde festgehalten und verkündet, dass sich Tirol zum Ziel gesetzt hat, bis 2018 eine flächendeckende Hospiz- und Palliativbetreuung mit verschiedenen Maßnah­men auszubauen.

Diese reichen von einem neuen Hospizhaus – das derzeit schon gebaut wird; aber das ist ja ein sehr vielfältiges Thema – bis hin zu Projekten betreffend Palliativ- und Hos­pizbegleitung in Pflegeheimen, im Krankenhaus, was den mobilen Bereich betrifft, den ehrenamtlichen Bereich, in dem alle zusammenspielen – das Land, die Sozialversiche­rungen und auch die Hospizgemeinschaft –, um auf besondere Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen.

Gerade in diesem Zusammenhang bin ich dankbar für einen Beschluss, der gestern in der Zielsteuerungskommission in Tirol gefasst wurde – in dieser sind ja das Land, der Bund, die Sozialversicherungen und der Gemeindeverband vertreten –, nämlich dass es auch ein eigenes Konzept für Kinder- und Jugendhospiz-Betreuung geben wird. Ich glaube, da dieses Thema jedes Jahr leider auch sehr viele junge Menschen betrifft, ist es wichtig, dass man auch diesbezüglich eigens Vorkehrungen trifft.

Deshalb bin ich stolz darauf, dass wir in diesem Sinne auch eine Vorreiterrolle ein­nehmen, aber umso mehr hoffe ich auch, dass es sehr viele Nachahmer gibt, denn ge­nau dieses Thema muss auch dem ganzem Land ein großes Anliegen sein. Diese Menschen sollen am letzten Lebensweg eine würdige, ja, die bestmögliche Begleitung und Betreuung haben.

Als sehr wichtig empfinde ich auch die Einführung der mehrstündigen Alltagsbegleitung und Entlastungsdienste. Es ist meiner Meinung nach ein Lückenschluss zwischen mo-


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 69

biler Pflege und 24-Stunden-Betreuung. Frau Kollegin Anderl, ich verbessere Sie recht ungern, aber ich bitte um Achtsamkeit: Man neigt dazu, umgangssprachlich 24-Stun­den-Pflege zu sagen, aber das ist es nicht, es ist eine 24-Stunden-Betreuung. Ich glaube, es ist auch wichtig, dass man die korrekten Bezeichnungen verwendet. Bezüg­lich der 24-Stunden-Betreuung ist die Erhöhung der Förderung, aber auch die Weiter­führung der Förderung absolut wesentlich.

Ich denke, die Zahlen sind hinlänglich bekannt, aber es ist schon immer wieder be­eindruckend – darum erwähne ich es auch gerne –, dass über 80 Prozent der Men­schen zu Hause gepflegt werden.

Frau Kollegin Anderl hat es ja schon angesprochen: Es wird gerade von den Ange­hörigen großartige Arbeit geleistet. Ich glaube, alles, was man machen kann, um sie zu unterstützen, ist wichtig. Wir sind in Österreich auf einem sehr guten Weg, wir haben gute Unterstützungsangebote. Es ist auch wichtig, dass man Menschen Mut macht, diese zu nutzen, denn ich komme immer wieder drauf, dass es viele Möglichkeiten der Unterstützung gibt, von denen die Betroffenen gar nichts wissen.

Eines ist meiner Meinung nach ganz klar: Das Thema wird uns in Zukunft immer mehr fordern. Die Menschen werden Gott sei Dank immer älter, aber diese Jahre im Alter bringen zusätzliche Herausforderungen mit sich.

Ich meine, dass dies ein vielfältiges Thema ist, über welches gerade ich noch sehr lan­ge reden könnte, aber das werde ich heute nicht tun – die Betonung liegt auf heute, denn mir ist das Thema wichtig und ich möchte es auch im kommenden Jahr als einen Schwerpunkt behandeln. Alle, die mich kennen, wissen, dass es mir ein Herzensanlie­gen ist, aber ich weiß auch von sehr vielen Kolleginnen und Kollegen hier im Bun­desrat, dass es ihnen gleichermaßen ein wichtiges Anliegen ist, über diese Themen zu sprechen und da etwas zu tun.

Deshalb freue ich mich darauf und hoffe, dass es uns gemeinsam gerade auch im kommenden Jahr gelingt, das Thema Pflege immer wieder hier im Bundesrat aktuell zu präsentieren und vielleicht gemeinsam den einen oder anderen Schritt zu machen. Ich meine nämlich, dass es uns allen gleichermaßen wichtig sein muss, dass wir jene Men­schen, die Unterstützung und Hilfe brauchen, und auch jene, die Pflege leben – egal, ob in einem Heim oder als pflegende Angehörige – bestmöglich unterstützen und für sie da sind. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.51


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Ecker zu Wort. – Bitte.

 


17.52.14

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): „Den alten Menschen Ehre entge­genzubringen, das umfasst eine dreifache Verpflichtung ihnen gegenüber: Annahme, Beistand und Wertschätzung ihrer Eigenschaften.“ – Das hat schon Papst Johannes Paul II. in seinem Brief an die älteren Menschen im Jahre 1999 geschrieben. Und diese drei Eigenschaften – Annahme, Beistand und Wertschätzung – sind ganz elementare Teile der 24-Stunden-Betreuung und -Pflege, die notwendig ist.

Die Laufzeit der Förderung für die 24-Stunden-Betreuung wird um fünf Jahre verlän­gert, bis zum Ende des Jahres 2021, und das ist auch unbedingt notwendig, um die Länder und Gemeinden zu entlasten, die Finanzierung der Pflege sicherzustellen und mit dieser staatlichen Unterstützung den Menschen zu Hause ein Älterwerden zu er­möglichen.

Überlegt man sich, warum gefördert werden muss, dann sollte man sich vielleicht auch einmal anschauen – wer es noch nicht gemacht hat –, welche Kosten bei einer 24-Stun-


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 70

den-Betreuung anfallen. Nimmt man einen oberösterreichischen Anbieter mit durch­schnittlichen Kosten her, dann werden Organisationskosten von 400 € fällig, die einma­lig zu zahlen sind, 115 € für ein Serviceentgelt, das monatlich anfällt, und ein 24-Stun­den-Honorar – wir haben es heute schon gehört; das ist nicht das, was wir uns wün­schen –: Für 24 Stunden sind es 70 bis 80 € netto. Das ist wirklich nicht sehr viel, aber trotzdem kommen für die betroffenen Personen, die Betreuung benötigen, große Sum­men zusammen.

Man muss auch noch miteinrechnen: Hat man eine 24-Stunden-Betreuung im Haus, fallen auch noch Kost und Logis an. Es sind auch Fahrtkosten zu leisten, wenn sich zwei Betreuer abwechseln, weil für 24 Stunden zwei Betreuer notwendig sind.

Damit man diese Förderung in Anspruch nehmen kann, darf man ein maximales Net­toeinkommen von 2 500 € haben und – das ist beim Einstieg in die 24-Stunden-Be­treuung auch oft ein Hemmschuh – man braucht einen Anspruch auf Pflegegeld von Stufe 3 bis 7. Erst dann bekommt man eben diese Förderung vom Bundessozialamt, über die heute gesprochen wird, von 550 € für zwei Betreuer beziehungsweise 275 €, wenn man einen braucht.

Rechnet man die Kosten zusammen, kommt man auf etwa 2 400 € im Monat. Zieht man Förderung und Pflegegeld der Stufe 3 ab, bleiben immer noch 1 200 €, die von den zu Pflegenden selbst oder deren Familien zu leisten sind. Hinzu kommen noch Wohn-, Betriebs- und Lebenshaltungskosten, und das für drei Personen, wenn zwei Be­treuer im Haus sind.

Welche Tätigkeiten müssen oder sollen diese Betreuer leisten? – Genau solche, die sonst eine Familie abfedern oder leisten kann: einkaufen, kochen, tägliche Hilfe bei der Körperpflege und auch die Förderung körperlicher und geistiger Eigenschaften, um diese so lange wie möglich zu erhalten. Und die Menschen sollen auch so lange wie möglich in der Lage sein, Sachen selbst zu machen. Das heißt, man lässt sie dies auch tun und versorgt sie nicht nur. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt der 24-Stunden-Be­treuung. Wir haben schon gehört, wie viel das kosten wird und wie viel dafür eingeplant ist.

Früher war es eben innerhalb des Familienverbandes machbar, dass sowohl alt als auch jung betreut wurden. Heutzutage ist das beinahe ein Glücksfall, und trotzdem kann man in Österreich sagen, dass in etwa 80 Prozent der Pflege in den Familien geleistet wird – von den Ehepartnern, den Kindern oder nahen Angehörigen. An dieser Stelle möchte ich dafür, dass das noch immer möglich ist, meinen herzlichen Dank aus­sprechen.

Einige in diesem Haus werden es auch aus eigener Erfahrung wissen, denn es betrifft jede Familie irgendwann einmal, dass man von einem Tag auf den anderen genau in diese Lage kommt, eine solche Situation bewältigen zu müssen, wenn jemand schnell pflegebedürftig wird, oder dass es auch absehbar ist. Und meistens – das haben wir auch schon gehört – machen das die Frauen, meistens unentgeltlich und meistens sehr, sehr gerne. Das ist nicht selbstverständlich. All das muss auf die Waagschale ge­worfen werden, beachtet man den Kostenfaktor, da diese Pflege in privaten Häusern zu 99 Prozent unentgeltlich erfolgt.

Seit die Zugangsbestimmungen für das Pflegegeld mit der Stundenaufwandszahl er­höht wurden, ist es für viele ältere Menschen schwieriger, Zugang zum Pflegegeld zu bekommen, dadurch auch schwieriger, stationäre Pflege zu bezahlen und sich selbst eine 24-Stunden-Betreuung zu organisieren und zu bezahlen, diesbezüglich sehen wir dringenden Handlungsbedarf.

Hinzu kommt, dass auch die Steuerfreibeträge bei diesen Beeinträchtigungen oft be­reits durch alltägliche Aufwendungen erreicht werden. Die Steuerfreibeträge gehören


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unbedingt valorisiert und vielleicht auch in Stufen erhöht, damit man dadurch den An­gehörigen Unterstützung zukommen lässt und es leistbarer wird.

Es gibt eine sehr interessante Lektüre, eine Masterarbeit von der Fachhochschule Ober­österreich von Frau Klara Derntl: Kostenvergleich verschiedener Pflege- und Betreu­ungsformen im Alter. Die Gruppe der Betagten und Hochbetagten der Genera­tion 80 plus wird langfristig den höchsten Zuwachs aufweisen. Wir werden bis 2020 um 20 Prozent mehr über 80-Jährige in unserem Land haben. Das erfordert nachhaltige, leistbare Wohn- und Betreuungsformen und, nicht zu vergessen, wie schon gesagt, den großen Bereich der informellen Pflege, der privaten, familiären, zwischenmenschli­chen und unentgeltlichen Pflege und Betreuung, die unbedingt noch mehr unterstützt werden muss, damit der bevorstehende Anstieg der stationären Pflegeplätze reduziert beziehungsweise verringert werden kann.

Noch einmal deutlich zusammengefasst, kann man sagen: Die Betreuung der älteren Personen – und da werden wir einmal alle dazugehören – ist eine der größten Heraus­forderungen der Zukunft in unserem Gesellschaftssystem. Dafür sind noch viele, viele Schritte notwendig. Die Sicherung der 24-Stunden-Pflege ist einer davon, und den ge­hen wir gerne mit. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

17.59


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Stögmüller zu Wort. – Bitte.

 


17.59.12

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehr­ter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der große Bereich Pflegebetreuung von älteren Menschen steht vor immensen Herausforderungen. Wir diskutieren heute die finanzielle Herausforderung: Wie erreichen wir mit unseren finanziellen Mitteln eine qualitativ hochwertige Pflege von älteren Menschen? Und wie schaffen wir gleichzeitig optimale Arbeitsbedingungen für die Pflegenden? Eine weitere Herausforderung ist na­türlich auch der demographische Wandel. Auf die steigende beziehungsweise stetige Individualisierung unserer Gesellschaft müssen wir eingehen.

Gerade der Druck auf die sozialpolitische Absicherung, das Risiko, pflegebedürftig zu werden, wächst enorm. Da müssen wir als Politik wirken und den Menschen auch wirk­lich zeigen, dass in Österreich niemand Angst haben muss, als älterer Mensch allein gelassen zu werden, und dass wir auch in Zukunft ein Sozialsystem haben werden, das alle Menschen in allen Krankheitslagen ausgezeichnet pflegt und versorgt. Diese stetige Herausforderung müssen wir wirklich angehen.

Dem Kostendämpfungspfad, der maximal 4,6 Prozent jährliche Steigerung der gesam­ten Bruttoausgaben aller Länder vorsieht, stehen ich und auch meine Fraktion sehr skeptisch gegenüber; wir lehnen ihn prinzipiell ab. Warum? – 4,6 Prozent sind im bes­ten Fall eine Abgeltung für die demografische Entwicklung, also für die steigende Zahl an zu pflegenden Menschen. Ich bin mir sicher, dass es durch diese Deckelung – die auch bei Nichteinhalten der Länder, das haben mir Ihre KollegInnen aus dem Ministe­rium gesagt, mit einer Solidaritätshaftung sanktioniert werden kann – zu einer Leis­tungskürzung für die Patienten beziehungsweise zu einer Kontingenteinsparung beim Personal kommen wird, die die Pflegenden und die Angehörigen spüren werden, be­sonders aber wieder einmal das Personal.

Als Mitglied im Sozialhilfeverband meines Wohnbezirkes bin ich auch im Prüfungs­ausschuss und besuche regelmäßig Pflegeheime und Senioreneinrichtungen. Vorletzte Woche besuchte ich ein Pflegeheim der Diakonie im Bezirk Braunau, in Mauerkir­chen – Kollege Tiefnig ist jetzt nicht da –, also ich kann Ihnen eines sagen: Ich bin fas-


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ziniert von dem Konzept, das hinter so einer Pflegeheimeinrichtung steckt, ganz be­sonders aber vom einzelnen Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nicht nur bezüglich ihrer Erfahrung in der Pflege der Menschen, sondern auch in der Kon­zeptweiterentwicklung.

Wie schaut die Gegenwart und wie die Zukunft der Pflege aus? Wie kann man in unse­rer Gesellschaft auf die verschiedenen Ansprüche der älteren Bevölkerung auch wirk­lich eingehen? – Bei den verschiedenen Gesprächen mit den Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern – egal, ob aus dem stationären Bereich oder aus der mobilen Betreuung –ka­men einige große Handlungsfelder heraus.

Da ist zum einen die lange Warteliste auf einen Heimplatz. Das wird ja gerade noch kaschiert durch die 24-Stunden-Pflege, aber dazu sage ich später noch etwas.

Im stationären Betrieb oder in den Pflegeheimen gibt es Probleme mit den alten Bau­substanzen – da können mir sicherlich alle Kolleginnen und Kollegen, die im Sozialhil­feverband sind, recht geben –, die es gerade für das Personal noch möglich machen, ordnungsgemäß zu arbeiten. Dazu kommen noch eine fehlende Tagesbetreuungsstruk­tur sowie ein Personalschlüssel, der unbedingt an die wirklichen Erfordernisse ange­passt werden muss.

Ein Beispiel aus der Praxis: Eine demente Person wird in Oberösterreich in Pflege­stufe 3 eingestuft. Jeder, der mit Betreuung zu tun hat, weiß, dass ein Mensch, der an Demenz leidet, viel mehr Pflege und Betreuung braucht als eine Person, die eine PEG-Sonde braucht oder bettlägerig ist. Diese Menschen bekommen aber die Pflegestufe 6 oder 7. Genau da stimmt dieser Personalschlüssel nicht mehr, das heißt, es ist viel auf­wändiger, eine Person mit Demenz in Pflegestufe 3 zu betreuen als eine bettlägerige Person in Pflegestufe 6 oder 7.

Zudem gibt es auch Unterschiede zwischen den verschiedenen Trägern der Altershei­me, zum Beispiel ob in der Nacht Diplompersonal anwesend ist, also gehobener Ge­sundheitsbetrieb besteht und ein Gesundheits- und Krankenpfleger in der Nacht anwe­send ist.

Da muss ich Sie, Frau Kollegin Ledl-Rossmann, ein bisschen korrigieren: In der Re­gierungsvorlage – ich habe sie extra herausgesucht –, § 3a Abs. 4, steht, dass wäh­rend der Nachtstunden eine MitarbeiterIn anwesend sein kann oder die Rufbereit­schaft, welche entweder eine PflegefachassistentIn oder eine Kraft aus dem gehobe­nen Dienst ist. Ich weiß nicht, habe ich das falsch verstanden? (Bundesrätin Ledl-Rossmann nickt.) – Okay.

Ich finde, das ist nicht viel Veränderung zum Status quo; auch jetzt ist in Pflegeheimen bereits eine PflegefachassistentIn in der Nacht anwesend, nur fehlt ein gehobener Dienst, der auch wirklich Notfallsituationen einschätzen und auch entscheiden kann. Das ist der wesentliche Punkt, und das fehlt jetzt auch.

Was braucht es da? – Ich glaube, dass es einen bundeseinheitlichen Mindeststandard­rahmen und einen Mindeststandard im Personalschlüssel in der Pflege braucht, und diese Forderung richte ich auch ganz gezielt in Richtung der Länder. Ich weiß, das liegt nicht am Ministerium, sondern an den Ländern.

Ich war gerade beim Thema Demenz: Was es weiter braucht, sind periphere Tagesbe­treuungseinrichtungen, zumindest in jedem Bezirk eine; denn: Was wir nicht vergessen dürfen – das hat Frau Kollegin Ecker bereits gesagt –, das ist die informelle Pflege. Cir­ca 75 bis 80 Prozent der gesamten Pflegeleistung – das sind die aktuellen Zahlen von Ihrem Ministerium – geschehen informell. Das heißt, 80 Prozent der zu pflegenden Men­schen werden von Angehörigen, Verwandten, Nachbarn, Freunden oder Bekannten ge­pflegt und betreut. Meist sind das wieder Frauen, die ihren Mann, die Schwiegereltern


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oder sonstige Angehörige betreuen, und das fast immer unentgeltlich und mit ver­schwindender Wertschätzung bezüglich der Sozialleistungen.

Was auch übersehen wird, das ist der psychische Druck, dem die Angehörigen durch die Pflege von Demenzkranken oder aggressiven Angehörigen ausgesetzt sind, aber auch die physische Belastung ist enorm. Es fehlt an Schulungen, gerade was die Kin­ästhetik-Arbeit angeht. Die Pflegenden machen sich selbst kaputt, gerade was den Rücken, das Umlagern betrifft. Es fehlt komplett an Schulungen, die die Angehörigen dahin gehend brauchen. Gerade im Sinne der Angehörigen brauchen wir eine gut struk­turierte Tagesbetreuungsmöglichkeit, vielleicht nicht nur stationär, sondern auch mobil, denn auch die pflegenden Angehörigen haben sich einmal eine Auszeit verdient.

Ich bin auch gespannt auf das nächste halbe Jahr, in welchem sich der Bundesrat mit dem Thema Pflege auseinandersetzen wird. Vielen Dank von unserer Seite für die The­menwahl an die designierte Bundesratspräsidentin Ledl-Rossmann. Das Thema wird sicher spannend.

Wieder zurück zum Gesetz: Nun gibt es auch die Möglichkeit des Zweckzuschusses für mehrstündige Alltagsbegleitung und den Entlastungsdienst. Damit möchte man eine Lücke zwischen der Hauskrankenpflege, der HKP, und der 24-Stunden-Betreuung schlie­ßen. Die Finanzierung, Herr Minister Stöger, haben mir Ihre MitarbeiterInnen gesagt, wird über den Finanzausgleich und mit zusätzlichen 300 Millionen € erfolgen. Ich glau­be, das war auch eine Anfrage. Was mich da stört, ist, dass die MitarbeiterInnen keine Ausbildung bekommen und in die Selbständigkeit – sagen wir einmal – gedrängt wer­den.

Wieder zurück zum Kostendämpfungspfad, den wir heute beschließen: Ich bin der Mei­nung, dass mit dieser Steigerung von 4,6 Prozent genau solche Visionen, wie Tages­betreuungsstätten und so weiter, weit in die Zukunft verschoben werden. Wir lassen wieder nur enttäuschte Angehörige und Pflegekräfte, die mehr Anerkennung und fi­nanzielle Unterstützung für ihre gesellschaftliche Arbeit verdient hätten, zurück. Dieser Dämpfer, Herr Minister, lässt, wenn überhaupt, einen kleinen Spielraum für zusätzliche Leistung und Angebote beziehungsweise für qualitätsvolle Verbesserungen zu.

Dass der Pflegefonds ab dem Jahr 2018 abgesichert ist und mit 4,5 Prozent valorisiert wird, ist zu begrüßen. Das ist auch auf die demografische Entwicklung zurückzuführen und lässt im besten Fall zu, dass das bestehende Angebot an die steigende Zahl von älteren Menschen mit Pflegebedarf angepasst wird.

2018 gibt es dann eine neue Harmonisierung des Dienstleistungsangebotes. Ich möch­te hier nur ganz kurz ein paar Punkte ansprechen: Zum einen – wie schon gesagt – wird es wieder keinen bundeseinheitlichen Mindestpersonalschlüssel geben. Ich glau­be, da braucht es eine klare Vorgabe, es muss nicht nur für ein ausreichendes Maß an Personal gesorgt werden, wie es im Gesetz steht – gerade in den Nachtstunden, aber das wurde ebenfalls bereits angesprochen.

Das hat auch Auswirkungen, denn was gerade in den ländlichen Regionen fehlt, sind Betreuungsplätze für intubierte, beatmete oder TracheostomapatientInnen, die regel­mäßig abgesaugt werden müssen. Da oftmals kein gehobener Dienst in der Nacht an­wesend ist, müssen diese zu Hause betreut werden.

Wobei ich noch skeptisch bin, ist die Aufnahme in den stationären Bereich ab dem Jahr 2018 nur mehr ab Pflegestufe 4. Ich bin auch dafür, dass die Menschen so lange wie möglich zu Hause bleiben können, also nach dem Prinzip mobil statt stationär, aber man muss auch folgenden Aspekt berücksichtigen – das größte Problem, das ich dabei sehe –: dass der Bedarf an mobiler Pflege stark steigen wird. Die Organisatio­nen, die die Betreuung durchführen, müssen daher auch eine ordentliche Aufstockung der Betreuungsstunden bekommen, denn diese haben jetzt schon ewig lange Warte-


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listen von KlientInnen, die auf eine Versorgung warten. Darauf müssen wir vorbereitet sein, damit diese Leute, die in der mobilen Pflege sind, nicht vor einem größeren Pro­blem stehen.

Zum Personal: Es gibt jetzt schon das Problem, genügend Personal – gerade in der HKP zu finden, das auch bereit ist, in der mobilen Betreuung zu arbeiten. Was wir dabei auch nicht vergessen dürfen, ist, dass Menschen in der Pflegestufe 3 ihre Umge­bung noch ganz anders wahrnehmen und aufnehmen können als oftmals Menschen in der Pflegestufe 4. Darauf will ich jetzt aber nicht eingehen.

Schade finde ich auch, dass man im Rahmen des Finanzausgleiches zu keiner Eini­gung betreffend das Schonvermögen gekommen ist; vielleicht wird es 2021 geschehen.

Wir werden trotz aller Kritik dieser Gesetzesvorlage zustimmen, weil es für uns wichtig ist, zumindest ein gleichbleibendes Gesundheits- und Sozialsystem zu erhalten, auch wenn wir mit dem Kostendämpfungspfad nicht glücklich sind.

Ich weiß, ich habe heute wirklich viel zu sagen, aber das ist das Problem, wenn wir so viele wichtige Tagesordnungspunkte unter einem verhandeln.

Zur Artikel-15a-Vereinbarung – ausnahmsweise einmal nichts zur Mindestsicherung, son­dern zu der 24-Stunden-Betreuung –: Es haben alle Länder geschafft, mitzumachen. 21 900 Personen in Österreich nehmen eine 24-Stunden-Pflege in Anspruch, dem ste­hen 78 325 PersonenbetreuerInnen – fast ausschließlich Frauen – gegenüber.

Im vorliegenden Gesetzentwurf ändert sich nichts im Vergleich zu den Jahren 2008 und 2013. Ich möchte aber schon etwas zu der 24-Stunden-Betreuung sagen: Ich finde es etwas traurig, um es nicht überspitzt sagen zu müssen, dass Teile unseres Sozial­systems darauf vertrauen, dass die 24-Stunden-Betreuung unter diesen Arbeitsbedin­gungen weiter steigen wird. Es sind Frauen, meist aus der Slowakei, Bulgarien, Ru­mänien, die unter diesen arbeitsrechtlichen Bedingungen arbeiten, gegen die Gewerk­schaften in der Welt jahrzehntelang gekämpft haben, und die wir uns jetzt wieder zu­nutze machen.

Die Pflegekräfte werden in Scheinselbständigkeiten gedrängt und verzichten damit auf sozialrechtliche Absicherung und auf eine kollektivvertragliche Entlohnung. Es bleiben, wenn es gut geht, ein paar Hunderter im Monat. Auf Rückzugsangebote und so weiter will ich gar nicht eingehen. (Vizepräsidentin Winkler gibt das Glockenzeichen.) – Ich bin schon am Ende.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Herr Bundesrat, kommen Sie zum Schluss!

 


Bundesrat David Stögmüller (fortsetzend): Ja. – Es braucht da staatliche Kontrolle, Standes- und Ausübungsregelungen.

Vielen Dank, wir werden trotzdem zustimmen, aber es braucht da dringend Verbesse­rungen in der 24-Stunden-Pflege. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic. – Zwischenruf des Bundesrates Mayer. – Bundesrat Tiefnig: ... Du redest so viel Blödsinn den ganzen Tag, wirklich wahr! – Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von Grünen und ÖVP.)

18.10


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hammerl. – Bitte.

 


18.10.34

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Sonja, danke für deine ausgezeichnete Rede und ein großes Danke – in zwölf Tagen bist du bereits Präsidentin des Bundes­rates –, und du hast die Pflege bereits zu deinem Schwerpunkt gemach.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 75

Meine Damen und Herren! Es ist heute schon viel gesagt worden, daher kann ich mich kurz halten: Änderung des Pflegefondsgesetzes, keine Frage – ich möchte auch im Na­men des Hilfswerks Österreich, aber auch des Hilfswerks Steiermark ein großes Danke sagen. Ich selbst bin der Vorsitzende, ich habe über 1 500 Mitarbeiter im Pflegebe­reich. Wir haben aber in der Steiermark – und das ist überall so – zu wenig Personal. Wir wissen, dass es in der Steiermark circa 1,2 Millionen Einwohner und 368 000 über Sechzigjährige gibt. Meine Damen und Herren, das wird in Zukunft auch ein Problem sein.

Wir haben jetzt vor Kurzem in der Steiermark einen Gesundheitsplan verabschiedet, der in 25 Jahren vieles verändern wird. Vor circa 30 Jahren hatten wir noch 27 Kran­kenhäuser mit 8 000 Bediensteten. Wir haben jetzt circa 18 000 Bedienstete, und – Herr Minister, du weißt es – wir würden sofort, ab morgen, zusätzlich noch circa 150 Ärzte be­nötigen.

Meine Damen und Herren! Es geht aber nicht nur um die Verlängerung des Pflege­fonds, sondern auch um die Veränderungen, damit das Ziel des Ausbaues unserer so­zialen Dienstleistung im Bereich der Pflege erreicht werden kann. Die Wahlfreiheit in Bezug darauf, welche Pflege man in Anspruch nimmt, soll ausgebaut werden. Das ge­schieht durch ein Angebot von Pflegeformen, die den Bedürfnissen des Menschen an­gepasst sind: Pflege durch Angehörige – das wurde heute erwähnt –, betreute Wohn­formen, Betreuungsangebote, das sind nur einige Elemente einer Pflegelandschaft, die den verschiedenen Bedürfnissen gerecht werden.

Die Änderung des Gesetzes ist auch eine Reaktion auf die Kritik des Rechnungshofes, dass die stationäre Langzeitpflege auf die demografische Entwicklung nicht ausrei­chend vorbereitet ist, obwohl der Pflegefonds mit 1,3 Milliarden € dotiert ist. Nach Mei­nung des Rechnungshofes sind Qualitätsvorgaben und Transparenz der Leistungen und Kosten nicht sichergestellt. Das ist inzwischen erledigt. Danke, Herr Minister!

Vom Rechnungshof wird eine bessere Planung und Steuerung auf dem Pflegesektor in ganz Österreich eingefordert. Dieser Kritik wird insofern Rechnung getragen, als dass zusätzlich Steuerungselemente  das war wichtig – entwickelt und ein Ausgabenpfad im Bereich der Langzeitpflege eingeführt wird – Kostensteigerung, wie bereits erwähnt: 4,6 Prozent.

Meine Damen und Herren! Dazu bedarf es auch einer Harmonisierung in Bezug auf das Dienstleistungsangebot der Länder, daran müssen wir arbeiten.

Die Landessozialreferenten – Herr Minister, die waren ja bei dir – haben den Bundes­minister für Arbeit und Soziales um eine Weiterführung des Ausbaus des Pflegefonds als dauerndes, haftendes und stabiles Finanzierungsinstrument gebeten. Du hast zu­gesagt, das zu unterstützen. Ein solches Instrument brauchen wir nicht nur, um eine gesetzliche Grundlage für die Gewährung von Zweckzuschüssen in der Höhe von fast 2 Milliarden € an die Länder für die Jahre 2017 bis 2021 zu schaffen, sondern es geht auch darum, weitere Einrichtungen zu finanzieren. Das wird natürlich auch in Zukunft ein schwieriger Punkt werden. Zusätzlich sollen 18 Millionen € jährlich für eine Erweite­rung der Hospiz- und Palliativbetreuung eingesetzt werden. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Humanisierung auch im Bereich des Sterbeprozesses.

Herr Minister, du hast da ganz gut reagiert – auch dafür ein großes Danke! Ich weiß, es war nicht einfach, noch einmal die 18 Millionen € herauszurücken. Ausdrücklich wird auch eine Aufnahme einer mehrstündigen Alltagsbegleitung in das Dienstleistungsan­gebot als Ziel eingeforder


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t.

Mit dieser Änderung des Pflegefondsgesetzes ist ein ganz wichtiger Schritt zur Errei­chung des Zieles der Verbesserung der bedarfsgerechten Versorgung der pflegebe­dürftigen Menschen und ihrer Angehörigen mit leistbaren Betreuungs- und Pflegeleis­tungen und Erhöhung der Finanzierungssicherheit für die Länder von 2017 bis 2021 gesetzt worden.

Wichtig ist aber, meine Damen und Herren, dass wir diesen Zeitraum nicht ungenützt verstreichen lassen dürfen. Es geht nämlich darum, die Anforderungen, die sich aus den Veränderungen der Altersstruktur ergeben, bewusst zu gestalten.

Noch eines zum Schluss: Wir jammern hier oft auf hohem Niveau, auch in diesem Hau­se. Wir wissen aber, dass wir in Österreich ein hohes Pflegegeld haben. Wir haben nicht nur das höchste Pflegegeld Europas, von den 28 EU-Ländern, wir haben in Ös­terreich das höchste Pflegegeld der ganzen Welt und dieses noch dazu heuer um 2 Pro­zent erhöht! Viele von uns wissen es nur nicht, und viele Menschen wissen es auch nicht. Vielleicht hat die Politik auch einen Fehler gemacht, wir alle. Wir haben den Men­schen viel gegeben, auch im Pflegebereich, da und dort, auch im Bereich der Pensio­nen. Wir müssen den Menschen auch sagen, was das kostet, Herr Minister!

Wir leben in Österreich in einem guten Land, auch im Bereich der Pflege! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesräte Schreyer und Stögmüller.)

18.15


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Längle. – Bitte.

 


18.16.00

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Bevor ich in die Tagesordnung einsteige, möchte ich noch eine Sache zu einem vorangegangenen Tagesordnungspunkt anspre­chen, und zwar zur Eingliederung nach einem Krankenstand. Wir Freiheitliche haben uns auch dafür ausgesprochen, und da darf ich zwei Anfragen – aus weiser Voraus­sicht – von uns Bundesräten aus Vorarlberg hier hervorheben. Wir haben schon im letz­ten Jahr genau diese Thematik mit unseren Anfragen angesprochen, und jetzt ist das umgesetzt worden. – Danke dafür, dass Sie unsere Vorschläge aufgenommen haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Zurück zur Tagesordnung: In Verhandlung steht das Pflegefondsgesetz und die Artikel-15a-Vereinbarung bezüglich der 24-Stunden-Betreuung. Ich möchte an die vielen Re­debeiträge meiner Vorredner anschließen, ganz besonders hebe ich hier die Wert­schätzung hervor, denn es ist so, dass jeder von uns älter wird, und es sollte doch für uns alle gelten, dass man in Würde altern kann. Das können wir in Österreich ge­währleisten, da wir doch gute Mittel dafür haben, allen Menschen – auch wenn jemand einkommensschwächer war – eine gute Pflege beziehungsweise Pflegebetreuung zu ermöglichen. Das bringt auch Sicherheit für die Personen, denn jeder wird älter, und es ist gut, dass wir dafür gute Einrichtungen haben.

Stichwort gute Einrichtungen – diese sind alle in den Kommunen, in den einzelnen Ge­meinden, untergebracht –: Altersheime, Pflegeheime, Seniorenheime und dergleichen. Hier ist es schon sehr wichtig, dass alle politischen Ebenen gut zusammenwirken; wenn seitens der Regierung, seitens des Parlaments, Gesetze beschlossen werden, dass die einzelnen Landesregierungen in den unterschiedlichen Bundesländern unter­stützt werden, dann kann ich nur appellieren, dass dann aber die zuständigen Landes­regierungen die Gelder auch an die Gemeinden weitergeben.

Bei mir in Vorarlberg ist es leider so, dass die Gemeinden immer gerne zur Kasse ge­beten werden. Da wäre mein Wunsch in Richtung Bregenz, in Richtung schwarz-grüne Landesregierung, dass die Gemeinden nicht finanziell ausgequetscht werden.

Dazu ein Beispiel: Gerade in meiner Heimatgemeinde Götzis, wo rund 11 500 Perso­nen wohnen, müssen wir über 5 Millionen € für Gesundheitskosten ausgeben und Rich-


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tung Bregenz zahlen; das ist schon eine große Belastung. Wir haben für die ganze Region gerade ein Alters- und Seniorenheim, wohin viele Menschen kommen, und das ist sehr teuer. Das wäre schon ein Appell von meiner Seite, dass das nicht vergessen wird und dass darauf geschaut wird, dass das Geld auch dort ankommt, wo es hinsoll, nämlich zu den bedürftigen Menschen in den Altersheimen. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit diesem Gesetz haben wir ein Regelwerk bis ins Jahr 2021, es werden rund 1 914 Mil­lionen € ausgeschüttet. Das ist doch eine stolze Summe und auch von meiner Seite, von der freiheitlichen Seite her, lobenswert zu erwähnen. Ein kleiner Wermutstropfen sind diese 18 Millionen €, die in Bezug auf die Erweiterung des Pflegeangebotes, Stich­wort Hospiz und dergleichen, auch im Gesetz angesprochen werden. Vielleicht könnte man da in Zukunft auch schauen, dass das etwas mehr wird, denn wie wir alle wissen, ist es auch so – Herr Kollege Hammerl hat es auch angesprochen –, dass eben die Lebenserwartung ansteigt und auch gerade die Pflege ein Bereich ist, der sich ständig ändert und einem Wandel unterzogen ist. Da wäre es eben auch gut, diverse Erweite­rungsangebote zu berücksichtigen.

Betonen möchte ich auch noch, dass da eine Forderung der Freiheitlichen umgesetzt wurde. Wir haben immer gesagt, dass man die Vorschläge des Rechnungshofes auf­greifen soll. Dieses Pflegefondsgesetz ist eben auch eine Empfehlung des Rechnungs­hofes – Stichwort Ausgabenpfad und Steuerungselemente –, das ist also durchaus er­freulich.

Abschließend halte ich fest, dass wir Freiheitliche beiden Gesetzesbeschlüssen gerne unsere Zustimmung geben werden, dem Pflegefondsgesetz und der Artikel-15a-Ver­einbarung bezüglich der 24-Stunden-Betreuung.

Was mir auch ein besonderes Anliegen ist: Ich möchte hier in diesem Hohen Haus ein großes, großes Danke an all die vielen Personen aussprechen, die in den unterschied­lichsten Einrichtungen tagtäglich einen tollen Einsatz im Bereich der Pflege leisten. Danke. (Allgemeiner Beifall.)

18.21


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Stöger. – Bitte, Herr Minister.

 


18.21.23

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es ist mir ein Anliegen, Ihren Dank, Herr Bundesrat, an alle Menschen, die tatsächlich Pflegeleistungen erbringen, zu bestätigen.

Ich glaube – und das hat mich heute auch sehr gefreut –, diese Menschen haben ge­merkt, dass sich die österreichische Politik sehr intensiv – auch diese Debatte hat das gezeigt – mit der Leistung der Pflege auseinandersetzt. Danke dafür.

Ich möchte all diesen Personen auch vonseiten der Bundesregierung den Dank für die tolle Leistung abstatten, die sie in diesem Jahr wieder erbracht haben. Die Bundesre­gierung hat sich bemüht, diese tolle Leistung auch zu unterstützen.

Sie erinnern sich, wir haben 2011 eine Diskussion über eine Bankenabgabe gehabt. Da hat es viele Diskussionen darüber gegeben, warum man das macht. Wir haben die Bankenabgabe eingeführt, und damals hat Kollege Rudi Hundstorfer gesagt: Okay, wenn wir da zusätzliches Geld bekommen, dann verwenden wir das dort, wo es die Men­schen am meisten brauchen, und das ist die Pflege.

Da haben wir auch bewusst Geld in die Hand genommen, um auch die Gemeinden zu entlasten. Dieses Geld entlastet die Menschen, die Pflege brauchen, und es entlastet auch die Gemeinden, weil ihnen mehr Geld zur Verfügung steht. Ich verstehe schon:


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Gerade in der Pflege braucht man immer mehr Mittel, aber der Bund hat seine Aufgabe erfüllt, wir werden in der Finanzausgleichsperiode 1,9 Milliarden € für den Pflegefonds ausgeben.

Ich bedanke mich bei Bundesrat Hammerl für seine Darstellung. Österreich kann sich in der Welt sehen lassen, und es wäre schön, wenn wir das auch in Österreich so dis­kutieren. Es ist die gemeinsame Arbeit dieser Politik des Zusammenhalts, der Solidari­tät, die dafür sorgt, dass wir Menschen in der Pflege Hilfe anbieten können.

Ich denke, das sind die wichtigen Schritte. Es geht mir natürlich auch darum, die qua­litative Weiterentwicklung zustande zu bringen, das ist auch von den Bundesrätinnen Anderl und Ledl-Rossmann angesprochen worden. Ich habe gemerkt, da steht En­gagement dahinter, da ist es auch wichtig, diese Themen anzusprechen. Ich glaube, da muss man genau hinsehen.

Beim Kostendämpfungspfad, Herr Abgeordneter Stögmüller, ist es natürlich immer wich­tig, eine Richtschnur zu haben: Wohin können wir uns entwickeln, wie gehen wir damit um? Es geht auch darum, genau zu schauen, wie wir die Mittel richtig einsetzen kön­nen. Ich habe natürlich persönlich ein Interesse an österreichweit gültigen, gemeinsa­men Qualitätsstandards, ich bitte diesbezüglich auch alle Mitglieder des Bundesrates, mitzuwirken, dass wir auch in den Bundesländern auf eine gemeinsame Regelung kommen, auch bei der Frage des Schonvermögens. Das ist sicher noch ein Thema, bei dem weiterer Handlungsbedarf besteht.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei Bundesrat Hammerl für seinen Aufruf. – Danke.

Ich glaube, es ist wirklich wichtig, zu sagen, dass wir eine gute Versorgung haben und uns bemühen, diese zu verbessern. Das ist auch wichtig.

Gestatten Sie mir abschließend – da es in diesem Jahr mein letzter Redebeitrag hier im Hohen Hause ist –, mich bei Ihnen zu bedanken: erstens für die Unterstützung, zwei­tens für die kooperative Zusammenarbeit. Manchmal streitet man ein wenig härter, das gehört dazu, das ist auch gut so. Ich bedanke mich dafür.

Ich darf Ihnen und auch den Zuhörerinnen und Zuhörern, falls es welche gibt (allgemei­ne Heiterkeit), die besten Weihnachtswünsche übermitteln und für das Jahr 2017 Ge­sundheit wünschen. Menschen, die in Österreich die Solidarität aufrechterhalten: Ich glaube, sie sind das Entscheidende. – Herzlichen Dank für die Zusammenarbeit. (All­gemeiner Beifall.)

18.26

18.26.16

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht noch jemand ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezem­ber 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflegefondsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezem­ber 2016 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 79

Handzeichen. – Auch das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt gelangen, gestatte mir, lieber Herr Mi­nister Stöger, dir im Namen von uns allen ein paar ruhige Stunden zu Weihnachten und viel Kraft und viel Erfolg auch für 2017 zu wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir dürfen in unserer Mitte nun Herrn Bundesminister Mag. Leichtfried begrüßen. Herz­lich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

18.28.2719. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird (1917/A und 1418 d.B. sowie 9695/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (1347 d.B. und 1420 d.B. sowie 9696/BR d.B.)

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über die Statistik zu Straßenverkehrsunfällen mit Personenschaden (Straßenverkehrsunfallstatistik-Gesetz) erlassen und das Bun­desstraßengesetz 1971 geändert wird (1353 d.B. und 1421 d.B. sowie 9697/BR d.B.)

22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (28. StVO-Novelle) (1356 d.B. und 1423 d.B. sowie 9698/BR d.B.)

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (18. FSG-Novelle) (1358 d.B. und 1424 d.B. sowie 9699/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zu den Punkten 19 bis 23.

Berichterstatter zu den Tagesordnungspunkten 19 und 20 ist Herr Bundesrat Pfister, Be­richterstatter zu den Tagesordnungspunkten 21 bis 23 ist Herr Bundesrat Schen­nach. – Ich bitte um die Berichte.

 


18.30.32

Berichterstatter Rene Pfister: Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ge­legenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird.

Um der Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen, die die Unterstützung ei­nes Assistenzhundes benötigen, entgegenzuwirken, bedarf es einer bundeseinheitlich festgelegten Regelung.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 80

Ich komme gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 20: Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird.

Wesentliche Bestandteile sind: Entfall der Wirtschaftlichkeitsprüfung im Trassenfestle­gungsverfahren; Ergänzungen um ein in der Praxis gebräuchliches Zustimmungssurro­gat bei der Umsetzung von objektseitigen Lärmschutzmaßnahmen.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Herr Berichterstatter Schennach, bitte.

 


18.31.53

Berichterstatter Stefan Schennach: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Statistik zu Straßenverkehrsunfällen mit Personenschaden (Straßenverkehrsunfallsta­tistik-Gesetz) erlassen und das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. – Alle meine Berichte sind dank der Grünen nur mehrheitlich angenommen.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Weiters: Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrs­ordnung 1960 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme wiederum zur Antrag­stellung:

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmenmehrheit – richtig! – den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Nun zum letzten Bericht des Ausschusses für Verkehr, jenem über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Füh­rerscheingesetz geändert wird, die 18. FSG-Novelle.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 wiederum mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Bundesrat Samt zu Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


18.33.52

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer zu Hause vor den Fernsehgeräten! Ich möchte kurz zu drei Themenblöcken Stellung nehmen: zur Änderung des Gelegen-


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 81

heitsverkehrs-Gesetzes, zur Änderung des Bundesstraßengesetzes und zur Änderung der Straßenverkehrsordnung. Zum Straßenverkehrsunfallstatistik-Gesetz und zum Füh­rerscheingesetz wird dann noch Kollege Krusche Stellung beziehen. Ich kann aller­dings gleich vorwegnehmen, dass wir diesen drei von mir genannten Punkten unsere Zustimmung geben werden. (Präsident Lindner übernimmt den Vorsitz.)

Betreffend das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz war es doch hoch an der Zeit, die vor einiger Zeit geschaffene Richtlinie, dass Assistenzhunde auch in Taxis mitzunehmen sind, in einen Gesetzestext zu gießen. Anscheinend waren einige Taxifahrer da ganz offensichtlich anderer Ansicht. Ich bin sehr froh und dankbar, dass sich neben den Or­ganisationen auch die Volksanwaltschaft, das Ministerium und schlussendlich der Ge­setzgeber damit beschäftigt haben und eines klargestellt haben: Menschen, die einen Assistenzhund benötigen, sind mitzunehmen. – Traurig genug, dass wir das per Ge­setz verordnen müssen, damit das möglich ist.

Die wesentlichen Änderungen des Bundesstraßengesetzes sind der Entfall der Wirt­schaftlichkeitsprüfung im Trassenfestlegungsverfahren, weiters eine detaillierte Rege­lung hinsichtlich der Prüfung der volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen As­pekte bei Bundesstraßenvorhaben, ‑bauvorhaben, und die Ergänzung um ein in der Praxis anwendbares System – Zustimmungssurrogat finde ich einen sehr spannenden Ausdruck – für die Umsetzung von objektseitigen Lärmschutzmaßnahmen.

Auch das sind sehr, sehr wichtige Dinge. Aus meiner Heimat Steiermark gibt es genug Negativbeispiele, die zeigen, dass das durchaus nötig war. In den Siebzigerjahren, glaube ich, wurde damit begonnen, die Umfahrung Weiz, die B 64, zu projektieren. Nach einem jahrzehntelangen Planungsprojekt und UVP-Verfahren – mit allen Einsprüchen, die es dazu gibt – wurde dann 2014 schlussendlich der erste Teilabschnitt realisiert, der Kostenaufwand lag bei 33 Millionen €.

Bei der Planung vor Ort hat man dann festgestellt, dass man aufgrund der Gege­benheiten im Jahr 2012 die Unterflurtrassen nicht mehr gebraucht hätte. Man hätte sie nicht mehr gebraucht, da die Lärmschutzmaßnahmen, die wir zu dem Zeitpunkt ge­kannt haben, ausgereicht hätten. Das heißt, man hat da also 10 bis 12 Millionen € an Steuergeldern verbrannt, da man nicht mehr zurück konnte, weil man bewilligte Bau­vorhaben nicht mehr anders projektieren konnte. Wir hoffen – das ist für uns ganz wich­tig –, dass mit dieser Gesetzesänderung solche Dinge in Zukunft verhindert werden, dass Projekte instant geplant werden können und dadurch schnell und auch kosten­günstig umgesetzt werden können.

Der dritte Themenkreis, die Änderung der Straßenverkehrsordnung, ist ein sehr um­fangreicher Bereich, den Sie alle kennen. Die wesentlichen Punkte daraus zusammen­gefasst: der Entfall der besonderen behördlichen Ermächtigung zur Vornahme von Al­komatuntersuchungen durch die Bundespolizei, neue Zusatztafeln mit dem Symbol eines Steckers für Elektrofahrzeuge – das ist sicher auch ein ganz wichtiger Punkt, um Fahrzeugen mit Elektroantrieb einen gewissen Vorzug zu geben, auch in den Berei­chen, wo geladen werden kann.

Dazu fällt mir ein, dass wir in diesem Haus bereits mehrmals versucht haben, im Zu­sammenhang mit dem Umbau die Errichtung von Elektrotankstellen im Parlamentsbe­reich zu realisieren. Das ist bis jetzt immer noch nicht in Planung, anscheinend auch nicht gewollt. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Also da könnte vielleicht nach­gebessert werden. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.– Wir hoffen darauf. Wir blei­ben da hartnäckig, sonst gibt es ja nichts!

Die Verwendungsmöglichkeiten von Bildmaterial aus bildgebenden Überwachungssys­temen, wodurch auch gestraft werden kann, wenn jemand beim Autofahren telefoniert, unerlaubte Personenbeförderung durchführt oder keinen Sicherheitsgurt anlegt, ist ein


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ganz wichtiger Punkt, denn man sieht das ja laufend, dass Menschen beim Autofahren ohne Freisprecheinrichtung telefonieren. Wir wissen, dass wir in diesem Bereich noch immer einige Sicherheitsmankos haben.

Was nicht meine ungeteilte Zustimmung hat – es sei mir gegönnt, dass ich das er­wähne –, ist der Entfall der Ausnahmebewilligung für das Anbringen von Werbetafeln an Straßenbeleuchtungseinrichtungen oder Signaleinrichtungen. Ich möchte dazu nur anmerken, dass ich mich auch beruflich seit vielen Jahren damit beschäftige, nämlich gerade mit den Ablenkungen im Verkehrsbereich, es gibt hier RVS, Vorschriften und Vorgangsweisen, die auf diesen sehr erheblichen Ablenkungsbereich abzielen. Ich den­ke dabei vor allem an die modernen Medien, an die ganzen LED-Plates und LED-Bildschirme, die heute an allen Ecken und Enden flimmern und leuchten und teilweise von den zuständigen Behörden wieder abgedreht werden, weil sie nicht den Richtlinien entsprechen.

Da ist also, glaube ich, ein falscher Zugang gewählt worden. Ich bin eher der Meinung, dass diese Bestimmungen verschärft statt gelockert gehören, weil wir wissen, dass die­ser Punkt konträr zu den Beschlüssen oder den Überlegungen ist, mehr Verkehrssi­cherheit hereinzubringen, gerade im städtischen Bereich, wo Ablenkung ein ganz enor­mer Themenbereich ist.

Wie gesagt, beruflich beschäftige ich mich mit Gutachten. Da kommt es immer wieder vor, dass die meisten dieser Werbesysteme, vor allem in der Nacht, nicht annähernd irgendwelchen Vorschriften und Richtlinien entsprechen. Deswegen, bitte, hier keinen Kniefall vor der Werbeindustrie! Die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer im Straßenver­kehr geht hier vor. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

18.40


Präsident Mario Lindner: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat No­vak. – Bitte.

 


18.40.53

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Tagesordnungspunkt anschaut, sind es sieben Redner, also sollte man wahrscheinlich nur zu zwei, drei Punkten reden. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Du meinst damit, dass ich mich kurz halten soll. (Bundesrat Mayer: Ziemlich kurz!) Ja.

Ich möchte aber auch ganz kurz etwas zu diesem Gelegenheitsverkehrs-Gesetz sa­gen. Kollege Samt hat es ja schon gesagt; auch für mich ist es unvorstellbar, dass das so lange gedauert hat, dass es, wenn man aufgrund von Behinderungen einen As­sistenzhund oder einen Blindenführhund hat und auf diesen angewiesen ist, nicht mög­lich war, dass man zum Beispiel in einem Taxi oder im Gelegenheitsverkehr im Auto diesen Hund hat mitführen können. Sehr wohl aber war es schon seit längerer Zeit möglich, das mit einem öffentlichen Bus zu bewerkstelligen. Ich glaube, mit dieser Än­derung wird nun auch der Bestimmung des Bundes-Behindertengleichstellungsgeset­zes entsprochen und sichergestellt, dass diese Benachteiligung von Menschen mit Be­hinderung beseitigt worden ist oder wird.

Wenn man noch zu Punkt 20, Bundesstraßengesetz, Punkt 21, Straßenverkehrsunfall­statistik-Gesetz, zu Straßenverkehrsordnung und Führerscheingesetz kommt und eini­ge Worte verlieren sollte: Mit diesen Gesetzesänderungen wird gleich eine ganze Rei­he von Maßnahmen ermöglicht, die die Verkehrssicherheit in Österreich verbessern sollten. Wir wissen, dass wir im Vorjahr, im Jahr 2015, glaube ich, 475 Verkehrs- und Unfalltote gehabt haben. Das spricht eigentlich überdeutlich dafür, dass alle Maßnah­men, die hier gesetzt werden, absolut wichtig und unverzichtbar sind. Sie zeigen auch


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in die richtige Richtung, so wie wir das heute mit dieser Fülle an Gesetzen sehen. Es ist auch in den vergangenen Jahren schon so gewesen, dass man sich Schritt für Schritt vortastet.

Ich möchte aber noch einmal darauf zurückkommen, dass Bundesminister Leichtfried die Vision Zero herausgegeben hat – das ist auch gut so – und ausgerufen hat und alle seine Aktivitäten in die Richtung setzt, diesen Nullstand, diese Vision irgendwann zu erreichen. Das Ziel zu erreichen, keine Verkehrstoten mehr zu haben, wird sicher schwierig sein. Aber Schritt für Schritt, mit all den Ansprüchen dieser Gesetze, die wir beschließen, wird es irgendwann in der Zukunft auch einmal so sein, dass diese Un­fallzahlen reduziert werden. Man muss ja sagen, dass es einen Vorreiter dafür gibt, der dieses Ziel in etwa erreicht hat: Das ist Schweden. Im Ansatz ist das dort gelungen.

Es ist für mich auch ein bisschen unverständlich, dass man es bisher nicht geschafft hat – das ist jetzt auch unter Bundesminister Leichtfried durchgesetzt worden –, diese Erfassung von statistischen Daten einzuführen, also nicht nur die Verkehrsverunfallten, die tot sind, in der Statistik zu erfassen, sondern, so wie man es jetzt versucht, diese Straßenverkehrsunfallstatistik mit einem Gesetz zu beschließen, weil wir ja alle wissen, wenn wir versuchen, das alles zusammenzuführen beziehungsweise Benchmarking da­raus zu machen, dass man daraus ersehen kann, wo man noch ansetzen kann, um dann in diesem Bereich wiederum weniger Verkehrstote zu haben.

Ein anderer Ansatzpunkt, für mehr Verkehrssicherheit zu sorgen, ist, dass alkoholisier­te Verkehrsteilnehmer leichter aus dem Verkehr gezogen werden können. Auch das ist ein Teil des Gesetzes: Die vorliegende Novelle der Straßenverkehrsordnung wird eine Reduktion des Verwaltungsaufwandes bewirken und die Vornahme von Alkomatunter­suchungen beziehungsweise Alkoholüberprüfungen erleichtern. Wiederum ein Mosaik­stein in die richtige Richtung!

Es wurde schon über den Einsatz von Alkolocks gesprochen; schauen wir, wie man das umsetzen kann! Aber es ist sicher ein guter Beginn, dass man als Alternative zu einem Teil des Entzugs der Lenkerberechtigung bei Alkoholisierung ab 1,2 Promille – das entspricht eigentlich einer Entzugszeit von rund vier Monaten – jenen, die beruflich den Führerschein notwendig brauchen, die Möglichkeit gibt, das zu machen.

Es ist auch im Ausschuss sehr lange darüber diskutiert worden – wahrscheinlich auch im Nationalrat –: Wie kann man das verhindern? Wie kann man das einsetzen? Wie kann man das umgehen? – Aber ich glaube, es ist relativ gut erklärt worden: Selbst wenn man am Anfang versucht, das Ganze durch Umgehung in Bewegung zu setzen, werden ja nach einer gewissen Zeit, während man fährt, weitere Kontrolltests verlangt, und da ist es dann nicht so, dass das auch ein anderer machen könnte. – Es wird in weiterer Folge dann die Realität zeigen, wie man das umsetzen kann. Aber es ist auch wieder ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.

Ein weiterer Schwerpunkt betrifft die Nutzung der Radarfotos von Überwachungska­meras nicht nur für die Ahndung des Delikts, für dessen Verfolgung sie aufgenommen worden sind – Überschreitung einer Geschwindigkeitsbeschränkung –, sondern man sieht dort auch, wenn Handys verwendet werden, was bis jetzt nicht möglich war, oder wenn einer keinen Gurt angelegt hat, sodass man in diesen Bereichen dann auch Stra­fen festlegen kann.

Weiters geht es noch um die Probezeit – und das finde ich auch eine ganz interessante Situation, die der Herr Bundesminister dort beleuchtet hat –, und zwar darum, den Pro­beführerschein jetzt von zwei auf drei Jahre zu verlängern – das ist unbedingt notwen­dig – und dabei auch die Benützung des Mobiltelefons als Delikt mit aufzunehmen, dass man also die Jugendlichen auch darauf hintrimmt, in Zukunft nicht zu diesem Te­lefon zu greifen.


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Aber worauf ich hinweisen möchte, ist diese besorgniserregende Situation, die man uns im vorigen Jahr mitgeteilt hat – wenn jemand das im Gedächtnis hat, ich weiß die Zahlen nicht mehr –, und zwar hinsichtlich dessen, wie viele Unfälle wir mit dem Zwei­rad gehabt haben und dass es da einen Anstieg gegeben hat, sodass man bei den Jugendlichen, die den Mopedführerschein und die Mopedausbildung machen, das Min­destalter ein wenig – ich weiß jetzt auch nicht, in welcher Größenordnung – anhebt, um auch hier für die Zukunft Sicherheit zu erzielen.

Alle diese Maßnahmen stellen zusammengenommen ein umfassendes Projekt dar, um in Zukunft die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Ich denke, dass wir da auf dem richtigen Weg sind und dass das, was vom Herrn Bundesminister angekündigt worden ist, keine heiße Luft ist, keine leeren Worte sind, sondern dass man mit diesen Aktivitäten zeigt, dass man Schritt für Schritt in diese Richtung kommt, weniger Verkehrstote zu haben.

Frau Kollegin Mühlwerth! Ich muss, da ich als Kärntner angesprochen worden bin – ich weiß, dass Ihnen das unangenehm ist oder dass dir das unangenehm ist –, einfach Stel­lung dazu nehmen. Die Behauptung, hier heraußen zu sagen (Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth), dass die SPÖ und die ÖVP in Kärnten mitgestimmt haben zum Thema Hypo, ist eigentlich wirklich falsch. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist nicht falsch!) Falsch! (Bundesrätin Mühlwerth: Da wart ihr mit dabei!) Es ist falsch!

Ich werde in ein paar Sätzen sagen, warum es falsch ist: Weil im Jahre 1990 … (Ruf bei der FPÖ: Worüber reden wir jetzt?) – Darf ich bitte darauf antworten, was die Frau Kollegin gesagt hat?! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Im Jahre 1990 ist eine Ausfallsbürgschaft beschlossen worden. Das war im Jahre 1990. (Bundesrätin Mühlwerth: Warum hast du eigentlich zu dem Tagesordnungspunkt nichts mehr zu sagen? Dem Straßenverkehr!) Der Blick auf die Beschlüsse des Kärntner Landtags zeigt: Die Höhe der Haftungsgrenze wurde nie beschlossen. Nie beschlossen! Das ist eben so, und das werden Sie einfach zur Kenntnis nehmen müssen. (Bundesrätin Mühl­werth: Rede doch zur Sache!)

Ja, okay, aber den einen Satz werden Sie mir schon noch zugestehen. Ich lasse mir auch nicht dreinreden mit dem, was Sie jetzt sagen wollen. Es ist auf jeden Fall so – und da hat meine Kollegin Ana Blatnik recht –, dass im Jahre (Bundesrätin Mühlwerth: Der Herr Präsident macht nichts! Reden Sie zur Sache!), dass im Jahre 2007 (Bun­desrätin Mühlwerth: Herr Präsident, rufen Sie dazu auf, zur Sache zu sprechen!), dass im Jahre 2007 – und da haben Sie unrecht (Bundesrat Jenewein: Wäre es zu viel …?) – die SPÖ und die ÖVP nicht mitbeschlossen haben!

Sie von der FPÖ haben jetzt in Kärnten dagegen gestimmt! Sie haben gesagt, wir sol­len in Konkurs gehen. Sie haben bis jetzt nur Feuerwehr gespielt, Benzin reingespritzt und nichts dazu beigetragen, dass die Situation in Kärnten besser geworden wäre. (Beifall bei der SPÖ.) Das hat der Landeshauptmann Peter Kaiser gemacht! Und die Landes- … (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Jenewein: Unglaublich! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

18.49


Präsident Mario Lindner: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte. (Bundesrätin Mühlwerth: Der Herr Präsident …! – Bundesrätin Kurz: Nein, so ist das nicht! – Bundesrätin Mühlwerth: Doch, ist es schon! – Bundes­rat Jenewein: Es ist unglaublich, diese Vorgehensweise …!)

 


18.50.06

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Sehr geehrte ZuseherInnen hier und zu Hause! Wir sprechen hier eben zusam­mengefasst über fünf Gesetzesvorlagen. Zustimmen werden wir in der getrennten Ab­stimmung anschließend nur einer davon: dem TOP 19, dem Gelegenheitsverkehrs-Ge-setz.


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Geregelt wird darin, wie schon erwähnt, die Beförderungspflicht für Assistenzhunde gemäß dem Bundesbehindertengesetz im gesamten Gelegenheitsverkehr – Gelegen­heitsverkehr sind Taxi, Mietwagen und Busse außerhalb des Linienverkehrs –, und zwar auch ohne Beißkorb und Leine. Wir finden es sehr gut, dass das jetzt im entspre­chenden Bundesgesetz verankert wird und so auch der gesetzliche Anspruch besteht. Das Leben der Personen, die einen Assistenzhund benötigen, wird dadurch beträcht­lich erleichtert, daher begrüßen wir es auch sehr und stimmen da natürlich sehr gern zu.

Nicht zustimmen werden wir den anderen vier Gesetzesvorlagen. Auf einiges davon möchte ich hier noch genauer eingehen.

TOP 20 betrifft die Novelle des Bundesstraßengesetzes. Der Hauptinhalt der Novelle des Bundesstraßengesetzes ist, dass die Wirtschaftlichkeit von Baumaßnahmen bei Autobahnen und Schnellstraßen künftig nicht mehr im Trassenfestlegungsverfahren ge­prüft werden soll, sondern nur mehr intern; also einerseits von der ASFINAG, die die betriebswirtschaftliche Prüfung macht, und andererseits vom BMVIT, das künftig die volkswirtschaftliche Prüfung macht.

Bringen soll das Ganze eine Verfahrensbeschleunigung. Verfahrensbeschleunigungen begrüßen wir ja prinzipiell und würden wir auch generell unterstützen, aber nicht, wenn diese Verfahrensbeschleunigungen auf Kosten der Transparenz gehen, indem die Ei­gentümer gleichzeitig auch zur Genehmigungsbehörde werden, und Beteiligungsrechte dadurch geschmälert werden. Verfahrensbeschleunigungen dürfen auch nicht auf Kos­ten der Gesundheit der Menschen gehen, vor allem im Lärmschutzbereich, was hier in dieser Gesetzesvorlage eben vorgesehen ist. Verfahrensbeschleunigungen dürfen vor allem auch nicht auf Kosten der Umwelt erfolgen.

Weiters sind wir massiv gegen den zweiten Hauptinhalt dieser Vorlage, das versuchte Durchdrücken der geplanten Bodensee Schnellstraße, und zwar aus mehreren Grün­den. Das Projekt ist schon seit 40 Jahren immer wieder einmal auf dem Tapet. Es ist schwierigst umzusetzen, weil es eben durch hochsensibles Riedgebiet direkt am Bo­densee durchgehen soll. Die Kostenschätzungen gehen mittlerweile schon in Richtung einer Milliarde. Und in der Strategischen Umweltprüfung ist kritischen Stellungnahmen einfach zu wenig und teilweise auch gar kein Gehör geschenkt worden. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt nicht!)

Der Kollege sagt, es stimmt nicht. Das hätte vielleicht – dazu komme ich jetzt – im Aus­schuss geklärt werden können. Leider ist aber im Ausschuss keine Auskunftsperson zu diesem Punkt anwesend gewesen, die mich vielleicht auch darüber hätte aufklären kön­nen.

Es fehlt darin auch noch ein Punkt, der eigentlich schon länger fehlt und den man in diese Novelle – dafür hätte man diesen Anlass gleich hernehmen können – leicht hätte mit hineinschreiben können, nämlich die Implementierung der Aarhus-Konvention, also jener Konvention, die die Öffentlichkeitsbeteiligung im Umweltverfahren sicherstellen soll. Das Bundesstraßengesetz ist laut der ständigen Rechtsprechung des Verwal­tungsgerichtshofs klar eine Umweltschutzvorschrift, und die Aarhus-Konvention wäre daher hier anzuwenden. (Ruf bei der ÖVP: Nächstes Mal!) Ja, vielleicht klappt es bei der nächsten Novelle, dass wir das gleich mit hineinschreiben und da die Umsetzung mit implementieren.

Ebenfalls keine Auskunftsperson hat es im Ausschuss zum nächsten Tagesordnungs­punkt gegeben, nämlich zum TOP 21, dem Straßenverkehrsunfallstatistik-Gesetz, das wir ebenfalls ablehnen. Es soll hier die Rechtsgrundlage für die Erstellung und Veröf­fentlichung der Statistik über Straßenverkehrsunfälle mit Personenschaden geschaffen werden. Es haben meine Vorredner ohnehin auch schon darüber referiert. Die Kosten sollen zwischen dem Bundesministerium für Inneres und dem Verkehrsministerium ge­teilt werden.


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Statt dass das weiterhin, so wie bisher, per Werkvertrag an die Statistik Austria hi­nausgehen soll, soll die Erstellung der Statistik im Wettbewerb an einen Dienstleister extern ausgeschrieben werden. Genau da haben wir massive Bedenken. Die Statistik Austria ist ja keine Firma, sondern die Statistik Austria ist das ausgegliederte statis­tische Amt der Republik Österreich. Das heißt, die sind dafür zuständig, dass sie Sta­tistiken für Österreich erstellen.

Aus diesem Grund und aus noch weiteren sind wir auch gegen diese Novelle: aus Datenschutzgründen, denn die Statistik Austria hat sich ganz enorm bewährt in Bezug auf Anonymisierung, wenn so große Datenmengen gehandhabt werden, und vor allem auch aus Gründen von Kostenfolgen, weil diese überhaupt nicht abzuschätzen sind bei dieser Umordnung und diesem neuen Auftragnehmer, der dadurch zustande kommt. Das haben nicht nur wir Grünen kritisiert, sondern in der Begutachtung haben das auch das Bundeskanzleramt und der Rechnungshof kritisiert. Wir stehen also mit unserer Kri­tik dazu nicht allein da.

Im vierten Punkt, der Straßenverkehrsordnungs-Novelle, dem Tagesordnungspunkt 22, sind zwar durchaus sehr gute Punkte enthalten, zum Beispiel eben die schon von mei­nem Vorredner genannte Verwertung von Radarfotos auch für Handy-TelefoniererIn­nen im Auto. Vorher ist das ja nur möglich gewesen, wenn die Polizei das Auto direkt angehalten und quasi den Lenker oder die Lenkerin auf frischer Tat ertappt hat. Wir finden es einfach sehr gut, dass es jetzt auch möglich ist, Radarfotos hier weiterzuver­wenden, weil das einfach eine große Gefahr für die Straßenverkehrssicherheit und für andere VerkehrsteilnehmerInnen ist.

Da möchte ich gleich überleiten zum letzten Tagesordnungspunkt in diesem Block, näm­lich der Novelle des Führerscheingesetzes. Auch hier kommt das Handy am Steuer vor, nämlich als zusätzliches Probeführerscheindelikt. Das begrüßen wir sehr, aber wir vertreten hier auch weiterhin vehement den Standpunkt, dass Handy am Steuer bei allen FahrerInnen auch ins Führerscheinvormerksystem aufgenommen werden muss, nicht nur bei den ProbeführerscheinbesitzerInnen. Eigentlich – das haben wir im Aus­schuss auch gehört – sind die ProbeführerscheinbesitzerInnen ganz im Gegenteil die MusterschülerInnen, das sind eigentlich die, die am allerwenigsten Übertretungen in der Straßenverkehrsordnung aufzuweisen haben. Weil Ablenkung am Steuer einfach der Hauptgrund für Unfälle ist, sollte es für alle gelten, nicht nur für die Probeführer­scheinbesitzerInnen.

Das Hauptproblem bei der Novelle des Führerscheingesetzes ist aus unserer Sicht aber das Alkolock-Projekt, das als Teilalternative beim Führerscheinentzug neu dazu­kommen soll, als Projekt, als wissenschaftliche Untersuchung. Alkolocks – für alle, die es vielleicht nicht wissen: Da muss man reinblasen, wenn man einsteigt, und die las­sen das Starten eines Kraftfahrzeugs erst nach der bestandenen Atemalkoholprobe zu. Das Projekt ist als wissenschaftliches Projekt beschrieben, und es gibt einfach einer­seits kaum Grundlagen, nach denen sich der Erfolg bemessen lassen würde.

Es gibt derzeit circa 26 000 Betroffene, also Personen in Österreich, die den Führer­schein aufgrund von Alkoholdelikten haben abgeben müssen. Von diesen 26 000 Be­troffenen haben wir keine Ahnung, wie viele jetzt generell ohne Führerschein weiterfah­ren und sich einfach nicht davon beeindrucken lassen, dass ihnen der Führerschein abgenommen worden ist, und wie viele davon es alkoholisiert machen. Das sind auch unsere großen Kritikpunkte dabei. Wie soll dazu eine wissenschaftliche Arbeit durchge­führt werden, wenn man gar nicht weiß, wie sich die Situation gegenüber vorher ver­bessert? – Es sind also aus unserer Sicht keine seriösen Schlussfolgerungen möglich.

Abgesehen von diesen handwerklichen Fragen ist der Zugang generell aus unser Sicht einfach nicht besonders sachlich. Entweder wirken die Alkolocks, dann sollten sie die Regelmaßnahme sein und nicht die seltene, teurere Ausnahme und Alternative; oder


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sie wirken nicht, dann sollte man es gleich sein lassen. Hier in der Gesetzesvorlage wird so getan, als ob die Wirksamkeit hinreichend erwiesen wäre, sodass ein langfris­tiger Feldversuch eben genau an den Alkolenkern zu rechtfertigen wäre – und das stimmt eben nicht!

Es hat sehr viele entsprechend kritische Fakten in der Begutachtung gegeben, und auf diese ist einfach nicht eingegangen worden. Ganz im Gegenteil, es gibt aus anderen Ländern schon viele Studien, die zeigen, dass es bei Entzug oder Alkolock-Maßnah­men, wenn nicht eine wirklich hochwertige qualitative Begleitung nebenbei erfolgt, über­haupt keinen Unterschied in der Rückfallwahrscheinlichkeit der Alkolenker gibt. Es gibt dadurch auch keine nachhaltigen Verhaltensänderungen. Es ist für uns in dieser vor­liegenden Form einfach zu einseitig. Die Betreuung, die begleitend zu diesem Projekt vorgesehen ist, ist uns zu gering, deswegen können wir hier leider nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.59

*****

 


Präsident Mario Lindner: Zur Geschäftsordnung hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.59.24

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Ich möchte hiermit namens der freiheitlichen Fraktion Ihre Vorsitzführung auf das Heftigste kritisieren!

Sie sitzen nämlich hier als Präsident des gesamten Bundesrates und nicht als Präsi­dent der SPÖ, auch wenn diese Sie nominiert hat. Dazu gehört auch, den eigenen Redner zur Ordnung zu rufen und ihm zu sagen, er soll zur Sache sprechen, denn es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen dem, was der Kollege Novak gesagt hat, und einer Verkehrsdebatte.

Ich möchte Ihnen nur sagen, dass der Dritte Nationalratspräsident Hofer oder die Wie­ner Landtagspräsidentin und alle vorhergehenden Landtagspräsidenten der FPÖ im Landtag es sehr wohl geschafft haben, auch die eigenen Redner zur Ordnung zu rufen und sie gegebenenfalls mit einem Ordnungsruf zu bedenken. Daran könnten Sie sich ein gutes Beispiel nehmen. Ich hoffe, dass Ihre Vorsitzführung morgen objektiver sein wird. (Beifall bei der FPÖ.)

19.00


Präsident Mario Lindner: Frau Kollegin Mühlwerth! Erstens wurde ich vom Steiri­schen Landtag entsandt und nicht von der SPÖ.

Zweitens: Laut Geschäftsordnung obliegt der Ruf zur Sache, § 69, beziehungsweise das Ersuchen nach dem Ruf zur Sache oder zur Ordnung, § 71, beziehungsweise der Ruf zur Ordnung, § 70, immer dem vorsitzführenden Präsidenten beziehungsweise der vorsitzführenden Präsidentin. (Rufe bei der FPÖ: Er tut’s nur leider nicht!)

Ich werde meine Art der Vorsitzführung nicht ändern; so wie ich die Vorsitzführung in den vergangenen Sitzungen gehandhabt habe, mache ich sie auch bei der jetzt vor­letzten Sitzung. Ich hätte jeder Fraktion in den vergangenen Sitzungen einen Ruf zur Sache erteilen können, habe das aber nicht getan. Ich habe, was das betrifft, eine sehr tolerante Vorsitzführung ausgeübt (Bundesrat Jenewein: Das merkt man!) und ich wer­de das jetzt auch nicht ändern.

Wie gesagt, das obliegt dem vorsitzführenden Präsidenten beziehungsweise der vor­sitzführenden Präsidentin. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

*****


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 88

Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Bundesrat Mayer. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


19.01.30

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Frau Kollegin Mühlwerth, man soll den Weihnachtsfrieden lang­sam wirken lassen. Er möge mit meiner heutigen Rede beginnen – nicht ganz, aber zu­mindest nach meiner Rede. (Allgemeine Heiterkeit.)

Mein Redebeitrag bezieht sich auf das Bundesstraßengesetz. Da darf ich mich, Herr Minister, gleich einmal dem Dank der Vorarlberger Landesregierung anschließen, zu­mindest jenem eines wesentlichen Teils der Vorarlberger Landesregierung. Man weiß nicht, wie unser Regierungspartner zu dem steht. Nachdem ich Kollegen Walser im Na­tionalrat gehört habe beziehungsweise auch sein Statement in den „Vorarlberger Nach­richten“ gelesen habe, bin ich mir nicht ganz sicher, ob wir da auch gemeinsam an ei­nem Strang ziehen, obwohl das natürlich im Regierungsprogramm so verankert ist.

Hier geht es um eine ganz intensive Geschichte, um eine immens wichtige Straßenver­bindung in Vorarlberg, genannt S 18. Es ist eine Verbindung zwischen der Schweizer Rheintal Autobahn und der Vorarlberger Rheintal Autobahn. Es gibt dort keine gute Verbindung, sodass sich die Menschen quer durch diese ganze Talschaft auf Umwe­gen und Schleichwegen, aber auch auf Hauptverkehrsstraßen durch Dörfer, Städte und Gemeinden bewegen beziehungsweise stauen und dabei natürlich eine extreme Ver­kehrsbelastung hervorrufen.

Wenn ich jetzt etwas kurz anfügen oder kritisieren darf: Herr Minister, Ihnen wurde vom Kollegen Walser vorgeworfen, Sie hätten die Vorarlberger S 18 sozusagen in das Bun­desstraßengesetz hineingeschwindelt. Dazu muss ich aber anmerken, dass das für mich schon ein starkes Stück ist.

Es gibt sicher in Österreich oder, sagen wir einmal, in Europa kein anderes Straßen­stück, das in den letzten 30 Jahren so intensiv diskutiert wurde wie die S 18. Eine Va­riante jagt die nächste, ein Behördenverfahren folgt dem anderen, deshalb kann von Schwindeln ja überhaupt keine Rede sein. Wenn am Ende, nach einer endlosen und wiederholten Umweltverträglichkeitsprüfung, eine Baugenehmigung für diese Riedstra­ße, Bodensee Schnellstraße S 18 erfolgen sollte, dann wurde wirklich der letzte Stroh­halm, der letzte Riedvogel, die letzte Kröte in diesem Verfahren auch entsprechend ernst genommen. Das muss man hier in aller Deutlichkeit einmal anfügen.

Ich darf hier aus einer Stellungnahme des Landes Vorarlberg zitieren, in der darauf hin­gewiesen wurde, dass aufgrund des Bebauungsdrucks, der in diesen Gebieten herrscht, natürlich auch für den Trassenverlauf der neuen oder künftigen S 18 nur ein beschränk­ter Spielraum zur Änderung gegenüber der alten oder bisher projektierten S 18 beste­hen kann. Dies betrifft insbesondere die letzten Abschnitte vor der Staatsgrenze bei Höchst, da auf die Aufrechterhaltung der bisherigen Trassenverordnung nicht nur legi­tim und verhältnismäßig hingewiesen wurde. – Der Schweizer Knoten bei St. Margare­then ist ein Endpunkt, und der kann auch nicht mehr verändert werden. Schon aus die­sem Grund ist die Aufrechterhaltung der bisherigen Trassenverordnung nur legitim und verhältnismäßig, um es nochmals zu sagen.

Auch der finanzielle Aspekt des Vorhabens S 18 Bodensee Schnellstraße ist zu erwäh­nen, denn dieser wichtige Lückenschluss zwischen dem hochrangigen Schweizer Stra­ßennetz und dem österreichischen Straßennetz ist, wie ich schon gesagt habe, nach wie vor von vitaler Bedeutung.

Aus diesem Grund wird das vom Land Vorarlberg vorgebrachte Ansinnen über vorü­bergehende Inkrafthaltung der bisherigen Trassenverordnung zur Freihaltung der Tras­se von Bebauung, bis die neue Verordnungsgrundlage des novellierten Bundesstra-


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ßengesetzes erlassen werden kann, auch vonseiten der ASFINAG intensiv unterstützt. Das muss man hier wirklich in aller Deutlichkeit unterstreichen.

Wenn die S 18, wie zitiert wurde, Sumpfgebiete quert, dann ist hier schon auch eine Interessenabwägung erlaubt. Es geht hier nicht primär um ein paar Kröten in einem Sumpfgebiet, sondern auch um Tausende Menschen in einem Einzugsgebiet von 240 000 Einwohnern in Lustenau, Bregenz, Hard und Höchst, die durch diesen Durch­zugsverkehr von Deutschland in die Schweiz massiv belastet sind.

Deshalb, Herr Minister, darf ich hier im Namen Tausender betroffener Vorarlbergerin­nen und Vorarlberger wirklich Danke sagen. Danke für die Novelle zum Bundesstra­ßengesetz! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.06


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


19.06.45

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Mir ist jetzt noch etwas zum Verbrechensopfergesetz eingefallen. Du würdest sicher nichts dagegen haben, wenn ich jetzt darüber sprechen würde, allerdings hat Kollege Samt bereits angekündigt, über welche Punkte ich heute hier zu sprechen beabsich­tige, und in guter steirischer Partnerschaft, noch dazu bei einem steirischen Minister, werde ich mich daran halten. (Allgemeine Heiterkeit.)

Das Straßenverkehrsunfallstatistik-Gesetz, das mir unter anderem hier noch übrig bleibt, ist ja durchaus positiv zu sehen, weil es zu einer Verbesserung, zu einer Vereinheitli­chung der Statistiken kommt. Ich bin optimistisch, dass diese Statistiken nicht im Sinne von „Traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast!“ verwendet werden, son­dern dann wirklich das Optimum herausgeholt wird.

Man hört auf Ö3 gerade die Kampagne: Nicht angepasste Geschwindigkeit kann dein Leben innerhalb kürzester Zeit grundlegend verändern. – Wenn es durch eine verbes­serte Statistik gelingt, gezielte Maßnahmen – seien es jetzt Geschwindigkeitsbeschrän­kungen, Überholverbote oder auch vielleicht deren Aufhebung – durchzuführen, so ist das natürlich positiv zu beurteilen.

Auch überflüssige Beschränkungen gehören weg, denn nur jene Regeln, deren Sinn erkannt wird, werden auch akzeptiert und sind letztendlich wirksam.

Eine genauere Verkehrsstatistik kann hoffentlich auch dazu führen, dass notwendige Baumaßnahmen erkannt werden, um Unfallhäufungspunkte zu entschärfen. Da mache ich jetzt einen Sidestep zum Bundesstraßengesetz, das wir ja in dieser Form im Ge­gensatz zu den Grünen durchaus positiv bewerten.

Ich glaube, es gibt auch auf diesem Gebiet noch einiges zu tun. Ich denke nur an die Ennstal Straße in der Steiermark, die gerade in letzter Zeit regelmäßig mit schweren, tödlichen Unfällen Schlagzeilen gemacht hat. Da muss ich schon sagen, und Kollege Mayer hat es auch schon sinngemäß angedeutet: Die Abwägung zwischen Menschen­leben und dem Wachtelkönig muss verantwortungsvoll getroffen werden. Da darf man nicht davor zurückschrecken, auch entsprechende bauliche Maßnahmen rasch und zü­gig umzusetzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt komme ich zum traurigen Punkt, dem einzigen, den wir ablehnen, nämlich zum Führerscheingesetz. Vor allem geht es um den Punkt der Alkolocks. Grundsätzlich se­hen wir das sehr positiv, eigentlich haben wir das auch gefordert (Bundesrat Schen­nach: Aber?), die Umsetzung erscheint uns aber leider nicht unbedingt zielführend.

Es ist völlig klar, ein schweres Vergehen wie Alkohol am Steuer gehört geahndet, aber Strafen haben natürlich auch immer eine gewisse soziale und gesellschaftliche Kom-


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ponente. Das fängt ja bei den Geldstrafen an. Es gibt Länder, wo sich die Bemessung der Geldstrafe am Einkommen des jeweiligen Verkehrssünders orientiert. Es ist nun einmal so, dass eine Strafe von 70 € wegen überhöhter Geschwindigkeit beispielswei­se für einen Studenten wahrscheinlich wesentlich schmerzlicher ist als für einen eta­blierten Rechtsanwalt oder Arzt, der diese Strafe aus der Portokasse zahlt. (Bundes­rätin Mühlwerth: Oder Bundeskanzler!) Damit verfehlt die Strafe natürlich ihre erzie­herische Wirkung. (Bundesrat Schennach: Aber betrunken gefahren sind sie ja beide!)

Das Alkolock soll hier die soziale Ausgleichsmöglichkeit für jene bieten, die den Füh­rerschein aus existenziellen Gründen – und so steht es ja auch in der Problemanalyse des Gesetzestextes – benötigen, beispielsweise wenn sie durch den Führerscheinent­zug vom Arbeitsplatzverlust bedroht sind. Die zusätzlichen Kosten von circa 1 600 € sind ohnehin schon erschwerend.

Es ist für uns aber nicht einsichtig, warum Täter ab einer Grenze von 1,2 Promille, also mit viermonatigem Führerscheinentzug bedroht, betroffen sind und nicht auch jene, die mit einer kürzeren Dauer zu rechnen haben. Es ist für uns auch nicht einsichtig, warum es hier auch eine Zwei-Monate-Frist gibt und erst danach diese vier Monate beginnen. Insgesamt erstreckt sich das also auf sechs Monate, dabei sind für viele auch diese zwei Monate schon zu viel beziehungsweise können sie für viele schon den Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten.

Wenn man so etwas macht, dann soll man es wirklich so machen, dass es allen dient und nicht nur einigen, wobei es faktisch noch Ausnahmen gibt.

Zum Probeführerschein und zu der Verlängerung auf drei Jahre: Nun gut, wir wissen, der Probeführerschein ist positiv zu beurteilen. Die Verlängerung kommt mir ein biss­chen mehr aus dem Bauch heraus vor. Man hätte wahrscheinlich warten können, bis die Ergebnisse der neuen Verkehrsstatistiken vorliegen, um dann eine optimale Zeit für den Probeführerschein herauszuarbeiten. (Bundesrat Schennach: 30 Jahre!)

So weit mein Beitrag: viermal plus, einmal minus. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.13


Präsident Mario Lindner: Als Nächster ist Herr Bundesrat Beer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


19.13.49

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese gebündelten Gesetze werden uns sicher mehr Sicherheit im Straßenverkehr bringen und, wie uns das Gesetz zum Gelegenheitsver­kehr gezeigt hat, vielleicht auch mit dem Mythos aufräumen, dass Freiwilligkeit von den Menschen angenommen wird.

Mir persönlich ist es immer ein Anliegen gewesen – und ich bin auch sehr froh darüber, dass es jetzt verpflichtend ist –, dass die Betreiber im Gelegenheitsverkehr Assistenz­hunde für Menschen mit Handicap mitnehmen müssen und nicht mehr sagen können: Nein, den nehme ich nicht mit!, denn diese Menschen sind sehr stark auf ihre gewohn­te Hilfe angewiesen.

Schauen wir uns das Thema Mopedführerschein an: Die Ausbildung soll verbessert wer­den, da es im Bereich der Mopedfahrten eine eklatante Zunahme an Unfällen gibt. Das Qualitätsniveau für die Ausbildung wird auch angehoben und wird den jungen Menschen dann hoffentlich doch zeigen, dass sie im Straßenverkehr verantwortungsvoll zu agie­ren haben.

Für jene, die mit dieser Mobilität aufgewachsen sind, mit dem Auto, mit dem Moped, mit einem eigenen Untersatz, für die ist das normal. Für die heute 60- und 70-Jährigen war es in deren Jugend nicht selbstverständlich, ein Auto zu haben. Die Kinder sind


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damals nicht mit dem Auto in die Schule gebracht worden. Die Menschen sind nicht mit dem Auto gefahren, weil sie sich ein Auto noch gar nicht leisten konnten. Heute jedoch fahren die Kinder von klein auf im Kindersitz schon im Auto mit, und es ist ein ganz normales Gerät, Vehikel, um besser und schneller voranzukommen.

Die Verlängerung der Probezeit beim Führerschein von zwei auf drei Jahre lässt an­nehmen, dass diese Maßnahme mehr Verkehrssicherheit bringen wird; im Bereich der Probeführerscheinfahrer haben wir sehr wenige Delikte, sobald die Probezeit jedoch vorbei ist, geht die Zahl der Delikte sehr stark in die Höhe. Wir haben vorhin dazu ge­witzelt, dass wir die Probezeit vielleicht auf 30 Jahre erhöhen sollten, dann hätten wir dieses Problem nicht mehr.

Die Auswertung von Radarbildern für die Ahndung bei Nichtanlegung des Sicherheits­gurts, bei Nichtbeachten des Handyverbots, mangelnder Kindersicherung et cetera ist auch eine sehr gute Maßnahme. Es ist zum Beispiel immer wieder so, dass Kinder nicht angeschnallt werden. Am Anfang, als das eingeführt wurde, war die Anschnalldis­ziplin der Eltern sehr, sehr hoch, aber je länger wir das haben, desto mehr tritt das in den Hintergrund, die Kinder werden seltener angeschnallt. (Zwischenruf der Bundesrä­tin Mühlwerth.) Nun haben wir die Möglichkeit, dass das auf Radarbildern entspre­chend erfasst und geahndet wird.

Bei der Elektromobilität gibt es die Möglichkeit, den Gemeinden gewisse Möglichkeiten zu übertragen. Elektrofahrzeuge sollen grüne Kennzeichen haben, und die Kommunen sollen die Möglichkeit haben, den Elektrofahrzeugen Busspuren zur Verfügung zu stel­len sowie Ausnahmen vom Halte- und Parkverbot zu ermöglichen.

Auch die Tonnagebeschränkung wird erhöht, nämlich von 3,5 Tonnen beim B-Führer­schein auf 4,25 Tonnen. Das liegt daran, dass die Reichweite von Elektrofahrzeugen ja besser werden soll, und dazu brauchen wir aber größere Batterien, die Batterien haben ein Gewicht, und daher sollte man in diesem Bereich eben auch die Tonnage erhöhen.

Was die Alkolocks betrifft, haben wir hier zwei Fraktionen, die dem Ganzen nichts oder nur sehr wenig abgewinnen können. Ich muss sagen, man muss es einmal genau er­klären. Die Printmedien haben nämlich teilweise schon geschrieben, dass in alle Fahr­zeuge Alkolocks eingebaut werden, dass man eigentlich nur mehr ein Auto mit Alko­lock bekommt. Das ist auf gar keinen Fall richtig, das Alkolock ist vielmehr eine Option für Alkolenker. Es setzt die Zeit des Führerscheinentzugs um die Hälfte herab. Es kostet einen zwar rund 1 500 €, das Alkolock einbauen zu lassen, dafür muss man aber nach der Hälfte der vorgeschriebenen Führerscheinentzugszeit noch sechs Mona­te mit dem Alkolock fahren.

Ich glaube, es ist eine Möglichkeit – das wird die Studie dann auch zeigen –, ein wenig Verkehrserziehung zu betreiben und den Menschen, die sich an die Gesetze und an die Vorschriften halten, ein wenig mehr an Sicherheit zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

19.20


Präsident Mario Lindner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schö­dinger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


19.20.38

Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Minister! Liebe Bundesräte und Bundesrätinnen! Ich möchte mich nur kurz auf drei Punkte konzentrieren. Der erste ist das Straßenverkehrsunfallstatistik-Gesetz, das hier kritisiert wurde. Ich halte es aus einem einfachen Grund für gut, nämlich weil wir es in der Vergangenheit schon immer wieder entsprechend verwendet haben: Wenn wir – als ich noch aktiver Polizist war – Verkehrsverhandlungen hatten, wurden genau diese Verkehrsunfallzahlen und diese Statistiken herangezogen, um etwas für


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die Verkehrssicherheit zu unternehmen und Verbesserungen herbeizuführen, egal, ob es sich bei den Projekten um Straßenneubau gehandelt hat oder Verkehrsverhandlun­gen durchgeführt wurden. Ich muss dazusagen, dass es aus meiner Sicht schon an der Zeit war, das auf eine ordentliche Rechtsgrundlage zu stellen. An der Sinnhaftigkeit die­ses Gesetzes, glaube ich, gibt es generell nichts zu rütteln.

Das Zweite sind die Änderungen in der StVO. Das Symbol des Elektrosteckers werden wir in Zukunft vermehrt brauchen, um unseren Elektrofahrzeugen auch Möglichkeiten zu geben, die Batterien aufzuladen, oder ihnen Parkplätze zur Verfügung zu stellen, bei denen Lademöglichkeiten vorhanden sind. Das Einzige, das dabei vielleicht noch auf die Gemeinden zukommt, ist, eine sinnvolle Lösung zu finden, damit es kein Park­platz ausnahmslos für Elektrofahrzeuge wird, die nicht laden.

Die Verwendung von Bildmaterial aus Überwachungskameras ist ebenso eine sinnvolle Sache, weil nicht einzusehen ist, dass zum Beispiel Telefonieren beim Autofahren ent­gegen den rechtlichen Bestimmungen ungeahndet bleibt, obwohl es aufgrund des Bild­materials nachweisbar ist.

Als letzter Punkt das Führerscheingesetz: Das Alkolock ab 1,2 Promille für die Verkür­zung des Führerscheinentzuges kann man kritisieren, aber ich glaube, es ist zumindest einmal einen Versuch wert. Soweit wir das im Ausschuss besprochen haben, gibt es genau in diesen Punkten sehr, sehr gute Ansätze, um zu verhindern, dass dieses Ver­bot und diese Alkolocks umgangen werden.

Die Verlängerung des Probeführerscheins von zwei auf drei Jahre halte ich ebenso für sinnvoll. Ich weiß von meinen Söhnen, dass sie während der Probezeit beim Führer­schein höllisch aufgepasst haben, dass sie niemals mit dem Gesetz in Konflikt kom­men.

So ist es von unserer Seite her wirklich klar, dass wir dem zustimmen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

19.23


Präsident Mario Lindner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Leichtfried. – Bitte, Herr Minister.

 


19.23.40

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Jörg Leichtfried: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Ich darf mich für die wirk­lich interessanten Redebeiträge und auch Einwände bedanken. Es ist immer wichtig, die Dinge kontrovers zu diskutieren, denn aus dieser kontroversen Diskussion entsprie­ßen dann sozusagen neue Ideen, und neue Ideen sind im Bereich der Verhütung von Unfällen insbesondere auf der Straße ständig notwendig.

Die Straßenverkehrssicherheit ist ein andauernder Prozess, bei dem es keine fixen Maßnahmen gibt, die nicht mehr veränderbar sind. Man muss immer überprüfen: Wirkt das, wirkt es gut, wie wirkt es, welche Auswirkungen hat es? Und man muss auch ständig bereit sein, Dinge zu überdenken, die man vielleicht vorher einmal für gut be­funden hat, wenn die grausame Realität zeigt, dass sie vielleicht doch nicht so gut wa­ren.

Ich bin guter Hoffnung, dass dieses Paket, das Sie jetzt diskutiert haben und über das Sie jetzt abstimmen werden, ein großer Schritt zu mehr Straßenverkehrssicherheit ist. Es haben einige angesprochen, die große Vision, in Österreich einmal keine Verkehrs­toten mehr zu haben, ist eine herausfordernde Vision. Es ist eine, die nicht leicht zu erreichen ist, die nur mit Zwischenschritten zu erreichen sein wird, aber ich glaube, diese Anstrengung ist es wert, geschätzte Damen und Herren, damit wir nicht mehr die Situation haben, dass möglicherweise bei einer Familie ein Polizist oder eine Polizistin


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anklopft und sagt, dass der Vater, der Bruder oder das Kind tot ist. Das, glaube ich, ist jede Anstrengung in diesem Land wert. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Man kann bei diesen einzelnen Maßnahmen natürlich unterschiedlicher Meinung sein. Ich möchte versuchen, einige Dinge noch zu erklären. Ich weiß, ich werde dabei nicht zur Gänze Ihre Zustimmung erreichen, aber ich will Ihnen doch die Hintergründe sa­gen, um zu erklären, wann, warum und wie es zu gewissen Dingen gekommen ist.

Beim Unfallstatistik-Gesetz ist es meines Erachtens immens wichtig, dass es uns erst­mals gelingt – und das ist schon von einigen Rednerinnen und Rednern angesprochen worden –, die Unfalldaten mit den Verletzungsdaten zu verknüpfen. Das ist deshalb enorm wichtig, weil wir ja bis jetzt darauf angewiesen sind, zu vermuten, welche Ver­letzungen gewisse Unfälle hervorgerufen haben, und deshalb auch die Maßnahmen vielleicht sogar hinterfragbar gewesen sind. Ich glaube, Sie haben es angesprochen: Wenn man bauliche Maßnahmen trifft, um Unfälle zu vermeiden, muss man natürlich vor­her wissen, was diese Unfälle genau bewirkt haben.

Ein sehr gutes Beispiel ist immer die Frage, ob man eine Kreuzung ampelgeregelt oder einen Kreisverkehr macht. Unfälle im Kreisverkehr werden wahrscheinlich öfter vor­kommen. Aber: Was sind das für Unfälle? – Wenn man bei der ampelgeregelten Kreu­zung das rote Licht missachtet oder übersieht, kommt es zu diesen seltenen, aber doch vorkommenden Querunfällen, mit denen meistens schwere Verletzungen, wenn nicht Todesfolgen einhergehen. Kreisverkehrunfälle sind Unfälle bei geringer Geschwindigkeit, niedriger Energie, häufig mit Blechschäden, aber es passiert fast nichts. Deshalb ist es wichtig, diese Dinge zu wissen, weil man sich dann natürlich für den Kreisverkehr ent­scheidet, in Abwägung der Folgen von Unfällen in beiden Situationen. Ich denke, das Prinzip der Verknüpfung dieser Daten ist gut.

Frau Bundesrätin Schreyer, Sie haben kritisiert, dass die Statistik Austria nicht automa­tisch damit betraut wird. Ich sehe das positiv. Ich sehe es als Auftraggeber der Statistik positiv, weil ich möchte, dass Statistik nicht zum Selbstzweck des Amtes für Statistik verkommt oder degradiert wird, sondern das passiert, was der Auftraggeber möchte. Wir arbeiten gerne mit der Statistik Austria zusammen, wir werden auch in Zukunft mit der Statistik Austria zusammenarbeiten, wenn wir uns auf das einigen, was dort pas­siert.

Das ist schon ein gewisser Unterschied zu dem, wie es jetzt ist, weil wir jetzt sozusa­gen an die Statistik Austria vergeben und keinerlei Möglichkeit haben, die Dinge dort auch zu hinterfragen. Ich denke, das ist ein Fortschritt. Das Bestbieterprinzip insge­samt ist schon auch etwas, über das man selbst im Statistikwesen diskutieren kann.

Geschätzte Damen und Herren, es sind auch die Alkolocks angesprochen worden. Dazu möchte ich sagen, dass das, was ich eingangs gesagt habe, für mich besonders wichtig ist: Wir versuchen hier etwas Neues, und deshalb ist es auch als Pilot aus­gestattet. Wir versuchen ein System, das sich in anderen Ländern teilweise bewährt hat, teilweise sind aber auch gewisse Änderungen vorgenommen worden, und des­halb, meine ich, ist es wichtig, das als Pilot zu machen.

Das Zweite: Wir kombinieren ein System aus Sanktion und möglicher Erleichterung. Die Sanktion, denke ich, ist schon auch etwas, was im Bereich des Verwaltungsstraf­rechts und der Strafgesetzgebung insgesamt seinen Platz hat, das ist auch bei sehr, sehr vielen juristischen Diskussionen, die wir zu diesem Thema hatten, klar heraus­gekommen. Wir versuchen auf der anderen Seite eine Erleichterung für die Betroffe­nen, die Möglichkeit, im normalen Leben, das sie gewohnt sind, zu bleiben, aber trotz­dem natürlich mit der Einschränkung, dass dieses Gerät angewandt wird und dass es mit diesem Gerät nicht mehr möglich ist, alkoholisiert zu fahren.


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Die Zahlen, die wir haben, sprechen doch eine relativ klare Sprache: an die 20 000 Füh­rerscheinabnahmen und – geschätzt – davon 4 000 Fahrer, die alkoholisiert weiterfah­ren. Wenn wir einen Bruchteil von diesen ins Alkolock-System bekommen, bedeutet das allein schon auf unseren Straßen mehr Sicherheit für die Betroffenen und vor allem auch mehr Sicherheit für diejenigen, die nichts dafür können, nämlich diejenigen, die unter Umständen von einem betrunkenen Fahrer zusammengeführt werden. Ich glau­be, das ist auch ein Fortschritt, geschätzte Damen und Herren.

Der letzte Punkt, weil es dazu auch Diskussionen gegeben hat: Das ist ein freiwilliges System. Es wird niemand gezwungen, am Alkolock-System teilzunehmen, geschätzte Damen und Herren, und es wird vor allem niemand gezwungen, alkoholisiert Auto zu fahren. Das sollte man auch mit bedenken. – Danke. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrä­tin Kurz: Genau!)

19.29


19.30.03Präsident Mario Lindner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. De­zember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Straßenverkehrsunfall­statistik-Gesetz erlassen und das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezem­ber 2016 betreffend 28. StVO-Novelle.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bunderäte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. De­zember 2016 betreffend 18. FSG-Novelle.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 95

19.32.18 24. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (34. KFG-Novelle) (1359 d.B. und 1425 d.B. sowie 9700/BR d.B.)

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Seeschifffahrts-Erfüllungsgesetz – SSEG geändert wird (1299 d.B. und 1419 d.B. sowie 9701/BR d.B.)

 


Präsident Mario Lindner: Wir gelangen nun zu den Punkten 24 und 25 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Beer. Ich bitte um die Bericht­erstattung.

 


19.32.54

Berichterstatter Wolfgang Beer: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich erstatte weiters den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem See­schifffahrts-Erfüllungsgesetz – SSEG geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 19. Dezember 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mario Lindner: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Novak. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrätin Mühl­werth: Dieses Mal aber schon zur Sache! – Bundesrat Krusche: Ausnahmsweise viel­leicht!)

 


19.34.15

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein Kollege hat schon festgestellt, dass wir jetzt über ein Kraftfahrgesetz, und zwar über das Seeschifffahrts-Erfüllungsgesetz sprechen. Wenn wir uns die Novellierung des Kraftfahrgesetzes anschauen, so sehen wir, dass in erster Linie die erforderlichen Anpassungen zur Umsetzung der EU-Richtlinien des Ver­kehrssicherheitspakets vorgenommen werden, mit denen die regelmäßige technische Überwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern beschlossen wird.

Wir wissen alle um diese technische Unterwegskontrolle, den Verkehr und die Be­triebssicherheit von Nutzfahrzeugen. Im Radio hat man gehört, dass bei uns in Kärnten


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ein Nutzfahrzeug aufgehalten worden ist, das aus Polen war und 40 technische Fehler aufwies. Deshalb glaube ich, ist es absolut notwendig, dass wir diese Gesetze, die ein fortlaufendes Prozedere sind, beschließen, weil wir zu diesem Thema auch im Vorjahr schon Beschlüsse gefasst haben. Österreich passt sich damit den EU-Richtlinien an, die Sicherheit wird damit gewährleistet. Mit dieser Novelle wird aber auch im Sinne der Qualitätssicherung eine bundeseinheitliche Administration der Fahrerausbildung und des Fahrschulwesens geregelt.

Ein Aspekt der Novellierung ist auch die Kennzeichnung von Elektrofahrzeugen mit grünen Tafeln. Es ist letztlich eine Maßnahme, um die Elektromobilität zu fördern, aber es bedarf noch einer ganzen Reihe an Anreizen, um diese E-Mobilität breiter aufzu­stellen, wobei man aber sagen muss, dass die Bundesminister Leichtfried und Rupp­rechter und die Autoimporteure in diese Richtung schon ein großzügiges Paket ge­schnürt haben.

Anreize sind zwar da, aber es bedarf noch eines großen Schubs in die richtige Rich­tung, weil es in Österreich derzeit so ist, dass wir rund 0,2 Prozent Elektro-Pkw-Be­stand haben, das heißt 4 000 Elektrofahrzeuge und 1 500 Hybrid-Fahrzeuge. In diese Richtung gibt es noch einiges zu tun. Vor allem, dessen muss man sich bewusst sein, geht es da einmal um das kurze Laden – dass man ein Auto schnell laden kann –, um die Infrastruktur bis in die letzten Täler hinein und um die Leistungsfähigkeit, wie viele Kilometer man damit fahren kann – das ist jetzt noch ungenügend –, und es muss auch die Reichweite festgelegt werden, die notwendig ist, um ein Auto zu kaufen.

Das heißt, wenn es wirklich für die Zukunft ganz interessante Angebote gibt, um in diese Richtung zu investieren, dann sollte man auf jeden Fall darauf achten, was die umliegenden Länder in diese Richtung machen. Das ist auch schon in dieses Konzept miteingeflossen, und ich – vor allem als Bürgermeister einer Nationalparkgemeinde – bin sehr positiv gestimmt, weil wir auch gerade vor der Entscheidung stehen, ein Elek­trofahrzeug zu kaufen, um in die Täler hinauszufahren und unsere Arbeiter dorthin schicken zu können. Das wird demnächst passieren. Dieses Gesetz ist in dieser Hin­sicht, mit diesen Eigenarten, auf jeden Fall zu unterstützen.

Zum Zweiten, zum Seeschifffahrts-Erfüllungsgesetz: Das ist interessant und darüber haben wir gestern auch ein bisschen länger diskutiert – was heißt länger? –, darüber haben wir lange diskutiert. Ich versuche, das jetzt einmal in zwei Sätzen festzumachen, etwas, das uns gestern eigentlich nicht gelungen ist. Tatsache ist, dass es ein inter­nationales Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf hoher See gibt.

Wir sprechen vom Beladen der Container, sofern wir in Österreich Containerschiffe haben: Das Gesetz bezieht sich darauf, dass vor dem Beladen des Containerschiffes die Masse eines Containers nach festgelegten Methoden festzustellen und zu doku­mentieren ist, sonst gibt es keine Chance, diese Verladung durchzuführen.

Noch einmal zusammengefasst: Menschliches Leben muss geschützt werden und der Container als solcher, die Masse als Bruttoladung, die im Container drinnen ist, muss vorher abgewogen werden, bevor sie auf das Containerschiff kommt und verladen wird. Wenn das nicht passiert, dann gibt es ein Problem und der Container wird nicht verladen. (Bundesrat Schennach: Das ist aber das Problem der Spediteure!)

Das ist das Problem der Spediteure, okay, aber Tatsache ist, dass es das Gesetz gibt, und dass es zu erfüllen ist. Ich denke, dass das auch umsetzbar ist, aber einen letzten Satz muss ich schon dazu sagen: Dass man erst im letzten Jahr draufgekommen ist, das im Parlament umzusetzen? Was haben wir die Jahre vorher gemacht, wenn das Schiff beladen worden ist? Wenn ein Container ein bisschen weniger Ladung hatte, hat er Schieflage bekommen? Das wird wohl alles mitgespielt haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.39



BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 97

Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Forstner. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


19.40.13

Bundesrat Armin Forstner, MPA (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Durch die 34. KFG-Novelle können in Zukunft Beweisfotos, die wegen Geschwindigkeits-, Vor­rang- oder Rotlicht-Delikten angefertigt werden, auch bei Verstößen gegen das Handy­verbot oder gegen die Gurten- und Sturzhelmpflicht herangezogen werden.

Das heißt für die Zukunft: Wer zu schnell unterwegs ist und von einer Radaranlage ge­blitzt wurde, dabei auch telefoniert hat und das am Foto nachweisbar ist (Bundesmi­nister Leichtfried: Vielleicht nicht angeschnallt war!) – oder vielleicht nicht angeschnallt war, wie der Herr Minister bemerkt –, zahlt nie mehr nur wegen des Schnellfahrens, sondern auch wegen des Nichtanlegen des Gurts, des Telefonierens oder Sonstigem.

Um bundesweit einheitliche Fahrschulinspektionen zu erleichtern, wird die Einrichtung einer Fahrschuldatenbank ermöglicht.

Weiters werden Radar- und Laserblocker, mit denen Geschwindigkeitsmessungen ge­stört werden können, verboten.

Weitere Anpassungen an das EU-Recht betreffen die Umsetzung der EU-Richtlinie für Gewichte zur Festlegung der höchstzulässigen Abmessungen und Gewichte für Fahr­zeuge im innerstaatlichen beziehungsweise grenzüberschreitenden Verkehr.

Weiters gibt es Anpassungen an die aktuellen EU-Fahrzeugbauvorschriften, insbeson­dere über die Genehmigung und Marktüberwachung von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen sowie über die Genehmigung und Marktüberwachung von zwei-, drei- und vierrädrigen Fahrzeugen.

Dann geht es noch um die Umsetzung des EU-Verkehrssicherheitspakets über die re­gelmäßige technische Überwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhän­gern, die Richtlinie über die Änderung der Zulassungsdokumente für Fahrzeuge sowie die Richtlinie über technische Unterwegskontrollen der Verkehrs- und Betriebssicher­heit von Nutzfahrzeugen.

Weiters hatte man bisher vier Monate Toleranzzeitraum für die Durchführung der so­genannten Pickerlbegutachtung, diese muss jedoch ebenfalls angepasst werden. Für Zweiräder und Pkw beziehungsweise Lkw bis 3,5 Tonnen gibt es keine Änderungen. Künftig gibt es ein neues sogenanntes grünes Kennzeichen, das heißt, ein weißes Kennzeichen mit grüner Aufschrift. – Kollege Novak hat es schon vorweggenommen, auch ich bin Bürgermeister einer Nationalparkgemeinde, wir sind stolz darauf, dass wir das in Zukunft haben, gell? – Ich glaube, das ist ein wichtiger richtiger Schritt in die rich­tige Richtung.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, durch die Anpassung beziehungsweise durch die Novelle wird die Verkehrssicherheit wieder etwas gehoben.

Nun zum zweiten Punkt mit dem klingenden Namen Seeschifffahrts-Erfüllungsgesetz: Das Bundesgesetz ist ein Rahmengesetz und sieht zahlreiche Verordnungsermächti­gungen vor, die die Grundlage für die innerstaatliche Umsetzung der angeführten See­schifffahrtsvorschriften für die Großschifffahrt bilden.

Österreich muss die Bestimmung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz des menschlichen Lebens auf See umsetzen. Was heißt das, geschätzte Kolleginnen und Kollegen? – Das Übereinkommen verpflichtet den Befrachter eines Hochseeschif­fes, die Bruttomasse seines Containers vor dessen Verstauung an Bord nach festge­legten Methoden festzustellen und zu dokumentieren, und zwar so, dass die Angaben


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hierüber rechtzeitig und vor Beladen des Schiffes verfügbar sind, andernfalls darf der Container nicht auf das Seeschiff verladen werden. (Bundesrat Dörfler: Wo fährt denn der? Auf dem Wörthersee? – Allgemeine Heiterkeit.)

Spannende Geschichte: Österreichs verladende Wirtschaft, die als Befrachter eine Viel­zahl von Gütern via Container über Seehäfen exportiert, befürchtet Wettbewerbsnach­teile, wenn diese Regelung nicht umgesetzt beziehungsweise ausgeführt wird. Um die­se Umsetzung vornehmen zu können, ist der sachliche Geltungsbereich des See­schifffahrts-Erfüllungsgesetzes zu erweitern und eine Verordnungsermächtigung zu er­lassen.

Abschließend, geschätzter Herr Präsident, da ich morgen leider nicht als Redner an der Reihe bin, gratuliere ich dir für die gute Arbeit, die du während deiner Präsident­schaft im Bundesrat geleistet hast. Jetzt heißt es, wieder für die Steiermark bezie­hungsweise für unseren Bezirk zu arbeiten, was du immer ohnehin getan hast. Weiters gratuliere ich dir zur gestrigen Informationsveranstaltung, bei der man einfach gesehen hat, dass über Parteigrenzen hinweg sehr gut zusammengearbeitet werden kann.

Frohe Weihnachten! (Allgemeiner Beifall.)

19.45


Präsident Mario Lindner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Scherer­bauer. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


19.45.36

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Mi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu diesem Thema ist alles gesagt. Wir werden diesem Antrag zustimmen.

Ich habe nur eine Bitte an Sie, Herr Minister: Da die Anmeldegebühren in Österreich mit 190 € im Vergleich zu Deutschland, wo nur ein Drittel dessen eingehoben wird, ziem­lich hoch sind, wäre es vielleicht eine Anregung, dass Elektrofahrzeuge beziehungs­weise emissionsfreie Fahrzeuge, die in Zukunft zum Verkehr zugelassen sind, berück­sichtigt werden, indem man die Gebühr etwas reduziert.

Jetzt ist meine Vorbereitung ein bisschen gestorben, denn ich hatte genau das Gleiche wie Kollege Novak und Kollege Forstner vorbereitet. Ich würde also das Gleiche noch einmal sagen. – In diesem Sinne, danke für die Aufmerksamkeit! (Heiterkeit und allge­meiner Beifall.)

19.46


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


19.46.40

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Zuhörerinnen hier und zu Hause! Wie mein Vorredner schon feststellte, ist das meiste schon gesagt worden. Aus Sicht der Grünen möchte ich zur Kraftfahrgesetz-Novelle noch ganz kurz hinzufügen, warum wir dem Vorschlag zustim­men.

Es geht dabei unter anderem um den neu eigearbeiteten Punkt, dass Beweisfotos auch von Radarkästen oder Verkehrsüberwachungskameras verwendet werden kön­nen, wenn zum Beispiel unzulässiges Telefonieren, Handytelefonieren, auf dem Foto festgestellt wird. Wir sind total dafür. Ich habe es in meiner vorherigen Rede schon gesagt, dass Ablenkung am Steuer einfach ein riesiges Unfallrisiko ist.

Ein zweiter Grund, weshalb wir dafür stimmen, ist, dass eben nur Fotos zur weiteren Verfolgung verwendet werden können, die bei einem Tempoverstoß angefertigt wur-


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den, was die Datenschutzproblematik aus unserer Sicht schon sehr entschärft. – Das ist ein Punkt, warum wir aus Verkehrssicherheitsgründen und aus der Sicht der Daten­sicherheit hier sehr gerne zustimmen.

Ein weiterer positiver Punkt ist die Lösung, die für die Wechselkennzeichenfrage bei Elektroautos gefunden worden ist. Das ist unseres Erachtens sehr sinnvoll gelöst wor­den. Es ist nun ausgeschlossen, dass über diesen Weg Nicht-Elektrofahrzeuge mit dem grün-weißen Taferl unterwegs sein dürfen und daher ganz ungerechtfertigt irgend­welche Vorteile beim Parken, zum Beispiel auf Plätzen, die eigentlich nur für Elektro­fahrzeuge zur Verfügung stehen würden, ergattern können.

Daher stimmen wir auch hier sehr gerne zu. – Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Bei­fall.)

19.48


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Bundesminister Mag. Leichtfried. – Bitte, Herr Minister.

 


19.48.42

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Jörg Leichtfried: Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte mich jenen Rednerinnen und Rednern an­schließen, die jetzt Qualität und Kürze sozusagen hochgehalten haben und werde mich auch sehr, sehr kurz halten. Es gibt eigentlich zu Ihren Debattenbeiträgen, was jetzt Elektromobilität betrifft und alle sehr einhellig waren, nicht mehr allzu viel zu sagen.

Ich möchte nur noch eine Anmerkung machen, weil ich dazu öfters angesprochen worden bin, nämlich auf das grüne Kennzeichen. Das ist, bitte, weder politisch, noch fuß­balltechnisch zu verstehen.

Ansonsten möchte ich auch die Gelegenheit nützen, mich beim Herrn Präsidenten für seine Vorsitzführung zu bedanken und Ihnen allen noch schöne Weihnachten und ei­nen guten Rutsch zu wünschen. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

19.49

19.49.48

 


Präsident Mario Lindner: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich darf mich auch im Namen des österreichischen Bundesrates ganz herzlich für die Zusammenarbeit im heu­rigen Jahr bedanken. Frohe Weihnachten und auch dir alles Gute für 2017!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. De­zember 2016 betreffend 34. KFG Novelle.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Seeschifffahrts-Erfül­lungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit an­genommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


BundesratStenographisches Protokoll862. Sitzung / Seite 100

19.50.54Einlauf

 


Präsident Mario Lindner: Ich gebe bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, 3193/J-BR/2016 bis 3196/J-BR/2016, ein­gebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates ist bereits auf schriftlichem Wege erfolgt. Als Sitzungstermin ist morgen, Mittwoch, der 21. Dezember 2016, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat am 14. und 15. Dezember 2016 verabschiedet hat, soweit die­se dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates un­terliegen.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich weise noch darauf hin, dass morgen ab 8.30 Uhr im Salon des Bundesrates eine Ausstellung zum Thema Fair Trade, inklusive Verkostung, stattfinden wird.

In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

19.51.52Schluss der Sitzung: 19.51 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien