Stenographisches Protokoll

17. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Dienstag, 23., Mittwoch, 24.,

Donnerstag, 25., und Freitag, 26. April 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

17. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode/P>

Dienstag, 23., Mittwoch, 24.,

Donnerstag, 25., und Freitag, 26. April 1996

 

Dauer der Sitzung

Dienstag, 23. April 1996: 11.03 – 24.00 Uhr

Mittwoch, 24. April 1996: 0.00 – 2.48 Uhr

9.00 – 20.34 Uhr

Donnerstag, 25. April 1996: 9.00 – 20.16 Uhr

Freitag, 26. April 1996: 9.02 – 16.27 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996 samt Anlagen

2. Punkt: Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1997 samt Anlagen

*****

Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Hans Schöll 515

Angelobung der Abgeordneten Dr. Franz Linser und Wolfgang Jung 515

Personalien

Verhinderungen 17, 224, 373, 514

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Besprechung der Anfragebeantwortung 109/AB gemäß § 92 Abs. 2 der Geschäftsordnung 19

Durchführung einer Debatte gemäß § 92 Abs. 5 der Geschäftsordnung 80

Redner:


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17. Sitzung / Seite 2

Mag. Johann Ewald Stadler 80

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigungen) 84, 121

Anton Gaál 84

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigungen) 85, 94

Dr. Volker Kier 86

Mag. Helmut Kukacka 89

Bundesminister Dr. Caspar Einem 91, 127

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky 95

Dr. Jörg Haider (tatsächliche Berichtigungen) 96, 108

Mag. Karl Schweitzer 96

Mag. Terezija Stoisits 98

Herbert Scheibner 102

Anton Leikam 105

Dr. Helene Partik-Pablé 109

Karl Öllinger 112

Dr. Helene Partik-Pablé (tatsächliche Berichtigung)115

Dr. Harald Ofner 115

Emmerich Schwemlein 119

Dr. Michael Krüger 121

Andreas Wabl 123

Dr. Jörg Haider 124

Mag. Dr. Heide Schmidt 128

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen gemäß § 92 Abs. 6 der Geschäftsordnung auf Nichtkenntnisnahme der schriftlichen Anfragebeantwortung 109/AB – Ablehnung 118, 129

Verlangen auf Besprechung der Anfragebeantwortung 64/AB gemäß § 92 Abs. 2 der Geschäftsordnung 19

Durchführung einer Debatte gemäß § 92 Abs. 5 der Geschäftsordnung 129

Redner:

Helmut Haigermoser 129

Ingrid Tichy-Schreder 132

Mag. Helmut Peter 133

Dr. Kurt Heindl 133

Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen 134, 142

Bundesminister Dr. Johannes Ditz 135, 138

Ing. Walter Meischberger 137

Mares Rossmann 139

Mag. Gilbert Trattner 141

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 1 der Geschäftsordnung 19

Unterbrechungen der Sitzung 101, 224, 373, 514, 612

Feststellungen des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser betreffend das Führen von Gesprächen an der Regierungsbank während einer Rede eines Abgeordneten 338, 568

Feststellung des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder betreffend das Führen von Gesprächen an der Regierungsbank 371

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Anwesenheit des als vertreten gemeldeten Bundesministers Dr. Scholten und die Rechtsgültigkeit der diesbezüglichen Entschließung des Bundespräsidenten 395

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung erstens der politischen und rechtlichen Verantwortung des Bundesministers für Inneres


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17. Sitzung / Seite 3

betreffend unterbliebene, unsachgemäße und verfehlte sicherheitsbehördliche Maßnahmen gegen die kommunistische kurdische Arbeiterpartei PKK und ihre Teil- und Unterorganisationen und zweitens der politischen und rechtlichen Verantwortung des Bundesministers für Inneres betreffend unterbliebene, unsachgemäße und verfehlte Ermittlungsschritte im Zusammenhang mit der Aufklärung des Bombenterrors in Österreich, insbesondere der Briefbombenserien sowie der Terroranschläge von Klagenfurt, Oberwart, Stinatz und Ebergassing gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 600

Bekanntgabe 544

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 59 Abs. 3 der Geschäftsordnung 544

Redner:

Mag. Brigitte Ederer 601

Dr. Helene Partik-Pablé 603

Maria Rauch-Kallat 604

Mag. Karl Schweitzer 604

Dr. Volker Kier 605

Dr. Michael Krüger 606

Mag. Doris Kammerlander 607

Dr. Harald Ofner 608

Mag. Johann Ewald Stadler 609

Mag. Thomas Barmüller 611

Ablehnung des Antrages (namentliche Abstimmung) 611

Feststellungen des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder zur Ankündigung des Abgeordneten Karl Öllinger, eine Broschüre verteilen zu wollen 555, 555

Wortmeldung des Abgeordneten Andreas Wabl zur Feststellung des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder betreffend die angekündigte Verteilung einer Broschüre durch den Abgeordneten Karl Öllinger 555

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol zu dem Umstand, daß Regierungsmitglieder während eines Debattenbeitrages Gespräche mit Abgeordneten oder anderen Personen führen 564

Feststellung des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder betreffend das Führen von Gesprächen an der Regierungsbank im Zusammenhang mit der diesbezüglichen Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol 564

Verlangen des Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner auf getrennte Abstimmung gemäß § 65 Abs. 4 der Geschäftsordnung 594, 596

Verlangen der Abgeordneten Klara Motter und Karl Öllinger auf getrennte Abstimmung gemäß § 65 Abs. 4 der Geschäftsordnung 594, 596

Ersuchen des Präsidenten Dr. Heinz Fischer an die Besucher auf der Galerie, sich jeglicher Einmischung in den Verlauf der Verhandlungen zu enthalten 610

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung 611

Verlesung der vorgesehenen Fassung des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch den Präsidenten Dr. Heinz Fischer 613

Genehmigung des Amtlichen Protokolls 615


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17. Sitzung / Seite 4

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 17, 224, 373, 514

Ausschüsse

Zuweisungen 17

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (70 und Zu 70 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996 samt Anlagen (96 d. B.)

2. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (71 und Zu 71 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1997 samt Anlagen (97 d. B.)

Berichterstatter: Ernst Fink 20

Beratungsgruppe Oberste Organe: Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei, Kapitel 02: Bundesgesetzgebung, Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof, Kapitel 04: Verwaltungsgerichtshof, Kapitel 05: Volksanwaltschaft und Kapitel 06: Rechnungshof

Beratungsgruppe Bundeskanzleramt/Frauenangelegenheiten: Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen

Redner:

Dr. Jörg Haider 23

Dr. Peter Kostelka 30

Mag. Dr. Heide Schmidt 35

Dr. Andreas Khol 42

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 45

Peter Schieder 49

Ing. Walter Meischberger 51

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky 58

Maria Rauch-Kallat 64

Dr. Friedhelm Frischenschlager 67

Dr. Ilse Mertel 71

Mag. Terezija Stoisits 73

Rosemarie Bauer 77

Edith Haller 142

Dr. Dieter Antoni 149

Maria Schaffenrath 150

Ridi Steibl 155

Mag. Doris Kammerlander 156

Bundesministerin Dr. Helga Konrad 160

Anton Leikam 164

Dr. Harald Ofner 166

Mag. Cordula Frieser 168

Karl Öllinger 170

Arnold Grabner 171

Hermann Böhacker 174

Karlheinz Kopf 175

Mag. Dr. Udo Grollitsch 176

Staatssekretär Mag. Karl Schlögl 178


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17. Sitzung / Seite 5

Dr. Elisabeth Hlavac 179

Georg Wurmitzer 180

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler 182

Dr. Gottfried Feurstein 184

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend die besondere Förderung der Volksgruppen im "Millenniumsjahr" – Ablehnung 167, 598

Beratungsgruppe Landesverteidigung: Kapitel 40: Militärische Angelegenheiten (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Redner:

Herbert Scheibner 185

Dr. Karl Maitz 189

Dr. Friedhelm Frischenschlager 192

Anton Gaál 195

Andreas Wabl 198

Walter Murauer 201

Andreas Wabl (tatsächliche Berichtigung) 203

Dr. Harald Ofner 203

Ing. Gerald Tychtl 206

Mag. Terezija Stoisits 208

Willi Sauer 210

Mag. Terezija Stoisits (tatsächliche Berichtigung) 212

Hermann Mentil 212

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 214

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 216

Werner Amon 217

Mag. Doris Kammerlander 217

Marianne Hagenhofer 219

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 221

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend Erhöhung des Landesverteidigungsbudgets in der XX. Gesetzgebungsperiode auf vergleichbares europäisches Niveau – Ablehnung 213, 598

Beratungsgruppe Äußeres: Kapitel 20: Äußeres

Redner:

Dr. Jörg Haider 224

Dr. Alois Mock 232

Dr. Friedhelm Frischenschlager 237

Peter Schieder 243

Mag. Doris Kammerlander 246

Ingrid Tichy-Schreder 253

Mag. Karl Schweitzer 254

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 259

Dr. Josef Cap 263

Dr. Volker Kier 266

Maria Rauch-Kallat 270

Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen 272

Dr. Willi Fuhrmann 275

Dr. Harald Ofner 277

Johannes Zweytick 279

Rudolf Anschober 281

Inge Jäger 284


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17. Sitzung / Seite 6

Ing. Walter Meischberger 287

Staatssekretärin Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner 290

Mag. Dr. Alfred Brader 292

Mag. Terezija Stoisits 293

Mag. Dr. Josef Höchtl 296

Herbert Scheibner 298


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17. Sitzung / Seite 7

Entschließungsantrag der Abgeordneten Johannes Zweytick, Anton Leikam, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Thomas Barmüller, Andreas Wabl und Genossen betreffend Kernkraftwerke an Österreichs Grenzen – Annahme (E 9) 281, 598

Beratungsgruppe Wirtschaftliche Angelegenheiten: Kapitel 63: Handel, Gewerbe, Industrie, Fremdenverkehr und Kapitel 64: Bauten und Technik (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Redner:

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 300

Ing. Leopold Maderthaner 305

Mag. Helmut Peter 308

Dr. Kurt Heindl 313

Ing. Monika Langthaler 315

Bundesminister Dr. Johannes Ditz 320, 372

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 324

Mag. Helmut Peter (tatsächliche Berichtigung) 326

Helmut Haigermoser 327

Rudolf Parnigoni 331

Dr. Hans Peter Haselsteiner 333

Mag. Dr. Josef Trinkl 336

Mares Rossmann 338

Helmut Dietachmayr 341


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17. Sitzung / Seite 8

Mag. Reinhard Firlinger 343

Matthias Ellmauer 345

Peter Rosenstingl 347

Georg Oberhaidinger 348

Mag. Thomas Barmüller 350

Hermann Kröll 352

Mag. Gilbert Trattner 355

Günter Kiermaier 356

Dr. Susanne Preisinger 357

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 359

Anton Blünegger 360

Peter Marizzi 361

Erhard Koppler 362

Kurt Wallner 364

Karl Gerfried Müller 366

Franz Riepl 367

Mag. Johann Maier 369

Mag. Herbert Kaufmann 371

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen betreffend die Sicherstellung der Zuführung von Privatisierungserlösen an die Forschungs- und Technologieförderung – Ablehnung 302, 598

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Novellierung des Bundesgesetzes vom 26. März 1947 (2. Verstaatlichungsgesetz), BGBl. Nr. 81/1947 – Ablehnung 304, 598

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Verhinderung der Doppelmaut infolge der Einführung des "Mautpickerls" – Ablehnung 347, 598

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Verhinderung der Maut auf Stadtautobahnen – Ablehnung 348, 598

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Susanne Preisinger und Genossen betreffend Mautpickerl für Fahrzeuge mit Wechselkennzeichen – Ablehnung 358, 598

Beratungsgruppe Unterricht und Kunst: Kapitel 12: Unterricht und kulturelle Angelegenheiten (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag), Kapitel 13: Kunst (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag) und Kapitel 71: Bundestheater

Redner:

Dr. Michael Krüger 374

Mag. Dr. Josef Höchtl 379

Maria Schaffenrath 382

DDr. Erwin Niederwieser 386

Karl Öllinger 389

Franz Morak 395

Dr. Susanne Preisinger 398

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 403, 407

Dr. Susanne Preisinger (tatsächliche Berichtigung) 407

Dr. Josef Cap 407

Mag. Dr. Heide Schmidt 411

Bundesminister Dr. Rudolf Scholten 419

Fritz Neugebauer 422

Mag. Terezija Stoisits 424

Dr. Dieter Antoni 426

Mag. Dr. Udo Grollitsch 428

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 430

Klara Motter 432

Mag. Walter Posch 435

Theresia Haidlmayr 437

Mag. Dr. Alfred Brader 438

Brunhilde Fuchs 439

Franz Stampler 441

Heidemaria Onodi 442

Ingrid Tichy-Schreder 444

Dr. Robert Rada 446

Verena Dunst 447

Franz Riepl 450

Beratungsgruppe Gesundheit: Kapitel 17: Gesundheit und Konsumentenschutz

Redner:

Dr. Alois Pumberger 453

Mag. Walter Guggenberger 462

Klara Motter 463

Dr. Günther Leiner 466

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 468

Heidemaria Onodi 472

Dr. Brigitte Povysil 473

Dr. Erwin Rasinger 476

Mag. Reinhard Firlinger 479

Hannelore Buder 482

Ing. Monika Langthaler 484, 513

Johann Schuster 487

Edith Haller 489

Dr. Elisabeth Pittermann 491

Dr. Alois Pumberger (tatsächliche Berichtigung) 493

Theresia Haidlmayr 493

Willi Sauer 496

Anna Elisabeth Aumayr 498

Manfred Lackner 500

Verena Dunst 502

Ing. Erwin Kaipel 504

Annemarie Reitsamer 506

Bundesministerin Dr. Christa Krammer 508, 512

Mag. Herbert Haupt 511

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend grünes Licht für Gruppenpraxen und Erwerbsgesellschaften für Angehörige von Gesundheitsberufen – Ablehnung 456, 598

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend LKF-Anwendung auch auf Tageskliniken und Sanatorien – Ablehnung 457, 599

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Gesundheitsvorsorge als vordringliches Anliegen der Gesundheitspolitik des Bundes – Ablehnung 475, 599

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Fleischuntersuchungsgesetz 1982 – Ablehnung 482, 599

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Suchtgiftprävention – Ablehnung 490, 599

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Konsumentenschutz anhand von Heilpraktikerschulen – Ablehnung 491, 599

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Einführung von Kontroll- und Qualitätssicherungsmaßnahmen im Rahmen der LKF – Ablehnung 495, 599

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Einführung von verbindlichen Herkunftsbezeichnungen für Fleisch und Fleischprodukte – Ablehnung 495, 599

Beratungsgruppe Übrige Kapitel: Kapitel 11: Inneres (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag), Kapitel 14: Wissenschaft und Forschung (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag), Kapitel 15: Soziales, Kapitel 16: Sozialversicherung, Kapitel 18: Umwelt, Kapitel 19: Jugend und Familie, Kapitel 30: Justiz (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag), Kapitel 50: Finanzverwaltung, Kapitel 51: Kassenverwaltung, Kapitel 52: Öffentliche Abgaben, Kapitel 53: Finanzausgleich, Kapitel 54: Bundesvermögen, Kapitel 55: Pensionen (Hoheitsverwaltung), Kapitel 59: Finanzschuld, Währungstauschverträge, Kapitel 60: Land- und Forstwirtschaft (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag), Kapitel 65: Öffentliche Wirtschaft und Verkehr (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag), Kapitel 75: Alkohol (Monopol), Kapitel 77: Österreichische Bundesforste (einschließlich Kon


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17. Sitzung / Seite 9

junkturausgleich-Voranschlag), Kapitel 78: Post- und Telegraphenverwaltung (im Budget 1997 ausgegliedert) sowie Text des Bundesfinanzgesetzes, Stellenplan, Fahrzeugplan und Plan für Datenverarbeitungsanlagen für die Jahre 1996 und 1997

Redner:

Mag. Gilbert Trattner 516

Erhard Koppler 521

Dr. Volker Kier 522, 593

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 528

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 531

Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen 534

Ing. Kurt Gartlehner 538

Dr. Helene Partik-Pablé 539

Mag. Franz Steindl 544

Mag. Thomas Barmüller 546, 583

Dr. Wolfgang Riedler 549

Karl Öllinger 552, 581

Johann Kurzbauer 555

Anton Blünegger 556

Karl Gerfried Müller 560

Mag. Reinhard Firlinger 561

Jakob Auer 564

Bundesminister Franz Hums 567

Dr. Jörg Haider 567, 590

Mag. Helmut Peter 570

Andreas Wabl 572, 591

Dr. Peter Kostelka 576

Dr. Jörg Haider (tatsächliche Berichtigung) 578

Rudolf Anschober 578

Johann Schuster 580

Mag. Johann Ewald Stadler 584, 593

Ing. Mathias Reichhold 587

Dr. Michael Krüger 589

Karl Donabauer 592

Annahme des Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1996 samt Anlagen in zweiter Lesung (getrennte Abstimmung) 594

Annahme des Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1996 samt Anlagen in dritter Lesung 596

Annahme des Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1997 samt Anlagen in zweiter Lesung (getrennte Abstimmung) 596

Annahme des Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1997 samt Anlagen in dritter Lesung 598

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Gefährdung von Bundesinteressen durch den Gesetzesbeschluß des Steiermärkischen Landtages über ein Naturnutzungsabgabegesetz – Ablehnung 548, 599

Entschließungsantrag der Abgeordneten Jakob Auer, Heinz Gradwohl und Genossen betreffend Kennzeichnung von Fleisch und Fleischprodukten – Annahme (E 10) 581,596

Entschließungsantrag der Abgeordneten Robert Wenitsch und Genossen betreffend EU-Preisausgleich für österreichische Rinderbauern – Ablehnung 588, 599


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17. Sitzung / Seite 10

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage 17

90: Bundesgesetz, mit dem das Außenhandelsgesetz 1995 geändert wird

Anträge der Abgeordneten

Klara Motter und Genossen betreffend Schaffung eines modernen und umfassenden Gesetzes über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (167/A) (E)

Klara Motter und Genossen betreffend Ausbildungsreform für Heilmasseure und Heilbademeister (168/A) (E)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz zur Bewirtschaftung von Lebensmitteln (Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1996) (169/A)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Rücknahme der Übertragung der Kompetenz zur Festlegung von Einspeisetarifen für elektrischen Strom an die Landeshauptleute, soweit Lieferungen elektrischen Stroms aus Windenergie-, Biomasse-, Biogas- und Photovoltaikanlagen davon betroffen sind (170/A) (E)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen betreffend Büro für Internationale Forschungs- und Technologiekooperation (BIT) (171/A) (E)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, BGBl. Nr. 9/1992, geändert wird (Streichung des Religionsbekenntnisses) (172/A)

Karlheinz Kopf und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird (173/A)

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (FHStG) geändert wird (174/A)

Rosemarie Bauer und Genossen betreffend Weiterentwicklung des Rechtes der Europäischen Union um den Grundsatz der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern (175/A) (E)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der vom Strukturanpassungsgesetz zum Familienlastenausgleichsgesetz massiv betroffenen Studenten (176/A) (E)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Ausgliederung und Privatisierung der Österreichischen Bundesforste (177/A) (E)

Arnold Grabner und Genossen betreffend Änderung des Forstgesetzes 1975 (178/A)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440, zuletzt geändert mit BGBl. Nr. 970/1993, neuerlich geändert wird (Forstgesetz-Novelle 1996) (179/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Dr. Alfred Brader und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schließung der Gendarmerieposten in Niederösterreich (444/J)


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17. Sitzung / Seite 11

Karl Gerfried Müller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Lückenschluß der Süd Autobahn zwischen Klagenfurt und Völkermarkt (445/J)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einhebung einer Gebühr bei Unfällen mit Sachschäden (446/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend eine Verordnung zu Inkassogebühren (447/J)

Dr. Ewald Nowotny und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Benzinpreiserhöhungen (448/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Treffsicherheit von Transferleistungen (449/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Treffsicherheit von Transferleistungen (450/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Treffsicherheit von Transferleistungen (451/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Einschränkung der Möglichkeit zur Errichtung von Windkraftanlagen durch Richtfunkstrecken (452/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Aktivitäten des Ministeriums zum Thema "Windenergie" (453/J)

Klara Motter und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Treffsicherheit von Transferleistungen (454/J)

Rudolf Parnigoni und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Eich- und Vermessungsämter (455/J)

Rudolf Parnigoni und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend B 303 – bauliche Maßnahmen (456/J)

Marianne Hagenhofer und Genossen an den Bundesminister für Umwelt betreffend getrennte Müllsammlung (457/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt betreffend Auswirkungen des Großbrandes am Düsseldorfer Flughafen (458/J)

Mag. Cordula Frieser und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend EU-widriges Vorgehen von Organen des Sozialministers (459/J)

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Schließung von Bezirksgerichten (460/J)

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend Taxiverkehr in die Tschechische Republik (461/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsatz von Rettungsflügen durch Notarzt-Hubschrauber (462/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Österreichische Staatsdruckerei (463/J)


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17. Sitzung / Seite 12

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Sozialversicherungspflicht für Werkverträge im Bereich von Kunst und Kultur (464/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend bilaterale österreichische Entwicklungshilfe (465/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Politikkohärenz und Koordinierung der Entwicklungszusammenarbeit in der EU (466/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Gestaltungsspielraum und Transparenz bei der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit (467/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Erteilung von Touristenvisa an Personen, die Familienangehörige in Österreich besuchen wollen (468/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Teilnahme von österreichischen Bundesheerangehörigen an der Einweihung eines Denkmales für die deutsche Wehrmacht im Dritten Reich (469/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Finanzierung eines Denkmales für die deutsche Wehrmacht im Dritten Reich durch die Bundesregierung und die Teilnahme von österreichischen Bundesheerangehörigen an der Einweihung des Denkmales in Wolgograd (470/J)

Arnold Grabner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Straßenbauvorhaben im Bundesland Niederösterreich (471/J)

Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend langfristige Sicherung der Pensionsfinanzierung (472/J)

Dr. Gottfried Feurstein und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend Verbesserung des City-Night-Line-Hotelzuges "Wiener Walzer" (473/J)

Dipl.-Ing. Werner Kummerer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Überprüfung der Vorgangsweise des Bundesdenkmalamtes im Zusammenhang mit der Bewilligung zum Abriß von zwei Objekten aus dem Jahr 1662 beziehungsweise um 1760 in Mistelbach, NÖ (474/J)

Dr. Robert Rada und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Caritas-Ausbildungszentrum für Sozialberufe (475/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die steuerliche Behandlung von Verlagsförderungen (476/J)

Heinz Gradwohl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Finanzierung des ÖPUL 1996 (477/J)


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17. Sitzung / Seite 13

Maria Schaffenrath und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die Behindertenfeindlichkeit des österreichischen Schulsystems (478/J)

Maria Schaffenrath und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die beabsichtigte Schließung der Höheren Lehranstalt für Gesundheits- und Krankenpflege (HLGK) der Caritas der Erzdiözese Wien (479/J)

Dr. Karl Maitz und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Bevorschussung des Schmerzensgeldes für Revierinspektor Bernhard St. (480/J)

Dr. Karl Maitz und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Bevorschussung des Schmerzensgeldes für Revierinspektor Bernhard St. (481/J)

Inge Jäger und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend professionelle Wahlbeobachtung im Außenamt (482/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Sondervertrag für Sektionschef Dkfm. Stacher (483/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend einen angeblich gefälschten Geheimdienstbericht über den Gesamttiroler Schützenbund (484/J)

Brigitte Tegischer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Ermittlung der Exekutivbeamten in mehreren Fällen im Villgratental (Bezirk Lienz) (485/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kürzung von Nebengebühren und Belohnungen (486/J)

Karl Gerfried Müller und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Agitationen eines Sektenvertreters in einer Villacher Hauptschule (487/J)

Doris Bures und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend das fragwürdig großzügige Verhalten der Staatsanwaltschaft gegenüber einem Amokläufer (488/J)

Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Ankündigungen im Koalitionsübereinkommen 1996 zwischen SPÖ und ÖVP (489/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Verbesserung des Unfallversicherungsschutzes für Mitglieder Freiwilliger Feuerwehren (490/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend technische Realisierung des kilometerabhängigen Mautsystems (491/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die sogenannte Geisteskrankenevidenz (492/J)

Mag. Brigitte Ederer und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verbreitung von neonazistischem Gedankengut über Internet und WorldWideWeb (493/J)

Günther Platter und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Strukturmaßnahmen im Bereich der Bundesgendarmerie (494/J)


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17. Sitzung / Seite 14

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend Einstellung verschiedener Züge in Oberösterreich (495/J)

Edeltraud Gatterer und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend Eisenbahninfrastrukturmaßnahmen in Klagenfurt (496/J)

Ingrid Tichy-Schreder und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Behandlung von Angeklagten im Landesgericht für Strafsachen Wien (497/J)

Ingrid Tichy-Schreder und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Fremdsprachenunterricht an Berufsschulen (498/J)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Fehlentwicklungen im Bereich des Wohnungsgemeinnützigkeitswesens, insbesondere des § 14 (1) WGG (499/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Veräußerung unbeweglichen Bundesvermögens (500/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Konsumentenschutz in Zusammenhang mit BSE (501/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Ausbau des Kraftwerks Theiß (502/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend WEB-Affäre (503/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend LehrerInnenarbeitslosigkeit (504/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend geplante Pistenverlängerung beim Flughafen Wien-Schwechat (505/J)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Expertenkommission zwischen Österreich und Slowenien (506/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Aussendung des Finanzamtes für Körperschaften (507/J)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst betreffend die Expertenkommission zwischen Österreich und Slowenien (508/J)

Paul Kiss und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verfahren der Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit der PKK (509/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bundesrahmengesetz hinsichtlich der Anzeigenabgabe (510/J)

*****

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Mehrbelastung der Parlamentsbediensteten (1/JPR)


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17. Sitzung / Seite 15

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Jakob Auer und Genossen (151/AB zu 156/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Schrefel und Genossen (152/AB zu 154/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Großruck und Genossen (153/AB zu 186/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka und Genossen (154/AB zu 145/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Hannelore Buder und Genossen (155/AB zu 259/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (156/AB zu 222/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Kröll und Genossen (157/AB zu 218/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (158/AB zu 197/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (159/AB zu 201/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (160/AB zu 226/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (161/AB zu 149/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Parnigoni und Genossen (162/AB zu 211/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen (163/AB zu 158/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen (164/AB zu 249/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Hannelore Buder und Genossen (165/AB zu 261/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (166/AB zu 298/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen (167/AB zu 248/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (168/AB zu 151/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen (169/AB zu 188/J)


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17. Sitzung / Seite 16

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen (170/AB zu 194/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen (171/AB zu 195/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (172/AB zu 210/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (173/AB zu 217/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen (174/AB zu 146/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen (175/AB zu 147/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen (176/AB zu 148/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (177/AB zu 166/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (178/AB zu 152/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigitte Ederer und Genossen (179/AB zu 323/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (180/AB zu 150/J)


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17. Sitzung / Seite 17

Beginn der Sitzung: 11.03 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer , Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser , Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder .

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf bitten, die Plätze einzunehmen. Ich eröffne die 17. Sitzung des Nationalrates.

Das Amtliche Protokoll der 16. Sitzung, die vom 16. bis zum 19. April gedauert hat, ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Haupt, Dkfm. Bauer, Verzetnitsch, Nürnberger, Dipl.-Ing. Hofmann, Gatterer, Dr. Schwimmer, Ing. Reichhold, Dr. Karlsson, Elmecker und Moser.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diesen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilungen gemacht:

Herr Bundesminister Dr. Scholten wird in seiner Funktion als Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst durch Bundesminister Dr. Michalek, in seiner Funktion als Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr durch Frau Bundesministerin Dr. Konrad vertreten.

Herr Bundesminister für Finanzen Mag. Klima wird durch Herrn Bundesminister Dr. Einem vertreten.

Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Krammer wird durch Herrn Bundesminister Hums vertreten.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 444/J bis 446/J.

2 . Anfragebeantwortungen: 151/AB bis 180/AB.

3 . Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Außenhandelsgesetz 1995 geändert wird (90 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 161/A (E) der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend umfassende Attraktivierung der Lehre,


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17. Sitzung / Seite 18

Antrag 164/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ASVG geändert wird;

Außenpolitischer Ausschuß:

Antrag 159/A (E) der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend die Erreichung des Status eines assoziierten Mitgliedes in der Parlamentarischen Versammlung der NATO (NAA) für Österreich,

Antrag 162/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend weitere vertragliche Ausgestaltung des Subsidiaritätsprinzips;

Bautenausschuß:

Antrag 166/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Nord-Umfahrung Enns;

Gesundheitsausschuß:

Antrag 157/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl in der Lebensmittelproduktion;

Ausschuß für innere Angelegenheiten:

Antrag 163/A der Abgeordneten Dr. Irmtraut Karlsson, Werner Amon und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über das Verbot von Anti-Personen-Minen;

Justizausschuß:

Antrag 153/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Mag. Dr. Maria Fekter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird;

Landesverteidigungsausschuß:

Antrag 160/A (E) der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend die Erhöhung des Landesverteidigungsbudgets in der XX. Gesetzgebungsperiode auf vergleichbares europäisches Niveau;

Umweltausschuß:

Antrag 165/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Atomsperrgesetz 1978 geändert wird;

Unterrichtsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche geändert wird (81 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche geändert wird (82 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die israelitische Religionsgesellschaft geändert wird (83 der Beilagen),

Antrag 158/A der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 467/1995, geändert wird;


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17. Sitzung / Seite 19

Verfassungsausschuß:

Antrag 154/A der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Presseförderungsgesetz 1985 aufgehoben wird,

Antrag 155/A der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz geändert wird,

Antrag 156/A der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen, StGBl. Nr. 209/1919, aufgehoben wird.

*****

Verlangen auf Besprechung von Anfragebeantwortungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß die von 20 Abgeordneten unterstützten Verlangen gestellt worden sind, daß über die Beantwortung 109/AB sowie 64/AB der Anfragen 71/J sowie 28/J der Abgeordneten Dr. Haider beziehungsweise Mag. Trattner und Genossen betreffend Wolfgang Purtscheller und das Sprengstoffattentat von Ebergassing sowie betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die in den Jahren 1992 bis 1995 durch den Herrn Bundesminister für Inneres beziehungsweise den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten in Auftrag gegeben wurden, vor Eingang in die Tagesordnung eine Besprechung stattfinden möge.

Gemäß § 92 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich diese Besprechung an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus, und zwar in der angegebenen Reihenfolge.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es gegen diese Zusammenfassung einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Tagesordnung ein, und ich gebe bekannt, daß in der Präsidialkonferenz Konsens über die Dauer der Debatten zur gesamten Tagesordnung wie folgt erzielt wurde:

Demgemäß soll für den heutigen Sitzungstag sowie für die folgenden Sitzungstage bis einschließlich 26. April 1996 jeweils eine Blockredezeit von 11 Wiener Stunden festgelegt werden, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 165 Minuten, ÖVP 154 Minuten, Freiheitliche 143 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 99 Minuten Redezeit.

Spricht ein Mitglied der Bundesregierung in der Debatte länger als 20 Minuten, so würde das Ausmaß der Überschreitung in die Redezeit der jeweiligen Fraktion eingerechnet werden. Der Herr Bundesminister für Justiz bleibt dabei außer Betracht.

Über diesen Vorschlag ist in der Präsidiale Konsens erzielt worden. Der Nationalrat hat nunmehr darüber zu befinden.

Gibt es Einwendungen gegen diesen Vorschlag? – Das ist nicht der Fall. Dann liegt einhellige Zustimmung zu dieser Vorgangsweise vor.


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17. Sitzung / Seite 20

1. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (70 und Zu 70 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996 samt Anlagen (96 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (71 und Zu 71 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1997 samt Anlagen (97 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies die Berichte des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (70 und Zu 70 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996 samt Anlagen und über die Regierungsvorlage (71 und Zu 71 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1997 samt Anlagen.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist der Herr Abgeordnete Fink, und ich darf ihn ersuchen, in die Debatte einzuführen. – Bitte, Herr Berichterstatter.

Berichterstatter Ernst Fink: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Namens des Budgetausschusses erstatte ich den Bericht über die Regierungsvorlage (70 und Zu 70 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996 samt Anlagen.

Die Bundesregierung hat dem Nationalrat am 19. März 1996 die Entwürfe der Bundesfinanzgesetze für 1996 und 1997 vorgelegt.

Die Beratungen wurden am 25. März 1996 mit einem Hearing zu den Themenschwerpunkten Budget- und Wirtschaftspolitik, Steuern und Wirtschaft, Gesundheit sowie Wissenschaft, zu dem einige Experten eingeladen wurden, eingeleitet.

Zur Vorbehandlung der genannten Vorlage wurde ein Unterausschuß eingesetzt. Am 29. März sowie vom 10. bis 12. April 1996 wurden die Beratungen durchgeführt. Die Debatte war wie folgt gegliedert: Oberste Organe, Landwirtschaft, Inneres, Gesundheit, Unterricht, Landesverteidigung, BKA und Frauenangelegenheiten, Justiz, Äußeres, Wirtschaftliche Angelegenheiten sowie sonstige Teile der Regierungsvorlage.

Über die Vorlage wurde kein Einvernehmen erzielt.

Am 12. April 1996 berichtete der Unterausschußobmann dem Budgetausschuß über das Ergebnis der Beratungen.

Bei der Abstimmung im Budgetausschuß wurde der Text des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1996 unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler und Ing. Kurt Gartlehner mehrstimmig angenommen.

Die Anlage I – Bundesvoranschlag 1996 wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Mag. Gilbert Trattner, Dr. Heide Schmidt und Dr. Alexander Van der Bellen sowie mehrerer Abänderungsanträge der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler und Ing. Kurt Gartlehner einschließlich Gesamtsübersichten (Anlagen Ia bis Ic), diese unter Berücksichtigung der angenommenen Abänderungsanträge, sowie der Konjunkturausgleich-Voranschlag (Anlage II) teils einstimmig, teils mit wechselnden Mehrheiten angenommen. Ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner betreffend das Kapitel 10 fand nicht die Zustimmung der Ausschußmehrheit.

Die Anlage III – Stellenplan für das Jahr 1996 wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler und Ing. Kurt Gartlehner mit Stimmenmehrheit angenommen.


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17. Sitzung / Seite 21

Die Anlage IV – Fahrzeugplan für das Jahr 1996 wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages der Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler und Ing. Kurt Gartlehner mehrstimmig angenommen.

Ferner wurde die Anlage V – Plan für Datenverarbeitungsanlagen für das Jahr 1996 in der Fassung der Regierungsvorlage vom Ausschuß mehrstimmig beschlossen.

Der Budgetausschuß stellt somit den Antrag , der Nationalrat wolle beschließen:

Dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1996 in der Fassung der angeschlossenen Abänderungen sowie dessen

Anlage I – Bundesvoranschlag in der Fassung der angeschlossenen Abänderungen zu den Kapiteln

02: Bundesgesetzgebung, 06: Rechnungshof, 14: Wissenschaft und Forschung, 15: Soziales, 17: Gesundheit und Konsumentenschutz, 18: Umwelt, 19: Jugend und Familie, 50: Finanzverwaltung, 51: Kassenverwaltung, 52: Öffentliche Abgaben, 53: Finanzausgleich, 54: Bundesvermögen, 55: Pensionen (Hoheitsverwaltung), 59: Finanzschuld, Währungstauschverträge, 60: Land- und Forstwirtschaft, 63: Handel, Gewerbe, Industrie, Fremdenverkehr, 64: Bauten und Technik, 65: Öffentliche Wirtschaft und Verkehr,

Anlagen Ia bis Ic – Gesamtübersichten unter Berücksichtigung der sich aus den obigen Änderungen ergebenden Abänderungen,

Anlage II – Konjunkturausgleich-Voranschlag samt dessen summarischer Aufgliederung in der Anlage IIa,

Anlage III – Stellenplan in der Fassung der angeschlossenen Abänderungen,

Anlage IV – Fahrzeugplan in der Fassung der angeschlossenen Abänderungen und

Anlage V – Plan für Datenverarbeitungsanlagen

(70 und Zu 70 der Beilagen) wird die verfassungsmäßige Zustimmung erteilt.

Weiters erstatte ich den Bericht über die Regierungsvorlage (71 und Zu 71 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1997 samt Anlagen.

Hinsichtlich der Strukturierung der Beratungen im Budgetausschuß sowie in dem hierfür eingesetzten Unterausschuß verweise ich auf meine Ausführungen zum Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996.

Bei der Abstimmung am 12. April 1996 wurde der Text des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1997 unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages der Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler und Ing. Gartlehner mehrstimmig angenommen.

Die Anlage I – Bundesvoranschlag 1997 wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Nowotny, Dkfm. Mag. Mühlbachler, Mag. Trattner und Dr. Van der Bellen sowie mehrerer Abänderungsanträge der Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler und Ing. Gartlehner einschließlich Gesamtübersichten (Anlage Ia bis Ic), diese unter Berücksichtigung der angenommen Abänderungsanträge, sowie Konjunkturausgleich-Voranschlag (Anlage II) teils einstimmig, teils mit wechselnden Mehrheiten angenommen. Ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Trattner betreffend des Kapitel 10 fand nicht die Zustimmung der Ausschußmehrheit.

Die Anlage III – Stellenplan für das Jahr 1997 wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages der Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler und Ing. Gartlehner mit Stimmenmehrheit angenommen.


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17. Sitzung / Seite 22

Die Anlage IV – Fahrzeugplan für das Jahr 1997 wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages der Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler und Ing. Gartlehner mehrstimmig angenommen.

Die Anlage V – Plan für Datenverarbeitungsanlagen für das Jahr 1997 wurde vom Ausschuß in der Fassung der Regierungsvorlage mehrstimmig beschlossen.

Der Budgetausschuß stellt somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1997 in der Fassung der angeschlossenen Abänderungen sowie dessen

Anlage I – Bundesvoranschlag in der Fassung der angeschlossenen Abänderungen zu den Kapiteln

02: Bundesgesetzgebung, 06: Rechnungshof, 14: Wissenschaft und Forschung, 17: Gesundheit und Konsumentenschutz, 18: Umwelt, 19: Jugend und Familie, 50: Finanzverwaltung, 51: Kassenverwaltung, 53: Finanzausgleich, 54: Bundesvermögen, 55: Pensionen (Hoheitsverwaltung), 63: Handel, Gewerbe, Industrie, Fremdenverkehr, 65: Öffentliche Wirtschaft und Verkehr, 75: Alkohol (Monopol),

Anlage Ia bis Ic – Gesamtübersichten unter Berücksichtigung der sich aus den obigen Änderungen ergebenden Abänderungen,

Anlage II – Konjunkturausgleich-Voranschlag samt dessen summarischer Aufgliederung in der Anlage IIa,

Anlage III – Stellenplan in der Fassung der angeschlossenen Abänderungen,

Anlage IV – Fahrzeugplan in der Fassung der angeschlossenen Abänderungen und

Anlage V – Plan für Datenverarbeitungsanlagen

(71 und Zu 71 der Beilagen) wird die verfassungsmäßige Zustimmung erteilt.

Herr Präsident! Ich bitte, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Abgeordneten Fink für die Berichterstattung über die Beratungen im Ausschuß über die beiden Bundesfinanzgesetze 1996 und 1997.

General- und Spezialdebatte werden unter einem abgeführt.

In der Präsidialkonferenz ist Einvernehmen darüber erzielt worden, folgende Gliederung der Debatte vorzunehmen. Wir haben zu debattieren

den Teil Oberste Organe sowie BKA/Frauenangelegenheiten,

den Teil Landesverteidigung,

den Teil Äußeres,

den Teil Wirtschaftliche Angelegenheiten,

den Teil Unterricht und Kunst,

den Teil Gesundheit und

einen weiteren Teil, der die sonstigen Kapitel der Bundesvoranschläge, den Text der Bundesfinanzgesetze, die Stellenpläne, Fahrzeugpläne und Pläne für Datenverarbeitungsanlagen enthält.


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Stenographisches Protokoll
17. Sitzung / Seite 23

Die Abstimmungen über die Entwürfe der beiden Bundesfinanzgesetze 1996 und 1997 sind nach dieser Gliederung für Freitag, den 26. April in Aussicht genommen.

Oberste Organe

Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei

Kapitel 02: Bundesgesetzgebung

Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof

Kapitel 04: Verwaltungsgerichtshof

Kapitel 05: Volksanwaltschaft

Kapitel 06: Rechnungshof

Bundeskanzleramt/Frauenangelegenheiten

Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun als erstes zur Verhandlung des Teils Oberste Organe sowie Bundeskanzleramt/Frauenangelegenheiten.

Die Redezeiten sind bekannt. Ich wiederhole sie noch einmal: 165 Minuten SPÖ, 154 Minuten ÖVP, 143 Minuten Freiheitliche und je 99 Minuten Liberales Forum und Grüne.

Als erster Kontraredner hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

11.18

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Das Kapitel Oberste Organe betrifft nicht nur die Budgetpolitik im engeren Sinne, sondern gibt uns auch Gelegenheit, über die Frage der Staatsverfassung, den Zustand unserer obersten Organe, nicht nur, was den Verwaltungsbereich betrifft, sondern auch, was die Rechtsschutzorgane anlangt, etwa die Höchstgerichte, den Verfassungs-, den Verwaltungsgerichtshof oder direkte Bürgerschutzorgane wie die Volksanwaltschaft oder den Rechnungshof, einige Gedanken anzustellen.

Ich tue dies deshalb, weil ich glaube, daß gerade die letzte Debatte in den Ausschüssen um das Zustandekommen des nunmehr zur Beschlußfassung anstehenden Budgets bei vielen Bürgern auch in der Öffentlichkeit eine gewisse Nachdenklichkeit gefördert hat und selbstverständlich auch in den Reihen der Regierungsabgeordneten ein Unbehagen hervorgerufen wurde durch die Art und Weise, wie letztlich mit der Verfassung dieses Landes umgegangen wird.

Diese Nachdenklichkeit wurde noch dadurch gefördert – woran die Opposition Kritik übt –, daß es nicht nur ein Schnellsiedeverfahren bei wichtigen budgetären Entscheidungen gibt, sondern daß man vor allem mit Verfassungsbestimmungen, die mehr oder weniger willkürlich gewählt worden sind, versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen und damit das Konzept des Rechtsschutzes einfach zu durchbrechen.

Darüber hinaus ist dadurch – wie es eine Landesregierung in ihrer Begutachtung feststellt – ein derartiges Durcheinander in der Gesetzgebung verursacht worden, daß man im Zusammenhang mit diesem Budgetkonsolidierungskonvolut, wie es die Kärntner Landesregierung und der Verfassungsdienst bezeichnen, nur mehr von einer Verwahrlosung der österreichischen Gesetzeskultur, der ein neuer Glanzpunkt im negativen Sinne aufgesetzt worden ist, sprechen kann.

Meine Damen und Herren! Es sollte uns als Angehörige einer gesetzgebenden Körperschaft nachdenklich stimmen, daß wir Parlamentarier nicht nur die Kritik einstecken müssen, daß ein


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negativer Höhepunkt der Verwahrlosung der Gesetzgebungskultur gegeben ist, sondern daß sich auch das Höchstgericht, nämlich der Verfassungsgerichtshof, über die Art des "Regierungsgesetzgebers" sehr unzufrieden äußert. Wir sind doch nicht mehr die Gesetzgeber – dieses Parlament hat nicht einmal einen legistischen Apparat –, sondern wir sind die Marionetten einer immer mächtiger werdenden Regierungsgesetzgebung in diesem Land, die sich aussucht, was sie dem Parlament sozusagen zum Fraße vorwirft und was nicht.

Wie diese Gesetzgebung dann ausschaut, das sieht man auch anhand der Entscheidungen der Höchstgerichte, die sagen, die Gesetzgebung ist so schlampig und so unausgegoren, daß sie dem normalen Bürger nicht mehr verständlich ist. Ich zitiere den Verfassungsgerichtshof zu einem Gesetz, das er begutachtet hat: "Diesem Erfordernis eines klaren, bürgernahen Verständnisses entspricht weder eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befähigungen und Erfahrungen sowie geradezu archivarischer Fleiß vonnöten sind, noch eine solche, zu deren Verständnis außerordentliche methodische Fähigkeiten und eine gewisse Lust zum Lösen von Denksportaufgaben notwendig sind."

Das heißt, der Verfassungsgerichtshof sagt selbst: Gesetzgeber, was mutest du dem Bürger zu? Der Bürger muß eine gewisse Lust zum Lösen von Denksportaufgaben haben, damit er dahinterkommt, was in diesen komplizierten Gesetzen, in diesen verwirrenden Materien, die wir ihm servieren, drinsteht.

Deshalb muß es vorrangiges Ziel einer grundlegenden Erneuerung der Verfassungsinstitutionen dieses Staates sein, diese Regierungsgesetzgebung zu beenden, dem Parlament einen legistischen Apparat zu geben und die Abgeordneten wieder in die Lage zu versetzen, selbst Gesetze zu machen, die erprobt, praxisnah und auch durchführbar sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser schlampige Umgang mit dem Rechtsstaat führt dazu, daß dann, wenn man mit den Gesetzen nicht mehr zu Rande kommt, schnell eine Verfassungsbestimmung beschlossen wird, damit – so wie jetzt beim Strukturanpassungsgesetz 1996 – der Verfassungsgerichtshof und die Höchstgerichte ausgeschaltet werden. Was ist das für ein rechtsstaatliches Verständnis, meine Damen und Herren, wenn die Regierung dem Rechtsschutz suchenden Bürger den Weg zum Höchstgericht dadurch verschließt, daß diese Bestimmungen in Verfassungsrang erhoben werden? – Man sagt ganz einfach: Wir wollen nicht, daß beim Höchstgericht darüber nachgedacht wird, ob Steuergesetze rückwirkend beschlossen werden dürfen oder nicht und was das für den Bürger bedeutet. Es soll auch nicht ein Familienvater, der sich über eine ungerechte Familienbesteuerung beklagt, zum Höchstgericht gehen und diese zu Fall bringen können.

Was ist das für ein Verständnis vom Rechtsstaat, wenn diese Unkultur, wie sie jetzt eingerissen ist, weiter fortschreitet? – Meine Damen und Herren! Das ist der Weg in eine Parlamentsjustiz, die bereits eine gefährliche Dimension angenommen hat. Da kann man sich nicht hinsetzen, wie es der Klubobmann der sozialdemokratischen Fraktion getan hat, und sagen: Das Ganze gefällt mir zwar nicht, aber einmal hält man das schon aus. – Herr Kollege Kostelka! Was sind Sie für ein Verfassungsjurist? Sie sind selbst ausgebildet in diesem Fach. Das hält man nicht einmal aus. Der Umgang mit der Verfassung ist etwas Sensibles, Sie treten sie mit Füßen, lachen dazu und sagen, einmal hält man es schon aus, daß man die Verfassung strapaziert und den Bürgern den Rechtsschutz abschneidet.

Sonst treten Sie immer für die Menschenrechte ein, sonst treten Sie für Gott und die Welt ein und meinen, daß diese die Grundrechte haben sollen. Aber wenn es um den Schutz der Grund- und Freiheitsrechte der eigenen Bürger in dieser Republik geht, dann fahren Sie drüber, wenn es im Regierungsinteresse ist, daß es ärger nicht mehr gehen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nicht zuletzt hat einer, der Ihnen sehr verbündet ist, nämlich Herr Rauscher vom "Kurier", der nichts lieber sähe als eine pragmatisierte große Koalition bis zum Jahr 3047, gemeint: "Aus solchen Vorfällen erkennt man, wie wenig das rechtsstaatliche und demokratische Denken noch bei unseren Eliten im Staat verankert ist." – Da ist ihm wirklich zuzustimmen. Es ist eine Frage


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eines Defizits an rechtsstaatlicher und demokratischer Gesinnung, wie hier mit den Institutionen umgegangen wird.

Ich bin froh, daß der Herr Bundeskanzler uns heute seine Aufmerksamkeit schenkt, denn es geht auch um Fragen des Vollzuges der Gesetze.

Herr Bundeskanzler! In der Ausländergesetzgebung ist es heute so, daß Tausende Asylverfahren in jedem Fall vor dem Höchstgericht enden, weil es in Österreich die Möglichkeit gibt, daß ein Ausländer, der um Asyl ansucht oder der mit einem Aufenthaltsverbot belegt wird, weil er eine Straftat begangen hat, trotzdem den Weg zum Verwaltungsgerichtshof antreten kann. Bevor aber der Verwaltungsgerichtshof nicht entschieden hat, darf er nicht abgeschoben werden. Das heißt, notorische Rechtsbrecher, schwere Jungs, möchte ich sagen, die sich in Österreich befinden – wir haben viele Fälle gesammelt –, sich illegal in Österreich aufhaltende Ausländer, die Straftaten wie Raubüberfälle, Einbrüche, Gewalttaten begehen, die mehrfach vorbestraft sind, die oft ein Sündenregister haben, das mehrere Seiten im Polizeicomputer umfaßt, diese Leute gehen in jedem Fall zum Verwaltungsgerichtshof und sagen: Wenn wir abgeschoben werden sollen, dann gehen wir zum Verwaltungsgerichtshof ... (Abg. Öllinger: Woher wissen Sie, was im Polizeicomputer ist?) Sie interessiert natürlich, woher wir die Informationen haben, aber nicht, wie wir die Österreicher schützen. Das ist die typische Gesinnung, die Sie an den Tag legen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Leute gehen also, wenn ein Aufenthaltsverbot verfügt wird, zum Höchstgericht. Herr Bundeskanzler! Jetzt wissen wir, daß der Verwaltungsgerichtshof aufgrund seiner schlechten Ausstattung – vor zehn Jahren hatte er 3 000 Fälle zu erledigen, jetzt sind es 11 000 Fälle, pro Monat steigt die Zahl der Fälle um 250 bis 300 – hoffnungslos überfordert ist. Der Verwaltungsgerichtshofpräsident sagt heute, die Erledigung eines Asylverfahrens oder der Frage des Einspruches gegen einen Abschiebebescheid dauert im Schnitt 60 Monate. Das sind fünf Jahre! Und da schließt sich der Kreis zur Integrationspolitik des Herrn Einem, der vorsieht, daß nach fünf Jahren jeder eine Daueraufenthaltsbewilligung bekommt. Man muß nur lange genug beim Höchstgericht auf einen Entscheid warten können, dann gibt es eine Daueraufenthaltsbewilligung. Die Verbrecher, die Straftäter, die kein Recht haben, hier in Österreich zu sein – und davon gibt es Tausende Fälle –, haben wir hier im Lande sitzen und können sie nicht mehr abschieben. Aber den Österreichern verwehrt man den Rechtsschutz dort, wo er ihnen eigentlich eingeräumt werden sollte. Das, meine Damen und Herren, ist heute ein echtes rechtsstaatliches Problem, mit dem Sie sich, Herr Bundeskanzler, vielleicht auch einmal beschäftigen sollten, denn es hängt letztlich auch von den Entscheidungen dieser Regierung ab, in welchem Umfang Höchstgerichte funktionieren können oder nicht!

Es gibt aber noch eine zweite Frage, die mich interessiert. Herr Bundeskanzler! Sie sind zuständig für den Bereich der Medien. Wir Freiheitliche sind vor drei Jahren zum Europäischen Gerichtshof in Straßburg gegangen, um gegen das ORF-Monopol Klage zu erheben. Es ist bezeichnend, daß österreichische Bürger zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg gehen müssen, um ein Monopol zu Fall zu bringen, das es in dieser Art nirgendwo in der Welt mehr gibt. Sogar Albanien hat schon liberalisiert, nur in Österreich gibt es noch immer ein Medienmonopol, etwas, was auch die Richter in Straßburg zum Kopfschütteln gebracht hat.

Der österreichische Vertreter des Bundeskanzlers tritt dort auf und sagt: Wir müssen dieses Rundfunkmonopol aufrechterhalten – nachzulesen in seiner Stellungnahme –, weil wir die Österreicher vor der Manipulation der Medien schützen müssen. Daher wollen wir lieber einen Regierungsrundfunk haben, wo wir selbst bestimmen können, was den Leuten an Information, an gefilterter Wahrheit mitgeteilt wird. – Das ist die Argumentation! (Bundeskanzler Dr. Vranitzky: Aber das ist ja vor Jahren gewesen!) Ja, das ist vor Jahren gewesen, und genau das mahne ich jetzt ein, Herr Bundeskanzler.

Die Regierung, nicht der ORF, wurde verurteilt, das Monopol aufzuheben. Sie haben es bis zum heutigen Tag nicht geschafft, eine Privatisierung im Rundfunkgesetz zu ermöglichen – auch das ist verfassungswidrig! –, und Sie haben es bis zum heutigen Tag nicht geschafft, dieses ORF-Monopol formal und der Verfassung gemäß in Österreich aufzuheben und die Meinungsfreiheit,


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so wie sie in der Menschenrechtskonvention verankert ist, endlich auch für Österreich einzuführen. Das ist das Problem! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß schon, warum Sie das tun. – Weil sich natürlich die Macht über ein staatliches Medium trefflich einsetzen läßt, um die eigene Regierungsposition zu festigen. (Abg. Öllinger: Was ist mit Ihrem Propagandasender?)

Schauen wir uns nur einmal etwa die jüngste Folge des "Kaisermühlen-Blues" an, ausgestrahlt am Sonntag. Es ist interessant, wie da agiert wird: Subtile politische Propaganda, ärger kann es gar nicht mehr sein. Freiheitliche Bezirksräte werden – und das unmißverständlich! – als antisemitisch, ausländerfeindlich, trunken und asozial dargestellt.

Sogar "Die Presse", die ja nicht im Verdacht steht, freiheitliche Politik zu machen, kommt zu dem Schluß: "Wie leicht man doch", schrieb "Die Presse" gestern, "im ORF unter der Behauptung, man betriebe Unterhaltung, für politische Agitation primitivster Sorte Sendezeiten bekommt, vorausgesetzt natürlich, daß die Ohrfeigen an Kirche, ÖVP und Freiheitliche verteilt werden und daß die Ampelparteien bis auf einen zahmen Alibisatz völlig unerwähnt bleiben." – Genau das ist die Linie: Was man über die Nachrichten und über die politische Argumentation nicht mehr hinausbringt, versucht man subtil im Unterhaltungssektor unterzubringen, indem man einfach eine mißliebige Opposition vernadert. Das haben alle autoritären Regime gemacht. Das hat auch die DDR so gemacht, indem sie die Dissidenten heruntergemacht und diesen Menschen letztlich ihre moralische Qualifikation abgesprochen hat. Und das macht man auch in Österreich so. Da müssen wir wieder zu Gericht gehen. Es wurde auch ein Beitrag in der Sendung "10 1/2", dem Kulturjournal, verurteilt, weil man wenige Tage vor den Wahlen die Freiheitlichen als eine extremistische Gruppe darzustellen versucht hat. Wir bekommen recht.

Da tritt der Herr Bundeskanzler essend, kauend in allen Sportsendungen am Sonntag auf. Er ist ständig präsent, und zwar auch dort, wo er eigentlich keine Kompetenz hat. Wenn er wenigstens aktiv wäre im sportlichen Bereich, ließe ich mir das noch einreden. Sie können das nächste Jahr mit mir einmal einen Marathon laufen, dann wären Sie vielleicht einmal berechtigt, in einer Sportsendung des ORF vorzukommen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Es ist ja auch bekannt, daß der verlängerte Arm des Herrn Bundeskanzlers, der Herr Krammer, im ORF sichergestellt hat, daß etwa vor der Wahl eine der SPÖ mißliebige Sendung, nämlich "Der Kandidat", in der Herbert Fux die Hauptrolle hätte spielen sollen und sozusagen die Proporzwirtschaft etwas auf die Schippe genommen hat, abgesetzt worden ist – über Druck und Intervention des Herrn Krammer aus dem Bundeskanzleramt. (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!)

Es ist ja auch bekannt, daß wir eine Hofberichterstattung haben. Wenn Herr Vranitzky beim Tennisturnier in Kitzbühel ist, wird in der "Zeit im Bild" darüber Bericht erstattet, und er wird beim Spazierengehen gezeigt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dabei ist er gar nicht so gut im Tennis!) Das ist unheimlich wichtig. Und wenn Herr Dr. Vranitzky im Fernsehen bei der "Zeit im Bild" auftritt, dann sitzt ein staunender Genosse Broukal ihm gegenüber und läßt ihn zehn Minuten ohne Zwischenfrage reden. So etwas hat es überhaupt noch nie gegeben. Das ist rumänisches Fernsehen in den besten Zeiten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Erinnern wir uns nur daran, wie über Intervention der Politiker im ORF kritische Journalisten bei der "Pressestunde" des Herrn Kanzlers ausgeladen werden. Der Herr Barazon von den "Salzburger Nachrichten" hat viele kritische Artikel über die Regierung Vranitzky geschrieben, daher wird er kurzfristig ausgeladen aus der "Pressestunde" des ORF. Ähnlich ist es dem Chefredakteur der "Presse", Michael Maier, ergangen.

Oder die jetzige Initiative: Herr Nagiller wird plötzlich dazu verhalten, eine unterstützende Berichterstattung durch die Einrichtung einer eigenen EU-Redaktion, Europaredaktion vor den EU-Wahlen durchzuführen, um im Sinne der Regierung "unterstützend", wie es so schön heißt, aufklärend und unterstützend Berichterstattung zu machen.


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Aber wir erinnern uns nicht nur an diese Beispiele im ORF, sondern wir erinnern uns auch an die Abkanzelung eines Wissenschafters des Wirtschaftsforschungsinstitutes, Professor Breuss, der vor der EU-Abstimmung voll die Wahrheit gesagt hat, wie hoch der Abgang im Budget wirklich sein wird. Da hat ihn der Kanzler abgekanzelt. Der Herr Kramer mußte sich im Fernsehen dafür entschuldigen, daß der Wissenschafter Professor Breuss leider nicht die Wahrheit gesagt habe, wie hoch das Defizit durch den EU-Beitritt sein würde. Das Wirtschaftsforschungsinstitut ist ja auf Gelder der Regierung angewiesen. Der ORF steht natürlich zu Diensten, wenn die Abbitte des Herrn Kramer übertragen werden muß. – Daß Breuss allerdings im nachhinein recht behalten hat, das sei nur noch ergänzend angefügt.

Daher meine ich, meine Damen und Herren, das alles müßte eigentlich zum Nachdenken anregen und sollte heute auch in dem Appell an Sie, Herr Bundeskanzler, enden: Kommen Sie endlich dem Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes in Straßburg nach! Mehr brauchen Sie nicht zu tun. Es ist nicht die Aufgabe der Opposition, das einzufordern. Sie sind als Chef dieser Regierung verpflichtet, im Sinne des Erkenntnisses zu handeln. Seit drei Jahren tun Sie das allerdings nicht. Warum, das weiß niemand. Daß es politische Hintergründe gibt, habe ich vielleicht hier ein bißchen darstellen können.

Das ist es: Es geht einfach um diese Art der gelenkten Meinungsbildung in unserem Lande. Sie sind ja nicht nur ein mächtiger Herr, der jetzt auch auf den ORF Einfluß nimmt und der es in der Hand hat, ob etwas freigegeben wird oder nicht, Sie haben ja auch noch rund 300 Millionen Schilling besondere Presseförderung zur Verfügung, etwas, was einmalig ist in einem demokratischen Staat, daß es nämlich mehr oder weniger in der Macht des Kanzlers liegt, Zeitungen zu fördern. Schreiben sie brav, bekommen sie hohe Subventionen, schreiben sie nicht brav, schaut es schon wieder anders aus. Daß da interveniert wird, hat der Kurzzeitchefredakteur der "Presse" Dr. Maier in einem Abschiedsartikel in der "Presse" unumwunden zugegeben, wenn er schildert, wie vor der Nationalratswahl einer der höchsten Politiker Österreichs – schwer zu erahnen, wen er damit meint – bei ihm anruft und fragt, ob man in der "Presse" nicht etwas tun könne für seine Partei, ob man nicht in der Berichterstattung stärker Rücksicht nehmen könnte. Daraufhin weist der Chefredakteur der "Presse" nach seinen Worten darauf hin, daß im Titel der Zeitung "unabhängig" steht, Tag für Tag. "Das Argument konnte", schreibt Herr Maier, "mein Gegenüber nicht überzeugen. Vielleicht hätte ich eine Summe nennen sollen. Aber mein Gesprächspartner begann ohnehin, unauffällig über die Presseförderung nachzudenken." (Abg. Mag. Stadler: Das ist unglaublich!) – Das ist Österreich, meine Damen und Herren! Das ist Österreich! Das ist die "freie Meinungsäußerung" in unserem Lande!

Daher sollte man wirklich sagen: Wir diskutieren über die Minima dieser Republik. Da wird es zur Staatsaffäre, wenn der Herr Kanzler ohne Kleider auf einem Titelblatt firmiert. Daß das dem Oppositionschef der Freiheitlichen schon vor drei Jahren passiert ist, das vergißt man. Da gab es keine Aufregung. Aber wenn der Kanzler betroffen ist, ja dann müssen sofort alle Journalisten zurücktreten, die es gewagt haben, so ein Blatt herauszubringen, denn das ist ja Majestätsbeleidigung, meine Damen und Herren. Metternich würde sich freuen, wie in den Regierungsämtern gefuhrwerkt wird, was die Meinungsbildung in unserer Republik betrifft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher sage ich Ihnen, meine Damen und Herren, es hat Hans Haider recht, wenn er sagt: "Die Sozialisten haben sich im Laufe ihrer jahrzehntelangen Regierungstätigkeit ein Kultur- und Medienaggregat geschaffen, das stalinistischen Zuschnitt hat und das größte Kulturaggregat neben Pjöngjang und Peking ist." – Das hat er bisher unwidersprochen sagen können. Sie haben es nicht einmal beeinspruchen können.

Sie setzen jetzt ja auch weitere Schritte. Frau Ederer kündigt ja schon an: Wir gehen jetzt weiter. Nicht nur Meinungsjournalismus, Tendenzjournalismus, der regierungsfreundlich ist, soll gefördert werden, sondern wir wollen jetzt auch jene Bürger, die auffällig sind, weil sie in öffentlichen Institutionen nicht im Sinne der Regierung argumentieren, an den Pranger stellen. Auffällige Bürger, Lehrer und Professoren in den Schulen sollen von Denunzianten an den Pranger gestellt werden.


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Auffällige Bürger! Herr Professor Brauneder ist als Beispiel genannt worden, er soll an den Pranger gestellt werden. Ein Dozent Romig soll an den Pranger gestellt werden, weil er ein Berater eines Bischofs in Österreich ist. Das ist schon ein Sakrileg, auffällig zu sein, daher muß man diese Leute zur Verantwortung ziehen. Das erinnert mich sehr stark an die Zeiten, in denen der Ostblock noch voll funktionsfähig gewesen ist. Dort ist man auch so mit jenen, die abweichende Meinungen gehabt haben, umgegangen.

Wie funktioniert das? – Die Sozialistische Jugend soll, laut Ederer, in diese Denunziantenpartie in den Schulen und an den Universitäten eingespannt werden. Es gibt eine Jugendzeitung vom Sozialistischen Mittelschülerverband, darin werden von Schülern, die andere Schüler auf ihre moralische Qualifikation und ihre politische Zuverlässigkeit überwachen sollen, folgende Tips an Mitschüler gegeben: "Vergiß die Medien und zieh mit deinen Freunden durch die Straßen, zerstört Limousinen, plündert Geschäfte, zündet freiheitliche Lokale an, speibt alte Omas an, quält Tiere ...!"

Das sind die neuen Denunzianten! Das ist jener Geist, Herr Bundeskanzler, der unter Ihrer Schirmherrschaft gezüchtet wird! (Abg. Mag. Stadler: Das wird noch gefördert!) Dafür gibt es Förderungen! Dafür gibt es Subventionen! Obwohl man alte Omas anspeiben soll, inserieren die Sozialistische Partei und die Fraktion der sozialistischen Gewerkschafter noch in dieser Zeitung. (Der Redner hält eine Zeitung in die Höhe). Meine Damen und Herren, das ist in Wirklichkeit der Skandal: daß Sie heute anständige Menschen verfolgen und solche Dinge nicht abstellen, die grauenhaft sind! Das können wir Freiheitlichen nicht akzeptieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Führen wir die Debatte! Ich bin dazu bereit: Führen wir die Debatte über die Auffälligkeiten in dieser Republik!

Herr Bundeskanzler! Es ist auffällig, daß Sie in Ihrer Regierung einen Minister haben, der ständig auffällt, und zwar Herr Minister Einem. Er erteilt Weisungen zur Ermöglichung einer terroristischen Organisation in Österreich.

Es fällt auf, daß Sie einen Innenminister haben, der den dritten Täter von Ebergassing entkommen ließ. Ich betone: entkommen ließ! (Abg. Öllinger: Der Stadler war das!) Der Generaldirektor Sika bestätigte bereits öffentlich in einem Fernsehinterview, daß dieser Herr Bassam al Taher, der dritte Täter von Ebergassing, ebenfalls aus der Terrororganisation DEV-SOL, die in Verbindung mit der kurdischen Widerstandsbewegung steht, kommt. Welche Zusammenhänge gibt es da wirklich, daß solche Dinge möglich sind? (Abg. Öllinger: Stadler!)

Auffällig ist, daß Sie einen Minister haben, Herr Bundeskanzler, der auch einseitige Ermittlungsaufträge erteilt und das jetzt erst schön langsam zugibt.

Auffällig ist, daß Sie einen Minister haben, Herr Bundeskanzler, der mit einem Akt der Kriminalpolizei Niederösterreich konfrontiert ist, aus dem, minutiös nachvollzogen, hervorgeht, daß sechs weitere Bombenanschläge in der Vergangenheit auf das Konto der Ebergassinger Täter gehen. Bisher keine Konsequenzen! Ich frage Sie: Was ist der Hintergrund, daß der Mantel des Schweigens über derartige Dinge gebreitet wird? (Abg. Mag. Stadler: Vielleicht war er befreundet!)

Auffällig ist, daß Sie, Herr Bundeskanzler, einen Innenminister haben, der eine Staatspolizeireform machen läßt, an deren Erarbeitung ein Universitätsprofessor beteiligt ist, dem man selbst lange Jahre funktionierender Beziehungen mit den DDR-Stasi-Behörden nachsagt. Dieser reformiert um gutes Geld, um rund 80 000 S für acht Stunden Tätigkeit pro Tag die Staatspolizei?

Ich frage mich wirklich: Was hält die ÖVP in dieser Koalition noch davon ab, endlich dafür zu sorgen, daß da Ordnung gemacht wird? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Ministerposten!) Was hält euch auf? Warum seid ihr in dieser Frage so zurückhaltend? Es ist doch nicht im Interesse dieses Landes, daß solche Zustände existieren: daß ehemalige Stasi-Freunde die Staatspolizei reformieren, daß nachweisbare Bombenattentate nicht weiterverfolgt werden, daß der dritte Täter von Ebergassing, nur weil er gute Verbindungen zur Terrororganisation DEV-SOL hat,


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entkommen darf, daß der Innenminister es mit Weisungen abstellt, eine verbotene Organisation in Österreich aufzulösen! Das alles ist möglich!

Auffällig ist auch, daß einer aus derselben Szene, die ich hier beschrieben habe, nämlich Herr Purtscheller, mit Erlaß des Herrn Ministers Scholten an den österreichischen Schulen unterrichten darf, aber dann plötzlich in Verdacht gerät, daß er an Briefbombengeschichten und Bombenattentaten als Ebergassinger Freund selbst beteiligt ist (Abg. Öllinger: Aber nur bei Ihnen!) und sich plötzlich ins Ausland absetzt. Wo ist er heute, der Herr Purtscheller? Warum ist er nicht mehr Korrespondent für den "Standard"? Warum ist er über Nacht als Korrespondent für "NEWS" abgesetzt worden? Warum hören wir nichts mehr von ihm? Warum gibt er uns keine Ezzes mehr? Wohin hat er sich verkrochen, jener Mann, der an den österreichischen Schulen unsere Kinder unterrichten darf, aber in Wirklichkeit bis zum Hals in der ganzen Terror- und Gewaltszene von links mit verstrickt ist? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ist für uns auch auffällig, daß ausgerechnet die Tante Fini von der Kommunistischen Partei Österreichs, Frau Steindling, die mit einem Haftbefehl international wegen Transaktion von DDR-Geldern nach Österreich gesucht wird, Ehrengast beim Fest von Kanzler Franz Vranitzky ist. (Abg. Mag. Stadler: Illustre Runde!)

Es ist auch auffällig, daß der Herr Bundeskanzler seine Auswahlkriterien für Minister offenbar besonders geordnet hat – nicht nur Einem gehört zu dieser Spezies, auch Herr Scholten.

Herr Scholten verkündete freihals in der Zeitschrift "Die Bühne": "Ich fühle mich erst wohl, wenn das Klima sich so richtig radikalisiert." – Das ist der rechtsstaatliche, demokratische Minister? Wenn sich das Klima radikalisiert, fühlt sich der Sozialdemokrat Scholten wohl? (Abg. Scheibner: Allerhand!)

Es ist auch auffällig, Herr Bundeskanzler, daß am österreichischen Burgtheater ein Theaterdirektor mit Hilfe der Sozialdemokraten gehalten wird, der öffentliche Sympathien für die Rote-Armee-Fraktion und ihren Terror bekundet, der im Burgtheater eine Gedenkfeier für die RAF-Terroristen abhält. (Abg. Mag. Stadler: Aus Steuergeldern!) Es ist auch auffallend, daß der Wiener Bürgermeister jüngst in einem Interview sogar sagte, jeder Politiker sollte ein bißchen Anarchist sein.

Bitte, in welcher Gesellschaft bewegt sich denn derzeit die Österreichische Volkspartei, die ein Regierungsbündnis mit den Sozialdemokraten gefunden hat? – Meine Damen und Herren! Sogar dem eingefleischten und treuen Sozialdemokraten Rozsenich ist es zuviel geworden. Herr Sektionschef Rozsenich im Wissenschaftsressort – ich zitiere hier nur eure eigenen Leute! – sagte: "Umso betrüblicher ist für mich die Feststellung, daß das moralische und intellektuelle Niveau der Parteiführung, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, momentan einen Tiefstand erreicht hat, der es mir immer unerträglicher macht, diese Partei weiterhin zu unterstützen. Erschwerend", sagt Rozsenich, "kommt aber noch der Umstand hinzu, daß die SPÖ-Führung unter der Führung von Dr. Vranitzky auf Kritik aus den eigenen Reihen nur mehr gereizt oder gar nicht reagiert." – Das ist das Stimmungsklima!

Wenn wir Freiheitliche Kritik üben, wird auch gereizt reagiert, wird uns sofort Bösartigkeit unterstellt. Daß aber der Herr Bundeskanzler selbst einmal darüber nachdenken sollte, ob nicht ein Auswahlverschulden auch ihn trifft, ob er wirklich die richtigen Minister ausgewählt hat, ob er es den Österreichern wirklich zumuten kann, Herrn Einem noch länger im Amte zu belassen, ob er es den Österreichern wirklich zumuten kann, Ideologiepolitik auf dem Rücken der Staatsbürger durchzuführen und damit die Staatsämter brutal zu mißbrauchen, auf diese Idee kommt er nicht. Aber diese Fragen stellen sich uns!

Ein Regierungschef, der das ORF-Monopol nicht beseitigt, obwohl ein Urteil vorliegt, ein Regierungschef, der Leute mit terroristischen Verbindungen in Regierungsämtern duldet und sie mit der Verantwortung für den Sicherheitsapparat ausstattet, ein Regierungschef, der zu all diesen Dingen schweigt und zur Tagesordnung übergeht, ist bedenklich, zumal man auf der anderen Seite mitbekommt, daß derselbe Regierungschef nichts dabei findet, daß den Österreichern im


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Zuge des Budgetkonvoluts ein Grundrecht nach dem anderen, mit dem sie beim Höchstgericht im Sinne der Grundrechte auch wirklich Rechtsschutz finden könnten, streitig gemacht wird.

Ich bin dafür, daß es eine neue Linie gibt, ich finde, daß man einen schlanken Staat mit niedrigen Steuern schaffen sollte, aber dieser schlanke Staat muß trotzdem ein Rechtsstaat bleiben. Es muß die Stärke des Rechtes im Vordergrund stehen, Herr Bundeskanzler, und nicht das Recht des Stärkeren, der jeweils in der Politik gerade die Macht in Händen hat. Darüber sollten Sie vielleicht einmal nachdenken!

Es ist nicht unsere Aufgabe als Opposition, Ihnen das immer wieder zu sagen. Es müßte für Sie als Demokrat eine selbstverständliche Verpflichtung sein, daß Sie etwas selbstkritischer auch darüber nachdenken, was Sie dieser Republik und ihren Bürgern zumuten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.50

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Der Abgeordnete Haider hat sich ja, bevor er sich mit Sequenzen aus einzelnen Sendungen des ORF beschäftigt hat, auch mit einigen grundsätzlichen Fragen auseinandergesetzt, und auf diese möchte ich gerne eingehen. Allerdings ist mir dabei aufgefallen, daß die Berichterstattung über sein eigenes Bungee-Jumping und über die Zeit, die er gebraucht hat, um unter "ferner liefen" beim Wiener Marathon ins Ziel zu kommen, nicht der Kritik unterzogen hat. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Herr Kollege Haider! Das ist Ihre Gleichheit, die Sie anstreben: daß neben Gleichem auch Gleicheres besteht, und unter Gleicherem verstehen Sie sich.

Herr Abgeordneter Haider! Sie haben mich als einen Verfassungsjuristen angesprochen. Ich nehme diese Bemerkung sehr gerne auf. In der Vergangenheit hat niemand auch nur einen Makel daran gefunden, daß Verfassungsbestimmungen, als diese notwendig waren, um Rückwirkungen von Steuergesetzen abzusichern, beschlossen wurden. Jetzt, wo die Rückwirkung einmal nicht begünstigend ist, sondern belastend, schreien auf einmal manche in diesem Land, und darunter auch Sie, auf, obwohl klar ist, daß das Ziel einer Budgetkonsolidierung nur mit einer rückwirkenden, mit Beginn des Jahres in Kraft tretenden Steuermaßnahme erreicht werden kann.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang stellt sich gerade in diesem Hause eine ganz wesentlich Frage: Wer ist denn Verfassungsgesetzgeber: der negative Verfassungsgesetzgeber, der Verfassungsgerichtshof, oder wir hier? – Ich sage Ihnen ganz deutlich: Für mich ist diese Frage eindeutig nach der österreichischen Verfassung geregelt. Wir haben die Weiterentwicklung der Verfassung wahrzunehmen. (Abg. Dr. Krüger: Sie höhlen die Verfassung aus!)

Aber wie doppelbödig Ihre Argumentation ist, läßt sich leicht nachvollziehen. Als der Verfassungsgerichtshof beispielsweise der Meinung war, daß es nach österreichischem Verfassungsrecht zulässig ist, Politikerpensionen ohne Grenzen nach oben zu kumulieren, wie zum Beispiel im Fall Ihres ehemaligen Parteivorsitzenden Götz, da haben wir hier in diesem Haus ein Verfassungsgesetz beschlossen, wo wir gesagt haben, ein solches Grundrechtsverständnis lehnen wir ab. Aber da gab es keine Klage über eine Verfassungskorrektur der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes. (Beifall bei der SPÖ.)

Als wir Beamtenreformen begonnen haben, hat es Verfassungsbestimmungen gegeben, um diese zu ermöglichen. Da hat es keine Klage darüber gegeben, obwohl es eine Korrektur der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes war. Beim Pensionsalter der Frauen war genau dasselbe der Fall: Auch da haben wir verfassungsgesetzlich das Pensionsalter, das der Verfassungsgerichtshof mit jenem der Männer gleichgestellt hat, bis zum Jahre 2018 angehoben.


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Das ist eine Argumentation, die sehr ungleichgewichtig ist: Sie finden nämlich dann ein Haar in der verfassungsgesetzlichen Suppe, wenn Ihnen die Suppe nicht gefällt. Aber Sie löffeln sie dann sehr wohl mit aus, wenn es Ihnen politisch in den Kram paßt. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben am Beginn Ihrer Ausführungen darauf hingewiesen, daß Zehntausende Verfahren nach dem Aufenthaltsrecht notwendig sind, weil bei einem durchschnittlichen Verfahren von fünf Jahren die betreffenden Personen eben sehr lange auf die Abschiebung warten müssen und nicht abgeschoben werden können, obwohl sie Verbrechen begangen haben. Sie wissen ganz genau, daß es sich dabei nur um einen verschwindenden Anteil der Zehntausenden Verfahren handelt. Außerdem ist der älteste dieser Fälle, die beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind, rund fünf Jahre alt, im Durchschnitt dauert ein Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof wesentlich weniger lang.

Sie, Herr Kollege Haider, haben gemeint, daß Österreich mit Albanien der letzte Staat ist, der keine Liberalisierung im Bereiche des Rundfunkrechtes hat. (Abg. Dr. Haider: Nein! Albanien ist schon weiter!) Ich darf Sie darauf hinweisen, daß es, als wir der Europäischen Menschenrechtskonvention beigetreten sind, in allen Staaten in Europa Rundfunkmonopole gab. So war damals die verfassungsrechtliche Lage. Außerdem geht es uns in diesem Zusammenhang nicht um ein Monopol, sondern um die Aufrechterhaltung einer Kulturinstitution in diesem Lande, nämlich des Österreichischen Rundfunks, der Österreich verpflichtet ist und über Österreich berichtet. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Haider! Ihre Sequenz über den "Kaisermühlen-Blues" läßt ganz deutlich erkennen, worum es Ihnen in Wirklichkeit geht. Sie sind nämlich im Zusammenhang mit einem eigenen Sender, den Sie errichten wollen, nach Straßburg gegangen. Es geht Ihnen darum, einen Mini-Berlusconi zu spielen, der Sie in diesem Land sein wollen. Nehmen Sie zur Kenntnis: Berlusconi hat in Italien in den jüngsten Tagen eine große Niederlage hinnehmen müssen. Sie aber werden dies in Zukunft noch in viel größerem Maße tun müssen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich lade Sie ein, machen Sie einen Blick ins Bundesministeriengesetz! Sie werden dort die Kompetenz des Bundeskanzlers für Sportangelegenheiten finden. Ich gebe schon zu, nachlesen ist nicht immer Ihre Sache, vor allem dann nicht, wenn es Ihnen nicht ins Konzept paßt. Aber vielleicht blättern Sie einmal darin, Sie haben es früher durchaus öfter getan.

Was die Zeitungsförderung, die Publizistikförderung betrifft, so sind in der Kommission Ihre Leute, Howadt, Riess und Kurt Lukasek, vertreten. Sie wissen, daß die Kommission in der Regel einstimmige Beschlüsse faßt. Bei der Presseförderung geht es um die Verteilung von Mitteln nach vorher festgelegten Kriterien. Das, was Sie hier vorwerfen, nämlich eine Zensur nach politischen Kriterien, entspricht – das darf ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen – Ihren Denkkategorien, es findet aber in diesem Lande, solange die Sozialdemokratie Verantwortung trägt, mit Sicherheit nicht statt. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine weitere Bemerkung: Sie haben eine Schülerzeitung der "Aktion kritische Schüler" zitiert. Wissen Sie, das gehört zu jener Doppelbödigkeit, die bei Ihnen an der Tagesordnung ist. Es gibt eine Schülerzeitung, in der solche Zitate, wie Sie sie vorgelesen haben, auch tatsächlich abgedruckt sind. Allerdings haben Sie nicht darauf hingewiesen, daß das in einer Meinungsecke, wo Schüler schreiben konnten, was sie wollten, zu finden ist. Die Veröffentlichung ist nicht sonderlich geschmackvoll und auch politisch nicht sehr klug. Doch Sie zitieren die nächste Nummer nicht, wo nämlich seitens der Redaktion darauf hingewiesen wurde, wie auch in dieser Nummer selbst, daß es sich dabei erstens um eine Veröffentlichung der Meinung eines einzelnen Schülers handelt, der dort ein Meinungsforum erhalten hat, und daß man zweitens diese Fehlleistung bedauert. Ersteres zitieren Sie und geben es als Meinung einer sozialdemokratischen Organisation aus. Aber das zweite verschweigen Sie. Das ist Ihre Form von Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben über das Budget nicht viele Worte verloren, was ich sehr bedauere, weil ich glaube, am Beginn der Budgetdebatte selbst sollten wir uns auch ein wenig über das Budget selbst unterhalten.


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Wenn man der Opposition in den letzten Tagen und Wochen zugehört hat, dann hat man den Eindruck gewonnen, als wäre die Budgetkonsolidierung ein rein österreichisches Problem. Lassen Sie mich zunächst einmal darauf hinweisen, daß ein kurzer Blick in die Medien die Gewißheit gibt, daß es zu derartigen Budgetkonsolidierungen auch in Schweden, in Frankreich und auch in der von Ihnen in letzter Zeit sehr häufig zitierten Bundesrepublik Deutschland kommt. Sämtliche europäische Staaten haben 1989 im Durchschnitt den Budgetkriterien von Maastricht entsprochen, mußten aber im Jahre 1993 aufgrund der Wirtschaftsrezession eine Staatsverschuldung von rund sechs Prozent verzeichnen. Sogar Professor Tichy hat in den letzten Tagen zugegeben, daß ein Großteil – mehr als zwei Drittel – dieser Defizitquote auf die Konjunkturentwicklung in den Jahren 1980 bis 1995 zurückzuführen ist.

Daher ist die Frage, ob diese Staatsschulden nicht zu vermeiden gewesen wären, durchaus berechtigt. Ich beantworte sie mit einem klaren Ja – aber der Preis wäre ein Heer von Arbeitslosen gewesen. Studien ergeben, daß, würde man nicht gegensteuern, würde der Staat nicht zusätzliche finanzielle Aufwendungen tätigen, das zusätzlich 50 000 bis 60 000 Arbeitslose bedeuten würde, und das wollten wir Sozialdemokraten nicht.

Das war auch der Grund dafür, daß Österreich ein tiefer wirtschaftlicher Einbruch nach den Jahren 1993 und 1994 erspart geblieben ist. Wir Sozialdemokraten haben nämlich in diesem Sinne agiert. (Beifall bei der SPÖ. )

Jetzt, am Beginn einer wirtschaftlich besseren Entwicklung, ist aber die Zeit gekommen, neuerlich ein Programm zur Sicherung der Handlungsfähigkeit des Staates umzusetzen.

Für uns Sozialdemokraten ist Sparen nicht Selbstzweck, sondern es ist unser Ziel, sicherzustellen, daß es für den von Ihnen so oft zitierten kleinen fleißigen Österreicher auch in Zukunft eine Arbeitslosenversicherung dann gibt, wenn der Betreffende in der schwierigsten Lage seines Lebens ist, daß die Gesundheitsvorsorge und die Altersvorsorge gesichert sind und es auch in Zukunft eine entsprechende Massenkaufkraft gibt.

Sozial gewichtet soll diese Budgetkonsolidierung sein, die die Handlungsfähigkeit des Staates sicherstellt, und das nicht nur aufgrund unseres progressiven Steuersystems, sondern auch deswegen, weil wir Sozialdemokraten uns bewußt sind, daß das reichste Einkommensdrittel in Österreich über 40 Prozent aller Staatseinnahmen verfügt.

Das, was zustande gekommen ist, ist eine gute Mischung aus zusätzlichen Einnahmen und aus Ausgabenreduktion. Es sind harte Maßnahmen – das gebe ich zu –, aber sie sind sozial ausgewogen und notwendig. Und das, meine Damen und Herren, erkennen auch internationale Medien an.

Die "Frankfurter Allgemeine" beispielsweise – ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten – hat gemeint: Das, was bei diesen Verhandlungen – sehr wesentlich – aufgrund der Bemühungen der Sozialdemokratie herausgekommen ist, kann sich im europäischen Vergleich sehen lassen. Wien ist – und es hat allen Grund, darauf stolz zu sein – in der ersten Reihe derer, die die Wirtschafts- und Währungsunion vollenden wollen.

Meine Damen und Herren! Alles in allem eine sehr gute Beurteilung. Wir haben in den letzten zehn Jahren einen Erfolgskurs gesteuert, der in Europa seinesgleichen suchen kann. Diese letzten zehn Jahre – zur Erinnerung: es sind zehn Jahre Regierung Vranitzky – stellen ein gutes, ein sehr, sehr gutes Soll dar, das erfüllt wurde. (Beifall bei der SPÖ .)

Das reale Bruttoinlandsprodukt hat sich um 30 Prozent erhöht, die Reallöhne um 16 Prozent, die Arbeitsplätze sind um rund 300 000 auf über 3 Millionen gestiegen, und, meine Damen und Herren, die Sie immer so über den Wirtschaftsstandort Österreich klagen, die Exporte um 78 Prozent und die Spareinlagen um 77 Prozent.

Das sind Daten, auf die wir mit Stolz hinweisen können und die auch in der jüngsten Zeit Bestätigung finden. Die Warenexporte der von Ihnen krankgejammerten österreichischen Wirtschaft


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sind in den letzten Jahren im Schnitt zwischen 5 und 10 Prozent gestiegen, und diese Tendenz wird sich auch weiterhin fortsetzen.

Das ist ein Erfolgskurs, den uns kaum ein anderes Land Europas nachmacht. (Beifall bei der SPÖ .) Daher: Jammern Sie den Wirtschaftsstandort Österreich nicht krank!

Beispielsweise liegen unsere Arbeitskosten um ein Viertel unter jenen der Bundesrepublik Deutschland. Das heißt, daß wir den Wettbewerbsvorteil haben, und darüber hinaus, daß es keinen Grund gibt, bei den Löhnen und Gehältern der Österreicherinnen und Österreicher die große Schere anzusetzen, so wie das manche von Ihnen wollen. (Beifall bei der SPÖ .)

Die Lohnstückkosten in Österreich beweisen, daß wir international wettbewerbsfähig sind, und auch darauf bin ich stolz.

Meine Damen und Herren! Die Leistungsbilanz beweist es: War in der Vergangenheit der Tourismus jener Faktor, der eine ausgeglichene, eine vertretbare Zahlungsbilanz sichergestellt hat, ist es nunmehr in zunehmendem Maße der Warenexport. Auch in diesem Zusammenhang sei noch hinzugefügt: Es war richtig, der Europäischen Union beizutreten. Die Erfolge zeigen sich langsam. (Beifall bei der SPÖ. )

Alles in allem ist das Strukturanpassungspaket eine richtige, eine gute Mischung aus Einsparungen, Investitionsförderungen, Mehreinnahmen, Modernisierungen, die teilweise Geld kosten – unter Erhaltung der Kreditbonität.

Meine Damen und Herren! Sie haben sich in den letzten Tagen in zunehmendem Maße darauf beschränkt, die Budgetdebatte an und für sich zu kritisieren. Manchmal hat man den Eindruck gehabt, daß Sie mit Pressekonferenzen und Presseaussendungen so beschäftigt waren, daß Sie keine Zeit mehr für die Ausschußberatungen zum Budget 1996 und 1997 sowie zum Strukturanpassungsgesetz gehabt haben.

Diesen Eindruck habe nicht nur ich, sondern in der "WirtschaftsWoche" hat auch Frau Elisabeth Horvath gemeint, daß "dieses Agieren der Opposition, sobald das mediale Scheinwerferlicht auf sie gerichtet ist, jedenfalls im krassen Gegensatz zu ihrem Verhalten in der vorangegangen Budgetsitzung steht. Immerhin wird von den Volksvertretern aller Couleurs stets beteuert, die eigentliche Parlamentsarbeit finde nicht im Plenum, sondern in den Ausschüssen statt. Diesmal freilich war davon nicht einmal ein Hauch erkennbar."

Genau das ist meine Klage. Sie haben in Presseaussendungen eine bestimmte Form des Parlamentarismus beklagt, aber nichts dazu getan, um den Parlamentarismus zu verbessern. So haben wir mehr als zwei Drittel der Ausschußberatungen vor der vereinbarten Zeit schließen müssen, weil von Ihnen keine Diskussionsbeiträge, Fragen oder Bemerkungen mehr kamen. (Abg. Dr. Frischenschlager : Wer spricht da von Diskussion?)

Meine Damen und Herren! Ich sage nicht, daß das, was wir hinter uns zu bringen dabei sind, ein Modellfall für künftige Budgetdebatten sein wird. Aber ich sage Ihnen auch mit aller Deutlichkeit, daß dieses Verfahren, das insgesamt sieben Wochen im Plenum und im Ausschuß abgewickelt wurde, die beste Alternative war. Denn die andere, die wir gehabt hätten, wäre gewesen, daß wir das Budget 1995 bis weit in den Sommer hinausgeschoben hätten. Es wäre dies dann ein Budget gewesen, das mit der Realität überhaupt nichts mehr zu tun gehabt hätte, und wir hätten auch weiterhin auf eine Konsolidierung warten müssen.

Meine Damen und Herren! Die Österreicher haben bei den Nationalratswahlen im Dezember des Vorjahres ein gutes Gespür gehabt. Sie haben sich für die richtige politische Kraft und für das richtige Programm entschieden, so wie auch die Mitglieder der Arbeiterkammer im Burgenland und in Kärnten in den letzten Tagen eine solche richtige Entscheidung getroffen haben. Herr Dr. Haider, ich warte darauf, daß Sie den Mut haben, hier heraußen zu erklären: Ich anerkenne das Votum von 92 beziehungsweise 93 Prozent der burgenländischen und der Kärntner Arbeitnehmer. Tun Sie das, haben Sie die demokratische Reife, haben Sie diese Größe und erklären Sie, daß Sie sich in einer absoluten Minderheitenposition gegen die gesetzliche Interes


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sensvertretung der Arbeitnehmer befinden. Seien Sie sich aber bewußt, daß die Österreicherinnen und Österreicher diesbezüglich ganz anders denken und Ihnen das auch mit aller Deutlichkeit gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Lassen Sie mich kurz zu einer Debatte der vorigen Woche, die heute auch noch Gegenstand von Beratungen im Plenum sein wird, zurückkommen. Am Freitag bis rund 15 Uhr wurde die Debatte in diesem Haus durchaus sachlich geführt.

Kaum hat nach tagelanger Absenz der Kollege Haider geruht, wiederum das Plenum des Nationalrates zu beehren, ist auf einmal ein wilder Wirbel losgegangen, weil Sie einen Gegenstand zur Diskussion gestellt haben, der mit der Tagesordnung zwar an und für sich nichts zu tun gehabt hat, der aber durch Dichtung und ohne jeder Wahrheit zu einer großen, neuen Geschichte gemacht worden ist.

Lassen Sie mich vorerst eines noch hinzufügen: Wie weit wäre denn der Friedensprozeß im Nahen Osten fortgeschritten, wenn es nicht vor 20, 25 Jahren mutige Männer und Frauen, insbesondere aus den Kreisen der Sozialdemokratie, gegeben hätte, die Gespräche mit der PLO gesucht hätten?

Im Bereich der Siedlungsgebiete der Kurden gibt es Krieg und Terror. Ich stehe nicht an, dies zuzugeben, aber Gespräche mit Repräsentanten eines Volkes zu führen, das verfolgt wird, ist eher politische Tugend und in keiner Weise abzulehnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz im Gegenteil, ich lese hier in einer heutigen Zeitung, in den "Oberösterreichische Nachrichten", daß mein Kollege Kiss für eine konsequente Verfolgung der kurdischen Aktivisten ist. Ich stehe dazu, wenn sie sich auch nur im leisesten irgend etwas zu Schulden haben kommen lassen. Aber sofern dies nicht der Fall ist, sage ich Ihnen ganz offen, habe ich Angst, daß das, was Kiss hier ankündigt, tatsächlich wahr wird, nämlich daß es eine solche Verfolgung auch jenseits einer konkreten strafbaren Handlung gibt, auch wenn das Klima schärfer wird und sich die Sache radikalisiert.

Herr Kollege Kiss, Sie wissen, was das bedeutet: daß nämlich diese Unruhe, diese Radikalisierung, gegebenenfalls auch Terror, in unser eigenes Land getragen wird. Ich glaube, die Aufgabe der österreichischen Polizei ist es, alles zu tun, um eine solche Radikalisierung hintanzuhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir handeln in diesem Zusammenhang genauso wie ein Teil der Staaten Europas, wie beispielsweise Holland oder Dänemark. Für eine derartige Verantwortungspolitik stehe ich nicht zur Verfügung, die lasse ich als Unterstützung des Terrors nicht gelten. Wir verfolgen eine Politik der Verhinderung des Terrors. Ich glaube, wir sollten das in aller Ruhe und Sachlichkeit durchdiskutieren.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Kollege Kostelka! Die freiwillige Redezeit von 20 Minuten ist ausgelaufen. Geschäftsordnungsmäßig stehen Ihnen 40 Minuten zu – ich mache nur darauf aufmerksam.

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (fortsetzend): Danke vielmals, ich komme schon zum Schluß.

In diesem Zusammenhang ist es offensichtlich lediglich nur darum gegangen, daß Kollege Haider, nachdem er, von einem österreichischen Gericht attestiert, als "Ziehvater des rechtsextremen Terrors" bezeichnet wurde, auf sozialdemokratischer Seite eine Gegenposition aufbaut.

Meine Damen und Herren, das ist durchsichtig, das ist niederträchtig, und da wird Wahrheit zum gestaltbaren Rohprodukt für Ihre Politik! Nehmen Sie zur Kenntnis: Dies ist das Hohe Haus der Republik und kein Tummelplatz für Dobermänner! Und Rufmord darf in keinem Zusammenhang ein legitimes Mittel politischen Handelns werden. (Beifall bei der SPÖ.)

12.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schmidt. Freiwillige Redezeit: 30 Minuten.

12.15

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wenn man die letzten Wochen hier erlebt hat, glaubt man eigentlich nicht, daß es den Artikel 24 in unserer Verfassung gibt, der festmacht, daß die Gesetzgebung für den Bund vom Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat ausgeübt wird. Das heißt, die Verfassung sagt deutlich, daß der Nationalrat das letzte Wort darüber hat, ob es das eine oder andere Gesetz überhaupt geben wird, wann es in Kraft treten soll und wie es aussehen soll.

Nun gebe ich schon zu, daß die Tatsache, daß der Nationalrat das letzte Wort hat, auch in der Praxis unbestritten ist. Ob es allerdings ein entscheidendes Wort ist, ist mehr als zweifelhaft.

Und nun gebe ich sogar noch etwas zu – auch als Oppositionelle –: So neu ist das nicht, denn es ist wahr, daß die Mehrheit der Gesetzesvorlagen über eine Regierungsvorlage ins Haus kommen; es ist wahr, daß die Mehrheit dieser Regierungsvorlagen im Wesen unverändert beschlossen werden. Man kann daher durchaus fragen: Wo ist der Unterschied, wenn jetzt eine solche Vorgangsweise gewählt wird?

Ich glaube, es gibt sehr wohl einen Unterschied und einen negativen Qualitätssprung. Weil das nämlich so ist, daß im Hause selbst die inhaltliche Gestaltung relativ schmalen Raum hat, hat man dem vorparlamentarischen Raum ein sehr starkes Gewicht zugemessen. Und da meine ich ganz und gar nicht den vorparlamentarischen Raum in Absprache mit den Sozialpartnern, sondern ich meine das Instrumentarium des Begutachtungsverfahrens, das dazu dient, daß man ein Maximum an Sachverstand mobilisiert, ein Maximum an Spezialwissen, daß man die Betroffenen hört und – und das ist mir als Parlamentarierin sehr wichtig – daß man auf diese Weise auch die Abgeordneten in die Lage versetzt, die Dinge zu durchschauen, die Problemlage, die Vielschichtigkeit, die Komplexität zu erkennen. All diese Dinge werden durch das Begutachtungsverfahren und durch die Stellungnahmen, die in diesem Zusammenhang einlangen, auch für die Abgeordneten transparenter.

Damit erst wird der Abgeordnete viel besser in die Lage versetzt, seine Verantwortung wahrzunehmen, die darin liegt, daß er diese Gesetze beschließt. Im vorliegenden Fall hat man nicht nur das Parlament selbst zu einer Notariatsfunktion degradiert, sondern man hat auch diesen vorparlamentarischen Raum gerade noch als ein Alibi gelten lassen, aber ihm inhaltlich nicht das geringste Gewicht beigemessen.

Wenn Sie sich anschauen, wie dieses Begutachtungsverfahren zum Strukturanpassungsgesetz abgelaufen ist, das ja die Vorstufe, die Voraussetzung für diese Budgets ist, die in dieser Woche zu beschließen sein werden: Dieses Begutachtungsverfahren ist mehr als eine Beleidigung, es verdient diese Bezeichnung gar nicht, ja es ist das eigentlich eine Verhöhnung dieses Instrumentariums.

Das haben auch eine Reihe von Institutionen deutlich gemacht. Es ist heute schon die Kärntner Landesregierung erwähnt worden; ich erspare es mir daher, diese Stellungnahme zu zitieren. Der Präsident des Rechnungshofes, der anwesend ist, sagt ausdrücklich, der Rechnungshof spricht sich neuerlich gegen die vom Bundesministerium für Finanzen bereits seit langem gehandhabte Praxis in diesem Zusammenhang aus, ihm Textvorschläge zur Novellierung unter Einräumung einer unzumutbar kurzen Begutachtungsfrist von knapp einer Woche zu übermitteln.

Es gibt – Kärnten lasse ich weg – auch eine Stellungnahme des Amtes der Salzburger Landesregierung; klarer kann man es nicht sagen. Die Salzburger Landesregierung setzt mit Recht den Begriff "Begutachtungsverfahren" unter Anführungzeichen und sagt dazu: Wenn man nur wenige Stunden zur Verfügung hat, dann kann eine eingehende Beurteilung der Vorhaben gar nicht möglich sein. Es kann daher, so sagt man, mangels konkreter Ausführungen nicht ange


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nommen werden, daß gegen einzelne Punkte keine Bedenken bestünden. – Was das dann für einen Sinn hat, frage ich mich.

Es gibt auch eine Stellungnahme der Niederösterreichischen Landesregierung. Hier heißt es: Grundsätzlich muß bedauert werden, daß derart tiefgreifende finanzpolitische Maßnahmen, wie sie hier enthalten sind, mit einer extrem kurz bemessenen Begutachtungsfrist ausgesendet werden. Aus diesem Grund war auch eine ordnungsgemäße Befassung – eine ordnungsgemäße Befassung! – der betroffenen Fachabteilungen nicht möglich.

Auch das Bundeskanzleramt sagt ganz deutlich, daß hier eine Begutachtungsfrist von nur vier Arbeitstagen – dort war man ohnehin noch gut dran – eingeräumt wurde.

Das Bundesministerium für Finanzen wird wegen der Komplexheit der Materie dafür um Verständnis ersucht, daß dem Verfassungsdienst innerhalb dieser Frist eine profunde, der Bedeutung der Angelegenheit angemessene Begutachtung nicht möglich ist.

Das heißt, schon im Vorfeld hat es gar nicht die Chance gegeben, daß jene, die mit Spezialwissen ausgestattet sind, und das unterscheidet sie von den meisten Abgeordneten hier, sich mit der Materie auseinandersetzen, um auch tatsächlich Fehlentwicklungen aufzuzeigen, um Fehler aufzuzeigen, um falsche Gesetze von vornherein nicht zuzulassen. Sie haben dann den weiteren Weg gewählt, daß Sie in wenigen Stunden umfangreiche Materien in den Auschüssen angeblich beraten haben lassen – das Wort "beraten" ist in diesem Zusammenhang wohl lächerlich. Aber jetzt noch zu sagen: Sie haben die Zeit nicht einmal ausgeschöpft!, das halte ich für eine Verhöhnung. Denn wenn man weiß, daß man für das gesamte Sozialkapitel zum Beispiel drei Stunden zur Verfügung hat, dann weiß man auch, daß es gar nicht möglich ist, in die Materie einzusteigen; das liegt wohl auf der Hand. Und daß man dann diese Farce gar nicht abgibt, sondern davon Abstand nimmt, ist nur eine logische Folge daraus.

Ich glaube daher, daß in diesem gesamten Vorgang das Spannungsverhältnis, das es in einer parlamentarischen Demokratie einfach gibt, besonders deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Und genau diese Empfindung muß man meiner Meinung nach gerade in einer Generaldebatte zum Budget formulieren, um daraus auch seine Konklusionen zu ziehen. Es ist das ein für mich grober Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip, von dem ich schon zugebe, daß es in einer parlamentarischen Demokratie oftmals ganz bewußt durchbrochen wird, oftmals ganz bewußt und gewollt verschränkt wird. Aber eines muß man wissen, und zwar, daß es grundsätzlich ein Instrumentarium zur Machtbegrenzung ist, daß es grundsätzlich ein Instrument zur Verhinderung des Machtmißbrauches ist und daß aus diesem Grund die Gewaltenteilung den Liberalen so wichtig ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Kollege Kostelka hat in seiner Wortmeldung auf den Freitag zurückgeblendet. Ich möchte das auch tun. Auch ich möchte mich nur ganz kurz mit der Rede des Abgeordneten Stadler befassen, und zwar nicht des Inhaltes wegen, weil ich es für zulässig halte, daß Vermutungen, daß Kritik, daß Schlußfolgerungen auch hier von diesem Rednerpult aus formuliert werden, ob man sie jetzt teilt oder nicht. (Abg. Mag. Stadler: Aber das Wie!) Das ist eine Selbstverständlichkeit eines Parlamentes, eine Selbstverständlichkeit einer Demokratie. Aber wie das passiert ist, hat jedem, der nur ein Mindestmaß an Sensibilität für die Demokratie hat, den kalten Schauer über den Rücken laufen lassen. (Abg. Dr. Haider: Überlegen Sie einmal, was Sie dem Michalek alles gesagt haben!) – Das brauchen Sie nur nachzulesen, denn Sie waren nicht da.

Die Aggression, die Diffamierung, die Verunglimpfung, die Verhöhnung, das Heruntermachen (Abg. Mag. Stadler: Die Frau Lehrerin!) , all das, diese Dinge als Gesamtbild, dazu die Gestik, dazu die Mimik, dazu der Tonfall, dazu die Klangfarbe, all das muß man spüren, muß man hören, muß man erlebt haben (Abg. Haigermoser: "Schon der Haarschnitt!") , um zu wissen, wie weit wir hier schon sind mit dem Umgang mit diesem Parlament – er nimmt dieses Parlament mit Sicherheit nicht ernst – und wie der Umgang mit anderen politischen Meinungen, mit dem politischen Mitbewerber ausschaut. (Abg. Mag. Stadler: Sie liebt mich heiß! Das hat sie schon getan, als sie noch bei uns war!) Wenn man das erlebt hat, dann ist man auch versucht gewesen – und ich habe das ganz bewußt gemacht –, Herrn Abgeordneten Nowotny zu


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applaudieren (Abg. Dr. Haider: In Ihrem Haß!), was sicher für eine Oppositionelle unüblich ist –wobei ich weiß, daß einige Kolleginnen und Kollegen unserer Fraktion das auch getan haben –, und zwar dann zu applaudieren, als er hier herausgekommen ist und gesagt hat, er beziehungsweise seine Fraktion würden das Parlament vor der Zerstörung durch solche Mitglieder verteidigen. Ich habe dazu geklatscht, weil es mir ein Anliegen war, deutlich zu machen, was hier wirklich vorgeht. Aber ich war mir während des Klatschens schon bewußt, wie zwiespältig das eigentlich ist, wie unbeleuchtet die Kehrseite der Medaille ist, deren Vorderseite der Abgeordnete Nowotny hier beleuchtet hat. Denn: Wie sieht denn die Verteidigung des Parlaments, von der er gesprochen hat, seitens der Sozialdemokraten aus? Sieht sie so aus, daß man es für richtig hält, das Parlament auf eine Notariatsfunktion zu reduzieren? Sieht sie so aus, wenn es eben ein Spannungsverhältnis und damit einen Konflikt zwischen der Regierung auf der einen und Parlamentariern auf der anderen Seite gibt, daß sich der Parlamentarier auf die Seite der Regierung stellt, gegen das Parlament? Sieht die Verteidigung des Parlaments so aus, daß, wenn es einen Konflikt zwischen freiem Mandat und Fraktion gibt, daß er sich auf die Seite der "Fraktion des Parteidenkens" stellt? Sieht sie so aus, daß es die Abgeordneten dieser Fraktion für normal halten, sich vom Regierungschef oder vom Vizekanzler vorschreiben zu lassen, wann was wie in diesem Parlament beschlossen wird? Sieht sie so aus, daß man das Prinzip des koalitionsfreien Raumes an sich als ein untaugliches Instrument für das Parlament ansieht? – Das kann doch nicht wirklich ernstgemeint sein, daß das die Verteidigung des Parlamentarismus ist!

Aber obwohl ich mich jetzt nur auf den Abgeordneten Nowotny berufen habe, ist es doch bei der ÖVP nicht anders. Sieht die Verteidigung des Parlamentarismus etwa so aus, daß man den Begriff des koalitionsfreien Raumes, das heißt eines ganz wichtigen Prinzips für ein Parlament nicht anders nützt als als Deckmantel für den Wechsel in eine andere Koalition, und zwar mit strengem Klubzwang, wie das vor wenigen Monaten in diesem Parlament passiert ist? Sieht sie so aus, daß man über die Zeitungen davon spricht, wie das der Herr Abgeordnete Khol getan hat, daß man sich ein kreatives Parlament nicht nur wünschen, sondern es auch befürworten und anregen würde, zugleich aber sagt, daß oppositionelle Anträge keine Mehrheit finden werden, ohne daß man sie überhaupt kennt, ohne daß man überhaupt weiß, welche gestellt werden? Sieht sie so aus, daß der Herr Abgeordnete Khol auch über die Medien, im Fernsehen, dann sagt: Es steht uns zu, daß wir unsere Zweidrittelmehrheit einsetzen!, und zwar unabhängig davon, welche Verfassungskultur damit verbunden ist? Daß Sie Ihre Mehrheit einsetzen können, das steht ja wohl außer Frage. Aber in dieser Situation die Machtdemonstration zu artikulieren – nach dem Motto: Wir haben jetzt wieder die Zweidrittelmehrheit und daher werden wir sie dort einsetzen, wo wir uns der Überprüfung des Verfassungsgerichtshofes entziehen wollen! – ist das Ihre beider Verteidigung des Parlaments gegen die Freiheitliche Partei, von der ich auch glaube, daß sie es kaputtmachen will?

Sie bringen daher andere Oppositionsparteien und andere Kritiker in eine Situation, in der man gar nicht mehr in der Lage sein kann, die Diskussion wirklich sachgerecht zu führen, wenn man sich auf einmal in der Schere befindet, auf der einen Seite jemandem applaudieren zu müssen, weil er sich dagegen verwahrt, aber genau weiß, daß die moralische Berechtigung dazu genauso wenig – das Wort "genauso wenig" korrigiere ich – auch nicht da ist. Das macht die Schwierigkeit der Diskussion aus. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich halte es deswegen für so notwendig, darüber nachzudenken, weil gerade eine Grundsatzdebatte über ein Budget, noch dazu wenn es um Budgets für zwei Jahre geht, es für einen politisch agierenden Menschen notwendig macht, darüber nachzudenken, in welche Richtung sich diese Demokratie entwickelt. In welche Richtung entwickelt sich dieses Parlament? In welche Richtung entwickelt sich überhaupt dieses Österreich als Teil eines gemeinsamen Europa? – Darüber nachzudenken halte ich für wichtig, weil daraus Konsequenzen gezogen werden müssen; daher ist auch die Wachheit und Aufmerksamkeit, die Anzeichen für bestimmte Richtungen zu erkennen, wichtig.

Zur Demokratie gehört als wesentlicher Bestandteil die politische Kultur. Ich habe bereits Aspekte dieser politischen Kultur angesprochen. Dazu gehören auch Überlegungen wie: Wie geht man mit anderen Meinungen um?, Wie geht man mit Minderheiten um?, Wie geht man mit


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sozial Schwachen um? – Das alles ist Bestandteil der politischen Kultur. Quer durch die unterschiedlichen Politikfelder, muß ich sagen, hat der eine dem anderen jeweils nichts vorzuwerfen. Auf dem einen Feld sind die einen schlimm dran, auf dem anderen Feld sind die anderen schlimm dran. Ich glaube, daß man die Dinge nicht aufrechnen kann und nicht sagen kann: Weil ich mich in einem Bereich anständig und redlich verhalte, habe ich einen Freibrief dafür, mich auf einem anderen Feld anders zu verhalten, nämlich nicht so sensibel, nicht so wach und bewußt, wie es die jeweilige Problemlage erfordern würde.

Zur politischen Kultur gehört auch, wie man mit dem politischen Mitbewerber, wie man überhaupt mit der Pluralität in der Demokratie umgeht, und da haben diese beiden Regierungsparteien auch einen riesigen Nachholbedarf. Jedesmal, wenn wir vor Landtagswahlen stehen, ist es spürbar, welches Klima Sie mit Ihrer Mehrheit in diesem Land erzeugen und welchen Druck Sie auf die Bürgerinnen und Bürger ausüben, weil es Ihrer Machterhaltung dient, zum Beispiel, wenn es darum geht, Unterstützungserklärungen für das Kandidieren für eine Landtagswahl herbeizuschaffen, nämlich mit der Unterschriftsleistung vor dem Bürgermeister, vor der Bezirkshauptmannschaft, das heißt vor dem politisch Verantwortlichen in einem kleinen Ort, wo man genau weiß, wie das registriert wird, wo man genau weiß, daß da sogar noch Kopien gemacht werden, damit man weiß, wer denn da unterschrieben hat. Sie haben es immer noch geschafft, Sie schaffen es auch wieder. Aber welche Geisteshaltung steckt da dahinter und wie sehr lassen sich tatsächlich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes davon manipulieren? Wie schwierig ist es, sie zur Zivilcourage zu bringen und ihnen zu sagen: Gebt doch eurem demokratiepolitischen Verständnis einen Ruck und gebt doch unabhängig davon, wen ihr wählen wollt, veschiedenen Gruppierungen eine Chance, sich überhaupt der Wahl zu stellen! Was das alles bedeutet, welches Klima Sie in diesem Land erzeugen, muß man sich einmal klarmachen. Und das ist Ihnen sehr recht. Also reden Sie mir nicht von politischer Kultur. Wenn sie Ihnen dient, dann biegen Sie sie schon hin!

Auch die Glaubwürdigkeit ist ein Bestandteil der politischen Kultur, und zwar die Glaubwürdigkeit, die nicht nur daran gemessen wird, ob man Wahlversprechen hält, sondern die auch daran gemessen wird, wie man mit der Realität und mit dem reinen Wein Einschenken für die Bürgerinnen und Bürger umgeht. Letzteres tun Sie nicht. Sie reden nicht nur um die Sache herum, sondern Sie stellen die Dinge auch oftmals in einem anderen Lichte dar. Sie tun das entweder aus politischer Überlegung, weil Sie zu feig für die Wahrheit sind, oder aber, weil Sie glauben, dadurch eine Mehrheit erreichen zu können. Das heißt, Sie teilen es sich auch ein, wann Sie den Menschen die Wahrheit zumuten und wann Sie sie ihnen nicht zumuten. Das ist aber auch ein Bestandteil der Glaubwürdigkeit. Das ist auch ein Bestandteil der politischen Kultur. Und es gehört auch zur Erzielung von Demokratiebewußtsein bei unseren Bürgerinnen und Bürgern, daß sie sich überhaupt ernstgenommen fühlen. Sie sollen sie aber nicht nur immer am Wahltag ernst nehmen, wenn sie ihre Stricheln machen dürfen, sondern das ganze Jahr über, um sie ihr Demokratiebewußtsein überhaupt ausleben zu lassen. Denn davon lebt die Demokratie! Und das ist etwas, was Sie nicht nur schwer vernachlässigen, sondern wogegen Sie nahezu wöchentlich verstoßen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist aber auch ein Merkmal der Entwicklung unserer Demokratie und dafür, in welche Richtung sie sich entwickelt, welchen Einfluß die Medien auf die Politik gewinnen. Wir haben in diesem Hause aus Anlaß der Beratung des Strukturanpassungsgesetzes vergangene Woche schon davon gesprochen, wie es passiert, daß man einfach einem Medienzaren einen Wunsch nicht abschlagen will. Ob das gescheit ist von Ihnen, ob Sie diese Macht überhaupt richtig einschätzen, steht jetzt nicht zur Debatte. Tatsache ist, daß Sie hier mit einer Ausnahmeregelung bei den Werkverträgen einfach einen Kniefall vor einer Medienlandschaft, vor ganz bestimmten Medienträgern gemacht haben, wobei Sie sich vielleicht gedacht haben: Nützt’s nichts, so schadt’s nichts. – Wenn das die Grundlage für politisches Verhalten ist, wenn das die Motivation für eine Gesetzgebung ist, dann ist das wirklich ein Tiefpunkt politischer Kultur!

Wenn ich daran denke, wie wir in einem Kulturausschuß darüber diskutiert haben, wie sehr Kulturschaffende von dieser Änderung der Werkvertragssituation betroffen sind, was das für die gesamte Kulturszene bedeutet, dann muß ich sagen: Da hat es überhaupt keinen Anlaß gegeben, sich auch nur im Ansatz mit etwas derartigem auseinanderzusetzen, ob man da


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vielleicht etwas anders regeln könnte et cetera. Aber sobald es um eine auflagenstarke Zeitung geht, wird nicht einmal viel darüber geredet, nach dem Motto: Sicher ist sicher! Machen wir! – Das ist Ihre Vorstellung politischer Kultur? Ist das wirklich jene Entwicklung der Demokratie, die Sie sich wünschen, daß auf Zuruf von Medienzaren, wie immer sie auch heißen, nicht nur Themen, sondern auch noch Inhalte vorgegeben werden? Auch das Beispiel Lauschangriff und Rasterfahndung zeigt das, weil es nicht aus einer inhaltlichen Notwendigkeit entsteht, sondern weil Sie es zulassen, daß Themen herbeigeschrieben werden, und Sie setzen sich dann auch noch mit diesen in einer Art und Weise auseinander, wo Ihnen Grundrechte nicht mehr wichtig sind, wo Sie sich einfach nur auf die Spitze einer Welle setzen, weil es vielleicht die eine oder andere Stimme bringt, aber wo sicherheitshalber nur ja niemand verprellt wird, weil diejenigen, die mit Grundrechten etwas anfangen können, vielleicht von Ihnen zu gering eingeschätzt werden.

Wenn ich mir vorstelle, daß Sie da ganz bewußt die Entwicklung dieser Demokratie zu mehr Einfluß einer Mediendemokratie mitgehen und sogar forcieren, dann beunruhigt mich das, weil ich nicht glaube, daß auf diese Weise politische Verantwortung wirklich gut gelebt werden kann. Dazu gehört auch, daß wir einer Konzentration auf dem Medienmarkt entgegenarbeiten. Dazu gehört daher auch, daß sich dieses Parlament tatsächlich noch einmal mit dem Kartellgesetz auseinandersetzt, um zu einer Entflechtung der Konzentrationen zu kommen, die wir derzeit haben. Nur: Sie trauen sich nicht. Schon bei der letzten Novelle haben Sie sich nicht getraut.

Dazu gehört auch, daß Sie – und es wurde heute bereits angesprochen – beim ORF-Monopol jetzt nicht wieder eine Regelung suchen, mit der Sie sich Ihren parteipolitischen Einfluß unter einem anderen Mantel wieder absichern, sondern daß Sie tatsächlich eine Unabhängigkeit und Medienvielfalt zulassen. Dazu gehört es daher, daß ein Privatradiogesetz nicht politischen Interessen folgt, sondern dem Ziel des Pluralismus in unserer Demokratie. Das sind ganz wesentliche Eckpunkte für die Entwicklung unserer Demokratie. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn ich mir die Entwicklung des Parlaments anschaue, dann sehe ich – und ich habe bereits ein Schlaglicht darauf geworfen –, in welche Richtung wir gehen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dieses Parlament als einen Erfüllungsgehilfen der Regierungsparteien zu sehen. Ich verkenne dabei nicht die Problematik, die darin besteht, daß eine Regierung selbstverständlich Interesse daran haben muß, ihre Vorhaben umzusetzen, weil sie ja, wenn dies nicht gelingt, immerhin dafür geprügelt wird. Das verkenne ich überhaupt nicht. Aber wenn man diesen Gedanken konsequent durchdenkt und zum alleinigen Maßstab macht, dann brauchen wir das Parlament nicht mehr. Es geht also einfach darum, in diesem Spannungsfeld einen Ausgleich zu finden. Es geht darum, dort, wo eine Konfliktsituation besteht, zu wissen, wofür man sich entscheidet. Dann kann es nicht sein, daß man sich für die Regierung und gegen das Parlament entscheidet. Dann kann es auch nicht sein, daß wir eine Sammelgesetzgebung immer mehr zur Praxis machen. Wenn ich mich richtig erinnere, hat der Titel des letzten Sammelgesetzes im vergangenen Jahr allein zwei Seiten umfaßt, jetzt hat der Titel bereits vier Seiten. Das kann ja nicht wirklich der Weg sein, den Sie schleichend immer fester absichern, um uns dann das nächste Mal zu erzählen: Das ist ja nichts Neues, das haben wir ja schon das letzte Mal gemacht.

Das heißt, diese Entwicklung des Parlaments gehört nicht nur korrigiert, sondern der gehört ganz kräftig ein Riegel vorgeschoben, und zwar auch deswegen, weil wir ja die Eigenverantwortung in allen Diskussionen, die jetzt geführt werden, immer öfter betonen. Eigenverantwortung von Bürgerinnen und Bürgern zu verlangen, aber Eigenverantwortung der Parlamentarier zu leugnen, das paßt nicht zusammen. Da sind wir wieder bei der Unglaubwürdigkeit. Da wird Ihnen niemand folgen – und das mit Recht. Wenn man das freie Mandat nicht immer nur dann ernst nimmt, wenn man sich zufällig gegen etwas aussprechen möchte, was die eigene Fraktion will, sondern wenn man das freie Mandat auch so versteht, daß man Verantwortung dafür übernimmt, was man beschließt, wofür man ein Teil des Beschlußapparates ist, dann sieht die Situation anders aus. Dann wird sie nicht so sein, wie sie bei diesem Strukturanpassungsgesetz und bei diesen beiden Bundesfinanzgesetzen war.


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Dazu gehört übrigens auch – mein Kollege Frischenschlager wird darauf noch zurückkommen –, daß wir uns mit dem Spannungsfeld auseinandersetzen: Sozialpartner hier, Regierung da und Parlament dort. Ich halte es für einen Fehler, eine Verflechtung zu haben, bei der die Spitzen der Sozialpartner hier im Parlament vertreten sind. Ich gebe zu, man wird darüber diskutieren müssen, wo eine Grenzziehung erfolgen soll, aber daß hier eine Frau Hostasch sitzt, daß hier ein Herr Maderthaner sitzt, daß hier ein Herr Verzetnitsch sitzt, daß hier all jene Sozialpartner sitzen, das halte ich für nicht richtig. Beim Kollegen Stummvoll merke ich es ganz besonders stark, wie sehr sich sein Parlamentarismusverständnis zugunsten seines Sekretärverständnisses aus der Kammer verschiebt. Das ist für mich wirklich spürbar! Es ist nichts Neues, daß natürlich die Umgebung und das Arbeitsfeld auch die Haltung hier prägen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. )

Daran sieht man aber auch, was hier alles potenziert wird, was sich hier alles konzentriert, wo eine weitere Aushöhlung des Parlaments erfolgt, und wie wichtig es daher wäre, genau diese Problempunkte anzusprechen und hier eine Änderung herbeizuführen. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das heißt, die Verflechtung mit der Sozialpartnerschaft in dieser Form halte ich für eine Fehlentwicklung.

Zuletzt möchte ich auf die Entwicklung Österreichs als Teil unseres gemeinsamen Europas zu sprechen kommen, nach welchen Strukturen und in welche Richtung es sich entwickelt. (Abg. Dr. Puttinger: "Schlimm" sind alle, die eine andere Meinung haben! Das ist "liberal"!) – Das ist liberal. Das meine ich auch. – Wer hat gesagt, daß das schlimm ist? Kollege Puttinger, können Sie nicht zuhören? – Sehen Sie, auch das ist so eine Sache. Wir haben keine Streitkultur. Wenn Ihnen meine Ansicht nicht in den Kram paßt, dann unterstellen Sie mir, daß ich mit anderen Meinungen übel umginge! Ich sage nur unsere Vorstellung, nämlich daß wir diese Art der Verflechtung für falsch halten. Kommen Sie hier heraus und argumentieren Sie diese Verflechtung! Ich empfinde tatsächlich eine Veränderung im Parlamentarismusverständnis, Kollege Stummvoll. Das werden Sie mir ja nicht nehmen können. (Abg. Dr. Puttinger: Das ist eine Minderheitsmeinung!) Das heißt ja nicht, daß man sie nicht haben kann. Selbstverständlich! (Abg. Dr. Puttinger: Das ist Ihre Minderheitsmeinung!) Das ist richtig. Und es ist leider eine Minderheitsmeinung, und das "leider" werden Sie mir auch zugestehen müssen. Denn es ist ja das Bestreben eines Politikers, daß er natürlich um eine Mehrheit für seine Vorstellungen ringt. – Mir geht es einfach darum, klarzumachen, daß dieses berufliche Umfeld sehr wohl auch das Parlamentarismusverständnis beeinflußt. (Abg. Dr. Stummvoll: Sie grenzen gewisse Berufe vom Parlament aus – meinen Sie das?) Nein. Schon gar nicht "Berufe". Es geht vielmehr um bestimmte Funktionen. Genau darum. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja, darüber müssen wir wirklich reden, nämlich darüber, ob das alles kompatibel ist. Eine Diskussion darüber wollen wir entfachen. Was bei der Diskussion herauskommt, können wir selbstverständlich noch nicht vorwegnehmen, weil wir eine Minderheit sind. Aber auch Sie können es nicht nur deswegen, weil Sie derzeit zufällig über eine Mehrheit verfügen, vorwegnehmen.

Es geht darum, überhaupt einmal die Problemlage zu analysieren, aber Sie verweigern sich ja sogar der Problemlage, und das macht Ihre Geisteshaltung aus. (Beifall beim Liberalen Forum.)

In welche Richtung sich Österreich entwickelt? – Es war sehr bezeichnend, Herrn Abgeordneten Haider heute zuzuhören, welch rechtsstaatliches Verständnis bei ihm zum Ausdruck kommt, wenn es um Ausländerinnen und Ausländer geht. Natürlich ist es bei einem langen Verfahren ein Problem, daß ein Bescheid nicht vollzogen werden kann; das ist wahr, dieses Problem stellt sich auch bei Inländern. Aber daß man jetzt einen Unterschied macht und bestimmte rechtsstaatliche Prinzipien Ausländern verweigert, das ist ein negativer Qualitätssprung, den Sie im übrigen mit dem Asylrecht hier sowieso schon beschlossen haben.

Nun wird hier noch eine Fortführung dessen erwartet, nämlich daß wir aus der bürokratischen Effizienz heraus die rechtsstaatlichen Prinzipien für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger immer mehr einschränken. Was mich dabei so beunruhigt ist, auf welch fruchtbaren Boden das bei bestimmten Fraktionen fällt – und zwar nicht nur bei der ÖVP, sondern auch bei der SPÖ. Sie haben ja gerade im Zusammenhang mit dem Strukturanpassungsgesetz einen weiteren Schritt der Ungleichbehandlung gesetzt, indem Sie zwar ausländische Mitbürger genauso in den


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Familienlastenausgleichstopf einzahlen lassen, nur, wenn es um das Lukrieren der Rechte geht, dann machen Sie einen Unterschied zwischen In- und Ausländern: Dann nämlich bekommt der Österreicher oder die Österreicherin, der/die Kinder im Ausland in der Schule oder an der Universität hat, sehr wohl die Familienbeihilfe, ausländische Mitbürger aber, die den gleichen Beitrag leisten, bekommen sie nicht. Ich halte das wirklich für einen Verstoß gegen das Prinzip des Gleichheitsgrundsatzes.

Ich weiß schon, daß das formal durchaus abgesichert ist, Kollege Feurstein. Nur – wissen Sie, die Geisteshaltung hat sich nicht immer nur an der formalen Möglichkeit zu messen, sondern die messe ich jedenfalls – und das müssen Sie mir unbenommen lassen – daran, welcher Inhalt insgesamt zum Ausdruck kommt. Das heißt, Sie lassen zwar in den Pflichten gleichbehandeln, Sie behandeln in den Pflichten gleich, aber Sie nehmen sich heraus, bei den Rechten Unterschiede zu machen. Und das ist etwas, was wir Liberale nicht bereit sind, zu akzeptieren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

So verfahren Sie und Ihre Partei – auch auf Landesebene – bei den rechtsstaatlichen Prinzipien, so verfahren Sie bei den Rechten, die ich angesprochen habe, und auch in anderen Bereichen. Ich weiß schon: Bei der Wohnungsnot, die wir haben, ist es natürlich nicht sehr populär, wenn man auf einmal dafür eintritt, daß Gemeindewohnungen auch für ausländische Mitbürger zugelassen werden sollen. Das weiß ich. Es mag schon sein, daß uns das auch einmal im Wahlkampf schaden wird, es hat uns vielleicht auch schon geschadet, aber Ihr ständiges Orientieren daran, ob es nützt oder ob es schadet bei den Wählerstimmen, hat ja zu dem Verlust des Grundsatzdenkens geführt. Ich halte es wirklich für unredlich, jemanden einzahlen zu lassen, aber ihm die Rechte, die er daraus lukrieren könnte, einfach abzusprechen – und das tun Sie immer öfter, und Sie haben es vorige Woche mit dem Strukturanpassungsgesetz wieder getan.

Ich frage mich auch, in welche Richtung sich dieses Österreich entwickelt, wenn es um die Gleichbehandlung von Frauen und Männern geht. Was haben Sie denn mit diesem Strukturanpassungsgesetz beschlossen? – Eine weitere Verschlechterung der Frauenrechte! Mit den Sprüchen, daß Sie Frauenförderung umsetzen wollen, ist es nicht getan, sondern Sie müssen auch Inhalte folgen lassen. Nichts davon haben Sie gemacht!

Wie gehen Sie denn insgesamt mit den Rahmenbedingungen, mit den Strukturen um? Das Proporzdenken – eine uralte Geschichte in diesem Österreich –, es erfährt immer wieder, wenn es darauf ankommt, eine weitere Absicherung – ob das nun im Bankenbereich ist, ob das bei der Verbundgesellschaft ist, wo man dann auch noch den Vorstand aufstockt, damit man ihn schön halbe-halbe wieder teilen kann, ob das bei der STEWEAG ist, wo es darum geht, daß man die Leute wieder schön nach rot-schwarzer Farbenlehre unterbringt. Sie glauben, daß das etwas ist, das Sie jetzt auch nach Europa tragen können – nach Europa! Das ist peinlich, das muß nicht nur Kommissär Fischler zugeben, sondern auch Van der Miert spricht von einem "Kuhhandel". Das ist die Geisteshaltung, die Sie weiterentwickeln wollen und sogar nach Europa hinaustragen wollen, anstatt sich in einer anderen Richtung europafähig zu machen, nämlich von dieser Überregulierung, unter der wir in Österreich zu leiden haben, abzugehen und endlich jene – und da darf ich auf Vorschläge der Liberalen hinweisen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete, die freiwillige Redezeit von 30 Minuten ist abgelaufen.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (fortsetzend): Ich habe es gerade gesehen.

Wir haben Anträge eingebracht, damit Sie uns nicht immer vorwerfen, daß wir nur kritisieren, sondern Sie können an unserem Antrag zum Arbeitszeitgesetz, an unserem Antrag zur Gewerbeordnung, an unserem Antrag zum Urlaubszeitgesetz, an unserem Antrag zur Ladenöffnungszeit sehen, daß bei all diesen Dingen ganz konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen; Sie müßten sie nur behandeln, Sie müßten nur bereit sein, sich damit auseinanderzusetzen.

Ich würde gerne auch über die Budgetentwicklung im Konkreteren, was die Zahlen betrifft, weiterreden, aber ich halte mich an eine interne Abmachung und schließe daher. Aber eines möchte ich sozusagen als Überschrift über all das stellen: Wir brauchen nicht nur eine Reform


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der Budgetdebatte, durch die wir zu sachgerechteren Ergebnissen unter Mitwirkung des Parlaments kommen, sondern wir brauchen auch wieder mehr Verantwortung dieses Parlaments, denn nur mit Vorleben der Verantwortung werden Sie die Bürgerinnen und Bürger dazu bringen, daß auch sie wieder bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – und dieses Übernehmen von Verantwortung ist der wichtigste Baustein einer Demokratie! – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Ich stelle Ihnen im Sinne der Vereinbarung die Redezeit auf 20 Minuten.

12.46

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Ich stelle sie mir selbst auf 15 Minuten, Herr Präsident, im Hinblick auf meine ständig geübte Praxis.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mich den wirklich wichtigen Themen der Budgetgestaltung zuwende, möchte ich auf einen Debattenbeitrag meines Klubkollegen und Koalitionspartners Kostelka eingehen. (Abg. Dr. Haider: Freudsche Fehlleistung!) Klubobmann-Kollege!

Der Sicherheitssprecher der Volkspartei Paul Kiss hat die rechtsstaatliche Vorgangsweise des Innenministers und der Gerichte gegenüber Organisationen, die vom Obersten Gerichtshof dieser Republik als kriminelle Organisationen im Sinne des Paragraphen 278a des Strafgesetzbuches qualifiziert wurden, angemahnt.

Daraufhin hat Klubobmann Kostelka hier, und vor ihm der Bundeskanzler in einer ähnlichen Presseaussendung, darauf hingewiesen, daß dieses Anmahnen des Rechtsstaates ein Beitrag zur Radikalisierung sei und daß die Tolerierung von solchen Organisationen richtig sei, das habe das Beispiel der PLO gezeigt. (Abg. Mag. Stadler: Na, das ist eine Gesinnung, die da zum Ausdruck kommt!)

Herr Klubobmann Kostelka! Ich bin betroffen, denn Sie sollten sich den Satz des Verwaltungsgerichtshofes in einem berühmt gewordenen Urteil, an dem die Sozialdemokratie lange arbeiten mußte, vor Augen halten. Herr Klubobmann, im Rechtsstaat steht niemand über dem Gesetz und niemand außerhalb des Gesetzes! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Herr Klubobmann, Herr Bundeskanzler und Herr Innenminister! Wenn es Organisationen gibt, die gesetzwidrig handeln, kann es keine Toleranz ihnen gegenüber geben, kann es keine Packelei mit solchen Organisationen geben. Eine solche "Toleranzhaltung" – unter Anführungszeichen – hatte immer negative Konsequenzen. Muß ich Ihnen Stadtrat Heinz Nittel in Erinnerung rufen, der von der PLO in Österreich ermordet wurde? Muß ich Ihnen Carlos und seinen Anschlag auf die OPEC in Erinnerung rufen? Muß ich Ihnen die Anschläge in Marchegg in Erinnerung rufen, muß ich Ihnen die Blutspur der PLO in Österreich in Erinnerung rufen zur Zeit, da man ihr gegenüber Toleranz übte? (Zwischenrufe bei den Grünen und heftige Gegenrufe bei der ÖVP.) Muß ich Ihnen Minister Löschnak in Erinnerung rufen, der vor sechs oder sieben Jahren, als ich bei einer Veranstaltung auf der Universität eine Morddrohung von der rechtsextremen Seite ausgehändigt erhielt, mir sagte: Herr Abgeordneter, wir haben die Rechtsextremen im Griff, wir kennen sie alle, wir tolerieren sie, dann können wir sie besser kontrollieren. – Muß ich Ihnen das wirklich in Erinnerung rufen?

Ich sage Ihnen: Weder der PLO noch Rechtsextremen gegenüber, noch Organisationen gegenüber, von denen der Oberste Gerichtshof bei der Verurteilung von vier Schwerverbrechern feststellt, daß sie Gelder eintreiben und Terrorakte betreiben, solchen Organisationen gegenüber gibt es keine Toleranz. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Muß ich Ihnen den Obersten Gerichtshof zitieren, der in der Urteilsfeststellung sagt: "Zudem übersehen die Beschwerdeführer, daß das Erstgericht ausdrücklich festgestellt hat, daß Sie als Funktionäre der nationalen Befreiungsfront Kurdistans ERNK, einer Teilorganisation der PKK, zur Beschaffung des Finanzbedarfes durch Eintreiben monatlicher Spenden und jährliche


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Großsammlungen zuständig waren. Damit hat das Schöffengericht die Tathandlungen hinlänglich dargelegt, durch welche sich die Beschwerdeführer an einer Organisation beteiligt haben, deren, wenn auch nicht ausschließliche, Tätigkeit in der Ausübung von Terrorakten bestand". Ende des Zitats.

Herr Klubobmann Kostelka! Wenn Paul Kiss und der ÖVP-Klub hier verlangen, daß gesetzmäßig vorgegangen wird, dann mahnen wir das Gesetz ein, denn im Rechtsstaat steht niemand über dem Gesetz und steht niemand außerhalb des Gesetzes. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Schluß möchte ich Ihnen noch das zurufen, meine Damen und Herren von der SPÖ, was Cicero in den catalinarischen Reden gesagt hat: Quousque tandem abutere ...

Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt zur Budgetrede und zur Budgetdebatte Stellung nehmen.

In ganz Europa gibt es mit Umgestaltungen des Sozialstaates, mit Umgestaltungen des Wohlfahrtsstaates, große Probleme. Es gibt Krisen in vielen Staatsbudgets, die durch Verschuldung, die durch zu großzügige Ausgabenpolitik und durch ein Abgehen von der Stabilitätspolitik entstanden sind, und in ganz Europa, im gesamten OECD-Bereich, ist es die Aufgabe der Regierung, auf ausgeglichene Budgets, auf mehr Stabilität hinzuwirken, und dieser Zielsetzung fühlen auch wir uns verpflichtet. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es gibt drei Wege, die zu diesem Ziel führen. Der erste Weg ist der Weg der Steuererhöhung, der Weg der Abgabenerhöhung, der Weg der Beitragserhöhung zu den Pensions-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen. Dieser Weg, meine Damen und Herren, ist für uns als ausschließlicher Weg der Belastung nicht akzeptabel. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt einen zweiten Weg, den Weg der absoluten Ausgabeneinsparung, der markanten Kürzung von Sozialleistungen, der markanten Kürzungen von Subventionen und der markanten Verringerungen der Staatsleistungen, der Staatsaufgaben und der Bürokratie. Dieser Weg hat richtige Ansätze, ist aber als einziger Weg auch nicht richtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Denn wenn man nur durch Einsparungen allein versucht, die großen Budgetprobleme in den Griff zu bekommen, verliert man die Möglichkeit der Prioritätensetzung, man grenzt ans sozial Unverträgliche, und man kann nicht mehr mit Augenmaß die richtigen Akzente setzen.

Wir haben uns daher für einen dritten Weg entschieden, meine Damen und Herren, den Weg eines Policy-mix (Abg. Böhacker: Kraut- und Rübensalat!) : Ausgabeneinsparungen und neue Einnahmenerschließungen im Verhältnis von zwei Drittel Einsparungen und ein Drittel Mehreinnahmen, und ich halte diesen Weg für richtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist für die Diskussion in ganz Europa bezeichnend, daß der Satz auch hier gilt: Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte. Wenn man mit Augenmaß und rechtzeitig die Maßnahmen setzt, können diese verhältnismäßig gelinde erfolgen. In Frankreich hat man die Maßnahmen rechtzeitig gesetzt, in Deutschland bemüht man sich jetzt um diese Maßnahmen, und ich hoffe, es wird unseren deutschen Freunden mit Hilfe der Sozialpartner genau so gelingen, ein allgemein sozial verträgliches Sparpaket zu verankern. In Schweden hat man die Maßnahmen zu spät ergriffen und massive Einschnitte machen müssen, in Italien hat man zu spät saniert, man hat ganze Sozialleistungskategorien beseitigen müssen. Daher: Rechtzeitig die Maßnahmen zu setzen, den Kairos, also den richtigen Moment zu finden, das ist die Aufgabe unserer Regierung. Wir haben den rechten Augenblick vielleicht etwas spät genutzt, aber wir haben zumindest jetzt eine Budgetplanung vorgelegt, die das Ziel der Rückgewinnung der Stabilität ermöglicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich habe die Budgetdebatte natürlich sehr aufmerksam verfolgt, und ich muß Ihnen sagen, daß am Ende dieser Budgetdebatte für mich schon unter dem Strich steht, daß es eine Reihe von sehr konstruktiven und sehr wertvollen Diskussionsbeiträgen gegeben hat, daß aber grundsätzlich ein vierter Weg, neben diesen drei Wegen, nicht zur Debatte gestellt wurde.


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Es hat sich die Freiheitliche Partei als größte Oppositionspartei verbal dem Weg verpflichtet gefühlt, nur durch Einsparungen das Budget in Ordnung zu bringen, durch Subventionskürzungen, beispielsweise Halbierung der Subventionen querbeet, das heißt also auch in der Landwirtschaft (Abg. Böhacker: Für die Bauern gibt es keine Subventionen!) , durch Pfuscherbekämpfung – das ist eine legitime Maßnahme.

Es war die proklamierte Zielsetzung der FPÖ, die Abgabenquote von 44 auf 40 Prozent zu reduzieren, das heißt also, ein Volumen von zirka 80 Milliarden ausschließlich durch Einsparungen zu bewegen. Das ist übrigens ein Punkt, wo sich FPÖ und Liberale treffen; auch die Liberalen haben ihre Sanierungspriorität in der Verkürzung dieser Transferquote von 44 auf 40 Prozent, das heißt also in einer drastischen Kürzung der Subventionen, gesehen.

Die Freiheitlichen haben allerdings gleichzeitig, als die Budgetdebatte in diesem Haus lief, 20 Anträge in der Sondersitzung eingebracht, als es um ein Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ging, deren Kosten für das Budget zwischen – niedrig geschätzt – 25 und – hoch geschätzt – 43 Milliarden Schilling gelegen wären. Das heißt also ein homogenes Alternativkonzept zu unserem Budgetsanierungsprogramm wurde von der FPÖ nicht vorgeschlagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das Liberale Forum hat homogenere und nachvollziehbare Budgetvorschläge gemacht, die im Wesentlichen auch in die Richtung des ersten Weges gehen: Einsparungen. Einsparungen bei den Transferleistungen und damit auch massive Einsparungen im Sozialbereich. Nettoeinkommen über 37 000 S sollten im Wesentlichen von Transferleistungen nicht profitieren können, sieht man von Transfers im familiären Bereich ab.

Die Grünen wiederum haben eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, die sehr interessant zu diskutieren sind. Sie gehen von einem ähnlichen Policy-mix aus, wie die Vorschläge der Regierung, das heißt also vorwiegend ausgabenseitig Einsparungen zu treffen und dazu noch neue Einnahmen zu erschließen. Allerdings ist es nicht verwunderlich, daß im Hinblick auf die politische Gesinnung der Grünen andere Einsparungen vorgeschlagen wurden, als die unseren – was das legitime Recht der Grünen ist beziehungsweise auch eine Pflicht, weil die Bürger ja die Auswahl haben müssen, für welche Budgetmaßnahmen sie sich bei den Parteien zu entscheiden haben.

Meine Damen und Herren! Aber ein grundsätzlich anderes Budget, ein anderes Budgetkonzept, der Stein der Weisen, wurde von den Oppositionsparteien nicht gefunden.

Ich gehe nun davon aus, daß letzten Endes mit der Legitimation der beiden Regierungsparteien eine Finanzplanung für die Jahre 1996/97 vorgelegt wurde, die standhalten wird und die Grundlage dafür bildet, daß wir einen neuen Aufschwung in diesem Land zustande bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich aus den Budgetberatungen und dem ganzen politischen Ablauf dieser letzten Wochen und Monate doch zwei Konsequenzen ziehen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Die eine Konsequenz ist, daß ich glaube, daß es richtig ist, wenn wir die Budgetberatungen nicht erst im Herbst machen, sondern daß es auch für die Zukunft klüger wäre, Budgetberatungen bereits im ersten Halbjahr im Planungsvorlauf zu beschließen und dann im zweiten Halbjahr, wenn der Rechnungsabschluß vorliegt, wenn die notwendigen Budgetentwicklungen vorliegen, eine zweite Debatte, eine Nachjustierungsdebatte zu machen.

Und das zweite wäre, daß auch wir im Nationalrat unsere Verantwortung wahrnehmen, daß der Staatshaushalt nicht wieder aus dem Ruder läuft. Daher müssen wir Anträge, die wir selber stellen, auf ihre Folgekosten hin berechnen und auch verantworten, und wir müssen darauf bestehen, daß Gesetzesvorhaben, die von der Bundesregierung vorgelegt werden, ernsthaft berechnet werden, ernsthaft bedeckt sind und daß dabei nicht anderen Gebietskörperschaften in die Tasche gegriffen wird.


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Meine Damen und Herren! Wir brauchen in Österreich Mutmacher – und nicht Miesmacher. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

13.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Dr. Madeleine Petrovic. – Frau Abgeordnete! Sie haben, freiwillig vereinbart, 30 Minuten Redezeit. – Bitte.

13.02

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Mitglieder der Volksanwaltschaft! Meine Damen und Herren! Bei einer Budgetdebatte ist es eine fast schon gängige Praxis, daß die Regierung das von ihr präsentierte Budget gutheißt, lobt, richtig findet und daß die Opposition dasselbe Budget kritisiert und Schwachstellen aufzeigt.

Aber besonders interessant sind bei einer Budgetdebatte immer – gerade bei der heurigen – die Untertöne dieser Debatte, die Themen, die bei den generellen Ausführungen auch angeschnitten werden. Diese Töne waren jetzt bei meinen Vorrednerinnen und Vorrednern doch sehr bemerkenswert. Da zeigt sich, wie brüchig eigentlich der Konsens unter den Regierungsparteien ist, wie brüchig damit auch dieses vorgelegte Zahlenwerk sein wird und wie instabil eigentlich dieser Konsens ist, den Sie heute hier beschwören und den Sie zu Ende der Woche absegnen werden.

Wenn aus den Reden der Vertreter der Regierungsparteien immer wieder die Diskussion rund um das Thema Terrorismus, um das Thema PKK gegangen ist und wenn hier sehr scharfe Worte gefallen sind, wenn auch im Vorfeld – aus der zweiten Reihe der Regierungsparteien – ganz gezielte Vorwürfe lanciert wurden, dann hat das nur einen Sinn: von seiten der ÖVP in Richtung der SPÖ zu signalisieren, paßt auf, seid vorsichtig, eigentlich gibt es in diesem Hause, eigentlich gibt es in diesem Land eine schwarz-blaue Mehrheit. Das ist die eigentliche Botschaft, die hier vermittelt wird.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Es geht Ihnen nicht um die PKK, und es geht Ihnen auch nicht wirklich um Fragen der Sicherheit, um Fragen der Abwendung von Gewalt – da hätten Sie sich in vielen, vielen Punkten ganz, ganz anders verhalten müssen –, sondern es geht Ihnen um dieses innenpolitische Signal. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie von der ÖVP gerade jetzt die Frage PKK herausgreifen, dann frage ich Sie schon: Wo war Ihre Kritik, als ein echter Vertreter einer Terrorbewegung, als Abu Nidal, genehmigter-, erlaubterweise in Wien ein Büro unterhalten konnte? Da waren Sie viel, viel leiser. Damals war es nicht opportun, koalitionsinternen Zwist zu entfachen.

Oder: Wo waren Sie von der ÖVP im Zusammenhang mit der Bombenlegerei in Südtirol? War es da angebracht, von IdealistInnen zu sprechen, wenn es Tote gab? – Das ist also sehr einseitig, und das ist sehr offenkundig und sehr durchsichtig, was Sie hier betreiben. (Beifall bei den Grünen.)

Nun zur FPÖ, Ihrem offenbar schon in den Startlöchern stehenden Bündnispartner. (Abg. Dr. Haider: Sie sollten nicht voreilig sein!) Da muß man doch einiges zu den Ausführungen des Herrn Dr. Haider anmerken. Herr Dr. Haider! Sie haben absolut recht, ... (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Sie können nicht einmal abwarten, wenn man Ihnen einmal recht gibt. (Abg. Dr. Haider: Ich habe ja gar nichts gesagt! Es war der Haigermoser!)

Herr Dr. Haider! Sie haben absolut recht, wenn Sie die Proporzwirtschaft in Österreich anprangern und beklagen. Es ist ein Skandal, daß in Unternehmungen, nicht nur im verstaatlichten Bereich, bis in die untersten Ränge nach wie vor streng nach Parteibuch alles in rot-schwarz aufgeteilt wird.


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Es ist zutreffend, daß von seiten der Regierungspolitikerinnen und -politiker immer wieder, wenn es paßt, eine Medienschelte erfolgt und wenn es wieder andererseits opportun ist, eine teilweise wirklich sehr peinliche Medienbuckelei betrieben wird.

Es ist auch zutreffend, wenn von seiten der Liberalen eine enorme Arroganz der Mächtigen beklagt wird, ein wirklich dreister Umgang mit der wieder errungenen Zweidrittelmehrheit, wenn rückwirkende Gesetze gemacht werden, wenn gesagt wird: Was soll’s? Können wir ja, macht ja nichts, tun wir einfach. Aber zum anderen erinnere ich Sie schon daran, daß etwa die Geschäftsordnung, die ja eine dramatische Beschneidung von Oppositionsrechten mit sich gebracht hat, mit Ihren Stimmen beschlossen wurde. Ich glaube, die Regierung hätte es jedenfalls damals nicht gewagt, gegen die geschlossene Opposition eine Geschäftsordnungsreform dieser Art durchzudrücken.

Da habe ich sehr wohl den Eindruck gehabt, daß Sie, die Sie etwas besser ausgestiegen sind als die kleineren Oppositionsparteien, hier sehr gern mitgemacht haben. (Beifall bei den Grünen.)

Ich will auch jetzt in diesem Rahmen nicht daran erinnern, daß auch die Freiheitliche Partei immer dann, wenn es ums Geld gegangen ist, mitgemischt und mitgeschnitten hat, wie zum Beispiel mit Inseratenserien der Autobahngesellschaften in parteinahen Blättern, als Sie in Kärnten das Bauressort innehatten. Das sind sicherlich Praktiken, die von den Regierungsparteien noch um vieles, vieles mehr gepflogen werden, aber schlecht sind sie allemal, von welcher Seite auch immer sie praktiziert werden.

In einem gebe ich Ihnen absolut unrecht: Wenn Sie so weit gehen, daß Sie Österreich – bei aller berechtigten Kritik an der Regierung, bei all diesen dreisten Praktiken der Parteibuchwirtschaft, der Medienbuckelei und Medienschelte, wie immer es in den Kram paßt, und der dramatischen Beschneidung von Oppositionsrechten, halte ich es doch für verkehrt und wahrscheinlich insgesamt die Stärke der Oppositionsargumente schwächend – mit Staaten wie etwa der früheren DDR vergleichen.

Bei allen Versäumnissen, Fehlern und Schwächen glaube ich, daß es nicht angeht, Österreich mit einem Staat zu vergleichen, der an seiner Grenze in bezug auf die eigenen Bürgerinnen und Bürger einen Schußbefehl erteilt hat. Diesen Vergleich kann man in Österreich legitimerweise – gottlob! – nicht ziehen. (Beifall bei den Grünen.)

Nun zu den eigentlichen Inhalten dieses Budgets. Man könnte über viele Detailmaßnahmen sprechen, Detailmaßnahmen, wie sie aber in Medienberichten der letzten Tage und Wochen hinlänglich, glaube ich, diskutiert wurden. Wir haben gesprochen über die Maßnahmen, die sich gegen Frauen richten, über das Paket im Bereich der Universitäten – ein sehr einseitiges, dort besonders dramatisch wirkendes Belastungspaket. Wir haben über die Maßnahmen gegen arbeitslose Mitbürgerinnen und Mitbürger gesprochen, und ich glaube, diese Maßnahmen sind mittlerweile in der Öffentlichkeit auch hinlänglich bekannt.

Worum es mir heute geht, ist die allgemeine Entwicklungslinie, die ein Staat nimmt. Das Budget ist Ausdruck einer derartigen Entwicklungslinie. Das Budget zeigt auch, in welche Richtung die Weichen gestellt werden. Ich bin der Überzeugung, daß Österreich vor der wichtigsten Weichenstellung steht, vor der Weichenstellung für das kommende Jahrtausend.

Ich bin der Überzeugung, daß wir jetzt mit diesen vorgelegten Budgets Gefahr laufen, eine falsche Weichenstellung vorzunehmen.

Wir haben jetzt die Möglichkeit, eine Wahl zu treffen zwischen einem Weg in eine ökologische Moderne, meiner Meinung nach der einzige wirtschaftlich erfolgreiche Weg, den ein hochentwickelter Industriestaat an der Schwelle zum Informationszeitalter nehmen kann.

Was setzt dieser Weg in die ökologische Moderne voraus? – Erstens einmal ein umfassendes Ökologisierungspaket: eine Ökologisierung, die Teil der ökonomischen Programme ist und sich nicht in einen Gegensatz zur Ökonomie stellt. Kern- und Hauptbestandteil einer derartigen


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wirtschaftlichen Ökologisierung ist eine Systemänderung im Steuersystem – nicht einfach ein Dazubuttern von einer Steuer auf Gas und Strom, sondern ein Ersatz von alten Steuern durch ein neues System, ein Senken von arbeitsabhängigen Steuern und Abgaben und statt dessen eine dynamische Einführung von Energiesteuern. Das wäre der Kern einer ökologischen Modernisierung. (Beifall bei den Grünen.)

Diesen Kern läßt Ihr Budget insgesamt und auch in vielen Details eindeutig vermissen: das Fallenlassen des Toronto-Ziels, das Nicht-mehr-Nachdenken über den fehlgegangenen, viel zu kurzgreifenden Transitvertrag und die vielen anderen Punkte; das Abstandnehmen von einem einheitlichen Umweltanlagenrecht ohne Schwächung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger. All das untermauert meine Behauptung, daß dieses Budget im Kern am Haupterfordernis einer ökologischen Modernisierung vorbeigeht.

Das behaupte nicht nur ich, das bestätigen mir auch etwa durchaus regierungsnahe Vertreter des Forschungsförderungsfonds für die gewerbliche Wirtschaft. Ich hatte vor wenigen Tagen gemeinsam mit Abgeordneten von anderen Parteien Gelegenheit zu einem sehr ausführlichen Gespräch mit Vertretern dieses Forschungsförderungsfonds. Dort wurde klipp und klar gesagt: Mit den jetzt zur Verfügung stehenden Mitteln ist eine Forschungsinitiative, wie wir sie brauchen, wie sie die österreichische Wirtschaft braucht, einfach nicht zu bewerkstelligen.

Wir haben einen derzeit rückläufigen Forschungs- und Entwicklungsaufwand von etwa 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Ein Minimalerfordernis in der derzeitigen österreichischen Situation – an der Schwelle zum Informationszeitalter – wäre eine Forschungsquote von mindestens 2 Prozent. Jeder Fachexperte, jede Expertin aus diesem Bereich kann Ihnen das bestätigen. Daher ist es unkorrekt, wenn Sie hier von einer Offensive sprechen, obwohl Sie genau wissen, daß Sie mit diesem Programm nicht nur keine Offensive setzen, sondern mit Sicherheit einen dramatischen Abbau von Arbeitsplätzen in Kauf nehmen.

Meine Damen und Herren! Es fehlt an ökologischer Forschung, es fehlt an der ökologischen Steuerreform, es fehlt am zentralen Erfordernis der ökologischen Modernisierung. Es fehlt aber auch das zweite Kriterium, das ich für einen modernen, ökologischen Informationsstaat für essentiell halte: daß er sich bedingungslos der gesellschaftlichen Emanzipation verschreibt. Emanzipation heißt, daß es eine staatliche Aufgabe ist, bei den diskriminierten Gruppen sozusagen anzutauchen; ihnen zu helfen, ihre Diskriminierungen in der Gesellschaft zu überwinden. Das betrifft die Frauen. Das betrifft die jungen Leute, die noch nicht im Erwerbsprozeß stehen. Das betrifft aber auch Menschen, die vorübergehend aus dem Erwerbsprozeß ausgeschieden sind oder aufgrund von Alter, Krankheit oder Behinderung gar nicht eintreten konnten.

Bei all diesen Personengruppen ist das Belastungspaket selektiv wirksam. Überall dort wird ein Stück der in den letzten Jahren mühsam errungenen Freiheit abgebaut. Es wird ein Stück Freiheit für die Frauen abgebaut: durch Einschränkungen beim Karenzgeld, durch Einschränkungen im Bereich der Pensionsregelung – ohne, daß, wie Sie es versprochen haben, zuerst die Doppel- und Dreifachbelastung, die Diskriminierung zumindest etwas zurückgedrängt wird.

Es wird nichts für die weitere Emanzipation der jungen Menschen, der Behinderten, getan. Im Gegenteil: Sie sind von diesem Belastungspaket überproportional betroffen. Es wird überproportional bei ihnen gespart. Das heißt automatisch, daß mit Sicherheit alte patriarchalische Abhängigkeiten wachsen. (Beifall bei den Grünen.)

Wollten Sie ernsthaft einen wirklich modernen ökologischen Rechtsstaat, dann wäre das ein entscheidendes Kriterium: die Selbstbestimmung aller Bürgerinnen und Bürger und die Möglichkeit, eigene Entscheidungen, ökologische Entscheidungen zu treffen, anstatt wieder immer stärker an das Gängelband anderer Personen angebunden zu werden. Das geschieht jedoch mit diesem Paket! Das ist noch viel schlimmer als die quantitativen Belastungen, eben die Tatsache, daß neue Abhängigkeiten geschaffen und alte Abhängigkeiten wieder gefördert werden.

Meine Damen und Herren! Zuletzt zur Frage der Sicherheit; sie ist auch in allen anderen Redebeiträgen bereits angeklungen. Ich glaube auch, daß das das dritte große Kriterium eines neuen, eines modernen ökologischen Staates im Informationszeitalter wäre.


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Sicherheit in einer neuen Form. Selbstverständlich einmal eine Erweiterung des Sicherheitsbegriffes auf ökologische Fragen. Gerade zehn Jahre nach dem schrecklichen Unfall von Tschernobyl sollten wir uns doch wirklich fragen, was Sicherheit heißt und sollten wir doch endlich einmal einen verstaubten, auf rein polizeilich-militärische Termini zurechtgeschnittenen Sicherheitsbegriff erweitern beziehungsweise überholen. (Beifall bei den Grünen.)

Aber neben dieser neuen ökologischen Sicherheit, die wir so dringend brauchen und die gerade für Österreich lebens-, ja überlebensnotwendig ist – wir sind umringt von schrottreifen, alten AKWs, die dringend abgeschaltet werden müssen –, müssen wir auch den klassischen Sicherheitsbegriff hinterfragen. In einer Zeit, in der die UNO als Krisenfeuerwehr immer mehr erkennt, daß dieses Hinterherlaufen von einem Konfliktherd zum anderen nicht mehr geht, finanziell, organisatorisch, politisch nicht mehr machbar ist, müssen wir uns doch fragen: Wie kommen wir zu einem neuen Sicherheitsverständnis, damit wir soziale Sicherheit und Ökologie in Ruhe, in Frieden weiterentwickeln können? Da geht es nicht ohne Entwicklung neuer und präventiver Strukturen. Das scheint mir viel zu kurz zu kommen.

Gerade bei dieser heute aus koalitionstaktischen Gründen so einseitig geführten Terrorismusdebatte, die uns ja am Nachmittag im Rahmen der Anfragebesprechung noch einmal begegnen wird, sollten wir uns auf die frühere, größere Rolle Österreichs in der Außenpolitik zurückbesinnen, als es um die Frage der Einbeziehung der Palästinenser in Verhandlungsprozesse ging.

Da konnte einerseits Österreich für sich einen einzigartigen internationalen Stellenwert erlangen: als ein Land der Vermittlung, als ein Land, das die Hände nach beiden Seiten ausstreckt und zerstrittene, vielleicht sogar verfeindete Gruppen an den Verhandlungstisch holt. Das war für Österreich und unser Ansehen wichtig, und das war für die betroffenen Gruppen der Beginn eines Prozesses, der nach vielen Jahren mühsam und langsam zu ersten Erfolgen geführt hat.

Heute gibt es viele derartige Konfliktherde: angefangen vom ehemaligen Jugoslawien, in dem die Konflikte noch lange nicht vorüber und erloschen sind, bis hin zur ehemaligen Sowjetunion, bis hin zu den Spannungen zwischen den Weltreligionen, den neu aufkeimenden Fundamentalismen in vielen Bereichen der Religionen und Glaubensgemeinschaften. Überall dort wäre ein neutrales Land wie Österreich dringend gefordert, sich einzubringen als wirklich neutraler Staat: offen gegenüber den berechtigten Anliegen, selbstverständlich Gewalt und Terrorismus immer verurteilend und zurückweisend, aber auch die Ursachen hinterfragend, wieso es so weit kommt. Wir müssen hinterfragen, wie es um die Rechte der kurdischen Zivilbevölkerung steht, wie es um die Rechte der Bevölkerung in Tibet, in Taiwan steht, wie es um die Rechte so vieler unterdrückter Menschen und Bevölkerungsgruppen steht.

Das wäre die eigentliche Rolle Österreichs – sie würde nur voraussetzen, daß wir tatsächlich eine offene und ehrliche Sicherheitsdebatte führen, daß wir nicht fahrlässig und leichtfertig sagen – und da gibt es wieder einmal ein Hickhack der Koalitionsparteien –, die Neutralität ist obsolet oder nicht ganz obsolet. Wir müssen einmal diese Diskussion führen: Was heißt eine moderne Sicherheitspolitik, und was setzt sie voraus?

Wir müssen uns bedingungslos hinter jene Institutionen stellen, die sich den Menschenrechten verpflichtet fühlen –, egal, ob das supranationale Institutionen oder nichtstaatliche Organisationen sind, und die Arbeit dieser Organisationen aufwerten und unterstützen. – Das ist die eigentliche Aufgabe Österreichs.

Diese drei Erfordernisse: umfassende wirtschaftliche Ökologisierung, gesellschaftliche Emanzipation der benachteiligten Gruppen und ein neues präventives Sicherheitsverständnis, das wären die drei großen Kriterien, die ich von einem wirklich zukunftsorientierten Budget verlange, das uns hinüberführt ins nächste Jahrtausend.

Ich glaube – jenseits aller Kleinkritik an Einzelmaßnahmen –, daß diese drei großen Kriterien bei diesen vorgelegten Budgets zu kurz kommen, und deswegen lehnen wir von den Grünen die vorgelegten Budgets ab. (Beifall bei den Grünen.)

13.23


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17. Sitzung / Seite 49

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

13.23

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu einigen Punkten sprechen, und aufgrund der zugeteilten Redezeit muß ich mich daher zu jedem Punkt sehr kurz und prägnant ausdrücken.

Erstens möchte ich dem Herrn Bundeskanzler und der Bundesregierung danke schön dafür sagen, daß gerade im speziellen Punkt der Hilfe für Osteuropa von österreichischer Seite und vor allem auch auf Initiative des Herrn Bundeskanzlers in den letzten Jahren so viel geschehen ist und Österreich nicht jenen Fehler gemacht hat, den manche andere Staaten machten, die meinten, mit der Beseitigung des Kommunismus sei alles erreicht für diese Staaten. Es bedarf einer laufenden Aufmerksamkeit, es bedarf einer laufenden Hilfe, es bedarf einer Differenzierung, und es bedarf auch konkreter Unterstützung für diese Staaten, was das Hineinführen in die europäischen Institutionen betrifft. – Ich werde morgen beim Kapitel Außenpolitik dazu noch einiges mehr sagen.

Gut ist, daß Österreich diese Aufgabe in so starkem Ausmaß wahrnimmt, und ich glaube, es wäre wert, daß das von allen Fraktionen dieses Hauses als etwas Positives vermerkt wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zweite Bemerkung, zum Parlament selbst. Hier gäbe es sehr viel zu sagen. Ich möchte darauf hinweisen, daß wir sehr froh sein können, daß für die Arbeit des EU-Hauptausschusses, also für die Mitbestimmung des Parlaments in EU-Angelegenheiten, Voraussetzungen in der Parlamentsdirektion geschaffen wurden, auch technischer Natur, wie durch den Einsatz von EDV und Datenerfassung, die es uns ermöglichen, diese Aufgabe besser und rascher wahrzunehmen. Und ich möchte vor allem darauf hinweisen, daß diese Informationen wieder ein Beweis dafür sind, daß das nicht stimmt, was die Opposition manchmal anführt, nämlich daß die Regierungsparteien durch die Nähe zur Regierung ach so gut informiert wären und die Opposition ach so schlecht. (Beifall des Abg. Dr. Khol. ) Hier sind alle Informationen gleich, für alle zum selben Zeitpunkt, rasch vorhanden – alle können sich diesbezüglich gleichermaßen verhalten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Frau Klubobfrau Schmidt, aber auch andere Redner haben zu vielen Fragen der Parlamentsrechte gesprochen. Ich glaube, es wäre wert, sich darüber einmal länger zu unterhalten. Klar muß uns sein, daß bei einer Abwägung, was ist für diese Republik wichtiger: ein rasches Budget oder eine lange Begutachtung? – so einfach war es ja nicht, aber gehen wir davon aus, es wäre so einfach gewesen –, die Entscheidung eines parlamentarischen Gremiums sein müßte, so rasch wie möglich ein Budget zu machen, vor allem angesichts der Kosten, die der Republik und damit allen Bürgern entstünden, wenn man es lange verzögern würde.

Hier nun dieses Budget, diese außerordentliche Situation quasi als das Übliche darzustellen, das es zu kritisieren gilt, das finde ich nicht ganz korrekt.

Natürlich ist es legitim, hier Dinge darzustellen – ich erinnere mich noch des einen liberalen Abgeordneten, der mit allen Budgetunterlagen herausgekommen ist – er wurde dann überall abgebildet – und beschrieben hat, wie viele Kilo Papier er in einer gewissen Zeit hätte lesen müssen. Das entspricht doch, meine Damen und Herren, auch nicht der sonstigen Wirklichkeit des Parlamentes. Auch sonst liest nicht jeder Abgeordneter – sprechen wir es doch aus! – jedes Wort dreimal und prüft jede Sache. In einem modernen Parlament gibt es natürlich die Verantwortung jedes Abgeordneten, aber auch ein vernünftiges Maß an Arbeitsteilung. Deshalb gibt es Ausschüsse, in denen sich bestimmte Leute bestimmte Sachen genau anschauen, und die anderen einer Fraktionen verlassen sich auf diese Personen, und dafür verlassen sich jene, die sich das genau angeschaut haben, in anderen Fragen auf andere, die dort tätig sind. Kein Abgeordneter kann in jedem Ausschuß alles im Detail behandeln. Ein Parlament muß eine


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Arbeitsteilung kennen und muß auch wissen, daß nicht jeder Abgeordnete jedes Wort genau prüfen kann.

Deshalb habe ich es auch nicht so arg gefunden, wie das Ganze abgelaufen ist. Hier gab es die Möglichkeit, daß jeder in seinem Bereich sich die Dinge genauer anschauen kann. Und es ist sicherlich unfair, wenn es so dargestellt wird, als stünden hier Hampelmänner auf, die nicht wüßten, wofür sie stimmten. Hier sind natürlich Leute aufgestanden, die in bestimmten Bereichen genau Bescheid gewußt haben, und was die anderen Bereiche betrifft, haben sie sich bei ihren Kollegen, die dort wieder genau Bescheid gewußt haben, erkundigt und sich auf sie verlassen. Ich glaube, auch wenn weniger Papier durchzuarbeiten ist, werden wir ohne diese Arbeitsteilung, ohne diese Spezialisierung in einem Parlament, wo all das erfüllt ist, was sich eine Opposition wünscht, nicht auskommen können. Deshalb ist es unfair, in einer sachlichen Debatte das so zuzuspitzen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Natürlich kann über manches gesprochen werden, über die Summe der Regierungsvorlagen, über die "unechten" Regierungsvorlagen – darunter versteht man Ministerialentwürfe, die über Initiativantrag eingebracht werden –, ob das nicht gesondert dargestellt werden sollte et cetera.

Über das alles läßt sich diskutieren. Aber das alles zum Anlaß zu nehmen, um zu sagen, hier funktioniere das Wechselspiel nicht, es sei nicht demokratisch genug, das finde ich nicht ganz gerecht.

Die Kollegin Schmidt müßte sich auch selbst die Frage stellen, ob wirklich alles, was eine Opposition sagt, quasi Ausdruck der Parlamentsrechte ist und wirklich alles, was eine Mehrheit in diesem Haus tut, nur die Gefolgschaft, wie es dargestellt wurde, für eine Regierung ist, ob nicht auf beiden Seiten Fraktionen, wahlwerbende Gruppen mit bestimmten Interessen tätig sind, ob manches, was die Opposition sagt, nicht auch Ausdruck ihrer wahlwerbenden Überlegungen ist und nicht so sehr ein Parlamentsanliegen insgesamt.

Meine Damen und Herren! Über diese Fragen werden wir im Rahmen der Geschäftsordnungsreform weiterreden. Ich glaube nur, wir sollten hier eine offene und auch eine ehrliche Sprache führen.

Ich möchte noch zu einem weiteren Punkt etwas sagen, und zwar zum Kollegen Khol und zur Frage der Kurden. Kollege Khol! Ich war in höchstem Maße – wie mein Kollege Kostelka – über das schockiert, was Ihr Sicherheitssprecher Kiss gesagt hat. Ich war über die wörtlichen Zitate, die unter Anführungszeichen wiedergegeben wurden, schockiert. Er hat sie nicht entgegnet.

Mein erster Punkt: Er spricht in einem wörtlichen Zitat nicht bloß von der PKK oder einem Teil der PKK, sondern er spricht von "konsequenter Verfolgung kurdischer Aktivisten."

Wer sind nun kurdische Aktivisten, Aktivisten der kurdischen Sache? Ich brauche die Geschichte nicht auszubreiten. Wir alle kennen das tragische Schicksal des kurdischen Volkes, das durch die Ordnung, die die Welt für ein Gebiet nach einem furchtbaren Krieg gefunden hat, nicht mehr die Chance für sich sehen kann, einen gemeinsamen Staat für sich zu haben. Wir alle wissen, daß niemand von uns aus den Gründen der Aufrechterhaltung dieser Ordnung, weil sie eben auch mit Frieden garantiert, für einen kurdischen Staat eintreten kann, und daher sollten alle dafür eintreten, daß die Kurden in den jeweiligen Ländern, in den jeweiligen Staaten, in denen sie eine Minderheit darstellen, dort möglichst viele dieser Minderheitenrechte bekommen und daß sie autonom in einem Gebiet, das sie mehrheitlich bevölkern, auch agieren können.

Es gibt sehr viele Aktivisten, die für dieses Recht eintreten, mit friedlichen Mitteln bis hin zu solchen, die nicht zu tolerieren sind. Vertreter des Exil-Parlamentes, kurdische Bürgermeister, DEB-Abgeordnete, die im Gefängnis sitzen – wir alle gemeinsam haben das im Europarat verurteilt und ihre Freilassung gefordert –, das alles sind kurdische Aktivisten. Mein erster Vorwurf ist, daß Sie die alle aus innenpolitischen Überlegungen, damit Sie sagen können: Hier bin ich, ein harter Mann! als Volk in einen Topf werfen. Das ist ungerecht, zutiefst ungerecht gegenüber dem kurdischen Volk und seinem Schicksal. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Der zweite Punkt, Kollege Khol: Es war eine gute Tradition, bei solchen Fragen ruhig und genau zu überlegen: Wie geht man vor, was hilft unserem Staat, und was ist wirklich? In diesem Falle hieße das, sich gemeinsam noch einmal dieses Gerichtsurteil genau anzuschauen, denn es heißt wahrscheinlich nicht das, was hier gesagt wird, daß es heißt. Das heißt es wahrscheinlich nicht – vielleicht doch. Schauen wir uns das an! Es sind manche Mitglieder dieses Hauses – ich werde sie dann auch zitieren – einer ganz anderen Ansicht. (Abg. Scheibner: Haben Sie die Bilder aus Deutschland gesehen, Herr Kollege?)

Warten Sie! – Kollege Scheibner! Ich würde mich ein bißchen zurückhalten, denn der, der der Ansicht ist, daß das Gerichtsurteil nicht heißt, daß die PKK zu verbieten sei, ist der Abgeordnete Ofner. Also ich würde an Ihrer Stelle ein bißchen mit den Zwischenrufen warten. Ich gebe Ihnen nur den Ratschlag. (Beifall bei der SPÖ. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Zweitens, Kollege Khol, wäre genau zu überlegen ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir müssen ja nicht der Meinung vom Ofner sein!) Daß Sie das nicht sind, weiß ohnehin das ganze Haus. Aber bei anderen ist es in allen Fragen nicht so. (Abg. Haigermoser: Wir sind ja keine Führerpartei!) Selten so gelacht, Herr Kollege.

Die Frage, die sich stellt, Kollege Khol, ist: Was heißt Verbot der PKK rechtlich? Hat sie überhaupt die Struktur in Österreich, ist sie so organisiert, daß sie verboten werden kann? Das alles sind Fragen, die in Ruhe zu besprechen wären – und nicht so, wie es hier geschehen ist.

Was mich stört, ist weiters, daß Kollege Kiss nicht sagt, die Frage ist zu lösen, bevor etwas geschieht, sondern er spricht von – und ich zitiere ihn jetzt wörtlich – "konsequenter Verfolgung kurdischer Aktivisten, auch wenn dann das Klima schärfer wird und sich die Sache radikalisiert".

Ist das der richtige Weg? Ist das die Tradition, auch Ihrer Außenminister, an die Lösung solcher Probleme heranzugehen? In dieser Frage, Kollege Scheibner, gefällt mir – bei weitem nicht in allen Fragen, aber in dieser Frage schon – Kollege Ofner viel besser, der in einem Interview vom 26. März dieses Jahres gesagt hat: "Ich habe seinerzeit nach dem PKK-Verbot in Deutschland auch ein Verbot für Österreich verlangt. Und mittlerweile" – sagte Ofner – "habe ich meinen Standpunkt etwas revidiert. Die PKK stellt in Österreich nur ein marginales Problem im Vergleich zu Deutschland dar. Und solange sie nicht zum Unruheherd wird, könnten wir so weiterleben wie bisher." – So Ofner.

Ich sage nicht, daß ich dem in allem folge, nur glaube ich, daß das, was Kiss vorschlägt, nämlich konsequente Verfolgung, auch wenn dann das Klima schärfer wird und sich die Sache radikalisiert, nicht die Art und Weise ist, wie wir an die Lösung dieses Problems herangehen können.

Es ist notwendig, daß über die Frage in Ruhe gesprochen, daß in Ruhe analysiert wird: Was hilft, was ist am besten auch für unsere Republik selbst? – Aber es ist auch notwendig – ich sage es noch einmal, meine Damen und Herren –, nicht das zu tun, was manche Kräfte in der Türkei gerne hätten: alle Kurden mit radikalen Teilen der PKK gleichzusetzen und so zu erreichen, daß es immer weniger Verbündete für den Freiheitskampf der Kurden und ihr Eintreten für Rechte, die ihnen die Türkei eigentlich durch ihre Mitgliedschaft im Europarat zu garantieren hätte, gibt. Das ist nicht die Art und Weise, wie Österreich in solchen Fragen sonst vorgeht. (Beifall bei der SPÖ.)

13.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Meischberger zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

13.38

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Das Kapitel "Oberste Organe/Bundeskanzleramt" wird traditionellerweise auch dazu verwendet, über Medienpolitik in diesem Land zu debattieren – obwohl gerade diese Bundesregierung absolut nicht bereit ist, wirklich Medienpolitik zu machen.


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Es ist beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit diese Bundesregierung seit 1987 versucht, internationale Entwicklungen in der Medienlandschaft zu ignorieren und einen österreichischen Weg zu gehen, der uns letztlich zu dem macht, was wir heute schon fast sind: nämlich zum Schlußlicht bei der Entwicklung einer zeitgemäßen Medienlandschaft in Europa. Und das ist nicht nur innerhalb der EU unsere Position, sondern bis hin zum Ural sind die politischen Rahmenbedingungen für Medienunternehmungen liberaler als in Österreich. Dort können private Medienmacher in diese Zukunftsbranche investieren und auch wirklich aktiv tätig werden.

In Österreich beschränkt sich die offizielle Medienpolitik dagegen auf drei Säulen, die allesamt mit der Öffnung und mit der Liberalisierung der Medienlandschaft nichts am Hut haben.

Die erste Säule ist die stabile Säule der Medienankündigungspolitik. Bereits im Koalitionsabkommen 1987 – das ist aus heutiger Sicht medienpolitische Steinzeit – steht zu lesen, daß die Koalition die Veränderungen der europäischen Medienlandschaft, die Erhaltung und die Erweiterung der Informations-, Medien- und Meinungsvielfalt zu medienpolitischen Herausforderungen macht. Das bedingt aus Sicht der Bundesregierung 1987 die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Medienproduzenten im Interesse der Wahrung der Identität Österreichs und eines offenen und pluralistischen, demokratischen Gesellschaftssystems.

Es ist – das steht in diesem Koalitionsabkommen 1987 – eine Liberalisierung des Hörfunks und Fernsehens für private Programmanbieter vorzunehmen. (Abg. Haigermoser: Wann war das?) Das war bereits 1987 und auch damals nur eine Ankündigung. (Abg. Haigermoser: Da ist einiges Wasser die Donau hinuntergegangen!) Da ist einiges Wasser hinuntergegangen. 1996, Herr Kollege, ist in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zum Thema Medien folgendes nachzulesen:

Eine der wichtigsten Fragen für unser Land ist, wie wir mit der weiteren Entwicklung der Informationsgesellschaft umgehen werden. Und weiter: Bei Hörfunk und Fernsehen bekennen wir uns deshalb ausdrücklich zum Nebeneinander von privaten und kommerziell orientierten Medien.

Der Unterschied zwischen 1987 und 1996 ist also ausschließlich in der Semantik zu finden. Die vorzunehmende Liberalisierung ist von der damaligen Absicht zum ausdrücklichen Bekenntnis gewichen, und dafür braucht diese Bundesregierung bereits zehn Jahre lang. Wir müssen darauf warten, daß dieses Bekenntnis umgesetzt wird, und wenn dies weitere zehn Jahre dauert, dann wird Österreich endgültig vom Schwellenland zum medienpolitischen Entwicklungsland verkommen.

Wenn wir daran denken – das ist schon die zweite Säule der österreichischen Medienpolitik –, daß die Mediengesetzgebung in diesem Land de facto von den Gerichtshöfen gemacht wird, dann wird die ganze Sache bitter und vor allem für uns, für das Parlament, für den Gesetzgeber, peinlich.

Der Verfassungsgerichtshof kann die Bundesregierung aufgrund der Klage der Tele-1-Privatfernsehgesellschaft nur deswegen nicht zum Handeln auffordern, weil die österreichische Bundesverfassung dem Höchstgericht selbst die Hände bindet. – Und all das, nachdem die Republik Österreich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt wurde! Drei Jahre nachher schreibt der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis, bezogen auf die angesprochene Klage der Tele-1-Privatfernsehgesellschaft, folgendes – und das sollten wir uns als Parlamentarier besonders gut anhören –: Die Besonderheit der hier zu beurteilenden Situation liegt nun zum einen darin, daß das System, demzufolge für die Verbreitung von Hörfunk und Fernsehen eine spezifische bundesgesetzliche Bewilligung oder Ermächtigung vorliegen muß, verfassungsrechtlich grundgelegt und damit einer Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen ist, und zum anderen darin, daß die Unzulässigkeit der Verbreitung von terrestrischem Fernsehen für andere Veranstalter als den ORF auf die Untätigkeit des Gesetzgebers zurückgeht. – Weiters schreibt der Verfassungsgerichtshof: Es


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liegt also kein bloß partielles Unterlassen, sondern eine gänzliche Untätigkeit des Gesetzgebers vor. – Zitatende.

Man muß sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Der Österreichische Verfassungsgerichtshof stellt in Kenntnis des Straßburger Urteils aus dem Jahre 1993 fest, daß ein Beschwerdeführer aufgrund dieses Urteils aus formal-juristischen Gründen nicht in der Lage ist, seine in der Europäischen Menschenrechtskonvention begründeten Rechte voll auszuüben, weil der Gesetzgeber – und das sind wir, meine sehr geehrten Damen und Herren – in Österreich untätig ist, und zwar gänzlich. (Abg. Haigermoser: Die Koalition, nicht wir!) Die Koalitionsabgeordneten sind es vor allem, weil man sich ununterbrochen auf die Vorlagen der Regierung in diesem medienpolitischen Bereich verläßt.

Das heißt aber insgesamt: Wenn ein österreichischer Staatsbürger seine in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschriebenen Rechte in Anspruch nehmen will, muß er zumindest in medienpolitischen Fragen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führen. Das bedeutet zwei Jahre Verfahrensdauer, das bedeutet Kosten von mehr als 1 Million Schilling. Und selbst wenn er dort dann sein Menschenrecht zugesprochen bekommen sollte, heißt das noch lange nicht, daß er dann in Österreich beispielsweise terrestrisches Privatfernsehen betreiben darf.

Denn selbst nach einem derartigen Urteil ist drei Jahre später nicht einmal rudimentär erkennbar, wie dieses Urteil in österreichisches Recht transformiert werden soll. Und der Gesetzgeber ist, wie der Verfassungsgerichtshof festgestellt hat, gänzlich untätig. Es ist ihm auf gut deutsch gesagt egal, was in Straßburg entschieden wurde. Es ist ihm völlig egal, daß in Österreich im Bereich der Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen wurde.

Weniger untätig ist er hingegen, wenn es darum geht, Beschränkungen und Restriktionen unter dem Deckmantel der Liberalisierung einzuführen, wie dies das Regionalradiogesetz zeigt. Es ist dies eine besondere Peinlichkeit, die dieser Bundesregierung und auch diesem Haus passiert ist. Dazu gäbe es sehr vieles zu sagen, aber ich glaube, wir haben noch im Laufe der Behandlung der Reparatur hier im Parlament Gelegenheit, uns ausführlich über diese Dinge zu unterhalten.

Daß bei einer derartigen Geisteshaltung das Steuerungsinstrument Presseförderung in diesem Land nicht in Frage gestellt werden darf, das liegt auf der Hand.

Das ist, glaube ich, die dritte Säule der österreichischen Medienpolitik dieser Bundesregierung, nämlich der Versuch, durch planwirtschaftliche Maßnahmen möglichst große Teile der österreichischen Medienlandschaft direkt oder indirekt unter Kontrolle zu bringen.

Für den Printmediensektor sind allein für 1996 wieder 270 Millionen Schilling an Presseförderung vorgesehen, und das ausschließlich auf Bundesebene. Die Presseförderungen auf Landesebene sind in dieser immensen Summe noch gar nicht berücksichtigt. Wie Beispiele zeigen, wird mit diesen Förderungen eigenartig umgegangen. So zum Beispiel wird der "Standard" gefördert, und man sieht, daß die Förderung wahrscheinlich dazu verwendet wird, jeden Sonntag 75 000 Exemplare zu verschenken, während andere – an der Grenze des Zusperrens werkende – Zeitungen und Zeitschriften nicht unterstützt werden. Erfolgreiche Printprodukte werden durch Anzeigen und die Ankündigungsabgabe bestraft, nur weil man sich einbildet, eine Umwertung durchführen zu müssen.

Es treibt herrliche Blüten – ich bleibe bei dem von mir aufgezeigten Beispiel des "Standard" –: Eine pressegeförderte Zeitung bringt jeden Sonntag 75 000 Exemplare zur Verschenkung, während andere, wie die "Salzburger Nachrichten", zu erfolgreich sind und wegen ein paar 100 000 S mehr an Inserateneinnahmen die Förderung in Millionenhöhe dann nicht mehr bekommen.

In Vorarlberg spielt es sich auch sehr lustig ab. Herr Ruß, Herausgeber der "Vorarlberger Nachrichten", betreibt ein sehr erfolgreiches Blatt, das aufgrund des hohen Anzeigenaufkom


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mens nicht mehr förderungswürdig ist. Er hält sich aber eine zweite Zeitung, nämlich die "Neue Vorarlberger", aufgrund derer er dann zwischen dem erfolgreichen Blatt und jenem Blatt, das er ohneweiters führen kann, weil es wiederum Presseförderung bekommt, tarieren kann. Das sind Dinge, bei denen man heute ganz einfach nicht mehr zuschauen kann.

Daß die kostenlosen Wochenzeitungen von dieser Umverteilung nach wie vor gänzlich ausgeschlossen sind, daß sie nur zahlen dürfen und nicht in den Genuß einer Presseförderung kommen, ist ebenfalls eine Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit (Beifall bei den Freiheitlichen), wobei wahrscheinlich diese kleinen Zeitungen für die machtpolitischen Überlegungen der Regierungsparteien keine Rolle spielen.

Man achtet nur darauf, daß die EU nichts gegen dieses politische Füllhorn hat. Das ist auch deshalb so, weil sich solche Sachen mit der Presseförderung nur in Österreich abspielen. Unser Zeitungsmarkt ist aber derart schwach, daß er im europäischen Wettbewerb ohnehin keine Rolle spielt. Das ist der Grund, warum das politisch motivierte Füllhorn weiterhin über genehme Teile der österreichischen Medienlandschaft ausgießen kann, wobei dann der Erfolg für die Bundesregierung in der Berichterstattung garantiert ist.

Daß man sagt, die Forderung von uns Freiheitlichen nach Abschaffung der Presseförderung sei ein demokratiepolitisch bedenklicher Weg, ist uns schon klar.

Aber das macht nicht nur die Bundesregierung, sondern interessanterweise auch die Journalistengewerkschaft, die sagt: Mit der Abschaffung der Presseförderung würde die österreichische Medienlandschaft den kapitalstarken ausländischen Medienkonzernen ausgeliefert werden – als ob das nicht bereits längst der Fall wäre, unabhängig von dieser Presseförderung!

Wenn man sich die Meinungen aus der heilen Printwelt, also von den von der Presseförderung unabhängigen Zeitungen zu dieser Frage näher betrachtet, sieht man, daß selbst die Betroffenen anders über diese Dinge denken, anders, als es uns die Regierungsparteien immer wieder vorzuspielen versuchen.

In der "Kleinen Zeitung" wurde zu diesem Thema am 24. Jänner dieses Jahres in einem Kommentar geschrieben:

"Es ist zu befürchten, daß das bei jenen Herrschaften, die dafür verantwortlich sind, daß in diesem Land alles, was an Medienpolitik auch nur entfernt erinnern könnte, tunlichst vermieden wird, zu einer eklatanten Fehleinschätzung führt. Diese Politiker, die das Handeln fürchten wie der Teufel das Weihwasser, werden sich denken, daß eh alles so bleiben kann, wie es ist. Man kann ihnen solche Gedanken nicht einmal verübeln. Immerhin lassen sich mit dem Null-Problemo-Schlachtruf heutzutage noch immer Wahlen gewinnen. Sie, die Nicht-Medien-Politiker, liegen dennoch falsch: Irgendwann werden sie doch erkennen müssen, daß man einigermaßen zeitgemäße Wettbewerbsbedingungen auf dem Zeitungsmarkt nicht durch millionenschwere Subventionen ersetzen kann, die vor Wahlen und auch bei anderer Gelegenheit durchaus den Titel "Schweigegeld" vertragen würden." (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Darüber sollte man nachdenken, wenn Zeitungen selbst diese Art der Förderung der österreichischen Presselandschaft als "Schweigegeld" bezeichnen, Schweigegeld von den Regierungsparteien, die für diese Positivbehandlung Hunderte Millionen ausschütten, und denen für die ganze Sache anscheinend nichts zu teuer ist.

Gleichzeitig wird im elektronischen Medienbereich versucht, durch die Einführung einer ORF-Proporz AG das erfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte Österreichs, das Rundfunk-Volksbegehren, außer Kraft zu setzen. 20 Jahre, nachdem Hugo Portisch versucht hat, mit diesem Volksbegehren und dem daraus folgenden Rundfunkgesetz die Unbhängigkeit des ORF sicherzustellen, geht die Bundesregierung den umgekehrten Weg und will den ORF zur Proporz AG umwandeln und ihn damit vollständig unter ihre Kontrolle bringen. – Der ORF als Proporz AG mit einem Aufsichtsrat bestehend aus Vertretern der Bundesregierung und den Landesregierungen.


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Zu einer Zeit, zu der der ORF selbst feststellt, daß er erhebliche Schwierigkeiten haben wird, ausgeglichen zu bilanzieren, versucht diese Bundesregierung, aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk so quasi eine elektronische "Arbeiter-Zeitung", eine elektronische "AZ" zu machen, die trotz aller Presseförderungen mehr oder weniger sanft entschlummert ist und heute niemandem mehr wirklich abgeht.

Bezahlen soll diese Proporz AG der Steuerzahler mittels Beibehaltung der Gebührenhoheit durch den ORF in der heutigen Form, wobei diese Gebührenhoheit nichts anderes als eine Fernsehgerätebenützungssteuer ist. Und die duale österreichische Medienlandschaft wird sich letztlich nicht verhindern lassen, auch von den Herren auf der Regierungsbank nicht. Dieser ORF wird dem Gebührenzahler, dem Steuerzahler, dem Aktionär, dem Besitzer dann überlassen werden, irgendwie wird man das über diesen Weg schon richten können.

Ich möchte aber dazusagen, daß wir Freiheitlichen grundsätzlich nichts gegen die Umwandlung des ORF in eine Aktiengesellschaft haben, die dem ORF neue Geschäftsfelder eröffnen soll, und zwar im Sinne einer Privatisierung und nicht im Sinne einer rot-schwarzen Proporz AG, in der der Eigentümervertreter, sprich der Steuerzahler, dann sämtliche Risken für diese nichtvorhandene, nichtgemachte österreichische Medienpolitik zu tragen hat.

Ich weiß nicht, ob sich schon irgend jemand Gedanken darüber gemacht hat, wie es mit dem ORF in Zukunft finanziell weitergehen soll. Es sind mehrjährige Verluste im operativen Geschäft zu erwarten. In diese Richtung geht leider derzeit die Tendenz. Wir haben einerseits extrem rückläufige Werbeeinnahmen – auch diese Entwicklung ist bedrohlich –, und andererseits ist eine Gebührenerhöhung angesichts der allgemeinen Belastungen, die diese Regierung der Bevölkerung zumutet, nicht möglich.

Wenn wir uns heute anschauen, was sich im europäischen Wettbewerb abspielt, wenn wir sehen, welche Mediengiganten sich um den Markt im deutschsprachigen Raum geradezu raufen, dann muß man wohl davon ausgehen, daß der ORF in dieser aufgeblasenen Form, wie er das derzeit ist, für uns nicht mehr finanzierbar sein wird.

Ich glaube, die Situation der österreichischen Medienlandschaft kann man wie folgt zusammenfassen: Die Medienpolitik im Nationalrat wird absolut auf Null gestellt, man darf über diese Dinge hier auch nicht mehr diskutieren, und man ist nach wie vor auch nicht bereit, einen eigenen Medienausschuß zu installieren, obwohl das sehr wichtig wäre: Die Medienpolitik wird einfach als Anhängsel im Verfassungsausschuß weitergeführt werden. Es wurde der ORF umgestellt auf diese Proporz AG, Öffnung und Liberalisierung finden auf keinen Fall statt, zumindest nicht offiziell betreffend das Land, zumindest nicht offiziell, was jene Bereiche betrifft, die den österreichischen Steuerzahler tangieren.

Hinter den Kulissen der nicht vorhandenen Regierungs-Medienpolitik und der parlamentarischen herrscht trotzdem in den Bereichen der Regierungsparteien hektische Betriebsamkeit. Ich glaube, daß man sehr genau beobachten kann, wie sich SPÖ und ÖVP auf diesen immer größer werdenden Kuchen österreichische Mediengesellschaft und -industrie stürzen werden. Wir stellen fest, daß die SPÖ auch hier schon wieder wesentlich weiter ist als die Volkspartei. In der Volkspartei versucht man derzeit über die Landeselektrizitätsunternehmungen, die sich hauptsächlich im Einflußbereich der ÖVP befinden, ein österreichweites Kabelnetz zu installieren. Man hätte dann in all jenen Bereichen, in denen Stromanschluß vorhanden ist, einen direkten Anschluß für ein Informationsnetz, über das man dann Fernsehen, Teleshopping und so weiter betreiben kann. Es wird im Hintergrund der offiziellen Politik allerhand vorbereitet, aber die SPÖ ist diesbezüglich schon viel weiter.

Wir stellen fest, daß ein Medienkonzern auf die Füße gestellt wird, der alle Bereiche der Kommunikation, angefangen von der Information über die Unterhaltung, von der Werbung bis hin zu Mobiltelefon-Engagements und Telekommunikation, umfaßt. Im Printbereich sind sowohl der "Standard" als auch der "Falter" im finanziellen Einflußbereich der SPÖ gelandet. Hinsichtlich der Wochenzeitungen "News" und "TV-Media" wollen auch hier gleichlautende Gerüchte nicht verstummen. Im Gegenteil: Sie werden immer lauter. Mit der "Kronen Zeitung" und


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mit RTL stehen die Verhandlungen der Bank Austria hinsichtlich der Vermarktung von Werbefenstern in der Folge eines TV-Senders für den Großraum Wien kurz vor dem Abschluß, und nach der Novellierung des Regionalradiogesetzes werden die Privatradios der Bank Austria und der "Kronen Zeitung" gemeinsam auf Sendung gehen.

Ähnlich verhält es sich im Bereich Kabel TV Wien. Und auch im Werbebereich hat die SPÖ-nahe Gewista den Außenwerbungsbereich der Progress-Gruppe bereits übernommen. Auch die größte Werbeagentur Österreichs, die GGK von Hans Schmid, die auch für die Werbung der SPÖ verantwortlich ist, ist eindeutig dem Umfeld der Kanzlerpartei zuzuordnen, so wie die Monatszeitschriften "Wienerin", "Wiener" und "Basta".

Damit ist im Einflußbereich der SPÖ ein für österreichische Verhältnisse parteipolitisch zurechenbarer Kommunikationsriese im Entstehen, womit bewiesen ist, daß sehr wohl Medienpolitik betrieben wird, wenn es um die Machtinteressen der Parteien geht – aber wenn es um die Interessen der Medienunternehmer und der Medienkonsumenten in diesem Land geht, dann versucht man, jede Art von Politik abzuwürgen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unter diesem Gesichtspunkt, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Umwandlung des ORF in eine Proporz-AG eine schlüssige Vorgangsweise, weil dann könnte man mit ORF-Aufsichtsräten aus SPÖ und ÖVP verhindern, daß der ORF für die Parteibereiche eine ernstzunehmende Konkurrenz wird, und die Öffnung und die tatsächliche Liberalisierung des Marktes so steuern, daß es den parteipolitischen Interessen der Regierungsparteien zugute kommt.

Was sich auf dem deutschsprachigen Markt abspielen wird, sieht man, wenn man den Zusammenschluß des Mediengiganten CLT und Bertelsmann in Deutschland beobachtet. Es sind acht Fernsehsender direkt oder indirekt in Betrieb, die auch auf den europäischen oder auf den österreichischen Markt kommen werden. Man hat Umsatzerwartungen im elektronischen Medienbereich in der Höhe von zirka 35 Milliarden Schilling; im Vergleich dazu hat der ORF zirka 9,5 Milliarden Schilling Jahresumsatz. Und im Printmedienbereich sind alleine aus der Gruppe CLT/Ufa 140 Milliarden Schilling Umsatz zu erwarten. – Da beginnt das große "Rittern" zwischen Bertelsmann und Leo Kirch, der auch gewaltige Aktivitäten im Bereich des digitalen Fernsehens entwickelt, der nun mit dem Sender "Pro 7" an die Börse geht und Einnahmen bis zu 10 Milliarden Schilling erwartet, um die "Kriegskasse im Bereich der Eroberung der elektronischen Medienlandschaft" entsprechend zu füllen.

Ich glaube, daß der ORF dadurch automatisch mit ganz gewaltigen Entgängen im Bereich der Werbung, der Fernsehwerbung, zu rechnen hat. Der Rückgang der Fernsehwerbung im ORF alleine im vergangenen Jahr betrug 16,2 Prozent, obwohl das gesamte Werbevolumen insgesamt um nur 0,4 Prozent gesunken ist. Auch im Radiobereich sind minus 6,6 Prozent Werbeeinnahmen beim ORF ein Vorgeschmack auf Zeiten, in denen der ORF in jedem Bundesland einem oder mehreren Privatsendern als Konkurrent gegenüberstehen wird. Ich glaube, daß diesbezüglich dringend Maßnahmen zu setzen sind, die in eine andere Richtung zu weisen haben, als sie derzeit von der Bundesregierung geplant ist.

Ich glaube, als verantwortungsvoller Parlamentarier, auch verantwortlich für die Entwicklung der Medienunternehmer und der Medienkonsumenten, die außerhalb des parteipolitischen Einflußbereiches sind, haben wir uns auch mit dem Kommunikationszeitalter insgesamt zu beschäftigen. Der Begriff "Multimedia" bedeutet mehr als irgendeine Innovation oder ein neues Produkt. Es tun sich Märkte und Möglichkeiten auf, auch für die österreichische Werbewirtschaft und für den österreichischen Handel, den wir nicht übersehen dürfen und für den wir endlich die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen zu erstellen haben.

Multimedia wird eine der größten und wichtigsten Wachstumsbranchen der Zukunft sein. Ich glaube, daß auch diesbezüglich Standortpolitik zu betreiben ist. Computerhersteller, Softwarehäuser, Telekommunikationsunternehmen, Netzbetreiber, Verlage, Fernseh- und Hörfunkveranstalter arbeiten in diesem Bereich auf unterschiedlichste Weise zusammen, erzeugen neue Produkte, erzeugen neue Märkte, erzeugen neue Chancen und sind auch auf der Suche nach attraktiven Standorten. – Österreich könnte ein solcher sein.


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Der Beitrag unserer Bundesregierung dazu ist ein ganz anderer: Durch fehlende Rahmenbedingungen wandern die wenigen Produzenten aus diesem Bereich aus Österreich noch ab, wie das Beispiel Siemens zeigt. Es wird Standortgefährdung anstelle von Standortsicherung betrieben. Das ist der Beitrag der Bundesregierung zum Multimedia-Zeitalter der Zukunft! Ich glaube, in Japan oder in Amerika kann man sich andere Dinge abschauen. In Japan gibt es einen nationalen Plan für das Multimedia-Zeitalter mit einem Zeithorizont bis nach dem Jahr 2010, und in den Vereinigten Staaten gibt es die Clinton-Gore-Initiative, die gewaltige wirtschaftliche Ressourcen mobilisieren kann. Währenddessen findet bei uns nur eine derartige Verhinderungspolitik statt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Meisinger zeigt dem Redner eine rote Karte. – Abg. Dr. Fuhrmann: Schauen Sie rauf zu Ihrem Kollegen!) – Ich weiß schon, man hat nur leider so selten die Gelegenheit, medienpolitisch zu debattieren, Herr Kollege, daß man ein bißchen aus der Zeitdisziplin ausbrechen muß.

Aus Sicht von uns Freiheitlichen sind folgende Schritte für die Zukunft der Medienpolitik in unserem Land dringend notwendig: Es ist Aufgabe des Staates, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß durch die Abschaffung des Rundfunkmonopols dauerhaft tatsächlicher Wettbewerb in unserem Land durchgeführt werden kann, daß sich in allen medialen Bereichen eine Vielfalt von Leistungen und Anbietern etablieren kann und daß die gesellschaftliche Grundversorgung und damit die allgemeine Teilhabe an den Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechniken langfristig gesichert bleiben.

Folgende Schritte müßten aus unserer Sicht gegangen werden: Da ist einmal die Privatisierung der Post so, daß sie wirtschaftlich im europäischen Wettbewerb überleben kann, und im Zuge der Privatisierung der Post die Gründung einer österreichischen Telekom. Man sollte dann die Besitzrechte der Sendeanlagen des ORF in diese Telekom überführen, damit sie von anderen Medienbetreibern und -unternehmern auch mitbenutzt und mitgepachtet – natürlich gegen Entgelt – werden können.

Wir müssen noch im Jahre 1996 hier im Hause dringend die Einführung des dualen Systems privater und öffentlich-rechtlicher Anbieter im elektronischen Medienbereich schaffen. Man sollte auch heuer noch diskutieren über die Privatisierung von "ORF 1" als Aktiengesellschaft, über die Öffnung aller zur Verfügung stehenden Frequenzen für das Privatfernsehen, auch was das österreichweite Privatradio betrifft, und man müßte das Regionalradio "reparieren", und zwar die Senderaufteilung nicht nach Bundesländern durchführen, sondern nach den möglichen Sendereichweiten, und die Sendefrequenzen versteigern, um schon in der Vergabe einen Wettbewerb zuzulassen.

Was die Finanzierung des ORF betrifft, so kann man sagen, es wäre ein Wegfall der Gebührenhoheit in der derzeitigen Form dringend notwendig, ebenso wie die Einführung eines Pay TV- oder Perview Pay-Systems, Werbeentgelte, die Befreiung der Anzeigen- und Ankündigungsabgabe, die Förderung für Auftragssendungen der öffentlichen Hand im Bereich von Bildung und Kultur, ein neuer Frequenznutzungsplan, bei dem der Minderheitenschutz nicht zu kurz kommen soll – also es soll eine Entparteiisierung der Medienpolitik insgesamt geben.

Was die Presseförderung betrifft, so muß man sagen, es sind Ressourcen freizumachen, es sind notwendig die Abschaffung der Presseförderung in der derzeitigen Form und die Umschichtung der Mittel in strukturverbessernde Maßnahmen wie Förderung von Vertriebsgenossenschaften. Solche wären in Österreich dringend notwendig. Weiters soll es die zusätzliche Förderung der Journalistenausbildung unter Einschluß von universitären Initiativen und Lehrredaktionen sowie zinsbegünstigte Darlehen für Neugründungen und Neupositionierung von Printmedien im Lande und vor allem, wie schon gesagt, die Abschaffung der Anzeigen- und Ankündigungsabgabe geben.

Folgendes wäre vor allem für dieses Haus wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren: die Einsetzung eines Medienausschusses im Parlament – mit den Zielsetzungen der Liberalisierung der österreichischen Medienlandschaft und der Schaffung der Grundlagen für den Kommunikationsstandort Österreich inklusive der dazu erforderlichen technischen, wirtschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen.


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Nur wenn auch hier im Hohen Haus das Selbstbewußtsein vorhanden ist, der Bundesregierung die Medienpolitik aus der Hand zu nehmen und selbst tätig zu werden – eine Initiative dafür wäre eben die Einsetzung eines medienpolitischen Ausschusses –, wird es uns gelingen, Österreich noch rechtzeitig halbwegs darauf vorbereiten zu können, was in naher Zukunft in der Entwicklung der Medienpolitik auf uns zukommt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nun der Herr Bundeskanzler. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

14.10

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Beginn der Budgetverhandlungen für 1996/1997 gibt mir die Gelegenheit, noch einmal die grundsätzlichen budget-, wirtschafts-, finanz- und strukturpolitischen Absichten der Bundesregierung darzulegen.

In den Budgets, die wir Ihnen vorlegen, meine Damen und Herren, legen wir größten Wert darauf, daß nicht nur der notwendige Budgetkonsolidierungserfolg erzielt wird, sondern daß wir parallel, gleichzeitig und gleichgewichtig dazu alles in unseren Möglichkeiten Stehende tun, um eine offensive Beschäftigungs-, Struktur- und Sozialpolitik für die Zukunft in unserem Lande betreiben zu können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir entsprechen damit gleichzeitig dem europäischen Ziel, nämlich im Rahmen der Europäischen Union eine gemeinsame europäische Währung zu schaffen und – ebenfalls auf europäischer Ebene – gemeinsam Beschäftigungs- und Strukturpolitik betreiben zu können.

Es ist diese Vielschichtigkeit ganz besonders wichtig, weil uns als nationaler Regierung und als nationalem Gesetzgeber die autonome Verantwortung für unsere Geschicke niemand abnimmt, weil wir aber auch der gelegentlich vorgebrachten Unterstellung entgegentreten müssen, diese Verantwortung nach Brüssel zu delegieren. Wir tun das nicht – wir wollen es nicht, wir dürften es auch gar nicht, wir möchten allerdings die Möglichkeiten der europäischen Dimension, der europäischen Kooperation zusätzlich nutzen, und das wird in einem Zeitalter, in dem die weltweite Konkurrenz und der weltweite Wettbewerb auch Arbeitsplätze in Österreich nicht mehr so selbstverständlich sicher macht, wie das vor fünf oder zehn Jahren noch der Fall gewesen sein mag, notwendig sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir gehören, Hohes Haus, zu den Ländern, die als erste in der Europäischen Union diese Notwendigkeiten erkannt haben. Wir – die beiden Regierungsparteien gemeinsam – haben daher rechtzeitig Maßnahmen ausgearbeitet. Während anderswo schwungvoll von "Bündnis für Arbeit" gesprochen wird, haben wir de facto und pragmatisch das Programm "Arbeit für die Zukunft" in die Wege geleitet. Wir haben diese Grundsätze in die Leitlinien der Bundesregierung als Vorbereitung unseres Beitrages zur intergouvernementalen Konferenz der Europäischen Union aufgenommen, und es haben diese Grundsätze Eingang gefunden in das Mandat für die Außenminister zur Bestreitung der Regierungskonferenz.

Wir reden nicht einem Wirtschaftsprogramm das Wort, welches sich noch auf Deficit-spending stützen und verlassen kann. Wir haben neue Finanzierungsmodelle entwickelt, etwa im Schließen der Autobahnlücken, etwa im Erstellen der Hochleistungsstrecken für die Österreichischen Bundesbahnen oder etwa für die Telekommunikation. Wir haben, meine Damen und Herren, ein zusätzliches Programm für Investitionen in die österreichischen Umwelterfordernisse ausgearbeitet und vorgelegt; das macht allein im Kalenderjahr 1996 1 Milliarde Schilling zusätzlich für die Wasserwirtschaft aus und 1 Milliarde zusätzlich für die Zeit 1996/1997 für die Altlastensanierung. Und es sind im Wert von 800 Millionen Schilling fixe Zweckbindungen der Energiesteuereinnahmen für Investitionen im Fernwärme-, im Umweltbereich und bei den energiesparenden Maßnahmen vereinbart worden.

Wir haben zusätzlich aus den Privatisierungserlösen für Forschung und Entwicklung und Zukunftsprojekte die sogenannte Technologie-Milliarde für den Fonds für Innovation und Technologie zur Verfügung gestellt. Wir haben, meine Damen und Herren – politische Gespräche sind


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schon anberaumt –, vereinbart, daß das große und wichtige Thema Lehrlingsausbildung, Facharbeiterausbildung parallel zu neuen Überlegungen und neuen Wegen in der Liberalisierung der Gewerbeordnung auf Regierungsebene und Sozialpartnerebene vorbereitet wird. Diesbezügliche Bearbeitungstermine sind schon festgesetzt worden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es wird zurzeit ein wichtiges, großes, neues österreichisches Modell der Arbeitszeitregelung verhandelt – und ich hoffe endverhandelt, und zwar in der Bauwirtschaft und im Baugewerbe ein Modell der Jahresarbeitszeit, welches dazu dienen soll, die Arbeit in der Bauwirtschaft über das Jahr besser zu verteilen, welches aber auch dazu dienen soll, die Budgets des Arbeitsmarktservices zu entlasten, und welches dazu dienen soll, die Kapazitäten unserer Bauwirtschaft gleichmäßiger aufzuteilen, als das bisher der Fall ist.

Ich füge hinzu, meine Damen und Herren, daß es dazu wichtiger sozialpartnerschaftlicher Beiträge bedarf, und zwar auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite, denn wir können neue und künftige Arbeitszeitmodelle nicht bloß so verstehen, daß die Arbeitnehmer auf Überstundenzuschläge und auf Einkommensteile verzichten und die Arbeitgeber einfach ihre Erträge aus ihrem Geschäft zurückschrauben, nur um dem Motto, das heute modern ist, gerecht zu werden, nämlich durch Zurückschrauben der Einkommen Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir das tun, dann würden wir in Wirklichkeit einer Abwertungsspirale unseres Lebensstandards das Wort reden, und wir könnten niemals einen Wettlauf mit lateinamerikanischen, südostasiatischen oder ostasiatischen Konkurrenten gewinnen, allerdings – ich sage das sehr bewußt – auf der Arbeitgeber- wie auf der Arbeitnehmerseite.

Die Voraussetzungen dafür sind nicht schlecht, denn wir müssen nicht nur die zurückgenommenen Prognosen in den Wirtschaftsberichten lesen, sondern auch den Umstand berücksichtigen, daß wir zurzeit eine historisch geringe Teuerungsrate in Österreich haben, daß wir zurzeit ein sehr niedriges Zinsniveau für Investitionen haben, daß wir zurzeit aufgrund vieler Programme, die in der Wirtschaft auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zur Kostenreduzierung vereinbart werden, zusätzliche Wettbewerbsfähigkeit einbringen.

Es ist an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, daß sich – oft unbeachtet von einer breiteren Öffentlichkeit – Firmeninhaber, Arbeitgeber und Betriebsräte darauf geeinigt haben, wenn vorübergehend der Geschäftsgang, die Geschäftstätigkeit nicht so zufriedenstellend verläuft, wie das früher der Fall war, bei den eigenen Kosten – Personalkosten und anderen – zurückzustecken. Die österreichische Wirtschaft – sowohl auf der Arbeitgeber- als auf der Arbeitnehmerseite – ist sich sehr wohl dessen bewußt, welche Aufgabe sie vor sich hat; und – ich sage es noch einmal – das ist keine Angelegenheit, die Schlagzeilen füllt, aber hier haben wir bald ein sehr gutes, pragmatisches, praktisches Modell der Arbeitssicherung für die Zukunft. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Uns bewegt in diesen Tagen und in diesen Wochen – ich habe dafür sehr viel Verständnis angesichts dieser schwierigen politischen Arbeit, die wir zu bewältigen haben, auch angesichts des Zeitdrucks, unter dem diese Arbeit steht – das Verhältnis der Bundesregierung zum Hohen Haus, also das Prinzip der Gewaltentrennung. Das Prinzip der Gewaltentrennung, wie es heute am Rednerpult schon gesagt wurde, ist ein Instrument gegen den Machtmißbrauch.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen namens der Bundesregierung sagen, daß wir uns im Zeichen einer auch weiterhin gedeihlichen und guten Zusammenarbeit mit dem Hohen Haus dieser Thematik und Problematik bewußt sind. Ich muß aber im Namen der Arbeit, die wir zu erledigen haben, bei Ihnen um Verständnis dafür werben, daß wir diese Vorgangsweise einschlagen mußten – nicht nur, weil wir an sich unter Zeitdruck stehen, und zwar unter einem Zeitdruck, den uns teilweise auch die Bundesverfassung vorschreibt, sondern auch, weil es um die Plausibilität der Maßnahmen geht – die Plausibilität gewinnt nicht durch zeitliches Hinausschieben –, weil es um die Zügigkeit der Umsetzung geht, und weil das, was wir hier finanzpolitisch und strukturpolitisch entscheiden, auch Auswirkungen auf externe Systeme und wieder


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Rückwirkungen auf uns hat – das heißt Auswirkungen auf die Devisenmärkte, Auswirkungen auf das Wirtschaftsklima und Auswirkungen auf das Investitionsklima.

Wir haben gerade in all diesen Bereichen positive Zensuren erreicht, und zwar sowohl für das Erstellen des Pakets als auch für die Umsetzung des Pakets. Aber, meine Damen und Herren, da heute schon Abgeordnete gemeint haben und das auch früher schon zum Ausdruck gebracht haben, daß es eben nicht darum gehe, in wenigen Tagen große Aktenberge durchzuarbeiten, sondern daß es auch um prinzipielle Fragen gehe: Sie haben mich auf Ihrer Seite, diese prinzipiellen Fragen mit Ihnen zu diskutieren und für künftige Fälle auch zu anderen Methoden zu schreiten. Ich bitte nur, auch zu berücksichtigen, daß die Bundesregierung zu dieser Vorgangsweise auch keine plausiblen und keine tauglichen Alternativen hatte.

Das heißt, es ist schon richtig, wenn hier die Frage angesprochen wurde: Wie geht es mit unserer Demokratie in der Zukunft weiter? Wie gehen wir um mit der politischen Kultur, wie gehen wir miteinander um als Ausdruck der politischen Kultur? Erlauben Sie mir, nur einige wenige Anmerkungen dazu zu machen. Wir werden sicherlich gerade auf diesem Gebiet auch in den nächsten Wochen und Monaten sehr stark geprüft und herausgefordert werden. Es sind sich so ziemlich alle einig darüber, daß es bei den verschiedenen Bewilligungsverfahren, bei behördlichen Bewilligungs- und Genehmigungsverfahren oder bei Verfahren des Zugangs zum Selbständigwerden, zur Firmengründung, zur Unternehmensgründung zahlreiche Zugangsbeschränkungen gibt, und zwar sind diese Zugangsbeschränkungen sowohl bundes- als auch landes- beziehungsweise gemeindebehördlich gegeben; desgleichen gibt es auch auf Kammerebene bestimmte Zugangsbeschränkungen.

Es wird nicht genügen, meine Damen und Herren, hier eine politische Entscheidung zu fällen und zu sagen, so wird es dann sein, denn alle diese Verfahren beruhen auf gesetzlichen Vorschriften. Das heißt, daß wir uns in die gesetzlichen Vorschriften hineinbegeben müssen, um für die Investoren, für die Firmengründer, für die jungen Leute, die sich selbständig machen wollen et cetera, erleichterte Bedingungen zu schaffen. Und wir werden in diesem dreistufigen Aufbau dann natürlich sehr rasch an einem Punkt anlangen, wo wir abgleichen müssen, welche Rechtsgüter durch die Vereinfachung gestärkt und welche Rechtsgüter und ob Rechtsgüter durch die Vereinfachung allenfalls geschwächt oder beseitigt werden. – Zutiefst politische Auseinandersetzungen also, die wir zu führen haben werden.

Ich sage aber gleichzeitig – auch pro Bundesregierung und pro Regierungsfraktionen –, daß, meine Damen und Herren, etwa unsere Regelungen in EU-Angelegenheiten und die Möglichkeiten und die Potentiale etwa des Hauptausschusses des Nationalrates in der fortgeschrittenen Art mit keinem einzigen EU-Land zu vergleichen sind. Anders ausgedrückt: Die Parlamente sind in keinem anderen der 14 EU-Länder so nahe an der Bundesregierung, an den Entscheidungen dran und auch an den Handlungsspielräumen, die unsere Minister bei wichtigen Verhandlungen im Rahmen der Europäischen Union führen. Ich bitte, uns das nicht als Gegenrechnung, aber doch auch zugute zu halten.

Ich nenne noch ein anderes Beispiel: Wir sind zurzeit angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung, aber auch angesichts anderer Begebenheiten mit sehr vielen Klagen – wahrscheinlich berechtigten Klagen – über Unzulänglichkeiten im österreichischen Insolvenzrecht konfrontiert. Das heißt mit anderen Worten: Wir haben zurzeit ein Insolvenzrecht, welches – etwas vereinfacht formuliert – die Weiterführung von in Schwierigkeiten geratenen Unternehmungen erschwert. Die Anmelde- und Voranmeldefristen, innerhalb derer Sanierungsprogramme verabschiedet werden können, werden als zu kurz erachtet; die Vorrechte der Gläubiger werden kritisch hinterfragt und so weiter.

Wir haben uns daher vorgenommen – der Herr Justizminister arbeitet schon sehr konkret an diesem Vorhaben –, das österreichische Insolvenzrecht zu novellieren. Nun sind aber die Expertenmeinungen, in welche Richtung das novelliert werden soll, sehr, sehr unterschiedlich, sehr, sehr divergent. Wir haben heute eine Aussprache darüber gehabt, und der Herr Justizminister vertritt die Auffassung – und ich meine, daß er damit recht hat –, daß vor dem Herbst, vor dem Spätherbst dieses Jahres die Begutachtung über die Novellierung des Insolvenzrechtes


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nicht eröffnet werden wird, aber nicht, weil es so umständlich ist, sondern weil die eingebrachten Meinungen dazu so divergent sind.

Wir haben daher ein sehr konkretes Problem, das wir zu lösen haben: auf der einen Seite die Rechtssicherheit und auf der anderen Seite den Zeitdruck, um sehr bald Änderungen herbeizuführen, um in Schwierigkeiten geratene Unternehmungen aus dem Insolvenzrecht heraus nicht zu behindern.

Meine Damen und Herren! Es ist heute auch Gelegenheit, eine Anmerkung über die Einstellung der Bundesregierung zum Rechtsschutz der Staatsbürger zu machen. Es ist das vorliegende Strukturanpassungsgesetz ja ein riesiges Gesetzeswerk, mit dem fast 100 Gesetze geändert worden sind, darunter auch Verfassungsbestimmungen. Nun wird gesagt, es muß um den Rechtsschutz des Bürgers gehen. Es ist von uns, von der Bundesregierung, geplant, die Verwaltungsgerichtsbarkeit und ihr ordnungsgemäßes Funktionieren so sicherzustellen, daß zur Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes Landesverwaltungsgerichtshöfe eingerichtet werden. Das kann sicherlich nicht von heute auf morgen geschehen, soll aber geschehen, um den Rechtsschutz weiter zu festigen. Außerdem arbeiten wir am sehr umfangreichen Werk einer Neukodifikation der österreichischen Bundesverfassung. Sie soll unsere Verfassungsordnung – ein gängiger Ruf – transparenter machen, zur Überschaubarkeit beitragen und dem Bürger eine einheitliche Urkunde der Verfassung zur Verfügung stellen.

Meine Damen und Herren! Das ist ein ganz ambitioniertes Vorhaben, welches wir mit dem Hohen Haus in Angriff nehmen werden, und es gibt kaum ein anderes europäisches Land, welches sich einer solchen Arbeit unterzogen hat, zuletzt die Schweiz; wie ich höre, in einer zehnjährigen Periode, aber sie ist immer noch nicht zu Ende damit. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt also, diese Bundesregierung gibt sich nicht, wie gesagt wurde, dem schlampigen Umgang mit dem Rechtsstaat hin, sondern hat sich hier eine sehr hohe Latte gelegt, sie hat sich ein sehr ambitioniertes Vorhaben zum Ziel gesetzt.

Zum Thema Sicherheit, meine Damen und Herren: Die österreichische Bundesregierung vertritt seit etlichen Jahren schon den Ansatz eines erweiterten, eines umfassenden Sicherheitsbegriffs – und nicht den Begriff der bloß eng definierten militärischen Sicherheit. Es ist der Kampf gegen Umweltgefahren und insbesondere Gefahren von organisierter Kriminalität, AKW-Unfälle, Schieberbanden, mafiose Praktiken, Schutzgeldeintreiber et cetera mindestens so wichtig wie die Erreichung angeblich großer militärischer sicherheitspolitischer Ziele.

Ich erinnere auch daran, daß Österreich die Änderung der atomfreundlichen Passagen im Euratom-Vertrag als Thema für die Regierungskonferenz angemeldet hat, und wir haben alle diese Einstellungen und Grundsätze in unserem Leitantrag, in unserem Leitlinienpapier zur intergouvernementalen Konferenz eingebracht.

Meine Damen und Herren! Zur Kurden-Politik allgemein; es wird ja heute noch sehr viel Gelegenheit sein, darüber zu reden und zu diskutieren. Wir verfolgen seit Jahren in Österreich eine Linie, die uns im Land Sicherheit und die uns international Anerkennung gebracht hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese grundsätzliche Linie besteht darin, Volksgruppen, die in ihrem Land verfolgt werden, die Möglichkeit einzuräumen, für eine friedliche politische Lösung von Konflikten einzutreten. Das gilt auch für die Volksgruppe der Kurden. Gleichzeitig haben wir aber niemals akzeptiert, daß Bürgerkriege nach Österreich getragen werden. (Abg. Dr. Haider : Aber jetzt schießen sie aufeinander!) Und das ist meines Erachtens der springende Punkt. Deshalb werden die Aktivitäten dieser Gruppen von den Sicherheitsbehörden genauestens beobachtet und – wie Abgeordneter Schieder und Abgeordneter Kostelka heute schon gesagt haben – bei Verlassen des Rechtsstaats und der Gewaltfreiheit mit allen zu Gebote stehenden Mitteln verfolgt. Gerade das Urteil gegen die kurdischen Aktivisten zeigt, daß dies auch mit Erfolg geschieht.

Im übrigen sind wir hier im Gegensatz zu einigen Ländern Europas und in Übereinstimmung mit anderen Ländern Europas. ERNK-Büros gibt es nämlich nicht nur in Österreich, sondern in


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Belgien, in Spanien, in Dänemark, in Griechenland, in Italien, in Norwegen, in Finnland und in Schweden. Also so schlecht ist die da von uns vertretene Linie wohl nicht.

Meine Damen und Herren! Wir hatten uns auch der Frage der Versicherungspflicht für Werkverträge im Medienbereich zu widmen. Es wurde hier kritisch vermerkt, daß wir einem sogenannten Zeitungszaren – ich glaube, das war das Wort – Unterstützung angedeihen ließen. Es ist der Zeitungsherausgeberverband, also alle, an mich herangetreten, unter anderem die Vertriebsmitarbeiter von Tages- und Wochenzeitungen, die auf der Basis von Werkverträgen beschäftigt werden, von der Sozialversicherungspflicht auszunehmen. Und mit dem Beschluß, den das Hohe Haus vorige Woche gefaßt hat, ist diesem Wunsch Rechnung getragen worden. Wir leisten damit eine Unterstützung für alle Tageszeitungen und alle Wochenzeitungen, die man am Kiosk kaufen kann. Wenn man sich zur Vielfalt der Meinung in den Printmedien bekennt, dann wird man sich auch dazu bekennen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich komme nun zum Erkenntnis, zum Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall des Informationsvereins Lentia. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im November 1993 ausgesprochen, daß das Sendemonopol des ORF als stärkster Eingriff in die gemäß Artikel 10 der Menschenrechtskonvention garantierte Meinungsfreiheit konventionswidrig sei.

In der Zwischenzeit ist das Regionalradiogesetz von diesem Hohen Haus erlassen und in Kraft gesetzt worden. Wie Sie wissen, sind auch schon zwei private Programmveranstalter in den Bundesländern Steiermark und Salzburg auf Sendung gegangen, und es sind deshalb nicht mehr, weil der Verfassungsgerichtshof § 2 des Regionalradiogesetzes und acht Sendelizenzen aufgehoben hat. Damit kann man jedenfalls im Bereich des Hörfunks davon ausgehen, daß ein konventionskonformer Zustand hergestellt wird. Die Reparatur ist ja bereits in Vorbereitung.

Im Bereich des Fernsehens wird an einer gesetzlichen Regelung gearbeitet, und die beiden Regierungsparteien haben vereinbart, diese Neuregelung heuer dem Hohen Haus zur Beschlußfassung vorzulegen.

Herr Abgeordneter Meischberger hat hier in beredten Worten beklagt, daß er zuwenig Information über diese ganze Materie der künftigen Gestaltung des Medienwesens habe. Ich kann nach seiner Wortmeldung hier nur sagen. Er hat nicht nur zuwenig Information, er kann überhaupt keine haben, denn dieses Feuerwerk an Unsinn, welches hier abgebrannt wurde, ist wirklich bemerkenswert. (Abg. Scheibner: Das ist Polemik von der Regierungsbank!) Vielleicht können wir darüber diskutieren, nachdem Sie das, was Sie hier vorgetragen haben, vielleicht einmal alphabetisch reihen, damit man einmal weiß, wovon Sie hier gesprochen haben; von RTL, Bank Austria und vielem anderen mehr. (Beifall bei der SPÖ.)

Im übrigen ist heute von Herrn Dr. Haider hier wieder einmal die Spitze der Absurditäten erreicht worden, indem er von ununterbrochenen Einflußnahmen meinerseits auf den ORF gesprochen hat, wahrscheinlich nach dem Motto: Irgend etwas wird schon hängenbleiben. Wenn Sie gemeint haben, daß bei einer gewissen "Pressestunde" dieser oder jener Journalist dabei war oder nicht dabei war, so stelle ich einmal fest, daß es jedem – Ihnen und mir und jedem anderen – offensteht, an einer "Pressestunde" teilzunehmen oder nicht teilzunehmen. Der ORF ist keine gerichtliche oder polizeiliche Institution, die einen Politiker zur "Pressestunde" vorladen oder zitieren kann. (Abg. Dr. Haider: Die suchen es sich aus!)

Außerdem ist es bemerkenswert, daß Sie Ihre Einstellung zum ORF, dessen Anwalt ich nicht bin, so drehen und wenden, wie Sie es gerade brauchen. (Abg. Dr. Haider: Wieso?) Einmal verteidigen Sie seine Stellung – in dem Angriff auf mich haben Sie gesagt, der arme ORF werde von dem bösen Vranitzky drangsaliert (Abg. Dr. Haider: Das stimmt ja auch!) –, auf der anderen Seite aber wollen Sie ihn am liebsten, so wie er ist, abschaffen. (Abg. Dr. Haider: Das Monopol des ORF! Das müssen Sie verstehen!) Und die rührendste Lächerlichkeit ist Ihnen heute passiert mit Ihrem weinerlichen Lamento über den "Kaisermühlen Blues". Das ist doch so etwas von lächerlich! Nächstes Mal werden Sie Hofmannsthal vorwerfen, daß beim Jedermann der


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gute Gesell nicht bei den FPÖlern ist und der dicke Vetter einen blauen Schal hat oder so irgend etwas. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Ha, ha! Sehr lustig!)

Herr Dr. Haider! Jede dieser Sendungen wird von Autoren, von Komponisten, von Regisseuren, von Schauspielern gemacht. Wenn Sie sich hier im Hohen Haus herstellen und sagen, daß irgend jemand darüber Zensur üben soll, welche Filme dort gedreht, welche Texte geschrieben, welche Lieder gesungen werden sollen, dann sind Sie immer noch auf der Linie Ihrer blauen Plakate, auf denen Sie Kunstschaffende, auf denen Sie freie Menschen in Österreich namentlich denunziert haben. So ist die Wahl auch ausgegangen. (Beifall bei der SPÖ.) So ist die Wahl auch ausgegangen, denn in einem Land, in dem es jemandem, der in der Politik Einfluß hat, auch in Zukunft möglich wäre, rechtens Leute auf Plakaten namentlich zu denunzieren, will die Mehrheit der Österreich nicht leben. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber natürlich sind Sie dann wieder ernst geworden und haben mir vorgeworfen, daß ich auf einem Sportplatz war und eine Semmel gegessen habe und dazu keine Zuständigkeit hatte. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Nach Bundesverfassung und nach Bundesministeriengesetz nicht – aber nach dem Recht eines freien Menschen, auf den Sportplatz zu gehen und eine Semmel zu essen! Und dann haben Sie von der DDR gesprochen. Sogar in der DDR haben die Leute Semmeln essen dürfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Im übrigen, meine Damen und Herren, funktioniert die Presseförderung in Österreich nicht so, daß der Bundeskanzler aus einer Schatulle großzügig Geld an Zeitungen verteilt, die ihm genehm sind, und an andere, die ihm nicht genehm sind, nicht, sondern – vielleicht muß man das manchmal wiederholen – die Presseförderung basiert auf einem Gesetz, auf einem Gesetz, welches ja nicht anderswo gemacht wurde als hier im Hohen Haus, und zwar 1985. Und in diesem Gesetz ist festgehalten, daß über die eingelangten Anträge auf Förderungen durch Tages- und Wochenzeitungen eine eigene Kommission, nämlich die Presseförderungskommission, entscheidet. Diese Presseförderungskommission besteht aus vier Vertretern der Sozialpartner – zwei Gewerkschafter, zwei Herausgeber –, dann einer Vertreterin des Presseclubs Concordia und einem Vertreter des Bundeskanzleramtes – einem! –, und alle sechs wählen sich ein siebentes Mitglied der Kommission als Vorsitzenden.

Die Kommission erarbeitet einen Bericht über die Förderungswürdigkeit der verschiedenen Druckwerke. Dieser Förderungsbericht wird von der österreichischen Bundesregierung aufgenommen und, wenn sie ihn für richtig und für gut hält, zum Beschluß erhoben. Das ist dann die Presseförderung.

Die österreichische Bundesregierung hat noch nie einen Bericht dieser Prüfungskommission verändert, abgelehnt oder zurückgewiesen. Das sind die Tatsachen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie bauen auch – Sie haben das schon oft getan, und man könnte eigentlich zur Tagesordnung übergehen; es ist aber doch so prekär, daß ich noch einmal darauf eingehe – Ihre politischen Argumentationen immer wieder darauf auf, daß etwa in der Kulturpolitik der zuständige Bundesminister zuläßt, daß im Burgtheater Gedenkfeiern für RAF-Terroristen abgehalten werden.

Meine Damen und Herren! Das ist nicht nur schlicht unwahr, sondern es wäre auch ein verhängnisvolles Element unserer Demokratie, würden wir das einfach unwidersprochen lassen. (Abg. Mag. Stadler: Das war im Akademietheater!) Herr Dr. Haider! Ihre Freiheit scheint dort zu enden, wo sie Ihnen nicht genehm ist, und daher greifen Sie zu solchen Methoden und zu solchen Mitteln. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Gehört das Akademietheater nicht mehr zum Burgtheater?)

Und im übrigen, damit ich es zurechtrücke – und ich hoffe, Ihnen mit dieser Information zu dienen: Eine RAF-Gedenkfeier war nicht geplant und ist auch nicht geplant. Das steht auf keinem Programmpunkt des österreichischen Burgtheaters. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Keine Polemik von der Regierungsbank!)


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Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir werden in den nächsten Tagen Gespräche auf Ebene der Bundesregierung mit den Rektoren, Professoren und Assistentenvertretern an den österreichischen Universitäten aufnehmen, und es wird dabei nicht darum gehen, mit ihnen das Konsolidierungspaket zu diskutieren – das ist beschlossene Sache –, es wird aber darum gehen, daß die österreichische Bundesregierung und die Vertreter der österreichischen Universitäten einen neuen Zugang zueinander eröffnen, zu dem es offensichtlich in den vergangenen Jahren nicht oder nur unzulänglich gekommen ist. Mir geht es dabei darum, daß wir unser Universitätsleben, das Forschen, das Lehren nicht bloß zu einer Technik erklären, sondern zu einem wesentlichen Bestandteil der immateriellen Güter unserer Gesellschaft. Wir werden uns in der österreichischen Bundesregierung der größten Mühe unterziehen, diesen Dialog, der natürlich ein tiefgehender und ein weitreichender sein muß, zu führen und zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage aber gleich, daß dieser Dialog zweckmäßigerweise nicht auf die Frage Einführung von Studiengebühren: ja oder nein? verengt werden kann. Das ist überhaupt kein qualitativer Ansatz für künftige Hochschulpolitik. Wenn man über Finanzierungsfragen spricht, dann möge man eben darüber sprechen. Aber das Geld darf nicht eine Methode der Zugangsbeschränkung für Studenten an die österreichischen Universitäten sein. Daher kann das nur ein Aspekt sein, der für die Zukunft sorgsam geprüft wird.

Aber wer glaubt, mit der schlagartigen Einführung von Studiengebühren, die ich nach wie vor, weil es kein Äquivalent gibt, ablehne, sei die Hochschulproblematik zu lösen, irrt. Es werden diese Gespräche auch nicht so geführt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in einer parlamentarischen Plenardiskussion auch geboten und mir ein Anliegen, Ihnen, vor allem Ihnen von den Regierungsfraktionen, weil ich in Ihr Abstimmungsverhalten gewisse Erwartungen setze (Abg. Haigermoser: Ich möchte auch dabei sein! – Abg. Koppler: Rechnungshofpräsident!) , dafür zu danken, daß Sie sich mit uns dieser schwierigen Arbeit unter großem Zeitdruck unterzogen haben.

Meine Damen und Herren! Wir haben damit eine Arbeit geleistet, die uns bei unserem künftigen politischen Handeln, bei unseren künftigen politischen Aktivitäten zur Gestaltung der Zukunft unseres Landes einen gewissen Ellbogenspielraum geben wird. (Abg. Haigermoser: Ellbogen ist gut! – Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Herr Haselsteiner, Sie können es ja auch anders bezeichnen. Ich kann Ihnen nur sagen, ich habe am Bau gearbeitet, und da ist es ganz gut, wenn man, wenn man etwas Schweres hebt, die Ellbogen zur Seite geben kann, sonst kann man es nämlich nicht heben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden diese umfangreiche Arbeit – ich habe Ihnen heute einige Beispiele genannt – mit Ihnen, meine Damen und Herren, sehr ausführlich und sehr intensiv beraten. Wir werden uns in gebotener Form auch auf die europäische Dimension und unsere künftige Mitgliedschaft in bezug auf eine neue Dimension in der europäischen Zusammenarbeit konzentrieren und uns auch in dieser Richtung bemühen.

Ich bedanke mich für die bisher geleistete Arbeit und lade Sie ein, uns, der österreichischen Bundesregierung, für unsere Vorhaben und Entwürfe auch in Zukunft zur Verfügung zu stehen. – Ich danke schön. (Langanhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist nunmehr Frau Abgeordnete Rauch-Kallat gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.43

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Lassen Sie mich angesichts der Diskussion über die Budgets 1996 und 1997 aus dem Kapitel Bundeskanzleramt zwei Teilbereiche herausgreifen: die Europäische Union und die Hilfe für Osteuropa.


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Angesichts der begrenzten Diskussionszeit, die uns zur Verfügung steht, werde ich morgen bei der Diskussion über das Kapitel Außenpolitik noch detaillierter auf die Fragen der Europäischen Union eingehen.

Ich möchte mich heute auf das Thema Hilfe für Osteuropa konzentrieren, insbesondere deshalb, weil angesichts der bevorstehenden Diskussion über die Erweiterung der Europäischen Union in Richtung Osteuropa und angesichts des zehnten Jahrestages des Reaktorunglücks von Tschernobyl ganz wesentliche Aspekte behandelt werden müssen, die in engem Zusammenhang mit der Anti-Atompolitik Österreichs stehen.

Erfreulich ist, daß die Hilfe für Osteuropa nach einem Tiefststand im Jahr 1995 in den Jahren 1996 und 1997 wiederum eine Steigerung erfahren wird. Es sind 116 und 143 Milliarden Schilling in diesen beiden Jahren dafür vorgesehen.

Es muß uns allerdings klar sein, meine Damen und Herren, daß diese Beträge angesichts der notwendigen Mittel für die wirtschaftliche Hilfe und auch Hilfe zur Verbesserung der Umweltsituation an Osteuropa nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein können. Es muß uns auch ein besonderes Anliegen sein, die Europäische Union dafür zu sensibilisieren, daß sie verstärkt Mittel für Osteuropa zur Verbesserung der wirtschaftlichen und der Umweltsituation bereitstellt. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Bundeskanzleramt hat aufgrund des Bundesministeriengesetzes auch die Koordinationskompetenz in sämtlichen Atomfragen, und es ist dem Bundeskanzler zu danken, daß er mit der Installierung des Forums für Atomfragen und der nunmehr erfolgten auch finanziellen Sicherstellung dieses Forums ausgezeichnete österreichische und internationale Wissenschafter zur Unterstützung der österreichischen Politik gewinnen konnte. Es ist vor allem auch diesen Wissenschaftern für ihren Einsatz in diesen Fragen zu danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu den Aufgaben des Bundeskanzleramtes gehört es auch, den Oststaaten beim Ausstieg aus der Atomenergie zu helfen und sie bei ihren Bemühungen um ein Zusperren und die sichere Entsorgung bestehender Kernkraftwerke zu unterstützen. Dazu gehört allerdings auch, daß die Versorgung dieser Staaten mit alternativen Energieformen oder die Unterstützung dieser Staaten bei entsprechenden Energiesparmaßnahmen forciert wird.

Daher sollte diese Ausstiegshilfe, Herr Bundeskanzler, auch ein wesentlicher Beitrag Österreichs zur Regierungskonferenz 1996 und auch ein Schwerpunkt der österreichischen EU-Präsidentschaft 1998 sein.

Momentan laufen besonders Bemühungen um das Kernkraftwerk Krško. In Slowenien soll ja eine Volksabstimmung gegen das Kernkraftwerk Krško abgehalten werden, für die 40 000 Unterschriften notwendig sind. Wenn dieses Abstimmungsergebnis erreicht wird, will das Bundeskanzleramt Slowenien beim Verzicht auf Krško mit entsprechenden Ausstiegshilfen unterstützen.

Meine Damen und Herren! Wesentlich in dieser Frage ist allerdings auch, daß Krško nur zur Hälfte Slowenien gehört. Die andere Hälfte gehört Kroatien, und Kroatien möchte ebenso wie Slowenien dieses Kernkraftwerk lieber heute als morgen zusperren. Es steht ja auf einer Erdbebenlinie, ist also besonders gefährdet. Kroatien hat aber infolge der kriegerischen Ereignisse der letzten Jahre sämtliche andere Kraftwerke an der Grenze zu Bosnien verloren.

Es erhebt sich für mich daher die Frage, welche Initiativen das Bundeskanzleramt in der Zwischenzeit gesetzt hat, um auch mit Kroatien in Gespräche einzutreten und auch Kroatien zu einem Verzicht auf dieses Kernkraftwerk zu bewegen. Es wird auch von meiner Fraktion, besonders von den Abgeordneten der Bundesländer Steiermark und Kärnten, einen entsprechenden Antrag, der in diese Richtung gehen wird, geben.

Ich darf Sie, Herr Bundeskanzler, sehr herzlich ersuchen, diese Gelegenheit wahrzunehmen und mit beiden Nachbarländern – ich weiß schon, Kroatien ist kein unmittelbares Nachbarland, Kollege Schieder ist jetzt nicht da, er korrigiert mich immer, wenn ich das sage, aber es liegt


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doch in unmittelbarer Nähe von unserem Land – Verhandlungen aufzunehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Drei weitere Kernkraftwerke in unmittelbarer Nähe zur österreichischen Grenze beschäftigen die Österreicherinnen und Österreicher völlig zu Recht. Die Meldungen, die wir über Temelin hören, beunruhigen vor allem die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher.

Wenn Sie heute Zeitungen lesen, können Sie daraus ersehen, daß ein entsprechender Katastrophenplan auch in Oberösterreich bereits ausgearbeitet wird, daß vor allem auch in der Tschechischen Republik die Frage des Atomsicherheitsgesetzes noch nicht geklärt ist und insbesondere der tschechische Umweltminister immer wieder betont hat, daß eine Inbetriebnahme von Temelin nur dann in Frage kommt, wenn dieses Gesetz in der Tschechischen Republik in Kraft ist und damit das größtmögliche Maß an Sicherheit gewährleistet werden kann.

Allerdings gibt es keine absolute Sicherheit bei Kernkraftwerken, wie uns die erschütternden Ereignisse der letzten Jahre gezeigt haben. Daher bin ich ganz besonders beunruhigt aufgrund der Meldungen, die wir über das Kernkraftwerk Mochovce und dessen Fertigstellung in den letzten Tagen gehört haben, insbesondere was die Summe, die dafür aufgewendet werden soll, anlangt. Die dafür vorgesehenen 1,2 Milliarden D-Mark reichen bei weitem nicht aus, meine Damen und Herren, um auch nur annähernd Sicherheitsstandards, die westlichen Sicherheitsstandards entsprechen, zu erreichen.

Das wissen die Deutschen. Umso unverständlicher ist es für mich, daß sich ein Weltkonzern wie Siemens auf ein derartiges Risiko einläßt und ein Kernkraftwerk fertigstellt, dessen Schwesternkernkraftwerk in Greifswald nicht fertiggestellt wurde, weil nach westdeutschen Berechnungen die dafür erforderliche Summe das Vierfache betragen hätte, woraus hervorgeht, daß die entsprechende Sicherheit nicht gewährleistet sein kann.

Meine Damen und Herren! Angesichts der Bilder, die wir in den letzten Tagen über Tschernobyl gesehen haben, muß uns das ganz besonders beunruhigen. Mochovce und Bohunice liegen innerhalb eines Umkreises von 120 Kilometern von Wien. Im Umkreis von rund 150 Kilometern von Mochovce liegen die Großstädte Budapest, Bratislava und Wien, eine Bevölkerung von rund 10 Millionen Menschen ist unmittelbar bedroht.

Wenn Sie, meine Damen und Herren, gestern abend die Fernsehsendung über Tschernobyl und die Folgen gesehen haben, dann können Sie sich ausmalen, was bei einem ähnlichen Unfall unserer Region, unseren Kindern drohen würde.

Ich hatte die Gelegenheit, vor zwei Jahren, in meiner Zeit als Umweltministerin, Tschernobyl zu besuchen, und ich hatte als Führer einen Mitarbeiter des ukrainischen Umweltministers, der früher Techniker war, und zwar Techniker im Kernkraftwerk Tschernobyl, also kein Atomkraftgegner, und der in der besagten Katastrophennacht Dienst hatte. Wenn in einem Umkreis von 30 Kilometern überhaupt keine Bevölkerung mehr leben darf und in einem Umkreis von weit über 100 Kilometern heute, zehn Jahre danach, immer noch abgesiedelt wird, wofür 10 Prozent des ukrainischen Bruttoinlandsproduktes aufgewendet werden müssen, dann, so meine ich, kann man ermessen, wie teuer Kernkraft werden kann.

Es hat uns, all jene, die wir einen ehrlichen und intensiven Kampf gegen Mochovce geführt haben, betroffen gemacht, daß Sie, Herr Bundeskanzler – er ist jetzt leider nicht mehr da –, als Sie vor wenigen Wochen in Bratislava die Ehrendoktorwürde entgegengenommen haben, nicht die Gelegenheit wahrgenommen haben, ein entsprechendes Gespräch über dieses für Österreich so brennende Problem zu führen.

Herr Bundeskanzler! Das war ein Schlag ins Gesicht aller Österreicherinnen und Österreicher, die sich zu Recht Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Gute Nachbarschaft, meine Damen und Herren, bedeutet nämlich nicht, Probleme, die man hat, unter den Teppich zu kehren, sondern gute Nachbarschaft bedeutet, miteinander zu reden und Lösungen zu finden.


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Daher ist es wichtig, den Kampf gegen die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Mochovce nicht aufzugeben. Auch Österreich hat ein Kernkraftwerk gebaut, es fertiggestellt, aber nicht in Betrieb genommen – und es war gut so. Wir werden daher alle diplomatischen Bemühungen in die Wege leiten und auch das Beitrittsansuchen der Slowakei zur EU zum Anlaß nehmen müssen, darüber zu diskutieren. Ich glaube daher, daß es ganz wichtig ist, überhaupt im internationalen Bereich einige entscheidende Maßnahmen zu setzen.

Ich darf hier auf die internationalen Haftungsübereinkommen, auf die Pariser und die Wiener Protokolle der IAEA kurz zu sprechen kommen, die ungenügend sind und daher von Österreich noch nicht unterzeichnet wurden, weil die Haftungsbeschränkungen ausschließlich für die Erzeuger gelten und nicht ausreichende Haftungsobergrenzen, die immer nur zum Vorteil der Erzeuger sind und der Bevölkerung keine Regreßmöglichkeit einräumen, beinhalten.

Ich glaube daher, daß Österreich sehr rasch ein ordentliches, ein zeitgemäßes Atomhaftpflichtgesetz verabschieden sollte, weil das geltende noch aus der Zeit von Zwentendorf stammt, und damit auch eine entsprechende Vorbildwirkung für Europa haben sollte. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf aber auch den Herrn Bundeskanzler auffordern, insbesondere die Regierungskonferenz und den Ratsvorsitz 1998 zum Anlaß zu nehmen, die Frage von Euratom wieder zu diskutieren, die Frage, in welcher Form dieser Vertrag verändert werden könnte, und klarzumachen, daß Österreich finanzielle Mittel in erneuerbare Energien in Osteuropa fließen lassen muß, um einen echten Ausstieg aus der Kernkraft in Osteuropa zu ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. Ich erteile es ihm.

14.57

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Ich möchte bei meinem Beitrag an die Aussagen des Herrn Bundeskanzlers anschließen, der ja in sehr bemerkenswerter Weise seinen Dank an die beiden Regierungsfraktionen ausgesprochen hat. Ich glaube tatsächlich, daß dieser Dank sehr berechtigt ist, aber weniger für die parlamentarische Arbeit im legislativen Sinne, sondern eher für das beredte Schweigen, das die beiden Regierungsfraktionen an den Tag legen, wenn wir das, was in diesen letzten Wochen und Tagen diesem Parlament zugemutet wurde, im Lichte der Verfassung betrachten. (Beifall beim Liberalen Forum. – Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Wir können in aller Ruhe feststellen, daß diese Bundesregierung vier ganz zentrale Werte unserer Verfassung unterlaufen, wenn nicht verletzt hat. Sie haben das Prinzip der Gewaltentrennung eindeutig zumindest unterlaufen, weil Sie die Mindeststandards, die man auch bei einem reduzierten Parlamentarismus an die gesetzgeberische Arbeit eines Parlaments legt, ganz eindeutig nicht eingehalten haben.

Sie haben meiner Meinung nach zweitens den Grundsatz des Stufenbaus der Rechtsordnung permanent verletzt, weil Sie rein willkürlich, nach reinen Opportunitätskriterien eine Materie auf die Zweidrittelebene, auf die Verfassungsebene heben und, wenn es Ihnen paßt, auch darunter. Von Einhaltung des Stufenbaus der Rechtsordnung kann jedenfalls nicht gesprochen werden.

Drittens: Sie haben das rechtsstaatliche Prinzip verletzt. Es ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, keine rückwirkenden Normen zu erlassen. Sie tun es aus reiner Opportunität und verletzen damit das rechtsstaatliche Prinzip.

Viertens: Sie verletzen unser Grundrechtssystem, wenn Sie – wiederum aus reinem Opportunismus – mit Hilfe der Zweidrittelgesetzgebung dem Staatsbürger den Rechtsweg zum Verfassungsgerichtshof willkürlich, aber bewußt und politisch aktiv abschneiden. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Meine Damen und Herren! Das ist der Befund! Dafür der Dank vom Herrn Bundeskanzler. Aber ich verstehe es. Doch schauen wir den Dingen etwas genauer auf den Grund! Der Herr Bundeskanzler hat ja in seinem Dank auch mitschwingen lassen, es sei dies eine außerordentliche Situation, und der Zeitdruck sei sehr groß. Auch die internationale Situation wirke hinein, und deshalb sei nun einmal diese Vorgangsweise notwendig gewesen, und zwar als eine Art Krisenbewältigung, meinte der Bundeskanzler.

Ich lasse mich jetzt gar nicht auf die Frage ein, was denn die Ursachen dieser Krisen sind, was denn der Grund für dieses Tempo, das da an den Tag gelegt wurde, ist. Diese Bundesregierung hatte doch fast ein Jahrzehnt Zeit für viele dieser Dinge, die jetzt in einer sehr radikalen Art und Weise, in einem Husch-pfusch-Verfahren über die Bühne gebracht werden. Es sind Jahre verludert worden, und jetzt macht man aus der Not eine Tugend und sagt, jetzt müsse das alles blitzartig geschehen.

In allen zentralen Punkten, die uns Schwierigkeiten bereiten, bleiben Sie seit vielen Budgetdebatten Reformen schuldig, und deshalb befinden wir uns nun in dieser Situation. Man kann auch nicht behaupten, daß Sie jetzt tatsächlich strukturelle Reformen auf den Tisch gelegt haben.

Mein erster Vorwurf lautet, meine Damen und Herren, daß Sie den Mindeststandard eines parlamentarischen Gesetzgebungsvorganges unterlaufen haben. Denn: In jedem Gesetzgebungsverfahren, in jedem Verfassungsleben – von politischer Kultur war die Rede – kann es doch nur so sein, daß das Parlament die materiellen Gesetze erläßt und auf dieser Grundlage dann ein Budget mit den gesetzmäßig gebundenen Ausgaben, mit den Ermessensspielräumen und all diesen Dingen mehr erstellt wird.

Meine Damen und Herren! Bei jenen Vorgängen, mit denen wir in den vergangenen Wochen und Tagen konfrontiert waren, war es genau umgekehrt. Die Bundesregierung hat diesem Parlament zugemutet, daß es all das, was sie an Gesetzen zusammengetragen hat, in einem einzigen Gesetzgebungsakt beschließt. Dadurch wurde eigentlich das gesetzgeberische Verfahren, das unsere Verfassung vorsieht, auf den Kopf gestellt.

Aus Anlaß einer Budgeterstellung wurde ein Wust von fast 100 Gesetzen erlassen, und das in einem einzigen Gesetzgebungsakt mit vielen Materien, von denen – normalerweise und nicht nur nach österreichischem Standard, sondern auch nach internationalen Kriterien – es viele davon selbstverständlich wert gewesen wären, im einzelnen, in einem Ausschuß oder sogar in einem Unterausschuß behandelt zu werden. Man hat aber das Ganze in ein Paket gepackt und diesem Haus vorgelegt. Dann wurde es in dem schon vielfach kritisierten Verfahren hier durchgezogen.

Meine Damen und Herren! Diese Art von Sammelgesetzgebung erinnert mich an mittelalterliche Reichstagsverhältnisse, wo es ein Märzfeld und ein Novemberfeld gab, wo man zweimal im Jahr zusammengekommen ist, um Recht zu schaffen, und dann ging man wieder auseinander.

Ich fürchte, diese Regierung wird auf den Geschmack kommen, es genauso zu machen, und wird sagen: Das ist wunderbar, so machen wir es auch! Einmal im Jahr wird alles herbeigeschafft und erledigt, das Parlament hat dann das Ganze zu schlucken, und damit hat es sich schon mit der Gesetzgebung. Ich halte das allerdings für eine eindeutige Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung und für eine Verletzung des parlamentarischen Regierungssystems. Dem werden wir sicherlich nicht unsere Zustimmung erteilen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Schauen wir uns doch auch einmal an, was alles eigentlich in der Praxis vorgefallen ist. Der Herr Bundeskanzler hat nämlich gemeint, es seien sehr viele wichtige Gesetze beschlossen worden, es seien jetzt zentrale Themen erledigt. Nur damit Sie sehen, wie eigentlich die Dinge am Parlament vorbeilaufen, einige wenige Beispiele:

Wir hören seit vielen Wochen von einem 30-Milliarden-Paket, das die Gemeinde Wien mit dem Bund geschnürt hätte. Ich frage mich manchmal: Wer ist denn nun eigentlich derjenige, der den


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Budgetvollzug macht? In einem "Kurier"-Artikel dieser Tage stand nämlich in bezug auf diese 30 Milliarden zu lesen – und das ist wirklich entlarvend –: Im Finanzministerium standen entscheidende Geheimverhandlungen mit Minister Viktor Klima auf den Programm. Wie der "Kurier" zum Wochenbeginn exklusiv berichtet hat, akzeptiert selbiger zwar den raschen Ausbau der S-Bahnen und auch die Verlängerungen der U-Bahnen, aber die Südumfahrung gefällt ihm weniger und so weiter.

Ich frage Sie jetzt – und diese Frage ist an beide Regierungsfraktionen gerichtet –: Ist es eigentlich der Finanzminister, der entscheidet, was in der Verkehrspolitik geschieht, in diesem Fall im Zentralraum Wien? Ist er derjenige, der über den Geldhahn entscheidet, darüber, was geschieht und was nicht geschieht?

Das ist ein typisches Beispiel. Da geht es um 30 Milliarden, und wir raufen uns in den Scheinbudgetverhandlungen sehr oft um ganz minimale Beträge! Da werden ganz einfach 30 Milliarden festgelegt, und das führt zu einen privaten Schaukampf zwischen dem Bürgermeister, der sich im Wahlkampf befindet, und dem Exverkehrsminister, neuerdings Finanzminister, und die machen die Politik. Das Parlament schaut zu, budgetiert – oder was tut es? Keines von beiden, denn die Dinge passieren schon vor unserer Türe.

Ganz ähnlich ist es bei der Bundesbahnen. Da geht es um 60 Milliarden. Ständig war hier im Parlament die Rede von 60 Milliarden – eine riesige Ausgabe! –, von einer Finanzplanung für die Bundesbahnen. Behandelt und beschlossen wurde hier natürlich nichts.

Es gibt noch ein schönes Beispiel: In den letzten Wochen und Tagen hörte ich ununterbrochen mit militärisch gespitztem Ohr von diversen Offensiven: Beschäftigungsoffensiven, Umweltoffensiven. Jeden Tag rollt eine Offensive über uns hinweg, Riesenbeträge werden genannt, 90 Milliarden Schilling sollen investiert werden, der Arbeitsmarkt soll damit mobilisiert werden. Ich frage mich nur: Sind das 90 Milliarden Schilling zusätzlich? Dann allerdings frage ich mich: Befinden wir uns in einer Sparbudgetdiskussion, oder was findet hier eigentlich statt? Ist es nur ein Summieren von vorhandenen Budgetbeträgen, die man propagandistisch, medienwirksam zusammenbündelt, paketiert den Medien vorstellt? Was passiert da eigentlich?

Sie sehen es ganz deutlich: Die zentralen politischen Dinge geschehen außerhalb des Parlaments, geschehen im wesentlichen unter dem medialen Gesichtspunkt, sind propagandistisch aufbereitet, und man verschließt dabei die Augen. Jedenfalls kann ich ein seriöses Budgetieren absolut nicht erkennen.

Ein letztes Beispiel, etwas, was mich bis aufs Blut ärgert: Wir haben in einer Diskussion mehrmals festgestellt, daß das Bonus-Malus-System mit den 50jährigen kontraproduktiv ist. Die Opposition hat es gesagt, der eine oder andere Regierungsvertreter hat es gesagt, aber es war ja ein Paket, und man hat es durchgedrückt. Doch jetzt müssen wir uns von der Öffentlichkeit sagen lassen, daß es eben absolut kontraproduktiv ist. Aber dieses Parlament war nicht in der Lage, obwohl es genug Leute – auch in den Regierungsfraktionen – gibt, die dagegen waren, diesem Unsinn, der Menschen über 50 das Leben auf dem Arbeitsmarkt erschwert und nicht erleichtert, Einhalt zu gebieten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich möchte da ausdrücklich an die Kollegin Hostasch appellieren – sie ist gütigerweise da –, dagegen etwas zu unternehmen. Frau Kollegin! Sie sitzen hier im Parlament, Sie sind zugleich eine führende Repräsentantin der Arbeiterkammer, und Sie haben sich verdienstvollerweise im Zusammenhang mit diesem Bonus-Malus-System auseinandergesetzt und sich als Interessenvertreterin positioniert. Hier im Parlament jedoch leihen Sie diesem Schwachsinn Ihre Stimme. Das ist so bedauerlich!

Das führt zu einer Denaturierung des Parlamentarismus. Ich meine, daß dieser Interessenkonflikt, den Sie persönlich austragen, so zu lösen wäre, daß Spitzenfunktionäre von Interessenvertretungen, also der Sozialpartnerschaft eben nicht im Parlament sitzen. Denn genau das führt zu Fehlentwicklungen: daß Sie jetzt einer Gesetzmaterie, deren Inhalt Sie ablehnen, zustimmen. Das ist schlechter Parlamentarismus – und das ist auch schlechte Sozialpartnerschaft! (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Meine Damen und Herren! Mein zweiter Vorwurf bezieht sich darauf, daß Sie den Stufenbau der Rechtsordnung verletzen. Ich halte es wirklich für eine Zumutung, daß der Klubobmann der Sozialdemokratischen Partei, Kollege Kostelka, heute in seinem Beitrag gesagt hat, die Aufregung um die Zweidrittelmehrheit verstehe er überhaupt nicht, denn letzten Endes wären wir Parlamentarier der Verfassungsgeber und es handle sich – man muß sich das vergegenwärtigen, er hat das wirklich so gesagt! – bei all diesen Punkten, die Sie hier mit Ihrer Zweidrittelmehrheit beschließen, um eine Weiterentwicklung unserer Verfassung. In dieser langen Liste der Strukturanpassungsgesetze mit den vielen Zweidrittelmaterien ist nicht ein Punkt, den man wirklich als Weiterentwicklung unseres Grundgesetzes, unserer Verfassung auffassen könnte. Im Gegenteil: Es sind alles Dinge, wo die politische Ursache natürlich anderswo liegt!

Woran liegt es? – Es geht schlicht und einfach darum, daß mit Zweidrittelmehrheiten, die auch international gesehen eine Ausnahmesituation sind – das gibt es fast nirgends –, nichts anderes verfolgt wird, als die Möglichkeit, daß sich die beiden Regierungsparteien wechselseitig ein Veto einräumen. Damit soll verhindert werden, daß womöglich bei einer der beiden – auch sozialpartnerschaftlich getragenen – Fraktionen dieses Hauses eine andere Mehrheit aufkommt. Das ist der historische Grund, warum die Schulgesetze mit Zweidrittelmehrheit belegt wurden und warum es in unserem Verfassungsrecht an die 800 Verfassungsbestimmungen gibt, von denen es nur bei einem Bruchteil gerechtfertigt wäre, tatsächlich in einer Verfassung zu stehen. Das ist die Realität!

Deshalb sage ich, es ist reine Willkür, daß mit Zweidrittelmehrheit einfach gesetzliche Materien in den Verfassungsrang erhoben werden, um dieses Vetorecht zu haben. Es ist keine Rede mehr vom Einhalten des Grundsatzes unserer Verfassung, der Rangordnung unserer Rechtsquellen.

Daran schließt sich gleich der nächste Vorwurf, das ist der Rechtsgrundsatz. Rückwirkende Gesetze werden in allen Rechtsordnungen als eine Sünde betrachtet, und Sie begehen sie.

Aber Sie begehen noch eine weitere Sünde, und das ist der letzte Vorwurf, den ich Ihnen mache. Sie verfolgen mit Ihrer Zweidrittelmehrheit das klare Ziel, den Bürgern den Weg zum Verfassungsgerichtshof abzuschneiden. Das steht im Zentrum des Skandals! Die Praxis ist alt, das ist nicht neu, wie heute ein Redner gesagt hat. Es ist sogar schon der Fall gewesen, daß diese Koalition aufgrund eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes, worin dieser etwas als verfassungswidrig erkannt hat, sich eilenden Fußes bemüht hat, durch einen Zweidrittelmehrheitsbeschluß den Verfassungsgerichtshof zu korrigieren, ja sogar auszuschalten. Das ist an sich noch ärger! Aber für mich steht im Mittelpunkt der Skandal, die Verfassungskontrolle des Verfassungsgerichtshofes mit parlamentarischer Mehrheit auszuschließen. Das ist ein ganz klarer Mißbrauch des Verfassungsrechtes – auf Kosten des Rechtsschutzes, auf Kosten unseres Rechtsstaatsprinzips, auf Kosten des Grundrechtes der Bürger, einen Zugang zum Recht zu haben, und zwar bis zum Verfassungsgerichtshof! Das ist das einzige Motiv bei vielen Zweidrittelmehrheitsbeschlüssen, die Sie fassen: dem Rechtsstaat tatsächlich einen Schlag zu versetzen. Und das bezeichnet der Kollege Kostelka als Weiterentwicklung unserer Verfassung! Das ist blanker Hohn!

Ich sage abschließend mit allem Ernst: Diese große Koalition, die sich als neu bezeichnet, ist eine Gefahr für unsere Verfassungskultur; sie betreibt die Aushöhlung unserer parlamentarischen Demokratie und den Abbau unserer Grundrechte. Diese Gefahr steht als Realität im Raum.

Das würde ich dem Herrn Bundeskanzler antworten auf seinen Dank, den er zwar nicht an die Opposition, aber an die Regierungsparteien gerichtet hat. Aber an Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, möchte ich appellieren, Sie möchte ich aufmerksam machen: All diese Zustände sind nur deshalb möglich, weil Sie zustimmen. Uns bleibt daher nur der Appell an die Öffentlichkeit, an den Bürger dieses Landes, diesem schleichenden Verfassungsverfall nicht die Zustimmung zu geben, sondern Ablehnung entgegenzustellen. Wir werden alles tun, um diese Verfassungsentwicklung durch die große Koalition zu behindern, sie


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zu korrigieren, wo es geht. Auf jeden Fall werden wir auf diesem Weg nicht mitgehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.16

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich habe mit großem Interesse den Ausführungen des Herrn Kollegen Frischenschlager gelauscht. In habe mich in Zeiten zurückversetzt gefühlt, die schon einige Zeit zurückliegen, in Zeiten, als ich noch an der Universität war. Es war eine eindeutige Verfassungsvorlesung, und ich danke Ihnen, daß Sie hier selbst den Unterschied zwischen der geschriebenen Verfassung, der Konstitution, und der Verfassungswirklichkeit aufgezeigt haben.

Da ging es von der Gewaltentrennung bis hin zum Stufenbau der Rechtsordnung. Es kamen sogar Vergleiche, die mich an die germanische Gesetzgebung, an das Thing, erinnert haben. – Herr Präsident, wenn Sie mich dabei unterstützen würden, es ist wirklich schon lange her; da hat die Gesetzwerdung doch Wapnatak und Stapsakôn geheißen –, das war zweimal im Jahr, und dort ist man zusammengekommen, um bestimmte Materien zu erledigen.

Es hat, wie Sie selbst gesagt haben, Handlungsbedarf bestanden, um einen Handlungsspielraum zu erreichen und zu erlangen, und nun war es an der Zeit, zu handeln. Wie lange – meine Frage an Sie – hätten Sie uns zugebilligt, zu diskutieren und zuzuschauen, wie der Finanzierungsbedarf wächst?

Aber nun zu Frauenangelegenheiten; dazu wollte ich mich eigentlich äußern. Zwei prominente Stimmen jenseits der Tagespolitik und ihre Einschätzung, wieweit die Gleichberechtigung der Geschlechter bisher gediehen ist. Zwei Soziologen, Elisabeth Beck-Gernsheim und Ulrich Beck, meinen, daß sich im Leben der jungen Frauen im Vergleich zur Generation ihrer Mütter neue Freiräume aufgetan haben, und zwar in den Bereichen Recht, Bildung, Sexualität, aber auch hinsichtlich der beruflichen Stellung.

Die beiden Soziologen stellen aber auch fest, daß diese Freiräume gesellschaftlich durchaus ungesichert sind und vermuten, daß – und jetzt zitiere ich wörtlich – "alle bisherigen Auseinandersetzungen noch Harmonie waren und die Phase des Konfliktes der Geschlechter erst bevorsteht".

Tatsächlich hat sich die Rolle der Frau entscheidend verändert. Das zeigt sich an der gestiegenen Bildungsbeteiligung, an der höheren Erwerbsquote und an der größeren ökonomischen Unabhängigkeit der Frauen. Trotz dieser positiven Aspekte, die eindeutig vorliegen, bedeutet Frausein in der Arbeitswelt noch immer nach wie vor ein geringeres Einkommen, niedrigere Bemessungsgrundlagen, unterbrochene Erwerbslaufbahnen, geringere Versicherungszeiten. Die Folgen daraus sind niedrigere Pensionen und niedrigere Sozialleistungen. Außerdem bedeutet Frausein in der Arbeitswelt eine höhere Arbeitslosigkeit.

Frausein in der Familienwelt bedeutet noch immer Alleinzuständigkeit für Familienarbeit, für Konsum und für Betreuungsarbeit. Frauen haben eine längere Gesamttagesarbeitszeit zu erbringen und sie erbringen auch den Großteil der unbezahlten Arbeit. Warum?, müssen wir uns fragen. Und diese Frage müssen wir immer wieder wiederholen: Wo ist die gerechte Verteilung der Güter, wo die gerechte Verteilung von Leistung und Lasten?

Wir müssen uns auch die Frage stellen, warum gerade jetzt die Phase des Konfliktes unmittelbar bevorsteht. Dies ist deshalb der Fall, weil die Frauen erst jetzt beginnen, in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, nämlich auch und vor allem in der Familie von ihrer Wahlfreiheit Gebrauch zu machen. Doch diesen Bestrebungen weht ein ganz starker Wind entgegen, dem nur dann standgehalten werden kann, und zwar im Interesse der Frauen, wenn private und politische Lösungsstrategien Hand in Hand gehen.


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Wenn man die Frauen in der Durchsetzung ihrer Rechte im Privaten, also ihrer Rechte als Ehepartnerinnen, als Erziehende, als Pflegende, allein läßt, wird der Status quo zementiert. Die sogenannte Privatsphäre ist ja gerade die Grenze, an der die Gleichberechtigung, die Wahlfreiheit ihr Ende gefunden haben. Um aber nicht an der Grenze des Privaten zu scheitern, um nicht die Vorteile der einen – nämlich des geringeren Teils der Bevölkerung, der Männer – zu schützen und die Nachteile der anderen, der Frauen, zu verschleiern und als höchst privat einzustufen, muß es zu einer Weiterentwicklung des Ehe- und Familienrechts kommen, und zwar in einem konkreten Schritt zur Umsetzung des Gleichbehandlungsprinzips.

Meine Damen und Herren! Seit 1974, also seit 22 Jahren, ist die partnerschaftliche Ehe im Gesetz verankert, und danach haben beide Partner unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Belastung anteilsmäßig an der Haushaltsführung beizutragen. – Wie die Praxis aussieht, ist ja bekannt. Es gibt neuere Zahlen des Statistischen Zentralamtes, die belegen, daß das Verhältnis von Erwerbsarbeit zu Hausarbeit bei den Männern 70 Prozent zu 30 Prozent beträgt – natürlich zugunsten der Erwerbsarbeit –, während es bei den Frauen genau umgekehrt ist, nämlich 31 Prozent zu 69 Prozent. Für die Kinderbetreuung erübrigen selbständig erwerbstätige Männer täglich sechs bis elf Minuten und höhere Angestellte und Beamte 16 Minuten.

Statistiker haben natürlich auch hinterfragt: Beeinflußt die Erwerbstätigkeit der Frau die Arbeitsteilung in der Familie? Und sie kommen zu dem Schluß, daß die Arbeitsteilung überhaupt nicht beeinflußt wird beziehungsweise nur zu einem vernachlässigbaren Teil. Und das immerhin zu einem Zeitpunkt, wo mehr als die Hälfte aller Frauen, die ein Kind haben, nämlich 65 Prozent, berufstätig ist.

Folgerichtig müßte der konkrete Schritt so aussehen, daß Hausarbeit, Erziehung und Pflegearbeit ausdrücklich als gemeinsame Aufgaben der Partner deklariert werden. Entscheidend für eine solche Vorgangsweise wäre vor allem die Tatsache, daß die einseitige Verteilung der Lasten und Pflichten eines verursacht: schlechtere Chancen der Frauen auf dem Arbeitsmarkt, einen schlechteren Versicherungsstatus und schlechtere Entlohnung.

Auf der Hand liegt auch der Zusammenhang zwischen Bildung, Ausbildung und Weiterbildung und Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dieser Zusammenhang wird deutlich, wenn man sich die Arbeitslosenquoten der letzten Jahre anschaut. Der Erwerb von Qualifikation erfordert allerdings Zeit, und diese Zeit ist bei Frauen mit Familie nicht vorhanden. Dadurch sinken aber die Chancen, Qualifikationen nachzuholen oder durch Umschulung in andere Branchen umzusteigen. Dieser Umstand erschwert Frauen oft den Zugang oder die Rückkehr auf die besser gesicherten Vollzeitarbeitsplätze.

Meine Damen und Herren! Wie schaut es nun mit den atypischen Arbeitszeiten, mit den atypischen Arbeitsverhältnissen, mit der vielgepriesenen Teilzeit für Frauen, mit der Beschäftigung bis zur Geringfügigkeitsgrenze aus, wo ein enormer Andrang herrscht oder herrschen soll , denn immerhin sind nur 2 Prozent Männer dort beschäftigt, aber 33 Prozent Frauen? So erstrebenswert scheint diese Art eines Arbeitsverhältnisses oder diese Arbeitsform also doch nicht zu sein.

Faktum ist aber, daß 80 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen Kinder haben und 62 Prozent der angebotenen Teilzeitarbeitsplätze gar keine oder nur eine geringe Qualifikation erfordern.

Es ist auch eine Tatsache, daß wegen der einseitigen Lastenverteilung der Haus- und Pflegearbeit Frauen auf dem Arbeitsmarkt in ein Segment gedrängt werden, das schlecht bezahlt und zunehmend instabil ist. Außerdem besteht die Gefahr der Spaltung des Arbeitsmarktes, etwas, was ich nicht verharmlosen würde, nämlich Vollzeitarbeit für Männer und Teilzeitarbeit – mit all den ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen – für Frauen.

Es geht also vor allem darum, die Spirale von einseitiger Belastung durch Familienarbeit zu durchbrechen, und dazu sind wesentliche Maßnahmen im Regierungsprogramm verankert: arbeitnehmerfreundliche – und ich verstehe es auch als familienfreundliche – Flexibilisierung der Arbeitszeit, Sonderprogramme für Wiedereinsteigerinnen, spezielle Förderung für Mädchen und


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Frauen hinsichtlich der Erweiterung des Berufsspektrums, Förderung der betrieblichen Aus- und Weiterbildung. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher freut mich auch in diesem Zusammenhang die Bereitstellung von 600 Millionen Schilling für die Errichtung und Förderung von, aber auch die Ausweitung des Leistungsangebotes bei den Kinderbetreuungseinrichtungen.

Um die Situation der Frauen grundlegend zu verändern und zu verbessern, sind private und politische Strategien, eine entsprechende Bewußtseinsbildung und gesetzliche Weichenstellungen erforderlich. Informations- und Serviceangebote tragen ebenfalls zur Aufklärung und zur Bewußtseinsbildung bei.

Zum Bereich der Bewußtseinsbildung gehören auch die Vorstöße der Frauenministerin hinsichtlich einer stärkeren verfassungsrechtlichen Verankerung der Gleichbehandlung. Österreich ist jüngst anläßlich der EU-Regierungskonferenz mit diesem frauenpolitisch sehr wesentlichen Standpunkt auch international hervorgetreten. Es ging dabei um das Vorhaben, die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter auch in der EU-Verfassung zu verankern.

Die Verwirklichung dieses Grundsatzes beinhaltet gleichen Zugang zur Beschäftigung, gleichen Zugang zur Ausbildung, gleichen Zugang zur beruflichen Aufstiegsmöglichkeit, Gleichheit des Entgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes sowie gleiche Bedingungen am Arbeitsplatz für selbständige und unselbständige Erwerbstätige.

Im Regierungsprogramm ist aus meiner Sicht noch etwas Wesentliches enthalten, nämlich die Regionalisierung des Systems der Gleichbehandlungsbeauftragten. Bei der konkreten Umsetzung allerdings wird Ihnen noch einiges einfallen müssen, Frau Ministerin. Ich denke dabei daran, welcher Budgetrahmen zur Verfügung steht, ja es sind auch Kürzungen vorgenommen worden, und auch Planstellen sind keine vorhanden. Da wird es aber sicher gewisse Vorstellungen von Ihrer Seite geben.

Ich meine also, daß in der Frage der Gleichberechtigung – und damit komme ich auf mein Einleitungszitat zurück – tatsächlich noch eine Phase wichtiger Auseinandersetzungen bevorsteht. Ich glaube aber auch, daß wir die Frauen – dies auch im Sinne dessen, was wir uns politisch vorgenommen haben, vor allem aus sozialdemokratischer Sicht – in diesen Auseinandersetzungen nicht alleine lassen dürfen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun die Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.28

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen Volksanwältinnen! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! – Den Herrn Volksanwalt sehe ich jetzt nicht, aber der ist sicher auch in der Nähe. Bis jetzt hat leider noch niemand zu Ihnen gesprochen, und Sie sitzen schon stundenlang da. Es freut uns, daß Sie der Debatte hier so aufmerksam lauschen, obwohl niemand das Wort an Sie richtet. Auch ich habe es nicht wirklich vor. Ich wollte Ihnen nur zwei Mitteilungen sozusagen in eigener Sache, aber auch in Ihrer Sache machen.

Wir hatten im Budgetausschuß ja schon die Gelegenheit, uns darüber zu unterhalten. Ich möchte Ihnen erstens als Staatsbürger für Ihre Arbeit herzlich danken, obwohl ich mich persönlich noch nie an die Volksanwaltschaft wenden mußte, aber weiß, daß das sehr, sehr viele Leute sehr erfolgreich tun.

Zweitens danke ich Ihnen für Ihre Vorschläge, die Sie in der Karwoche anläßlich der Präsentation Ihres neuen Logos und Ihres Arbeitsprogrammes gemacht haben. Wir von den Grünen unterstützen diese Vorschläge äußerst intensiv, und wir arbeiten jetzt auch konkret daran, einen Initiativantrag zu erstellen, weil ich diesbezüglich nämlich jede Initiative von seiten der Koalitionsparteien, aber auch von seiten der Bundesregierung vermisse.


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Sie erinnern sich sicherlich an die Diskussionen letztes Jahr anläßlich der Bestellung der Frau Volksanwältin Korosec: Der Bestellmodus ist einfach unglaublich! Es nehmen sich einfach die zwei großen Parteien und die größte Oppositionspartei das Recht heraus, die Verwaltung zu kontrollieren, und sie ignorieren dabei völlig, daß sich die Parteienverhältnisse, die politischen Verhältnisse total verändert haben.

Das ist, wie ich inzwischen weiß, absolut nicht in Ihrem Sinn, aber auch nicht in unserem Sinn. Wir werden diesen Gesetzesantrag einbringen und dann sicherlich auch bei der ersten Lesung Gelegenheit haben, mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen darüber zu diskutieren.

Das nur in aller Kürze, und hoffentlich kommt es zu einer intensiven Diskussion, wenn es soweit ist; es wird aber, nehme ich an, wenn ich den Zeitplan des Nationalrates ansehe, sicher Herbst werden. Aber die Periode Ihrer Bestellung dauert ja noch ein wenig, und insofern sollten wir jetzt, am Beginn der Periode, beginnen, uns darüber zu unterhalten, um uns dann nicht wieder den Vorwurf einzuheimsen, daß es eine Anlaßfallgesetzgebung sei.

Im Namen meiner Fraktion danke ich also für Ihre Arbeit. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich ja den Herrn Bundeskanzler ansprechen – der ist jetzt nicht da. Der zuständige Herr Staatssekretär ist auch nicht da; nur die Frau Bundesministerin, zu der spricht aber später meine Kollegin Pollet-Kammerlander.

Ich spreche heute – und deswegen sitze ich ja eigentlich im Parlament – als Kroatin; schließlich bin ich ja Minderheitensprecherin der Grünen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt – das ist jetzt als Information für die Kolleginnen und Kollegen, die noch hier anwesend sind, gedacht – innerhalb der Interessenvertretungen der einzelnen Volksgruppen in Österreich und in einem kleinen, aber interessierten Personenkreis eine hochqualifizierte Diskussion um die Aufnahme einer sogenannten Staatszielbestimmung in die österreichische Bundesverfassung, die den Inhalt haben soll – aus unserer Sicht, aus der Sicht der Volksgruppen –, erstens zu einer Neudefinition des Selbstverständnisses der Volksgruppen zu kommen und zweitens – was viel wesentlicher ist – ein Bekenntnis Österreichs zur Vielfalt in diesem Land abzugeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mitglieder österreichischer Volksgruppen sind die besten Österreicher und Österreicherinnen. Seit Jahren, seit Jahrzehnten, seit ich mich erinnern kann also, wird uns ständig abverlangt, uns immer zu Österreich zu bekennen, so als wäre das je von einem Volksgruppenangehörigen in Frage gestellt worden. Aber in der öffentlichen Diskussion unterstellt man uns eben so einiges.

Dieses Bekenntnis zu dieser unserer Heimat und dieser unserer Republik müssen wir ständig auf den Lippen haben, um nicht gewissen Verdächtigungen ausgesetzt zu sein. Ich meine, diese Zeiten sind – vor allem nach dem tragischen Jahr 1995 – für Österreichs Volksgruppen endgültig vorbei, und es wäre an der Zeit, den Volksgruppenangehörigen in Österreich jene freien Räume fern des Assimilationsdrucks zu geben – damit sie ungehindert ihre Tradition, Sprache, Kultur pflegen können –, an der Zeit, daß sich die Republik zu ihren Volksgruppen, zur Vielfalt von Kulturen und Sprachen in diesem Land bekennt.

Wir haben anläßlich einer Belangsendung der Grünen, die jetzt immer wieder um 6.05 Uhr in der Früh läuft – sofern wir Sendezeit haben –, auf eine kulinarische Art und Weise den Österreicherinnen und Österreichern nahezubringen versucht, was dieses Land eigentlich von seiner Identität und von seinem Selbstverständnis her darstellt: Wir haben nämlich die österreichische Bundeshymne in den Sprachen aller in Österreich lebenden Volksgruppen – und jetzt zähle ich auch die deutschsprachigen Österreicher dazu – eingesungen. Vertreter der verschiedenen Volksgruppen und auch ein deutschsprachiger Österreicher – in diesem Fall ein Tiroler – singen die österreichische Bundeshymne. Das ist ein ganz netter Morgengruß – die Reaktionen von Hörerinnen und Hörern darauf sind wirklich sehr erstaunlich. Die Leute fragen sich: Was ist das? Die österreichische Bundeshymne auf kroatisch oder in der Sprache der österreichischen Roma und Sinti? Tschechisch? Slowakisch? Ungarisch? Slowenisch? – Ja, das ist Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren!


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Österreich ist nicht nur deutsch, nicht nur deutschsprachig! (Abg. Koppler: Österreich ist nicht nur deutsch, hat sie gesagt!) Österreich ist ein Land – und gerade im Jahr 1996, in dem wir das Millennium feiern, ist es ja ganz besonders angebracht, darauf hinzuweisen –, das eine kulturelle Vielfalt sondergleichen hat. (Abg. Koppler: "Nicht nur deutsch", hat sie gesagt!) Wenn Kollege Koppler da ein bißchen zuhören würde, könnte er etwas lernen, denn in Oberösterreich weiß man auch nicht so ganz genau Bescheid, was sich da – vor allem im Osten und Süden – abspielt, habe ich schon festgestellt.

Erhard, paß auf, das kann vielleicht auch etwas Neues und Interessantes für dich sein. Aber, meine Damen und Herren, Erhard Koppler kann sich da vielleicht nicht ganz hineinversetzen; er ist ja sehr monokulturell. Er ist eben leider ein Mensch, der nur einsprachig ist. (Abg. Koppler: Ich habe auch in der Schule eine Fremdsprache gehabt!) Ich sehe es als Privileg an, Angehörige einer Volksgruppe und zweisprachig zu sein, und ich habe es schon oft hier im Parlament gesagt und sage es wieder – und jetzt speziell für dich, Erhard Koppler –: Einsprachigkeit ist heilbar! Man kann auch eine zweite Sprache lernen (Beifall bei den Grünen), vielleicht die Sprache einer österreichischen Volksgruppe, um damit auch zu signalisieren, daß sie ein Teil von uns ist.

Das ist es auch – jetzt in vereinfachenden Worten zusammengefaßt –, was diese Staatszielbestimmung zum Ausdruck bringen soll. Derzeit ist die Verständigung innerhalb der im Parlament vertretenen Parteien gut, vor allem sind die Signale von seiten der ÖVP und SPÖ durchaus positiv, die, wie Sie ja heute schon lang und breit gehört haben, hier mit ihrer Zweidrittelmehrheit machen können, was sie wollen. Die Signale, die von den beiden Parteien ausgehen, sind in diesem Fall durchaus positiv, und ich möchte den Kolleginnen und Kollegen der beiden großen Parteien auch hier ganz ausdrücklich sagen, daß wir das von unserer Seite heftig unterstützen. Ich glaube, daß ich da auch im Sinne von Erhard Koppler spreche, der sicherlich einer der vehementesten Befürworter des Bekenntnisses Österreichs zur Vielfalt der Sprachen und Kulturen, vielleicht im Artikel 7a oder 7b der österreichischen Bundesverfassung, wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute haben Angehörige der österreichischen Volksgruppen zwei Möglichkeiten: Sie haben die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Abstufungen von Assimilation – ich bin, wenn Sie wollen, auch ein Produkt dieser Ideologie oder dieser Haltung – oder die Möglichkeit des Rückzuges ins ethnische Ghetto. Wir sollten jetzt auch die Breite und die Vielfalt dieser Palette erweitern, das ist die Intention!

Ich meine, daß wir als Volksgruppenangehörige, aber in erster Linie auch als Parlamentarier insgesamt drei Dinge vehement zu vertreten haben: erstens den Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien zu schützen. Dies im wahrsten Sinn des Wortes, denn die Diskussion in den letzten Monaten, wo es immer wieder Stimmen gab, den Staatsvertrag von Wien für obsolet zu erklären, auch den Artikel 7, ist absolut gefährlich für Volksgruppenangehörige. Dieser Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien ist so etwas wie die Magna Charta des österreichischen Volksgruppenrechtes. Deshalb, meine Damen und Herren, möchte ich ganz vehement jenen widersprechen, die meinen, daß man das Schutzmachtprinzip jetzt wiederbeleben und den Minderheitenschutz oder Volksgruppenschutz vielleicht bilateral zwischen Slowenien und Österreich absichern sollte. Das ist der falsche Weg. Was wir wollen, ist die internationale Absicherung des Rechtsstandards, den wir haben, und diesen sollten wir auch erhalten. – Das ist meine erste Bitte und Forderung an Sie.

Meine zweite Bitte beziehungsweise Forderung betrifft die Novelle des Volksgruppengesetzes 1976. Wir haben im Zuge der Diskussion um die Anerkennung der Roma und Sinti als Volksgruppe schon unzählige Male festgestellt, daß die Anwendbarkeit des Volksgruppengesetzes auf die real existierenden Gruppen und auf die Vielfalt in Österreich beschränkt ist. Diese Novelle ist mehr als überfällig, und ich bitte auch diesbezüglich die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen – heute bin ich ja ganz friedlich und konsensual gestimmt – um ihre Unterstützung und vor allem um ihre Initiative. Da muß etwas her, worüber man im Nationalrat redet, was konstruktiv im Sinne der Volksgruppen ist.


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Und jetzt komme ich zum allerletzten Punkt: Ich verhehle nicht meine grenzenlose Enttäuschung über die Tatsache, daß Sie aus dem Jahr 1995 nichts gelernt haben, aus dem Jahr, in dem der Terrorismus und die terroristischen Anschläge in diesem Land fast ausschließlich Angehörige österreichischer Volksgruppen betroffen haben – wiewohl Nichtangehörige von Volksgruppen zu Schaden gekommen sind, wenn ich an das Opfer des Rohrbombenanschlages in Stinatz – Stinjake – denke, der kein Kroate ist, sondern ein Arbeiter des Umweltdienstes Burgenland, ein deutschsprachiger Burgenländer.

Angesichts der Ereignisse in diesem Jahr, das von negativer Symbolik für die Volksgruppen gekennzeichnet war, hätte ich mir erwartet, daß Sie nicht einfach die Volksgruppenförderung einfrieren, so wie das jetzt für die nächsten zwei Jahre in diesem Budget passiert. Wir haben in den letzten Jahren gemeinsam dafür gekämpft – darüber gab es immer Konsens –, daß die Volksgruppenförderung erhöht wird. Denn da gibt es einen jahrzehntelangen Nachholbedarf, Versäumnisse, die man nicht in ein paar Jahren wettmachen kann. Aber heuer schlägt das Imperium zurück: Einfrieren ist die Devise.

Das wird die österreichischen Volksgruppen nicht weiterbringen! Denn, meine Damen und Herren: Wer bei den Volksgruppen spart, der spart an der kulturellen und sprachlichen Vielfalt Österreichs! Und dies gefährdet nicht nur Volksgruppenangehörige, sondern das gefährdet die österreichische Identität, denn wir sind ein Teil dieses Ganzen. Und daher meine Damen und Herren, überlegen Sie sich noch einmal, ob das das Symbol ist, welches Sie nach dem Terrorjahr 1995 setzen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe immer wieder, jedes Jahr, einen Antrag hier eingebracht, und zwar einen Entschließungsantrag auf Erhöhung der Volksgruppenförderung. Außer dem Kollegen Ofner – einmal – hat mir nie jemand zugestimmt. Heuer bringe ich ihn gar nicht mehr ein. Denn mein Vorschlag, die Volksgruppenförderung etappenweise auf 100 Millionen zu erhöhen, ist nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, verglichen mit der Volksgruppenförderung in anderen europäischen Ländern und da vor allem in anderen vergleichbaren EU-Staaten. Aber Sie meinen offensichtlich: Jetzt, wo wir in der EU sind, brauchen wir uns nicht mehr EU-konform zu verhalten, im Sinne von so etwas wie ein gutes Entrée zu haben. Diese 52 Millionen sind wirklich eine Schande, und die österreichischen Volksgruppen werden sich das merken! (Beifall bei den Grünen.)

Aber jetzt komme ich noch zu etwas, was mich diese Woche empört und mein Urteil und meine Meinung über die Freiheitliche Partei wieder bestärkt hat. Die Freiheitliche Partei beginnt wieder zu hetzen. (Abg. Dr. Ofner: Aber geh! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie hetzen gegen uns !) Sie hetzt in einer Art und Weise, wie wir Volksgruppen das in dieser Form in den letzten Jahren nicht gekannt haben. In der "Kleinen Zeitung" vom vergangenen Sonntag gab es dieses Inserat zu lesen: "Kärnten zuerst" (die Rednerin hält einen Zeitungsausschnitt in die Höhe) – eine Hetze gegen die zweisprachige Bevölkerung Kärntens. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieso ist das eine Hetze? – Abg. Dr. Graf: Schauen Sie nach Amerika! Da heißt es auch: Amerika zuerst!) Offensichtlich ist die "Kleine Zeitung" vernünftig genug, um Ihnen solchen Unsinn nicht redaktionell abzukaufen, deshalb inserieren Sie diese hetzerischen Aussagen. Da wird wirklich in einer nach dem Strafgesetzbuch zu prüfenden, tatbestandsmäßigen Vorgangsweise (Abg. Dr. Graf: Na geh!) gegen ein zweisprachiges Denkmal vor dem Mohorjeva-Hemagoras-Verlag in Klagenfurt gehetzt. (Abg. Dr. Graf: In Amerika heißt es auch: USA zuerst! USA first! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie hetzen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beginnt es wieder so? Beginnt es wieder damit: "Wir vertreten eure Interessen! Wir vertreten eure, nämlich Deutsch-Kärntner, Interessen."? (Abg. Dr. Graf: Verfolgungswahn!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich mag mich eigentlich nicht mit der FPÖ beschäftigen. Wenn aber die FPÖ Steuermittel beziehungsweise Parteienförderung – wo sie hier doch immer so groß die Saubermann-Rolle spielt – dazu verwendet, um gegen Zweisprachigkeit, das heißt gegen kulturelle Vielfalt, zu hetzen, dann darf das nicht einfach ungestraft und unerwähnt bleiben! (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Alle Freiheitlichen


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gehören für Sie 20 Jahre hinter Gitter! Das ist Ihre Haltung! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist Ihre Philosophie! – Abg. Dr. Graf: Sie wollen uns alle einsperren für 20 Jahre! Eine Million Leute wollen Sie einsperren! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Auf der anderen Seite haben Sie ja überhaupt keinen Genierer – und jetzt kommen wir nämlich auf den Kollegen Meischberger, der sich da so intensiv mit der Medienförderung und Presseförderung beschäftigt hat. Wenn ich zum Beispiel nur einen kleinen Blick auf die Förderungen für Tageszeitungen und für Wochenzeitungen werfe und dann eine ganz kleine Rechnung mache und schaue, wieviel Förderung eigentlich die freiheitlichen "Kärntner Nachrichten" vom Bund kriegen – eine freiheitliche Zeitung in Kärnten, Sie müssen sie nicht kennen; sie ist es nicht wert, daß man sie kennt – und das vergleiche, dann sehe ich, es ist ein Millionenbetrag, der einer freiheitlichen Kärntner Zeitung, nämlich den "Kärntner Nachrichten" aus dem Staatssäckel zufließt, dann sehe ich, daß dieser Betrag höher ist als die gesamte Subvention für den Tjednik, für den Slovenski Vestnik und für die Nedelja, für diese drei slowenischsprachigen Zeitungen in Kärnten gemeinsam.

Meine Damen und Herren! Man kann leicht hier stehen und gegen Presseförderung, Parteienförderung und so weiter wettern, wenn man gleichzeitig einer der größten Oberabkassierer in diesem Staat ist. (Beifall bei den Grünen.) Die Kollegen von der ÖVP, von den Liberalen und von der SPÖ wissen das nicht, daher sehe ich es als meine Aufgabe an, hier auch ein bißchen Aufklärung zu betreiben. Sie von den Freiheitlichen haben ohnehin keinen Genierer, Sie kassieren, wo es geht, und hetzen, wo es geht. Aber wir werden uns das nicht gefallen lassen! Diese Zeiten habe ich für vergangen angesehen, und jetzt gilt nur mehr eine Devise: Wehret den Anfängen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Wieviel Prozent der Stimmen haben Sie in Stinatz?)

15.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist die Frau Abgeordnete Bauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.46

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich möchte mich nur in einem Punkt auf die Vorrednerin, Frau Kollegin Stoisits, beziehen. (Abg. Dr. Stummvoll: Ist nicht notwendig! – Zwischenrufe bei den Grünen.) Keine Angst, was euch betrifft. Das schlechte Gewissen schlägt wohl durch. Ich wollte eigentlich etwas ganz anderes sagen. Sie hat hier sehr engagiert und sehr sympathisch für die Minderheiten gekämpft. Ich habe mich zum Thema Frau gemeldet, und ich erlebe hier in der Behandlung der Frauenfrage sehr oft auch dieses Thema Minderheiten, denn obwohl die Frauen die Mehrheit bilden, habe ich oft das Gefühl, daß ich für eine Minderheit spreche. (Abg. Böhacker: Aber, Frau Abgeordnete! Das stimmt doch nicht!) – Ich werde Sie bei jeder Gelegenheit, bei der ich Sie erwische, tatsächlich beim Wort nehmen! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der letzten Zeit haben wir Parlamentarier in unseren Fächern sehr viele Publikationen betreffend Frauen vorgefunden. Ich habe nur zwei hier. Die eine ist eine Schrift der Familienministerin Moser, in der es um die Zeitökonomie geht; Frau Kollegin Mertel hat sie schon angesprochen, die zweite ist ein Forschungsbericht aus "Sozial- und Arbeitsmarktpolitik", Erfahrungen der Wiedereinsteigerinnen. Und es sollte, würde ich auch den Aktionismus für mich in Anspruch nehmen, auch noch der Frauenbericht und der Sozialbericht hier liegen. Das alles sind Publikationen, die ein trauriges Bild davon geben, daß sich seit mehr als zehn Jahren in der Frauenfrage eigentlich sehr wenig bewegt.

Die Frau Kollegin Mertel hat vorhin davon gesprochen, daß die Frauen ihre Wahlfreiheit nicht in Anspruch nehmen können. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich behaupte, Frauen haben gar keine Wahlfreiheit. Wir haben sehr viel gekämpft, aber letztendlich, wenn es um unsere eigenen Bedürfnisse geht, dann ist diese "Wahlfreiheit" vielfach ein leeres, hohles Wort. (Beifall bei der ÖVP.) Wir haben eine zu wenig breite Palette und viel zu wenige Lösungsmöglichkeiten anzubieten. Das ist keine Kritik an der Frauenministerin – daß das nicht falsch


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verstanden wird –, sondern das ist einfach eine ehrliche Erhebung des Status quo, die wir machen müssen.

Uns trennen vier Jahre von der Wende zum nächsten Jahrtausend. Wahrhaft eine sehr kurze Zeit! Diese vier Jahre decken sich, so hoffe ich, mit dieser Legislaturperiode. Die heutigen Budgetberatungen befassen sich mit den Jahren 96 und 97, das ist also sozusagen die halbe Zeit dieser Legislaturperiode. Aber: Nicht alles, was machbar ist, was aus dem Budget heraus entwickelt und finanziert werden kann, ist so erfolgreich, daß es den Frauen tatsächlich Hilfe bringt. Denn wir brauchen über die finanziellen Zuwendungen und über die budgetären Maßnahmen hinaus natürlich auch andere Maßnahmen, die zum Beispiel die Länder, die Gemeinden setzen. Manchmal ist es etwas, was nicht einmal etwas kosten würde. Ich meine Regelungen, Förderungen oder Änderungen, die aufgrund der Bedürfnisse der Frauen zu treffen wären und tatsächlich nicht mit Geld zu bezahlen sind, auch keine finanziellen Auswirkungen hätten, sondern einfach eine Anerkennung dessen wären, was Frauen tatsächlich brauchen und in welchen Bereichen man ihnen helfen könnte.

Im "Standard" vom 8. März, dem Internationalen Frauentag, hat sich Herr Dr. Rainer Münz in einem Interview über die Frauensituation geäußert. Er hat gemeint: "Die Euphorie ist weg, Kind plus Karriere bleibt für die Frauen ein Hauptproblem." – Und so ist es auch.

Es sind zwei ganz wesentliche Dinge, die die Frauen betreffen und die ganz besonders gravierend aus den Bedürfnissen der Frauen hervorstechen beziehungsweise einer Regelung und einer raschen Veränderung, einer Verbesserung bedürfen. Die Frau von heute und ihr Kinderwunsch beziehungsweise ihr Familienwunsch bildet dabei die Grundlage.

Die Frau von heute hat nur drei Möglichkeiten: Sie will Karriere machen, dann muß sie auf Familie verzichten, besser gesagt: Dann verzichtet sie auf Familie. Das ist der sicherste Weg, tatsächlich auch Karriere zu machen. Oder sie verzichtet auf Karriere und Beruf und entscheidet sich für die Familie. Das ist ein fast sicherer Weg in die Armut oder zumindest an die Armutsgrenze, auf jeden Fall aber ein sicherer Weg des sozialen Abstiegs, wenn wir dagegen keine Maßnahmen in Richtung von Verbesserungen setzen. Und ihre Chance, jemals wieder in den Beruf einzutreten, ist heute geringer denn je und wird auch in den nächsten Jahren nicht viel größer sein. Daher entscheiden sich viele Frauen für Familie und Beruf. Sie wollen beides. Sie wollen das allerdings hintereinander und zum Teil nicht nebeneinander. Doch die Situation, die wir heute in der Arbeitswelt vorfinden, und der Wunsch, den Arbeitsplatz nicht zu verlieren oder nach der Karenz nicht gekündigt zu werden, bedeuten für viele Frauen, beides nebeneinander zu verbinden – natürlich mit einer Doppel- und Dreifachbelastung. Denn vorwiegend – und das ist nichts Neues, das sagen wir immer wieder, aber es hat sich in diesem Bereich trotz aller Appelle nichts geändert – bleibt die Hauptarbeit mit Kindern, mit Familie den Frauen – beweisbar, nachschlagbar in diesem Heft von Sonja Moser. Darin sehen wir, daß alle Appelle nichts nützen. (Beifall der Abg. Dr. Sonja Moser und Steibl. )

Jetzt gibt es natürlich Lösungsvorschläge. Die Frau Bundesministerin meint, daß es vielleicht etwas fruchten könnte, einen Passus in der Verfassung zu ändern und die partnerschaftliche Aufteilung der Hausarbeit einzuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Mertel hat vorhin gemeint, wir hätten die partnerschaftliche Ehe schon einige Jahrzehnte lang. Partnerschaftlich ist sie meiner Meinung nach nicht. Daher haben wir Bedenken und fürchten, daß wir für die Umsetzung dieser Regelung, auch wenn wir die Aufgabenteilung bei der Hausarbeit noch so genau in die Verfassung hineinschreiben, auch 20 Jahre brauchen, und sie dann noch immer nicht verwirklicht sein wird.

Ich persönlich glaube eher, daß man verschiedene Ansätze finden muß. Ich glaube eines, meine Damen, und da wende ich mich vor allem an Sie und an alle Frauen, und ich sage das immer wieder: Wir müssen unsere Söhne einfach partnerschaftlicher erziehen! (Beifall bei der ÖVP.) Das ist zwar eine sehr schwierige Sache. Offensichtlich gelingt das selten. Ich weiß nicht, vielleicht liegt es bei manchen Kindern einfach nicht im Blut, sich im Haushalt mitzubeteiligen.


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Aber ich glaube auch nicht, daß es eine Frage der Erbmasse ist, sondern daß tatsächlich neben der Erziehung das Vorbild eine der größten Rollen spielt, das Vorbild, das einfach inhaliert wird durch die Wirkung der männlichen Familienmitglieder, der Väter, der Onkel und dergleichen mehr. Kolleginnen – ich selbst bin nicht Mutter eines Sohnes – erklären mir, daß es äußerst schwierig ist, wenn das entsprechende Vorbild oder die Vorbildfunktion fehlt, die heranwachsenden Männer tatsächlich zur partnerschaftlichen Aufgabenteilung zu erziehen. Wir sollten es aber dennoch versuchen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Diese Situation stellt sich den Frauen, und letztendlich werden sie in der Wahl, welches Lebensmodell sie wählen, allein gelassen. Daher ist es unabdingbar und, wie ich glaube, auch ein Gebot der Stunde, jenen Frauen unter die Arme zu greifen, die Familie und Beruf verbinden müssen. Wir brauchen selbstverständlich einen Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Da können die 600 Millionen sehr hilfreich sein, aber es kann sich nicht auf diesen einzigen Posten beschränken, wir brauchen da eine kontinuierliche Entwicklung. Vielleicht wird das eine Modell einmal nicht mehr zur Verfügung stehen oder nicht gebraucht werden, aber ein neues oder anderes wird wichtig sein. Wir brauchen auch da mehr Flexibilität und mehr Bedarfsbezogenheit. Das kann aber nur die Gemeinde feststellen. Mit diesen Forderungen muß sich der Familiengemeinderat auseinandersetzen und auch Lösungsansätze hierfür finden. Wir haben als Parlamentarier für die Rahmenbedingungen vorzusorgen, natürlich zum Teil auch fürs Budget, aber auch von der Stimmung her Unterstützung zu geben.

Ich bedaure es sehr, daß das zweite Karenzjahr, das ja auch eine Hilfe für die Frau war, die im Beruf stand, jetzt auf eineinhalb Jahre gekürzt wurde. Ich bin allerdings nicht der Meinung der Frau Frauenministerin Konrad, daß das auch in besseren Zeiten nicht wieder geändert werden soll, weil der Wiedereinstieg in den Beruf so schwierig ist. Ich glaube, wir sollten nicht demotivierend sagen: Es ist schwierig einzusteigen, deshalb verzichten wir auf dieses halbe Jahr Karenz!, sondern dann sollte alle Kraft dazu verwendet werden, den Wiedereinstieg auch nach zwei Jahren für die Frauen ganz wesentlich zu verbessern! (Beifall bei der ÖVP.)

Ein weiterer Punkt ist mir persönlich sehr wichtig. Da darf es dann auch keine Sonntagsreden geben, sondern wir brauchen – obwohl es schwierig ist – hier wirklich konkrete Ansätze, wenn wir weiterkommen wollen. Dieser zweite Schwerpunkt ist die Arbeitswelt der Frauen. Es ist wirklich eigenartig, daß Frauen, wenn sie sagen, sie wollen ihre familiäre Aufgabe und den Job verbinden, nicht das gleiche Gehör finden wie zum Beispiel Männer, die sagen, sie wollen mehr Freizeit, sie haben ihre Bedürfnisse geändert. Dafür findet man eher Gehör. Da heißt es: Aha, wir brauchen Änderungen in der Arbeitszeit, mehr Flexibilität, damit man diesen Bedürfnissen entsprechen kann. Ich glaube, für beide ist es wichtig, aber es sollte auch für Männer diese Flexibilisierung möglich sein, damit sie nicht die Ausrede haben, im Familienbereich können sie sich um Kinder und Haushalt nicht mitkümmern, weil sie so unter Arbeitsdruck stehen.

Daher ist eine Flexibilisierung der Arbeitszeit sehr wichtig, und zwar von Teilzeit bis hin zu verschiedenen flexiblen Arbeitszeitformen, die die Frauen dringend brauchen, weil ihre Lebenssituation recht unterschiedlich ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich wäre die Vollarbeitszeit das Ideale, auch von den sozialen Rechten her gesehen. Da hat zum Beispiel auch Brigitte Ederer eine ganz andere Meinung als Kollegin Mertel. Von Frau Brigitte Ederer habe ich gelesen, daß sie gemeint hat, es wird so schwierig sein, in Zukunft neue Jobs zu haben, mehr Jobs zu haben – und sie macht sich genau wie ich Sorgen um die Arbeitsplätze der Frauen in der Zukunft, sogar in der nahen Zukunft –, daß die Alternative gar nicht heißen wird, Teilzeitjob oder Vollarbeit, sondern sie wird vielleicht heißen, Teilzeitjob oder überhaupt keinen. Das ist zwar ein düsteres Bild, aber auch in dieser Richtung müssen wir nachdenken, damit wir den Frauen sehr wohl den Berufseinstieg beziehungsweise die Berufstätigkeit ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, daß wir die Effizienz aller Maßnahmen sehr gut überdenken müssen. Das zweite Karenzjahr war ein sicheres Zeichen eines effizienten, bedarfsgerechten Angebots für die Mütter, und es sollte uns gelingen, noch viele andere Regelungen von gleicher Treffsicherheit zu erreichen.


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Ein weiterer Punkt, und mit diesem möchte ich aus Zeitknappheit abschließen, ist die Sorge um Frauen um die fünfzig. Wir alle sehen, daß es da irrsinnige Einschnitte gibt und daß Frauen um die fünfzig sehr leicht aus dem Arbeitsprozeß herausfallen können. Aber diesbezüglich gibt es – für alle zum Nachlesen – tatsächlich auch Regelungen im Rahmen der Strukturanpassungsgesetze, womit man versucht hat, das Ärgste für die Frauen aufzufangen. Man kann darüber diskutieren und man wird vor allem abwarten müssen, ob das Bonus-Malus-System tatsächlich so schlecht für die Frauen ist. Wer die Schriftenreihe der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik genau liest – da geht es zum Beispiel um Wiedereinsteigerinnen –, der wird dort vorfinden, daß Frauen meinen, wenn der Betrieb dafür unterstützt wird, daß er sie behält, wenn sie über fünfzig sind, dann wäre ihnen das sehr recht. Sie sprechen darin dieses Bedürfnis aus, wenn es auch genau das Gegenteil von dem ist, was Kollege Frischenschlager offensichtlich erahnt. Aber dazu gibt es tatsächlich eine ganz klare Willensbildung der Frauen um fünfzig.

Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe nur einige Punkte anreißen können. Ich glaube, wir sollten uns zusammensetzen und rasch Prioritäten setzen. Wir sollten natürlich auch im Bereich der EU-Förderungen etwas tun. Hier gibt es eine breite Palette, weil die Frauenpolitik einfach eine Querschnittsmaterie ist. Aber wir sollten ganz bewußt, gemeinsam und sehr stark, alle Problempunkte herausarbeiten. Ich glaube, wir liegen auch, wenn wir die Bedürfnisse der Frauen und die Bedürfnisse der Kinder vor Augen haben, gar nicht so weit auseinander. Es dürfen uns nur Vorurteile und Ängste, daß das eine oder andere passieren könnte, nicht gleich von vornherein trennen. Wir sollten vielmehr wirklich gut diskutieren und sollten uns dann wirklich, sozusagen Schritt für Schritt, eine Offensive, eine Strategie zurechtlegen, wie wir mit einer erfolgreichen Bilanz für die Frauen in das nächste Jahrtausend gehen können! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Ing. Tychtl. )

16.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 1 und 2.

Besprechung der Anfragebeantwortung 109/AB

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Wir kommen nun zur Besprechung der Anfragebeantwortung durch den Bundesminister für Inneres mit der Ordnungszahl 109/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist im Saal verteilt worden, eine Verlesung erübrigt sich.

Wir treten in die Debatte ein.

Ich erinnere daran, daß die Redezeit nach § 92 Abs. 5 Geschäftsordnungsgesetz maximal 15 Minuten beträgt.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Ich erteile es ihm.

16.01

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Die heute bereits geführte Debatte rund um die Frage, inwieweit die Weisung des Ministers im Zusammenhang mit der ERNK, einer Unterorganisation der kurdischen kommunistischen Arbeiterpartei PKK, zu strafrechtlichen Konsequenzen führen wird oder nicht, ging eigentlich am Kern vorbei. Sie leitet gleichzeitig aber in weiterer Folge, wie ich noch referieren werde, zur Anfragebeantwortung, die nunmehr in Debatte steht, und zu Herrn Purtscheller über.

Der Kern des Vorwurfes müßte nicht sein, ob das, was der Herr Minister gemacht hat, streng nach dem Gesetz rechtswidrig war oder nicht. Es geht vielmehr darum, ob ein Minister richtig handelt, der – und zwar im Wissen darum, daß die PKK und ihre Teilorganisationen im Ausland verboten sind, im benachbarten Ausland als terroristische Organisationen behandelt werden, vom österreichischen Obersten Gerichtshof als terroristische Organisationen eingestuft werden – mittels Weisung quasi verfügt, ob diese Organisation in Österreich tätig sein darf oder nicht,


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indem er mittels Weisung anordnet, daß jede Beobachtung und Observation dieser Organisation eingestellt werden soll, bis weitere Anschläge erfolgen, die auf dieses Büro zurückgeführt werden können.

Meine Damen und Herren! Das ist der Kern des Vorwurfes: Der Bundesminister weiß, daß diese Organisation kriminell ist, er weiß, daß sie Anschläge verübt, er weiß, daß Schutzgeld erpreßt wird. Und dennoch erteilt er seiner Polizei die Weisung: Diese Organisation ist in Ruhe zu lassen, bis weitere Anschläge es erforderlich machen, daß man sich wieder ein bißchen um die linke Organisation aus dem wilden Kurdistan kümmert!

Der Vorwurf bezieht sich darauf, daß ein Minister in diesem Ministerium sich geriert, als gäbe es in dieser Republik keinen linken Terror, als würde nicht eine ganz bestimmte Terrororganisation Terror nach Österreich tragen. Es ist nämlich nicht wahr, was der Bundeskanzler gesagt hat! – Diese Organisation entfaltet sehr wohl terroristische Aktivitäten von Schutzgelderpressung bis zu Anschlägen etwa in Oberösterreich.

Der Vorwurf bezieht sich darauf, daß er all das nicht zur Kenntnis nimmt, sondern daß sich diese Organisationen auch noch der besonderen Patronanz des Herrn Innenministers erfreuen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! All das fällt zu Zeiten vor, zu denen etwa die von Klubobmann Khol bereits genannte Abu-Nidal-Gruppe in Österreich mit Duldung der Staatspolizei ein Büro eröffnen darf. All das ereignet sich, nachdem der Herr Bundesminister mir in einer weiteren Anfragebeantwortung mitgeteilt hat, daß er sich um die ERNK gar nicht kümmern könne, weil es diese ERNK in Österreich offiziell gar nicht gäbe. Daher könne er auch keine Tätigkeiten gegen diese ERNK entfalten. – Er hat sich allerdings mittlerweile durch seine Patronanz gegenüber dieser ERNK und der PKK selber widerlegt.

Meine Damen und Herren! Anwalt dieser PKK ist der bereits bekannte Freund des Ministers, mit dem er seit zehn Jahren eng befreundet ist – zumindest nach Auskunft des betroffenen Anwaltes –, nämlich der Anwalt Prader, der sich mittlerweile um Immunität bemüht, índem er sich um ein Wiener Mandat auf der Landtagsliste der Grünen bemüht.

Meine Damen und Herren! Dieser Freund, mit dem sich der Herr Minister regelmäßig trifft und sich dabei staatspolizeilich schützen läßt, war es auch, der verschiedene PKK-Aktivisten und verschiedene DEV-SOL-Aktivisten als Verteidiger immer wieder vor Gericht vertreten hat. So hat er etwa den bereits bekannten Herrn Haidar Kilic anwaltlich vertreten, der in Wien in eine Schießerei mit einem Komplizen verwickelt war. Ein Mann wurde in einem türkischen Café von einem Mittäter in den Oberschenkel geschossen. Dieser Haidar Kilic taucht auch bei den Ermittlungen im Zusammenhang mit dem zum Teil jedenfalls noch ungeklärten Sprengstoffanschlag in Ebergassing auf.

Dieser Anwalt Prader, Freund des Ministers, hatte zu Zeiten, als der Herr Minister wegen seiner "TATblatt"-Spenden ins Gerede gekommen ist – erste Spende: Anschaffung einer Druckmaschine für das "TATblatt", zweite Spende: kostenmäßige Prozeßbeteiligung hinsichtlich der Prozeßkosten gegen die FPÖ –, besten Umgang mit dem bereits zitierten Journalisten Wolfgang Purtscheller.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wolfgang Purtscheller – ich habe es am Freitag bereits dargetan – ist mittlerweile ins Ausland abgetaucht. Er hat zu wiederholten Malen Hinweise aus der Staatspolizei beziehungsweise aus dem Innenministerium bekommen, daß er ins Ausland abtauchen soll. Er pendelt zwischen Mexiko und Berlin hin und her, in Österreich läßt er sich jedoch nicht blicken, weil es in Österreich nicht erwünscht ist, daß er hier auftaucht. Und der Herr Minister teilt uns in seiner Anfragebeantwortung auf die Frage, ob es Ermittlungen gegen Herrn Purtscheller im Zusammenhang mit dem Sprengstoffanschlag in Oberwart gibt, lapidar mit: Nein, das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Purtscheller ist in diesem Zusammenhang ein völlig unbeschriebenes Blatt. Herr Purtscheller hat nur eines getan: Er hat im Österreichischen


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Rundfunk im "Abendjournal" am 10. April 1995, um 18 Uhr, in Radio Österreich ein Attentat für die Osterfeiertage vorausgesagt. – Im Jahre 1995 fielen die Karwoche und die Osterfeiertage zwischen Montag, 10. April, und Ostermontag, 17. April. Für diese Osterfeiertage sagte der Herr Purtscheller ganz präzise ein Attentat voraus.

Ich beziehe mich auf eine Meldung der APA, der gegenüber Purtscheller noch deutlicher als im ORF war. Herr Minister! Er muß wirklich beste Kontakte ins Innenministerium haben: Er sagte nämlich, daß auch das Innenministerium von einem Attentat aus der rechtsextremen Szene für die Osterfeiertage ausgehe. Das bestätigt er dann auch gegenüber der APA, wo er sagt: "Dazu komme noch, daß Informationen vorlägen, wonach die rechtsradikale Szene einen weiteren Anschlag für die Osterzeit geplant habe." – Ende des Zitates, meine Damen und Herren.

Deswegen wird Herr Purtscheller einvernommen. Der Herr Minister findet das aber noch immer nicht verdächtig. Es gibt keine Ermittlungen gegen Herrn Purtscheller. Man nimmt eine Einvernahme des bereits zitierten Journalisten wegen seiner Attentatsankündigung vor, nimmt aber im übrigen – und dabei handelte es sich um niemand Geringeren als den damals frisch im Amt befindlichen Innenminister höchstpersönlich – eine Zuordnung der Täter, exakt wie Herr Purtscheller es vorausgesagt hat, vor: Rechtsradikale müßten es gewesen sein.

So ist etwa der ORF vorgegangen: Am 19. April 1995 ist in einem Kommentar des Herrn Kössler nachzulesen, der in diesem Haus jedenfalls auch kein Unbekannter ist und über sehr gute persönliche Beziehungen zu Mitgliedern dieses Hauses verfügt, daß bereits bekannt sei, daß Rechtsradikale die Stromversorgung Wiens lahmlegen wollten.

Der Herr Innenminister wußte überhaupt nicht, wohin er zuordnen soll. Er hat so getan, als ob ihm die Leute dort völlig unbekannt seien. Was der Herr Innenminister verschwiegen hat, meine Damen und Herren, Hohes Haus, ist, daß er einen der getöteten Attentäter persönlich kannte und mit ihm wegen seiner Spendentätigkeit für das "TATblatt" in persönlichem Kontakt gestanden war.

Hohes Haus! Herr Innenminister! Der bereits zitierte Herr Purtscheller wurde von Ihrem Vorgänger gegenüber dem Hohen Haus als jemand identifiziert, bei dem etwa bei einer Polizeiaktion im Kirchweger-Haus ein Message pad, ein Notizblock, beschlagnahmt wurde, in welchem sich genaue Anleitungen zum Bau von Bomben befanden. – Das teilte uns der Herr Minister am 5. Jänner in einer Anfragebeantwortung schriftlich mit. (Abg. Dr. Haider: Minister Löschnak!) – Ich sage ja: Einems Vorgänger. – Wir denken jetzt wehmütig an die Zeiten des Franz Löschnak zurück, und es wäre eigentlich heute noch zu klären, unter welchen Umständen und mit welcher Begründung dieser Franz Löschnak fluchtartig das Innenministerium verlassen hat, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser Innenminister sagte dann am 8. Februar in einer mündlichen Anfragebeantwortung neuerlich, daß gegen Herrn Purtscheller ermittelt wird, weil er über eine Anleitung zum Bau von Bomben verfügt.

Innenminister Einem sagt jedoch: Der ist nicht verdächtig und hat mit Ebergassing nichts zu tun. Obwohl er den Anschlag ankündigt, wird gegen ihn nicht ermittelt. – Übrigens ist er ja aufgrund einer entsprechenden Warnung im Ausland.

In jenem Ernst-Kirchweger-Haus wird Herr Purtscheller mit einer Anleitung zum Bau von Bomben angetroffen, wo einige Monate später ebenfalls ein Rezeptbuch, und zwar ein über 100 Seiten starkes, zum Bau von Bomben gefundet wird.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! All das sind aber offenbar keine Gründe, gegen Herrn Purtscheller Ermittlungen einzuleiten. Das ist aber auch verständlich, meine Damen und Herren: Würden Sie gegen Ihren Freund ermitteln, den Sie über Ihren Freund, Anwalt Prader, ersucht haben, Ihnen einen Ersatztäter zum Fraß für die Öffentlichkeit zu organisieren? Würden Sie gegen einen Freund ermitteln, der Sie entlasten soll, der für Sie einspringen soll und Ihnen einen Täter bringen soll, nur weil Sie wegen Ihrer eigenen "TATblatt"-Spenden ins Gerede gekommen sind? – Diesem Freund wurde im übrigen die Zusicherung gegeben, daß dieser vorgebliche


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Täter nach wenigen Monaten bereits wieder aus dem Gefängnis entlassen werden wird. – Würden Sie gegen einen derartigen Mann Ermittlungen aufnehmen, oder wären Sie nicht auch froh, wenn sich dieser Mann ins Ausland absetzt und für den Herrn Minister und für die Staatspolizei nicht mehr erreichbar ist?

Herr Minister! Wolfgang Purtscheller selbst wird in den "Antifaschistischen Nachrichten" am 4. Mai 1995 wie folgt zitiert wird: Wolfgang Purtscheller sagte ebenfalls, daß der Text – gemeint ist jener Text der Strafanzeige des Herrn Oberschlick gegen Sie – nicht von ihm stamme. Die Angaben stimmten aber grosso modo. Prader habe die Warnung vor einer eventuellen blutigen Verhaftung zwar nicht als Drohung geäußert, aber wohl – so meinte Purtscheller – aus tiefer Sorge, daß die Polizisten durchdrehen könnten. Auch das Versprechen einer Höchststrafe von einem halben Jahr sei sehr wohl gegeben worden. Das hat er zehnmal gesagt, so Purtscheller, dafür gibt es Zeugen.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Unglaublich! Ein Minister versucht, sich über einen verdächtigen Mann, gegen den man bewußt nicht ermittelt, einen Ersatztäter zur Vorführung an die Öffentlichkeit zu organisieren. Und dieser Minister sorgt dann auch noch dafür, daß dieser Mann sich auch noch ins Ausland absetzen darf, damit er für die heimische Polizei nicht greifbar ist, meine Damen und Herren, Hohes Haus! Das ist ein Skandal erster Güte, ein Skandal, wie sie sich rund um diesen Minister mittlerweile ja häufen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! In diesem Zusammenhang gewinnt es immer wieder eine eigenartige Optik, daß Sie es waren, der gegenüber der Öffentlichkeit ganz bewußt und gezielt die Falschbehauptung vertreten hat, daß der flüchtige Täter von Ebergassing, Bassam Al Taher, angeblich aufgrund einer Warnung, die ich in meiner Pressekonferenz am 3. Mai gegeben haben soll, untergetaucht ist. – Zu dem Zeitpunkt – das kann ich dem Herrn Minister nachweisen – wußte der Herr Minister schon, daß dieser Mann bereits seit 13 Tagen flüchtig war, sich also bereits 13 Tage vor meiner Pressekonferenz ins Ausland abgesetzt hatte!

Dieser Minister läßt sich einen Täter organisieren, kennt den Terroristen Thaler persönlich, macht für die Szene Spenden, hatte früher große Sympathien für die RAF-Terroristen, informiert die Öffentlichkeit bewußt falsch – und ich frage mich: mit welchem Hintergedanken? –, was das Untertauchen eines Schwerkriminellen anlangt, der sich mittlerweile ebenfalls ins Ausland abgesetzt hat, meine Damen und Herren: Das sind die Tätigkeiten des Innenministers Caspar Einem.

Erst wenige Wochen im Amt, erteilt er eine Weisung, daß die PKK nicht zu observieren ist, bis sie weitere Anschläge macht. Er ist erst wenige Wochen im Amt, da stellt sich heraus, daß dieser Minister für die Szene spendet. Der Minister ist erst wenige Wochen im Amt, und schon haben wir in Österreich ein sicherheitspolitisches Tohuwabohu rund um einen Journalisten, der im übrigen – und das hat auch niemand untersucht, das war bis heute kein Thema für die Öffentlichkeit – als einziger Zugang zu der damals noch gesuchten und für tot geglaubten Beate Graf hatte, wie er in der Zeitung höhnte.

Meine Damen und Herren! Mein Kollege Schweitzer wird, denn meine Redezeit ist gleich zu Ende, noch dartun, warum es acht Stunden gedauert hat, bis in Oberwart die Polizei verständigt wurde, warum Herr Purtscheller vor der Polizei wußte, daß ein Bombenanschlag verübt wurde, warum Herr Purtscheller Medien verständigt hat, bevor die Polizei verständigt wurde, warum Herr Purtscheller vorher am Tatort war, wobei mittlerweile zweifelsfrei feststeht, daß der Tatort manipuliert war.

An diesem Tatort waren nämlich Gegenstände in einer Streulage zu finden, wie es sprengtechnisch gar nicht möglich ist. Und der Herr Minister versucht jetzt wieder, uns falsch zu informieren, was die Existenz der Lederjacke anlangt, die unter dem Kopf eines der getöteten Roma in Oberwart entdeckt wurde. Der Herr Minister will uns im ORF weismachen, ein Verwandter hätte ihm diese unter das Haupt gelegt. Meine Damen und Herren! Einem Toten legt man keine Jacken unters Haupt, einem Toten legt man, wenn überhaupt, Jacken übers Haupt! Diese Jacke, Hohes Haus, ist aber unter dem Haupt eines der Opfer gefunden worden, und diese Jacke ist verschwunden.


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So führen diese und einige andere Eigenartigkeiten rund um den Anschlag in Oberwart immer wieder zu Herrn Purtscheller, der vorzeitig am Tatort war und mit diesen Dingen mit Sicherheit etwas zu tun hatte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Purtscheller wurde – das steht heute auch fest – zweifelsfrei von keinem Geringeren geführt als vom ehemaligen Chef der Staatspolizei, dem mittlerweise suspendierten Oswald Kessler. – Oswald Kessler war jener Mann, der Herrn Purtscheller geführt hat. Purtscheller war V-Mann des Innenministeriums. Purtscheller hatte Zugang zu allen möglichen Unterlagen des Innenministeriums, wie auch ein anderer ominöser Herr, gegen den ermittelt wird, meine Damen und Herren, Hohes Haus, von dem ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter! Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir werden uns wahrscheinlich in diesem Haus und in diesem Jahr noch häufiger mit der Frage und der Rolle des Innenministers in diesen schweren Bombencausen auseinandersetzen müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Die entsprechende Geschäftsordnungsbestimmung ist bekannt.

16.17

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Stadler hat behauptet, daß sich Herr Prader um Immunität bemüht, indem er sich um ein Landtagsmandat bemüht.

Diese Behauptung des Herrn Abgeordneten Stadler ist natürlich unrichtig (Abg. Dr. Graf: Woher wollen Sie das wissen?): Herr Prader hat ausdrücklich bei seiner Kandidatur für den Wiener Landesvorstand erklärt, daß er sich nicht um ein Mandat für die Wiener Landtagswahlen bewirbt.

16.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.18

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Mag. Stadler! Sie haben auch heute wieder einmal maßlos übertrieben. Sie haben hier wortgewandt und nicht ungeschickt argumentiert, aber Sie haben vorwiegend Behauptungen aufgestellt und sind jeglichen Beweis schuldig geblieben. (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Ich darf daher der Wahrheit die Ehre geben und kann Ihnen versichern: Es gibt in Österreich keinen linken Terror, und es gibt auch keinen Terror durch die Kurden. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ein bissel mehr Objektivität und Seriosität wäre schon angebracht! (Abg. Dr. Graf: Sie haben offensichtlich Scheuklappen!)

Ich habe Verständnis, wenn Sie nur der Opposition das Wort reden. Ich möchte aber festhalten, wenn Sie heute immer wieder Herrn Purtscheller angeführt haben: Ich kenne ihn nicht, ich bin nicht sein Pflichtverteidiger und will hier auch keine Charakteristik seiner Person geben, aber ich muß sehr wohl betonen, meine Damen und Herren: Es gab ein Verfahren auf Polizeiebene, das abgeschlossen worden ist und nunmehr gerichtsanhängig ist. (Abg. Mag. Stadler: Es ist noch nicht abgeschlossen! Sie sind miserabel informiert!) Die Exekutive hat ihre Erhebungen abgeschlossen. Dieser Fall ist nun gerichtsanhängig, und wir werden sehen, was sich ergibt.

Mir geht es darum, zu betonen, daß in dieser sehr ernsten Angelegenheit nur aufgrund von Fakten ermittelt wird.


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Und man sollte bei dieser Gelegenheit auch folgendes festhalten, Herr Mag. Stadler: Ob es uns oder Ihnen nun paßt oder nicht, es gibt gegen Herrn Purtscheller weder Hinweise noch Verdachtsmomente bezüglich einer Mitwirkung am Sprengstoffanschlag in Ebergassing. Das ist das Ergebnis der Ermittlungen der zuständigen Sicherheitsbehörden, und das haben wir hier zur Kenntnis zu nehmen. (Abg. Mag. Stadler: Ihr eigener Minister Löschnak hat eine andere Antwort gegeben!)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie immer wieder von Angriffen betreffend Ebergassing und von der Vorgangsweise gegen die Kurden reden, darf ich schon sagen: Auch durch Wiederholungen werden Ihre Vorwürfe nicht richtiger! Die Erhebungen im Fall Ebergassing sind abgeschlossen, sie sind mittlerweile gerichtsanhängig, und wir wollen den Entscheid der Gerichte hier abwarten. (Abg. Mag. Schweitzer: Wo sind die Mittäter?)

Herr Mag. Schweitzer! Es gibt Haftbefehle! Das wissen Sie, wenn Sie den Akt gelesen haben. Es wird nach dem Beschuldigten und nach dem Verdächtigen gefahndet. Sie können jetzt dem Herrn Bundesminister nicht irgend etwas anhängen, sondern die Gerichte haben das Reden, und daran wollen wir festhalten.

Herr Mag. Stadler! Ich möchte Sie daran erinnern: Gerade Sie waren es, der in der Causa Ebergassing sehr früh und – wie es Ihrem Naturell entspricht – sehr voreilig mit einer Information an die Öffentlichkeit gegangen ist. Dadurch haben Sie es auch möglich gemacht, daß dieser Verdächtige flüchten konnte. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Der Grund dafür war ausschließlich Ihr negatives Verhalten! Das möchte ich hier auch erwähnen! Das sollte man nicht vergessen! (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Uns geht es bei der Kurdenpolitik darum, daß keine Konflikte nach Österreich übertragen werden. Und die internationale Anerkennung bestätigt die Richtigkeit unseres Weges. Wir werden diesen Weg auch weitergehen. Denn durch diese Politik ist es in Österreich – im Gegensatz zu Deutschland und Frankreich – zu keinen wie immer gearteten Gewaltakten gekommen. Uns geht es um die Sicherheit Österreichs. Das ist ein wichtiges Anliegen, um das wir uns gemeinsam zu bemühen haben. Und diesen Weg werden wir auch weitergehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, daß das auch der Meinung des Kollegen Ofner entspricht. Ich habe hier eine Unterlage: Kollege Ofner hat am 26. März 1996 in einem Interview die Meinung geäußert, daß er seinerzeit nach dem PKK-Verbot in Deutschland auch ein entsprechendes Verbot in Österreich verlangt habe. – Ich darf zitieren: "Ich habe mittlerweile meinen Standpunkt etwas revidiert: Die PKK stellt in Österreich nur ein marginales Problem im Vergleich zu Deutschland dar. Solange sie nicht zum Unruheherd wird, könnten wir so weiterleben wie bisher." – Herr Dr. Ofner! Ich muß Ihnen in diesem Punkt vollinhaltlich recht geben! Sie haben erkannt, wie die Politik in diesem Zusammenhang zu sehen ist.

Wir bemühen uns, diesen Weg weiterzugehen, und daher dürfen wir nicht aus kleinlichen, parteipolitischen Überlegungen heraus Kapital schlagen. Denn das Thema Sicherheit, meine Damen und Herren, ist ein sehr ernstes Thema mit Tiefgang. Wir wollen nicht parteipolitischem Hick-hack das Wort reden, sondern wir bemühen uns um Sicherheit und Geborgenheit. Wir wollen dafür sorgen, daß sich die Menschen in Österreich wohl und sicher fühlen. Das ist der Inhalt unserer Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

16.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Stadler gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter! Ich bitte um strikte Einhaltung der Geschäftsordnung.

16.24

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Mein Vorredner hat tatsachenwidrig behauptet, daß ich durch die Nennung eines Namens in der Pressekonferenz das Abtauchen des Bassam Al Taher ermöglicht habe. – Dies ist unrichtig.


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Richtig ist vielmehr: Am 11. 4. 1995 fand die Explosion statt, bei der sich die beiden Attentäter Thaler und Konicek selber unfreiwillig in die Luft jagten. Am 19. 4. wurden die beiden Getöteten in Ebergassing entdeckt. Am 20. 4. hat sich Bassam Al Taher nach eindeutigen Polizeirecherchen ins Ausland abgesetzt, einen Tag nach Entdeckung der Toten in Ebergassing. Meine Pressekonferenz, werter Herr Kollege, fand jedoch erst am 3. Mai, also 13 Tage später, statt, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Haider: Na also!) Die Dinge können daher nicht so abgelaufen sein, wie Sie es hier behauptet haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.25

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Erörterung der Anfrage, um die es heute geht, berührt einige nicht ganz unwesentliche rechtsstaatliche Probleme. Darauf möchte ich deutlich hinweisen. – Das betrifft weniger die Anfrage selbst als das, was mit der Erörterung verbunden wurde, nämlich der Aspekt der Kurden in diesem Land und wie mit ihnen umzugehen ist.

Ich möchte mich dem ganz konkret zuwenden. Ich sage ungern, aber doch, daß man Klubobmann Khol nicht so ohne weiteres widersprechen kann, wenn er heute ausgeführt hat, daß im Rechtsstaat niemand über dem Gesetz oder außerhalb des Gesetzes stehen kann: Über dem Gesetz kann man jedenfalls nicht stehen. Ob man außerhalb stehen kann, ist eine Frage, ob das manifest ist oder nicht. So hat Khol das sicherlich gemeint. – Daher darf man diesen Aspekt nicht so einfach auf die leichte Schulter nehmen. Das werde ich im zweiten Teil dann ausführen.

Zunächst möchte ich mich der eigentlichen Anfrage zuwenden, die sich ja mit ganz anderen Themen beschäftigt, wenn auch über den Herrn Bundesminister ein Zusammenhang herzustellen ist. Es erhebt sich die Frage: Ist die Anfragebeantwortung zufriedenstellend in ihrer Form, oder ist man unzufrieden mit dem Inhalt?

Dazu sage ich: In der Form hätte sie nicht anders ausfallen können, wenn sie sich auf laufende Ermittlungen bezieht. Sie steht allerdings – und das ist mir wichtig – inhaltlich in einem relativen Widerspruch zu dem, was wir schon vorher zum selben Fall Ebergassing gehört haben, nämlich, daß er bereits aufgeklärt sei.

Das ist mir sofort aufgefallen: Wenn durch die Anfragebeantwortung durch den Herrn Bundesminister das ausgedrückt werden soll, was dort zu lesen steht – ich erspare es mir, das zu zitieren –, wir aber schon im Juli 1995 mit Meldungen konfrontiert waren, daß der Fall praktisch aufgeklärt sei und Haftbefehle unmittelbar bevorstünden, dann kann ich sagen: Mir ist der Zeitraum von Juli 1995 bis April 1996 doch etwas zu lange, um mit dem Abwicklungstempo noch zufrieden sein zu können, wobei ich jetzt nicht unterscheiden kann, ob der Grund dafür ein Problem der Sicherheitsexekutive oder ein Problem der Justiz ist, weil ich davon ausgehe, daß selbstverständlich in diesem Stadium auch die Staatsanwaltschaften schon damit befaßt sein müßten. Das wäre wirklich einmal ganz dringend zu diskutieren. Die Erörterung einer Anfrage erlaubt dies aus Zeitraumgründen natürlich nicht, daher merke ich das ausdrücklich an.

Selbstverständlich kommt hochgradige Unzufriedenheit auf, wenn man im Juli 1995 mit der Meldung konfrontiert wird, daß der Fall Ebergassing praktisch aufgeklärt sei und es nur eine Meinungsverschiedenheit hinsichtlich des Tempos der Beantragung von Haftbefehlen gäbe: Nächste Woche – hat es im Juli 1995 geheißen – werden sie beantragt werden. Jetzt ist aber mehr oder weniger ein Stillstand eingetreten. Da kann mich auch Kollege Gaál nicht wirklich trösten, wenn er sagt: Das Strafverfahren läuft. – Ich nehme davon nichts wahr! Ich bin aber der guten Hoffnung, daß uns der Herr Bundesminister, sofern er sich zu Wort melden sollte, seinen Wissensstand über den Stand des Strafverfahrens auf der Formebene – ich will gar keine Details – nicht verschweigen wird. Das ist ein Aspekt, der mir wichtig zu sein erscheint.


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In einem Punkt muß ich Kollegen Stadler ausdrücklich widersprechen: Ich erinnere mich auch noch gut an den Ablauf der Dinge unmittelbar nach Ebergassing, weil durch einen Zufall damals knapp nach dem Attentat ein Innenausschuß stattgefunden hat. In diesem Innenausschuß hat der Herr Bundesminister damals über seinen damaligen Wissensstand prompt, lückenlos und einschließlich der politischen Bewertung der zu dieser Zeit vermutlichen Täter, die als Todesopfer dort am Platz geblieben sind, ausdrücklich informiert. Ich erinnere mich deutlich daran, daß er festgehalten hat, daß diese beiden dort durch den eigenen Sprengstoffanschlag ums Leben Gekommenen der linken Szene zuzuordnen seien. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das hat er nicht gesagt!) Ich habe üblicherweise bei diesen Fragen kein anwachsendes Gedächtnis. (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Kollege Kiss wird mir da sicher recht geben.

Ich sage nur: Zu dem Zeitpunkt, als dieser Innenausschuß stattgefunden hat, hat uns der Bundesminister unmittelbar über seinen aktuellen Wissensstand informiert. Er hat sich sehr vorsichtig ausgedrückt. Er hat selbstverständlich nicht die beiden dort vorgefundenen Toten expressis verbis als Täter bezeichnet. Aber er hat deutlich zu erkennen gegeben, daß auch er davon ausgeht, daß es sich dabei vielleicht zumindestens um zwei Täter von mehreren handelt, das war zu diesem Zeitpunkt nicht ganz eindeutig.

Daher hat es aus meiner Sicht in diesem Punkt zu keinem Zeitpunkt ein Versteckspiel gegeben. Was den entkommenen Syrer – ich merke mir den Namen nie (Ruf: Bassam Al Taher!); genau den – anlangt, so habe ich auch in Erinnerung, daß damals die Öffentlichmachung seines Namens auch durch den Kollegen Stadler nicht als sehr glücklich erlebt wurde.

Ich habe nicht im Detail recherchiert, was zuerst war und was nachher, aber ich glaube, mich zu erinnern, daß er hier durchaus an der beschleunigten Flucht mitgewirkt hat – indirekt oder unabsichtlich, das weiß ich nicht. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Kollege Stadler hat Oberwart angeschnitten. Ich muß sagen, das ist ja bewunderungswürdig, mit welcher Selbstverständlichkeit Sie hier Oberwart und Ebergassing zusammenhängen, was den potentiellen Täterkreis anlangt; das sage ich Ihnen mit aller Deutlichkeit.

Mir ist jeder Gewaltakt verabscheuungswürdig, ich lehne ihn ab, gleichgültig, was er für eine Masche hat (Abg. Dr. Ofner: Uns auch!), nur für Recherchen ist es halt ganz nützlich, sich zu überlegen, wo die größere Wahrscheinlichkeit des Fahndungserfolges liegt. Oberwart mit Ebergassing zu verbinden, das halte ich bitte – bei aller Naivität – zumindest in dieser Phase für tollkühn. (Abg. Dr. Ofner: Herr Kollege Kier! Schließen Sie das aus?)

Unzufrieden bin ich allerdings damit – und damit bin ich vielleicht wieder auf einem anderen Platz –, daß Oberwart nicht aufgeklärt ist. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist richtig!) Das ist das eigentliche, denn wenn es aufgeklärt wäre, wäre erstens dem Rechtsstaat zu seinem Recht verholfen, und zweitens würden die mutwilligen Spekulationen über die Zuordnung des Täterkreises aufhören (Abg. Dr. Ofner: Jawohl!), denn damit wird falsches politisches Kleingeld geschlagen. (Abg. Dr. Ofner: Jawohl!) Daran, daß es sich in Oberwart um einen eindeutig rassistischen Anschlag gehandelt hat, besteht allerdings kein Zweifel. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Wenn Sie mir jetzt sozusagen diese rassistische Interpretation von Oberwart absprechen beziehungsweise einen bedingten Verteidigungsreflex zeigen, dann machen Sie einen Fehler, denn ich habe bewußt nicht von einem rechtsradikalen Terror gesprochen, sondern ich habe gesagt, das ist ein rassistischer Terror. Und üblicherweise schreien Sie da auf. (Abg. Mag. Posch: Warum wohl?)

Insofern ist es tatsächlich völlig unbefriedigend, daß wir hinsichtlich des Attentates in Oberwart noch nicht weitergekommen sind. Und zwar ohne politische Qualifizierung des Umfeldes bin ich nicht damit zufrieden, wenn vier Ermordete an einem Tatort vorgefunden werden und wir über ein Jahr danach keinen echten Erfolg haben. (Abg. Dr. Ofner: Das ist sehr bedauerlich!) Das ist das Thema. Das ist unbefriedigend, und ich hoffe, daß der Herr Bundesminister auch hier einmal erklären wird, welches Tempo in den Ermittlungen man seiner Meinung nach hier halten kann.


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17. Sitzung / Seite 88

Zu den Kurden: Ich habe Klubobmann Khol in seinem Anspruch auf den Rechtsstaat ausdrücklich recht gegeben, dennoch ist das allein leider keine Hilfe, damit auszukommen: Wenn wir einen Befund haben, der von meinem Kollegen Gaál schon erwähnt wurde, daß wir tatsächlich relativ befriedete Verhältnisse auf dieser Ebene haben, so müssen wir uns überlegen: Ist das mit unserem heutigen Zugang zu solchen Problemen noch vereinbar, ja oder nein, denn wir zahlen schließlich einen Preis dafür. Wir zahlen den Preis der Relativierung des Rechtsstaates dafür, und das kann im entscheidenden Moment ein zu hoher Preis sein.

Das war in den siebziger Jahren vielleicht noch anders, und in den siebziger Jahren hatte ja aus geopolitischer Sicht Österreich und die Neutralität unserer Republik einen ganz anderen Stellenwert als heute. Wir waren nicht Mitglied der EU, es gab kein Schengener Übereinkommen, es gab keine offenen Grenzen zu unseren östlichen Nachbarn. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied, das muß man einmal beachten. Außerdem leben wir hier und heute, wir sind heute verantwortlich und können uns nicht auf eine Politik berufen, die in den siebziger Jahren gemacht wurde, und zwar auch nur mit relativem und teilweisem Erfolg, wie wir wissen, denn es hat natürlich trotzdem PLO-Anschläge gegeben.

Daher wäre es erörterungswürdig, ob man diesen Preis zu zahlen bereit ist. Ob man den Preis zu zahlen bereit ist, rechtsstaatlich die Augen sozusagen leicht zu schließen oder vielleicht nur durch die halbgeschlossenen Augenlider das Problem zu betrachten, oder ob wir nicht sagen müssen, wenn es hier Organisationen gibt, die sich eindeutig außerhalb der Friedensordnung aufhalten, dann können wir sie nicht so ohne weiteres als solche tolerieren.

Wir haben dabei natürlich deutlich zu unterscheiden zwischen den einzelnen Flüchtlingen, um die es sich im Regelfall handelt. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß es ein Kurdenproblem in der Türkei gibt und daß dort Menschenrechte verletzt werden, daß dort Menschen ermordet werden, verfolgt werden, zwangsnationalisiert werden. Das ist ein Faktum. Das bedeutet aber noch nicht, daß wir die Organisationsformen, die sie wählen, einfach unüberprüft anerkennen.

Ich glaube, es handelt sich de facto um einen Schwebezustand, in dem wir uns befinden, denn soweit auch meine Recherchen das herausbringen konnten, gibt es keine förmlich zugelassene Organisation der Kurden in diesem Land. Es gibt aber Menschen, die unter solchen Namen auftreten.

Diesbezüglich, würde ich meinen, ist die heutige Anfragedebatte auch nicht geeignet, das wirklich erschöpfend zu behandeln und zu einem abschließenden Ergebnis zu kommen, weil wir da keine Beschlüsse fassen können. Aber das gehört auf den Tisch. Das gehört auf den Tisch des Außenpolitischen Ausschusses, das gehört auf den Tisch des Justizausschusses, und das gehört natürlich auf den Tisch des Innenausschusses. Insofern bin ich froh, daß wir das einmal ausdrücklich einfordern können, denn nur weil der österreichische Oberste Gerichtshof in einem Urteil erkannt hat, daß die PKK und ihre sonstigen Umfeldorganisationen verbrecherische Organisationen seien, ist das Problem noch lange nicht gelöst.

Erstens ist der Oberste Gerichtshof in diesen Urteilen nicht mit Drittwirkung ausgestattet.

Zweitens trifft er damit keine einzige Aussage über die Kurden, die in diesem Land leben. Es hat sich ausschließlich um ein Verfahren gegen ganz bestimmte Personen gehandelt.

Und damit Sie vielleicht die Analogie besser verstehen: Spätestens seit Nürnberg wissen wir, daß die SS eine verbrecherische Organisation ist. Trotzdem verweigere ich jedem meine Zustimmung, der sagt, bloß weil einer Mitglied bei der SS war, ist er ein Verbrecher. Und genau das würden wir aber machen, wenn wir aus dem Urteil des Obersten Gerichtshofes zur PKK falsche und zu weitreichende Schlußfolgerungen zögen, denn wir müssen immer unterscheiden zwischen Menschen, die zu uns gekommen sind und sich hier an unsere Rechtsordnung zu halten haben, und einer Organisation, die es im Ausland gibt, die unser Oberster Gerichtshof qualifiziert hat.

In einem Punkt habe ich die Aufregung überhaupt nicht verstanden, nämlich im Punkt der vermeintlichen Weisung des Herrn Innenministers. Ich sage Ihnen, warum: Sie hat nicht gewirkt.


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17. Sitzung / Seite 89

Ich entnehme den Medienberichten, daß seine Einsatztruppe zur Bekämpfung des Terrorismus genau diese Sachverhalte bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat. Sie hat daher den völlig korrekten Weg gewählt, die Justizbehörden mit dem Problem PKK und ERNK zu befassen.

Also wenn er wirklich eine solche Weisung im wirksamen Sinn gegeben hätte, dann hätte die EBT diese Befassung der Staatsanwaltschaft unterlassen müssen, denn das ist letztlich die Verfolgungshandlung im eigentlichen Sinn des Wortes, wenn man die Sache der Justiz weitergibt.

Ich glaube, wenn wir im Zuge der heutigen Debatte wenigstens bemerkt haben, daß wir in Angelegenheiten der Kurden vielleicht mit unserem Rechtsstaat nicht sorgfältig genug umgehen, daß wir in der Angelegenheit Ebergassing unzufrieden sein müssen, daß wir im Juli vergangenen Jahres gehört haben, es sei bereits aufgeklärt, wir aber eigentlich nicht wissen, was dabei herausgekommen ist, wenn wir uns bewußt machen, daß wir wieder einmal daran erinnert wurden, daß der rassistische Mord von Oberwart noch nicht aufgeklärt ist, dann war es diese Debatte wert. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kukacka. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.38

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Hohes Haus! Das Verhalten und die politischen Aussagen des Herrn Innenministers haben für die Volkspartei schon des öfteren Anlaß zur Kritik und auch zur politischen Distanzierung gegeben. Ich meine hier vor allem seine politischen Äußerungen, die er auch als Regierungsmitglied gemacht hat, womit er, wie wir glauben, den Boden der gemeinsamen Regierungspolitik verlassen hat. Ich meine zum Beispiel seine bizarren Ansichten zur Reform des Bundesheeres, indem er sich als auf die Verfassung vereidigter Bundesminister de facto für die Abschaffung des österreichischen Bundesheeres ausgesprochen hat und sich damit auch als Sprachrohr jener linksalternativen Szene profiliert hat, der seit langem eine effiziente Landesverteidigung ein Dorn in ihrem linken Auge ist.

Das reicht vom "Bundesheer light" bis zur Diskussion der Anti-Bundesheerparade. Und einer der Wortführer sitzt hier, der Herr Öllinger, der ganz genau weiß, wovon ich hier rede. (Abg. Öllinger: Ja!)

Auf diesem Wege, Herr Minister, das möchte ich auch klar und eindeutig und gleich am Anfang deponieren, wird Ihnen die Österreichische Volkspartei auch in Zukunft nicht folgen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden Ihnen auch nicht folgen in Ihrer Sympathie, die Sie durch die unverständliche Geldspende für die "TATblatt"-Szene bewiesen haben. Diese Tatsache ist nun einmal nicht wegzudiskutieren, das muß man hinnehmen, ohne Ihnen irgendein Naheverhältnis zu Gewalt oder Terrorismus auch nur indirekt unterstellen zu wollen. Das war eine falsche Handlung; so etwas erwarten wir nicht – jetzt nicht und auch in Zukunft nicht – von einem Innenminister. Auch auf diesem Wege werden wir Ihnen in Zukunft nicht folgen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir können Ihnen auch nicht folgen bei Ihren Vorschlägen, das Heeres-Nachrichtenamt im Verteidigungsministerium aufzulösen und gemeinsam mit der Stapo zu einem neuen Geheimdienst im Bundeskanzleramt oder gar im Innenministerium zusammenzulegen. Herr Minister! Wir werden nicht zulassen, daß alle Nachrichtendienste der Republik in einer politischen Hand zusammengefaßt werden und so die Gefahr besteht, daß sie einseitig parteipolitisch instrumentalisiert werden. Selbst wenn Sie nicht diese Absicht haben sollten, sollten Sie jeden Verdacht in diese Richtung vermeiden. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir können Ihnen auch nicht folgen auf Ihrem Weg, zu dem Sie sich offensichtlich entschlossen haben, Ihre Politik mit Hilfe von Weisungen in Ihrem Ressort stärker durchzusetzen, denn das haben Sie im "profil" bezüglich der Ausländergesetzgebung erst letzte Woche angekündigt. Das haben Sie offensichtlich auch in der Frage des OGH-Erkenntnisses im Hinblick auf die PKK so gehalten.


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Meine Damen und Herren! Ich möchte im Detail gar nicht mehr darauf eingehen. Wir alle wissen, es gibt hier eine entsprechende Information des zuständigen Ministerialbeamten an den Herrn Innenminister. Dem Herrn Innenminister war vollkommen bewußt, wie das OGH-Erkenntnis ausschaut. Es war ihm bewußt, daß sich die Behörden an dieses Erkenntnis zu halten haben. Trotzdem ist es zu dieser Weisung gekommen, denn, meine Damen und Herren, Herr Generaldirektor Sika hat eindeutig festgestellt: Am 21. 4. 1995 wurde vom Herrn Bundesminister entschieden, daß hinsichtlich ERNK keine Konsequenzen zu ziehen sind, erst dann, wenn es zu weiteren Anschlägen kommt, die auf dieses Büro zurückgeführt werden können.

Herr Minister! Das sind leider die Fakten, die man nicht bestreiten kann, die kann man höchstens uminterpretieren, und auch auf diesem Weg werden wir Ihnen nicht folgen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Aber was nun immer das vom Staatsanwalt eingeleitete Ermittlungsverfahren ergeben wird, ob es eine rechtswidrige Weisung war und den Verdacht des Amtsmißbrauches rechtfertigt oder ob es sich um einen handschriftlichen Vermerk des Generaldirektors für öffentliche Sicherheit handelt, wie Sie sagen, das wird und das soll das Verfahren zeigen. Wir wollen uns in diese Frage nicht einmischen. Auch hier gilt: Recht muß Recht bleiben, und die rechtsstaatlichen Verfahren und Instanzen sollen hier das letzte Wort sprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sicher ist, daß die PKK eine terroristische Vereinigung ist, deren Strategie klar auf Gewalt und Terror baut und auch Morde bewußt einkalkuliert. Wir kennen alle die Ereignisse in der Bundesrepublik Deutschland, und wir wollen ganz sicher nicht, daß das auf unser Land übergreift oder daß der Eindruck entsteht, in Österreich ist der Rechtsstaat nicht bereit, es mit solchen terroristischen Organisationen aufzunehmen, er geht von vornherein in die Knie, weil er nicht bereit ist, entsprechend Konflikte durchzustehen.

Das, meine Damen und Herren, ist für uns jedenfalls nicht die richtige Strategie. Für uns gibt es keinen Kompromiß mit dem Rechtsstaat, keine faule Packelei mit terroristischen Organisationen. Diesen Weg gehen wir nicht mit. Wir bekennen uns zum Gewaltmonopol des Rechtsstaates, wir bekennen uns zu einer wehrhaften Demokratie, für uns gibt es für Gewalt in der Politik, von welcher Seite immer sie kommt – sei sie linksradikal, sei sie rechtsradikal – keine Rechtfertigung. (Abg. Wabl: Was ist mit den Waffengeschäften?) Rechtsextremistische Gewalt sollte nicht weniger als ein gezielter Anschlag auf unsere Demokratie verstanden werden als rechtsextremer Terror – gleichgültig, ob sie im Inland oder ob sie im Ausland, ob sie von Österreichern oder ob sie von Ausländern verübt wird. Das ist unsere klare Position. (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb gilt es, das staatliche Gewaltmonopol zu verteidigen, und das erwarten wir vor allem vom Innenminister mit der notwendigen gesetzlichen Konsequenz und mit dem entsprechenden Durchsetzungsvermögen.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Es gäbe heute diese dringliche Anfragebeantwortung nicht (Abg. Mag. Stadler: Das ist ja gar keine Dringliche!) , hätten die Sicherheitsbehörden diese grauenvollen und zutiefst verabscheuungswürdigen Sprengstoffanschläge endlich aufgeklärt. Aber leider hat man noch immer den Eindruck, daß die Sicherheitsexekutive ziemlich im Dunkeln tappt.

Herr Bundesminister! Hier sind Sie gefordert. Die Öffentlichkeit fordert zu Recht bald Ergebnisse, bald eine eindeutige Aufklärung dieser verbrecherischen Attentate. Ein Minister wird auch an der Fähigkeit gemessen, diese Probleme seines Ressorts zu lösen oder eine entsprechende Reorganisation des Sicherheitsapparates durchzuführen, damit die Voraussetzungen für entsprechende Erfolge in der Zukunft geschaffen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Ausschließlich Ergebnisse und Aufklärung dieser Attentate sind die Voraussetzung dafür, daß endlich die Verdächtigungen, Vermutungen, Unterstellungen und Beschuldigungen, auf welcher Seite und nach welcher Seite auch immer, beseitigt werden. Denn zweifellos wollen manche auch hier im Hohen Haus mit diesen Verdächtigungen und Unterstellungen ihr parteipolitisches


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Süppchen kochen, wollen ihr Mütchen kühlen, wollen diese unaufgeklärten Attentate für sich parteipolitisch instrumentalisieren. Auch diese billige politische Trittbrettfahrerei lehnen wir ganz entschieden ab, und in diesem Sinne halten wir diese heutige dringliche Besprechung der Anfragebeantwortung auch nicht für notwendig. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Jetzt weißt du aber nicht mehr, wo du hingehörst, Kuki!)

Was gefordert ist, ist eine gute Arbeit der Sicherheitsbehörden, und wir überlassen es auch diesen Sicherheitsbehörden, zu ermitteln, ob und in welcher Form der Herr Purtscheller in den Fall Ebergassing verwickelt ist oder nicht. Das soll gefälligst die Polizei untersuchen, jedenfalls hat sie hier unsere volle Unterstützung; man soll sie diesbezüglich unbeeinsprucht und ohne entsprechende Weisung arbeiten lassen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Meine Damen und Herren! Was gefordert ist in dieser Frage – damit auch ein bißchen Ruhe einkehrt –, ist nicht nur parteipolitisches Hickhack (Abg. Mag. Stadler: Es war eh ruhig! – Abg. Dr. Haider: Was du daherredest, regt eh keinen mehr auf!) , sondern bei allem grundsätzlichen Unterschied, den die Parteien hier vertreten, geht es auch um die Anerkennung und Durchsetzung unserer demokratischen rechtsstaatlichen Grundordnung.

Das heißt, die Polizei und die Sicherheitsbehörden müssen mit allem Nachdruck und frei von jeder politischen Weisung, unter Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen arbeiten können. Die unabhängigen Gerichte müssen das letzte und entscheidende Wort haben. Nicht politische Instanzen, sondern die Entscheidungen der Gerichte und ihre Erkenntnisse sind der Maßstab für Recht und Unrecht, und das gilt auch für unser Verhältnis zum Herrn Innenminister.

Wenn wir auch seine politischen Vorstellungen und Einschätzungen oftmals nicht teilen, ob er rechtswidrig oder nicht rechtswidrig gehandelt hat, etwa was diese PKK-Weisung angeht, das sollen die unabhängigen Gerichte beweisen. Das soll das rechtsstaatliche Verfahren klären. Wir halten nichts von parteipolitischen Vorverurteilungen. (Abg. Dr. Haider: Nein?) Wir halten auch nichts von Unterstellungen. (Abg. Mag. Stadler: Kiss im Dezember des Vorjahres! Parteipolitische Verurteilung: Das ist Amtsmißbrauch, hat er gesagt! – Abg. Haigermoser: Verkehrssicherheitssprecher Kukacka! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Lassen wir jetzt einmal das Gericht beurteilen, lassen Sie die Instanzen der Staatsanwaltschaft, die Instanzen der Gerichte zu einem Erkenntnis kommen, und dann reden wir darüber weiter, wer hier recht hat und welche politischen Konsequenzen daraus zu ziehen sind! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir teilen oft die politischen Bewertungen des Herrn Innenministers nicht, ja wir halten sie manchmal auch für falsch. Aber, meine Damen und Herren, das sind keine rechtlichen, sondern politische Kategorien, und als solche sind sie in der Wettbewerbsdemokratie nicht nur erlaubt, sondern auch notwendig. Niemand soll glauben, daß wir, weil wir in einer Koalition mit der SPÖ sind, deshalb schon die gesellschafts- oder die sicherheitspolitischen Vorstellungen des Herrn Innenministers teilen. Auch das muß klar und eindeutig gesagt werden. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Die politische Verantwortung, Herr Kollege, für den Herrn Innenminister trägt die Sozialistische Partei und trägt der Herr Bundeskanzler, die ihn für dieses Amt ausgesucht haben und die ihn mit dem notwendigen Vertrauen ausgestattet haben, so wie wir das auch umgekehrt bei unseren Ministern getan haben. (Abg. Haigermoser: Habt ihr auch einen Einem?) Diese Verantwortung, Herr Kollege Haigermoser, tragen wir für unsere Minister. Diese Verantwortung muß die SPÖ für ihre Minister tragen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

16.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Einem. –Bitte, Herr Bundesminister.

16.52

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Erlauben Sie mir, daß ich zu einigen der hier aufgeworfenen Fragen und zu einigen der


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hier in den Raum gestellten Behauptungen Stellung nehme. Lassen Sie mich mit einer Bemerkung zu den abschließenden Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kukacka beginnen.

Ich glaube, wir sollten uns des Ernstes, den die Politik für die Sicherheit der Menschen in diesem Lande erfordert, bewußt bleiben, auch dann, wenn wir in manchen Fragen unterschiedliche Auffassungen haben. Herr Abgeordneter Kukacka – und hier schließe ich auch den Herrn Abgeordneten Kiss mit ein –, das, worum es nach meiner Überzeugung und nach meiner Hoffnung geht, ist, daß wir hier eine Politik betreiben, die sicherstellt, daß es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen der Art, wie sie in Deutschland in den letzten Wochen und Monaten zu beklagen waren, nicht kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Österreich und die österreichische Sicherheitspolitik ist – und zwar keineswegs erst, seitdem ich Innenminister bin, sondern seit geraumer Zeit; da ist mein Vorgänger und auch sein Vorgänger durchaus miteinzuschließen – sehr bewußt und sehr klar in der Frage etwa auch des Umgangs mit Kurden und kurdischen politischen Aktivisten einen Weg gegangen, der sich von dem, den die Bundesrepublik Deutschland geht, unterscheidet. Und Österreich ist damit außerordentlich gut gefahren, weil die letzten gewaltsamen Auseinandersetzungen auf diesem Gebiet, die es in Österreich gegeben hat, 1993 gewesen sind, während in Deutschland nahezu jede Woche Auseinandersetzungen von einer außerordentlichen Militanz zu beklagen sind. Das hat mit der Politik für Sicherheit in Österreich zu tun. Das ist eine erfolgreiche Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß nicht, ob das Zitat, das heute in den "Oberösterreichischen Nachrichten" nachzulesen ist, richtig wiedergegeben ist, aber wenn dort die Aussage zitiert ist, daß man durchaus eine Radikalisierung für eine Änderung dieser Linie in Kauf zu nehmen bereit sei, so teile ich diese Auffassung nicht. Ich bin der Meinung, wir sollten den Weg, der hier für Sicherheit gesorgt hat, fortsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich nun aber auch zu einigen der Vorwürfe, die heute von seiten der freiheitlichen Partei, am Vormittag von ihrem Parteivorsitzenden, am Nachmittag jetzt von Herrn Abgeordneten Stadler, erhoben worden sind, Stellung nehmen.

Eines läßt sich vorneweg sagen: Es handelt sich dabei durchwegs um Behauptungen, die hier im Hohes Haus und an anderer Stelle schon mehrfach gemacht worden sind, allerdings jedesmal, ohne auch nur einen einzigen Beleg dafür vorzulegen. Das finde ich schändlich, wenn ich es so sagen darf! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Haider! Sie haben heute behauptet, ich hätte eine Weisung erteilt, die die Ermöglichung terroristischer Aktivitäten in Österreich zuließe oder geradezu trage. Das ist falsch, und Sie wissen es genau. Richtig ist, daß wir bei einer Besprechung am 21. April des vorigen Jahres im Innenministerium die Frage zu erörtern hatten, ob und in welcher Weise weiterhin gegenüber kurdischen Aktivitäten vorzugehen ist, ob wir Verfolgungshandlungen zu setzen haben oder nicht. Und die klare Grundlinie, die das Innenministerium vorher verfolgt hat und nachher verfolgt hat, ist, daß wir alle Aktivitäten kurdischer politischer Gruppen hier sehr genau beobachten und verfolgen, aber nur dann mit polizeilichen Mitteln eingreifen, nur dann Verfolgungshandlungen setzen, wenn dazu nach den österreichischen Gesetzen Anlaß besteht, und sonst nicht. Und dabei bleiben wir auch! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Haider! Sie haben heute vormittag behauptet, ich hätte den dritten Täter von Ebergassing, Herrn Bassam Al Taher laufen lassen, entkommen lassen. Auch da behaupten Sie seit einem Jahr etwas immer wieder in der gleichen Form. Deshalb wird das nicht richtiger. Ich darf Ihnen die Tatsachen noch einmal in Erinnerung rufen.

Tatsächlich ist Bassam Al Taher nach den heutigen Kenntnissen der Polizei am 19. 4. vorigen Jahres das letzte Mal im Inland gesehen worden. Daß Bassam Al Taher nach dem 19. 4. nicht mehr gesehen worden ist, stammt aus Erkenntnissen der Polizei, etwa aus der Zeit vom 20. Mai, also einen Monat später als der Zeitpunkt, zu dem Bassam Al Taher abgetaucht ist. Ihnen, Herr Abgeordneter Stadler, ist es überlassen geblieben, am 3. Mai des vorigen Jahres diesen Namen als Hauptverdächtigen zu nennen. (Abg. Mag. Stadler: Jetzt verdrehen Sie schon wieder!) Herr Abgeordneter! Ich denke, Sie wären gut beraten, die Tatsachen wenigstens


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jetzt erstmals zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Den Sicherheitsdirektor Sika können Sie fragen!)

Am 3. Mai haben Sie diesen Namen öffentlich bekanntgegeben. (Abg. Mag. Stadler: Sika hat gesagt, am 20. April hat er sich ins Ausland abgesetzt!) Am 5. Mai haben wir hier im Haus über diese Frage debattiert. Ich habe Ihnen die Tatsachen zur Kenntnis gebracht. Sie haben offenbar weder die Bereitschaft noch die Fähigkeit zu hören. Ich bedauere Sie dafür. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Ich halte Ihnen vor, daß das nicht stimmt!)

Der Abgeordnete Haider hat am Vormittag erklärt, ich hätte Hinweise der Kriminalpolizei Niederösterreichs ignoriert, und zwar Hinweise auf sechs weitere Sprengstoff- respektive Brandanschläge, die der gleichen Tätergruppe zuzuschreiben wären. Dies ist falsch, und dafür besteht auch kein Anlaß. (Abg. Mag. Stadler: Sie sagen fortgesetzt die Unwahrheit!) Diese Tatsachen sind dem Gericht in einer Anzeige mitgeteilt worden. Die von Ihnen genannten Anschläge können daher als aufgeklärt gelten. Und auch das ist ein Erfolg der Kriminalabteilung Niederösterreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben weiters behauptet, ich sei im Begriffe, die Staatspolizei mit Hilfe eines Universitätsprofessors zu reformieren, dem Stasi-Kontakte nachgewiesen werden könnten. Herr Abgeordneter! Diese Behauptung ist ebenso falsch! Sie entbehrt jeder Grundlage! (Widerspruch des Abg. Dr. Haider. )

Und Sie haben schließlich die Frage aufgeworfen, wo sich der Journalist Purtscheller befinde, der immer wieder im Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen genannt werde. Herr Abgeordneter! Wenn Sie ihn immer wieder im Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen nennen, ist das nicht weiter verwunderlich. Es ist nicht Aufgabe der Exekutive, Privatpersonen, gegen die aus polizeilicher Sicht nichts vorliegt, zu verfolgen oder festzustellen, wo sie sich jeweils aufhalten. Auch hier geht es darum, daß ganz klar gesagt werden muß: Wenn und insoweit die Kriminalabteilung Niederösterreich, die die Ermittlungen in der Sache Ebergassing verantwortlich und sehr erfolgreich geführt hat, es für notwendig gehalten hätte, hier Ermittlungen zu führen, dann hätte sie sie geführt und sie wäre durch niemanden behindert worden. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Stadler von heute nachmittag: Ich habe bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß Behauptungen nur deshalb, weil man sie öfter erhebt, nicht wahrer werden. Sie haben heute wieder diese Ersatztätergeschichte aufgetischt, die falsch ist – und Sie wissen, daß sie falsch ist. Da Sie wieder nicht im Saal sind, können Sie meine Ausführungen nicht hören.

Richtig ist, daß nie ein Ersatztäter gesucht wurde, sondern daß versucht wurde, mit Hilfe und unter Einschaltung eines Rechtsanwaltes jenen Verdächtigen, von dem wir zum damaligen Zeitpunkt annehmen mußten, daß er zu den Verdächtigen zählt, dazu zu bewegen, sich bei der Polizei zu stellen. Der Betreffende hat sich daraufhin bei der Polizei gestellt und ein Alibi nachweisen können und ist daher aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschieden.

Was ich sozusagen für besonders unangenehm oder geradezu niedrige Gesinnung halte, ist, daß Sie immer wieder diese Geschichte anführen, obwohl Sie wissen, daß ich den Namen dieses Verdächtigen nicht nennen kann, weil er unschuldig ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Herr Minister! Sie halten den Namen zurück? Ist das notwendig bei einem Unschuldigen?)

Ich bitte Sie, dem Herrn Abgeordneten Stadler auszurichten, was ich ihm sonst noch zu antworten habe: Sie haben behauptet, ich hätte gesagt – und zwar am 19. 4. des vorigen Jahres –, es handle sich in Ebergassing um rechte Täter.

Tatsache ist, daß ich am 19. 4. gar nicht im Lande war und dazu überhaupt nichts gesagt habe, sondern ich habe am 20. 4. anläßlich einer Sitzung des Innenausschusses zunächst Sie im Innenausschuß informiert und habe anschließend in einer Pressekonferenz, die improvisiert


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einberufen wurde, erklärt, daß es erstens nach dem damaligen Erkenntnisstand – am Tag nach Auffindung der Toten – wahrscheinlich ist, daß die Opfer auch die Täter sind, und daß es sich zweitens mit den Erkenntnissen, die wir haben, deckt, daß die Täter der linken oder autonomen Szene angehört haben. – Nehmen Sie zur Kenntnis, daß das die Erklärungen vom 20. 4. des vorigen Jahres waren – und nicht die Behauptungen, die Sie immer wieder aufstellen! (Beifall bei der SPÖ.)

Um das abzuschließen und auch zu zeigen, wie Sie mit den Tatsachen und Informationen umgehen: Herr Abgeordneter Stadler! Sie haben zum wiederholten Male behauptet, es ginge darum, für den suspendierten Oswald Kessler irgendeinen Job zu finden. – Dies ist falsch. (Abg. Mag. Stadler: Jawohl, bei der EU!) Es geht nicht nur nicht darum, sondern Oswald Kessler ist seit 1. Jänner, Herr Stadler, Leiter der Gruppe EDV und bedarf durchaus nicht Ihrer arbeitsvermittlerischen Bemühungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herrn Abgeordnetem Kier, der die Frage aufgeworfen hat, wie es sich mit dem internationalen Haftbefehl gegen Bassam Al Taher verhält, möchte ich folgendes sagen: Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat am 14. Juli 1995 einen internationalen Haftbefehl ausgestellt; er ist seither in Kraft.

Herr Abgeordneter Kukacka! Zu drei Punkten, die Sie angeführt haben: Ich vertrete die Meinung, wir sollten es zumindest durchgehen lassen – wenn nicht vielleicht sogar anerkennen –, daß Minister oder Politiker über Fragen, die dieses Land betreffen, nachdenken. Ich meine, daß es auch keine Sünde ist, wenn Minister der einen Regierungshälfte über Fragen nachdenken, für die ein Minister der anderen Regierungshälfte verantwortlich ist. In der Sache brauchen wir dabei nicht übereinzustimmen. Meiner Ansicht nach gibt es guten Grund, sich Gedanken darüber zu machen, warum nicht genügend Menschen freiwillig den Dienst beim Heer ableisten. Und das ist eine Frage, die auf Ihrer Seite (weist auf die Bänke der ÖVP) zu beantworten sein wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Was schließlich die Behauptung anlangt, ich hätte verlangt, daß die Nachrichtendienste des Bundesheeres mit jenen, die es etwa im Bundeskanzleramt oder im Innenministerium gibt, zusammengelegt werden, muß ich sagen: Auch diese Behauptung ist falsch! Wenn Sie in den Zeitungen nachlesen, werden Sie feststellen, daß ich dies nicht verlangt habe, daß ich allerdings dafür eintrete, daß wir – was die Nachrichtendienste, und zwar alle drei, angeht – Reformen durchführen, die dazu beitragen, daß die Transparenz des Tuns dieser drei Nachrichtendienste erhöht wird und daß das Vertrauen der Bevölkerung zu dem, was hier geschieht, erhöht wird. Diese drei Nachrichtendienste haben nicht parteipolitischen Interessen zu dienen – weder schwarzen noch roten noch anderen –, sondern der Information über Risken und der Analyse von Risikosituationen für die Bundesregierung. Und dafür brauchen wir uns auch nicht zu schämen! (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend noch eine Bemerkung zu Ihrer Kritik daran, daß ich erklärt habe, daß ich gelegentlich auch zu Weisungen greifen würde, wenn die Linien, die ich als verantwortlicher Ressortchef vorgebe, nicht eingehalten werden. Herr Abgeordneter! Es zählt nun einmal zu den Grundbeständen unserer Bundesverfassung, daß Ministerien monokratisch organisiert sind und daß diejenigen, die obenauf sind, "Minister" heißen und Verantwortung tragen, und daher sind sie es, die dafür zu sorgen haben, daß die Linie durchgeführt wird, die den Gesetzen und dem verantwortlichen Ministerwillen entspricht. Dazu stehe ich. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

17.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Mag. Stadler gemeldet. – Ich bitte um den zu berichtigenden Sachverhalt und die Gegendarstellung.

17.05

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Herr Bundesminister hat soeben tatsachenwidrig behauptet, daß Bassam Al Taher am 20. April zwar untergetaucht sei, aber das Land nicht verlassen hätte. Das sei erst aufgrund meiner


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Pressekonferenz geschehen. (Abg. Dr. Mertel: Das hat er nie gesagt! Sie sollten besser aufpassen! – Weitere Zwischenrufe.)

Ich darf ihn selbst zitieren: In der Sendung "Zeit im Bild 2" vom 7. Juni 1995 ... (Weitere Rufe und Gegenrufe von SPÖ und Freiheitlichen.) Beruhigen Sie sich! Haben Sie ein Problem?

In der Sendung "Zeit im Bild 2" vom 7. Juni 1995 behauptete der Herr Innenminister im Originalton, daß der jetzt genannte Dritte – gemeint war Bassam Al Taher – seit dem Tag des Bombenanschlages abgängig sei, daß er untergetaucht sei. – Der Bombenanschlag war am 11. April.

Im "Standard" vom 8. Juni 1995 wird berichtet ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich bitte, nicht Zeitungen zu berichtigen, sondern den Herrn Bundesminister.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Herr Präsident! Ich versuche nur, meine Quelle offenzulegen.

Der gesuchte Attentäter hatte sich nach Meldung eines ermittelnden Beamten der niederösterreichischen Kriminalabteilung – wiedergegeben im "Standard" vom 8. Juni – am Tag nach der Entdeckung des Anschlages, also am 20. April, ins Ausland abgesetzt.

Weitere derartige Meldungen liegen vom Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit vor.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich bitte Sie, auf die Ausführungen des Herrn Bundesministers besonders explizit Bedacht zu nehmen, weil sich das unter dem Vorsitz meines Turnusvorgängers abgespielt hat.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Herr Präsident! Ferner hat der Herr Bundesminister tatsachenwidrig gesagt, ich hätte die Behauptung aufgestellt, Herr Bundesminister Einem habe am 19. April behauptet, es gäbe bei Ebergassing einen rechtsradikalen Hintergrund, er sei aber am 19. April gar nicht anwesend gewesen.

Es wird im Protokoll nachzulesen sein, daß ich diese Behauptung nicht aufgestellt habe, sondern vielmehr behauptet habe – und ich halte diese Behauptung aufrecht –, daß der Herr Bundesminister tagelang – und zwar in Kenntnis des getöteten Attentäters Thaler – jeden politischen Zusammenhang geleugnet hat. Das läßt sich in den Medien nachvollziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundeskanzler. Ich erteile es ihm.

17.09

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky: Hohes Haus! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kukacka hat vorhin gesagt: Niemand soll glauben, weil wir – also die ÖVP – in einer Koalition sind, tragen wir die Verantwortung für die Sicherheitspolitik des Herrn Innenministers und die Politik der SPÖ und die Auswahlpolitik des Bundeskanzlers für seine Kabinettsmitglieder. Herr Abgeordneter, nehmen Sie zur Kenntnis: Wir glauben ohnehin nicht, daß Sie diese Verantwortung übernehmen (Beifall bei der SPÖ); genauso wie wir nicht glauben, daß Sie Verantwortung für die Semperit-Arbeiter tragen, daß Sie Verantwortung für die Arbeiter in Donawitz in der Langware tragen, daß Sie Verantwortung für Ressorts tragen, die unsere Leute übernommen haben. (Beifall bei der SPÖ. – Lebhafte Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Ich scheine Ihnen irgendwo draufgetreten zu sein, weil Sie so nervös sind.

Jeder aber weiß, daß wir mit Ihnen in den Bereichen Landwirtschaft, Tourismus, Fragen der Europäischen Union, Landesverteidigung zusammenarbeiten. Niemand soll glauben, daß Sie


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17. Sitzung / Seite 96

diese großen Aufgaben der Bundesregierung für unser Land allein lösen können. – Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

17.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider gemeldet. Ich bitte um den zu berichtigenden Sachverhalt und die Gegendarstellung.

17.11

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat behauptet, ich hätte ihm zu Unrecht unterstellt, daß er eine Weisung gegeben hat, eine terroristische Organisation in Österreich zu ermöglichen. Diese Feststellung des Herrn Bundesministers ist unrichtig. Ich begründe das wie folgt:

Ich zitiere aus dem Verschlußakt des Ministeriums (Rufe: Aha!) vom 30. März 1995, wo Sie, Herr Bundesminister, eine Information Ihrer Beamten bekommen haben, unterfertigt mit "Ministerialrat Dr. Bertl", wo Ihnen die Konsequenzen der Nichtbefolgung des OGH-Urteils genau dargelegt werden. Die Schlußfolgerung in diesem Verschlußakt lautet:

Im Hinblick auf allfällige Anschläge in nächster Zukunft könnte bei Nichteinschreiten des Innenministeriums jedoch auch der Vorwurf der Untätigkeit beziehungsweise des Amtsmißbrauches in den Medien laut werden. Aufgrund der starken politischen Komponente dieses Themas und den zahlreichen Verbindungen zu politischen Parteien und Funktionären wird um eine Weisung im Gegenstand beziehungsweise eine Absprache des weiteren Vorgehens ersucht.

Also: Die Ministerialbürokratie ersucht ausdrücklich um eine Entscheidung des Ministers – und diese Entscheidung ergeht. Am 21. April 1996 stellt der Herr Sicherheitsdirektor fest – auch das haben wir in Kopie –: Am 21. 4. 1996 wurde vom Herrn Bundesminister entschieden – er hat entschieden! –, daß hinsichtlich ERNK keine Konsequenzen zu ziehen seien, erst dann, wenn es zu weiteren Anschlägen kommt, die auf dieses Büro zurückgeführt werden können. (Abg. Dr. Nowotny: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Ich möchte Sie bitten, sich nicht hierherzustellen und einen Abgeordneten wie mich abzukanzeln und zu sagen, ich hätte die Unwahrheit gesagt, wenn Sie wissen, daß wir Ihren gesamten Aktenverlauf in Händen haben und Sie eindeutig entschieden und eine Weisung gegeben haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Abgeordneter Schweitzer. Er hat das Wort. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Keppelmüller: Karl! Du wirst doch nicht ein neuer Dobermann sein! Sei seriös, staatstragend!)

17.13

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, der Gefühlsausbruch unseres Herrn Bundeskanzlers deutet bereits an, daß diese ÖVP-SPÖ-Regierung kein tragfähiges Fundament für die Lösung der Probleme bildet, die sie uns in den letzten Jahren selbst beschert hat. Aber bitte, Herr Bundeskanzler, nicht noch einmal Neuwahlen – nicht das Parlament ist es, das Probleme schafft. (Abg. Dr. Keppelmüller: Da werdet ihr ja noch schwächer! – Abg. Leikam: Da verliert ihr wieder! Absolut verständlich!) Es wird immer deutlicher, daß es die Regierung ist, die die Probleme schafft, weil sie mit Ministern agiert, die ihr Handwerk nicht verstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Einem ist ein Beispiel dafür, und andere werden folgen.

Herr Kollege Gaál! Ebergassing war leider kein Alptraum, wie Sie vielleicht glauben. Ebergassing ist bittere Realität, und Ebergassing war eindeutig Linksterrorismus. Im übrigen ist es aber egal, woher dieser Terror kommt, es muß alles getan werden, um ihn rasch aufzuklären. Für die Österreicher und Österreicherinnen erhärtet sich aber der Eindruck, daß dies unter Minister Einem nicht der Fall ist, Herr Kollege Gaál. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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17. Sitzung / Seite 97

Herr Kollege Gaál! Ebergassing ist Realität, wie auch Realität ist, daß ein Wolfgang Purtscheller, ein Horst H., eine Susanne B. bereits vor dem Attentat zu den ständigen Besuchern der Oberwarter Romasiedlung gezählt haben. Realität ist, Herr Kollege Gaál, daß am 4. Februar um 23.30 Uhr die Detonation in der Romasiedlung erfolgte. Und Realität ist, daß am 5. Februar um 7.30 Uhr – nach achtstündiger Verspätung – mit den Erhebungen begonnen wurde. (Abg. Mag. Stadler: Da wurde erst Meldung gemacht!)

Realität ist, Herr Kollege Gaál, daß es in weiterer Folge zahlreiche öffentliche Auftritte Purtschellers mit dem eindeutigen Ziel gegeben hat, uns Freiheitliche mit dem Attentat in Beziehung zu setzen. Zum Beispiel habe ich gemeinsam mit der Kollegin Stoisits einen Auftritt in der HBLA-Oberwart, im Kulturzentrum in Oberschützen absolviert, wo dieser Herr Purtscheller immer wieder versucht hat, uns Freiheitliche in die Nähe dieses Attentats zu rücken. (Abg. Dr. Keppelmüller: Dunstkreis!) Dieser Herr Purtscheller tritt dort als offizieller Referent des Bundesministeriums für Unterricht auf – hochbezahlt aus Steuermitteln, um in Schulen gegen uns Freiheitliche zu hetzen. (Abg. Dr. Keppelmüller: Gegen Rechtsumtriebe!)

Minister Scholten, der in die gleiche Kategorie wie Einem fällt, finanziert andere gut dotierte Akteure, die sich im Dunstkreis des Offenen Hauses Oberwart befinden, das ebenfalls von Minister Scholten gut dotiert wird.

Herr Kollege Gaál! Realität ist: Am 19. April wird der Anschlag von Ebergassing entdeckt, Koni#ek und Thaler heißen die zwei Toten, die eindeutig dem linksextremen Lager zuzuordnen sind, und zwei weitere Täter kommen davon – wie immer sie heißen, wo immer sie heute sind. Realität ist aber auch, Herr Kollege Gaál, daß sich die Explosion in der Nacht vom 10. auf den 11. April ereignet hat. Und am 10. April ließ Herr Purtscheller über die APA verlauten, daß ihm Informationen vorlägen, wonach die rechtsradikale Szene einen weiteren Anschlag für die Osterzeit geplant habe. Deshalb habe er bereits seit einiger Zeit Vorkehrungen für seine persönliche Sicherheit getroffen. Welcher Art diese sind, wollte er aus verständlichen Gründen nicht sagen. – Und in der Nacht vom 10. auf den 11. April passierte diese Explosion.

Klar ist für mich, daß Ebergassing eine Panne war, daß diese Explosion für einen späteren Zeitpunkt geplant war. Man könnte auch meinen, Ebergassing war nicht die erste Panne des linksextremen Terrors. (Abg. Dr. Keppelmüller: Waren die Briefbomben auch linksextremer Terror?)

Weiter zu den Fakten, Herr Kollege Gaál: Realität ist: Am 12. April nimmt Purtscheller laut "Standard" einen Mord vom 6. 4. im oberösterreichischen Ried zum Anlaß, sich nach Mexiko abzusetzen, wo er sich auch heute noch aufhalten dürfte, obwohl Generaldirektor Sika öffentlich klargestellt hat, daß dieser Mord in Ried mit Herrn Purtscheller nichts zu tun hat und inzwischen bereits geklärt ist (Abg. Dr. Keppelmüller: Was ist mit den Briefbomben?), dieser Generaldirektor Sika, dessen "Presse"-Interview mittlerweile vieles, vieles in ein anderes Licht gerückt hat, wodurch auch viele Fragen bis heute offen sind.

Herr Minister! Die Verständigung der Gendarmerie in Oberwart erfolgte mit acht Stunden Verspätung. Warum? Vier Männer gehen weg, kurz darauf die Detonation, in ganz Oberwart hörbar. Warum wurde von den dort in der Nähe Befindlichen nicht sofort die Polizei gerufen, Herr Minister? (Abg. Mag. Stadler: 200 Meter!) Wer hat aus welchen Gründen verhindert, daß die Siedlungsbewohner Nachschau halten, was dort passiert ist, Herr Minister? Wer hat vor Eintreffen der Gendarmerie und der EBT – Herr Minister, diese Frage hätte ich von Ihnen gerne beantwortet – den Tatort verändert? Der Tatort wurde vor Eintreffen dieser Sicherheitskräfte nachweislich verändert, Herr Minister. Wer hat ihn verändert? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Wo ist die Liste mit den Nummern verdächtiger Autos, deren Kennzeichen mit "SV" für St. Veit oder "SP" für Spittal beginnen? Angeblich handelt es sich um einen Escort und einen Orion. Es war auf der Liste auch ein weißer Mazda 626 vermerkt, dessen Kennzeichen mit "HB" für Hartberg beginnt. Herr Minister! Wo ist diese Liste?

Herr Minister! Welche Rolle spielen die Leute von "NEWS", die im Offenen Haus von Oberwart zum damaligen Zeitpunkt ein und aus gegangen sind? Warum wird die örtliche Kripo von den


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Ermittlungen ausgeschlossen, Herr Minister? Warum wird die von "NEWS"-Redakteuren initiierte Schmieraktion von Oberschützen vertuscht, Herr Minister? Warum wird die Sicherstellung von Beweismaterial in diesem Zusammenhang verhindert? Haben Sie bei Emil Bobi, dem "NEWS"-Journalisten, nachgefragt, Herr Minister? Warum wurde der Akt der Kriminalaußenstelle Oberwart wieder einmal entzogen wie andere Akte vorher auch, Herr Minister? – Warum, warum, warum?

Warum wird die Vernehmung Verdächtiger in Wien abgebrochen – auf Weisung abgebrochen? Welche Rollen spielen in diesem Zusammenhang die Namen Horellet (phonetisch) und Resinger (phonetisch) , Herr Minister?

Es hat den Anschein, Herr Minister, daß die Behörden immer wieder dann in ihren Ermittlungen behindert werden, wenn sie eine neue Ermittlungsrichtung einschlagen wollen. Und dazu paßt sehr gut das Zitat aus dem "Presse"-Interview des Herrn Sika, der sagt: Medien, Öffentlichkeit und Politiker haben uns hineingehetzt. Wir hätten im Jänner 1994 nicht ungestraft sagen können, das waren keine Neonazis, zumindest nicht solche, wie sie in der Vapo gängig sind. Wenn ich das gesagt hätte, wäre ich öffentlich hingerichtet worden. Man hat uns da hineingehetzt. – Das sagt Ihr Generaldirektor Sika.

Was meint er damit, Herr Minister? Es entsteht der Eindruck, daß die Ermittler ständig unter politischem Druck stehen.

Herr Minister! Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, daß es Verbrechen gibt, deren Hauptzweck es ist, andere in Verdacht zu bringen? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, daß man das als Vorwand für weitere oder auch andere Maßnahmen verwendet?

Herr Minister! Eine analytische Auseinandersetzung mit den Ihnen sicher zuhauf vorliegenden Erkenntnissen müßte schon längst dazu geführt haben, daß in eine andere Richtung ermittelt wird, in eine andere Richtung, die auch Fortschritte erwarten läßt, denn in der Richtung, in die Sie ermitteln, sind Sie schon allzu lange angestanden. – Versuchen Sie es einmal anders, Herr Minister!

Entkräften Sie die Vorwürfe, daß Sie zu Recht mit denen in Verbindung gebracht werden, die im "TATblatt" schreiben – ich zitiere: Damit die Suche erfolglos bleibt, ist es absolut wichtig, daß alle ihr Maul halten. Dies betrifft nicht nur Aussagen, wenn irgendwelche Fragen von Polizisten, Justiz und Journalisten kommen, sondern genauso Klatsch und Tratsch in der Szene.

Herr Minister! Das sind die Leute, die Sie unterstützen. Entkräften Sie diese Vorwürfe! Sonst sind Sie speziell als Sicherheitsminister nicht länger tragbar für diese Republik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu viele Unvereinbarkeiten liegen auf dem Tisch. Und ich schließe mich dem an, was Hubertus Czernin im "profil" geschrieben hat: Es ist einfach unvorstellbar, daß einer Innenminister bleibt, der jene Szene finanziell unterstützt, der alles tut, um Ermittlungen in bestimmte Richtungen zu verhindern, der jene Szene unterstützt, deren Gewaltbereitschaft durch den Anschlag bei Ebergassing offenkundig geworden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Stoisits. Ich erteile ihr das Wort. – Redezeit: 15 Minuten.

17.24

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Herr Präsident! Herr Dr. Löschnak sitzt jetzt als Kollege in der zweiten Reihe. Als er noch Innenminister war, habe ich selten hier die Gelegenheit gehabt, etwas über Herrn Dr. Löschnak zu sagen, das mir gefallen hätte. Aber aus der heutigen Sicht und nach dem, was einige Kollegen von der Freiheitlichen Partei und von der ÖVP heute gesagt haben, sage ich Ihnen, Herr Dr. Löschnak, daß Sie als Bundesminister für Inneres und als Verantwortlicher für


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die Sicherheit in Österreich mit der besonnenen Vorgangsweise im Zusammenhang mit der PKK und dem politischen Arm der PKK in Österreich immer meine Unterstützung hatten und auch heute noch haben.

Wenn Herr Bundesminister Dr. Einem letztes Jahr zum Schluß gekommen ist, daß nicht Radikalisierung das ist, was wir hier in Österreich wünschen, sondern der Weg, den die Bundesrepublik Deutschland gewählt hat, nämlich die PKK zu verbieten, Kulturvereine und Kulturorganisationen der Kurden, von denen ja sehr viele in der Bundesrepublik leben, zu verbieten, nicht der österreichische Weg ist – denn das führt zu Radikalisierung, wie man am Beispiel der Bundesrepublik sieht –, dann ist das begrüßenswert. Österreich hat sich im Zusammenhang mit Befreiungskämpfen von unterdrückten Völkern – das ist das, was die Kurden in der Türkei führen, aber nicht nur in der Türkei, sondern im gesamten Kurdistan – immer neutral verhalten, und diese österreichische Tradition, sich als neutraler Ort zu zeigen – heute wurde schon einmal das Beispiel der PLO genannt –, ist etwas, dessen Aufrechterhaltung in unser aller Interesse liegen muß. Und wenn Nichtradikalisierung dazu führt, daß Österreich auch einmal eine ähnliche Rolle, Vermittlerrolle im Zusammenhang mit den legitimen Anliegen der Kurden spielen kann, wie es der Tradition Österreichs unter Bruno Kreisky in seiner Haltung zur PLO entsprochen hat, dann haben Sie, Herr Bundesminister außer Dienst und heutiger Kollege, richtig gehandelt. Und wenn Herr Bundesminister Dr. Einem letztes Jahr so gehandelt hat, dann hat auch er richtig gehandelt.

Das, was seither passiert ist, verehrte Damen und Herren, zeigt auch, daß diese österreichische Haltung richtig ist. Denn ein Gespräch ist das, was wir zu suchen haben, und nicht eine falsche Auslegung von Gerichtsurteilen. Herr Dr. Khol, Sie müßten das ganz genau wissen, haben aber heute morgen schon eine bewußte Fehlinterpretation dieser Entscheidung zu bieten versucht, und das nehme ich Ihnen ganz besonders übel.

Herr Dr. Khol! Paul Kiss kann ich in diesem Zusammenhang nicht ernst nehmen, denn er ist ja heute nicht einmal hier Manns genug, diese Vorwürfe zu wiederholen.

Herr Bundesminister! Wenn Ihr Verhalten gegenüber der PKK, gegenüber der ERNK in Österreich dazu führt, daß wir weiterhin in Frieden und Sicherheit – sowohl für die österreichische Bevölkerung als auch für die zahlreichen kurdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Österreich – leben können, dann haben Sie unsere Unterstützung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann nicht mit gespaltener Zunge sprechen: sich auf der einen Seite in der Türkei, so wie der ehemalige Menschenrechtssprecher der Österreichischen Volkspartei Dr. Höchtl, für die Rechte der Unterdrückten einsetzen und in Österreich, wenn es gerade politisch opportun ist, das Gegenteil sagen. Das ist nicht unser Stil. Das ist der Stil der ÖVP, den sie jetzt von den Freiheitlichen schon in Gesinnungsgemeinschaft übernommen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der jetzigen Anfragebesprechung ist eines, mit dem es mir ganz besonders Ernst ist. Und ich finde es wirklich verabscheuungswürdig, mit welcher Pietätlosigkeit hier diskutiert wird und mit welcher Pietätlosigkeit Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat hier vorgehen. Herr Dr. Haider ist der Großmeister der Pietätlosigkeit. (Abg. Mag. Stadler: Über Ihre Rolle in Oberwart und bei den Briefbomben werden wir noch reden müssen, meine Dame! Da haben Sie eine ganz obskure Rolle gespielt!)

Herr Dr. Haider! Die abscheulichen Morde von Oberwart mit dem Wort "Vorfall" zu verniedlichen, wie Sie das mehrfach getan haben, das sagt mehr als alles, was Sie jemals beteuern könnten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Über Ihre Vertuscherrolle in Oberwart werden wir noch reden müssen!) Und Sie haben das mehrfach getan. Bei Ihrem Wahlkampfauftritt im November 1995 in Oberwart, haben Sie das mit den Worten "die Vorfälle von damals" abgetan. Vier Menschen sind dort gestorben! (Abg. Dr. Haider: Ihre Rolle werden wir noch beleuchten, Frau Kollegin!)

Wenn Sie nicht einmal so viel Charakter gegenüber den Angehörigen haben, die dort nur in Rufweite von Ihrem Wahlkampfauftritt leben, Herr Dr. Haider, wie sollen wir uns dann mit Ihnen


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auseinandersetzen? (Abg. Mag. Stadler: Ihre Rolle beim Bombenanschlag wird noch zu klären sein, meine Dame!) Diese Show auf Kosten der Gefühle der Hinterbliebenen ist mir einfach zu billig. (Abg. Mag. Stadler: Sie liefern eine Show!) Diese Art und Weise lehne ich zutiefst ab! (Beifall bei den Grünen.)

Der Verein "Roma von Oberwart" hat schon letzten Herbst (Abg. Mag. Stadler: Sie haben doch eine ganz schäbige Rolle gespielt!) im Zusammenhang mit dem Wahlkampfauftritt von Herrn Dr. Haider eine Presseerklärung (Abg. Mag. Stadler: Über diese Rolle müssen wir noch sprechen), eine öffentliche Erklärung abgegeben, bei der mir damals etwas aufgefallen ist (Abg. Mag. Stadler: Das wird noch zu klären sein, was sich da abgespielt hat!), was vielleicht nicht so bedeutungsvoll sein mag, aber in diesem Lichte doch bedeutungsvoll ist. Sie schreiben nämlich, es seien über tausend Beileidsbriefe und Beileidstelegramme damals in Oberwart von Privatpersonen, Institutionen, öffentlichen Stellen, aus dem In- und aus dem Ausland, von Politikern und Politikerinnen eingelangt. Es war aber kein einziger Brief von der F-Bewegung oder von einem Funktionär der "F" aus ganz Österreich darunter. (Abg. Mag. Stadler: Das ist eine schamlose Heuchelei!)

Meine Damen und Herren! Mehr brauche ich nicht zu sagen. (Beifall bei den Grünen.) Mehr brauche ich nicht zu sagen! Diese Mentalität, die man jetzt nicht mehr so direkt ausspricht (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler ) – um diesem Gedankengut zu folgen –, spricht mehr als tausend Worte, meine sehr geehrten Damen und Herren, das spricht mehr als tausend Worte. (Abg. Mag. Schweitzer: Frau Kollegin Stoisits! Wir wollten nicht den Leichenbestattern kondolieren wie viele andere!)

Wenn sich jetzt Kollege Schweitzer in die erste Reihe stellt, in der er hoffentlich nie sein wird, muß ich Ihnen auch vom Kollegen Schweitzer noch etwas berichten: Er war damals bei der Beerdigung der Roma in Oberwart. Und eines an seinem damaligen Verhalten war besonders auffällig (Abg. Mag. Stadler: Er hat sich nicht in die erste Reihe gedrängt wie Sie, damit er ins Fernsehen kommt!): Er war nämlich einer der wenigen (Abg. Mag. Stadler: Sie betreiben schamlose Heuchelei!), wenn nicht sogar der einzige Politiker, der der trauernden Familie ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Stadler! So geht das nicht! (Abg. Mag. Stadler: Das ist ja unglaublich, was die Dame da sagt!)

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): ... nicht kondoliert hat (Abg. Dr. Haider: Sie haben in der ersten Reihe die Reservierungstaferln der Minister weggeräumt, damit Sie ins Fernsehen kommen!), ganz offensichtlich und demonstrativ nicht kondoliert hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Das soll für jene, die es nicht wissen (Abg. Mag. Stadler: Sie haben doch überhaupt kein Recht, hier zu reden!), zur Information über den Charakter der Kollegen von der FPÖ dienen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber über Kollegen Schweitzer könnte ich noch einiges anderes berichten, das vielleicht auch etwas über seinen menschlichen und politischen Charakter aussagt (Abg. Mag. Stadler: ... im Vorfeld des Anschlages!), zum Beispiel, daß der von ihm vorgeschlagene Nachfolger auf sein Gemeinderatsmandat, das er demnächst in Oberwart zurücklegen wird (Abg. Dr. Haider: Sie haben die Reservierungstaferln von den Ministern weggeräumt, um ins Fernsehen zu kommen!), ein gewisser Herr Werner Gutleben ist, einer der Unterstützer der Kandidatur der NDP im Jahre 1982 in Österreich. Darüber, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollte man auch ein Wort verlieren. (Abg. Mag. Stadler: Wer wußte im Grünen Klub, was sich im Kuvert befindet?)

Ich wiederhole es nicht, ich überlasse es Ihnen, Kolleginnen und Kollegen, sich eine Meinung darüber zu bilden, wenn man folgenden Satz hier im Nationalrat sagt (Abg. Mag. Stadler: Erklären Sie das dem Hohen Haus!): die Personen im Dunstkreis des Offenen Hauses Oberwart. (Abg. Mag. Stadler: Wer wußte im Hohen Haus und im Grünen Klub, was sich im Kuvert befindet?) Das Offene Haus Oberwart, ein Jugendzentrum, das von der öffentlichen Hand (Abg. Mag. Stadler: Ein bitte was?) , wie Hunderte andere Jugendzentren in Österreich gefördert wird, dessen Aktivistinnen und Aktivisten zum Großteil ehrenamtlich und kostenlos


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arbeiten, mit dem Wort "Dunstkreis" zu bezeichnen, spricht für sich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Haider: Alkoholdunst muß man dazu sagen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Mag. Schweitzer: Und Drogen!) Kollege Schweitzer – ich weiß nicht, wo er in der Nacht der Detonation war – hat heute hier die Frage gestellt (Abg. Mag. Stadler: Wo waren Sie?): Warum hat denn niemand damals die Polizei oder die Gendarmerie alarmiert? (Abg. Mag. Stadler: Wo waren Sie die Nächte davor?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich unterbreche die Sitzung für zwei Minuten.

(Die Sitzung wird um 17.34 Uhr unterbrochen und um 17.36 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist gestoppt worden. Sie sind am Wort.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Aber nicht nur die Kolleginnen und Kollegen der FPÖ, die das Privileg haben, hier zu sitzen, auch andere der damaligen "F"-Bewegung, heute wieder FPÖ, haben nach dem Mordanschlag von Oberwart Erklärungen abgegeben (Abg. Dr. Partik-Pablé: Erklären Sie bitte, wieso wir ein "Privileg" haben, hier zu sitzen!), die man sich heute auch noch anhören sollte. Der burgenländische Landesparteiobmann der Freiheitlichen Partei, Dr. Wolfgang Rauter, hat sofort nach dem Anschlag von einem taktisch ungünstigen Zeitpunkt gesprochen. Was kann er damit gemeint haben? Wie kann man in einer Situation, in der vier Menschen sterben, in der vier Familien zurückbleiben, Kinder, die jetzt ohne Vater sind, von einem taktisch ungünstigen Zeitpunkt sprechen? (Abg. Dr. Haider: Das Begräbnis mißbrauchen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe das nicht! Das ist keine humane, keine menschliche Vorgangsweise. Das ist wirklich das Billigste, das ich in meinem Leben im Zusammenhang mit dem Leid und Schicksal von Menschen im letzten Jahr hier gehört habe. (Abg. Dr. Haider: Taferl weggeräumt beim Begräbnis!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Derjenige, der hier in der ersten Reihe sitzt, hat ja bereits letztes Jahr überhaupt keinen Genierer gehabt, die Opfer des Mordanschlages von Oberwart und damit auch alle Angehörigen mit Waffenschiebereien, mit Drogenhandel in Zusammenhang zu bringen. (Abg. Mag. Stadler: Die Polizei hat das gemacht!) Es war aber nachweislich festzustellen (Abg. Mag. Stadler: Dafür ist sie von Ihnen geprügelt worden!), daß keines der Opfer und auch kein Familienangehöriger je mit Drogenhandel, Waffenschmuggel, Autoschiebereien zu tun hatte. Eines ist Tatsache, und das haben die Angehörigen vom ersten Augenblick an gesagt: daß zwei der Bombenopfer Vorstrafen hatten. Einer eine Geldstrafe wegen einer Rauferei, das zweite Opfer, Josef Simon, hat in seiner Jugendzeit, als Jugendlicher einmal einen Einbruch in eine Wochenendhütte gemacht, und deshalb war er vorbestraft.

Wenn man Personen, die als Jugendliche einen Einbruch in eine Wochenendhütte gemacht haben und später einem Mordanschlag, der ganz eindeutig rassistisch motiviert war, zum Opfer gefallen sind, kriminellste Handlungen unterstellt, ihnen unterstellt, Schwerverbrecher zu sein, Herr Dr. Haider, dann frage ich Sie: Können Sie sich noch in den Spiegel schauen? (Abg. Mag. Stadler: Das waren der Staatsanwalt und der Untersuchungsrichter! Deswegen haben sie eine Hausdurchsuchung angeordnet!)

Herr Dr. Haider! Sie haben in Oberwart nicht einmal den Mut aufgebracht, mit den Angehörigen ins Gespräch zu treten. (Abg. Dr. Graf: Sie reden wider besseres Wissen!) Stefan Horvath, der Stiefvater eines Angehörigen, ist dort gestanden und wollte mit Ihnen sprechen. Sie haben sich von Ihrem Mitarbeiter am Handy anrufen lassen und gesagt: Ich muß jetzt schnell weg! (Abg. Mag. Stadler: Sie haben den Staatsanwalt "angeschossen"!) So war die Szenerie, gespenstisch ist das. – Ein halbes Jahr nach dem schwerwiegendsten rassistischen Anschlag in dieser Republik, Herr Dr. Haider. (Abg. Dolinschek: Sie haben eine blühende Phantasie!) Sie sind ja nicht einmal mutig genug, den Angehörigen gegenüberzutreten, Herr Dr. Haider! (Abg. Dr. Graf:


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Bei uns sind das Mandatare, bei Ihnen ist das irgendwer!) Hier zu sitzen, zu polemisieren, eine billige Show abzuziehen, das kann jeder (Abg. Mag. Stadler: Da sind Sie gerade Meisterin geworden!), aber den Angehörigen der Mordopfer ins Gesicht zu schauen, dazu haben Sie nicht den Mut. (Beifall bei den Grünen, bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Das schmerzt die Angehörigen, auch ein Jahr danach. Herr Dr. Haider, da hilft kein blödes Grinsen, da hilft kein Ablenken.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Ich kann Ausdrücke dieser Art nicht tolerieren, weder den vorherigen noch diesen.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Herr Präsident! Ich nehme das zurück. Das Grinsen ist ja nichts Unrechtes, das halte ich aufrecht. (Abg. Mag. Stadler: Das "blöd" nimmt sie nicht zurück, Herr Präsident!) Das "blöd" nehme ich sehr gerne zurück, um nicht in diesem Augenblick gegen die Würde des Hohen Hauses zu verstoßen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Aber diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die Dr. Haider sehen, können sich ein Bild vom Charakter, vom Gemüt und vom Herz dieses Menschen machen. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

17.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

17.40

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Was sich Frau Abgeordnete Stoisits an diesem Rednerpult geleistet hat, war einzigartig. Es ist doch ungeheuerlich, daß eine Abgeordnete dieses Hauses von Pietätlosigkeit spricht, wenn sie auf unsere Fraktion repliziert. Gerade Frau Stoisits spricht von Pietätlosigkeit, meine Damen und Herren! Es hat sich ja gezeigt, wie aufmerksam und mit welcher Trauer sie bei diesem Begräbnis der Oberwart-Opfer gewesen ist: Sie hat nur die freiheitlichen Teilnehmer dort beobachtet und sich ihre Interpretationen, ihre wahnwitzigen Interpretationen geleistet.

Frau Kollegin Stoisits, Sie waren doch diejenige, die die größte Pietätlosigkeit an diesem Tag, an dem wir alle mit den Angehörigen getrauert haben, gezeigt hat. Sie haben, nur damit Sie schön vor der Kamera sitzen, damit Sie in der ersten Reihe sitzen können, die Taferln umgeändert, um Ihre Trauer zum Besten geben zu können. Das ist pietätlos und schändlich! (Abg. Mag. Stadler: Schäbig! – Beifall bei den Freiheitlichen.) Und Sie kommen hier heraus und werfen den anderen Abgeordneten solche Dinge vor. Ungeheuerlich ist das!

Aber Ihr Verständnis von Demokratie zeigt sich auch darin, daß Sie zu uns sagen: Abgeordnete, die das "Privileg" haben, hier zu sitzen. (Abg. Mag. Stadler: Freiheitliche!) Wir wissen schon wieder, was Sie wollen, Frau Kollegin! Sie haben schon einmal zu uns gesagt: Die Freiheitlichen gehören für 20 Jahre eingesperrt. Das ist Ihr Demokratieverständnis, Frau Stoisits! Wenn freiheitliche Mandatare, die mehr als eine Million Wähler hinter sich haben, hier sitzen, dann ist das ein Privileg. Wir können wahrscheinlich nur warten, wie lange wir dieses Privileg von Ihnen und von den von Ihnen unterstützten Regierungsvertretern noch haben. – Wunderbar, daß Sie hier ein eindeutiges Bekenntnis zur Demokratie abgelegt haben. Heben Sie sich diese Rede auf, Sie werden noch daran erinnert werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Stoisits! Sie waren es doch, mit Ihren Mandataren, die immer darauf bedacht waren, Herrn Purtscheller zu verteidigen. In parlamentarischen Anfragen haben Sie gesagt, es sei gegen den Rechtsstaat, gegen die Menschenrechte, daß dieser Herr Purtscheller im auch sattsam bekannten Kirchweger-Haus aufgegriffen und sein Laptop beschlagnahmt wurde. Unglaublich, was das für ein Eingriff ins Eigentumsrecht ist! Es ist auch interessant, daß man gerade im Zusammenhang mit dem Kirchweger-Haus, von dem wir ja wissen, wer der Betreiber ist, von Eigentum spricht. Das Eigentum wird gestört. Zufällig – es ist ja nur Zufall gewesen – wurde dort eine Anleitung zum Bombenbasteln gefunden; assistiert von Herrn Innenminister,


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das wären nur journalistische Recherchen gewesen. Das sind die Probleme, die wir damit thematisieren wollen.

Sie haben doch über politisches Kleingeld gesprochen. Wenn ich das schon höre! Wer hat denn über all die Jahre, in denen wir darauf gewartet haben, daß diese Briefbombenattentate aufgeklärt werden, politisches Kleingeld zu verdienen versucht? Das waren doch Sie und Ihresgleiches, indem Sie immer wieder Parteipolitik in dieses schändliche Verbrechen hineingebracht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch jetzt haben Sie es wieder versucht. Es ist doch ungeheuerlich, wenn Sie Herrn Abgeordneten Schweitzer fragen, wo er zum Zeitpunkt dieser Detonation gewesen sei, warum er wisse, daß es eine zeitliche Differenz von acht Stunden gegeben hat. (Abg. Mag. Stadler: Das steht in der Zeitung!) Frau Abgeordnete Stoisits! Das steht nicht nur in der Zeitung, sondern das hat uns der damalige – leider "damalige" – Innenminister Löschnak im Ausschuß erklärt. Sie haben ihn ja gefragt, warum er die Frechheit gehabt hat, bei den Opfern, bei den Familien der Opfer zu recherchieren. Darauf hat er Ihnen und uns geantwortet, daß es doch zumindest auf den ersten Blick merkwürdig sei, daß es in einer ziemlich geringen Entfernung von diesen Häusern eine Detonation gibt, diese Leute stundenlang nicht zurückkommen, sie aber niemandem abgehen. Das war der Grund für diese Ermittlungen. Sie haben in dieser Ausschußsitzung anscheinend nicht aufgepaßt. Gehen Sie in sich, schauen Sie sich Ihre Mitschriften an, aber unterstellen Sie nicht unseren Abgeordneten irgendwelche Ungeheuerlichkeiten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Noch ein Wort zu der ganzen Angelegenheit PKK. Auch Sie, Frau Stoisits, haben das angesprochen. Sie haben auf die Menschenrechte der Kurden Bezug genommen und gemeint, man müsse der PKK ein Betätigungsfeld geben. Frau Kollegin Stoisits! Wir setzen nicht so wie Sie die berechtigten Anliegen einer Bevölkerungsgruppe – wir haben überhaupt keine Sympathien für die Vorgangsweisen des türkischen Regimes – mit den Interessen einer linksradikalen Terrororganisation gleich. Das ist eben der Unterschied zwischen Ihnen und uns, Frau Kollegin Stoisits! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch vom Herrn Innenminister wurde gesagt, der Sicherheitsbericht habe gezeigt, daß es seit 1993 keine Anschläge gegeben hat und daß das der richtige Weg sei. Herr Innenminister! Erstens stimmt das gar nicht, weil es auch in jüngster Zeit Brandanschläge gegen türkische Einrichtungen gegeben hat. (Zwischenruf des Bundesministers Dr. Einem .) Woher wissen Sie das? – Aufgeklärt haben Sie es nicht; aber Sie wissen taxfrei, daß es die PKK nicht gewesen ist. Sehr interessant! (Abg. Mag. Stadler: Sie darf es nicht sein! Das paßt nicht in das Weltbild!) Sagen Sie uns, wer noch Interesse daran hat, türkische Einrichtungen zu beschädigen?

Meine Damen und Herren! Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen, wir liegen deshalb außerhalb dieser Terroraktionen, weil es sich die PKK sehr gut gerichtet hat, weil sie sich hier in Österreich eine Organisationsplattform geschaffen hat, um im Nachbarland ihre Anschläge und ihre Einrichtungen zu organisieren, Herr Innenminister! Es stellt sich doch die Frage, ob wir das Recht haben, nur deshalb, weil Sie glauben, daß wir dann unsere Ruhe haben, quasi nach dem Florianiprinzip diesen Terroristen hier eine Plattform zu bieten, damit sie in anderen demokratischen Staaten, in anderen europäischen Staaten ihr Unwesen treiben können. Das hier zu diskutieren wäre, glaube ich, auch einmal interessant.

Das ist eine ganze Latte von Problemen, die immer wieder mit Ihnen, Herr Minister, zusammenhängen. Sie sind ganz einfach auf dem linken Auge blind. In diesem Bereich verharmlosen Sie alles und wissen, daß das sowieso nicht so schlimm ist. Bei Ebergassing haben Sie gesagt, daß das linke Anarchisten waren, haben aber sofort dem widersprochen, daß vielleicht politische Inhalte dahinterstecken hätten können. Was denn sonst, Herr Innenminister?

Wie hätten denn die Diskussionen auch hier in diesem Haus ausgesehen, wenn dieser "Unfall" – unter Anführungszeichen – in Ebergassing nicht passiert wäre, wenn dieser Anschlag geglückt wäre, Herr Innenminister? Wären Sie nicht der erste gewesen, wenn etwa am 20. April halb Wien ohne Strom gewesen wäre, der gesagt hätte, das sei eine neue Kategorie des rechts


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extremen Terrors? (Abg. Mag. Stadler: Purtscheller hat es vorausgesagt!) Ist es nicht interessant, Herr Innenminister, daß gerade der oft zitierte Herr Purtscheller dieses Attentat vorausgesagt hat? Aber all das sind keine Themen für Sie. Sie sagen auch heute wieder, Sie bräuchten hier nicht zu ermitteln, weil gegen Herrn Purtscheller nichts vorliege. – Das ist die Einäugigkeit, die wir an Ihnen kritisieren, Herr Innenminister! (Abg. Mag. Stadler: Das ist sein Freund! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es stimmt ja auch gar nicht, daß Sie nicht wüßten, ob Herr Purtscheller einmal hier ist oder nicht. Es war ja Ihrer Meinung nach ein Zufall, daß vor der letzten Briefbombenserie ein Journalist mit Ihrem Herrn Generaldirektor für öffentliche Sicherheit gesprochen und ihn darüber informiert hat, daß sich Herr Purtscheller zufällig vor dieser letzten Briefbombenserie in Wien befunden hat. Der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit hat gesagt: Ja, das wissen wir eh! Was ist jetzt, Herr Innenminister? Sind Sie in Kontakt mit Herrn Purtscheller, oder haben Sie die Staatspolizei auf ihn angesetzt, oder wissen Sie wirklich nicht, wo er ist? – Das sind doch alles Ungereimtheiten!

Eines noch zum Abgeordneten Gaál: Sie haben eingangs ganz vehement gesagt – vielleicht glauben Sie es tatsächlich –: Es gibt in Österreich keinen linken Terror. Sie haben gesagt, das sei eine ernste Sache – ich gebe Ihnen völlig recht: Das ist eine ernste Sache. Ich sage Ihnen, Herr Kollege Gaál: Es ist völlig egal, ob es linken oder rechten Terror gibt; jede Art der politischen oder auch nichtpolitischen Gewaltanwendung ist auf das Schärfste zu verurteilen und ohne Wenn und Aber, ohne rechts- oder linksäugig zu sein, aufzuklären. Es ist alles in der Macht Stehende zu tun, um diese Verbrechen aufzuklären, Herr Kollege Gaál!

Aber es stimmt ganz einfach nicht, daß es keine linke Terrorszene gibt. Das sage nicht nur ich, das sagt nicht nur ein Freiheitlicher, sondern das sagt auch ein Ihrem Lager zugehöriger Geheimdienstexperte, der in einem Gespräch ganz klar die Wurzeln und die Querverbindungen des linksextremen Terrors nach Österreich aufgezeigt hat, der die Wurzeln aus Amerika genau aufgezeigt hat und sogar eine Kontaktadresse genannt hat, die sogenannte Bürogemeinschaft Schottengasse, wo verschiedene Organisationen, die sich angeblich für Antimilitarismus einsetzen und sich zu einem militanten Umweltschutz bekennen, organisiert sind.

Dieser Ihnen zugehörige Geheimdienstexperte hat ganz klar dargelegt, welches Netzwerk, welches europäische Netzwerk, in das auch die östlichen Geheimdienste mit ihrem Know-how mit hineinspielen, es gibt und wo auch Österreich – leider – miteinbezogen ist. Man verschließt aber die Augen vor solchen Dingen.

Dieser Experte hat auf ein Beispiel hingewiesen, nämlich daß es etwa am 8. Oktober vorigen Jahres einen Brandanschlag gegen die Amerikanische Schule in Wien gegeben hat. Das ist nicht weiter aufgefallen, weil man – zumindest öffentlich – nicht wahrhaben wollte – anscheinend erkannte man es bei den Sicherheitsdiensten und bei der Staatspolizei sehr wohl –, daß es gleichzeitig mit diesem Anschlag gegen die Amerikanische Schule weltweit Anschläge, Brandanschläge gegen amerikanische Einrichtungen gegeben hat. Auch jüngst hat es wieder Anschläge gegen Mineralölfirmen, gegen Großkonzerne, gegen Pharmabetriebe gegeben – all das in einem Netzwerk der linken Terrorszene, Herr Kollege Gaál!

Genau darum geht es, man soll aufklären und klarlegen. Auch dieser Experte hat sogar gesagt, daß es enge Querverbindungen zwischen Linksextremisten und den linken und rechten Terroristen gibt, weil sich in dieser Art der Mittel alle einig sind.

Herr Bundesminister! Darum geht es: Sie gehen hier heraus und verniedlichen alles. Sie sagen, das, was die Freiheitlichen hier vorwerfen, sei alles unrichtig, und Ihr eigener Generaldirektor gibt in einem Presseartikel zu, daß es bei der Aufklärung der Bombenattentate politischen Druck gegeben hat. Dieser muß sogar sehr massiv gewesen sein, denn er hat gesagt: Man hätte uns politisch hingerichtet, wenn wir unsere Ermittlungen in eine andere Richtung als in die rechtsextreme Szene gemacht hätten!

Herr Innenminister! Wer hat denn diesen Druck auf den Herrn Generaldirektor ausgeübt? Das kann ja nur ein Regierungsmitglied gewesen sein. War das vielleicht der Herr Kunstminister?


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Oder war das vielleicht der Herr Familienminister oder die Frau Frauenministerin? – Die Antwort darauf wäre auch interessant: Wer ist denn in der Lage, politischen Druck auf die Staatspolizei, auf die Ermittlungsbehörden auszuüben, daß sie nur in einer Richtung ermitteln? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Wenn sich das als richtig herausstellt, dann müssen Sie erklären, welche Verantwortung Sie haben, wenn wegen dieses politischen Drucks die Briefbombenattentate nicht aufgeklärt werden konnten oder für die Zukunft nicht verhindert werden konnten. Das liegt doch auch in Ihrer Verantwortung, Herr Innenminister! Da können Sie sich nicht hinwegstehlen und sagen, das sei alles Parteitaktik und Polemik der Freiheitlichen!

Wir wollen ganz einfach nur nicht, daß Leute wie Herr Purtscheller, die Attentatsprognosen abgeben, von Ihrer Justiz oder von Ihrer Staatspolizei unbehelligt bleiben. Wir wollen nicht, daß ein Herr Purtscheller als Experte im Fernsehen auftritt und gute Ratschläge gibt, und wir wollen vor allem nicht, daß Leute wie Herr Purtscheller in die Schulen gehen und dort versuchen, unsere Jugend von linksextremen Ideologien zu überzeugen, meine Damen und Herren! – Das sind die Probleme, die wir in Ihrem Lager sehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Wortmeldung des Herrn Bundeskanzlers war zu entnehmen, welche Konfliktpotentiale gerade durch Sie entstanden sind. Denn die ÖVP geht jetzt hier herunter und sagt, das sei natürlich alles zu kritisieren, und Herr Kukacka hat gesagt, der Herr Innenminister habe bizarre Ansichten, er sei das Sprachrohr der Linksalternativen. – Die ÖVP kann sich aber nicht so leicht aus der Verantwortung stehlen, denn im Ministerrat gibt es ja das Einstimmigkeitsprinzip, meine Damen und Herren! Man kann ja nicht sagen: Das ist eine andere Regierung, wir sind etwas ganz Eigenes.

Meine Damen und Herren! Beide Regierungsparteien haben die Verantwortung für diese Regierungspolitik, und Sie von der Volkspartei werden sich auch dann nicht aus der Verantwortung stehen können, wenn die Drohung wahrgemacht wird, die der Herr Bundeskanzler hier ausgesprochen hat: daß er Ihnen helfen wird, in der Landesverteidigungspolitik für Ordnung zu sorgen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Wir haben nichts gegen irgend jemanden persönlich, sondern wir verlangen, daß gerade ein Innenminister seine Arbeit ordentlich und zum Schutze der Österreicher und im Sinne der Verfassung erledigt. Wir wollen keinen Minister, der gegen das Bundesheer auftritt, wir wollen keinen Minister, der einen Super-Geheimdienst in seinem eigenen Ressort organisieren will, und wir wollen keinen Innenminister, der Ermittlungen in einem der größten Verbrechensfälle der Zweiten Republik behindert.

Herr Kollege Kiss! Sie haben vor wenigen Tagen in einer Debatte um Vertrauen dem Herrn Bundesminister gegenüber gebeten. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie das tun, ist das Ihre Sache; Sie werden das zu verantworten haben. Unser Vertrauen hat dieser Innenminister sicher nicht, und er wird es auch auf keinen Fall gewinnen können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Herr Abgeordneter Leikam. Die Redezeit ist bekannt.

17.55

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben heute die Fortsetzung der Debatte, wie sie am Ende der letzten Parlamentssitzung von den freiheitlichen Abgeordneten, insbesondere vom Herrn Abgeordneten Stadler, in dieses Haus gebracht wurde. Es überrascht uns daher keineswegs, daß von den Rednern der Freiheitlichen heute ein weiterer Aufguß einer verwerflichen Anschüttungskampagne gemacht wird, wie wir sie eigentlich schon seit längerem kennen. (Abg. Dr. Graf: Kein Aufguß, es kommt täglich etwas Neues dazu!)

Es ist auch heute von den Rednern der Freiheitlichen nichts Neues ans Tageslicht gebracht worden. Es sind altbekannte Argumente, Unterstellungen, Beschuldigungen, Gerüchte, die auch heute wieder von den freiheitlichen Abgeordneten in Richtung Bundesminister Dr. Einem aus


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geschüttet wurden. (Abg. Dr. Graf: Wir haben zumindest erfahren, daß der Minister das Parlament falsch informiert hat!) Der Hintergrund der Aktion der Freiheitlichen hier im Parlament ist sicherlich nicht die Sorge um die innere Sicherheit in unserem Lande. Der Hintergrund Ihrer Kampagne, die Sie seit einiger Zeit auf den Innenminister starten, ist eindeutig darin zu sehen, daß Ihr Parteiobmann vor einem Prozeß mit dem Innenminister steht. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Das ist mir neu! Das habe ich nicht gewußt!)

Dieser bevorstehende Prozeß Dr. Einem gegen Dr. Haider wirft natürlich seine Schatten voraus – überhaupt keine Frage! Denn Dr. Haider selbst weiß sehr genau, daß er seine Behauptungen bei diesem bevorstehenden Prozeß nicht aufrechterhalten kann. Und was tut man in einem solchen Fall, wenn man weiß, was auf einen zukommt? Man versucht, den Prozeßgegner in der Gunst der Öffentlichkeit herabzusetzen. Man leert kübelweise Schmutz über den Gegner und hofft, daß einiges davon schon hängen bleiben wird.

Diese Strategie, meine Damen und Herren der Freiheitlichen Partei, kennen wir schon von anderen Bereichen her. Es ist ja nicht der erste Prozeß, den Herr Dr. Haider zu führen hat, und es ist auch nicht der erste Prozeß, den Herr Dr. Haider verlieren wird. Aber die Vorgangsweise ist überall die gleiche: Vorher hat man versucht, seine Gegner in der Öffentlichkeit schlechtzumachen, um im nachhinein zumindest in der öffentlichen Gunst den Eindruck erwecken zu können, man habe es ohnehin mit einem zu tun, der in der öffentlichen Meinung nicht gut dasteht. – So war es im Prozeß gegen die Arbeiterkammer in Kärnten und im besonderen gegen den Kammerpräsidenten Quantschnig, da hat er alles verloren. (Abg. Dr. Graf: Ich bin so froh, daß Sie uns nicht schlechtmachen! Danke!)

So war es im Prozeß gegen den derzeitigen Klubobmann und früheren Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Peter Ambrozy: Unterstellungen am laufenden Band – Prozeß verloren; allerdings viele Monate nach der Wahl. So war es auch in dem Prozeß gegen Herrn Doralt, so war es bei den Anschuldigungen gegen den Hauptschuldirektor von Krenglbach. Ich könnte noch eine ganze Reihe von Fällen aufzählen, bei denen es von seiten des freiheitlichen Parteiobmannes die gleiche Vorgangsweise gegeben hat. (Abg. Dr. Graf: Welche Geschäftszahl tragen diese Prozesse?)

Meine Damen und Herren! Auf die Kurdenpolitik ist schon von mehreren Rednern hingewiesen worden. Die Kurdenpolitik Österreichs hat unserem Land Sicherheit und Anerkennung gebracht, und das muß uns sehr viel wert sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin sehr froh darüber, meine Damen und Herren, daß die Wähler am 17. Dezember eine Entscheidung in der Richtung getroffen haben, daß die Sozialdemokraten wieder die bestimmende Kraft in diesem Hause sind. (Abg. Dr. Graf: Das zweitschlechteste Ergebnis!)

Denn wir haben heute mit Schrecken, mit Schaudern miterleben müssen, daß sowohl von Rednern der Österreichischen Volkspartei als auch von Rednern der Freiheitlichen der Radikalisierung in unserem Lande das Wort geredet wurde. Die Sozialdemokraten in diesem Lande werden eine Radikalisierung immer ablehnen, sie haben es immer getan, sie tun es, und sie werden es auch künftighin tun. (Beifall bei der SPÖ.) Sie werden unseren erbitterten Widerstand kennenlernen, wenn es darum geht, die innere Sicherheit in diesem Lande mit Radikalisierung zu verteidigen. (Abg. Dr. Graf: Zur Radikalisierung trägt bei, wer Terroristen unterstützt! Zur Radikalisierung trägt bei, wer Terroristen unterstützt!)

Wir werden den Weg fortsetzen, den wir auch in der Vergangenheit gegangen sind. Österreich ist auf diesem Weg ein sicheres Land geworden, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber es wundert mich, warum der Parteiobmann der Freiheitlichen auf einmal so empfindlich ist, wenn hier über Attentäter, die bekannt sind, und über Aussagen des Ministers, die auch bekannt sind, zu denen es überhaupt keine offenen Fragen mehr gibt, diskutiert wird. Es liegt sicher einige Jahre zurück, aber es ist nicht in Vergessenheit geraten, Herr Dr. Haider: Ihr Treffen mit dem "Bomben"-Burger hat dieses Land auch erschüttert. Da haben Sie diese Empfindlichkeit


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nicht an den Tag gelegt, die Sie in diesen Tagen, in diesen Wochen immer wieder in den Mittelpunkt stellen.

Erklären Sie dem Hohen Hause, was der Inhalt des Gesprächs mit dem Herrn "Bomben"-Burger gewesen ist! Sagen Sie uns, was Sie damals so dringend mit ihm zu reden hatten! Es würde uns sicherlich interessieren. Sie messen hier mit zweierlei Maß. Sagen Sie uns, was der Inhalt des Gesprächs mit Herrn Burger war, das Sie in Moosburg geführt haben! Es würde uns alle sehr interessieren.

Es ist heute vom Denunziantentum geredet worden und der Vorwurf von den Freiheitlichen in Richtung des Ministers erhoben worden. – Herr Dr. Haider! Klären Sie uns bitte auf, wie sich das mit Ihrer Aktion in Kärnten verträgt, als Sie in Inseraten dafür geworben haben – Text –: Helfen Sie beim Aufdecken! Wenn Ihnen ein Unrecht oder ein Skandal in Ihrer Gemeinde oder in Ihrer Nachbarschaft bekannt ist, schreiben Sie mir, Herrn Dr. Haider – auch anonym –, wir werden jedem dieser Hinweise nachgehen! – Das ist ein öffentlicher Aufruf zum Denunziantentum in Ihrer Funktion als Kärntner Landeshauptmann.

Herr Dr. Haider! Wer sind Ihre Leute, die jedem dieser Fälle nachgehen? Wie viele Leute, wie viele Kärntnerinnen und Kärntner haben sich an Sie gewandt und haben Ihnen Dinge aus der Nachbarschaft oder aus den Gemeinden mitgeteilt? An wen in Ihrer Partei haben Sie gedacht, der diese Aufklärungen durchführen sollte? Wer sind diese Leute? Etwa Herr Rumpold? – Oder: Warum vertrauen Sie nicht unserer Exekutive? Warum vertrauen Sie nicht der Polizei, der Gendarmerie, der Staatsanwaltschaft? Warum wollen Sie selbst Dingen nachgehen, die Ihnen die Leute anonym anvertrauen?

Wir haben Vertrauen zu unserer Exekutive. Wir glauben, daß die Exekutive gute Arbeit leistet. Sie haben dieses Vertrauen anscheinend nicht. Sie nützen die Exekutive immer nur für Ihre parteipolitischen Zwecke. Und dann – das soll auch in Erinnerung gerufen werden –, wenn unsere Exekutive erfolgreich ist, wie im Fall Ebergassing oder im Fall der Russen-Mafia, dann darf diese Exekutive ihre Erfolge nicht bekanntgeben, weil es eine Untersuchungsrichterin gibt, die zufällig auch Sicherheitssprecherin der Freiheitlichen ist, die sagt: Das bleibt unter Verschluß, es darf keine Information in die Öffentlichkeit hinaus! (Abg. Schieder: Ah so! Unerhört! Unglaublich! – Abg. Dr. Mertel: Unerhört! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da war die Exekutive erfolgreich, und das paßt doch nicht in das Politbild der Freiheitlichen Partei. Es muß doch immer wieder in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werden, daß bei der Exekutive nichts weitergeht, daß der Innenminister anzuschütten ist. Daher haben Sie wahrscheinlich Arbeit genug, wenn Sie einmal in Ihren eigenen Reihen nachdenken, worum es geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser Innenminister hat für die innere Sicherheit zu sorgen, und das gelingt ihm. Es gelingt ihm, und es ist auch seinen Vorgängern gelungen, für die innere Sicherheit in diesem Lande zu sorgen!

Aber ich wundere mich schon ein bißchen über Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, denn die PKK ist doch keine Angelegenheit des Innenministers allein. Wieso schweigt Ihr Außenminister zur PKK? Warum gibt es nicht auch diesbezüglich einmal eine klare Stellungnahme? Lassen Sie das nicht allein das Thema des Innenministers sein, Sie haben auch die Verantwortung in dieser Richtung. Und Sie sollten diese Verantwortung auch wahrnehmen und mittragen! (Beifall bei der SPÖ.)

Über 30 blutige Attentate, schreckliche Ereignisse, auch mit einigen Toten, gab es in der Bundesrepublik Deutschland. Seit 1993 herrscht relative Ruhe in unserem Land. Ich schließe mich all jenen Rednern an, die gemeint haben, daß es richtig ist – sogar der freiheitliche Abgeordnete Ofner hat das gesagt –: Solange hier Ruhe ist, sollte man diese Situation nicht ändern! – Ich bin auch dieser Meinung, daß das ein Weg ist, der der richtigere ist – wobei man natürlich immer diskutieren kann, ob es auch tatsächlich so ist. Aber wir sind, glaube ich, in erster Linie darauf aus, die Sicherheit in unserem Lande sicherzustellen.


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Ich muß natürlich noch auf die Justiz eingehen, weil sie auch immer wieder genannt wird und weil Kollege Schweitzer und Kollege Scheibner vom Ausüben des Drucks durch den Innenminister auf dessen Beamten gesprochen haben. (Abg. Scheibner: Weil er das selbst gesagt hat!) – Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Auch dazu eine Feststellung: Wenn es jemand in diesem Lande gibt, der ununterbrochen versucht, Druck auf die Beamtenschaft, auf die Exekutive, auf die Justiz auszuüben, dann ist es der Obmann der Freiheitlichen Partei. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Kollege Dr. Ofner! Du warst einmal Justizminister dieser Republik (Abg. Dr. Ofner: Eben!), und ich weiß nicht, ob es ein Justizminister Dr. Ofner nicht auch so gemacht hätte, wie es die Oberstaatsanwaltschaft Graz gemacht hat. (Abg. Mag. Stadler: Wie macht er das? Herr Leikam! Wie macht er denn das? Das muß etwas ganz Raffiniertes sein, denn Weisungen darf er keine erteilen!)

Im Frühjahr 1991 gab es in Kärnten die Diskussionen um Magdalen. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt hat nicht so entschieden, wie es Dr. Haider in wöchentlichen Vorankündigungen, in Form von öffentlichem Druck der Staatsanwaltschaft ausrichten ließ. Es sind politische Mandatare von der Staatsanwaltschaft nicht zur Anzeige gebracht worden. Was war das Ergebnis? – Herr Dr. Haider hat dem leitenden Staatsanwalt vorgeworfen, er beuge sich vor den Freimaurern in Kärnten, er – Haider – werde diese Entscheidung nicht zur Kenntnis nehmen, und, meine Damen und Herren, er hat eine Stunde später im Gebäude des Landesgerichtes Klagenfurt – im Gebäude des Landesgerichtes Klagenfurt! – eine Pressekonferenz anberaumt, um gegen den dortigen leitenden Staatsanwalt zu Felde zu ziehen. Das hat es in dieser Zweiten Republik noch nie gegeben.

Erst eine Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Graz hat verhindert, daß die Pressekonferenz im Gebäude des Landesgerichtes stattfinden kann. Die Pressekonferenz hat dann vor dem Gebäude des Landesgerichtes stattgefunden, und alle Bediensteten dieses Hauses erinnern sich heute noch mit Schrecken daran, als eine johlende, brüllende Menge von Freiheitlichen zum Landesgericht gezogen ist und dort öffentlich gegen die dortige Justiz aufgetreten ist. (Abg. Dr. Fuhrmann: Und wer hat die Leute aufgehetzt? War das Haider? – Wahrscheinlich!)

Das ist Druck auf die Öffentlichkeit! Das ist Druck auf die unabhängige Justiz in unserem Lande. Und bevor Sie weiterhin den Minister anschütten, schauen Sie, daß sich in Ihren eigenen Reihen Ordnung und Sauberkeit befinden! Da gibt es genügend Leute, mit denen Sie sich beschäftigen können! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel .)

18.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider gemeldet. Ich bitte um Wiedergabe des zu berichtigenden Sachverhalts und um die Gegendarstellung. – Bitte.

18.09

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Leikam hat eine Reihe von Prozessen aufgezählt, die ich angeblich verloren habe. Ich habe weder gegen die Arbeiterkammer einen Prozeß laufen, daher kann ich ihn auch nicht verlieren, noch hat mich je der von ihm zitierte Hauptschuldirektor aus Krenglbach geklagt, noch mich irgendwie verfolgt. Ich bitte zur Kenntnis zu nehmen, daß diese Behauptungen absolut unwahr sind. (Abg. Dr. Cap: Ein Biedermann! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ja, unwahr, lieber Kollege!

Es hat nie einen Prozeß gegeben, es hat nie eine Klage gegeben, es hat nie ein Verfahren gegeben. Und wenn hier jemand zu Unrecht beschuldigt, dann ist das Kollege Leikam und nicht meine Person! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum zweiten: Er hat behauptet, ich hätte als Landeshauptmann den Auftrag zur Bespitzelung von Bürgern dieses Landes gegeben. Das ist unwahr. (Abg. Leikam – ein Papier in die Höhe haltend –: Bitte! Die Frisur stimmt nicht mehr, Herr Dr. Haider! Die Frisur ist eine andere geworden!) – Wahr ist vielmehr, Kollege Leikam: Als ich in das Amt des Landeshauptmannes gekom


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men bin, habe ich im Büro, das ich von meinem Vorgänger übernommen habe, der ein sozialistischer Landeshauptmann war, einen Akt der Bespitzelung der Kraftwerksgegner gegen ein KELAG-Projekt durch den Herrn Zentralbetriebsratsobmann der KELAG bekommen, der Herrn Landeshauptmann Wagner übermittelt worden ist. Das ist die Wahrheit! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dritter Punkt: Er hat gesagt, wir hätten mit einer grölenden Menge vor dem Landesgericht Klagenfurt eine Pressekonferenz abgehalten. Ich stelle fest: Eine grölende Menge kann es nicht gewesen sein (Abg. Leikam: Freiheitliche Parteigänger!) , weil bei einer Pressekonferenz Journalisten zugegen sind. Wenn er die Journalisten als "grölende Menge" beschimpft, ist das seine Sache, wir sind jedenfalls ohne Parteivolk, ohne Anhänger, sondern mit Journalisten vor dem Landesgericht gewesen und haben dort die Grundlagen unserer Kritik an den Entscheidungen dargelegt. Die Journalisten werden sich einiges denken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Sie hat das Wort.

18.11

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Zum Herrn Kollegen Leikam möchte ich sagen, daß seine Ausführungen absolut lächerlich sind, und – wie schon unser Klubobmann jetzt gesagt hat – sie sind auch falsch. Insgesamt, muß ich sagen, war es die Analyse eines Uninformierten. Das haben Sie heute hier bewiesen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Leikam: Ich habe nichts anderes erwartet! – Abg. Dr. Stippel: Aber das, was Sie gesagt haben, sagen Sie nicht!) Ich möchte sehr gerne etwas dazu sagen. Herr Kollege Leikam hat denselben Vorwurf schon einmal erhoben, aber auch damals habe ich ihm gesagt, ich bin hier nicht in meiner Eigenschaft als Richter (Abg. Leikam: Das ist ja das Fatale!) , ich kann hier niemanden zur Verantwortung ziehen, auch keinen Landesbeamten oder Lehrer, weil hier nicht ... (Abg. Dr. Stippel: Sie sollten zurücktreten!) Als Richter kann man gar nicht zurücktreten. Sie sind derart unbeleckt von allen staatsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Gesetzen, daß man sich wirklich nur wundern kann, daß Sie da sitzen, Herr Kollege. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Leikam: Sie mißbrauchen Ihr Richteramt!)

Wenn der Herr Minister Einem möchte, dann könnte er das aufklären, was Herr Leikam mir zum Vorwurf macht, denn er ist dazu befugt, ich nicht, weil ich hier als Abgeordnete fungiere.

Zur Frau Kollegin Stoisits möchte ich folgendes sagen: Auf Ihre Wortmeldung gehe ich deshalb ein, weil ich durchaus zugebe, daß Sie oft, insbesondere in Sozialdingen, wirklich etwas sagen, wovon auch ich überzeugt bin, und ich scheue mich nicht, Ihnen zu sagen, ich stimme mit Ihnen überein. Aber Ihre heutigen gehässigen Ausführungen uns gegenüber finde ich, um es in Ihrer Ausdrucksweise zu sagen, wirklich billigst. Um es mit meiner Ausdrucksweise zu sagen: Ich finde sie wirklich geschmacklos.

Sie werfen uns vor, wer wem kondoliert hat. Sie haben offensichtlich die Kondolenzschreiben gezählt, die den Leidtragenden von Oberwart zugekommen sind und rechnen auf. Das finde ich wirklich geschmacklos, Frau Stoisits!

Und eines möchte ich auch sagen: Mir ist leider auch zu Ohren gekommen, wie Sie sich dort beim Begräbnis verhalten haben. Sie haben, um im Fernsehen in der ersten Reihe dabeizusein, das Taferl von der Frau Kollegin Rauch-Kallat weggenommen und sich auf den Sessel gesetzt, der für Frau Rauch-Kallat vorgesehen war, weil für Sie kein Platz reserviert war. Und da wollen Sie hergehen und uns anschütten und uns Vorwürfe machen, weil niemand von uns kondoliert hätte. Das finde ich wirklich skandalös, und es widerspricht auch der Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß nicht, wer aller von uns in Oberwart war: Ich war nicht dort, aber ich kann mich erinnern, der Herr Präsident Haupt war dort, der Kollege Ofner war dort. Die haben auch kon


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doliert, und die können Sie zu Ihren tausend Kondolenzschreiben noch dazuzählen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ich jedenfalls finde das geschmacklos.

Ich möchte aber jetzt auf die Anfragebeantwortung des Herrn Ministers zurückkommen. Der Kollege Leikam hat zwar gesagt, es sei unnötig, daß wir diese Diskussion vom Zaun brechen, denn es sei ohnehin alles klar. Für uns war bisher nicht klar, welche Haltung der Minister zu dieser Sache Purtscheller hat, deshalb haben wir auch diese Anfrage gestellt. Aber es ist durchaus möglich, daß Sie als Abgeordneter der Regierungspartei bessere Informationen vom Minister haben als wir, was ich sehr bedauern würde.

Herr Minister! Ich bin eigentlich schon erstaunt darüber, daß Sie die Frage 2, und zwar ob gegen Purtscheller ermittelt wurde, mit einem glatten Nein beantworten und sagen, es gebe bezüglich einer Mitwirkung in Ebergassing überhaupt keine Verdachtsmomente. Ich muß sagen, das muß ich etwas belächeln, denn Purtscheller war einer – wie wir heute schon mehrfach gehört haben –, der zehn Tage vor dem Anschlag diesen vorausgesagt hat, und dann ist dieser Anschlag auch tatsächlich passiert. In jedem anderen Fall, wo es um Lächerlichkeiten geht, hätte eine solche Person einvernommen werden müssen, hätten Ermittlungen gegen sie eingeleitet werden müssen und wären auch erfolgt, in jedem anderen Fall wären diese Äußerungen auch ernst genommen worden. Aber weil es der Herr Purtscheller ist, weil es um jemanden geht, der im linken Dunstkreis steht (Abg. Dr. Stippel: Was heißt das: "linker Dunstkreis"?) , ist offensichtlich im Freundeskreis nicht ermittelt worden. Sie haben keine Veranlassung gesehen, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Und das finde ich wirklich höchst sonderbar, Herr Minister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man hat zum damaligen Zeitpunkt auch – das ist heute ebenfalls schon angeschnitten worden – genau gewußt, daß Herr Purtscheller anläßlich dieser Vorfälle in der Wielandgasse ertappt worden ist, daß man bei ihm ein Notizbuch gefunden hat und daß ein Verfahren eingeleitet worden ist, eine Anzeige nach § 175 StGB. Aber das alles ist für Sie kein Grund, ihn dann, wenn ein wirklich sehr gravierendes Attentat passiert, zur Verantwortung zu ziehen und ein Erhebungsverfahren gegen ihn einzuleiten.

Es ist doch Aufgabe, gegen solche Personen zu ermitteln, die in den Verdacht kommen, als Anstifter, Beihelfer mitgewirkt zu haben, oder die auch etwas von dieser ganzen Sache wissen. Und das, Herr Minister, können Sie mir nicht erzählen, daß niemand im Polizeibereich und niemand in Ihrem Dunstkreis von einer gewissen Nähe des Purtscheller zu den Tätern und sogar von einer Mitwisserschaft gewußt hat. Das können Sie mir ganz einfach nicht erzählen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn die Exekutive wirklich so ahnungslos wäre, wie Sie das darstellen wollen, dann könnten Sie sich, das muß ich schon sagen, nicht ununterbrochen mit einer Aufklärungsquote von 47 Prozent rühmen, denn dann wäre die Aufklärungsquote gleich null. Nur: Ich weiß ganz genau, bei allen kleinen Delikten, da wird beinhart recherchiert, aber wenn es darum geht, politische Delikte aufzuklären, oder darum geht, Freunde ein bißchen zu durchleuchten, dann stoppen plötzlich alle Ermittlungen. Das haben wir in der Vergangenheit oft genug erlebt, insbesondere dann, wenn es um Sozialisten gegangen ist. Das kenne ich zur Genüge und alle anderen auch, und Sie setzen das fort. Sie setzen es nicht bei Wirtschaftskriminellen fort, sondern Sie setzen es dort fort, wo es um Kreise geht, die mit Ihrer Ideologie zusammenhängen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich teile wirklich den Verdacht des Kollegen Stadler, daß Sie einfach nicht wollten, daß in Richtung Purtscheller ermittelt wurde. Ich finde es auch auffällig, daß – wie auch heute schon zitiert worden ist – Herr Generaldirektor Sika gesagt hat: Wir haben nur in die eine Richtung Ermittlungen angestellt, wir waren auf dem linken Auge blind. Man hat uns in diese einseitigen Verfahren hineingehetzt.

Blind sind Sie offensichtlich auch einer anderen Gruppierung gegenüber, sehr geehrter Herr Minister, die ebenfalls zum linksextremen Kreis gehört und wo sozusagen die Wiege der späteren Attentäter steht. Ich wundere mich immer: Da gibt es den "Revolutionsbräuhof", und


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was sich da abspielt, ist dergestalt, daß ich schon glaube, daß Sie hier einschreiten müßten. (Abg. Wabl: Waren Sie schon einmal dort?) Ich erwarte mir einmal einen Bericht von Ihnen, oder haben Sie sich schon einmal einen Bericht über den "Revolutionsbräuhof" kommen lassen?

Da steht beispielsweise – ich zitiere aus dem Bericht Nummer 69 –: "Wir werden es uns aber nicht nehmen lassen, weiterhin gegen diesen Staat, diese Wirtschaft zu sein. Es kommt immer vor allem darauf an, wem was weggesprengt werden soll." – Das sind eindeutig anarchistische und terroristische Bewegungen.

Weiter heißt es: "Gegen Österreich zu sein ist nur die vernünftige Konsequenz aller, die ihr Leben nicht dem erbarmungslosen Takt der Fabrik unterordnen wollen." – Das ist der "Revolutionsbräuhof". (Die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe.) Da wird auch annonciert für die anarchistische Buchhandlung.

Ich möchte wirklich wissen, Herr Minister, ob Sie da auch Ermittlungen anstellen oder ob wir Angst haben müssen, daß Sie auch auf diesem Auge blind sind, daß Sie auch da überhaupt nicht ermitteln. Oder haben Sie auch dort gespendet? Das würde mich sehr interessieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jedenfalls finde ich es wirklich sehr problematisch, daß sich im gesamten Universitätsbereich solche Gruppierungen ausbreiten können, die eindeutig zur Zersetzung des Staates aufrufen, die sich eindeutig zu ihren anarchistischen Ideen bekennen. Herr Minister! Ich erwarte mir, daß Sie auch in diese Richtung ermitteln, denn das gehört auch zur Sicherheit.

Heute sagte Herr Gaál, die Sicherheit sei ein sehr wichtiges Bedürfnis. Das ist ganz klar. Dazu gehört aber auch, daß man linksextreme Gruppen beobachtet und im Griff hat. Da behauptet Herr Gaál, es gebe keinen Linksextremismus beziehungsweise keinen Linksterror in Österreich. Wir haben ihn ja erlebt, und ich behaupte, daß dieser "Revolutionsbräuhof", daß diese Leute, die da dahinterstecken, jene Gruppe sind, aus der die späteren Terroristen kommen. Die wollen den Staat zerstören, die wollen die Einrichtungen des Staates zerstören. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Solche Leute, die behaupten, es gebe eine solche Szene nicht, wie eben Herr Kollege Gaál, Herr Kollege Leikam und auch der Herr Minister selbst, wollen uns ganz einfach nur Sand in die Augen streuen. Und ich bin wirklich erstaunt, daß der Herr Bundeskanzler hier keinen Handlungsbedarf sieht. Der Herr Bundeskanzler sagt in der "Presse" vom 22. April, dieser Innenminister sei absolut einsatzfähig. Ich glaube, daß der Herr Bundeskanzler einem verhängnisvollen Irrtum unterliegt. Wir haben ja schon erlebt, daß er gerade dort, wo es um die Auswahl von Ministern geht, sehr oft einem verhängnisvollen Irrtum unterliegt; zuletzt mit dem Minister Staribacher, und mit dem Gesundheitsminister war es ja genauso. Das haben wir alles schon erlebt. Ich glaube, daß der Bundeskanzler falsch beraten ist, wenn er weiterhin diesem Innenminister die Stange hält.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe aber auch wirklich kein Verständnis der Österreichischen Volkspartei gegenüber. Herr Kollege Kiss, wo waren Sie heute? Wo sind Sie bei dieser Diskussion? Sie fehlen mir wirklich. Da schicken Sie jemanden heraus. (Ruf bei der ÖVP: Da sitzt er ja!) Er fehlt mir bei der Diskussion. Er meldet sich nämlich nicht zu Wort, obwohl er einer war, der vor der Wahl sogar behauptet hat, daß dieser Minister Einem untragbar sei für Österreich. Nur, nach der Wahl – ich habe es schon einmal gesagt – traut er sich aus Koalitionstreue oder aus Angst, daß er oder seine Partei Nachteile haben könnten, überhaupt nichts zu sagen. Und das finde ich wirklich verwerflich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und wenn der Herr Bundeskanzler auch noch sagt, daß er keinen Grund zu Mißtrauen gegenüber Innenminister Einem hat und auch das Gerichtsverfahren, das Strafverfahren nicht von Bedeutung wäre, weil, wie er sagt, Meinungsverschiedenheiten über die Gerichte ausgetragen werden und Einem da nicht der erste sei, dann möchte ich schon entgegnen: Das ist ebenfalls ein Irrtum vom Herrn Bundeskanzler. Da geht es nicht um die Austragung von Meinungsverschiedenheiten bei dem Strafverfahren gegen Einem, sondern da geht es um ein Offizial


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delikt. Diesem Innenminister wird vorgeworfen, daß er einen Amtsmißbrauch begangen hat, und das kann man nicht so abtun, als ob es da ganz einfach nur um eine andere Meinung ginge. Für uns jedenfalls, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist dieser Innenminister nicht nur nicht einsatzfähig, sondern auch höchst gefährlich und ablösereif. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karl Öllinger. Er hat das Wort.

18.23

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einem kann ich Abgeordneten Kukacka recht geben, nämlich darin, daß er gesagt hat, der Öllinger weiß, wovon er spricht. Das dürfte aber schon das einzige sein, wo er und so manche andere hier recht haben, denn ich kann mich nach dieser Debatte des Eindrucks nicht erwehren, daß manche in diesem Hohen Haus Fakten und Fiktion, Dichtung und Wahrheit, Traum und Wirklichkeit nicht mehr auseinanderhalten können. Im Film, in der Literatur ist es ein tolles Kunstmittel, wenn die verschiedenen Ebenen so ineinander gestaffelt und verschichtet werden, daß man dann letztendlich nicht mehr erkennen kann, wo ist die wahre Ebene, wo ist die fiktive Ebene, wo ist die tatsächliche Handlung, wo ist die fiktive Handlung.

Wenn es aber so ist, wie wir es heute hier erleben mußten, daß sich beispielsweise der Herr Abgeordnete Haider nicht mehr von seinem fiktiven Alter ego, dem Alfons Haider, der im "Kaisermühlen-Blues" spielt, unterscheiden kann und nicht mehr weiß, daß der fiktive Haider im "Kaisermühlen-Blues" die tatsächlichen Haider-Sprüche bringt, dann wird es problematisch. Und das ist das eigentlich Bedenkliche daran. Herr Abgeordneter Haider, Sie wissen es vielleicht nicht, aber Ihr Alter ego im Film, der Alfons Haider, hat nur Jörg-Haider-Sprüche zitiert. Vielleicht ist es Ihnen nicht aufgefallen, aber das ist sicherlich eine sehr bescheidene, aber doch auch eine Kunst. (Abg. Scheibner: Haben Sie den Text geschrieben?)

Dichtung und Wirklichkeit, Traum und Wirklichkeit, meine Damen und Herren – da haben wir noch einen anderen Künstler in diesem Metier, das ist der Herr Abgeordnete Ewald Stadler. Er geht hier heraus und behauptet, daß er eigentlich nur über Tatsachen spricht, und verwendet dabei immer Begriffe wie "unglaublich", "ich bin verdutzt", "unglaublich verdutzt". (Abg. Mag. Stadler: Verdutzt?) "Verdutzt" haben Sie am Freitag gesagt, Herr Abgeordneter Stadler. (Abg. Mag. Stadler: Das habe ich nicht gesagt! "Verdutzt" gehört nicht zu meinem Wortschatz!) Es steht so im Protokoll drinnen. Sie können es gerne berichtigen. Sie haben das gesagt. (Abg. Mag. Stadler: Ich schließe mit Ihnen jede Wette ab, daß ich das nicht gesagt habe! Ich wette um eine Flasche Sekt!) Das ist Ihre Art, sich auseinanderzusetzen: so zu tun, als ob Sie diese Wirklichkeit gar nicht begreifen könnten und begreifen würden, aber gleichzeitig zu behaupten, daß Sie sie vollkommen begreifen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Reden Sie lieber über Sperma!)

Herr Abgeordneter Stadler, wenn Sie hier herausgehen und auf der einen Seite den Herrn Purtscheller als den Täter oder einen möglichen Täter präsentieren, gleichzeitig aber auf der anderen Seite hier heraußen den Herrn Purtscheller als Ihren Kronzeugen bezeichnen, als Ihren Kronzeugen gegen den Innenminister, als Ihren Kronzeugen gegen den Herrn Prader, dann stimmt irgendwo etwas nicht in Ihrer Darstellung. Da sind Ihnen die verschiedenen Ebenen wieder durcheinandergerutscht. (Abg. Dr. Graf: Öllinger, das ist ein Widerspruch!) Aber das ist ja ein typisches Phänomen bei Ihnen, in der Wissenschaft, in der Medizin bekannt als Syndrom, als Täter-Opfer-Umkehr-Syndrom würde ich es bei Ihnen bezeichnen. An dieser Krankheit leiden Sie jetzt schon längere Zeit, Herr Abgeordneter Stadler. (Abg. Dr. Graf: Wo ist der Herr Purtscheller? Sagen Sie uns das!)

Entweder ist Herr Purtscheller glaubwürdig oder er ist unglaubwürdig. Entweder ist er in höchstem Maße kriminell, dann sollten Sie genau diesen Herrn Purtscheller nicht als Ihren Kronzeugen gegen andere, gegen den Innenminister oder gegen den Herrn Prader, benutzen, oder Herr Purtscheller ist tatsächlich völlig im Recht, dann können Sie ihn aber nicht hier heraußen und in Ihrer Anfrage als möglichen Täter bezeichnen. Ja wissen Sie denn eigentlich,


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woran Sie sich vergreifen, wenn Sie immer mehr Menschen in dieser Republik hier mit vollem Namen nennen – wie auch heute geschehen – und hier als Täter bezeichnen? (Abg. Mag. Stadler: Gestatten Sie einen Zwischenruf! Purtscheller hat schon x-mal gesagt, er klagt mich! Er hat mich bis heute nicht geklagt!)

Ja, das ist eine Ebene. Der Herr Purtscheller kann Sie nicht klagen, Herr Stadler, weil er im Ausland ist (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), und natürlich ist die Frage legitim: Warum ist er im Ausland? Vielleicht kann es auch mit Ihnen zusammenhängen. Ich maße mir kein Urteil über den Herrn Purtscheller an. Ich möchte nach allem, was ich über diesen Herrn Purtscheller weiß, nicht sagen, was seine Motive sind. (Abg. Dr. Ofner: Ich schon!) Aber wenn ich mir die Kampagne vergegenwärtige, die Sie zirka vor einem Jahr hier in diesem Haus geführt haben, dann muß ich sagen, es wundert mich nicht, daß Personen, die Sie hier als Täter vorzuführen versuchen, ins Ausland flüchten. Das wundert mich nicht. (Abg. Dr. Graf: Woher wissen Sie, daß er im Ausland ist?)

Herr Abgeordneter Stadler! Sie haben den Herrn Purtscheller mit der Begründung als Täter bezeichnet, er habe kryptische Andeutungen über das Attentat gemacht, er habe diese kryptischen Andeutungen schon eine Woche vor dem Attentat gemacht, und das belege, daß es sich bei dem Herrn Purtscheller vermutlich um einen der Täter handeln müsse. Das war Ihre Schlußfolgerung. Sie haben es nicht so gesagt, aber das ist die einzige zulässige Schlußfolgerung. (Abg. Dr. Graf: Es gibt gewisse Verdachtsmomente!)

Herr Abgeordneter Stadler! Wissen Sie eigentlich, daß Abgeordneter Haider es war, der ungefähr eine Woche vor dem Anschlag, vor dem Briefbombenattentat auf die Frau Loley auch davon gesprochen hat, daß ein weiteres Briefbombenattentat ins Haus stehe, und daß man das vermutlich wieder den Freiheitlichen in die Schuhe schieben werde? Was ist da mit Ihrer Täter-Opfer-Theorie, mein Herr Stadler? (Abg. Mag. Posch: Woher weiß er das?) Das ist Ihre Art, sich auseinanderzusetzen: mit Verdacht, mit Vorurteil. Das ist Ihre Art, mit Dichtung und Wirklichkeit umzugehen.

Herr Abgeordneter Stadler! Sie haben – das ist schon mehrmals gesagt worden – am 3. Mai Herrn Bassam al Taher als Täter bezeichnet, öffentlich bekanntgegeben, daß es sich hier um einen Täter handelt, zu einem Zeitpunkt, wo diese Äußerung noch niemand vor Ihnen in der Öffentlichkeit gemacht hat. Vor Ihnen war es Frau Abgeordnete Partik-Pablé, die noch, wenn ich mich recht erinnere, in der Nacht, in der die Opfer von Ebergassing, in der die zwei verkohlten Leichen gefunden wurden, die Täter mit Namen genannt hat. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist überhaupt nicht wahr!)

Meine Damen und Herren! Der Herr Schweitzer von Ihrer Partei war es, der hier im Hohen Haus einen Namen genannt hat, der ihm nur deswegen bekannt sein konnte, weil dieser Name im Rahmen einer Hausdurchsuchung im Ernst-Kirchweger-Haus durch die Polizei bei einer Feststellung bei einer erhobenen Datenbank gefunden wurde. Der Herr Schweitzer hat diesen Namen nur aufgrund von Fakten wissen können, die nur den Sicherheitsbehörden bekannt waren.

Das ist die Art und Weise, wie Sie sich hier auseinandersetzen, und heute haben Sie ein weiteres Beispiel dafür geliefert, indem Sie nämlich einen möglichen Verdächtigen mit vollem Namen genannt haben. Mit vollem Namen! (Abg. Mag. Schweitzer: Wen meinen Sie?) Ich spreche hier keine Namen aus, Herr Abgeordneter Schweitzer. Es waren Sie, der den Namen genannt hat, und ich möchte darauf nur Bezug nehmen, um Ihre Art der Auseinandersetzung zu charakterisieren, wie Herr Abgeordneter Stadler sie auch am vorigen Freitag geboten hat. Er war der erste, der sozusagen diese neue Tätertheorie in den Raum gestellt hat. Er hat gesagt: "Heute lesen wir verdutzt in der Presse, daß es eine Verhaftung gegeben habe, eine Verhaftung eines angeblich bereits seit Monaten bekannten Täters." Herr Abgeordneter Stadler, ich habe die "Presse" vom Freitag gelesen. In der "Presse" vom Freitag steht nichts von einer Verhaftung. Das wissen Sie ganz genau.

Ich lese Ihnen vor: "Der geheimnisvolle vierte Mann ist bereits im Visier der Ermittlungsbehörden. Der bekannte Unbekannte verkehrt nach wie vor in der Anarchoszene." Das sind die Aussagen, die in der "Presse" zu lesen waren. Es steht in keiner Silbe, in keinem Satz etwas


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davon, daß dieser Mensch am Freitag verhaftet worden wäre. Sie wissen auch ganz genau, daß er noch nicht verhaftet wurde. (Abg. Mag. Stadler: Ein bißchen weiter! Lesen Sie noch ein bißchen weiter!) Sie haben diese Behauptung allein deswegen gemacht, um die Ermittlungen gegen bestimmte Personen tatsächlich zu beeinflussen, um hier durch die Nennung eines Namens erstens eine Vorverurteilung zu erreichen und zweitens die Ermittlungen in eine ganz bestimmte Richtung zu beeinflussen. Sie wissen ganz genau, daß dieser Betroffene noch nicht verhaftet ist, zu diesem Zeitpunkt – ich weiß nicht, ob er jetzt verhaftet ist –, am Freitag, jedenfalls ganz sicher noch nicht verhaftet war.

Herr Abgeordneter Stadler! Das, was Sie hier machen, nämlich Unschuldige – und für jeden, der noch nicht überführt worden ist, hat die Unschuldsvermutung zu gelten – zu verdächtigen, auch Mitglieder unseres Klubs zu verdächtigen, mit den Terroristen im Bunde zu stehen, ist eine ganz üble Methode. Herr Abgeordneter Stadler, Sie sind ein Giftspritzer!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Diese Ausdrucksweise werden wir in der nächsten Präsidiale besprechen. – Meine Damen und Herren, wie so viel Haß in dieses Haus hereinkommt, ist mir wirklich nicht klar. Jedenfalls: Das ist nicht gut so.

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Ich glaube, daß nicht ich es war, der einen neuen Verdächtigen konstruiert hat. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ. – Bewegung in den Reihen der Freiheitlichen.) Es war der Abgeordnete Stadler, der unschuldige Personen, Angehörige unseres Klubs beziehungsweise Personen von außerhalb, gegen die zu diesem Zeitpunkt keine Verurteilung vorgelegen hat, gegen die möglicherweise ermittelt wurde oder wird, wie im Fall dieser von ihm beziehungsweise vom Herrn Schweitzer genannten Person, einfach beschuldigt hat, daß sie in diesem Umfeld tätig sind, daß sie quasi Tatverdächtige sind.

Das war nicht meine Methode. Ich nehme zur Kenntnis, Herr Präsident, was Sie gesagt haben, aber es ist meiner Ansicht nach auch legitim, Herr Präsident, daß man sich gegen diese bösartigen Anschuldigungen zur Wehr setzt. (Abg. Dr. Haider: Unglaublich!) Es kann nicht angehen, daß hier einfach jemand herausgeht und tatsächlich Fakten und Fiktion in einer beliebigen Art und Weise miteinander vermengt und dann noch so tut, als wäre das tatsächlich die Wirklichkeit. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Stadler! Sie haben Vorverurteilung betrieben, und Sie machen das immer wieder. Das ist Ihre Art und Weise, die Tatsachen auf den Kopf zu stellen. Ich sage Ihnen eines: Wir diskutieren heute Ebergassing (Abg. Dr. Ofner: Nicht nur!) , obwohl es nicht nur Ebergassing gibt, obwohl nach wie vor – und das ist wesentlich größer in seiner Bedeutung – die Morde in Oberwart nicht aufgeklärt wurden (Abg. Dr. Ofner: Jawohl!) , obwohl die ganzen Briefbombenattentate mit eindeutigen politischen Zuordnungen, mit Bekennerbriefen, noch nicht aufgeklärt worden sind. (Abg. Dr. Ofner: Es ist alles im Zusammenhang! Das gehört alles zusammen!)

Meine Damen und Herren! In dieser Situation gehen Sie her und spitzen die öffentliche Diskussion zum Thema unaufgeklärte politische Terrorattentate auf Ebergassing zu, auf die mögliche, von Ihnen behauptete Verbindung, daß es sich bei den Ebergassing-Tätern, bei den verkohlten Ebergassing-Tätern, auch um die handle, die für alle anderen Mordfälle möglicherweise verantwortlich sind, die sozusagen in einer Beziehung zu allen anderen stehen. Auf diese Tatsache, auf diese Fiktion reduzieren Sie Ihre Auseinandersetzung hier in diesem Hohen Haus. Und es ist nicht möglich und nicht denkbar, von dieser Art der Diskussion auszugehen und die Art ... (Abg. Dr. Haider: Verteidigen Sie noch die Bombenleger? Oder was wollen Sie? – Abg. Mag. Stadler: Er hat ein eigenes Interesse daran! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wie kommen Sie auf die Behauptung? Wie kommen Sie auf diese Behauptung, Herr Abgeordneter Haider, daß ich die Bombenleger verteidige? Ich weise Sie aufgrund von Fakten darauf hin, daß es auch für Sie notwendig ist, Fakten und Fiktion auseinanderzuhalten.

Herr Abgeordneter Haider! Studieren Sie den Alfons Haider! Studieren Sie ihn, studieren Sie Ihr fiktives Alter ego, dann wird Ihnen möglicherweise klar, wie Sie tatsächlich agieren. (Abg. Scheibner: Ja, ja!)


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Ich möchte zum Abschluß eines sagen, meine Damen und Herren, vor allem von den Freiheitlichen: Ich habe heute zum ersten Mal die Strafanzeige, die von der Gendarmerie Niederösterreich, von der kriminalpolizeilichen Abteilung des Landesgendarmeriekommandos Niederösterreich, gegen die potentiellen Straftäter gemacht wurde, durchstudiert. (Abg. Scheibner: Woher haben Sie das? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Woher haben Sie die Anzeige?) Ich muß Ihnen sagen, da sind Sachen drinnen enthalten, da sind Behauptungen, die Sie im Verlauf dieser letzten Monate immer wieder an die Öffentlichkeit getragen haben, enthalten, die in keiner Weise einer Erörterung, einer ernsthaften Erörterung standhalten können. Und Sie wissen das, Frau Abgeordnete Partik-Pablé. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Woher haben Sie die Anzeige?)

Sie wissen das, denn zum Beispiel hat das Oberlandesgericht Wien bezüglich der Anzeige, die sich auf die Auseinandersetzung zwischen Haider und Jasmin Randall stützt – es geht um die Auseinandersetzung, wo das Oberlandesgericht dann aufgetragen hat, daß Herr Haider bestimmte Behauptungen nicht mehr verbreiten darf –, bezüglich der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos Niederösterreich festgestellt: "Die Anzeige kann jedoch nicht den Schatten eines Beweises für diese Verdächtigung anführen, sodaß sie als Beweis für die Richtigkeit der Behauptung des Beklagten ungeeignet ist." (Abg. Dr. Ofner: Des Beklagten! Das kann keine Anzeige sein!)

Das stellt das Oberlandesgericht zu dieser Auseinandersetzung zwischen Frau Randall und Herrn Haider fest. Das stellt das Oberlandesgericht fest über eine Strafanzeige, die vom Landesgendarmeriekommando Niederösterreich gemacht wurde, die die Grundlage für alle Ihre öffentlichen Erörterungen ist, die aber offensichtlich ungeeignet ist, tatsächlich Sachbeweise zu liefern. Im Gegenteil! Wenn das Oberlandesgericht feststellt, hier werden in der Anzeige ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): ... hier werden keine Sachbeweise geliefert, dann drängt sich die Notwendigkeit auf, in die Auseinandersetzung über diese Debatte um den Fall Ebergassing auch die Sicherheitsbehörden beziehungsweise deren schlampige Ermittlung miteinzubeziehen. (Beifall bei den Grünen.)

18.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé gemeldet. Bitte um Wiedergabe des zu berichtigenden Sachverhalts und die Gegendarstellung.

18.39

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Ich berichtige die Behauptung des Abgeordneten Öllinger, ich hätte noch in der Nacht des Attentates die Namen der Täter genannt. Richtig ist vielmehr, daß ich am 20. April 1995 gegen Mittag, nachdem vom Herrn Innenminister im Innenausschuß der Sachverhalt, soweit er ihm bekannt war, dargelegt worden ist, in meiner Presseaussendung die Namen Konicek und Thaler genannt habe, nachdem ich sie vorher in einer Zeitung gelesen habe.

Das heißt also – Herr Abgeordneter Öllinger, vermischen Sie bitte nicht Fakten und Fiktion! –, ich habe in keiner Weise auf irgendeine unkorrekte Art und Weise die Namen erhalten, sondern aus den Zeitungen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Er hat das Wort.

18.40

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe es ja relativ einfach: Zwei meiner Vorredner, die Kollegen Gaál und Leikam, haben mir ja das Podest errichtet für meine heutigen Ausführungen. Sie haben darauf hingewiesen, daß ich in Sachen Kurden und deren Organisationen im Fernsehen vor gar nicht allzulanger Zeit eine relativ zurückhaltende Position eingenommen habe.


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Ich nehme gerade auf dieser Grundlage für mich in Anspruch, heute hier mit besonderem Nachdruck das Wort zu ergreifen. Das steht mir nach meinem Dafürhalten zu.

Eines verstehe ich aber wirklich nicht. Ich verstehe zunächst den Minister Einem nicht, der sich gschamig zurückhält und offenbar mit dem, was er weiß, nicht an die Öffentlichkeit, auch nicht an die Parlamentsöffentlichkeit, geht. Würde er das tun, könnte er auch in seinem Sinne – davon bin ich überzeugt – vieles ausräumen, vieles regeln.

Ich verstehe aber auch die Ausführungen des einen oder anderen meiner Vorredner nicht, die sich da wehleidig und unsicher und larmoyant ergangen haben. Ich bin ein bißchen belustigt, wie Herren, wie mein unmittelbarer Vorredner, die sonst vor Selbstbewußtsein und Eloquenz strotzen und platzen, da heraußen herumstigatsen und herumstottern, weil es ihnen offenbar nach außen nicht leichtfällt, nach innen vielleicht schon leichtfällt, Dinge wie den Anschlag von Ebergassing und die Zusammenhänge, die sich daraus ablesen lassen, hier im Hohen Haus zu vertreten und zu verteidigen.

Es ist ja wirklich unfaßbar: Da geht niemand Geringerer als der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit mit nicht nur einem, sondern sogar mit zwei sorgenvollen Interviews an die Öffentlichkeit. Niemand geht anschließend her, wenn er behauptet, die Sicherheitsexekutive sei mit ihren Erhebungen in die falsche Richtung gedrängt worden, die Polizei, die Erhebungsorgane wären "hingerichtet" worden, wie er sich ausdrückt, wenn sie sich erlaubt hätten, einen anderen Standpunkt einzunehmen, als daß jeder Terror von rechts komme, auch nicht sein Chef, also auch nicht der Minister, und leitet irgendein Verfahren gegen ihn ein, etwa ein Disziplinarverfahren, sagt zumindest, das ist alles nicht wahr, was der Generaldirektor in der Öffentlichkeit behauptet, sondern man schweigt nur verlegen und betreten.

Dann schreibt ein namhafter Kriminalbeamter, ein Angehöriger der betroffenen Staatspolizei, ein bestsellerverdächtiges Buch, in dem er offenlegt, daß der Staatspolizei immer wieder von politischer Seite die Hände gebunden worden sind und gebunden werden. Und was passiert? Wird das Buch beschlagnahmt? Wird der Autor mit aller Konsequenz des Dienstrechtes und was es noch alles gibt verfolgt? – Überhaupt nicht. Man geht her wie der selige Kaiser Ferdinand II. anläßlich der Revolution 1848 und wirft die Frage auf: Ja darf der denn das überhaupt in der Öffentlichkeit sagen?

Und dann, meine Damen und Herren, gibt es einen Polit-Adabei, den heute schon so oft genannten Herrn Purtscheller, hinsichtlich dessen man eines schon nicht vergessen darf – mir war er bis dahin überhaupt kein besonderer Begriff –: Da hat es eine Anfragebeantwortung durch den Vorgänger des Ministers Einem, durch den Minister Löschnak, gegeben, eine Anfragebeantwortung, die ein Eigentor der Grünen war. Denn die Grünen haben den Minister sekkiert, warum denn der arme Purtscheller damals, obwohl er Journalist ist, festgenommen worden ist, ein Opfer, ein armer Teufel, und man war auch noch so indiskret und hat sein elektronisches Notizbuch genommen und ausgewertet.

Und da steht ein bedeutsamer Satz, der sicher nicht beabsichtigt war und der alle in Verlegenheit gebracht hat, die sich zu den Freunden des Purtscheller zählen, ein Satz in der Anfragebeantwortung Löschnaks, daß aus einer Notiz in diesem elektronischen Buch hervorgehe, daß er in irgendeiner Form an zumindest einem Sprengstoffanschlag oder dessen Vorbereitung beteiligt war. Das darf man ja bitte nicht ganz vergessen, daß es solche Dinge in diesem Zusammenhang gegeben hat!

Und was ist die Reaktion, wenn Politiker, wenn Abgeordnete in diesem Haus, wenn Medien, wenn die Öffentlichkeit sich über dieses Geschehen aufzuregen beginnen? Geht jetzt der Minister her und tritt an die Öffentlichkeit, legt alles auf den Tisch, erklärt, daß er vorbehaltlos Information erteilen werde? – Nein, das macht er überhaupt nicht. Er beantwortet eine parlamentarische Anfrage, die in ihrer Diktion maßvoll ist, wie folgt:

Zur Frage 1: Nein. – Punkt.

Zur Frage 3: Ich verweise auf die Antwort zu Frage 1. – Punkt.


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Zur Frage 4: Diese Frage kann aus Gründen der Amtsverschwiegenheit und des Datenschutzes nicht beantwortet werden. – Punkt.

Zur Frage 5: Nein. – Punkt.

Zur Frage 6: Ja. – Punkt. Eine Beantwortung dieser Frage ist jedoch aus kriminaltaktischen Überlegungen nicht möglich. (Abg. Schwemlein: Aber Sie wissen, daß es solche und solche Fragen gibt!) – Du kommst noch dran, Schwemlein; spar dir deine Energie auf, du wirst sie brauchen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In dem Jargon am Gürtel heißt eine solche Anfragebeantwortung: Schmeck’s, Kropfata! Und das kann man auf die Dauer mit der Öffentlichkeit eines demokratischen Staates nicht ungestraft tun, meine Damen und Herren! Das wird sich rasch herausstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schwemlein, bevor du lachst: Lies die morgigen Zeitungen! Sie kursieren schon da. (Abg. Schwemlein: Ich habe sie schon gelesen!) Nimm dir die "Krone" und den "Kurier", dann wirst du sehen, daß du aufpassen mußt, daß du nicht vielleicht deine Energien in eine Richtung vergeudest, die dir in ein paar Tagen schon sehr schaden könnte. Also paß wirklich auf, wenn du dich in Nibelungentreue vielleicht da heraußen auf die Schienen legst, und wenn du auf den Schienen liegst, stellt sich heraus, es kommt gar kein Zug mehr! Da wirst du wirklich aufpassen müssen! (Abg. Schwemlein: Darf ich davon ausgehen, daß Sie sich um mich sorgen?)

Aber es gibt erheiternde Passagen in den Ausführungen meiner Vorredner. Da geht der Fachmann Gaál, ein lieber Freund von mir seit vielen Jahren, heraus und sagt mit blauäugigem Augenaufschlag: Es gibt ja keinen linksextremen Terror in Österreich. – Wahrscheinlich nach dem Motto: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf! Und weil damit die Fiktion von der immer gewaltfreien Linken endgültig zerstört würde.

Aber ich empfehle die Lektüre der Berichterstattung über die Äußerungen des Ministers Einem, um den es heute hier geht. Denn er hat vor einigen Wochen enunziert, daß es – ich habe es vergessen – fünf oder sechs Anschläge in den letzten Monaten und Jahren, die eindeutig der linksterroristischen Szene zuzuzählen seien, gegeben habe. Das mußt du lesen, das mußt du dir merken, und du darfst es da heraußen auch nicht vergessen! Es ist das ganz wichtig, um die Dinge zutreffend zu beurteilen. Denn man kann beschuldigen, wen man will, aber festgestellt als Terroristen sind in der jüngeren Vergangenheit in Österreich nur Linksextreme geworden, meine Damen und Herren! Das muß man wissen und zugeben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und dann passiert dem Minister Einem, den ich ja schon länger kenne und von dem ich weiß, daß er nicht der leibhaftige Gottseibeiuns ist, als den ihn manche vielleicht betrachten oder jedenfalls darzustellen sich bemühen, daß er sagt, er kann den Namen eines Verdächtigen, des dritten Verdächtigen, beim besten Willen nicht nennen, denn der ist ja unschuldig, der hat sich als unschuldig herausgestellt. (Abg. Dunst: Na und?) – Das ist doch eine verkehrte Logik, meine Dame. Ich weiß nicht, wer den Zwischenruf lanciert hat. Ich kann heute vielleicht einen Schuldigen, einen Verdächtigen, einen Beschuldigten aus irgendwelchen Gründen nicht in die Öffentlichkeit zerren, weil ich nicht weiß, ob sich nicht herausstellen wird, daß er unschuldig ist, weil ich ihm nicht schaden möchte, weil er jugendlich ist oder unbescholten oder ähnliches. Aber wenn sich schon herausstellt, ein Unschuldiger war im Verdacht, na dann werde ich doch sagen dürfen, wer der Unschuldige gewesen ist. Da kann er ja dann bestenfalls besser dastehen als vorher, meine Damen und Herren!

Und wenn es um die Weisungsfrage geht – der eine oder andere wird vielleicht schmunzeln, aber mit Weisungen kenne ich mich doch ein bißchen aus –, wenn es um die Weisungsproblematik geht, dann war es schon eine Offenlegung, eine unbeabsichtigte, wenn der Minister gesagt hat: Von einer Weisung war überhaupt keine Rede, wir haben eine Dienstbesprechung abgehalten.


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Das ist die Form, Willi Fuhrmann, wie man Weisungen erteilt, ohne daß sie als solche bezeichnet werden. Ich lade alle Beteiligten ein, es gibt einen Kaffee und vielleicht ein bißchen Gebäck dazu, und am Schluß einigt man sich auf eine bestimmte Vorgangsweise. Das ist die Weisung, die nicht so heißt.

Aber nicht einmal so war es da! Wir haben aus einem Akt zitiert bekommen, daß der zuständige Spitzenbeamte, dem schwummerlich geworden ist, der – wörtlich – offizialdeliktisches Verhalten gefürchtet hat, eine sogenannte Deckungsweisung durch den Minister verlangt und diese erhalten hat.

Ich will mich jetzt einer präzisen Bezeichnung aus der rechtlichen Ecke dieses Antwortenkonvoluts durch den Minister enthalten. Er hat ursprünglich gesagt: keine Weisung, nur eine Dienstbesprechung. Das ist bitter genug. Und im Akt steht: Es ist eine Deckungsweisung verlangt und gegeben worden. Das Hohe Haus möge sich überlegen, welche Konsequenzen aus einer solchen Vorgangsweise zu ziehen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf es noch einmal prophezeien: Nur volle Information wird das eine oder andere an Mißtrauen im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Innenministers in dieser Republik noch ausräumen können. Ich war vor einer halben Stunde noch eher davon überzeugt, daß es gelingen könnte. Jetzt, nach der Problematik: Weisung ja oder nein, zweifle ich fast schon daran, daß da noch irgend etwas Reparierbares dabei ist.

Glauben Sie mir bitte folgendes: Es läßt sich die Bevölkerung, es lassen sich die Medien und es lassen sich auch die Abgeordneten in einer demokratischen Republik und in einem Rechtsstaat, wie wir ihn in Österreich erfreulicherweise leben und erleben, solches Geschehen auf die Dauer nicht gefallen. Das hat seine Konsequenzen, ob uns jetzt der Einem mehr oder weniger leid tut oder nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber bei allem, was da geschehen ist, kann man sich eine solche Antwort: nein, ja, ja, nein, Datenschutz, kriminaltaktische Überlegungen, Amtsverschwiegenheit und sonst nichts, einfach nicht gefallen lassen! Ich stelle daher folgenden Antrag:

Antrag

gemäß § 92 Abs. 6 GOG

der Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen auf Nichtzurkenntnisnahme der Beantwortung dieser Anfrage

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Beantwortung der Anfrage 109/AB der Abgeordneten Dr. Haider und Kollegen, eingebracht am 1. 2. 1996, an den Bundesminister für Inneres betreffend Wolfgang Purtscheller und das Sprengstoffattentat von Ebergassing, eingelangt am 1. 4. 1996, durch den Bundesminister für Inneres, Dr. Caspar Einem, in der 17. Sitzung des Nationalrates am 23. April 1996 wird nicht zur Kenntnis genommen."

*****

Ich bin aber noch nicht fertig.

Purtscheller. Wo ist denn dieser Purtscheller? Vor dem Attentat in Ebergassing, das er vorhergesagt hat, war er ein Hansdampf in allen Gassen. Keine Woche, in der er nicht im Fernsehen aufgetaucht wäre, keine Schule, in der er nicht vorbeigeschaut hätte, um die Schüler zu verhetzen, keine Zeitung, in der er sich nicht verbreitet und auch Gelegenheit dazu bekommen hätte. – Seither ist er wie vom Erdboden verschluckt.


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Es hat Leute gegeben, die gesagt haben, er verstecke sich in Österreich. Andere haben gesagt, er ist im Ausland. Jetzt wissen wir es genau: Öllinger hat uns gesagt, er ist im Ausland! (Abg. Mag. Stadler: Er weiß es ja!)

Ich bin dankbar, ein Informierter hat seine Information an uns weitergegeben, an das ganze Hohe Haus und an die Öffentlichkeit. Ich bin wirklich dankbar dafür. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Er hat der Wahrheit und dem Rechtsstaat einen großen Dienst erwiesen.

Purtscheller wird schon wissen, warum er nicht da ist. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder er hat ein schlechtes Gewissen und fürchtet sich vor der Justiz, oder er fürchtet sich, daß andere, die wissen, was er weiß, ein Interesse daran haben könnten, daß er es nicht weitererzählen kann. Auch diese Möglichkeit gibt es, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben verlesene Antrag gemäß § 92 Abs. 6 der Geschäftsordnung ist ausreichend unterstützt und steht in Verhandlung.

Am Wort ist nun Herr Abgeordneter Emmerich Schwemlein.

18.52

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Als Salzburger Abgeordnetem fällt mir zu dieser Debatte ein typisches Salzburger Gericht ein, nämlich Salzburger Nockerl. Es schaut zwar nach viel aus, aber Luftgulasch, nichts dahinter. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns darüber Gedanken machen, was denn die Motive der Freiheitlichen für diese Debatte sein könnten, dann stellt sich zunächst die Frage: Geht es den Freiheitlichen um Aufklärung, geht es den Freiheitlichen um kriminal- oder sicherheitspolitische Aspekte? (Abg. Haigermoser: Schwemlein! Wenn du zuwenig Geld hast, sammeln wir für dich!) – Nein, den Freiheitlichen geht es in erster Linie darum, ein für sie bestehendes Feindbild neu aufzupolieren. Es geht ihnen darum, einen Menschen wieder anzupatzen. Es geht ihnen darum, den Innenminister, der sehr hohe Sympathiewerte genießt, hier zu verunglimpfen.

Dann ist es klarerweise zulässig, auch einmal darüber nachzudenken, warum sie das tun. Ich hatte in der vergangenen Woche eine recht interessante Besprechung mit einem Kollegen. Er hat zu mir gesagt: Schau, wir sind da eine ganze Woche beisammen, da gibt es sehr viel Diskussion, und man hört den einen oder anderen Aspekt, das eine oder andere Argument, und irgendwo hat ja der eine oder andere recht, man findet Gefallen daran, und dann ist so eine Art Fraternisierung zu beobachten. Das ist eigentlich, wenn man das genauer analysiert, ja nicht im Sinne einer freiheitlichen Bewegung, nicht im Sinne eines Herrn Dr. Haider oder eines Herrn Mag. Stadler, das kann doch nicht sein, daß sein Klub möglicherweise in eine Freunderlbeziehung oder Normalbeziehung zu den anderen Abgeordneten kommt. Nein, was wir brauchen, das ist wieder ein Feindbild. Wir müssen polarisieren können. Was wir brauchen, das ist nichts anderes als wieder ein Wirbel, denn wir müssen unsere eigenen Klubkollegen wieder verschwören. (Abg. Haigermoser: Welche Beziehung hast du zum Geld, Schwemlein?)

Ich sage Ihnen eines, meine Damen und Herren: Was die "F" hier betreiben, ist nichts anderes, als dieses Parlament als gruppendynamische Spielwiese zu mißbrauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage mich, wie ernst man eigentlich all das nehmen soll, was wir da heute zu hören bekommen haben. Ich denke mir, Herr Dr. Haider, der ja sehr wohl seine Informationen zu präsentieren weiß, der sehr wohl weiß, wie man in den bierdunstgeschwängerten großen Zelten Stimmung macht, fährt zum Beispiel mit derartigen Botschaften hinaus: "Sensationelle Hinweise" gegen Innenminister Einem.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie aus tiefer Überzeugung: Haben Sie im Zuge dieser Debatte oder der vergangenen Debatten jemals ein einziges Beweismittel gehört oder gesehen? – Kein einziges konnte Herr Dr. Haider vorlegen. Im Prinzip sind all diese Überschriften nichts anderes als billige Polemik. (Beifall bei der SPÖ.)


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17. Sitzung / Seite 120

Wie – und jetzt kommen wir zum System – macht das Herr Dr. Haider? – Er macht das nicht ungeschickt, das muß man ihm schon lassen. Herr Dr. Haider geht her, fährt hinaus mit einem Argument, und dann sagt er, er werde Beweise gegen Einem – ich lese das in der "Presse" – "zu gegebener Zeit" vorlegen. Ich weiß nicht, wieviel Zeit Sie beanspruchen wollen, Herr Dr. Haider. Aber ich nehme an, aufgrund der durchschnittlichen Lebenserwartung von mir und meinen Kollegen, wir werden die Vorlage der Beweisstücke durch Sie wahrscheinlich nicht mehr erleben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist heute die Vorgangsweise der Freiheitlichen schon einmal angesprochen worden. Sie alle erinnern sich wahrscheinlich an den Vorwurf des Herrn Dr. Haider, Bundesminister Caspar Einem sei während seiner Zeit als Bewährungshelfer wegen eines Drogendeliktes in Haft gesessen. Stellen Sie sich vor, da geht jemand her und sagt, der derzeitige Innenminister – und jetzt reduziere ich es –, irgendeiner aus diesem Saal oder sonst ein Staatsbürger sei im Gefängnis gesessen – dies nur, um ihn damit anzupatzen. Dann kommt aber zutage, daß dies unmöglich gewesen sein kann, da dieses Gefängnis schon vor vielen Jahren geschlossen worden ist. Das ist mehr als schäbig, Herr Dr. Haider, das ist keine politische Arbeit! (Beifall bei der SPÖ. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Des weiteren sollten wir eine Sache nicht vergessen – es liegen noch sehr zeitintensive Beratungen vor uns, und daher sollte es auch manchmal etwas zu lachen geben –, nämlich den Vorwurf des Herrn Dr. Haider, der Herr Bundesminister hätte sich um mehr als 700 000 S einen neuen BMW gekauft. Ich gratuliere Ihnen, Herr Bundesminister, zu Ihrem leicht ramponierten, sehr alten Mercedes mit der Tafel: "Ich bin ein BMW". – Das ist ein gutes Beispiel für den Stil Haiders, den es immer wieder aufzuzeigen gilt: Herr Haider agiert mit sehr vielen plakativen, leicht und gut zu verkaufenden Argumenten, die sich als nicht haltbar erweisen.

Meine Damen und Herren! Daß sie nicht zu halten sind, ist aus einer Überprüfung hervorgegangen. Ich nehme an, daß Herr Dr. Haider die IFES-Untersuchung sehr schnell vergessen und verworfen hat, wo mehr als 1 000 Leute befragt worden sind. Weit mehr als 1 000 Bürgerinnen und Bürger dieses Landes – nicht wir, Herr Dr. Haider, sondern eben diese braven, anständigen, fleißigen Bürger – wurden befragt, ob sie glauben, daß Herr Jörg Haider oft Halbwahrheiten und unhaltbare Verdächtigungen als Mittel des Wahlkampfes einsetzt.

Sie wissen, Herr Dr. Haider, daß ein ganz "bescheidener" Teil der Bevölkerung geantwortet hat: Ja, das macht Herr Haider, Halbwahrheiten sind seine Methoden. Dieser "bescheidene" Teil der Bevölkerung waren mehr als drei Viertel, Herr Dr. Haider! Das ist ein Zeugnis, das traurig und beschämend ist! Ich an Ihrer Stelle würde einmal die Zeit nutzen und diesen braven und anständigen Leuten sagen: Ich verfahre nicht mehr so mit euch, ihr habt mich nämlich in der Zwischenzeit durchschaut! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Meine Damen und Herren! Auch nicht uninteressant ist die Tatsache, daß 75 Prozent der Befragten nicht glauben, daß Jörg Haider niemals gelogen hat. – Ich glaube, daß ein derartiges Urteil der Bevölkerung nicht schlecht ist.

Da Herr Kollege Stadler mich bei einem seiner Permanentzwischenrufe mit meiner Berufsbezeichnung angesprochen und Herr Kollege Ofner sich zu meiner Überraschung hier heraußen darüber beklagt hat, daß er eine Antwort bekommen hat, die ja oder nein gelautet hat, darf ich Ihnen folgendes sagen: Wenn Sie eine offene Frage stellen, ... (Abg. Böhacker: Schwemlein! Wie ist das mit deinem arbeitslosen Einkommen?) Herr Kollege Böhacker! Melde dich zu Wort und komm ans Rednerpult! Aber deine Fraktion läßt dich nicht einmal mehr ans Rednerpult, weil du nichts zu sagen hast. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der "F"! Wenn Sie eine offene Frage stellen, dann werden Sie auch entsprechend deutsch ausformulierte Antworten bekommen. Wenn Sie geschlossene Fragen stellen, dann müssen Sie damit rechnen, daß Sie ein klares Ja oder Nein zur Antwort erhalten. Ich hoffe, Sie lernen dazu und stellen in Zukunft bessere Anfragen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Lieber Kollege Stadler! Wir können vielleicht miteinander singen, aber nicht


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miteinander reden! Jetzt bin ich dran, und du kommst dann das nächste Mal dran! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Allein schon aus der Freude heraus, weil sich doch die Rednerliste dem Ende zu neigt und wir wieder einmal feststellen durften, daß diese Attacken gegen Bundesminister Einem nicht haltbar sind, möchte ich einen Satz noch ganz bewußt an den Kollegen Kukacka richten. Herr Kollege Kukacka hat mir heute – ich habe es persönlich so empfunden – eine Lehrstunde in Sachen Toleranz gehalten. Meine Damen und Herren! Ich finde es traurig, wenn wir in einer Zeit angelangt sind, in der ein Nachdenken zu einem Thema, ob für jemanden bequem oder nicht bequem, bereits als Fehlverhalten abgestempelt wird. Ich muß Ihnen eines sagen: Wenn es so ist, hat in meinen Augen Kollege Kukacka nicht das mindeste Demokratie- und Toleranzverständnis. (Beifall bei der SPÖ.)

19.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Abgeordneter Öllinger hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit der Darstellung des Sachverhalts, den Sie berichtigen wollen.

19.04

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Danke, Herr Präsident. Herr Abgeordneter Ofner hat in seiner Rede behauptet, daß ich über den Aufenthaltsort des Herrn Purtscheller bestens informiert sei. Diese Behauptung des Herrn Abgeordneten Ofner ist unrichtig. Ich bin über den Aufenthaltsort des Herrn Purtscheller nicht bestens informiert, sondern ich habe mich in meiner Rede auf eine Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Stadler gestützt. Das war ein Fehler! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

19.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

19.05

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, niemand in diesem Hohen Haus sollte sich als Pflichtverteidiger politischer Terroristen aufspielen, ganz egal, von welcher Seite dieser Terrorismus kommt. Terrorismus in jeglicher Erscheinungsform ist mit aller Entschiedenheit zu verurteilen und mit der Vehemenz und Wahrhaftigkeit eines Rechtsstaates einer Verfolgung zuzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Gerade aus dieser Sicht ist es für mich unverständlich, daß ein an sich besonnener Abgeordneter wie der Sicherheitssprecher der Sozialdemokratischen Partei, Herr Anton Gaál, ein großes Wort gelassen ausspricht. Er sagt – und das wurde heute schon mehrfach zitiert und einer kritischen Würdigung unterzogen, und ich möchte das fortsetzen –: "In Österreich gibt es keinen linken Terrorismus." – Herr Kollege Gaál, dieses Wort aus dem Mund eines Sicherheitssprechers einer parlamentarischen Fraktion ist wirklich unglaublich.

Ich werde Ihnen heute darlegen, welche linksradikalen Überfälle und terroristischen Akte in letzter Zeit gesetzt wurden.

Ich verweise zunächst auf die Ausgabe der "Kronen Zeitung" vom 8. Mai 1995: "Harter Kern der österreichischen Szene wird in deutschen Terrorcamps ausgebildet. Linksradikale rüsten gefährlich auf."

Die "Kronen Zeitung" schreibt: "Ebenso wie bei uns operieren die RAF-Erben im Untergrund, wechseln ständig Namen und Stützpunkte der unübersehbar vielen Splittergruppen. Wobei die Experten des Verfassungsschutzes einen neuen Trend befürchten: Von Sachanschlägen hin zu gezielten Attentaten auf Personen."

Oder: "Kurier" aus dem Jahre 1995: "Linksradikale Terrorgruppe verübte zweites Feuerattentat in Österreich. ,Zelle’ bekennt sich zum Millionenbrand in Salzburg".


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Oder: "Kronen Zeitung", 10. Mai 1995: "Insgesamt gehen, so muß die Staatspolizei jetzt zugeben, seit 1976 mehr als 40 Attentate auf das Konto der Linksextremisten."

Meine sehr geehrten Damen und Herren insbesondere von der Sozialdemokratischen Partei! Wenn Sie den Zeitungen nicht Glauben schenken, dann doch bitte der Kriminalabteilung des Landesgendarmerie-Kommandos für Niederösterreich. Ich zitiere aus einer Strafanzeige: Der schon heute mehrfach erwähnte flüchtige Bassam Al-Taher, Peter Konicek und Gregor Thaler haben gemeinsam im Zeitraum vom 19. Oktober 1988 bis 11. April 1995 zumindest an insgesamt sechs Sprengstoffanschlägen in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Tirol teilgenommen: an dem versuchten Sprengstoffanschlag – jedermann bekannt – am 11. April 1995 in Ebergassing, an dem versuchten Sprengstoffanschlag nachts zum 19. Oktober 1988 auf einen Turmdrehkran zum Nachteil der Firma Hazet in Vösendorf. Bekennerbrief: Allgemein verfaßt in der Hausbesetzerpublikation "Anti". – Kein linker Terror, Herr Kollege Gaál?

Oder: Versuchter Sprengstoffanschlag nachts zum 20. April 1989, zum Nachteil der Firma Hazet in 1110 Wien, wo Sprengsatz zwischen zwei Bauhütten deponiert wurde. Motiv: Vermutlich Racheakt wegen Räumung der Aegidigasse. Bekenner: Flugblätter der Hausbesetzerszene, wo die Firma Hazet als "Baumafia" und Abbruchfirma bezeichnet wird. – Kein linker Terror, Herr Kollege Gaál?

Oder: Sprengstoffanschlag nachts zum 12. Februar 1990 auf die Firma Moto-Car in Wien 22.

Oder: Versuchter Sprengstoffanschlag am 4. Februar 1991 auf das Hauptlager der BP-Austria in Wien 11. Motiv: Golfkrieg. Bekennung: "TATblatt" vom 30. Jänner 1991, unter dem Prätext "Kein Blut für Öl". "TATblatt"-Ausgabe Nr. 4 vom 26. Februar 1991. – Kein linker Terror?

Oder: Sprengstoffanschlag nachts zum 9. Februar 1991 auf die Geleise der Westbahnstrecke in Radfeld/Tirol zum Nachteil der ÖBB. Bekenner: Zeitschrift "Radikal".

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier schließt sich der Kreis. Die Zeitschrift "Radikal" ist das RAF-Zentralorgan. Das RAF-Zentralorgan ist Partnerblatt des vom Herrn Innenminister persönlich unterstützten "TATblattes". Der Herr Purtscheller, der heute schon mehrfach angesprochen wurde und dessen Rolle im Terrorismus noch aufgeklärt werden wird, ist ein Freund des Herausgebers der RAF-Zeitung "Radikal" Lindenau. Zumindest einer der Terroristen, die heute schon angesprochen wurden und die Gegenstand der Strafanzeige des Landesgendarmeriekommandos Niederösterreich sind und die nicht mehr am Leben sind, weil sie sich selbst in die Luft gesprengt haben, ist ein persönlicher Bekannter des Innenministers.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe völlig, daß die Frau Abgeordnete Stoisits für den Herrn Innenminister so kühn in die Bresche springt. Es ist ja auch kein Zufall, Frau Kollegin, daß Sie sich eingangs der Debatte mit dem Herrn Innenminister abgesprochen haben. Das ist Ihr Reflex, wenn Terrorakte hier beanstandet werden. Da fühlen Sie sich angesprochen durch die Zeitschrift "Radikal", die ich bereits erwähnt habe und die in einem dieser Bekennerschreiben zitiert ist, denn Sie wissen ganz genau, daß die Zeitschrift "Radikal" von der "Jungen linken Stimme" in Linz direkt aus dem Büro der Grünen in Linz, Starhembergstraße, bestellt wurde, und zwar 20 Exemplare. In der Bestellung heißt es wörtlich: zu Briefbomben und Bombenbasteln. Aus dieser Sicht, Frau Kollegin Stoisits, verstehe ich sehr wohl, daß Sie sich hier zu dieser ungeheuerlichen Philippika gegen die Freiheitlichen haben hinreißen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch ein Wort zu den Kondolenzfeiern aus Anlaß der Ermordung der vier Roma. Frau Kollegin Stoisits! Trauer manifestiert sich nicht darin, daß man einen Sessel mediengerecht ins Bild schiebt. Lassen Sie sich das gesagt sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Trauer, Frau Kollegin, ist in erster Linie eine Herzensangelegenheit, eine tief emotionelle Angelegenheit. Aber eine Herzensangelegenheit ist offensichtlich nicht Ihre Stärke! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Und bei Ihnen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe begonnen mit der unfaßbaren Äußerung des Herrn Kollegen Gaál. Der Kreis schließt sich deshalb, weil offensichtlich Teile der SPÖ – ich


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möchte da wirklich nicht verallgemeinern – auf dem linken Auge blind sind, insbesondere der Herr Innenminister. "In Österreich gibt es keinen Terrorismus": Dieser Satz entspricht offensichtlich auch dem Denkschema des Innenministers. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die Attentate werden nicht nach kriminaltaktischen Kriterien vom Innenminister untersucht, sondern einzig und allein nach dem Kriterium der politischen Nützlichkeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist auch der Grund dafür, daß dem Herrn Innenminister die überwiegende Mehrheit der österreichischen Bevölkerung das Mißtrauen bereits ausgesprochen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist Herr Abgeordneter Wabl gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.14

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kiss hat sich heute in Enthaltsamkeit geübt. Er will die sehr schwierige Situation in der großen Koalition nicht belasten, hat offensichtlich vom Herrn Klubobmann Khol Redeverbot bekommen (Widerspruch bei der ÖVP), er hat beim Wecker des Herrn Khol die Zeit Null eingestellt gekriegt, deswegen darf er heute nicht heruntergehen. Das ist überhaupt nicht so schlimm, Herr Abgeordneter Kiss, es steht ohnehin schon alles in der Zeitung. Es steht schon in der Zeitung, wie die einzelnen Abgeordneten dieses Hauses reden werden, welche Stellungnahmen sie beziehen werden. Es steht auch schon längst in der Zeitung, wie wir über den Mißtrauensantrag abstimmen werden. Es steht in der Zeitung bereits jede Wortmeldung und jedes Zitat. Allerdings ist in der Zeitung nicht gestanden, daß Herr Abgeordneter Kiss nicht reden darf. Das ist nicht drinnen gestanden. (Heiterkeit.) Insofern ist die Zeitung doch nicht so gut informiert.

Meine Damen und Herren! Das Problematische ist, daß diese Tageszeitungen, die ich hier habe (der Redner hält eine Ausgabe des "Kurier" in die Höhe), die ja immer Topinformationen, immer das Neueste bringen, halt doch ein paar Dinge nicht ganz richtig mitgekriegt haben, wenn sie in die Sterne hineinschauen.

Dem "Kurier" und der "Kronen Zeitung" kann man entnehmen: "Der Innenminister ist zum Abschuß freigegeben." Da ist die ganze Debatte breit dargestellt: "Innenminister Caspar Einem wurde am Dienstag im Nationalrat wieder von der FPÖ aufs Korn genommen. Die Freiheitlichen brachten einen Mißtrauensantrag ein, der erwartungsgemäß keine Mehrheit im Plenum fand. Es ging um die angebliche Behinderung bei der vollständigen Aufklärung des Bombenanschlags von Ebergassing." – Die wußten das schon ganz genau: keine Mehrheit. Der Kiss wird brav sein, denn der Khol will die Koalition nicht gefährden.

Weiter drinnen steht dann schon der Redebeitrag von Minister Fasslabend zum Kapitel Landesverteidigung; das kommt aber erst um 10 Uhr oder 11 Uhr. Da ist aber auch schon aufgelistet, was Scheibner dazu sagt, wie dann abgestimmt wird, alles ist schon klar.

Aber das Schöne an der ganzen Geschichte ist, meine Damen und Herren: Auf der ersten Seite der "Kronen Zeitung" ist vom Herrn Wolf Martin in den Wind gefurzt: "Braucht einer, dess’ Gewissen rein, denn einen Lauschangriff zu scheu’n?" Das ist das Größte, das uns die "Kronen Zeitung" mitteilt. Wenn jemand ein sauberes Westerl hat wie der Herr Khol, dann können die Polizisten jeden Tag ins Haus hinein, können die Polizisten Abhörgeräte anbringen, sie können ihn jeden Tag anschauen, wie er sich die Unterhose hinauf- und hinunterzieht.

Meine Damen und Herren! Er hat ja ein reines Gewissen! – "Braucht einer, dess’ Gewissen rein, ..." Ich bin sicher, daß Khol ein reines Gewissen hat – im Gegensatz zum Herrn Kiss, der immer noch ein bißchen an der Waffengeschichte knabbert. Aber darauf gehen wir heute später noch ein.

Meine Damen und Herren! Auf der nächsten Seite wird es dann lustig, da kommt dann der große Philosoph und Kommentator Peter Gnam (Heiterkeit): "Der Anfang vom Ende." – Beide


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Zeitungen haben schon das Ende des Herrn Einem eingeleitet. – Weiters heißt es da: "Als wahrscheinlich darf angenommen werden, daß die grüne Unterstützung für Einem den Anfang vom politischen Ende dieses Innenministers einläutet."

Um die "Kronen Zeitung" eindeutig zu widerlegen, sage ich mit aller Deutlichkeit: Dieser Einem ist ein schlechter Innenminister, seine Ideen über das Bundesheer sind sündhaft, abenteuerlich und pervers! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie Beifall der Abg. Scheibner und Dr. Schmidt. )

19.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.19

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ist bezeichnend, wie wenig Sie die Debatte in Wirklichkeit ernst nehmen wollen, die offenbar eine so große Tragweite hat, daß sich sogar am Wochenende der Herr Bundespräsident bemüßigt gefühlt hat, einen Appell in Sachen geplanter Maßnahmen in der Sicherheitspolitik des Herrn Innenministers zu richten.

Ich gehe davon aus, daß sich das Staatsoberhaupt immerhin etwas gedacht hat, als er zu konkreten Diskussionen in der österreichischen Sicherheitspolitik Stellung nahm. Aber ich gehe auch davon aus, daß sich der Herr Bundeskanzler etwas gedacht hat, als er einen gut Teil der Debatte hier geblieben ist, um dem Herrn Minister Einem Schützenhilfe zu geben. Er tat dies wohl deshalb, weil die Debatte um den Innenminister eine ernste politische Debatte ist, die ganz unter dem Gesichtspunkt zu verstehen ist: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht! (Abg. Dr. Nowotny: Das gilt für den Haider!)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen uns nur zu vergegenwärtigen, in welchem Zustand heute die Innenpolitik und die Sicherheitspolitik dieses Landes sind. (Ruf bei der SPÖ: Sicherheitsbericht 1995!) Der Minister, Herr Kollege, beginnt seine Tätigkeit, indem er zugeben muß, daß er an ein gewaltbereites Terroristenblatt eine Spende gegeben hat. Der Innenminister wiederholt dieses Verhalten und gibt auch zur Prozeßführung gegen eine obsiegende Gruppe, die sich gegen diese Gewaltbereitschaft gewehrt hat, noch einmal eine Spende. Also er tut dies offensichtlich absichtlich. (Abg. Dr. Keppelmüller: Sie schreiben in der "Aula"!) Ich weiß, daß es Ihnen unangenehm ist, daß Sie heute mit jemandem konfrontiert sind, der ein Innenminister ist ... (Abg. Dr. Keppelmüller: Was halten Sie von der "Jungen Freiheit"?) Ich bemühe mich, meine Damen und Herren, Ihre Emotionen nicht herauszufordern, aber ich kann natürlich nicht die Gewähr geben, daß Sie sich im Zaum halten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Dieser Innenminister hat darüber hinaus zugeben müssen, daß er eigentlich mit jenen, die in Ebergassing erstmals sichtbar überführt worden sind, wo klar geworden ist, daß es einen linken Terror gibt, daß er zumindest zu einem der Täter, die zugleich Opfer waren, in guter Bekanntschaft, ja in Freundschaft gelebt hat.

Dieser Innenminister hat es zu verantworten, daß der dritte Täter, der nachweisbar bekannt ist und der ebenfalls einer kurdischen Terrororganisation angehört, nämlich der DEV-SOL, sich auf elegante Weise durch Nichthandeln der Sicherheitsbehörden ins Ausland absetzen kann.

Dieser Innenminister muß zur Kenntnis nehmen, daß es nicht seine Sicherheitsbehörden, die EBT und Sondereinheiten sind, die Aufklärungsarbeit leisten, sondern daß es die niederösterreichische Kriminalabteilung war, die im stillen Wirken nachgewiesen hat, daß sechs weitere Bombenanschläge, die man sich in den letzten Jahren nicht erklären konnte, auf das Konto der Ebergassinger Täter und damit der Einem-Freunde gehen.

Hätte man in Oberwart auf dieselbe Art und Weise agiert, hätten Sie sich nicht eingemischt mit Ihrer Spezialeinheit, Herr Minister, hätten Sie die dortige lokale, regionale Kriminalbehörde arbeiten lassen, dann wären wir heute wahrscheinlich auch in Oberwart schon weiter, anstatt Spuren zerstören zu lassen, die für die Wahrheitsfindung ganz wichtig gewesen wären.


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Nach Monaten mußten Sie, Herr Innenminister, zur Kenntnis nehmen, daß Ihr eigener oberster Beamter, der Herr Dr. Sika, in einem Interview mit der Zeitung "Die Presse" unmißverständlich sagte, man sei unter politischem Druck gestanden, man habe nur einseitig ermitteln dürfen. Wir wären öffentlich hingerichtet worden, sagte der Sicherheitsdirektor, hätten wir gesagt, daß wir nicht nur in die rechte Richtung ermitteln müssen.

Allein eine solche Aussage würde in jedem zivilisierten demokratischen Staat zum Rücktritt des Ministers führen. Bei uns führt sie jedoch zur Zementierung des Ministers. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu guter Letzt gibt dann noch einer Ihrer Beamten, dem Sie sogar ein Disziplinarverfahren androhen, ein Buch heraus – es ist ja sehr mutig, daß sich das einer traut –, in welchem er schreibt, daß hier Druck ausgeübt worden sei, daß mit Weisungen in die falschen Richtungen ermittelt worden sei. Er berichtet über abenteuerliche Vorgänge innerhalb der Sicherheitsbehörden, die Ihnen anvertraut sind.

All das, Herr Bundesminister, kumuliert schön langsam. Das ist auch der Grund, warum es ein wachsendes Mißtrauen bei vielen Abgeordneten – nicht nur bei jenen der freiheitlichen Opposition – gegen Ihre Amtstätigkeit gibt. Man muß sich ja wirklich fragen, etwa in der Sache Oberwart: Was hindert Sie wirklich, einmal den Spuren nachzugehen, die festgestellt worden sind? So sind zum Beispiel Autonummern festgestellt worden. Verfolgt man die Spittaler Autonummer deshalb nicht, weil einer der möglichen Täter, der dabei dingfest gemacht werden könnte, nicht ins Konzept paßt und vielleicht wiederum sonderbarerweise im Dunstkreis der Ebergassinger Szene, die Ihnen sehr vertraut ist, angesiedelt ist? Verfolgt man sie deshalb nicht?

Wie können Sie erklären, Herr Innenminister, daß ein wichtiges Beweisstück – das natürlich manchen, die sich damit nicht befassen, völlig lächerlich erscheint, aber er geht ja "nur" um vier Tote –, nämlich eine Lederjacke, die fotografiert worden ist und auf der einer der gesprengten Oberwarter Opfer gelegen ist, plötzlich bei den Ermittlungshandlungen verschwindet? (Abg. Marizzi: Das haben wir schon gehört!) Ja wie erklären Sie das? Herr Kollege Marizzi, das ist keine Frage des "Das-haben-wir-schon-Gehört", sondern was ist da los in einem Sicherheitsapparat, wo wesentliche Materialien der Tatauffindung einfach verschwinden können? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Erklären Sie uns auch, warum man den Spuren nicht nachgeht, den Fuß- und Schuhabdrücken, die am Tatort gefunden worden sind und die in eine bestimmte Richtung weisen? Warum geht man denen nicht nach? Im Unterschied zur öffentlichen Behauptung liegt im Sicherheitsapparat selbstverständlich die Evidenz vor, daß es eine Spurensicherung gegeben hat, daß die Spuren aber bis heute nicht verfolgt worden sind.

Da reimt sich dann alles zusammen: Bestimmte Dinge dürfen in diesem Lande nicht verfolgt werden. Daher darf sich der Herr Purtscheller ins Ausland absetzen – seine Geschichte ist ja schon beleuchtet worden –, der ja wirklich eine spezielle Verbindung auch zu dieser Szene hat.

Es ist ja auffallend, daß der Vorgänger des jetzigen Innenministers, Herr Dr. Löschnak, erhebliche Verdachtsmomente gegen den Herrn Purtscheller äußert und ihn sogar der Mittäterschaft an einem Sprengstoffanschlag oder an der Vorbereitung eines Bombenanschlages verdächtigt – hier vor dem Hohes Haus und in einer schriftlichen Anfragebeantwortung.

Der Chefkorrespondent vom "Standard", von "NEWS", der wissenschaftliche Ratgeber des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes in Sachen Briefbomben und Bombenterror in Österreich gerät plötzlich selbst in ein schiefes Licht, und bevor noch etwas passiert, darf er sich ins Ausland absetzen, und man versucht, den Mantel des Schweigens darüberzubreiten. Der Herr Minister Löschnak muß gehen, ein anderer kommt, der die Dinge des Herrn Purtscheller in einem milderen Lichte sieht.

Dazu kommen, Herr Bundesminister, Ihre Aussagen zum Bundesheer, Ihre abenteuerlichen Ideen, die Sie dazu geäußert haben, Ihre Versuche der Stasi-Reform mit Leuten, wo ich Ihnen


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raten würde, sie zu prüfen. Weil Sie es heute abgestritten haben: Ich würde Ihnen wirklich raten, einmal zu prüfen, woher der Professor, den Sie für die Reform der Staatspolizei einsetzen, kommt. Schauen Sie sich doch einmal die Gaugg-Akte an, bevor Sie jemanden als Gutachter in die Staatssicherheit eingreifen lassen, der möglicherweise auch in Richtung Gaugg-Akte eine Vergangenheit zu bewältigen hat. Ich meine, daß es für dieses Parlament auch interessant wäre, sich so manchen Akt der Gaugg-Behörde anuschauen. Bis in höchste Ämter gibt es da Verbindungen, wo Sekretäre, Berater, Mitarbeiter auch auf der Liste der Stasi gestanden sind, die in Österreich sind und bei Ihnen beratend tätig sind.

Warum hat denn die Republik Österreich nie offiziell die Gaugg-Akte angefordert? – Weil Sie in Wirklichkeit von diesen Verfilzungen nichts wissen wollen und weil manche ganz gut damit leben, daß man darüber den Mantel des Schweigens breiten will.

Dann gehen Sie her, Herr Bundesminister, und sagen: Jetzt verschärfe ich das Tempo und gebe noch Weisungen, damit ich meine Politik durchsetzen kann. Eine dieser Weisungen – sie ist keine gravierende – habe ich mitgebracht. Da wird die Sicherheitsdirektion Kärnten vom Bundesministerium für Inneres in Ihrer Amtszeit, im vergangenen Sommer angewiesen, einen bosnischen Bürger ungehindert einreisen zu lassen. Ich habe das alles da: Am 12. September 1995 erging die Weisung. Die Sicherheitsdirektion gab diese an die Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg weiter. Darin steht: Zum Zwecke der Familienzusammenführung ist an der Grenzkontrollstelle Lavamünd zur Einreise nach Österreich ungehindert die Möglichkeit einzuräumen, weil Frau und Kind schon im Rahmen der Flüchtlingshilfe de facto in Österreich sind.

Darauf antwortet die Behörde Ihrem Ministerium: Es kann sich nicht gut um einen Flüchtling handeln, denn dieser Mann ist schon mehrmals seit 1994 aus- und eingereist nach Österreich und nach Bosnien. Aber der Herr Minister gibt Weisung, daß Leute aufzunehmen sind, die als Flüchtlinge gelten, die gar keine Flüchtlinge sind. Vielleicht war er ein kleiner Waffenschieber oder sonst etwas. So geschieht es: Weisungen eines Ministeriums, die nicht haltbar sind, und jetzt, nachdem sich die Behörde zur Wehr gesetzt hat, ein halbes Jahr später, nämlich am 27. Februar 1996, antwortet das Innenministerium: Weisung zurückgenommen, gegenstandslos, weil dieser Betreffende offensichtlich seine Heimat nicht aufgrund der bewaffneten Konflikte verlassen mußte (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!) und er bereits mehrmals von Österreich nach Bosnien ungehindert zurückkehren konnte. Ein halbes Jahr später gibt er es zu, der Herr Minister mit seinem Ministerium. (Abg. Mag. Stadler: So schaut die Weisungspolitik aus!)

Dann will man eine Weisung geben in Fragen der Ausländer- und Asylpolitik. Das verunsichert jene Leute, die bisher darauf vertrauen konnten, daß sich ein Minister an die Gesetze hält. Da geben Sie jetzt eine Weisung in Sachen kurdischer Widerstandsbewegung. Herr Bundesminister! Sie haben das heute hier deutlich gemacht. Sie stehen auf und sagen mit Überzeugung, Sie haben keine Weisung gegeben. Wir weisen Ihnen dann nach, daß es da sogar einen Akt gibt, einen Verschlußakt gibt und daß die Beamten sogar gesagt haben: Wir weisen Sie darauf hin, Herr Minister, daß die Konsequenz, wenn Sie hier nicht handeln, ist, daß wir uns eines Amtsvergehens schuldig machen, und daß Sie das wissen müssen. Der Herr Minister führt eine Besprechung durch und gibt dann eine Weisung, wo der Herr Sicherheitsdirektor festhält, was der Inhalt der Entscheidung des Ministers ist.

Meine Damen und Herren! So verfährt der Minister mit dem Parlament, verfährt er innerhalb der eigenen Regierung. Er sagt: Ich habe keine Weisung gegeben!, und dann kommt ein Dokument ans Tageslicht, wonach das ein sehr komplizierter, ausführlicher Prozeß gewesen ist, bei dem erörtert worden ist, wie vorzugehen ist. Und dann entscheidet sich der Herr Minister sehr persönlich: Auch wenn wir gegen den Obersten Gerichtshof handeln, auch wenn wir gegen Gesetze verstoßen, auch wenn wir gegen die Sicherheitsinteressen der Österreicher verstoßen, tun wir doch nichts, bis das nächste Attentat passiert. Denn es ist ja etwas passiert. Es hat vor einigen Monaten ein Attentat auf ein türkisches Lokal in Oberösterreich gegeben, meine Damen und Herren. (Abg. Parnigoni: Das ist ja nicht mehr auszuhalten! So ein Unsinn!)

Die Kripo ermittelt im SPÖ-Büro, weil es ja da Zusammenhänge gibt. Lesen Sie die "Oberösterreichischen Nachrichten", lesen Sie die "Welser Zeitung"! Es ist ja hochinteressant, wie das alles zusammenhängt, meine Damen und Herren, und ich verstehe daher, daß der Herr Bundes


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kanzler heute eine Entlastungsoffensive für seinen in Schwierigkeiten geratenen Minister starten mußte. Allein aufgrund dessen, was Sie hier zur Weisung gesagt haben, Herr Minister, müßten Sie nämlich von sich aus den Hut nehmen, denn Sie haben das Parlament belogen, Sie haben die Öffentlichkeit belogen, und Sie haben eine Handlung gesetzt, die gegen die Sicherheitsinteressen der österreichischen Bevölkerung gewesen ist. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher sage ich, meine Damen und Herren: Unsere Sache als freiheitliche Opposition ist es nicht, der ÖVP etwas zu empfehlen, aber Sie werden sich überlegen müssen, in welchem Bündnis Sie sich hier befinden. Sie werden sich überlegen müssen, ob Sie heute den Bericht des Herrn Ministers, den er hier vor dem Parlament gegeben hat, zustimmend zur Kenntnis nehmen. Dann drücken Sie ihm das Vertrauen aus, wie Sie es schon so oft getan haben, um dann zwei, drei Tage später wieder zu sagen: Dieser Einem ist unhaltbar!

Da gibt es Kritik an ihm, dann wird ihm wieder das Vertrauen ausgesprochen. Dann kommen die Wahlen, dann kritisiert ihn der Herr Sicherheitssprecher Kiss, dann sagt der Herr Klubobmann Dr. Khol: An einer Regierung, in der ein Einem sitzt, wird die ÖVP nicht mehr beteiligt sein!, und dann vergehen ein paar Wochen nach der Wahl, und Sie sind wieder beteiligt an dieser Regierung. Jetzt gibt er wieder eine gesetzwidrige Weisung, aber er bestreitet sie, sagt vor dem Parlament und der Öffentlichkeit die Unwahrheit – und die ÖVP wird ihm wieder das Vertrauen aussprechen!

Meine Damen und Herren! Damit strafen Sie Ihre eigene Kritik Lügen, und damit erschüttern Sie auch das Vertrauen der Bevölkerung, die nicht mehr weiß, was Sie von Ihnen halten soll. Denn unsere Aufgabe als Parlamentarier ist es doch wohl, sicherzustellen, daß Rechtsstaat, Kontrolle und Demokratie im Land funktionieren, nicht daß ein Minister schalten und walten kann, wie er will. Und es kann nicht so sein, daß akkurat ein Innenminister das größte Sicherheitsrisiko dieser Republik darstellt, indem er Terroristenorganisationen unterstützt und anständige Leute verfolgen läßt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Dr. Haider! Ich möchte schon die Feststellung treffen, daß bei aller Schärfe der Auseinandersetzung der Vorwurf der Lüge explizit eigentlich nicht erfolgen soll im Haus.

Zu Wort gemeldet hat sich Minister Dr. Einem. – Bitte, Herr Minister, Sie haben das Wort.

19.35

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Haider! Ich beglückwünsche Sie zur Erfindung der parlamentarischen Immunität, denn würde ich den Vorwürfen, die Sie heute hier wieder gegen mich erhoben haben, mit Antworten des gleichen Wahrheitsgehaltes entgegnen, würde ich mich strafrechtlich schuldig machen. Ich halte das nicht für ein Zeichen einer besonders fairen politischen Auseinandersetzung, mögen wir auch politisch nicht auf derselben Seite stehen. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Ich darf zu einigen Punkten ganz kurz Stellung nehmen.

Erstens: Sie haben die Behauptung aufgestellt, ich sei mit einem der in Ebergassing zu Tode gekommenen Attentäter befreundet. Sie haben gesagt, ich hätte zugeben müssen, ich wäre mit ihm befreundet. Ich habe das zu keinem Zeitpunkt zugeben müssen. Ich habe allerdings gesagt, daß ich einen davon einmal getroffen habe. Das ist ein bißchen ein Unterschied. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. – Abg. Dr. Stippel: Sei ruhig einmal! Frechheit! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Sie haben zweitens gesagt, daß ich zugeben müsse, daß Bassam Al-Taher Mitglied einer kurdischen Terrororganisation, nämlich der DEV-SOL, sei. Ich teile Ihnen hiezu mit, die DEV-SOL ist keine kurdische Organisation (Abg. Mag. Stadler: Das ist nur eine türkische kommunistische Terrororganisation!), sondern eine linksterroristische türkische Organisation, die im


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scharfen Gegensatz zur PKK steht und mit Kurden nichts zu tun hat. Sie sind schlecht informiert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Die Kurden unterstützt!)

Sie haben drittens gesagt, ich hätte in Oberwart meine Beamten arbeiten lassen sollen. Ich habe das, soweit das in meinen Kräften gestanden ist – ich war damals Staatssekretär für Beamtenfragen –, getan. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben in der heutigen Debatte mehrfach auf ein Interview des Herrn Generaldirektors für öffentliche Sicherheit in der "Presse" hingewiesen. Es hat nur einer der Redner für notwendig befunden, das Zitat vollständig wiederzugeben. Sie brauchen sich nicht die Mühe zu machen, mir dieses Interview des Herrn Generaldirektors um die Ohren zu schlagen; dafür besteht kein Anlaß. Es ist im selben Interview auch eine sehr klare Aussage enthalten, nämlich, daß die Basis, die zwischen uns in diesen Fragen besteht, so ist, daß die Polizei in keiner Weise behindert, ja im Gegenteil, in jeder Hinsicht unterstützt wird, ihre Arbeit zu tun. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Das ist blanker Zynismus!)

Herr Abgeordneter Haider! Sie haben auch die Frage aufgeworfen, welche Spuren im Zusammenhang mit Oberwart verfolgt werden. – Es werden alle Spuren, die irgendeine Aussicht darauf haben, zu den Tätern zu kommen, verfolgt, und nicht nur jene, bei denen Sie es allenfalls wünschen würden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich nehme mit Interesse zur Kenntnis, daß Sie wissen, welche Berater in Sachen Stapo-Reform ich allenfalls heranziehen werde. Ich habe weder die Absicht, in dieser Frage einen Berater heranzuziehen, noch habe ich einen herangezogen. Wenn Sie voraussagen können, welchen ich allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt heranziehen würde (Abg. Dr. Haider: Den, den Sie im 95er Jahr schon eingesetzt haben und dem Sie schon 90 000 S bezahlt haben!), dann bin ich sehr dankbar, aber dann haben Sie diese Erkenntnis offenbar beim Tischerlrücken gewonnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was schließlich den von Ihnen zitierten Akt aus dem Innenministerium betrifft, ist es nicht notwendig, daß Sie mir den Nachweis führen, daß es diesen Akt gibt. Das ist mir selbstverständlich bekannt, weil das Gespräch, das der Herr Generaldirektor für öffentliche Sicherheit mit mir dazu gesucht hat – in Begleitung des damaligen Leiters der Gruppe Staatspolizei –, natürlich auf Basis der Überlegungen, die der zuständige Beamte angestellt hatte, gesucht worden ist. Er war allerdings nicht der führende Beamte, sondern er war der Abteilungsleiter jener Abteilung, die sich mit diesen Fragen zu beschäftigen hatte.

Er hat daher mit Recht verlangt, daß die neu entstandene Situation nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes diskutiert und von der Ministeriumsspitze geklärt wird. Dies ist geschehen, und zwar in der Weise, daß ein Gespräch zwischen Generaldirektor Sika, Hofrat Mastalier und mir stattgefunden hat, mit dem Ergebnis, daß wir übereinstimmend der Auffassung waren, daß die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes eine Änderung der bisherigen Haltung, die im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung in Österreich gelegen war, nicht erforderlich macht. Es wurde daher auch keine Änderung vorgenommen.

Hohes Haus! Auch wenn sich die Opposition, nämlich die Freiheitliche Partei, heute sehr heftig bemüht hat, hier den Eindruck zu erwecken, Österreich sei ein besonders unsicheres Land, dieser Innenminister trage zur Unsicherheit in diesem Land wesentlich bei, möchte ich zumindest in einem Punkt darauf hinweisen, daß die Zahlen eine andere Sprache sprechen. Man kann doch nicht ohne weiteres sagen, daß die Unsicherheit zugenommen hat, wenn jetzt das dritte aufeinanderfolgende Jahr die Kriminalität abgenommen und die Aufklärungsrate zugenommen hat. Ich denke, wir sollten bei den Fakten bleiben. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

19.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile nunmehr der Frau Abgeordneten Dr. Schmidt das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.41

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Der Abgeordnete Haider hat in seiner ersten Wortmeldung von diesem Pult aus aus


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einem Verschlußakt des Bundesministeriums für Inneres zitiert. Ein Land, in dem das möglich ist und immer wieder passiert, kann und darf sich keinen Lauschangriff und keine Rasterfahndung leisten. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Herr Abgeordneter Zweytick, wir kommen zu einer Abstimmung. Sind Sie herinnen oder draußen? (Abg. Dr. Mertel: Er traut sich hereinzukommen!)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen, die Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für deren Nichtkenntnisnahme aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Besprechung der Anfragebeantwortung 64/AB

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zu der verlangten Besprechung der Anfragebeantwortung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten mit der Ordnungszahl 64/AB.

Die Anfragebeantwortung ist verteilt worden. Eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt sich daher.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß auch hier nach § 92 Abs. 5 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 15 Minuten sprechen darf.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Haigermoser das Wort. – Bitte.

19.43

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist verständlich, daß sich die Reihen jetzt etwas lichten, nachdem die Nerven, insbesondere bei der sozialistischen Fraktion, etwas blank gelegen sind und noch blank liegen, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Nowotny: Da können Sie beruhigt sein!)

Es ist festzuhalten, daß die Anfragebesprechung, die wir jetzt abzuführen haben, natürlich nicht jenes politische Gewicht wie die vorhergehende hat. Für mich war das, was sich jetzt da getan hat – wenn ich noch eine kurze Anmerkung machen darf –, wie ein Krimi, und aufgrund der Fakten, so meine ich, Herr Bundesminister, wird sich rund um Ihre Person noch einiges an Diskussionen abspielen. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Da wird auch Kollege Schwemlein noch draufkommen. (Abg. Schieder: Zur Sache!)

Meine Damen und Herren! Die Besprechung der Ditzschen Anfragebeantwortung betreffend Gutachten, Umfragen und Studien ist auch notwendig, wenn ihr vielleicht auch, wie bereits gesagt, im Vergleich zur vorigen nicht so großes politisches Gewicht zukommt. Aber die Notwendigkeit für diese Besprechung ist unter anderem auch deswegen gegeben, weil hier eines der hehrsten Rechte des Parlaments, des Abgeordneten, nämlich das Frage-, das Interpellationsrecht, Herr Bundesminister, nicht entsprechend beachtet wurde.

Die Notwendigkeit von Expertisen und Gutachen wird von uns Freiheitlichen nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Aber, Herr Dr. Ditz, man kann es auch übertreiben, so wie Sie es offensichtlich getan haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich werde noch zur Beweisführung kommen.

Ganz schlimm ist es – wie schon erwähnt –, daß Sie kraft Ihres Ministeramtes vermeinen, das Interpellationsrecht interpretieren zu können. Und das tun Sie, indem Sie auf die Frage 3 dieser Anfragebeantwortung – "Welche Institute und Firmen wurden mit der Erstellung der jeweiligen


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Gutachten, Umfragen und Studien beauftragt?" – folgendes antworten – und das ist ganz interessant im Zusammenhang mit weiteren Anfragebeantwortungen, auch aus Ihrem Ressort, Herr Bundesminister; da muß man ein riesiges Fragezeichen setzen, warum Sie gerade bei dieser Anfragebeantwortung wie folgt antworten –:

"Die Beantwortung dieser Frage kann nicht erfolgen, da durch eine Bekanntgabe der beauftragten Institute und Firmen die Interessen derselben verletzt werden könnten."

Es ist hochinteressant, warum denn dies plötzlich in Ihrer Antwort steht. Ich kann mir nicht vorstellen – und auch die Öffentlichkeit und, so glaube ich, auch die Mehrheit dieses Parlaments kann das nicht –, daß, wenn eine Firma, ein Institut eine gute Auftragsarbeit abliefert, abgeliefert hat, der Verfasser, der Hersteller des Produktes vermeint, niemand darf davon erfahren, nach dem Motto: "Gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiߒ". Herr Bundesminister, so läuft das sicherlich nicht ab! Da muß man – wie Rumpelstilzchen – wahrlich auf den Boden stampfen, Herr Bundesminister, ob Ihrer Beantwortung.

Interesse eines Institutes, einer Firma muß es wohl sein, daß sie vom Kunden für ein gelungenes Werk die entsprechende Belobigung erhält und damit zu Folgeaufträgen kommt. Na selbstverständlich! Er wird doch nicht eine Arbeit bei Ihnen abliefern, und das war’s dann. – Außer Sie zahlen ein so gutes Honorar, daß sich derselbe dann bis an sein Lebensende in den Lehnsessel setzen kann. Davon gehe ich aber zunächst nicht aus, wiewohl Sie mit den Mitteln – ich sage es jetzt einmal auf salzburgerisch – schon geuraßt haben.

Sie können sich sicher auch nicht vorstellen, Herr Bundesminister, daß ein begnadeter Architekt nach einer Auftragsabgabe, nach einem architektonischen Wurf dann plötzlich meint, niemand soll davon erfahren, niemand soll das wissen. Sie, Herr Bundesminister, stellen sich vor, daß da nichts passieren darf, daß niemand wissen darf, wo es langgegangen ist, und daher stellen wir als Freiheitliche Ihnen die Frage, ob Sie nach den drei Kriterien Gesetzmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit bei diesen öffentlichen Aufträgen – denn als solche sind sie zu bezeichnen – vorgegangen sind.

Herr Bundesminister! Diese drei Standbeine sind unabdingbar für öffentliche Auftragsvergaben, und daher bleibt zumindest der Schatten übrig, der lange Schatten, daß Sie offensichtlich – solange Sie der Öffentlichkeit nicht reinen Wein einschenken, bleibt das übrig – etwas verschweigen wollten.

Meine Damen und Herren! Es ist nämlich auch die Sparsamkeit in Diskussion zu ziehen. 1992 hatten wir noch eine Summe von rund 17 Millionen Schilling für derartige Expertisen, 1994 waren es zirka 29 Millionen Schilling, und 1995, überwiegend unter Ihrer Amtsführung, ist diese Summe auf mehr als 62 Millionen Schilling explodiert.

Sie haben also die Ausgaben verdoppelt, während Sie im selben Atemzug die Mittel für BÜRGES halbiert haben. Da stimmt etwas nicht, was Ihre innovatorischen Schübe anbelangt, die Sie einzuleiten vorgegeben haben.

BÜRGES haben Sie halbiert, die Kleingewerbekreditaktion haben Sie gleich die Donau hinuntergehen lassen, und bei Expertisen haben Sie die Summe verdoppelt im Vergleich zu 1994. Verdoppelt! Und jetzt wollen Sie dem Parlament nicht einmal sagen, wer in den Genuß dieser Aufträge gekommen ist. Sie wollen also nichts sehen, nichts hören und nichts sagen, Herr Bundesminister. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Einige Beispiele aus diesem Elaborat, das Sie uns zur Verfügung gestellt haben. – Beim Tourismus geht sowieso die Post ab. Da ist seitenlang aufgelistet, was hier "passiert" ist: Erfolge, Fehlschläge und ungelöste Probleme touristischer Forschung auf internationaler Ebene.

Wenn Sie in der Frage 4 die Antwort geben, Sie würden die Ergebnisse derartiger Forschungsaufträge in Ihr politisches Handeln einziehen lassen, dann frage ich mich, warum Sie dann die Ergebnisse nicht umgesetzt haben, zum Beispiel bei der Getränkesteuer, wo Sie auf der Bremse gestanden sind. Das heißt also, da ist das Geld mehr oder weniger zum Fenster hinausgeworfen worden.


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Oder: Erhebung des alpenquerenden Güterverkehrs 1994. Die Ergebnisse zeigen Ihnen wahrscheinlich, daß hier die EU insbesondere Österreich mißbraucht. Warum sind Sie nicht nach dem Ergebnis dieser Expertise tätig geworden, wie Sie uns – dem Parlament, der Öffentlichkeit – unter Punkt 4 versprochen haben?

Oder: Konzept zur "Druckführung", heißt es hier, des Ausstellungsprojektes Ingenius in Wien 1996. Sie weigern sich, dem Parlament mitzuteilen, was damit passiert; Markenpolitik in Österreich und so weiter.

Und dann kommen einige skurrile Dinge, "1000 Jahre textiles Österreich" zum Beispiel. Was damit geforscht, gefördert werden soll oder welche Expertisen dem Hohen Haus, der Öffentlichkeit hier dienlich sind, das frage ich mich. (Abg. Mag. Stadler: Lendenschurz!) Es würde mich nicht wundern, wenn Sie 5 000 Jahre textiles Österreich hätten beforschen lassen, denn dann hätten Sie darin auch aufnehmen lassen können, was der Herr Ötzi für textile Kleiderwerke getragen hat, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da gibt es noch eine Studie "Tausend Jahre Gastlichkeit in Österreich". Warum muß man sich denn schämen, wenn man einen solchen Auftrag von Ihnen erledigt hat? Zu guter Letzt, als Beispiel, das auch etwas hinterfragbar ist: "Ausrüstung der Prüfmeßpuppe (Dummy) mit Beschleunigungsaufnahme zur Erfassung des HIC-Wertes". – Das haben Sie also auch entsprechend beforscht, Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.

Und dann gibt es noch die Studie "Altarm Schönbühel, fischökologische Beweissicherung zur Feststellung der Funktion zweier bestehender Rohrdurchlässe hinsichtlich ihrer Migrationstauglichkeit". – Ich bin auch hin und wieder beim Angeln, aber, Herr Bundesminister, ich glaube, derlei Forschungsaufträge schreien zumindest nach Untersuchung, da wird also der Rechnungshof noch einiges zu tun haben, und sie sind zu hinterfragen. Ich unterstelle es vorweg nicht, solange ich nicht im Vollbesitz Ihrer Information bin, aber ich frage mich, ob hier nicht Gefälligkeitsgutachten in Auftrag gegeben wurden, damit sich einige ihr Geldbörsel anfüllen können.

Meine Damen und Herren! Es reißt also seit Ihrer Übernahme des Amtes des Wirtschaftsministers eine "Gutachtitis" ein, die nicht mehr zu übertreffen ist, eine Krankheit, bei welcher einige Geldbörsen gesunden, nämlich, wie schon erwähnt, jene der Gutachter. Das ist eine Gutachtitis, die auch schon andere Gemeinwesen, wie zum Beispiel auch den Bund, in den Schuldturm gebracht hat, zum Beispiel auch meine Heimatstadt Salzburg, wo unter sozialistischer Führung auch durch die Gutachtitis ein Riesenloch in den Staatssäckel gerissen wurde. Das Ganze hat dann noch der Herr Voggenhuber weitergeführt, der dann vom Wähler aus dem Amt gejagt wurde und jetzt seine ehemalige Heimatstadt beschimpft.

Meine Damen und Herren! Wir verlangen von Ihnen Transparenz, und zwar eine Transparenz, wie sie der Herr Bundesminister für Justiz gezeigt hat, welcher auf ähnliche Fragen sehr wohl die Firmen und die Summen bekanntgegeben hat. Michalek hat auf ähnliche Fragen gesagt, wer in den Genuß derartiger Gelder gekommen ist und wie hoch diese Summen im Einzelfall waren.

Es bleibt also ein dunkler Schatten auf Ihrer Art der Beantwortung, Herr Bundesminister, und noch länger wird dieser Schatten, wenn man sich Ihre Anfragebeantwortung vom 1. 4. 1996 vornimmt. Da geht es um die Förderungsstatistik, und da haben Sie sehr wohl auf Seite fünf – unter anderem, ellenlang aufgelistet – angegeben: video- und EDV-unterstützte Mitbestimmung in der Planung – das war die ARGE Haller –: 140 400 S Pilotversuch Österreichisches Netzwerk barrierefreies Planen und Bauen, Institut für soziales Design: 163 000 S, und so weiter und so weiter. Da haben Sie uns die Zahlen genannt.

Unsere Frage ist, und das interessiert uns heute: Warum haben Sie in der gegenständlichen Anfragebeantwortung darauf verwiesen, daß die Bekanntgabe der Zahlen und der Firmen deren Interessen schädigen würden? – Diese Frage stellt sich. Ich möchte Ihnen vorerst einmal nicht unterstellen, Herr Bundesminister, daß Sie so manches Gutachten in Auftrag gegeben haben, um dem einen oder anderen etwas zuzuschanzen. Ich unterstelle dies bewußt vorerst nicht. Aber damit dieser Vorwurf sich nicht zum Faktum erhebt und zur Tatsache wird, ist es notwendig, daß Sie alles auf den Tisch legen, und zwar im Interesse der Steuerzahler, im Interesse des Parlaments, der Rechte dieses Parlaments. Wir als Abgeordnete – und Sie waren


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selbst einer, daher müßten Sie besonderes Verständnis für dieses Recht des Parlaments haben – lassen uns das Recht nicht nehmen, im Auftrage des Bürgers zu hinterfragen, was mit dem sauer verdienten Steuerschilling passiert, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Während Sie den Österreicherinnen und Österreichern den Gürtel ständig enger schnallen, sie nahezu strangulieren, Herr Bundesminister, haben Sie hiefür 62 Millionen ausgegeben, und die Sinnhaftigkeit eines gut Teils dieser Ausgaben ist nicht nachgewiesen worden. Wir erwarten von Ihnen die Erbringung dieses Nachweises! Ihre Bringschuld ist es, dem Parlament alles auf den Tisch zu legen, der Öffentlichkeit die Antwort mitzuteilen, dann sind wir gerne in Sachfragen auf Ihrer Seite – sonst nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. – Bitte, Sie haben das Wort.

19.55

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Was die "F" vom Parlamentarismus hält, zeigt sich an dieser ... (Abg. Rossmann: Die Freiheitlichen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Richtig, jetzt heißt es wieder "Die Freiheitlichen". Was die Freiheitlichen also vom Parlamentarismus halten, sieht man an dieser Besprechung der Beantwortung durch Herrn Minister Ditz. Es ist nämlich so, daß Sie das Parlament für sich dazu mißbrauchen, um zu filibustern, eine für Sie typische Angewohnheit hier, denn der Herr Abgeordnete Haigermoser nimmt sich eine der Anfragebeantwortungen der Ministerien heraus, und zwar in diesem Fall die Beantwortung durch Herrn Minister Ditz, und vergleicht sie nicht mit der Beantwortung der anderen Ministerien und macht dem Herrn Minister Ditz Vorwürfe, die gänzlich ungerechtfertigt sind. (Abg. Haigermoser: Seine eigenen Angaben habe ich zitiert!) Herr Abgeordneter Haigermoser! Ich weiß, Sie können nicht zuhören. (Abg. Haigermoser: O ja! Ich hänge an Ihren Lippen!) Nein, Sie können es nicht, sonst würden Sie mich einmal aussprechen lassen. Herr Abgeordneter Haigermoser! Ich habe da, was die Studien betrifft, die Anfragebeantwortung des Herrn Finanzministers Klima zur Frage drei, wo es eindeutig heißt: Die gegenständlichen Aufträge wurden an Institute, nationale und internationale Betriebsberatungsfirmen und Einzelpersonen vergeben. Darin wurden nur die Themenschwerpunkte angeführt und nicht einmal die einzelnen Studien. Das gilt auch für Minister Hums.

Herr Abgeordneter Haigermoser! Aber das, was Sie als Abgeordneter machen können, das haben Sie nicht gemacht. Sie bezweifeln den Wert der Studien, aber ... (Abg. Haigermoser: Was denn?! Ich bin doch kein Detektivbüro!) Herr Abgeordneter! Ich weiß, Sie können nicht zuhören! (Abg. Haigermoser: Ich bin doch nicht "Argus"!) Herr Abgeordneter! Sie können nicht zuhören, ich weiß es, und deshalb werden Ihre Beiträge auch nicht ernst genommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie als Abgeordneter können nämlich die veröffentlichten Studien bei jedem Ministerium anfragen, und Sie bekommen sie auch zugeschickt. Machen Sie davon Gebrauch! Alle Studien, die veröffentlicht worden sind, können Sie anfordern. Dann können Sie sich davon überzeugen.

Weiters, meine Damen und Herren, möchte ich auch noch auf eines hinweisen. Gerade das Wirtschaftsministerium hat in den letzten Jahren seinen Mitarbeiterstand durch Ausgliederung stark reduziert und hat deshalb natürlich auch verschiedene Aufgaben an andere Institute abgegeben und Gutachten beziehungsweise Studien dort erstellen lassen. Das ist ja auch in unserem Sinne, daß nicht alles immer nur von einem Ministerium gemacht wird, daß auch andere, unabhängige Gutachter herangezogen werden. Und genau das ist passiert, und zwar nicht nur im Wirtschaftsministerium, von Herrn Minister Ditz, sondern auch in anderen Ministerien. Und es zeigt sich bei den einzelnen Beträgen ganz deutlich, daß sie in ihrer Höhe je nach Gutachten schwanken. Es hängt immer davon ab, um welche Themen es geht. Wie Sie wissen, hat gerade der Herr Wirtschaftsminister ein sehr umfangreiches Ressort, nicht nur Wirtschaft, sondern auch Bauten und Energie. Und gerade in diesen sensiblen Bereichen ist es notwendig, verschiedene Studien zu erstellen, wenn es zum Beispiel um den Wirtschaftsstandort Österreich geht, darum, wie die Auswirkungen der Europäischen Union sind, wie die Auswirkungen unserer


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Nachbarschaft sind – auch beispielsweise über "1000 Jahre Gastlichkeit". (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Herr Abgeordneter Haigermoser! Gerade das zeigt, daß Sie von Wirtschaft wenig verstehen. Denn gerade das, was unsere Vorfahren da und dort gemacht haben, ist für die Zukunft, dafür, wie wir weitertun können, gerade bei 1000 Jahren Gastlichkeit, wichtig, um das Tourismusland Österreich entsprechend zu präsentieren, um zu zeigen, wo die Traditionen sind, wo wir etwas Neues erbringen können. Das sind die Chancen für unser Land! Sie erkennen diese Chancen aber nicht, ich habe es gemerkt. (Beifall bei der ÖVP.)

20.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Sie haben das Wort.

20.00

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister! Ich frage mich ehrlich: Warum tun Sie sich das an? – Sie wissen doch, daß die freiheitliche Fraktion wirklich alles versucht, um hinter allem und jedem einen Skandal zu wittern (Abg. Mag. Trattner: Du leidest an Verfolgungswahn!), und diese Anfragebeantwortung, die Sie völlig unnötigerweise geliefert haben, bietet natürlich einer Fraktion, die darauf aus ist, die Möglichkeit, daraus eine parlamentarische Anfragebesprechung und ein gewisses Heckmeck zu machen. (Abg. Rossmann: Auch Sie verkaufen sich teilweise, wie man hört!) – Gut, wir haben das jetzt zur Kenntnis genommen und fahren fort. (Heiterkeit.)

Sie haben die wirklich wichtige Aufgabe, die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens und die Förderungspolitik zu gestalten, und ich bin davon überzeugt, Herr Wirtschaftsminister, daß Sie dazu Gutachten, Studien und Umfragen im Sinne des outsourcing brauchen. Ich möchte Ihnen ausgesprochen gratulieren zu der letzten Studie, die Sie im Haus gemacht haben, und zwar zur Studie von Herrn Sektionsleiter Dr. Handler, mit dem Titel: Wirtschaftsstandort Österreich. Diese halte ich für ausgezeichnet. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich verstehe nur eines nicht: Wenn Sie diese Studien erstellen lassen, warum betreiben Sie dann keine offensive Kommunikationspolitik? Warum stellen Sie den Wirtschaftssprechern dieses Hauses nicht eine Liste der Sudien zur Verfügung, die in Ihrem Haus zu haben sind? – Diese Studien sind mit Steuergeldern bezahlt worden. Ich glaube, sie sollten nicht nur der Exekutive, sondern auch der Legislative, dem Parlament, zur Verfügung stehen.

Ich halte die Beantwortung der Frage 3 in der zur Debatte stehenden Anfragebeantwortung einfach für "patschert". Bitte um Entschuldigung, daß ich das in aller Deutlichkeit sage. Denn es ist doch logisch, daß Sie diese Studien, so nehme ich an, selbstverständlich ordnungsgemäß ausgeschrieben haben, daß Sie keine freihändige parteipolitische Vergabe gemacht haben und daß es keinen Rückfluß in Parteikassen gibt. Ich wehre mich einfach dagegen, hinter allem, was in dieser Republik passiert, einen Skandal zu wittern.

Ich bitte Sie daher, Herr Wirtschaftsminister: Zeigen Sie mehr Transparenz in der Vergabe, beantworten Sie die Anfragen halt so, wie sich die Abgeordneten das mit Recht erwarten, und vor allem: Pflegen Sie mehr Kommunikation mit den Abgeordneten, stellen Sie uns diese Studien zur Verfügung! Auch wir wollen den Wissensstand haben, über den Sie durch diese wichtigen Studien verfügen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Heindl gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

20.02

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich muß ehrlich sagen ... Ach! Jetzt ist er nicht da, der Helmut Haigermoser. (Rufe bei der ÖVP: Ist ja nicht so wichtig!) Doch, doch, es geht um Wichtiges. Es geht nämlich tatsächlich darum, wie ernst wir uns selbst bei der Arbeit nehmen. Denn ich habe mir die Unterlage angeschaut und mich gefragt: Was wird da kritisiert? – Und beim ersten Überfliegen habe ich mir


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auch gedacht: Allerhand! In vier Jahren 73 Analysen und Expertisen zum Thema Fremdenverkehr. (Zwischenrufe des Abg. Mag. Peter. ) – Das kommt gleich! Das ist ja das Thema, das ich ansprechen will. Herr Kollege Peter! – 26 zum Thema Verkehr, weitere Studien über Klein- und Mittelbetriebsprobleme, Exportprobleme und so weiter.

Was ich aber, wenn ich das ernst nehme, nicht verstehe, Herr Kollege Trattner – Sie sind ja der Anfragesteller –, ist folgendes: Warum haben wir – und das meine ich wirklich ernst – nicht jedes einzelne Thema dieser Umfragen im Wirtschaftsausschuß besprochen? – Dabei kann man noch verschiedener Auffassung sein, ob die eine oder andere Expertise zuviel war oder ob man sie anders hätte anlegen sollen. Faktum ist, daß es im Prinzip richtig war, sie einzuholen. Was soll denn, bitte, ein Wirtschaftsministerium auch anderes für die Einführung von ordentlichen Rahmenbedingungen tun – noch dazu ist es für den Fremdenverkehr ja gar nicht zuständig –, als entsprechende Unterlagen zu beschaffen, damit die Normadressaten, die in der Wirtschaft Tätigen, anhand dieser Analysen und Expertisen reagieren können? – Das ist eine gute Tat! (Abg. Mag. Trattner: Das ist nicht das Problem!)

Aber nun kommt meine Kritik. Herr Kollege Trattner! Wenn ihr das im letzten Wirtschaftsausschuß besprochen hättet, wenn ihr gesagt hättet: Herr Minister oder Frau Kollegin Tichy-Schreder als Ausschußvorsitzende! Bitte setzen Sie das auf die Tagesordnung, wir möchten einmal über die diversen Analysen und Expertisen reden, dann wäre das thematisiert worden. Da hätten wir wahrscheinlich bei einzelnen Analysen, etwa beim Fremdenverkehr oder bei der Exportwirtschaft, einige Stunden lang diskutiert.

Darf ich Ihnen noch etwas sagen? – Schauen Sie auf die Uhr! Es ist 20.04 Uhr. Morgen diskutieren wir ab zirka 13 Uhr das Kapitel Wirtschaft. Jetzt um 20 Uhr sollen wir vor leerem Haus – es ist kein Journalist mehr hier, es sind keine Medien mehr präsent – ein so wichtiges Thema diskutieren?! – Entweder nehmen Sie es nicht ernst, oder es ist Ihnen wirklich egal. Alles nur, damit Sie die Sitzung ein bißchen in die Länge ziehen. So fasse ich das auf!

Ein wichtiges Anliegen, nämlich das Durchdiskutieren dieser hochinteressanten Analysen und Expertisen, sollen wir im Rahmen einer Anfragebeantwortung behandeln, wo man 15 Minuten Redezeitbeschränkung hat und wo man es sehr rasch abspult. Warum, weiß ich nicht, ich stelle mir die Frage gar nicht.

Mein Appell wäre nur: Wenn Sie es ernst nehmen, dann diskutieren wir es morgen beim Kapitel Wirtschaft oder beim nächsten Bericht über den Tourismus oder beim nächsten Bericht über die Exportwirtschaft oder beim nächsten Mal, wenn wir über die Berufsausbildung diskutieren. Jedes einzelne Thema für sich ist wichtig! Ich würde auch meinen, da könnte man dann auch das Thema diskutieren, ob man den einen oder anderen Ersteller einer Expertise oder Analyse bekanntgibt. Im Ausschuß können wir über all das reden. Ich bin überzeugt, der Herr Wirtschaftsminister hätte es uns gesagt. Warum soll er es verheimlichen? – Er wird einen Grund gehabt haben, wenn er jetzt sagt, in der Öffentlichkeit diskutieren wir nicht darüber. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Helmut! Das ist das Thema, um das es geht. Wenn du es ernst meinst, dann mach doch eine wirkliche Besprechung über die einzelnen Themen. Eines allein wäre schon mehr als genug. Was ihr aber jetzt tut, geht alles in eine Richtung.

Ich sage euch zum Schluß eines, und das ist meine wirkliche Überzeugung – ich habe es mir noch aufschreiben wollen, aber da bin ich schon zur Rede aufgerufen worden –: Es kommt mir wirklich so vor: Man kann durch Gesundbeten, glaube ich, eine vielleicht aufkeimende Rezession nicht verhindern. Aber eines kann man garantiert: Durch Krankjammern eine herbeiführen! – Und das seid ihr im Begriff zu tun! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Sie haben das Wort.

20.06

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In aller Kürze. Ich finde die Anfrage als solche ganz inter


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essant. Ich bin dankbar dafür, daß ich jetzt eine Übersicht über all die Studien habe, die das Wirtschaftsministerium in den letzten Jahren finanziert hat. Warum Herr Bundesminister Ditz die Frage 3 nicht beantwortet hat, ist mir auch nicht ganz erklärlich. Ich führe es zurück auf den in Österreich weit verbreiteten Wunsch, immer die Amtsverschwiegenheit in den Vordergrund zu stellen. Es ist der Artikel 20 Abs. 3 der Bundesverfassung, der hier in der Anfragebeantwortung offenbar indirekt zitiert wird. Dieser sieht ja vor, daß die Behörde zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, wenn die Geheimhaltung – und dann kommen verschiedene Punkte – im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit und so weiter ist – das wird ja wohl nicht gemeint sein – oder wenn es im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist.

Warum soll es im überwiegenden Interesse dieser Leute hier geboten sein? – Es ist ja wirklich nicht ehrenrührig, für das Wirtschaftsministerium eine Studie zu verfassen. Ich schließe jetzt gar nicht aus, daß in der Aufzählung der Namen vielleicht auch meiner sein könnte. Ich hätte gar nichts dagegen, wenn er da genannt würde in Ihrer Anfragebeantwortung.

Ich meine, daß man die Frage 4 nicht viel besser beantworten kann, liebe Kollegen von den Freiheitlichen. Sie haben gefragt: Welchen Niederschlag fanden diese Ergebnisse? – Mein Gott, nach einer groben Durchzählung der Studien dürfte es sich um ungefähr 250 bis 300 Studien handeln, die da genannt werden. Wie soll man das jetzt global bewerten? – Da müssen Sie sich schon die Mühe machen, einen Bereich herauszukletzeln, etwa Fremdenverkehr, Gastlichkeit, was weiß ich, Technologieförderung, irgend etwas eben, und dann diesen Bereich auf die Effizienz zu untersuchen, ob den Kosten dieser Studie ein entsprechender Nutzen gegenübergestanden ist. Aber ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht, wie man Ihnen in dieser globalen Form eine viel befriedigendere Antwort hätte geben können.

Viel mehr interessiert mich jetzt, nachdem wir dieses Konvolut haben, wie viele dieser Studien denn jetzt schon fertig sind, speziell die aus 1994/95 würden mich interessieren. Es ist nur die Frage – einer meiner Vorredner hat das schon angedeutet –: Bekommt man sie dann auch? (Abg. Tichy-Schreder: Ja!) Na ja, Frau Kollegin Tichy-Schreder, immer ist es nicht so! Der Wifo-Verteilungsbericht ist seit Monaten fertig, liegt seit Monaten im Finanzministerium, und das Finanzministerium findet immer noch etwas, was man immer noch ein bißchen ergänzen sollte oder ein bißchen korrigieren sollte, gerade so, daß er halt immer noch nicht der Öffentlichkeit vorgestellt werden kann. Auf diese Art kann man die Veröffentlichung einer Studie natürlich nicht nur um Monate, sondern um Jahre verzögern. Und ich hoffe nicht, daß das die Politik von Herrn Minister Ditz ist!

Ihren Kommentar, Herr Kollege Peter, zur Studie Wirtschaftsstandort Österreich kann ich vollinhaltlich unterschreiben. Das ist zum Beispiel eine sehr interessante Geschichte. Die wurde sehr schnell veröffentlicht, binnen weniger Monate.

Sie werden wahrscheinlich dazu noch Stellung nehmen, Herr Bundesminister. Ich würde Ihre Zusage begrüßen, daß wir all die Studien, die wir demnächst bei Ihnen anfordern werden, sofern sie einigermaßen fertig sind, auch von Ihnen umgehend bekommen werden. Es sind etliche darunter, die auch für uns sehr interessant sein werden. Es sind etliche – das hat mich überrascht – zum Umweltbereich im weitesten Sinn darunter, zur Technologieförderung, zu allen möglichen, sehr interessanten Fragen, womit ich nicht ausschließen will, daß man bei der einen oder anderen Studie auch aus meiner Sicht, wenn ich sie im Detail kennen würde, sagen könnte: Na das war jetzt unbedingt notwendig zu erforschen? – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

20.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich Herr Bundesminister Dr. Ditz zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

20.10

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf an die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Van der Bellen anschließen und möchte hier ganz klar sagen: Alle Studien, die wir machen, die veröffentlicht werden, stehen natürlich auch den Abgeordneten zur Verfügung. Ich weiß nicht, in welcher


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Quantität sie vorliegen, aber wir können sicher Kopien machen, das ist an und für sich leicht möglich.

Ich halte das sogar für einen positiven Effekt, weil ich glaube, es kann uns helfen, mehr Rationalität in unsere Wirtschafts-, Umwelt- und sonstige Politik zu bringen. Ich bin interessiert an einer sachlichen Diskussion, daher bin ich auch gerne bereit, hier alle Auskünfte zu geben, die Sie verlangt haben, daß man bekanntgibt, welche Studien im Jahr 1995 fertig geworden sind, und dann vielleicht erhebt, wer diese Studien will. Ich werde das in meinem Haus beauftragen.

Ich möchte aber auch klar sagen, daß viele der Studien natürlich Teil der Arbeiten in den Sektionen sind. Es wird nicht alles veröffentlicht. Aber auch hier bin ich zu einem Dialog bereit, und die Sektionschefs sind sicher gerne bereit, Ihnen auch hier in die sachlichen Unterlagen Einblick zu gewähren, weil ich überhaupt nichts davon halte, Fakten oder Zahlen nicht zur Verfügung zu stellen. Wir alle wissen, daß wir in einer Periode des wirtschaftlichen Wandels leben, wo wir alle froh sind, wenn wir Anhaltspunkte bekommen, in welche Richtung wir unsere Politik gestalten können oder sollen.

Hier meine ich schon, daß grundsätzlich, Herr Abgeordneter Haigermoser, Studien möglicherweise wichtiger und wesentlicher sind als Zinsenstützungsaktionen. (Abg. Haigermoser: Herr Minister! Ich habe sie nicht in Frage gestellt, ich wollte nur wissen, von wem sie sind!) Sie sollten vorsichtig damit sein, Äpfel und Birnen miteinander zu vergleichen. Wenn die richtigen Schlußfolgerungen gezogen werden, werden wir insgesamt davon profitieren. Ich kann Ihnen auch einige Beispiele nennen, die das belegen. (Abg. Haigermoser: Es wurde nicht in Frage gestellt!) Ich beantworte es aber trotzdem, lassen Sie mich meine Antwort geben, ich höre Ihnen ja auch zu.

Also ich glaube, daß es beispielsweise wichtig ist – ich habe das persönlich beauftragt –, daß wir eine Reform des Umweltanlagenrechts anstreben, weil ich glaube, wir müssen überlegen, wie wir mit weniger Bürokratie denselben ökologischen Nutzen erzielen, damit der Wirtschaftsstandort Österreich keinen Schaden nimmt. Jeder spricht von Entbürokratisierung, während die Verwaltungsrechtler mir gegenüber meinen, daß das ganze Recht schon so kasuistisch ist, daß man gar nicht mehr weiß, wo anzusetzen ist, um diese Entbürokratisierung wirklich zu schaffen. Man hat versucht, sich hier einen Überblick zu verschaffen.

Deregulierung des Wirtschaftsrechtes. Ich glaube, man muß auch hier Literatur sammeln, um Ansatzpunkte für die Praxis zu gewinnen.

Energieprognosen: Wir brauchen sehr viele Studien als Unterlage auch für die Berichte, die wir dann hier im Hohen Haus vorlegen. Daher meine ich, daß grundsätzlich diese Vorgangsweise vernünftig und richtig ist. Es war sicher nicht meine Absicht, das Interpellationsrecht nicht zu beachten. Im Gegenteil: Ich bin gerne bereit, diesen Gesamtüberblick zu geben. Allerdings muß ich eines klar sagen: Die Höhe der einzelnen Studie war nicht gefragt und wurde auch von niemandem als Antwort gegeben.

Sie sagen, ich hätte Studien gemacht und dann zum Beispiel die Getränkesteuer nicht abgeschafft. Dazu muß ich Ihnen sagen: Der einzige, der je im Bereich der Getränkebesteuerung etwas bewegt hat, war ich als Finanzstaatssekretär gemeinsam mit dem Finanzminister Lacina. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie von den Freiheitlichen haben immer nur gefordert, und als Sie das erste Mal in der Lage gewesen wären, mit Ihrem seinerzeitigen Staatssekretär Holger Bauer das umzusetzen, sind Sie kläglich gescheitert. Also das muß man deutlich sagen.

Ein weiteres Beispiel von Haigermoser war, daß wir im alpenquerenden Güterverkehr nicht tätig geworden seien. Wir sind sehr wohl tätig geworden. Wir sind mit einer Änderung der Brennermaut, die Sie als Tiroler ja mitbekommen haben müssen, sogar so tätig geworden, daß es nun in der Nacht eben keine Lärmbelästigung mehr gibt und gewisse Ruhe herrscht. Wir haben diese Maßnahme bewußt gesetzt, und wir führen jetzt bewußt die Diskussion mit der EU. Das heißt, diese Studien haben sehr wohl einen Sinn gehabt. Der Wirtschaftsminister hat auf diese


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Studien reagiert. Also ich verstehe nicht, wo hier der Vorwurf ist, und kann Ihre Argumentation einfach nicht nachvollziehen. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang ein letzter Punkt: Warum eine höhere Auftragssumme? – Im Jahr 1995 wurde hier geuraßt, wie Sie meinen. Es wurde, Herr Abgeordneter Haigermoser, nicht geuraßt, sondern das Ministerium hat neue Kompetenzen hinzubekommen, neue Kompetenzen im Technologietransferbereich, in der Innovationspolitik, wo es schon Sinn macht, in Studien zu untersuchen, welche Förderung wir eigentlich in diesem Land brauchen. Es gibt sehr viele kleine Förderungen; ich behaupte, es gibt aber keine optimale Förderung in Richtung Technologietransfer. Das sind Schwachstellen, und wir müssen überlegen, wie wir das verbessern und neu organisieren können.

Wir haben Studien – und die wurden vor allem von der Freiheitlichen Partei eingefordert – zur Vorbereitung des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes gemacht. Mir wurde vorgeworfen, daß ich hier ohne wissenschaftliche Unterlagen fuhrwerke – das stimmt nicht. Wir haben Studien gemacht, und natürlich kosten diese Studien auch Geld. Die Mautstudie war sicher wesentlich für die Vorbereitungsarbeiten sowohl für die Vignette als auch für das Road-Pricing.

Ein weiterer Irrtum ist, zu meinen, daß wir bezüglich des Millenniums Studien gemacht und 1 000 Jahre Gastlichkeit mit dem Lendenschurz erforscht haben. Hier geht es einfach um Werbeaktionen für Österreich, wo wir die Bedeutung des Tourismus für Österreich demonstrieren. Ich glaube, daß wir solche Events brauchen, die in den Medien wieder Niederschlag finden – genau das ist in Mayrhofen passiert –, die sich insgesamt werbemäßig positiv auswirken und daher den Einsatz der Geldmittel sehr wohl rechtfertigen.

Letzter Punkt: Die Nutzung der Möglichkeiten der EU, der EU-Förderungen macht es notwendig, mit Studien die diversen Förderungsprogramme – ob das jetzt Textilförderungen sind, ob das die Grundlagen der EU-Kofinanzierungen sind, ob das Retex-Gemeinschaftsinitiativen oder die Sektorpläne für die Landwirtschaft sind – zu untersuchen.

Ich glaube, daß man damit nachweisen kann, daß dieser höhere Mittelansatz im Jahre 1995 gerechtfertigt ist, und Sie können sicher sein, daß wir insgesamt in meinem Ressort in allen Bereichen, auch im Bereich der Studien, sparsam umgehen, was nicht bedeutet – und diesbezüglich gebe ich Herrn Abgeordneten Van der Bellen recht –, daß jede Studie, die wir machen, das Gelbe vom Ei ist. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Meischberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.18

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Das letzte Wort des Ministers wird wohl das Wahrste sein an der ganzen Geschichte: Nicht alles, was an Studien vorliegt, ist das Gelbe vom Ei auch der Herr Kollege Van der Bellen hat es bereits gesagt.

Mir liegt ein besonderes Prachtstück vor: eine vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie über die Verkehrswegerechnung-Straße-Österreich – sie wird dem Kollegen Van der Bellen vielleicht bekannt vorkommen –, die 1993 veröffentlicht wurde. Die Langfassung der Studie wurde 1994 erstellt.

Abgesehen davon, daß das Basisjahr für die Erhebungen dieser Studie 1990 war und demzufolge die der Studie zugrunde liegenden Zahlen bei der Veröffentlichung der Studie mehr als überholt waren, wurde hier ein über 400 Seiten starker Zahlenfriedhof erstellt, der eigentlich keinerlei erkennbaren Einfluß auf die Arbeit im Wirtschaftsministerium hat.

Interessant ist, wenn die Frau Kollegin Tichy-Schreder versucht, hier den Herrn Bundesminister zu verteidigen und unsere parlamentarische Arbeit in Frage zu stellen, wenn wir uns um derartige Studien kümmern. Auch der Kollege Heindl hat die Frage gestellt, wie ernst wir uns nehmen.


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Ich glaube, daß wir unsere Arbeit bedeutend ernster nehmen als der Herr Minister die Anfragebeantwortung, denn nicht nur die Frage, warum er Studienersteller nicht bekanntgibt – der Herr Kollege Van der Bellen lacht schon – ist offen. (Abg. Dr. Lukesch: Der ist in der Wissenschaft sehr bekannt!) Ich habe ja auch überhaupt kein Problem damit. (Abg. Dr. Lukesch: Doch, du hast noch nie eine Uni von innen gesehen!) Ich bekomme ja vom Herrn Minister keinen Auftrag. (Abg. Parnigoni: Da kommt es ja auch auf die Qualifikation an!) Das ist wichtig, daß ausgerechnet du das sagst, "Bellagoni"!

Zurück zum Thema. Die Studie, die mir vorliegt, wurde von Herrn Van der Bellen mit erstellt. Verfasser der Studie waren Dr. Herry, Universitätsprofessor Faller und eben unser Kollege im Hohen Haus, der heutige Wirtschaftssprecher der Grünen, Van der Bellen. Wenn man dann vom Minister die Antwort erhält, daß öffentlich vergebene Studien von ihrem Auftraggeber her nicht öffentlich genannt werden können, dann fragt man sich, warum das Ganze so ist.

Um noch einmal zu dieser Studie zurückzukommen, zu dieser besonderen Verkehrswegerechnung-Straße-Österreich aus 1993: Ich habe immer geglaubt und bin heute noch überzeugt, daß der Kollege Van der Bellen ein exzellenter Fachmann, Experte ist, aber ich habe mir auch immer gedacht, er ist unbestechlich. Ich hoffe, daß ich auch noch nach einer Antwort des Ministers oder von Ihnen selbst diesen Eindruck habe. Diese Studie scheint nämlich gar nicht in der Aufzählung des Herrn Bundesministers in der Anfragebeantwortung auf, sie kommt gar nicht vor. Sie ist eindeutig gezeichnet, im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten, es liegt ein Endbericht vor, folglich müßte sie fertig sein. Sie ist aber in der Aufzählung in der Anfragebeantwortung nicht enthalten. Etwas ist mir ganz besonders sauer aufgestoßen – Herr Kollege Heindl, ich glaube, über solche Dinge sollten wir schon in diesem Zusammenhang reden –: Hier steht unter Anmerkung 1: "Geschönte Ausgabe für den journalistischen Gebrauch, ohne Angabe von monetären Werten". (Abg. Haigermoser: Hallo!)

Öffentlich in Auftrag gegebene Studien werden vom Herrn Bundesminister in seiner Anfragebeantwortung nicht erwähnt. (Abg. Haigermoser: Was ist, Lukesch?) Ich sehe hier, es handelt sich um eine geschönte, also um eine manipulative Ausgabe dieser Studie, um hier der Öffentlichkeit ein anderes Bild zu geben, als vielleicht die Studie beinhaltet. Und da ergeben sich schon einige Fragen, meine sehr geehrten Damen und Herren (Abg. Haigermoser: Viele Fragen!), an Sie, Herr Van der Bellen, und an Sie, Herr Bundesminister. Mich würde interessieren, wie diese Ausgabe überhaupt zustande gekommen ist, vor allem, was geschönt wird in einer verschönerten Ausgabe einer Studie des Bundesministeriums. Dieser Titel trägt Ihren Namen. (Abg. Schwarzenberger: Mit Blumen verschönt!) Es ist wahrscheinlich auch von Ihnen unterschrieben, ich weiß es nicht.

Herr Kollege! Ich möchte nur wissen, ob Sie, Herr Kollege, von dieser Vorgangsweise überhaupt gewußt haben oder sogar daran beteiligt waren, ob es bei der Erstellung von derartig geschönten Ausgaben von Studien, die dann letztlich mit Steuermitteln bezahlt werden, allgemein üblich ist, daß man die negativen Dinge in der Schublade läßt und nur die geschönten Fakten veröffentlicht. Das sind alles Fragen, die sich hier im Zusammenhang mit dieser manipulativen Vorgangsweise in bezug auf die Studienvergabe ergeben. Es stellt sich auch die Frage: Wie erfolgt die Bezahlung derartiger Studien? Ist diese Studie vielleicht deshalb nicht in der Aufzählung, weil sie bis heute nicht bezahlt wurde, oder bezahlt man im voraus, damit man geschönte Ausgaben bekommt, die man braucht, damit das Ganze den richtigen Öffentlichkeitswert erfährt, wie man es sich gerne vorstellt?

Das sind alles Dinge, über die wir schon sprechen sollten. Deswegen tut es mir leid, daß der Minister sich vor meiner Wortmeldung zu Wort gemeldet hat. Aber ich glaube, wir werden von beiden Betroffenen noch eine Antwort erhalten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Bundesminister Dr. Ditz hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Minister.

20.25

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie werden mit Sicherheit eine Antwort erhalten. Sogar das ganze Hohe Haus


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17. Sitzung / Seite 139

wird eine schriftliche Antwort erhalten, weil ich dem Sachverhalt nachgehen werde. Nach unseren Informationen ist diese Studie nicht gefragt gewesen, denn es sind nur die Studien, die 1992 bis 1995 in Auftrag gegeben wurden, und diese ist vor 1992 in Auftrag gegeben worden. Das ist die Information, die ich habe, aber wir gehen dem nach. Wir werden uns das anschauen, und wir werden zu all Ihren Anschuldigungen, die Sie hier unbewiesen in Fortsetzung der ersten Wortmeldung von sich gegeben und in den Raum gestellt haben, ganz klar und schriftlich Stellung nehmen. Ich finde, daß es auch sehr unfair gegenüber dem Abgeordneten Van der Bellen ist, was Sie hier vom Rednerpult aus geboten haben. (Beifall bei der ÖVP.)

20.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Das Wort hat nun Frau Abgeordnete Rossmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.26

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werter Herr Minister! Ich möchte zuerst auf die EU-Kofinanzierungsstudie zurückkommen. Sie haben gesagt, die Studie wäre notwendig, um genau darzulegen, welche Kofinanzierung Österreich benötige. Wieso ist es dann möglich, daß Sie mir im Unterausschuß des Budgetausschusses Wirtschaft auf die Frage, welche EU-Kofinanzierung der Bund in welcher Höhe an welchem Standort im Bereich des Tourismus 1996/97 tätigt, geantwortet haben: Eine Aussage über konkrete EU-Mittel bindende Projekte mit Angaben zu Höhe und Standort im Zusammenhang mit den erwähnten Maßnahmen kann derzeit noch nicht gemacht werden. Entsprechende Aussagen werden im Laufe der Jahre 1996 und 1997 möglich sein. Wir haben doch bereits fast Mitte 1996, und aufgrund einer solchen Studie müßten Sie, glaube ich, in der Lage sein, darauf eine Antwort zu geben.

Aber vorweg, damit da keine Irrtümer auftauchen: Wir bekennen uns natürlich zu Studien. Man benötigt Studien, um politisch wie auch wirtschaftlich richtungsweisend in die Zukunft zu gehen. Es geht nur letzten Endes um die Anzahl der Studien, in welcher Höhe die Kosten sind und an wem sie erstellt wurden.

Werter Herr Bundesminister! Es ist schon unglaublich, daß alleine für die Fremdenverkehrswirtschaft in vier Jahren 100 Studien – Sie haben sich ein bissel verzählt, ich habe genau nachgezählt – erstellt wurden. Ich habe mir die Mühe gemacht, die Kosten auszurechnen, die dadurch entstanden sind, und bin auf einen Betrag von 153 Millionen Schilling gekommen. Insgesamt hat das Wirtschaftsministerium 288 Studien in vier Jahren erstellt. (Abg. Schwarzenberger: Soviel ist der Tourismus dem Wirtschaftsministerium wert!) Auf die Erfolge komme ich noch zurück.

Und wenn man jetzt den Durchschnitt pro Studie hernimmt, sind es trotzdem immer noch 500 000 S pro Studie. Ich glaube, darüber sollten wir uns schon unterhalten, ob das sinnvoll ist, ob da nicht doch eine gewisse Geldverschwendung an Steuermitteln dahintersteckt (Abg. Schwarzenberger: Also wird für den Fremdenverkehr zuviel getan?) Da ergeben sich für mich Fragen und Ungereimtheiten.

Die Mitarbeiter in Ihrem Ministerium waren wirklich sehr freundlich, und ich kann nicht bestätigen, daß man die Studien nicht bekommen würde. Ich habe zunächst einmal angerufen und dann schriftlich deponiert, daß ich mich für sämtliche Studien interessiere, und bekam die Auskunft: Selbstverständlich, wir können nur nicht sagen, wann Sie sie bekommen und ob sie alle bekommen. Aber es war immerhin eine Auskunft.

Und jetzt frage ich Sie: Haben Sie sich wirklich überlegt, daß das Steuergelder sind, mit denen Sie die Studien finanzieren? Sie haben die Verantwortung dem Steuerzahler und auch diesem Haus gegenüber, was damit passiert und wie Sie die Studien kommunizieren (Abg. Mag. Mühlbachler: Im Straßenbau ist das doch üblich!) Da möchte ich meinen, daß nicht nur dieses Haus, sondern auch der österreichische Staatsbürger sehr wohl das Recht haben, in diese Studien Einsicht zu nehmen. Und was heißt das, daß das nichtöffentliche Studien sind? Sie werden mit öffentlichen Mittel finanziert, und die Studien haben öffentlich zu sein. Das ist meine Meinung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Da kann ich dem Kollegen Peter recht geben: Es würden viele Doppelgleisigkeiten erspart bleiben, speziell in Fachgremien – nehmen wir jetzt den Tourismus her –, wenn diese Studien weitergetragen würden. Denken Sie an die vielen Tourismusgesellschaften, die keine Kosten und Mühen scheuen, Studien zu erstellen, die vielleicht im Wirtschaftsministerium längst in einer Schublade liegen.

Der Erfolg oder die Ausbeute dieser Studien ist ja wirklich mehr als mickrig. Herr Minister! Da müssen auch Sie in Zukunft umdenken, oder haben Sie vielleicht die Studien benützt, quasi Gefälligkeitsstudien erstellen lassen, damit das politische Umdenken vielleicht gar nicht notwendig ist, sondern daß man sagen kann, das ist ja durch eine Studie belegt, mein politisches Handeln geht in die richtige Richtung?

Oder handelt es sich überhaupt nur um Bluff-Studien, um vielleicht eine gewisse Aktivität zu simulieren, die gar nicht vorhanden ist, daß man sagen kann, wir haben ja Studien erstellt, wenn wir schon sonst nichts machen! Oder ist das Ergebnis manchmal so dramatisch, daß man sagt: Bevor wir diese Studie veröffentlichen, lassen wir sie lieber gleich verschwinden, denn wir haben eigentlich das bestätigt bekommen, wovor wir uns gefürchtet haben?

Oder erstellen Sie Studien in Millionenhöhe auf Kosten der Steuerzahler und der vielen kleinen Gewerbetreibenden, die, bevor je eine Studie zur Umsetzung kommt, schon längst das Opfer eines sozusagen wieder neuen Belastungspaketes geworden sind, sodaß die Studien gar nicht mehr benötigt werden, weil sie in der Zwischenzeit schon obsolet geworden sind? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe nachgerechnet, Sie haben zehn Sektionen und 80 Abteilungen, Sie haben Fachbeamte. Und da frage ich mich schon bezüglich Ihres Ministeriums: Ist es immer notwendig, sämtliche Studien außer Haus zu vergeben? Ich glaube, vieles könnte auch im Ministerium erstellt werden. Aber wahrscheinlich beschäftigt man auch gewisse Parteifreunde damit, gibt quasi eine Beschäftigungsgarantie. Wir haben es heute schon gehört: Der macht die eine Studie, die nächste dann als Folgestudie. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler. ) – Ich verstehe Sie nicht. Wenn, dann müssen Sie schon lauter sprechen. – Oder Sie wollen damit Ihr politisches Handeln rechtfertigen. Da muß ich sagen: Die Anfragebeantwortung des Umweltministeriums war wesentlich ausführlicher als Ihre. Wir bekamen eine genaue Aufstellung über Kosten der Studien und auch darüber, an wem sie erstellt wurden.

Herr Minister, ich fürchte für die Zukunft, daß Sie den Herrn Bundeskanzler in bezug auf Arroganz und Ignoranz bereits einholen. Das wünsche ich mir als Abgeordnete, die mit Ihnen relativ viel zu tun hat, nicht, weil wir in Zukunft auch mit dem Wirtschaftsministerium zusammenarbeiten möchten.

Herr Minister! Abschließend hätte ich eine konkrete Frage in bezug auf die Rolle des Herrn Smeral, und das würde mich schon sehr interessieren. Der Herr Smeral sitzt doch jetzt im erweiterten Direktorium der Österreich-Werbung und holt sich dort die Informationen direkt vor Ort. Ich glaube, der Herr Smeral hat gerade im Tourismusbereich bei Ihnen doch ein dementsprechendes Gewicht, sodaß ich über die Rolle des Herrn Smeral gerne von Ihnen etwas gehört hätte. Er sitzt jetzt im Direktorium der Österreich-Werbung, kann dort sein theoretisches Wissen einbringen, kann aber umgekehrt auch natürlich sämtliche Informationen erhalten. Es würde für mich eher bedenklich sein, wenn dann der Herr Smeral herginge – ich spreche im Konjunktiv – und den Tourismusbericht 1996 dann aufgrund seines Wissensstandes, den er sich im Direktorium der Österreich-Werbung geholt hatte, erstellen würde. Das wäre noch nicht alles. Aber wenn er sich dann den Tourismusbericht 1996 auch noch vom Wirtschaftsministerium bezahlen ließe, dann wäre das, finde ich, verwerflich. Es wird unsere Aufgabe in diesem Haus sein – und ich glaube, es interessiert sonst niemanden so genau wie uns –, spätestens beim Tourismusbericht 1996 genau nachzufragen, von wem er und auf welcher Grundlage er erstellt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Das können wir ja einmal vom Rechnungshof prüfen lassen!)

20.33


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17. Sitzung / Seite 141

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

20.33

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Heindl! Entschuldigen Sie, ich muß ein bisserl auf Sie eingehen. (Abg. Dr. Heindl: Das ist mir ein Vergnügen!) Aber wir dürfen wohl eine Anfrage stellen über die Anzahl der Gutachten, welche Gutachten erstellt worden sind. Herr Kollege Heindl! Es geht immerhin bei allen Ministerien um eine Größenordnung von 1 Milliarde Schilling. Man kann auch über den Stil und die Art und Weise, wie diese Anfragen beantwortet werden, debattieren. (Abg. Dr. Heindl: Das ist ein eigenes Thema!) Das ist ein eigenes Thema. Wir provozieren da gar nichts, und die Beantwortung der Anfrage erscheint uns von der freiheitlichen Fraktion ungenügend. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Heindl: Das war aber nicht meine Aussage!) Deswegen haben wir diese Besprechung verlangt. Das ist das parlamentarische Recht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Heindl. ) Herr Kollege Heindl! Das war der Grund, warum wir diese Besprechung dann verlangt haben.

Da wir gehört haben, daß ein Gutachten in dieser taxativen Aufstellung gar nicht aufscheint, kann es auch möglich sein ... (Bundesminister Dr. Ditz: Weil es nicht gefragt war!) Was heißt, nicht gefragt war? Es ist gefragt worden nach den Gutachten von 1992 bis 1995. (Bundesminister Dr. Ditz: In Auftrag gegeben!) Ich korrigiere: in Auftrag gegeben. Da haben Sie recht, ja. Wenn die Auftragsvergabe im Jahr 1991 war, dann konnten Sie es natürlich nicht wissen. Aber nach unseren Informationen gibt es auch Gutachten in Ihrem Ressort, bestimmte Studien im Eisenbahnbereich, wo man eben sagt: Soll man dieses Gutachten jetzt überhaupt anführen oder nicht? Es gibt dort eine Gegenverrechnung, also führen wir es nicht an. So besteht eher die Gefahr, daß sehr viele Gutachten vorhanden sind, die eben nicht Grundlage für eine politische Entscheidung sind, was sie eigentlich sein sollten, sondern es gibt auch sehr viele Gutachten, die eine politische Entscheidung erst im nachhinein rechtfertigen sollen. Wenn solche Gutachten in Auftrag gegeben werden, dann ist es eigentlich nicht im Sinn der Sache, diese Gutachten erstellen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Wirtschaftsminister! Sie haben in dieser Anfragebeantwortung überhaupt keinen Hinweis gegeben, wer diese Gutachten erstellt hat, wie hoch die Preise für diese Gutachten waren. Ich nehme nur zwei Beispiele heraus, damit wir ein bisserl konkreter werden: Sie haben immer gesagt, wenn wir im Tourismus etwas bewegen wollen, wenn wir in unserer Tourismuspolitik etwas bewegen wollen, dann brauchen wir ein Gutachten als Grundlage. Jetzt haben Sie über hundert Gutachten erstellen lassen, vom "Krisenmanagement im Tourismus" bis über "1 000 Jahre Gastlichkeit in Österreich" – geändert an der Tourismuspolitik hat sich aber überhaupt nichts. (Abg. Mag. Peter: Wir können doch jetzt nicht eine Tourismusdebatte hier machen!)

Herr Kollege Peter! Wenn Sie sich als Mitglied einer Oppositionspartei darüber noch aufregen, dann muß ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Legen Sie sich mit den Regierungsparteien ins Bett! Sie brauchen Sie jetzt leider nicht mehr. Aber hoffen Sie bei der nächsten Wahl, daß sie die Zweidrittelmehrheit nicht mehr erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben gesagt, Sie haben sehr viele Studien beziehungsweise Gutachten im Bereich des Verkehrs wegen Road-Pricing für LKW, wegen Road-Pricing für PKW erstellen lassen. Sie wissen auch selbst ganz genau, ein Teil dieser Einnahmen aus dem Road-Pricing fließt nach Ihrer Prognoserechnung bereits in die künftigen Budgets ein, und Sie wissen auch ganz genau, daß dieses Road-Pricing-System, wie die Studie über die A 555 in der Nähe von Stuttgart zeigt, aus kosten- und datentechnischen Gründen nicht durchführbar ist. (Abg. Eder: Ich war dort und weiß, wo das ist! Es ist zwischen Brühl und Köln! Der Datenschutz ist kein Problem!)

Herr Kollege Eder! Sie waren letztes Jahr dort, haben aber den heurigen Bericht vom deutschen Verkehrsminister nicht gelesen, der gesagt hat, daß das Road-Pricing-System aufgrund des Datenschutzes beziehungsweise enormer Kosten nicht realistisch ist. Deshalb hat es auch


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17. Sitzung / Seite 142

wirklich keinen Sinn, daß seitens Ihres Ministeriums in solche Gutachten beziehungsweise Analysen noch mehr Geld gesteckt wird.

Herr Wirtschaftsminister! Ich gehe mit Ihnen vollkommen konform, wenn Sie sagen, Gutachten sind eine entscheidende Grundlage für künftige Gesetze. Aber wenn Sie Gutachten erstellen lassen, wo man eigentlich schon fast mutwillig den Ansatz erkennen kann, daß das eigentlich zu nichts führt, dann wird das von den Freiheitlichen entschieden abgelehnt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Sie haben noch eine Redezeit von 12 Minuten zur Verfügung.

20.39

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Insbesondere lieber Walter Meischberger! Nur vier Sätze:

Erstens: Es ist richtig, daß ich an einer Studie Wegekostenrechnung für Österreich beteiligt war – beteiligt! Vier oder fünf andere haben daran maßgeblich mitgearbeitet. Meine Rolle war ja sekundär.

Zweitens: Es ist richtig, wie der Herr Bundesminister sagt, daß diese Studie vor 1992 beauftragt worden ist und daher in der Anfragebeantwortung nicht zu nennen war, denn Sie fragen ja ausdrücklich, wie viele und welche Gutachten et cetera in diesem Jahr in Auftrag gegeben wurden. (Abg. Ing. Meischberger: Dadurch, daß sie 1994 veröffentlicht wurde, habe ich nicht geglaubt, daß das so lange gedauert hat! Zwei Jahre werden reichen, habe ich geglaubt!) Das hat sicher länger gedauert. Aber frag mich nicht, wie lange das gedauert hat. Aber wenn es dich wirklich interessiert, kann ich ja in meinem Kalender nachschauen.

Dritter Satz: Mich hat es auch überrascht, daß es ein Blatt Papier gibt, auf dem steht: Geschönte Kurzfassung. So ein Blatt war mir bis heute unbekannt. Ich persönlich nehme an, es handelt sich um einen ironischen oder ironisierenden Ausdruck für eine graphisch geschönte Fassung eines Werks, das ansonsten – das gebe ich gerne zu – keiner ästhetischen Wertung – Stichwort "Zahlenfriedhof", das du schon genannt hast – standhalten wird.

Punkt vier: Ich weiß nicht, ob ich darüber wirklich in ein Streitgespräch eintreten will, aber jedenfalls sicher nicht hier: Offen muß heute bleiben, ob es sich bei dieser Studie um das Gelbe vom Ei handelt. – Danke schön.

20.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist niemand mehr. Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme jetzt die Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung betreffend die Bundesfinanzgesetze 1996 und 1997 wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Haller. – Bitte, Sie haben das Wort.

20.41

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es liegt nun an mir, nach dem Ende der beiden Besprechungen von Anfragebeantwortungen wieder den Bogen zur österreichischen Budgetpolitik zu spannen, und ich werde den Faden im Bereich der Frauenpolitik wiederaufnehmen und bei den Wortmeldungen meiner Vorrednerinnen, der Kollegin Mertel und der Kollegin Bauer, ansetzen. Beide haben unisono eine gewisse Erfolglosigkeit in der österreichischen Frauenpolitik beklagt, Frau Kollegin Bauer etwas mehr, Frau Kollegin Mertel etwas weniger.


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Ich stelle jetzt eine Frage an die ÖVP-Frauen, die derzeit wirklich äußerst schwach vertreten sind. (Abg. Schuster: Es geht ja auch ums schwache Geschlecht!) Aber ich frage sie trotzdem, wie es hier ... (Abg. Schwarzenberger: Es kommt nicht auf die Quantität, sondern nur auf die Qualität an!) Herr Kollege Schwarzenberger! Bitte, reden Sie bei der Frauenpolitik nicht mit, davon verstehen Sie wirklich nichts! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Erlauben Sie mir, da ich am Wort bin, eine Frage an die ÖVP-Frauen zu stellen, die zum Großteil durch Abwesenheit glänzen. Wie halten Sie es mit der Verantwortlichkeit für die österreichische Frauenpolitik denn wirklich? Ist dafür allein die Sozialdemokratie verantwortlich? – Ich möchte erinnern an die polemischen Äußerungen unseres Herrn Bundeskanzlers bei der heutigen Anfragebeantwortung bezüglich Ressortverantwortlichkeit. Es würde mich interessieren, wie es die ÖVP-Frauen in diesem Bereich halten!

Denn eines muß ich dazu feststellen: Die ÖVP-Frauen haben sich in diesen vielen Jahren der österreichischen Frauenpolitik sehr schwer getan, eine Abgrenzung zur Linksideologie zu finden. Kollegin Bauer möchte ich sagen – auch wenn sie nicht anwesend ist –, daß die ÖVP-Frauen nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder in die Sozialismusfalle getappt sind. Und wenn Kollegin Bauer heute hier versucht hat, sich zum ersten Mal in Ansätzen von dieser Linie etwas zu absentieren, und so getan hat, als ob jetzt die Vernunft in der Frauenpolitik der ÖVP Einzug gehalten hätte, dann muß ich sagen: Das klingt nicht sehr glaubwürdig! Es ist nicht glaubwürdig, wenn Kollegin Bauer ein Rezept für Teilzeitarbeit einfordert. Was hat denn die ÖVP in all den Jahren ihrer Regierungstätigkeit mit der SPÖ bisher daran gehindert, diese Teilzeitplätze zu fördern und nicht nur anzufordern?! – Wir Freiheitliche haben das schon lange verlangt!

Wenn Kollegin Bauer heute meint, daß ein echtes Umdenken nötig wäre, und vorschlägt, dieses über die Erziehung unserer Söhne in Gang zu setzen, dann muß ich feststellen, daß sie hier nur etwas wiederholt hat, was ich bereits vor fünf Jahren hier in diesem Hohes Haus gesagt und eingefordert habe. – Die Glaubwürdigkeit der ÖVP-Frauenpolitik leidet darunter, wenn man auf diese Art über Einfallslosigkeit hinwegzutäuschen versucht.

Frau Bundesministerin! Nun zu Ihnen und zu Ihrer Kollegin Mertel: Sie und eine weitere Vertreterin der Sozialdemokratie waren bisher für dieses Frauenressort verantwortlich. Im Zusammenhang mit diesem Budget stellt sich mir nun die Frage – gerade auch aufgrund der Wortmeldungen meiner beiden Vorrednerinnen –, ob die Lenkungswirkung dieses Ministeriums die richtige war und ob die Signale, die Ihr Ministerium ausgesendet hat, in die richtige oder in die falsche Richtung gegangen sind.

Wie erfolgreich waren Sie, Frau Bundesministerin, und Ihre Vorgängerin, die kämpferische Johanna Dohnal, wirklich in der Umsetzung der eigenen Forderungen? Damit sieht es nämlich wirklich schlecht aus!

Frau Dohnal hat jahrelang gewisse Forderungen immer wieder getrommelt, etwa: "gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Dieser Rechtsanspruch wurde im Gleichbehandlungsgesetz 1992 festgehalten. Wo ist jedoch der Erfolg geblieben? Die Einkommensunterschiede zwischen Fraueneinkommen und Männereinkommen liegen bei 35 Prozent wie eh und je, sie haben sich nicht verringert, die Schere ist eher weiter auseinandergegangen.

Frau Dohnal hat sich weiters die Verlängerung und die Aufteilung der Karenzzeit auf ihre Fahnen geheftet. Dieser Erfolg wurde wieder reduziert. Und die Verwirklichung ihrer Forderung nach flächendeckenden Kinderbetreuungseinrichtungen ist bisher wohl an den Ideologieunterschieden zwischen den beiden Koalitionspartnern gescheitert. Ihre Forderung nach der sozialrechtlichen Absicherung von pflegenden Personen ist vollkommen in der Versenkung verschwunden. Es gibt sogar eine ganz gravierende Verschlechterung durch das Strukturanpassungsgesetz, nämlich durch die Streichung des Pflegegeldes ab dem zweiten Krankenhaustag. Auch die Forderung nach der pensionsrechtlichen Versorgung nach der Scheidung ist bisher unerfüllt geblieben. Nach Auskunft des Herrn Justizministers im Ausschuß gibt es zwar sehr wohl einen Arbeitskreis, der dieses Thema behandelt, aber der Minister sagt, daß dieses


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17. Sitzung / Seite 144

Problem sehr komplex ist und daß dessen Lösung sicher noch längere Zeit auf sich warten lassen wird.

Bei einem Thema ist Frau Dohnal, zumindest medial, sehr erfolgreich gewesen, nämlich beim Thema der sexuellen Belästigung. Es hat auch eine gesetzliche Regelung in diesem Zusammenhang gegeben, nämlich die Möglichkeit der Anrufung der Gleichbehandlungsanwältin. Aber gerade die Gleichbehandlungsanwältin mußte uns eingestehen, daß ein Großteil der Frauen, die die Hilfe der Anwaltschaft bisher in diesem Bereich in Anspruch genommen haben, dann ihre Arbeitsplätze verloren hat. Da frage ich mich schon: Wo ist hier die reale Verbesserung für Österreichs Frauen geblieben? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch einmal: Was hat denn die so gelobte höhere Erwerbsquote bei Frauen wirklich gebracht, außer zusätzlichen Beiträgen zur Sozialversicherung? Was hat sie den Frauen aber tatsächlich gebracht? – Man drängt die Frauen mit allen möglichen Argumenten ins Berufsleben, ohne die notwendigen Arbeitsplätze und die notwendigen Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu schaffen. Man will ihnen die Berufstätigkeit mit allen Mitteln schmackhaft machen und läßt dann die Frauen immer wieder im Regen stehen. Das sind die Erfolge der österreichischen Frauenpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dabei ist es erwiesen, daß gerade in diesem Bereich die prioritären Wünsche von österreichischen Frauen an die Politik liegen! In einem Forschungsbericht des Arbeitsmarktservice Wien ist man zu dem Ergebnis gekommen, daß die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, also die Optimierungsmöglichkeit der Verbindung der frauenspezifischen Lebensbereiche, an erster Stelle der Wunschliste steht. Frau Bundesministerin! Haben Sie dazu im Ministerrat im Zusammenhang mit dem Sparpaket Ihre Stimme erhoben? – Nein! Ich glaube, das war einer der gravierendsten Fehler, den Sie gemacht haben.

Ist Ihnen, Frau Bundesministerin, und auch den ÖVP-Frauen aufgefallen, daß die Verschlechterung durch das Sparpaket sehr wohl Frauen verstärkt betrifft? Daß es sich hiebei immer um Frauen handelt, die Kinder und Familie haben, scheint sowohl den Damen von der ÖVP als auch von der SPÖ egal zu sein!

Offenbar fällt Ihnen nicht auf, daß der bereits bisher bestehende Trend zu "double income, no kids" auf diese Weise in Zukunft verstärkt wird und daß das auch gesellschaftspolitisch und volkswirtschaftlich Auswirkungen in diesem Bereich hat. (Zwischenruf der Abg. Steibl. ) Frau Ridi Steibl! Da können Sie sagen, was Sie wollen! Wenn Sie Überlegungen in diese Richtung angestellt haben, dann sind Sie in Ihrer Politik nicht durchgedrungen. (Abg. Steibl: Sie auch nicht!) Wir sind in der Opposition, wir regieren nicht, Frau Steibl. Da besteht doch ein kleiner Unterschied! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Gott sei Dank regieren Sie nicht!) Herr Kollege Parnigoni! Es geht hier um Frauenpolitik, und dafür sind Sie für mich beim besten Willen auch nicht gerade der richtige Ansprechpartner!

Das Hauptaugenmerk – jetzt komme ich zu euch Männern! – dieser großkoalitionären Frauenpolitik liegt, um medienwirksam zu sein – das unterstelle ich Ihnen! –, bei der Einführung der verpflichtenden Hausarbeit für Männer, wohl um von den realen wirtschaftlichen Problemen der österreichischen Frauen abzulenken. – Ich bezeichne das, was hier betrieben wird, wirklich als unverantwortliche Randgruppenpolitik! (Abg. Steibl: Was sollen wir denn tun? Sagen Sie uns etwas Besseres!)

Frau Kollegin Steibl! Es hat auch ein Experte aus dem Justizministerium festgestellt, daß bereits die derzeitige Rechtslage, die in den §§ 89 und 95 ABGB festgehalten ist, und die Judikatur vollkommen für die Vertretung des Rechtsstandpunkts ausreichen würden, daß die Nichtmithilfe von Männern bereits derzeit eine Eheverfehlung darstellt. Allerdings kann dies erst bei nicht mehr aufrechter Ehe eingeklagt werden. Aber darüber braucht sich auch Kollegin Mertel keine Illusionen zu machen. Denn ich glaube, es ist auch in Zukunft nicht praktikabel, Eheverfehlungen bei laufender Ehe einzuklagen. (Abg. Schwarzenberger: Wenn Sie noch lange weiterreden, werden Sie von Ihrem Klub die Rote Karte bekommen!) Bitte, lassen Sie mich meine


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17. Sitzung / Seite 145

Ausführungen zu Ende bringen. (Weitere Zwischenrufe.) Er versteht eigentlich von gar nichts viel.

Ähnliches gilt für den Vorschlag der VP-Kollegin Rauch-Kallat über den verpflichtenden Ehevertrag. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. ) Seien Sie doch still! Sie werden schon noch sehen, wohin Sie mit Ihren Damen und Ihren Vorschlägen kommen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es sind nicht nur Männer, die sagen, daß all das nicht umsetzbar und nicht praktikabel ist, auch Frauen, Praktikerinnen sind dieser Meinung, etwa Frau Dr. Birnbaum, eine Scheidungsspezialistin, oder Frau Dr. Helige, eine Familienrichterin. Letztere sagt: In der Stunde Null kann man kein Programm zurechtlegen. – Ich hätte noch ein ganz gutes Beispiel aus der Praxis, das ich Ihnen aber aus Gründen der Zeitökonomie ein anderes Mal schildern werde, wenn die Aufmerksamkeit im Bereich Frauenpolitik größer ist.

Ein Schlußwort: Frau Bundesministerin! Sollten Sie wirklich Interesse daran haben, auch den freiheitlichen Frauen die Existenzberechtigung Ihres Ministeriums zu beweisen, dann ist es wirklich höchste Zeit, daß Sie sich endlich den wirtschaftlichen Problemen der österreichischen Frauen zuwenden und sich dafür einsetzen und nicht nur Ankündigungspolitik beziehungsweise Randgruppenpolitik betreiben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich muß jetzt, weil meine Vorredner ihre Redezeit überschritten haben, noch zwei Abänderungsanträge einbringen, die der Frauenpolitik eher diametral entgegenstehen. Es handelt sich um zwei Abänderungsanträge, die als Initiativanträge bereits eingebracht wurden.

Der erste betrifft die Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996 in 70


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17. Sitzung / Seite 146

 der Beilagen. Der Nationalrat wolle beschließen, daß die Halbierung der Parteienförderung, die Halbierung der Presseförderung und die Streichung der Wahlwerbungskosten zum Beitrag EU-Parlament in Höhe von insgesamt 80 Millionen Schilling vorzunehmen ist.

Der zweite Abänderungsantrag betrifft die Regierungsvorlage zum Bundesfinanzgesetz 1997 in 71 der Beilagen. Hier möge der Nationalrat beschließen, daß eine Halbierung der Parteienförderung und eine Streichung der Presseförderung durchzuführen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Haller! Habe ich Sie recht verstanden, daß noch jemand die Anträge komplett verlesen wird? (Abg. Haller: Ich habe die Kernpunkte vorgetragen!) Wir müssen die Anträge also verteilen. Sie haben nun die Kernpunkte vorgetragen, es handelt sich aber um ein relativ umfangreiches Zahlenwerk. Bitte, die Anträge zu verteilen! Ich nehme beide Abänderungsanträge zur Kenntnis, sie sind auch ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlungen mit einbezogen.

Die Abänderungsanträge haben folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996 in 70 d. B., Anlage I, Teilheft 1: Innenverwaltung, Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen Bundesvoranschlag 1996 in der Fassung des Ausschußberichtes 96 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. In der Anlage I, Teilheft 1: Innenverwaltung, Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen zum Entwurf des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1996 (70 d. B.) sind die nachfolgenden Voranschlagansätze wie folgt zu ändern:

 

VA-

Ansatz

Auf-

gaben-

bereich/

Nr.

 

Bezeichnung

 

von

abzuändern

um

Millionen S

 

auf

1/1043

 

Zuwendungen an

politische Parteien

     

1/10434

43/7660

43/7661

43/7662

Zuwendungen an politische Parteien

Wahlwerbungskosten-Beitrag NR-Wahl

Wahlwerbungskosten-Beitrag EU-Parlament

201,717.000

 

1.000

80,000.00

- 95,325.000

0

- 80,000.000

106,392.000

1.000

0

1/10434

 

Summe 10434

281,718.000

- 175,325.000

106,393.000

 

VA-

Ansatz

Aufgaben-bereich/Nr.

 

Bezeichnung

 

von

abzuändern

um

Millionen S

 

auf

1/1045

 

Presseförderung (Allgemeine Förderung)

     

1/10456

38/7430

Zuschüsse an Unternehmungen

87,857.000

- 41,855.000

46,002.000

1/10456

38/7670

Zuschüsse an Vereine

12,976.000

- 6,178.000

6,798.000

1/10456

 

Summe 10456

100,833.000

- 48,033.000

52,800.000

1/1046

 

Presseförderung (Besondere Förderung)

     

1/10466

38/7430

Zuschüsse an Unternehmungen

151,224.000

- 72,024.000

79,200.000

1/10466

38/7670

Zuschüsse an Vereine

13,776.000

- 6,576.000

7,200.000

1/10466

 

Summe 10466

165,000.000

- 78,600.000

86,400.000

   

Summe 104

687,265.000

- 301,958.000

385,307.000

2. Aufgrund des in Punkt 1 geänderten VA-Ansatzes 104 werden auch alle anderen daraus resultierenden Ansätze (Summenbeträge) in der Anlage I entsprechend geändert.


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17. Sitzung / Seite 147

Begründung

Durch den gegenständlichen Antrag sollen die Zuwendungen an politische Parteien (Parteienförderung) für 1996 ausgehend von der Basis des Bundesvoranschlages 1995 halbiert werden. Die jahrelange Verschwendungspolitik der Bundesregierung hat zu einer besorgniserregenden Lage der Staatsfinanzen geführt. Im Bundesvoranschlag für das Jahr 1996 sind daher einschneidende Sparmaßnahmen erforderlich. Umso notwendiger ist es, auch bei der Parteienförderung eine echte Spargesinnung zu zeigen.

Auch bei der Presseförderung sollen im Jahr 1996 erhebliche Beträge eingespart werden. Die staatliche Presseförderung ist kein geeignetes Instrument, um die Vielfalt der Presseprodukte zu gewährleisten. Allein die Behauptung auf dem Markt kann zu einer dauerhaften Absicherung der Existenz eines Printmediums führen. Die bisherige staatliche Presseförderung soll daher – mit Ausnahme der Förderung der Journalistenausbildung – als staatliche Aufgabe wegfallen. Zur Vermeidung von Übergangsproblemen soll die Presseförderung für das Jahr 1996, ausgehend von der Basis des Bundesvoranschlages 1995, halbiert werden; ab 1997 sollen diese Ansätze zur Gänze gestrichen werden. Die notwendigen Gesetzesänderungen im "Bundesgesetz über die Aufgaben, Finanzierung und Wahlwerbung politischer Parteien" und im "Presseförderungsgesetz 1985" sollen im Wege von Initiativanträgen initiiert werden.

Insgesamt werden durch diesen Abänderungsantrag gegenüber der Regierungsvorlage mehr als 300


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17. Sitzung / Seite 148

 Millionen Schilling eingespart.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1997 in 71 d. B., Anlage I, Teilheft 1: Innenverwaltung, Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen Bundesvoranschlag 1997 in der Fassung des Ausschußberichtes 97 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. In der Anlage I, Teilheft 1: Innenverwaltung, Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen zum Entwurf des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1997 (71 d. B.) sind die nachfolgenden Voranschlagansätze wie folgt zu ändern:

 

VA-

Ansatz

Auf-

gaben-

bereich/

Nr.

 

Bezeichnung

 

von

abzuändern

um

Millionen S

 

auf

1/1043

 

Zuwendungen an

politische Parteien

     

1/10434

43/7660

43/7661

43/7662

Zuwendungen an politische Parteien

Wahlwerbungskosten-Beitrag NR-Wahl

Wahlwerbungskosten-Beitrag EU-Parlament

201,716.000

 

1.000

1.000

- 95,325.000

0

- 1.000

106,392.000

1.000

0

1/10434

 

Summe 10434

201,718.000

- 95,325.000

106,393.000

 

VA-

Ansatz

Aufgaben-bereich/Nr.

 

Bezeichnung

 

von

abzuändern

um

Millionen S

 

auf

1/1045

 

Presseförderung (Allgemeine Förderung)

     

1/10456

38/7430

Zuschüsse an Unternehmungen

87,857.000

- 87,857.000

0

1/10456

38/7670

Zuschüsse an Vereine

12,976.000

- 12,976.000

0

1/10456

 

Summe 10456

100,833.000

- 100,833,000

0

1/1046

 

Presseförderung (Besondere Förderung)

     

1/10466

38/7430

Zuschüsse an Unternehmungen

151,224.000

- 151,284.000

0

1/10466

38/7670

Zuschüsse an Vereine

13,776.000

- 13,776.000

0

1/10466

 

Summe 10466

165,000.000

- 165,000.000

0

   

Summe 104

607,402.000

- 260.325.000

347,077.000

2. Aufgrund des in Punkt 1 geänderten VA-Ansatzes 104 werden auch alle anderen daraus resultierenden Ansätze (Summenbeträge) in der Anlage I entsprechend geändert.

Begründung

Durch den gegenständlichen Antrag sollen auch die Zuwendungen an politische Parteien (Parteienförderung) für 1996 ausgehend von der Basis des Bundesvoranschlages 1995 halbiert werden. Die jahrelange Verschwendungspolitik der Bundesregierung hat zu einer besorgniserregenden Lage der Staatsfinanzen geführt. Im Bundesvoranschlag für das Jahr 1997 sind daher einschneidende Sparmaßnahmen erforderlich. Umso notwendiger ist es, auch bei der Parteienförderung eine echte Spargesinnung zu zeigen.

Auch bei der Presseförderung sollen im Jahr 1997 erhebliche Beträge eingespart werden. Die staatliche Presseförderung ist kein geeignetes Instrument, um die Vielfalt der Presseprodukte zu gewährleisten. Allein die Behauptung auf dem Markt kann zu einer dauerhaften Absicherung der Existenz eines Printmediums führen. Die bisherige staatliche Presseförderung soll daher – mit Ausnahme der Förderung der Journalistenausbildung – als staatliche Aufgabe wegfallen. Zur Vermeidung von Übergangsproblemen soll die Presseförderung für das Jahr 1996, ausgehend von der Basis des Bundesvoranschlages 1995, halbiert werden; ab 1997 sollen diese Ansätze zur Gänze gestrichen werden. Die notwendigen Gesetzesänderungen im "Bundesgesetz über die Aufgaben, Finanzierung und Wahlwerbung politischer Parteien" und im "Presseförderungsgesetz 1985" sollen im Wege von Initiativanträgen initiiert werden.

Insgesamt werden durch diesen Abänderungsantrag gegenüber der Regierungsvorlage mehr als 260 Millionen Schilling eingespart.

*****


Nationalrat, XX.GP
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17. Sitzung / Seite 149

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Als nächster hat sich Abgeordneter Dr. Antoni zu Wort gemeldet. – Bitte, Sie haben das Wort.

20.56

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Lassen Sie mich aus dem Kapitel: Oberste Organe, Bundeskanzleramt und Frauenangelegenheiten, lediglich den kleinen, schmalen Bereich der Volksgruppenpolitik herausgreifen.

Es ist etwa fünf Stunden her, daß ich hier – für mich völlig überraschend – Zeuge einer sehr moderaten und versöhnlichen Rede der Frau Abgeordneten Stoisits wurde, die hier, wie ich meine, sehr deutlich und für mich sehr verantwortungsbewußt gesagt hat, daß sie namens ihrer Fraktion bereit ist, Staatszielbestimmung und eine Reihe anderer Dinge, die in Form eines Novellierungsantrags zum Volksgruppengesetz von den Regierungsparteien eingebracht wurden, mitzutragen.

Ich freue mich über dieses Bekenntnis und hoffe, daß wir tatsächlich zu einer positiven Entscheidung kommen. Ich orte dabei doch eine gewisse Verhaltensänderung, daß nämlich abgerückt wird von dem Bemühen, Unmögliches zu verlangen, um Mögliches zu erreichen.

Geschätzte Damen und Herren! Zu Recht wird oft darauf hingewiesen, daß die Art und Weise, wie sich eine Gesellschaft ihren Minderheiten gegenüber verhält, ein ganz wichtiger Gradmesser für die humane Einstellung eben dieser Gesellschaft ist. Ich bin überzeugt davon – das ist auch relativ leicht belegbar –, daß sich diese österreichische Bundesregierung gemeinsam mit den betroffenen Bundesländern und Gemeinden nachhaltig um das Wohl der österreichischen Volksgruppen kümmert.

Wir sind – ich darf das unterstreichen – ernsthaft bemüht, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten die Bedingungen für die Angehörigen der Volksgruppen so zu gestalten, daß sie ihre Kultur pflegen und entwickeln können, daß die Identität, die jeweilige Sprache, die Traditionen und das kulturelle Erbe entsprechend bewahrt und weiterentwickelt werden können. Es ist in der Tat unser erklärtes Ziel, im Geiste von Toleranz und im Geiste des interkulturellen Dialogs Maßnahmen zu setzen, die gegenseitige Achtung, die gegenseitige Wertschätzung und gegenseitiges Vertrauen fördern können.

Meine Damen und Herren! Um diese Ziele zu erreichen, sind Maßnahmen auf mindestens drei Ebenen erforderlich. Lassen Sie mich diese drei Ebenen in gebotener Kürze darstellen.

Die erste Ebene betrifft den Bereich der gesicherten Bereitstellung budgetärer Mittel. Dies ist immer wieder Voraussetzung für den entsprechenden Fortbestand unserer Volksgruppen. Dazu ist festzuhalten, daß eben diese Mittel für die Volksgruppenförderung in den vergangenen zehn Jahren vervielfacht wurden. Ein letztes, wie ich meine, sehr deutliches Signal wurde 1995 gesetzt, als die Volksgruppenförderung um zehn Millionen Schilling erhöht wurde. Dies geschah auch aus Anlaß der Installierung des Volksgruppenbeirates der Roma und Sinti und der Anerkennung dieser Volksgruppe; von diesen zehn Millionen Schilling haben darüber hinaus aber auch alle anderen Volksgruppen profitiert. Ich finde es – ich darf das im Rahmen der Budgetdebatte doch hinzufügen – außerordentlich erfreulich, daß es trotz der aktuellen Spardiskussion gelungen ist, die entsprechenden Budgets für 1996 und 1997 auf diesem hohen Niveau zu halten.

Meine Vorrednerin Stoisits hat zu dieser Frage gesagt, daß es bedauerlich sei, daß die Volksgruppenförderung eingefroren wird. Das ist eben jene andere Position, die wir wohl akzeptieren. Ich glaube aber, daß die Forderung, wie sie sowohl von den Grünen als auch von den Freiheitlichen verlangt wurde, die Volksgruppenförderung zu verdoppeln, sie also von 50 auf 100 Millionen Schilling zu erhöhen, in Zeiten der Spardiskussion und in Zeiten der Budgetsanierung einfach nicht sinnvoll und nach meinem Verständnis auch nicht besonders seriös ist.


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17. Sitzung / Seite 150

Meine Damen und Herren! Zur zweiten Ebene, zur Erreichung der angestrebten Zielsetzung: Im konkreten geht es dabei um die Weiterentwicklung des österreichischen Volksgruppenrechtes. Dazu möchte ich sagen, daß sich das bestehende Volksgruppenrecht während der vergangenen zwei Jahrzehnte durchaus bewährt hat, daß aber meines Erachtens – da vertrete ich die Auffassung aller in unserer Fraktion – eine Weiterentwicklung in absehbarer Zeit durchaus Sinn machen würde, wobei wir Sozialdemokraten zu dem unverrückbaren Grundsatz stehen, daß jedes Vorhaben einer Weiterentwicklung nur im engen und intensiven Dialog mit den wesentlichen Organisationen, in diesem Fall nach Möglichkeit mit allen Organisationen der österreichischen Volksgruppen zu führen ist.

Die diesbezüglichen sozialdemokratischen Positionen und unsere Vorhaben für eine entsprechende Novellierung des Volksgruppengesetzes sind ja bekannt; ich möchte das daher hier nicht ausführlich darstellen, sondern nur im Telegrammstil ansprechen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Es geht uns um eine Aufwertung der Volksgruppenbeiräte, es geht uns um die Einrichtung eines Gremiums, der sogenannten Konferenz der Volksgruppenbeiratsvorsitzenden und deren Stellvertreter, um Probleme, die alle Volksgruppen gemeinsam betreffen, entsprechend diskutieren und bearbeiten zu können, und es geht uns auch um die Einführung der bereits angesprochenen und erwähnten Staatszielbestimmung, also um das Bekenntnis des Staates zu seinen Volksgruppen. – Festhalten möchte ich abermals, daß wir dieses Vorhaben in der Tat nur in intensiver Kontaktnahme und in permanentem Dialog mit den Volksgruppen diskutieren wollen, und ich lade dazu auch alle anderen Fraktionen dieses Hauses ein!

Meine Damen und Herren! Ich komme schon zum Schluß. Die dritte Ebene, die ich ansprechen möchte, ist die Frage des gesellschaftlichen und politischen Klimas in diesem Staat. Denn moderne, präventive, zukunftsorientierte, ja europaorientierte Volksgruppenpolitik bedarf eines Klimas der Toleranz, nicht eines der Intoleranz, bedarf eines Klimas der Zusammenarbeit und nicht der Ausgrenzung, bedarf eines Klimas des Vertrauens und nicht des Mißtrauens. Wir brauchen also einen fairen, sachlichen und zukunftsorientierten Dialog, der sicherstellt, daß Volksgruppenpolitik in Österreich weiterhin im Geiste des gegenseitigen Verstehens und des gemeinsamen Wollens weiterentwickelt werden kann. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.04

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Frau Kollegin Bauer, Sie haben mich heute wirklich überrascht, als Sie sich zum Thema "Frauen" gemeldet und versichert haben, daß Sie sich in Zukunft zur problematischen Situation der Frauen laufend äußern werden. – Ich hatte nämlich den Eindruck, daß Sie Ihre Position als Frauensprecherin der ÖVP über weite Strecken kommentarlos an Ihren Klubobmann abgetreten haben!

Nicht überrascht, sondern eigentlich nur in meiner Einschätzung Ihres Zuganges zur Frauenpolitik bestätigt haben Sie mich mit Ihrem Appell an uns Frauen, unsere Söhne doch partnerschaftlich zu erziehen. Frau Kollegin Bauer! Die Frauen sind nach Ihrer Darstellung also schuld am diesbezüglichen traurigen Befund der Gesellschaft. Und Ihr Entlastungsangebot an die Männer wurde von den Abgeordneten Ihrer Partei – leider auch von den Frauen – mit einem besonders lauten Applaus honoriert. Damit bestätigen Sie doch nur, daß Sie die Erziehungsarbeit – einschließlich aller daraus resultierenden Konsequenzen – ausschließlich den Frauen überantworten. Sie scheinen nicht einmal zu begreifen, daß der Einfluß durch intentionale Erziehung nur ein wirklich marginaler ist. Primär werden die Kinder nämlich durch unsere Gesellschaft und ihr soziales Umfeld geprägt, also auch durch die Abwesenheit der Männer bei der Erziehungsarbeit, durch die soziale Abhängigkeit ihrer Mütter und so weiter. – So viel, Frau Kollegin Bauer, zu Ihrem – wie ich glaube – sehr einseitigen Appell.


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17. Sitzung / Seite 151

Frau Kollegin Haller! Daß Sie diesen Ansatz auch noch unterstützen, ist letztendlich bezeichnend für die Frauenpolitik in der FPÖ. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Frau Kollegin Mertel! Daß Sie aus innerparteilicher Solidarität die Frauenpolitik Ihrer Ministerin in einem weitaus helleren Licht darzustellen versuchen, als dies der Realität entspricht, mag noch verständlich sein. – Ich sehe in diesem Zusammenhang bei Ihrer Fraktion nur noch ein verglimmendes Lämpchen.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Als Frau und Frauensprecherin hätte ich heute sehr gerne Ihre Anwesenheit als Gelegenheit wahrgenommen, um über neue frauenpolitische Ansätze zu diskutieren. Allerdings sind Sie zwar anwesend, aber leider ist Ihr innerlicher Rücktritt bereits bemerkbar. Sie waren in der laufenden politischen Diskussion abwesend, und Sie haben die Fraueninteressen leider nicht vertreten. Gestern haben Sie sich zu dieser Debatte noch rechtzeitig zu Wort gemeldet. – Die Kernaussage Ihrer Presseaussendung ist folgende: Die heutige Gesellschaft sei nach wie vor eine patriarchalische mit sehr subtilen Ausgrenzungsmechanismen gegenüber den Frauen. Daher müsse gerade heute, da die gesellschaftlichen und politischen Tendenzen dahin gehen, daß den Frauen gerade erworbene Rechte wieder streitig gemacht werden, noch mehr Wert auf die Frauenrechte gelegt werden, und so weiter und so weiter.

Dazu kann ich sagen: wie wahr, Frau Ministerin! Um eine neue Erkenntnis Ihrerseits kann es sich hiebei aber wirklich nicht handeln! Natürlich waren und sind Sie sich dieser Problematik bewußt, ebenso wie Sie die frauendiskriminierenden Auswirkungen des Bonus-Malus-Systems erkannt haben müssen. Sie haben diese diskriminierenden Auswirkungen im Rahmen der Begutachtung erkannt, haben sich dazu aber leider in der Öffentlichkeit nicht geäußert. Ihre Parteikollegin, die AK-Präsidentin Hostasch, hat auch diesem frauendiskriminierenden Gesetz wider besseres Wissen zugestimmt.

Frau Kollegin Bauer! Ihre Hoffnung, daß sich dieses Bonus-Malus-System auch zum Vorteil von Frauen auswirken wird, wird sich wohl nicht erfüllen. Es gibt in diesem Zusammenhang bereits ganz eindeutige Aussagen der Kammer für Wirtschaftstreuhänder, auch Aussagen des Leiters des Arbeitsmarktservice in Wien und Aussagen von Kleingewerbetreibenden, die die negativen Auswirkungen dieses Bonus-Malus-Systems bereits jetzt bestätigen.

Frau Ministerin! Ihr Platz in der Regierung hat leider einen Preis, und diesen Preis dürfen die Frauen im Laufe dieser Legislaturperiode bezahlen! (Abg. Schwarzenberger: Sehr interessant, sehr spannend!) Herr Kollege Schwarzenberger! Sie können sich mit Ihrem Kollegen Höchtl ... (Abg. Schwarzenberger: Ich habe mit Kollegen Schwemlein gesprochen!) Na gut! Dann schlucke ich das noch einmal hinunter! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Leider fehlen inhaltlich relevante frauenpolitische Aussagen. Es gab keine Stellungnahmen von Ihnen zu den die Frauen einseitig benachteiligenden Konsolidierungsmaßnahmen. Die SPÖ hat zwar die Wahl gewonnen, aber ihre Grundsätze in der Frauenpolitik verloren, und nicht einmal Sie als Frauenministerin haben die Frauen – zumindest im Ansatz – hier verteidigt. Jetzt nach der Regierungserklärung ist es zu spät, wenn Sie im nachhinein via APA die Situation beklagen und die Frauen auffordern, sich mit dem Komplex des Neokonservatismus auseinanderzusetzen. – Ich zitiere aus einer OTS-Meldung vom 20. März 1996: "Es wird eine patriarchale Kampagne gegen den Fortschritt der Frauen auf dem Gebiete der Gleichstellung geführt, die auch noch Erfolge zeitigt." Auf diese Weise zeigen Sie sich besorgt.

Ich zitiere weiter: "Nicht zuletzt dank der zweitgrößten Partei Österreichs hat der Schub nach rechts Gestalt angenommen. Die Tradition von Heim und Herd sowie die unabgegoltene Alten- und Krankenpflege sollen, ginge es nach den Männern, wiederaufgenommen werden." – So beklagen Sie sich zu Recht, Frau Minister.

Gestatten Sie mir gerade jetzt, die Frage an Sie zu richten: Wer ist denn dafür mitverantwortlich? Wer hat denn die Frauenpositionen nicht vertreten? Wer war denn im Verhandlungsteam?


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17. Sitzung / Seite 152

Noch eine Randbemerkung zum Stichwort "Heim und Herd", Frau Kollegin Bauer, da Sie sich jetzt wieder zu Ihrer Position als Frauensprecherin bekennen: Es steht eine Veranstaltung zum Thema "Heim an den Herd" bevor, und dort könnten Sie sicherlich durch sehr konstruktive Beiträge diesen Prozeß beschleunigen.

Es ist schon so: In den Frauenfragen zeigt sich leider sehr deutlich die Handschrift einer neokonservativen ÖVP, vertreten durch ihren Klubobmann Dr. Khol, und deswegen kam es in der Regierungserklärung nicht einmal mehr zu Absichtserklärungen in dieser Frage.

Ich hoffe wirklich für die Frauen, sehr geehrte Frau Ministerin, daß Sie zumindest die verbal zugesicherte verfassungsrechtliche Gleichstellung der Frauen auch in die politische Realität umsetzen können.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Es fehlen Ansätze für eine Weiterentwicklung des Privatkonkursrechtes zum Schutze jener Frauen, die bei einer Kreditaufnahme ihres Mannes mitbürgen. In verschiedenen Presseartikeln wird immer wieder auf diese Problematik hingewiesen; von Ihnen wurde das leider noch nicht aufgegriffen. Es fehlt zumindest die Absichtserklärung.

Es ist auch keine Rede mehr von der Verknüpfung der Vergabe von Förderungsmitteln durch die öffentliche Hand an die Wirtschaft mit der Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen. Wir wissen, daß eine Verschärfung der Situation auf dem Arbeitsmarkt vorhersehbar ist. Es gibt leider keine Initiativen, durch die den Frauen ein gerechter Anteil an der Erwerbsarbeit gesichert würde. Ganz im Gegenteil, wenn ich an das Bonus-Malus-System denke.

Die Zahl geringfügig Beschäftigter, ebenfalls zum Großteil Frauen, nimmt zu. Das wurde auch gerade jetzt durch eine Aussendung der Arbeiterkammer Wien bestätigt. Die Arbeiterkammer Wien meint, es wäre ein Gebot der Stunde, Ausnahmen von der Sozialversicherungspflicht zu beseitigen und Schlupflöcher zu schließen.

Frau Präsidentin Hostasch! Haben Sie nicht auch für die Ausnahmeregelung bei den Zeitungskolporteuren gestimmt? Haben Sie sich nicht auch gemeinsam mit Ihren Parteikollegen und mit der ÖVP vor den Medienzaren verbeugt? Mit diesen Beiträgen, die so der Sozialversicherung entgehen, hätten Sie zumindest einen Fonds zur Verfügung gehabt, um die Lösung des Problems geringfügig beschäftigter Frauen und ihrer sozialrechtlichen Absicherung anzugehen. Aber das, Frau Präsidentin Hostasch, ist ja nur ein weiteres Beispiel für die Unvereinbarkeit Ihrer Position mit dem Mandat einer Nationalratsabgeordneten und ein weiteres trauriges Beispiel für den Befund über den österreichischen Parlamentarismus.

Die Idee des Versorgungsausgleichs im Scheidungsfalle, immerhin noch Bestandteil der letzten Regierungserklärung, ist ebenfalls gestorben. Herr Sozialminister Hums hat im Zuge einer Anfragebeantwortung alle Visionen in diese Richtung leider vermissen lassen.

Geschlechtsneutrale Regelungen in bezug auf die Nachtarbeit stehen an. Ich vermisse Ihre Positionierung hiezu, sehr geehrte Frau Ministerin. Gerade wegen dieses unhaltbaren Gesetzes stehen viele Frauenarbeitsplätze in Diskussion; viele Frauen haben Arbeitsplätze verloren beziehungsweise sie deswegen erst gar nicht bekommen.

Nach wie vor wird sehr laut über weitere vordergründige Schutzmechanismen für Frauen nachgedacht, die die Nachtarbeit der Frauen für die Unternehmer zusätzlich verteuern werden. Aber das wird sich sicherlich kontraproduktiv auf die Schaffung von Frauenarbeitsplätzen auswirken.

Wir werden auch nicht müde werden – diesbezüglich unterstütze ich die Kollegin Bauer –, flexiblere Arbeitszeitmodelle zu fordern. Das nicht nur aus wirtschaftlicher Notwendigkeit heraus, sondern auch deshalb, weil sie für alle jene Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Betreuungsarbeit zu leisten haben, weitaus flexiblere Bedingungen bringen würden. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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17. Sitzung / Seite 153

Meine Damen und Herren! Die Situation auf dem Arbeitsmarkt wird sich weiter zuspitzen. Arbeit muß in Zukunft geteilt werden – aber nicht nur zwischen erwerbstätigen und arbeitslosen Männern, sondern auch zwischen Männern und Frauen.

Ich habe bereits im Zuge der Sozialdebatte auf die Absicht und auf den Problembereich Subventionierung von Ausbildungsstellen für weibliche Lehrlinge in atypischen Berufen hingewiesen, nicht nur aus der Problematik der Positionierung der Mädchen in den jeweiligen Betrieben heraus. Auf diese Gefahr haben nun auch bereits Sozialwissenschaftlerinnen hingewiesen.

Ich möchte hier nur noch einmal sagen: Diese Mädchen, die mit Unterstützung von 4 000 S monatlich subventioniert ausgebildet werden, werden deshalb noch lange nicht einen Arbeitsplatz in den Berufsbereichen der Männerdomänen finden, vor allem dann nicht, wenn auch Männer verfügbar sind; vor allem werden kostenintensive Auflagen die Betriebe davon abhalten, Frauen einzustellen.

Es ist keine Rede mehr von einer Verlängerung der Meldefristen für die Karenzzeit. Es gibt keinen Vorschlag, zumindest die kürzeren Meldefristen der Männer an jene der Frauen anzugleichen. Es gibt keine Ansätze, diese Meldefristen zu flexibilisieren, um zumindest eine theoretische Chance für die Inanspruchnahme der Karenz durch Männer aufrechtzuerhalten.

Es ist keine Rede mehr von einer Verbesserung der Durchsetzbarkeit von Unterhaltsansprüchen, und weder Ihr Versuch, Frau Minister, der Überreglementierung und der gesetzlichen Festlegung der partnerschaftlichen Teilung der Hausarbeit als Scheidungsgrund noch die verpflichtende Vertragsregelung à la Rauch-Kallat, noch die verpflichtende Belehrung durch Standesbeamte à la Bartenstein werden dieses Problem lösen. Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, Eheverfehlungen im Rahmen der Verschuldungsfrage als Scheidungsgrund festzustellen.

Anstatt sich Gedanken über mehr Reglementierungen zu machen, sollten Sie lieber Überlegungen in Richtung treffsichere Unterhaltsregelungen und grundsätzliche sozialrechtliche Absicherung der Frauen anstellen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sehr geehrte Frau Ministerin Konrad! Die Regionalisierung der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen und die Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes waren zumindest für kurze Zeit Bestandteil Ihrer Regierungserklärung 1996. Bereits wenige Wochen später wurde das Vorhaben der Regionalisierung wieder aufgegeben und eine Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes – entgegen den Vorschlägen der Gleichbehandlungsanwälte – als "unnotwendig" bezeichnet.

Sie, Frau Minister, haben die gesamte frauenpolitische Diskussion auf einen Schwerpunkt konzentriert: die "Kinderbetreuungsmillionen" – und Sie haben das den Frauen als Quasi-Kompensation zu geben gedacht. Frauenpolitik kann jedoch nicht auf Kinderbetreuung reduziert werden. Das Schaffen von Rahmenbedingungen für eine optimale Betreuung der Kinder ist ein gesellschaftlicher Anspruch, das ist ein Anspruch, den unsere Kinder haben.

Wenn immer wieder beklagt wird, daß sich die gewünschte mit der tatsächlichen Kinderzahl nicht die Waage hält, dann kann ich hier nur jene Beispiele wie etwa Norwegen, Dänemark und Frankreich anführen, Länder, in denen der enge Zusammenhang zwischen tatsächlicher Kinderzahl und den Rahmenbedingungen ganz besonders deutlich wird.

Grundsätzlich aber betrachten wir diese Betreuungsinitiative natürlich als positiv und finden es auch sehr vernünftig, daß mit diesen Mitteln nicht nur die Neuerrichtung von Kinderbetreuungsplätzen, sondern auch Initiativen zur Weiterbildung genauso wie flexiblere Betreuungszeiten finanziert werden sollten.

Wir bitten Sie aber, auch Initiativen in Richtung Installierung von Betriebskindergärten nicht zu übersehen. Diesbezüglich gibt es ja im Bundeskanzleramt ein anscheinend sehr tolles, sehr großzügiges Pilotprojekt, einen Betriebskindergarten, der, wie ich glaube, recht großzügig mit Hilfe von Budgetmitteln, nämlich mit rund 2,5 Millionen Schilling, ausgestattet wurde. In diesem Kindergarten gibt es erfreuliche, ja optimale Bedingungen für die Kinder: zwei Gruppen zu je


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17. Sitzung / Seite 154

zehn Kindern, sechs Betreuungspersonen, Betreuungszeiten, ich glaube, zwischen sieben Uhr morgens und achtzehn Uhr abends. So wurde das zumindest angekündigt.

Ich freue mich für diese Kinder, die diese ausgezeichneten Betreuungsmöglichkeiten vorfinden, und ich kann nur hoffen, daß Sie ähnliche Projekte auch anderswo initiieren, um den Verdacht einer Bevorzugung dieser Kinder gegenüber anderen erst gar nicht aufkommen zu lassen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sehr geehrte Frau Ministerin! Es gibt in diesem Budget auch keine Ansätze im Bildungsbereich; auch diesbezüglich unterstütze ich Frau Kollegin Bauer. Frauenpolitik ist Querschnittsmaterie; berufliche Weiterbildung ist jedoch männerdominiert. Dies ist besonders problematisch für Frauen, weil Frauen eben ohnehin geringere Aufstiegschancen als Männer haben.

Im Bildungsbereich, sehr geehrte Frau Ministerin, hätten Sie ein weites Aufgabenfeld. Eine Bildungsdiskriminierung Frauen gegenüber ist nach wie vor existent, auch wenn die Mädchen da bereits, zumindest bei den Maturanten ist es so, aufholen. Aber nach wie vor haben bei den 20- bis 29jährigen Frauen 25 Prozent keinen über die Pflichtschule hinausgehenden Schulabschluß. Das ist eine bedenkliche Situation – auch wenn man den engen Zusammenhang zwischen Bildungsstand, Erwerbstätigkeit und Einkommen bedenkt, und das ist sicherlich mit ein Grund für die höhere Arbeitslosenrate von Frauen in allen Bereichen, ebenso für die geringere Bezahlung der Frauen in allen Bereichen und auch dafür, daß Frauen nur die Hälfte der Pensionshöhe, die Männer beziehen, haben.

Die Koedukation kann zu Recht als Meilenstein in der Schulpolitik bezeichnet werden. Aber Sie wissen ganz genau – auch über diese interministerielle Arbeitsgruppe –, daß es, um ein wirkliches Umdenken in den Köpfen von Männern und Frauen zu erreichen, da ganz gezielter Ansätze bedarf. Solange in der Schule das tradierte Rollenverhalten unreflektiert nachgebildet wird, werden wir leider keine wesentlichen Erfolge erzielen können. Diesbezüglich wären dringend Initiativen der Ministerin, beginnend bei der Lehrer- und Lehrerinnenausbildung, gefordert.

Sie, Frau Ministerin, haben dieses Budget als mutig und offensiv bezeichnet. – Über Frauen findet man allerdings primär nur in jenen Bereichen, in denen es um Einsparungen geht. Sie als Frauenministerin haben die Spar- und Notoperationen, kombiniert mit subtilen Geldbeschaffungsmethoden dieser Regierung, mitgetragen; Frauen müssen so überproportional zur Budgetkonsolidierung beitragen.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben meiner Meinung nach mittlerweile jegliche frauenpolitische Vision leider aufgegeben. Sie zeigen ja nicht einmal so subtile Diskriminierungen wie etwa die Altersgrenze von 35 Jahren für Frauen auf, die ein Kind adoptieren wollen – eine Altersgrenze, die es bei Männern nicht gibt. Dafür bräuchten Sie kein Geld, sondern da, sehr geehrte Frau Ministerin, müßten Sie lediglich Aktivitäten setzen.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich vermisse Ihre Motivation, und ich glaube, Sie müssen sich eigentlich selbst die Frage stellen, ob Sie noch die Legitimation haben, Frauen zu vertreten, ob Sie da überhaupt noch eine moralische Instanz sein können.

Frauenpolitik kann auch nicht in Zeiten von Budgetknappheit allein aufs Geld reduziert werden! Es ist die Aufgabe einer Frauenministerin, Standpunkte zu vertreten, zur Bewußtseinsänderung beizutragen. – Sie hätten Ihr Gewicht als Ministerin in die Waagschale werfen müssen, damit die Unterschiede bei der Ungleichbehandlung von Frauen und Männern gemildert werden! Das haben Sie aber leider nicht getan.

Ich möchte jetzt einfach mit einem Vergleich schließen, der die Situation der Frauen im Alltag einmal mehr deutlich machen soll: Die schnellste Läuferin beim Wiener Marathon erhielt 60 000 S für die Bewältigung dieser Strecke. Der beste Läufer hingegen erhielt für die Bewältigung der gleich langen Strecke 130 000 S. Daran erkennt man: Frauen müßten für den gleichen Betrag mehr als zweimal soviel laufen, und sie müßten auch mehr als zweimal gewinnen.


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17. Sitzung / Seite 155

Mit Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin Konrad, werden wir Frauen wohl einen ganz besonders langen Atem brauchen. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Ing. Langthaler .)

21.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.24

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf mein eigentliches Thema, auf die Minderheitenpolitik, zu sprechen komme, kann ich nicht umhin, Kollegin Schaffenrath eine Antwort zu geben.

Ich glaube, daß wir da einen falschen Weg gehen. – Ich bin sozusagen eine gestandene Frauen- und Familienpolitikerin; ich habe Arbeit und nicht nur ein Einkommen ohne Arbeit. Das heißt, ich habe auch eine Arbeit als Haupt- oder Nebenberuf, je nachdem, wie man es sieht. Ich weiß also, wovon ich rede.

Wenn wir in Zukunft mehr denn je eine Glashauspolitik beziehungsweise eine Ghettopolitik für Frauen machen, dann tun wir uns Frauen selber nichts Gutes. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schaffenrath: Das war nur ein Beispiel!)

Ich glaube, daß es unsere Aufgabe ist – sowohl Aufgabe der Männer als auch der Frauen –, Mädchen und Burschen zur Selbständigkeit hinzuführen, und daß wir so zu einer Gleichstellung beider Geschlechter kommen. Ich unterstütze das, was Rosemarie Bauer gesagt hat: Wir Mütter haben es in der Hand, den Weg für unsere Kinder – egal, ob Mädchen oder Bursch – zu ebnen. (Abg. Schaffenrath: Sie entlassen ja die Männer aus der Verantwortung!) – Und ich glaube auch, daß unsere Bundesministerin diesen Weg einschlagen wird, wenn wir ihr eine gewisse Zeit geben. (Abg. Schaffenrath: Ich möchte mich dagegen verwahren!)

Ich möchte nun auf die Problematik Minderheitenpolitik zu sprechen kommen, und ich möchte da auch ein wenig jenen Weg, den mein Kollege Antoni eingeschlagen hat, gehen und sagen: Ich glaube, daß das ein kleiner Bereich ist im Bundeskanzleramt, aber ein sehr, sehr wichtiger, weil sich letztendlich alles ein wenig in Richtung Minderheitenpolitik bewegt.

Markante Einschnitte durch das Strukturanpassungsgesetz und die kommenden Budgeteinsparungen auch in diesem Bereich bringen es mit sich, daß es in den nächsten zwei Jahren zumindest keine Anhebung des Budgets für die Volksgruppenförderung gibt. Dennoch muß man sagen, daß seit dem Jahr 1988 die Mittel hiefür von 4,2 Millionen Schilling auf 52 Millionen Schilling gestiegen sind, diese aber 1996 und 1997 gleich bleiben. Ich weiß, daß das einigen Gruppen zuwenig ist, und ich verstehe das auch. Aber die Aufteilung sollte wirklich projektorientiert vor sich gehen und nicht so, wie es jetzt manchmal der Fall ist, daß es einen sehr undurchsichtigen Aufteilungsschlüssel gibt. Da muß noch einiges geändert werden, speziell im Bereich der Volksgruppen- und Volksgruppenbeiräteförderung.

Ein anderer ganz, ganz wichtiger Punkt ist – wir können nicht alles nur mit Geld fördern – das gesamte Volksgruppengesetz. Ich meine, daß diesbezüglich eine Weiterentwicklung erfolgen müßte, eine, die der EU angepaßt ist, die unserem ganzen Lebensstil angepaßt ist. Es ist die Frage zu stellen, wie wir mit gewissen Problematiken nicht nur in der Minderheitenpolitik, sondern auch in bezug auf Gewalt und so weiter umgehen. Und es ist weiters die Frage zu stellen, ob da nicht eine Novellierung des Volksgruppengesetzes notwendig wäre.

Ich bin eigentlich ein wenig überrascht darüber – aber ich arbeite erst seit eineinhalb Jahren in diesem Bereich –, wieviel Widerstand es von verschiedenen Volksgruppenvertretern, besser angeblichen Volksgruppenvertretern und -vertreterinnen, gibt, oft nur deshalb, um sich selbst profilieren zu können, was aber letztendlich den Volksgruppen wirklich nicht hilft.

Kurz etwas über die steirischen Slowenen; darüber gibt es ja schon seit langem eine Diskussion. Kollegin Stoisits – sie ist jetzt nicht da –, die "große" Volksgruppenvertreterin nicht nur im


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Burgenland, sondern im ganzen Bundesgebiet, betreibt es, daß es auch für die steirischen Slowenen, die sie angeblich in Massen ortet, zur Einrichtung eines eigenen Beirates kommt. Bereits im Jänner 1994 hat sie an Bundeskanzler Vranitzky die Anfrage gerichtet, ob im Hinblick auf die Volksgruppenrechte der steirischen Slowenen jetzt endlich ein Beirat geschaffen wird. – Als Antwort hielt der Bundeskanzler fest, daß der seit 1989 tätige Volksgruppenbeirat für die slowenische Volksgruppe dazu berufen ist, auch die Fragen der steirischen Slowenen zu behandeln. – Das leuchtet doch ein. Mir ist auch nicht klar, warum man zwei nebeneinanderliegende Bundesländer wie eben die Steiermark und Kärnten diesbezüglich auch noch "teilen" sollte. Wir reden einerseits von Zusammenführung, Vereinigung – andererseits wird oft sehr kleinkariert gedacht.

Ich meine, daß in diesem Fall speziell nicht von einer Gruppe gesprochen werden sollte, die sich nicht formieren dürfe: Bei der letzten Volkszählung hat sich nur jeder zwölfte Radkersburger als slowenisch sprechend bezeichnet.

Ein "Verein der Freunde zur Förderung und Verwirklichung der im Artikel 7 des Staatsvertrages von 1955 genannten kulturellen und schulischen Rechte, Ansprüche und Aktivitäten österreichischer Staatsbürger in der Steiermark" – so heißt dieser Verein – möchte diesen Beirat einrichten, aber das verstehe ich nicht ganz, denn diese Gruppe ist auf der Uni Graz und hat letztendlich sehr wenig mit der Praxis vor Ort zu tun.

Ich meine jedenfalls, daß die Volksgruppenpolitik am stärksten getragen werden kann von den Volksgruppenbeiräten selbst.

Für mich war es befremdend – um nur ein Beispiel zu bringen; ich bin Mitglied des Volksgruppenbeirates Roma und Sinti –, daß Roma und Sinti nicht einmal gemeinsam eine Wallfahrt zusammenbringen. Ein Teil der Roma fährt nach Pöllau, der andere Teil nach Mariazell. Sie treffen einander nicht, weil sie gewisse Dinge nicht miteinander besprechen können.

Was meine ich damit? – Wir werden sehr, sehr schwer eine gemeinsame Novellierung des Volksgruppengesetzes bewirken können, wir, die wir den Auftrag haben, das mitzutragen, wenn es innerhalb der Beiräte so schwierig ist, miteinander zu sprechen, und wenn es dann noch Abgeordnete oder Noch-nicht-Abgeordnete gibt oder eben solche, die gerne ins Parlament kommen möchten, die da aber zündeln und letztendlich nichts zum Wohl dieser Menschen in unserem Lande beitragen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.31

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Frauen Volksanwältinnen! Erlauben Sie mir zuerst, Kolleginnen und Kollegen, daß ich – entgegen meinem Vorsatz, über Frauenpolitik zu reden – kurz mit einer Erwiderung auf die Ausführungen meiner Vorrednerin, der Frau Kollegin Steibl, beginne.

Frau Kollegin, Sie irrten in dem Punkt, in dem Sie über die steirischen Slowenen gesprochen haben. Es stimmt, daß es wenige sind, das ist unbestritten, aber Sie wissen natürlich auch die Gründe hiefür: nicht nur, warum es so wenig sind, sondern auch, warum es so schwierig ist, in einer Volkszählung wirklich zu eruieren, wie groß deren Zahl ist. Es gibt ja in der Steiermark – in der Südsteiermark als auch in der Südwest- und Südoststeiermark – eine eigene Geschichte dazu, die es den Leuten noch viel mehr als in Kärnten unmöglich macht, anzugeben, welcher Minderheit, welcher Sprache sie sich zugehörig fühlen: Es gibt eine ganz eigene Geschichte der Assimilation, der scheinbar sanften Assimilation, die in dieser dörflichen Struktur eine schwer nachvollziehbare Form von Unterdrückung und Unterdrucksetzung jener Menschen bedeutete, die slowenischer Muttersprache waren und die auch heute noch slowenisch sprechen möchten.

Um es kurz zu machen: Ich meine, es sollte unbestritten sein, die Ziele dieses "Artikel-7-Vereins" – man muß das ja da nicht künstlich verkomplizieren; in der ganzen Steiermark ist


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dieser Verein gut bekannt als "Artikel-7-Verein" – zu unterstützen. Nach einer so langen Debatte – da hat die steirische ÖVP keine rühmliche Rolle gespielt – sollte es eigentlich an der Zeit sein, zu sagen: Gut, wir haben heute eine andere Einstellung zur Minderheitenpolitik insgesamt, es soll auch einen eigenen Volksgruppenbeirat geben. Es wäre wirklich notwendig und richtig, auch sie in den Bemühungen zu unterstützen, daß die slowenische Sprache auch dort wieder Anerkennung findet, zumindest gesprochen werden kann, ohne daß die Menschen dort unter Druck kommen.

Die zweisprachige Schule ist wirklich eine Errungenschaft (Abg. Steibl: Aber eine Errungenschaft der ÖVP!), und es hat sich einiges geändert in den letzten Jahren, darauf nehme ich ja Bezug. Es hat viele Versäumnisse gegeben, es ist aber zu einem Aufholen in den letzten Jahren gekommen, aber dann braucht man nicht hier heraußen versuchen, eine Trennung zu machen.

Den Vorschlag, die steirischen Slowenen und die Kärntner Slowenen in einem Beirat zu vereinen, halte ich für nicht sehr geglückt, weil eben die geschichtliche Entwicklung der beiden eine grundsätzlich andere und das Selbstverständnis der Menschen in Kärnten und in der Steiermark auch ein anderes ist. Darauf sollte man gerade auch bei der Minderheitenpolitik, denke ich, Rücksicht nehmen. – Nur so viel dazu.

Aber jetzt komme ich auf die Frauenpolitik zu sprechen. Auch da hat mich, als ich so zugehört habe, einiges verwundert von dem, was da heraußen gesagt wurde. Ich meine, es wäre Zeit, daß wir so weit kommen sollten, daß wir uns – ungeachtet verschiedener Standpunkte in manchen Bereichen und ungeachtet der parteipolitisch verschiedenen, also ideologischen grundsätzlichen Auffassungen – dazu durchringen, einzubekennen, daß es in manchen Bereichen dringenden Handlungsbedarf gibt. Ich dachte mir, daß das Bereiche sind, die an und für sich außer Streit stehen, aber ich bin sehr verwundert, worüber hier heraußen gestritten wird.

Die Frau Kollegin Haller zum Beispiel hat vieles aufgezeigt, was irgendwie richtig ist; sie hat allerdings in ihrer Rede mit keinem Wort erwähnt, was denn die Vorstellungen der Freiheitlichen zu diesem und jenem Punkt sind.

Es ist richtig, wenn im Gleichbehandlungsbericht aufgezeigt wird, daß Frauen, die sich an die Gleichbehandlungsanwältin wenden, unter Druck kommen. – Ja aber bitte, was soll dann das Resümee sein? Soll das Resümee sein, daß wir die Anwältin abschaffen?! Kollegin Haller hat viele solcher Punkte aufgezeigt, die so oberflächlich dargestellt richtig sind, aber eine Antwort auf all diese Fragen ist doch das Wesentliche.

Frau Kollegin Schaffenrath – sie ist jetzt nicht herinnen, aber sie wird es vielleicht hören –, ja es hat viele Versäumnisse in der Frauenpolitik gegeben. Ich halte es nur für sehr müßig, diese Versäumnisse jetzt an einer Ministerin festzumachen, an einer Ministerin, die da relativ neu ist, ohne jetzt diese verteidigen zu wollen.

Ich halte nämlich die Frage des Erfolges der Frauenpolitik überhaupt für müßig. Sie haben Kollegin Bauer den Vorwurf gemacht, daß sie gesagt hat, wir Frauen sollten doch unsere Söhne partnerschaftlich erziehen. – Und ich meine, es ist auch da der Vorwurf nicht in eine Richtung zu machen – nicht eine Frau allein trägt die Schuld für die Versäumnisse in der Frauenpolitik, sondern die Mehrheit der Männer hier herinnen, die Mehrheit der Männer auf der Regierungsbank tragen meiner Meinung nach den größeren Anteil an Verantwortung dafür, was alles nicht durchgesetzt wurde. Ich habe eigentlich noch immer den Optimismus, daß bestimmte Bereiche im Prinzip außer Streit stehen, und wir sollten uns auf diese konzentrieren.

Ich denke, es steht außer Streit, daß die Frauenrepräsentanz in politischen Gremien dringend erhöht gehört, daß diese sich in einem Zeitrahmen von vier Jahren, bis zur nächsten Nationalratswahl an die 50-Prozent-Quote nicht nur anzunähern, sondern diese tatsächlich zu erreichen hat.

Es besteht darüber Konsens, aber es gibt dringenden Handlungsbedarf, uns darüber zu unterhalten, wie wir das erreichen können, daß Frauen nicht nur im Parlament, nicht nur in der Bundesregierung, sondern in Landtagen, in Landesregierungen, in Gemeindestuben uns so weiter in


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der entsprechenden Zahl vertreten sind. Es gibt Länder in Europa, in denen das etwas Selbstverständliches ist; bei uns hingegen ist das etwas Exotisches. Reden wir also darüber!

Wir haben einen Gesetzesantrag dazu eingebracht. Reden wir also über Gesetzesinitiativen, über Frauenförderungspläne, durch die Frauen im politischen, im öffentlichen Leben unterstützt werden sollen, um dahin zu kommen, wo Männer schon lange sind, nämlich auf der Karriereleiter beziehungsweise in politischen Vertretungskörpern. Ich bin überzeugt davon, daß dann hier manches anders ausschauen würde. (Abg. Schaffenrath: Schauen Sie sich den Frauenanteil an den Schulen an! Der Frauenanteil bei den Lehrerinnen: Was hat sich dadurch an den Schulen zum Besseren gewendet? Die Anwesenheit von Frauen ...)

Die Anwesenheit von Frauen ist noch keine Garantie, aber sie ist eine gute Voraussetzung dafür, daß sich etwas ändert. Das sage ich Ihnen schon. Ich bin überzeugt davon, daß sich auch in den Schulen sehr viel geändert hat gegenüber einer Zeit vor 30, 40 oder 50 Jahren, als überwiegend Männer die Lehrpersonen waren. Es wird ja Untersuchungen geben, die das aufzeigen. Ich verstehe nicht, warum sich da herinnen irgendeine Frau dagegen wehren würde, diese Voraussetzungen zu schaffen.

Zur Gleichbehandlung. Ich meine, es ist dringend notwendig, die vielzitierte, vielgenannte Verfassungsänderung endlich durchzuführen. Es gibt einen Vorschlag, einen Antrag der Grünen dazu. Es gab in der letzten Gesetzgebungsperiode einen Vorschlag der Ministerin dazu. Das gehört aufgegriffen, das gehört meiner Meinung nach in dieser Gesetzgebungsperiode erledigt.

Ebenso müssen Frauenförderungspläne im öffentlichen Dienst evaluiert und verbessert werden. Wir haben eine derartige Anfragenserie gestartet. Es haben sich Mängel vor allem darin gezeigt, daß es keine einheitlichen Leitlinien und Mindeststandards für die Frauenförderungspläne gibt, sie daher sehr unterschiedlich ausfallen und auch der Erfolg in den einzelnen Ministerien sehr, sehr unterschiedlich ist.

Es wären unserer Meinung nach überhaupt umfassende Frauenförderungspläne in allen Bereichen beziehungsweise ein Gebot zur Unterstützung von Frauen im weitesten Sinne notwendig. Es gibt genug Beispiele, nicht nur aus den nordischen Ländern, sondern etwa auch aus den Niederlanden oder Belgien, wie solche Frauenförderungspläne ausschauen können, mit einer entsprechenden Erfolgsbilanz betreffend die Situation von Frauen in Führungspositionen und im politischen Leben.

Die Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwälte halte ich für ein vordringliches Anliegen. Wir haben im Budgetausschuß hören müssen, daß zwar die Gesetzesnovelle dazu akkordiert und abgesprochen ist, daß es aber keine finanziellen Mittel und keine Planstellen gibt, daß allerdings die Hoffnung oder die Möglichkeit – ich weiß nicht, wie ich das sonst ausdrücken soll – besteht, daß innerhalb der nächsten ein, zwei Jahre in einem beziehungsweise maximal in zwei Bundesländern, je nach Bedarf, solche Stellen eingerichtet werden.

Ich halte diese Antwort für völlig unbefriedigend, und nicht nur aufgrund dieser geringen Zahl. Diese Regionalisierung ist ein altes und dringendes Anliegen. Es gibt bereits konkrete Berechnungen, wieviel eine solche Regionalisierung kosten würde. Am meisten hat mich jedoch bei dieser Debatte im Ausschuß die Formulierung "je nach Bedarf" gestört. Denn was heißt "Bedarf"? Die Berichte der Gleichbehandlungsanwältin zeigen ganz klar, daß der Bedarf erst wesentlich gestiegen ist, nachdem die Anwältin da war und ihre Tätigkeit mehr als ein Jahr lang ausgeübt hat. Erst dann spricht es sich sozusagen herum, daß es eine Stelle gibt, an die man sich wenden und Rat holen, über die man Erkundigungen einholen oder auch Verfahren einleiten kann. Erst danach kann meiner Meinung nach der entsprechende Bedarf festgestellt werden.

Ich versuche, meine Ausführungen zu straffen. Aber es gibt noch sozusagen eine ganze Latte von Anliegen und notwendigen Änderungen im Rahmen dieses Gleichbehandlungsgesetzes, die zum Teil auch im Gleichbehandlungsbericht aufgezählt werden und aus der letzten Gesetzgebungsperiode bereits bekannt sind.


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Es sind durchaus sensible Bereiche dem Sparstift im heurigen Jahr zum Opfer gefallen, was nichts anderes als die Kontinuierung der Ungleichbehandlung zwischen Mann und Frau bedeutet. Ich spreche jetzt die Pensionen, das Mindestpensionsalter, die Karenzregelung und die Kinderbetreuungseinrichtungen an.

Vor allem im Hinblick auf die Kinderbetreuungseinrichtungen möchte ich noch einmal betonen, daß im Zuge des Wahlkampfes zweimal 1 Milliarde versprochen wurde. Es ist für mich völlig unverständlich, wie man das einkürzen kann und sich nicht mehr darum schert, womit Wahlkampf betrieben wurde, und zwar ganz entscheidend. In der Wahl des Jahres 1994 war die Frauenpolitik nämlich ein ganz entscheidender Politikbereich, der das Wahlverhalten beeinflußt hat, wie wir bereits nach der Wahl wußten. Damals haben Sie die "Kindergarten-Milliarde" versprochen. Sie haben sich jedoch spätestens mit diesem Budget davon verabschiedet und eine unserer Meinung nach unzureichende Lösung getroffen: Sie haben nicht nur diesen Betrag gekürzt, sondern auch die Vereinbarung, die Sie jetzt hinsichtlich Frauenministerium und Familienministerium getroffen haben, ist zu vage, zu unsicher und zu ungenau, als daß wirklich nach Qualität und nicht nach Quantität und nicht nur nach Neubau entschieden werden könnte. (Beifall bei den Grünen.)

Es gäbe aber auch im allgemeinen Bereich noch einiges zu tun. Wir gehen davon aus, daß es eine Pluralität von Lebensformen gibt: Es gibt unserer Auffassung nach nicht nur die Ehe und die Familie, sondern verschiedenste Formen von Lebensgemeinschaften. Es gibt heterosexuelle und homosexuelle Lebensgemeinschaften, es gibt die Situation der Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen, es gibt Singles. Und all diesen verschiedenen Lebensformen ist auch Rechnung zu tragen, und zwar in Form einer Novellierung von maßgeblichen Gesetzen, die dieser Pluralität im Wege stehen.

So sollten zum Beispiel der Erwerb von Wohnungseigentum oder auch eine Adoption im Falle von Lebensgemeinschaften möglich sein. Es wäre aber auch das Scheidungsrecht zu reformieren, und zwar so, daß die Höhe der Unterhaltszahlung sich nicht nur nach dem Verschulden richtet, sondern auch nach dem Ausmaß der geleisteten Betreuungsarbeit. Dazu wäre auch eine Novellierung des Ehegesetzes notwendig.

Schließlich gehört zu diesem Bereich, der bei Frauenpolitik leider immer noch aktuell ist, auch die Frage der Gewalt gegen Frauen, die Frage der Gewalt in der Familie und der Gewalt gegen Kinder. Auch in diesem Bereich bedarf es entsprechender gesetzlicher Maßnahmen. Es ist notwendig, eine Änderung der Exekutionsordnung herbeizuführen, sodaß eine Ausweisung des Gewalttätigen aus der gemeinsamen Wohnung auch bei Lebensgemeinschaft und bei Gewalt gegen Kindern möglich sein soll. Es ist unserer Meinung nach nicht nur der Bestand an Frauenhäusern zu wahren, sondern auch ein weiterer Ausbau von Frauenhäusern zu bewerkstelligen. Und es ist letztendlich mit einem Frauenförderungsgesetz auch der Bestand und die Möglichkeit des Ausbaus von Frauenberatungsstellen sicherzustellen.

Übrigens – das hat auch Kollegin Haller genannt – halte ich für einen ganz wichtigen Bereich im Gleichbehandlungspaket die Auseinandersetzung mit der sexuellen Belästigung auf dem Arbeitsplatz. Es wäre dringend notwendig, daß man endlich auch zu einer Beweislastumkehr kommt, um eine Erleichterung für Frauen zu schaffen, daß sie die Hürde überwinden und auch wirklich zur Gleichbehandlungsanwältin gehen.

Zu guter Letzt: Zu diesem großen Bereich an Aufgaben, der zu erledigen ist, gehört natürlich auch der Bereich Europäische Union: Wie ist die österreichische Position, die wir in der Regierungskonferenz einbringen? Nebst der schon fast selbstverständlichen Forderung nach einem eigenen Frauenministerinnenrat ist es notwendig, daß die Frauenpolitik in die Zielsetzung hineingenommen und gewährleistet wird, daß die Frauenförderung in Richtung Gleichstellung und die tatsächliche Gleichstellung von Frauen aufgenommen wird, damit es nicht mehr zu Urteilen wie demjenigen vom vorigen Jahr in Bremen kommen kann. – Darüber müßte es unserer Meinung nach Übereinstimmung geben, ungeachtet ganz bestimmter ideologischer Überlegungen.


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Zuletzt möchte ich noch auf den von Frau Kollegin Bauer genannten Appell eingehen, daß wir Frauen doch einiges beitragen sollten bei der Erziehung unserer Söhne, daß diese in einem partnerschaftlichen Sinne heranwachsen und das mitkriegen und begreifen. – Der Appell ist schon richtig, den kann ich akzeptieren. Das große Aber folgt jedoch auf dem Fuße. Denn ich meine – und auch das sollte eine Selbstverständlichkeit sein –, daß Frauen nur der eine Teil derjenigen sind, die an der Erziehung mitwirken. Es sind ja zumindest auch noch Väter da, die an der Erziehung mitwirken und das Ihrige tun könnten: Sie haben eine Vorbildfunktion betreffend die Vorstellung, was es heißt, ein partnerschaftliches Leben zu führen. Diese Einstellung können sie vermitteln.

Das ist der eine Bereich – ganz zu schweigen davon, daß die heranwachsenden Söhne nur einen relativ geringen Anteil ihrer Sozialisation in der Familie und durch die Mutter erfahren, einen weitaus größeren jedoch in Kindergärten, in Schulen, wo immer sie sich nachher befinden – sei das jetzt Lehre, Arbeitsplatz, Hochschule oder sonstwo –, durchmachen. Daher ist diesem Bereich mindestens soviel Augenmerk zu schenken wie dem Anteil der Mutter an der Erziehung ihrer Söhne.

Nun aber mein Schlußsatz: Die Vorbildfunktion des ÖVP-Klubobmannes Dr. Khol mag für die Aussage der Frau Kollegin Bauer bestimmend gewesen sein. Denn wenn jemand wie er der Meinung ist, daß sich die Familienangelegenheiten und Erziehungsarbeit beim Sonntagsfrühstück regeln lassen und daß man die Erziehungsarbeit und die Aufsicht der Enkelkinder auch der Großmutter überlassen kann, dann ist es leicht möglich, daß solche Beurteilungen zustande kommen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Sie haben wahrscheinlich gar keine Familie und reden wie die Blinde von der Farbe!)

21.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesministerin Dr. Konrad. – Bitte, Frau Bundesministerin.

21.50

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten Dr. Helga Konrad: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz auf einige Ihrer Überlegungen eingehen.

Viele von Ihnen haben sehr wohl konzediert, daß sich in den vergangenen 20 Jahren für die Frauen etwas zum Positiven geändert hat. Trotzdem – das ist eine Tatsache, die alle kennen – sind die Frauen nach wie vor einem vernetzten System an Benachteiligungen ausgesetzt, und diesem vernetzten System an Benachteiligungen ist nur mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen zu begegnen. Die einzige Maßnahme, die allen Frauen gleiche Rechte gibt, gibt es nicht. Das wissen wir alle, die wir uns damit befassen. Wenn wir daher an verschiedenen Punkten ansetzen, dann sollte von Frauenpolitikerinnen zumindest nicht immer das Argument kommen: Man soll doch nicht gerade das oder jenes tun, denn irgend etwas anderes wäre wichtiger!

Damit komme ich zu einem Thema, das heute vielfach angeschnitten wurde, zum Teil zustimmend, zum Teil auch mit Unverständnis, nämlich zur Frage der Umverteilung der Versorgungsarbeit: Viele von Ihnen sehen – vielleicht auch bewußt – die Zusammenhänge nicht. Da wird gesagt: Die Frauenministerin soll sich lieber darum kümmern, daß die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern einmal verringert werden.

Erstens muß ich dazu sagen – und das hat meine Vorgängerin schon immer getan –: Die Lohnverhandlungen und die Verhandlungen der Sozialpartner werden nicht unter der Leitung der Frauenministerin geführt, denn sonst würden sie wahrscheinlich anders aussehen. – Das ist das eine.

Zweitens: Gerade die Tatsache, daß Frauen allein für die Versorgungsarbeit zuständig sind, hat zur Konsequenz, daß Frauen als sogenannte unsichere Arbeitskräfte gelten. Der Grund dafür, daß die Frauen Teilzeitarbeit oder prekäre Arbeitsverhältnisse in Anspruch nehmen müssen, ist nicht, weil die Frauen das so gerne tun, sondern weil sie eben alles unter einen Hut bringen müssen. Und wer diese Zusammenhänge nicht sieht, der tut mir wirklich leid. Denn das ist ja die


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Crux. Es geht genau darum, daß wir endlich eine Gesellschaft schaffen müssen, die in der Lage ist, die Lasten der Versorgungsarbeit auch zu teilen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Motter .) Frau Abgeordnete! Sie fragen: Wer soll das machen? – Das werden wir teilen, Männer und Frauen, das ist die Idee daran! Dafür gibt es auch genügend Vorbilder. Wir brauchen in Österreich nicht so zu tun, als wäre das etwas, was wir erfinden. Bei den vielzitierten nordischen Gesellschaften läuft das schon ganz anders. Das ist also möglich.

Eine Überlegung, die ich anstelle, ist eben eine Änderung im Familienrecht. Wir haben 20 Jahre Erfahrung. Wir wissen – und das wird ja auch immer gesagt –, daß bereits in gewisser Weise eine Verankerung der Teilung der Hausarbeit enthalten ist. Wir wissen aber, daß das partnerschaftliche Prinzip in diesen Gesetzen nur halbherzig verankert ist und daß die Gesetze – wie gesagt wurde – eben nicht ausreichen, um den Frauen wirklich Gleichberechtigung zu garantieren. Alles, was wir wollen, ist, daß eben das partnerschaftliche Prinzip in diesen Gesetzen deutlicher festgeschrieben wird.

Wenn einige von Ihnen gesagt haben: Wir haben ähnliche Interessen und sind so weit nicht auseinander, dann bitte ich Sie, sich einmal ernsthaft anzuschauen, welche Überlegungen wir hier angestellt haben. Denn was spricht dagegen, daß wir in diesen Gesetzen das partnerschaftliche Prinzip deutlicher festschreiben und dort festhalten, daß Versorgungsarbeit nicht nur Hausarbeit ist, sondern auch die Erziehung der Kinder und auch die Pflege alter und kranker Angehöriger ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch einmal: Der Tag hat nur 24 Stunden. Wenn die Frauen allein für die Versorgungsarbeit zuständig bleiben, dann wird es nicht möglich sein, daß sie im Beruf gleichberechtigt sind. Sie werden den vielen offenen und versteckten Diskriminierungen auch weiterhin ausgesetzt sein.

Ich darf dazu auch sagen, daß wir auf diesem Gebiet aktiv sind. Wir haben eine Broschüre mit dem Titel erstellt: "Johanna Bond und die gläserne Decke". Dazu wird es auch Seminare geben, nach denen intensive Nachfrage besteht, die sehr gut aufgenommen wurden. Denn auch die Frauen in den Betrieben können selbst diese offenen und versteckten Diskriminierungen einsehen und bekommen Anregungen, wie sie sich zur Wehr setzen können.

Ein weiterer Problemkreis, den wir unbedingt in Angriff nehmen müssen und wo wir zumindest einen kleinen Schritt weitergekommen sind, ist die Frage: Wie können auch Frauen Beruf und Familie vereinbaren? Eine Forderung in diesem Zusammenhang, bei der wir uns auch immer wieder getroffen haben, war die Frage des Ausbaues von Kinderbetreuungseinrichtungen. Das ist schon jahrelang ein Thema, und dieses wurde jahrelang auch immer wieder hin und her geschoben.

Uns ist klar: Das ist Länderkompetenz, der Bund kann sich und will sich diese nicht nehmen und aneignen, was uns aber diesmal gelungen ist – und das gilt es nicht abzuwerten –, ist, daß wir zumindest 600 Millionen Schilling sozusagen als zusätzliche Initialzündung an die Länder geben im Sinne eines Kofinanzierungsprojektes. Es wird also nicht so sein, daß einfach nach einem Aufteilungsschlüssel den Ländern Geld gegeben wird, die dann halt irgend etwas damit machen, sondern die Länder müssen mindestens im Ausmaß von 50 Prozent kofinanzieren. Mit dieser Summe ist es zumindest möglich, rasch Tausende zusätzliche Kinderbetreuungseinrichtungen zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte auch einiges aufklären, weil immer von der "Milliarde" gesprochen wird: Diese Milliarde ist, bitte, ein medialer Begriff. Ich war federführend von Anfang an dafür zuständig: Es ist um ein dreijähriges Modellprojekt gegangen, für das 1 Milliarde Schilling zur Verfügung stehen sollte. Pro Jahr sind das also etwas mehr als 300 Millionen Schilling. So war das vorgesehen. Dann kam die Unterbrechung durch die Wahl. Es war klar nachzulesen: Die Projekte liegen auf dem Tisch. – Sie liegen bei mir auf dem Tisch, das kann ich bestätigen. Es ist uns jetzt gelungen, einmal einen Zuschuß von 600 Millionen Schilling für 1996/97 zu erwirken. Und wer hindert uns, wenn uns das wichtig ist und wenn wir sehen, daß dieses Modell funktioniert, in einigen Jahren zu sagen: Der Bund kann noch einmal eine Initialzündung in diese Richtung geben?


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Es gibt im Hinblick auf diese "Kinderbetreuungsmillionen" ganz klare Kriterien. Darauf haben wir uns geeinigt. Übertitel wäre: Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das heißt: Wir möchten damit ganztägige Einrichtungen schaffen, und zwar Einrichtungen von Qualität mit ausgebildetem Personal, entsprechenden Öffnungszeiten, entsprechenden Ferienregelungen, sozialer Staffelung. All das ist vorgesehen, und ich denke, wir sollten uns freuen, daß das nach vielen Jahren das erste Mal gelungen ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Haben Sie auch für behinderte Kinder Betreuungseinrichtungen geschaffen? Denn davon gibt es zu wenige!) Das ist richtig. Bei Kinderbetreuungseinrichtungen ist selbstverständlich die Schaffung von integrativen Kindergärten oder Kinderbetreuungseinrichtungen wichtig. Das wird selbstverständlich mit beachtet.

Ebenso wird auch Augenmerk – wie angeschnitten – auf die Schaffung von Betriebskindergärten gelegt. Selbstverständlich können auch Private ihre Vorstellungen einbringen. Was wir vom Bund her aber klarerweise tun müssen, ist, die Verhandlung mit den Ländern zu führen. Anders ist auch die Abwicklung nicht möglich, das heißt, mit einzelnen Partnern geht das nicht. Aber die zuständigen Verantwortlichen der Länder werden uns Vorschläge vorlegen, und eine Kommission wird die Projekte auswählen. Das wird sicher auch Berücksichtigung finden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Frau Bundesminister! Machen Sie die Integration zur Auflage! Denn da hapert es!)

Ich nehme diese Anregung gerne auf! Ich werde das einbringen! Ich werde, wenn wir uns über die Richtlinien unterhalten, diesen Aspekt gerne einbringen. Das kann ich Ihnen hier versprechen! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Für schulpflichtige behinderte Kinder gibt es überhaupt nichts! Da müßte auch etwas geschehen!)

Ich muß auch das wiederholen: Ich weiß, daß noch viel Bedarf besteht, auch was die ersten Schuljahre von Kindern betrifft. Ich bitte aber, jetzt auch einzusehen, daß wir mit den 600 Millionen nicht alles tun können, was zu tun wäre. Wir haben jetzt einmal gesagt, daß diese 600 Millionen für Kinder von der Geburt bis zum Schuleintritt verwendet werden sollen, um einmal einen sichtbaren Schwerpunkt zu setzen und um für die Bevölkerung, die das braucht, auch eine spürbare Maßnahme zu setzen.

Aber ich sage noch einmal: Ich bin diesen Dingen gegenüber aufgeschlossen, weil ich weiß, wie wichtig und wie dringend das auch gebraucht wird. In diesem Fall ist das Geld jedoch für den jetzt von mir umrissenen Bereich zu verwenden.

Ich möchte noch einmal auf die Notwendigkeiten für Frauen, vor allem Beruf und Familie zu vereinbaren, zurückkommen. Sie haben die Zahlen genannt; ich kenne diese auch. Ich sage noch einmal: Was die Versorgungsarbeit betrifft, muß sich etwas tun und etwas verändern. Ich bin Ihrer Meinung, daß Gesetze allein das Ganze nicht bewerkstelligen können. Aber ich bitte Sie, die Diskussion darüber, die wir jetzt führen, ernsthaft zu führen. Denn eine Zeitlang ist das als lächerlich abgetan worden, und ich erlebe nach wie vor, daß darüber gewitzelt und gelächelt wird.

Ich sage Ihnen: Bei der Weltfrauenkonferenz in Peking hat darüber überhaupt niemand gelächelt, und die Frage der Umverteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit ist eine ganz wichtige Passage auch im Schlußdokument. Ich bitte Sie – und werde auch entsprechend auf Sie zukommen –, diese Frage ernsthaft zu diskutieren, und ich wiederhole, was auch von Ihnen gekommen ist: Wir sind nicht so weit auseinander, wie wir glauben. Ich denke, daß wir alle etwas in diese Richtung unternehmen wollen.

Es ist auch die Frage gestellt worden: Was kann die Frauenministerin tun? – Ich will mich hier gar nicht verteidigen, aber: Ich habe das mitgetragen. Ich habe mich dazu geäußert, wie ich das sehe. Aber ich sage noch einmal: Ich bin durchaus der Meinung, wir können das durchbringen, und ich würde mich freuen, wenn wir das gemeinsam durchbrächten.

Wenn die Frauenministerin ein Durchgriffsrecht in allen frauenrelevanten Bereichen hätte, wäre das wunderbar. Denn dann wäre es möglich, zu sagen: Hier und hier und hier werden wir etwas ändern. – Aber, meine Damen und Herren, vor allem Frau Abgeordnete Schaffenrath, ich brauche Ihnen doch wohl nicht zu sagen, wie die Machtverhältnisse sind. Die Frauenministerin


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ist nur eine unter vielen und muß unter den herrschenden Bedingungen eben versuchen, das durchzusetzen, was möglich ist. Daß die Frauenministerin in allen frauenrelevanten Bereichen ein Durchgriffsrecht hat, ist nicht möglich, wenn es auch schön wäre. Sie können meine Vorstellungen dazu alle gerne hören. Selbstverständlich ist das aber eine Frage der politischen Auseinandersetzung und auch der Möglichkeiten. Die Frauenministerin ist auf diesem Gebiet jedoch achtsam.

Sie haben einiges hier erwähnt, was Ihrer Meinung nach nicht geschehen ist. Es wurde behauptet, daß der Versorgungsausgleich "gestorben" ist. Ich darf Sie aufklären: Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben konkrete Vorarbeiten geleistet und auch einen Studienauftrag gegeben. In kürzester Zeit, wahrscheinlich in zwei Wochen, werden wir unsere Vorstellungen zur eigenständigen Altersabsicherung für Frauen präsentieren. Denn der Versorgungsausgleich ist noch lange nicht gerecht für alle Frauen.

Zu Ihrer Information: Sie haben auch angeschnitten, daß die Stimme der Frauenministerin zur Nachtarbeit angeblich fehle. Auch das stimmt nicht. Denn es gibt eine Arbeitsgruppe, in der sehr intensiv verhandelt wird, an der die Frauenministerin selbstverständlich teilnimmt. Ich teile allerdings Ihre Ansicht nicht, daß der Schutz der Frauen hinsichtlich Nachtarbeit kontraproduktiv wäre und daß es nur um die Belange der Wirtschaft gehe. Im Gegenteil: Nachtarbeit ist schädlich für alle, und wir versuchen, eine Lösung zu finden, die allen gerecht wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leikam: Hoffentlich uns auch!)

Einige von Ihnen haben auch gesagt, daß nichts mehr zu den Unterhaltsansprüchen gesagt wird. Ganz im Gegenteil: Auch dazu gibt es eine entsprechende Arbeitsgruppe, die sich intensiv damit beschäftigt, etwa eben mit den Scheidungsfolgen. Auch in diesen Bereich fällt die Frage der Versorgungsarbeit. Es gibt ganz konkrete Vorschläge von uns zur Frage der Unterhaltsregelung und zu verschiedenen anderen Aspekten. Auch dazu stelle ich Ihnen gerne Informationen zur Verfügung.

Information muß man sich auch einholen. Ich kann nicht wissen, was Sie gerade interessiert. Ich habe das Gefühl, daß wir sehr breit diskutieren und informieren. Aber die gerade benötigte Information muß man halt in gewisser Weise auch einholen. Aber wie gesagt: Über unsere Vorschläge kann ich Sie gerne informieren.

Ich glaube, im Bericht 1994 steht irgendwo der Satz, daß eine weitere Novellierung der Gleichbehandlungsgesetze nicht notwendig ist. Ich kann dazu nur sagen: Ich zeichne nicht unmittelbar verantwortlich für 1994. Aber das zeigt das Problem auf, was passiert, wenn Legistik und Vollziehung getrennt sind. Zur Sache kann ich sagen: Selbstverständlich gibt es Bedarf an einer Novellierung der Gleichbehandlungsgesetze. Uns liegt eine lange Liste vor. Sehr bald werden Sie mit der sogenannten kleinen Novelle konfrontiert werden. Aber es wird auch eine größere geben – Frau Abgeordnete Kammerlander hat das erwähnt –, die etwa auch die Frage der Beweislastumkehr und andere Fragen aufwerfen wird. Es gibt also eine Reihe von Initiativen. Sie, Frau Abgeordnete Schaffenrath, haben, glaube ich, auch noch gesagt, daß die Frauen weniger bekommen und die Männer mehr, bis hin zum Wien-Marathon. (Abg. Schaffenrath: Das war nur ein Beispiel!) Das war mir auch neu. Ich habe das aufgegriffen, und in der Zwischenzeit bin ich, um hier auch nur dieses winzige Detailchen zu nennen, in dieser Sache bereits aktiv. Denn so kann das nicht bleiben!

Das möchte ich Ihnen zeigen: Obwohl die Mittel und auch die personellen Ressourcen der Frauenministerin äußerst bescheiden sind, gibt es eine Reihe von Aktivitäten, die in alle Bereiche eingreifen.

Andere Abgeordnete haben auch noch die Frauenservicestellen, die Frauenförderpläne und die Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder angesprochen. Dazu kann ich sagen: Was die Frage Gewalt gegen Frauen und Kinder betrifft, liegt eine entsprechende Gesetzesvorlage vor. Sie wissen vielleicht bereits, aber ich erwähne es noch einmal, daß mit den bescheidenen Mitteln, die die Frauenministerin hat, drei Pilotprojekte zum Thema "Interventionsstellen


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gegen Gewalt" laufen. Ich hoffe, daß wir diese mit der Gesetzesänderung schließlich in das Regelwesen überführen können.

Ähnliches gilt für die Regionalisierung der Institution der Gleichbehandlungsanwältin. Sie rennen also bei mir offene Türen ein. Wir haben alle Vorarbeiten geleistet, wir haben einen Ausbauplan vorgestellt. Wir haben die Berechnungen vorgelegt. In einer Zeit, in der 100 Milliarden Schilling eingespart werden müssen, ist eben auch da eine – sagen wir einmal: – Zurückstellung notwendig gewesen. Daß jedoch die Regionalisierung der Institution der Gleichbehandlungsanwälte immer notwendig ist, steht außer Frage. Ich weiß nicht, Frau Abgeordnete Kammerlander, woher Sie das haben: Von "je nach Bedarf" kann gar keine Rede sein. Es gibt einen klaren Ausbauplan, der in jedem Bundesland mindestens eine Gleichbehandlungsanwältin vorsieht. Ich habe im Ausschuß nur gesagt, was ich mit den bescheidenen Mitteln tun kann, die die Frauenministerin hat, die ja zusätzlich nichts bekommen hat. Trotz allem werde ich versuchen, obwohl ich keinen Schilling mehr bekommen habe, einen Pilotversuch in einem Bundesland zu starten. In einem Bundesland, das bereit ist, die notwendige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, werden wir einmal ein Pilotprojekt betreffend diese Gleichbehandlungsanwältin einrichten.

Angeschnitten wurde auch die Frage der Verankerung der De-facto-Gleichberechtigung von Frauen in der Verfassung. – Selbstverständlich ist das ein aktuelles Thema. Wir haben das ja besprochen. Ich habe auch gesagt, daß ich auf Sie zukommen werde, damit wir eine gemeinsame Formulierung finden.

Auch in diesem Zusammenhang sage ich noch einmal: Wir sind so weit nicht auseinander. Wenn uns das wichtig ist, dann glaube ich auch, daß wir das umsetzen können, und ich akzeptiere nicht, daß wir das auf die EU schieben und sagen: Na also, da brauchen oder da können wir nichts machen, weil die EU anderes mit diesem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vorsieht.

Das ist nicht der Fall. Wir haben diese Änderung in der Verfassung lange vorbereitet, bevor überhaupt von einem EuGH-Urteil die Rede war. Es ist nach wie vor so, daß es ja nicht nur darum geht, die Gleichbehandlung im Bundesdienst abzusichern – das wird fälschlicherweise immer miteinander vermengt –, sondern es geht darum, in der Verfassung die De-facto-Gleichbehandlung sozusagen als Staatsziel festzuschreiben – also festzuschreiben, daß uns das in Österreich wichtig ist. Das ist die Idee daran.

Noch einmal: Ich glaube, wir sind nicht so weit auseinander. Ich hoffe, daß wir bei diesen genannten Initiativen – und ich könnte da fortfahren, aber in Anbetracht der späten Stunde will ich das nicht tun – gemeinsame Möglichkeiten finden und daß wir das eine oder andere auch positiv weiterbringen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

22.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.11

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich wende mich nun von der Frauenpolitik ab (Abg. Schaffenrath: Da sind wir überrascht!) und einem anderen Thema zu. (Abg. Ing. Meischberger: Leikam, verstehst du nichts von Frauen?) Doch, doch. (Abg. Ing. Meischberger: Verstehst du nichts von Frauen?) Meischberger, du verstehst etwas vom Auf-das-Handerl-Geben, gelt?

Ich möchte mich einem anderen Thema zuwenden, nämlich dem Rechnungshof – auch ein Kapitel der Obersten Organe. Der Herr Rechnungshofpräsident ist schon über zehn Stunden hier, aber niemand hier hat heute über diese wichtige Einrichtung gesprochen. Damit der Herr Rechnungshofpräsident heute nicht ganz umsonst in das Hohe Haus gekommen ist, darf ich mich in einigen Fragen mit dem Rechnungshof beschäftigen. – Natürlich in aller Kürze, das möchte ich gleich dazusagen.


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Zunächst einmal einen herzlichen Dank den Beamten des Rechnungshofes für die Arbeit, die sie auch im letzten Jahr wieder erbracht haben. Es ist das keine angenehme und leichte Arbeit. Auch ich gehöre zu jenen, die immer wieder Kritik an der Arbeit des Rechnungshofes üben – weniger an der Arbeit der einzelnen Mitarbeiter, sondern eher mehr an der Führung des Rechnungshofes.

Aber trotzdem muß festgestellt werden, daß die Arbeit des Rechnungshofes nicht geringer geworden ist. Die Arbeit ist mehr geworden. Auch wir hier im Parlament haben durch mehrere Sonderprüfungen dem Rechnungshof wesentlich mehr Aufgaben zugeteilt. Allerdings waren wir – das soll auch dazugesagt werden – auch großzügig bei der Zuteilung der Planstellen. Es sind jetzt wesentlich mehr Planstellen für den Rechnungshof vorhanden, als das noch vor zwei Jahren der Fall war.

Herr Präsident Dr. Fiedler! Sie haben etwa vor einem Jahr – es ist heute eigentlich zum ersten Mal Gelegenheit, im Parlament darüber zu reden – medial sozusagen etwas hinausgelassen, das doch einige Diskussionen ausgelöst hat. Sie haben damals gemeint, man müßte den Rechnungshof vom Parlament trennen, wenn ich Sie richtig verstanden habe. – Ich war, ehrlich gesagt, sehr verwundert über Ihre Gedanken, die Sie damals medial in die Öffentlichkeit gespielt haben, denn in der Zeit Ihrer Tätigkeit im Rechnungshof hatte ich immer den Eindruck, daß etwa 95 bis 98 Prozent der Prüffälle von Ihnen angeordnet werden, und zwar in vollem Ausmaß: Wer geprüft wird, wie und in welchem Zeitraum geprüft wird. Und daraus habe ich schon entnehmen können, daß der Rechnungshof als solcher eine Einrichtung ist, die zwar dem Parlament untersteht, das Prüforgan des Parlamentes ist, aber eine sehr breite, eine fast hundertprozentige Eigenständigkeit in bezug auf ihre Aufgabenstellung hat. Es sind nur ganz wenige Teilbereiche dazugekommen, wo das Parlament konkret zusätzliche Prüfungsaufgaben vom Rechnungshof verlangt hat.

Ihre Aussage, Ihre mediale Darstellung, Herr Präsident, hat bei mir zumindest den Eindruck erweckt, als ob Sie in der Arbeit im Rechnungshof vom Parlament behindert würden. Vielleicht können Sie mir dann in Ihrer Stellungnahme noch näher erläutern, wie Sie das gemeint haben.

Dann ein weiterer Punkt, Herr Präsident Dr. Fiedler – ich habe das schon bei der Sitzung im Budgetausschuß gesagt, und ich muß das auch hier wieder tun –: Es ist nach wie vor festzustellen, daß es keine zufriedenstellende Situation gibt, was die Veröffentlichung von Rechnungshofberichten anlangt. Zum einen bei den Rohberichten: Von Fall zu Fall, gerade wenn es politischen Parteien paßt, jenen, die meist in der Opposition sind, erscheint irgendwo ein Rechnungshof-Rohbericht. Es wird dann monatelang öffentlich über ein Unternehmen diskutiert. Das ist nicht gut für das Unternehmen, wenn schon, bevor dieses Unternehmen eine Chance hat, dazu Stellung zu nehmen, in den Medien darüber berichtet wird.

Ich kenne aber wahrscheinlich auch schon Ihre Antwort darauf; es ist in den letzten Jahren immer die gleiche gewesen. Aber ich glaube, Herr Präsident, wir sollten uns alle gemeinsam bemühen, daß solche Rohberichte nicht in die Öffentlichkeit gelangen, bevor das überprüfte Unternehmen eine Chance bekommen hat, dazu Stellung zu nehmen. – Das ist der eine Teil.

Der zweite Teil betrifft den Rechnungshofbericht im gesamten. Es sind in letzter Zeit einige konkrete Fälle zu verzeichnen, in denen die geprüfte Stelle massive Vorwürfe gegen den Rechnungshof erhebt – konkret zum Beispiel der Präsident des Wiener Stadtschulrates, der sogar von einem starken Vertrauensverlust gegenüber dem Rechnungshofpräsidenten spricht, weil ihm zugesichert wurde, und zwar vom zuständigen Sektionschef, daß zugleich mit der Ausfolgung des Rechnungshof-Endberichtes an das Parlament auch die geprüfte Stelle, in diesem Fall der Wiener Stadtschulrat, den Rechnungshof-Endbericht in Händen hat.

Das war aber nicht der Fall: Der Präsident des Wiener Stadtschulrates hat ihn 24 Stunden später erhalten, und es ist wieder zu einer medialen Aburteilung gekommen, ohne daß sich der Präsident des Wiener Stadtschulrates wehren konnte, weil er gar nicht wußte, was alles im Endbericht steht.


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In einem weiteren Fall waren einige Wohnbaugenossenschaften in Kärnten betroffen. Ich habe als zuständiges Mitglied und als Fraktionssprecher der sozialdemokratischen Fraktion im Rechnungshofausschuß vier Tage später, nachdem bereits von den Medien diesbezügliche Fragen an mich gerichtet wurden, wie das zu verstehen sei, was in diesem Rechnungshofbericht enthalten ist, diesen Bericht bekommen. – Ich glaube, so kann es nicht sein, und so darf es auch nicht weitergehen.

Ein letzter Punkt, Herr Präsident Dr. Fiedler, den ich in aller Kürze noch anbringen möchte, betrifft die generelle Wertung bestimmter Ereignisse. Der Rechnungshof ist – wie ich bereits gesagt habe – das Kontrollorgan des Parlaments. Der Rechnungshof soll prüfen; er soll umfangreich prüfen, aber der Rechnungshof soll nicht werten. Er soll keine politischen Wertungen vornehmen; das soll den Politikern vorbehalten bleiben.

Es geschieht immer wieder, daß auch vom Rechnungshofpräsidenten Wertungen in verschiedenste Richtungen vorgenommen werden, die dann, je nachdem, um welche Materie es sich handelt, dankbar von den politischen Parteien aufgegriffen werden. Die Diskussion in der Öffentlichkeit, daß der Rechnungshof nicht frei ist von parteipolitischer Einflußnahme, wird dadurch natürlich verstärkt, wenn es zu politischen Wertungen durch den Rechnungshofpräsidenten in verschiedensten Bereichen kommt.

Ein solcher Punkt, Herr Präsident des Rechnungshofes, betraf die Frage Grenzschutz, wozu Sie eine Stellungnahme abgegeben haben, die natürlich von einem Teil dieses Hauses dankbar aufgegriffen wurde: Sie haben ganz klar eine politische Wertung vorgenommen, die, wie ich meine, den Parteien vorbehalten bleiben sollte – und nicht dem Präsidenten des Rechnungshofes.

Ich darf Sie bitten, Herr Präsident, mir eine Antwort auf diese meine Fragen zu geben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.19

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Meine Herren Präsidenten! Frau Volksanwältin! Herr Volksanwalt! Herr Staatssekretär! – Es wird kompliziert, die Begrüßung bei diesem Kapitel des Budgets richtig über die Bühne zu bringen. – Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ein anderes Thema als das, dem sich mein Vorredner gewidmet hat: die Volksgruppen. Auch sie ressortieren zum Bundeskanzleramt.

Wenn es um die Volksgruppen und um ihre Förderung geht, dann dürfen wir nicht außer acht lassen, daß zwar in den letzten Jahren und Jahrzehnten Fortschritte erzielt worden sind, daß grosso modo Österreich, die Republik, sich nicht zu genieren braucht dafür, wie sie mit den Volksgruppen umgeht, auch was die Finanzen anlangt.

Trotzdem müssen wir erkennen, daß insgesamt zuwenig auf diesem Sektor geleistet wird. Es sind vor allem zwei von den Volksgruppen, die unter das Volksgruppengesetz fallen, die, wie ich die Dinge sehe, finanziell ausgesprochene Engpaßsituationen zu bewältigen haben.

Da ist einmal die Volksgruppe der Roma und Sinti, die vor allem deshalb finanziell mit dem, was ihr zur Verfügung gestellt wird, einfach nicht auf gleich kommen kann, weil sie erst sehr spät – erst in jüngster Vergangenheit – zur Strukturierung, zur politischen Strukturierung gelangen hat können, weil es den Volksgruppenbeirat noch nicht lange gibt und weil daher die finanziellen Zuwendungen, die vor der Gründung des Roma- und Sinti-Volksgruppenbeirates eigentlich schon fällig hätten werden können, nicht zur Zuzählung gelangt sind.

Wenn man die Arbeit der Idealisten, die sich der Dinge der Volksgruppe der Roma und Sinti annehmen, aus der Nähe und aufmerksam betrachtet, dann sieht man, wie die eigentlich von vorne – was heißt von vorne: von unter Null – beginnen müssen bei allem und jedem, und dafür reichen die Mittel einfach nicht.


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Neben den Roma und Sinti scheint mir derzeit die Volksgruppe der Tschechen in Wien besonders in finanziellen Nöten zu sein. Sie hat eine letzte tschechische Schule, die Komenský-Schule im 3. Wiener Gemeindebezirk, zu betreuen. Die Schule kostet viel Geld, sie muß renoviert werden, die Erhaltung kostet ein kleines Vermögen – die Mittel reichen einfach nicht aus. Die Vereine, die eigentlich aus den Volksgruppenförderungsmitteln mitbeteilt werden sollen, verzichten auf große Teile der ihnen an und für sich zustehenden Beträge zugunsten dieser Schule.

Ich appelliere an den Herrn Bundeskanzler als Federführenden in Volksgruppendingen, danach zu trachten, den Roma und den Sinti einerseits und den Wiener Tschechen andererseits Sonderzuwendungen zukommen zu lassen – den Roma und Sinti, weil sie sie einfach brauchen, um die Dinge volksgruppenmäßig durchstehen zu können, den Wiener Tschechen, weil die Komenský-Schule langsam vor sich hin verfällt und man sie eigentlich retten sollte!

In diesem Zusammenhang hat die freiheitliche Fraktion auch einen Entschließungsantrag eingebracht, den ich nun zur Verlesung bringe. Es geht darum, daß man vor allem die beiden von mir erwähnten Volksgruppen stärker bedenken soll, und der Entschließungsantrag lautet wie folgt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ofner, Dr. Graf und Kollegen betreffend die besondere Förderung der Volksgruppen im "Millenniumsjahr"

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundeskanzler wird ersucht, dem Nationalrat im laufenden Finanzjahr eine Vorlage zu unterbreiten, mit der die Volksgruppenförderung um 10 Millionen Schilling erhöht wird, und zwar zur Verwendung dieser Mittel insbesondere für die Ausstattung bestehender Volksgruppeneinrichtungen oder für die Gestaltung von Projekten mit modernen Kommunikationseinrichtungen sowie zum Ausbau und zur Erhaltung von Schulen. Darüber hinaus wird der Herr Bundeskanzler ersucht, sich dafür einzusetzen, daß die versprochenen Maßnahmen zugunsten der Roma und Sinti von den Gebietskörperschaften aller Ebenen, insbesondere auch von seiten der Zentralbehörden des Bundes, noch heuer in Angriff genommen werden."

*****

Das ist nämlich ein anderes Kapitel: Wir erleben immer wieder und auf allen Ebenen und überall – auch heute hier im Haus war es so –, daß man sich des Schicksals der Roma und Sinti erinnert, und häufig ist der fürchterliche Mordanschlag, dessen wir uns immer wieder so erinnern, als ob er erst gestern gewesen wäre, Anlaß dafür, daß wir diese Volksgruppe in unsere Überlegungen einbeziehen. Und was ist ihr, was ist ihren Exponenten nach diesem Anschlag nicht alles versprochen worden – auf der Gemeindeebene, auf der Landesebene, auf der Bundesebene –, und geschehen ist praktisch oder wirklich nichts, meine Damen und Herren! Und da müßte man sich doch aufraffen, ein bisserl davon, was versprochen worden ist und was man nicht gehalten hat, aufzuholen und nachzuholen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist unser Appell, und der Entschließungsantrag, den ich verlesen habe, zielt in diese Richtung.

Ich darf diese Gelegenheit dazu benützen, die minderheitenpolitischen und volksgruppenpolitischen – ich bemühe mich, den Ausdruck "Minderheiten" nach Möglichkeit zu vermeiden, weil er etwas abwertend ist, wie ich die Dinge sehe – Eckpfeiler der freiheitlichen Politik ins Auge zu fassen.

Wir Freiheitlichen bekennen uns rückhaltlos zur kräftigen, wirklich wirksamen Förderung der autochthonen Minderheiten in ihren angestammten Heimatgebieten. Wir sehen uns damit auf dem Boden des geltenden Volksgruppenrechtes und in Übereinstimmung mit den Intentionen der Bundesregierung und – zumindest zum Teil – auch der anderen Oppositionsparteien.


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Wir sind der Ansicht und bereit, mitzuwirken, daß die autochthonen Volksgruppen in ihren Heimatgebieten alles bekommen können, was sie brauchen, und was finanziell überhaupt tragbar ist, um stärker zu werden in ihren Positionen und um ein entsprechendes blühendes Auskommen finden zu können.

Wir sehen aber gleichzeitig zwei Schranken im Zusammenhang mit der Volksgruppenpolitik. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß es keine solchen Maßnahmen außerhalb der autochthonen Gebiete der Volksgruppen geben kann – das heißt, Kärntner Slowenen verdienen jede Förderung in Kärnten, aber nicht etwa in Salzburg, wenn das irgend jemandem einfallen sollte –, und wir sind auch der Ansicht, daß sich aus Neuzuwanderungen keine Volksgruppen im Sinne des Volksgruppengesetzes, im politischen und rechtlichen Sinne dieses Gesetzes, bilden können, weil diesen Neuzuwanderungsgruppierungen der für autochthone Volksgruppen unverzichtbare Beitrag zur Entwicklung der österreichischen Identität eben mangelt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir glauben darüber hinaus und werden nicht müde, das auch zu erwähnen, daß eine positive Volksgruppenpolitik, wie wir sie verstehen – das heißt, eine deutliche Zuwendung zu den Volksgruppen, mit dem festen Willen, sie zu fördern, zu stützen, abzusichern und ein Blühen dieser Volksgruppen in ihrer Entwicklung sicherzustellen –, auf die Dauer keine Einbahnstraße sein wird können! Sehr häufig müssen wir erleben, daß diesen positiven Intentionen diesseits der österreichischen Grenze, getragen von allen politischen Kräften, jenseits der Grenze nichts auch nur annähernd Gleichwertiges gegenübersteht. Ich darf nur an Slowenien erinnern, an Tschechien, an die Slowakei – in Ungarn ist es nicht ganz so dramatisch.

Das heißt, wir werden nicht einen Zentimeter breit von unserer positiven Volksgruppenpolitik abweichen, denn die ist unsere Sache, und wir bekennen uns dazu, sie zu vollführen, aber wir werden nicht müde werden, darauf zu drängen, daß auch jenseits der Grenze den Volksgruppen der Altösterreicher deutscher Zunge ähnliche Rechte zuteil werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir verlangen daher, meine Damen und Herren, von den Verantwortlichen der Republik Österreich, daß sie sich bemühen, grenzüberschreitende Volksgruppenbeiräte – wie immer man sie dann in der Praxis nennen mag – einzurichten, die sich etwa – wenn man die österreichisch-ungarische Grenze im Auge hat – sowohl der ungarischen Volksgruppe auf der österreichischen Seite als auch der Gruppe der Altösterreicher deutscher Zunge auf der ungarischen Seite im gleichen Maße annehmen, um auf die Dauer eine halbwegs adäquate Situation beider Volksgruppen sicherzustellen.

Aber mittelfristiges Ziel wird zu sein haben, daß wir uns bemühen, die Einrichtung des längst überall verlangten, aber leider in der Praxis noch weit entfernten gesamteuropäischen Volksgruppenrechtes durchzusetzen, eines Volksgruppenrechtes, das nicht nur auf geduldigem Papier stehen soll, sondern das auch durchsetzbar, und zwar in ganz Europa durchsetzbar, und damit entsprechend effektiv sein soll.

Das sind die Vorstellungen der Freiheitlichen auf dem Volksgruppensektor, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

22.28

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident des Nationalrates! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt und – last but not least – Herr Staatssekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Eine Abgeordnete, die jahrelang den Stopp der Gesetzesflut auf ihre Fahnen geheftet hat (Abg. Motter: Die bei den Gesetzen mitgestimmt hat!), meldet sich zu Wort, kritisiert eben diese, von ihr mitproduzierte Gesetzesflut


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und teilt gleichzeitig mit, daß sie dem größten Gesetzesungetüm, das im Zuge der Budgetkonsolidierung notwendig geworden ist, zustimmen wird. – Das scheint allen schizophren zu sein, aber ich verantworte mich damit ... (Abg. Wabl: Es scheint nicht nur so!) Es scheint! Nur für Sie, Herr Wabl, scheint das nicht nur so, weil Sie nicht dahinterblicken können, dazu fehlt Ihnen leider der politische Intellekt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Doppelstrategie: von hinten!)

Ich verantworte mich damit, daß die Budgetkonsolidierung absolute Priorität hat und daß sie kurzfristig nur auf diese Weise eingeleitet werden kann. Es ist gewissermaßen dem höheren Ziel das im Moment weniger Wichtige unterzuordnen.

Mit etwas Koketterie stelle ich fest, daß ich zur absoluten Minderheit hier im Haus gehöre: Ich bin nämlich weder Juristin noch öffentlich Bedienstete. Beide Berufsgruppen sind von wegen Regelungswut "berühmt" und mit der Regelungswut vertraut. Ich stelle die fast provokante Frage, ob wir vielleicht deshalb an der Spitze dieses Hauses drei Professoren der juridischen Fakultät haben und ob deshalb alle Klubobleute hochqualifizierte Juristen sind. Oder besteht vielleicht ein umgekehrter Zusammenhang aufgrund dieser Tatsache, nämlich daß die Gesetze von Juristen und öffentlich Bediensteten für Juristen und öffentlich Bedienstete produziert werden? (Abg. Wabl: Das spielt sicher keine Rolle!)

Herr Wabl! Ich brauche keinen Minderheitenschutz, und vor allem nicht von Ihnen, glauben Sie mir das! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Ofner. )

Aber, meine Damen und Herren, ich vermag ein frühlingshaftes Knospen der Hoffnung zu erkennen, daß die Bewußtseinsarbeit endlich Erfolg zeigt. Wir haben im Regierungsübereinkommen die Gesetzesbereinigung im koalitionsfreien Raum. Wir veranstalten hier im Parlament am 15. Mai eine Enquete, die sich mit dem Thema "Folgekosten der Gesetze" beschäftigen wird. Ich erinnere, Herr Staatssekretär Schlögl, an die Äußerungen – auch diese haben mir große Hoffnung verliehen – der Präsidenten der obersten Gerichtshöfe. Und vor allem der Zuspruch des Ersten Präsidenten dieses Hauses hat mir wahrlich Hoffnung verliehen. Am 23. August 1993 hat Fischer wörtlich zu diesem Problem geäußert – ich zitiere den Herrn Präsidenten –:

"Die Kritik an der heimischen Gesetzesflut, die die steirische ÖVP-Abgeordnete Cordula Frieser heute geübt hat, sei legitim. Ebenso legitim sei aber auch der Hinweis, daß es kein konkretes Rezept dagegen gebe. Die Vielzahl von Gesetzen führt nicht auf Beschäftigungswut zurück, sei auch nicht Jux und Tollerei, sondern finde ihre Begründung in der sehr komplizierten und komplexen Gesellschaft und dem ..." (Abg. Ing. Langthaler: Stimmen Sie zu?)

Sie waren leider nicht da, Frau Kollegin Langthaler, ich habe es vorhin begründet. Aber Sie können es im Stenographischen Protokoll nachlesen, oder vielleicht wird Sie der Herr Kollege Wabl aufklären. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber darf ich Herrn Dr. Fischer fertig zitieren: "... und dem strengen rechtsstaatlichen Prinzip."

Und noch mehr hat mich seine Erklärung vom 18. Jänner dieses Jahres erfreut. Fischer wörtlich: "Wir müssen weg von der Auffassung, daß besonders viele Gesetze ein Leistungsnachweis des Nationalrates sind." – Diese Erkenntnis des Präsidenten stimmt mich wirklich hoffnungsvoll.

Meine Damen und Herren! Wir müssen in den nächsten Jahren wirklich handeln. Bei einem Weltwährungskongreß haben Fachleute festgestellt, daß etwa 120 Milliarden Schilling jährlich an Überbürokratisierungskosten in unserem Staate Österreich "produziert" werden.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich habe bisher zu diesem Thema noch keinen wirkungsvollen oder konstruktiven Vorschlag von Ihnen vernommen. (Abg. Dr. Graf: Weil Sie nicht zuhören!) Sie machen sich bemerkbar durch Maisverteilungen, durch Drapieren von Rinderköpfen in Ihren Sitzreihen, durch namentliche Abstimmungen, Herr Kollege, und dann und wann durch Pressekonferenzen.

Es geht aber, meine Damen und Herren, nicht um Schuldzuweisung an jeden von uns, sondern es geht vielmehr um zukünftige Lösungen, und daher meine vordringlichste Forderung an uns


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als einen Teil der Obersten Organe: Nutzen wir jetzt die Spargesinnung auch auf der Ebene der Gesetzesproduktion und verordnen wir uns eine asketische und qualitativ hochstehende Normengebung! Mit "qualitativ" reduziere ich nicht meine Forderung ... (Abg. Dr. Khol: Asketisch und qualitativ hochstehend! Super!) Das wäre überhaupt das beste Rezept, Herr Klubobmann!

Ich reduziere meine Forderung mit "qualitativ" nicht nur auf die Seitenanzahl, sondern ich sehe darin vielmehr Merkmale und wichtige Aspekte.

Da ist zuerst einmal die Rechtsbereinigung auf allen Ebenen, verständlichere Gesetzestexte und klare Regelungen und eine Überprüfung der Gesetze auf ihre Notwendigkeit, auf die Sinnhaftigkeit, auf die Durchführbarkeit und auf die Kostenbelastung – und das sollte hier im Haus von einem Legislativdienst durchgeführt werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß wir bei der Gesetzwerdung und bei der Gesetzesproduktion auf die wertvollen Ressourcen des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft nicht verzichten können.

Ein wichtiges Anliegen der Volksanwaltschaft ist eine bessere Einbindung in den Gesetzwerdungsvorgang. Dadurch könnten mögliche Behördenprobleme der Bürger präventiv behoben werden. Schon jetzt begutachten die Fachleute der Volksanwaltschaft die Vorlagen von Bundesgesetzen. Das wird in Zukunft auch für Landesgesetze in jenen sieben Bundesländern der Fall sein, in denen die Volksanwälte auch Landesvolksanwälte sind.

Meine Damen und Herren! Nicht zuletzt wünschen sich die Volksanwälte eine gesetzliche Verankerung ihrer Möglichkeit, legistische Anregungen als Ergebnis ihrer Prüftätigkeit zu machen. Und, meine Damen und Herren, meine Volksanwälte, wir von der ÖVP werden diese Ihre Forderung und diesen Ihren Wunsch sehr gerne unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend lassen Sie mich Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe – nicht "von Schüssel" – zitieren, der gemeint hat: Wenn man alle Gesetze studieren wollte, so hätte man gar keine Zeit, sie zu übertreten. – Wenn das unsere Maxime wäre, dann wären wir heute ohne Kriminalität. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.37

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Da ich schon die längste Zeit die Angst gehabt habe, daß die Volksanwaltschaft ohne jegliche Ansprache seitens der Abgeordneten diese Diskussion verbringen muß und ich jetzt Gott sei Dank erleben konnte, daß diese Ansprache doch gegeben war, möchte ich diese Gelegenheit noch dazu benützen, ebenfalls einige Worte an die Volksanwaltschaft zu richten.

Ich habe da eine Aussendung des Pressedienstes der Volksanwaltschaft vor mir liegen, von Herrn Volksanwalt Schender, und ich muß sagen: Ich habe mich sehr gefreut, als ich diese Presseaussendung betreffend Scientology gelesen habe, weil ich das Gefühl habe und mir das sehr wichtig ist, daß die Volksanwaltschaft sich eines Themas annimmt, das nicht gerade zu den Kernbereichen ihrer Tätigkeit gehört, und weil das in einer Art geschehen ist, von der ich meine, daß es gut ist, daß das so gemacht wird, daß da ein Thema angesprochen wird, das im Interesse des Bürgers thematisiert wird, wo sehr viele Menschen in diesem Land – sehr viele Betroffene, das sind hauptsächlich Angehörige – eindeutig das Gefühl haben müssen, sie werden vernachlässigt seitens der Behörden, seitens der Ministerien, seitens der Öffentlichkeit, weil sich niemand um ihre Interessen kümmert.

Herr Volksanwalt! Auch wenn Sie mir politisch nicht nahestehen, muß ich anerkennen, daß da sehr deutliche Worte zur Tätigkeit einer bestimmten Gemeinschaft gefunden wurden, die ich hier ausdrücklich nicht als Religionsgemeinschaft bezeichnen will, weil es sich, wie Sie auch


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richtig festgestellt haben, hauptsächlich um ein wirtschaftliches Unternehmen handelt. Und von Ihrer Seite erfolgt auch die Beurteilung beziehungsweise der Versuch, das in dieser Richtung anzusprechen.

Ich möchte nur Bezug nehmen auf Ihren Bericht – auch der Volksanwaltschaft – von 1995, weil Sie in einem anderen Kontext auch die Frage der Zeugen Jehovas beziehungsweise der Verweigerung des Wehrdienstes durch Zeugen Jehovas ansprechen. Ich halte es für richtig und wichtig, daß Sie das machen, daß Sie den Gesetzgeber beziehungsweise die Behörden darauf aufmerksam machen, daß da in völlig unterschiedlicher Weise vorgegangen wird. Es ist das ein höchst sensibles Thema, das jedoch seitens der Behörden völlig unzureichend, wie ich meine, thematisiert wird und auch für die Angehörigen – in diesem Fall einer Religionsgemeinschaft – völlig ungenügend beantwortet wird.

Ich meine aber auch in einem anderen Zusammenhang – und dabei bleibe ich noch immer bei den Zeugen Jehovas –, daß es wichtig wäre, so richtig Sie dieses Thema in der Frage Wehrdienst auch ansprechen, daß Sie sich die Frage der Tätigkeit von Religionsgemeinschaften, Kulten und Sekten einmal aus deren eigener Sicht näher ansehen. Ich habe gerade in dieser Woche über einen Fall bei den Zeugen Jehovas gehört, der in seiner Dimension unglaublich ist und bei dem offensichtlich ebenfalls niemand bereit ist – und darum möchte ich diesen Fall auch ganz kurz darstellen –, für die Betroffenen das Wort zu erheben.

Es geht um den Fall eines Gastarbeiters, der 24 Jahre lang in Österreich ist und dessen beide Kinder zu den Zeugen Jehovas gegangen sind. Wie Sie vielleicht wissen, werden bei den Zeugen Jehovas die religiösen Feste nicht wie bei uns gefeiert. Die beiden Söhne haben das Feiern des gemeinsamen Weihnachtsfestes zu Hause verweigert und haben gesagt: Wir können und wollen nicht mitfeiern. Daher sind sie in eine Notschlafstelle einer großen Stadtgemeinde gegangen, um dort zu nächtigen. Diese Gemeinde hat den Eltern dann, weil die Jugendlichen erst 17 Jahre alt waren, eine Kostenvorschreibung von 1 800 S pro Tag vorgelegt. Um die Bezahlung dieser Kosten für die Nächtigung während der Weihnachtstage, die die Jugendlichen nicht zu Hause verbracht haben, weil sie von ihrer Religionsgemeinschaft angehalten werden, Weihnachten nicht zu Hause zu feiern, wird seit Jahr und Tag gestritten, und offensichtlich findet sich niemand, der sich mit dieser Frage näher auseinandersetzt. Ich würde meinen, das ist zwar eine kleine Tragödie, aber in ihrer Dimension und in ihrer Bedeutung für die Betroffenen völlig unerahnt.

Ich bin froh darüber, Herr Volksanwalt, daß Sie in Fragen "Scientology" und ich hoffe auch in der Frage anderer Religionsgemeinschaften beziehungsweise Sekten und Kulten, die auch hier im Haus derzeit bei den politischen Parteien missionieren und die Runde abgehen und versuchen, wie am Beispiel "Scientology" zu zeigen wäre, in diesen Tagen Stimmung zu machen ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die waren offensichtlich nur bei Ihnen!) Ich weiß, daß sie auch bei Ihnen waren! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Habt ihr Spitzel?)

Es wird versucht, Stimmung zu machen bei den Parteien in diesem Hause. Ich bin daher sehr froh darüber, daß nicht nur der Herr Volksanwalt, sondern die Volksanwaltschaft insgesamt eindeutig in diesem Sinn Partei ergreift, und ich hoffe auf eine weitere gute Zusammenarbeit! (Beifall bei den Grünen.)

22.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Grabner. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Noldi! Drei Minuten!)

22.43

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sport bedeutet einen wichtigen Teil der Lebensgestaltung. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben schon lange keinen betrieben!) Sie fangen schon wieder an zu matschkern! Wenn Sie hier beim Rednerpult sind, sagen Sie immer: Herr Präsident, bitte, die sind schlimm! Die geben keine Ruhe! – Jetzt sind aber Sie diejenige, die ununterbrochen spricht! (Beifall des Abg. Dr. Khol. )


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Meine Damen und Herren! Ich möchte einmal ein Dankeschön dafür sagen, daß dem Sport im Koalitionsübereinkommen ein wichtiger Platz eingeräumt wird und daß der Sport auch weiterhin ins Bundeskanzleramt ressortiert. Das ist eine gewisse Anerkennung.

Herr Abgeordneter Haider hat heute gemeint: Der Herr Bundeskanzler wird auf den verschiedenen Sportveranstaltungen fotografiert, und so weiß jeder in Österreich, daß der Bundeskanzler auch Sportminister ist. – Darauf kann ich sagen: Wenn bei einer Veranstaltung des Bundesheeres der Verteidigungsminister anwesend ist, dann wird selbstverständlich auch dort fotografiert. Nur der Herr Haider weiß das nicht! (Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Ich glaube, der Sport hat sein Haus in Österreich gut bestellt. Es wird auch immer wieder reorganisiert: Beim Olympischen Komitee ist jetzt Präsident Dr. Wallner an der Spitze, bei der BSO sind es Herr Bundesminister außer Dienst Dr. Löschnak und Professor Kucera, Generalsekretär ist Dr. Jungwirth, bei der Sporthilfe ist jetzt Mag. Schwab an der Spitze, beim IMSB Professor Holdaus und beim Fußballverband Generalsekretär Ludwig, um nur einige zu nennen.

Meine Damen und Herren! Die Mittel für die allgemeine Sportförderung blieben vom Jahre 1995 auf 1996 praktisch gleich. Für 1997 wird das Förderungsbudget von 184 Millionen Schilling auf 191 Millionen Schilling erhöht. Bei den besonderen Sportförderungsmitteln, den ehemaligen Totomitteln, wird die Valorisierung für 1996 und 1997 ausgesetzt, sodaß für diese beiden Jahre jeweils 400 Millionen Schilling zur Verfügung stehen. Ab 1998 wird auf der Basis von 400 Millionen Schilling wieder valorisiert. Meine Damen und Herren! Dies ist ein Beitrag des Sportes zur Budgetkonsolidierung.

Wo liegen die Schwerpunkte der Sportförderung? – Die Schwerpunkte der Sportförderung liegen bei der Vorbereitung für die Olympischen Spiele in Atlanta im Rahmen des Spitzensport-Ausschusses, dotiert mit 9,5 Millionen Schilling. Für die Nachwuchsförderung gibt es erstmalig für 1996 und 1997 je 12 Millionen Schilling. Für die Frauen-Sportförderung, meine Damen und Herren, gibt es erstmalig – ich glaube, das ist sehr wichtig – 3 Millionen Schilling ab dem Budget 1996.

Eines darf ich gleich sagen, und zwar, daß wir uns nicht zu große Erwartungen für Atlanta machen sollten. Wenn wir zwei, drei Medaillen bekommen, werden wir, wie ich meine, sehr glücklich sein, denn es handelt sich ja nicht um Wintersportarten. (Abg. Dr. Feurstein: Eine Medaille bei den Schützen!) Ich würde mich darüber freuen, darf dir heute schon gratulieren und hoffe, daß das auch wahr werden wird.

Weiters wird die sportwissenschaftliche und sportmedizinische Beratung von 5,1 Millionen auf 7,5 Millionen Schilling für 1996 und 1997 erhöht.

Meine Damen und Herren! Ein sehr wichtiger Punkt ist die Dopingkontrolle. Derzeit gibt es dafür 1,4 Millionen, für 1996 1,9 Millionen und für 1997 2,1 Millionen Schilling.

Im Investitionsbereich liegen die Schwerpunkte beim Nordischen Zentrum Villach: 1996 3,1 Millionen, 1997 3 Millionen.

Beim Stadion Salzburg werden die Raten erst genau ausverhandelt.

Für die Schiflugschanze Kulm wurden 3 Millionen Schilling im heurigen Jahr zur Verfügung gestellt und für die Sanierung des Stadions in Graz-Liebenau 1996 60 Millionen und 1997 wiederum 60 Millionen.

Meine Damen und Herren! (Abg. Scheibner: Was gibt es fürs Horr-Stadion?) Man sieht bei dir: Du hast nicht nur von der Landesverteidigung wenig Ahnung, sondern von Sport überhaupt keine. Daher wäre es besser, du würdest ruhig sein! Dann würde es nicht auffallen, daß du überhaupt keine Ahnung hast! (Abg. Scheibner: Ich frage ja nur!)

Meine Damen und Herren! Für die Infrastrukturmaßnahmen für die nordischen Skiweltmeisterschaften Ramsau werden 1997 3 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt.


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Ich glaube, es ist auch sehr wichtig, daß viele Großveranstaltungen in Österreich durchgeführt werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Gestatten Sie keine Zwischenfragen?) Ich bin froh darüber, daß die Sportbevölkerung Österreichs nicht hört, was Abgeordnete der Fraktion der Freiheitlichen bei einem so wichtigen Punkt dazwischen schreien und wie "ernst" sie diese Angelegenheit nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

In diesem Zusammenhang kann man nur sagen: Dieser Kollege bekäme im Sport die gelbe Karte, und wenn er nicht bald ruhig ist, auch die rote Karte! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es wird sehr wichtige Großveranstaltungen im heurigen und auch in den folgenden Jahren in Österreich geben. Die Skiflugweltmeisterschaft war eine Werbung für Österreich. Auch dank der Arbeit des Exweltmeisters Neuper war sie gut organisiert, und daß ein Österreicher dann auch noch den Weltmeistertitel errungen hat, war mehr, als wir gehofft haben.

Derzeit schaut die ganze Welt auf Österreich, weil die Eishockey-Weltmeisterschaft hier stattfindet. (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt. ) Frau Kollegin Schmidt! Die sportbegeisterte Welt schaut auf Österreich! Die Europameisterschaft im Fußball unter 16 wird in wenigen Tagen in Niederösterreich und in Wien durchgeführt werden. Die Eisschützen-Europameisterschaft, die Kanu-Weltmeisterschaft und die Heißluft-Europameisterschaft (Abg. Mag. Kukacka: Die machst du gerade!) werden heuer durchgeführt werden, um nur einige zu nennen.

Für 1997 und 1998 sind die Leichtathletik-Europacup-Meisterschaften, die Rodel-Weltmeisterschaften, die Ski-Junioren-Weltmeisterschaften und viele andere ... (Abg. Dr. Graf: Und was ist mit den Mountainbikern?) Ich komme schon noch dazu! Viele andere Weltmeisterschaften und Europameisterschaften werden auch noch in Österreich durchgeführt werden.

Meine Damen und Herren! Weil die Freiheitlichen diese Angelegenheit so "ernst" nehmen, möchte ich sagen: Es gibt über 20 000 Sportvereine mit Hunderttausenden Funktionären, und wenn man die ehrenamtliche Arbeit dieser Funktionäre, die ihre Freizeit opfern, mit nur 100 S bezahlen müßte (Abg. Dr. Graf: Für welche Zeit?), dann wären das über 30 Milliarden Schilling! Also: Das "Gold" des Sportes sind die Funktionäre in Österreich, die ihre Freizeit zur Verfügung stellen! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die Trainerausbildung in Österreich ist sehr gut. Ich möchte auch den vielen hauptamtlichen und nebenamtlichen Trainern ein Dankeschön sagen, die sich ausbilden lassen. – 4,5 Millionen Schilling werden für den Versehrtensport jährlich zur Verfügung gestellt, und viele Medaillen wurden von den Spitzensportlern und von den Versehrtensportlern für Österreich nach Hause gebracht. (Zwischenruf des Abg. Ing. Meischberger. ) Du kannst dich mit dem Kapitel "Finanzen" ein bissel beschäftigen, aber nicht mit den Problemen des Sports! Du kannst Fußballer verkaufen und das Geld in den Tresor legen, aber mit ernsten Sportangelegenheiten kannst du dich nicht beschäftigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Auch die Entwicklung der sportärztlichen Betreuung in Österreich ist sehr gut und hat internationale Anerkennung. Ich möchte von dieser Stelle aus dem IMSB und Herrn Professor Holdaus für seine Arbeit mit den Damen und Herren der Abteilung herzlichst danke schön sagen.

Auch Doping ist ein wichtiger Bestandteil ... (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Die derzeitige Organisationsform der Abwicklung von Dopingkontrollen hat sich bewährt. Dem österreichischen Anti-Doping-Komitee als Kommission der BSO gehören sieben Mitglieder an: Zwei stellt der Bund, zwei die Länder, zwei die BSO und eines das Österreichische Olympische Komitee.

Meine Damen und Herren! Auch der Schulsport und die Entwicklung der Leistungszentren sind nicht mehr weg zu denken aus Österreich. Ohne die Schihandelsschule Schladming und das Schigymnasium Stams könnten die genannten Leistungen nicht erbracht werden. Aber der


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Schulsport ressortiert nicht ins Bundeskanzleramt, sondern fällt in die Kompetenz des Bundesministeriums für Unterricht.

Meine Damen und Herren! Wir haben uns in den letzten Wochen und Monaten schon sehr oft mit Mountainbikes beschäftigt. (Bravoruf und Beifall des Abg. Mag. Steindl. ) Sehr oft wurde kritisiert, wenn wir verlangt haben, daß in diesem Zusammenhang das Gesetz gelockert wird. Heute hat der Herr Landeshauptmann von Tirol diese Forderung aufgestellt. Ich werde ihn diesbezüglich unterstützen, und ich hoffe, auch alle von ÖVP und SPÖ. (Beifall der Abg. Mag. Guggenberger und Mag. Schweitzer. )

Ob wir wollen oder nicht: Wir werden uns mit diesem Problem beschäftigen und es im Interesse des Sportes und im Interesse des Tourismus lösen müssen. Aufgabe einer guten Sportpolitik muß daher auch die Schaffung entsprechender finanzieller und infrastruktureller Voraussetzungen für eine individuelle Gestaltung der Freizeit und des Sportes für die Bevölkerung sein.

Meine Damen und Herren! Dies garantieren die Dachverbände in Österreich. Wenn sie auch oft kritisiert werden: Ohne die drei Dachverbände könnte in Österreich kein Breitensport durchgeführt werden. (Beifall bei der SPÖ, bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

22.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Hast du in der Tasche, die du trägst, dein Nachtgewand?)

22.55

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohe Volksanwaltschaft! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! – Lieber Kollege Grabner! Ich teile deine Meinung, daß ehrenamtliche Funktionäre wirklich wichtig im Sport sind! (Abg. Grabner: Sag das Scheibner!) Ich kann dir versichern, daß ich seit meinem 14. Lebensjahr in verschiedensten Sportarten als ehrenamtlicher Funktionär tätig bin, und ich bin stolz darauf, für die österreichische Jugend etwas getan zu haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte auf eine einzelne Position in den Budgets 1996/1997 im Zusammenhang mit der Sportförderung eingehen, nämlich auf die Sanierung des Casinostadions Salzburg-Lehen: Es handelt sich hiebei um ein signifikantes Beispiel dafür, wie trotz Übereinstimmung in Bund, Land und Gemeinde ein Projekt verzögert, wenn nicht gar verhindert wird, und zwar vor allem deshalb, weil in diesem Fall ein Pingpongspiel zwischen dem Bund und der Gemeinde Salzburg gespielt wird, das nicht zielführend ist.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich habe Ihnen diese Problematik am 17. April hier im Haus geschildert. Sie haben mir eine wohlwollende Behandlung dieser Angelegenheit zugesagt, aber gleichzeitig gemeint, das sei keine formelle Zusage. Mit besonderem Interesse habe ich dann am nächsten Tag eine APA-Meldung, die ich auf den Schreibtisch bekommen habe, studiert, laut welcher der sozialdemokratische Landeshauptmann-Stellvertreter Gerhard Buchleitner in Salzburg nach einem Gespräch mit Ihnen, sehr geehrter Herr Staatssekretär, gesagt hat, Sie hätten ihm eine verpflichtende Erklärung gegeben. – Herr Staatssekretär! Ich darf mich sehr herzlich bei Ihnen dafür bedanken, daß Sie auf meinen Hinweis so rasch reagiert haben und Ihrem Parteikollegen in Salzburg diese verbindliche Zusage gegeben haben.

Das hatte aber zur Folge, Herr Staatssekretär, daß der Finanzreferent der Stadt Salzburg, Bürgermeister Dechant, leicht ironisch angemerkt hat, daß er bereits mit drei Vertretern des Bundes in dieser Causa verhandelt, aber noch immer keine schriftliche rechtsverbindliche Zusage hinsichtlich der Finanzierungsbeteiligung des Bundes habe.

Ich frage Sie daher, Herr Bundesminister: Welchen Zeithorizont können Sie uns für die Abgabe dieser rechtsverbindlichen schriftlichen Zusage des Bundes auf Mitfinanzierung dieser Stadionsanierung in Salzburg nennen? Denn wenn diese Zusage nicht gegeben wird, dann geht dieses Pingpongspiel weiter und es kommt zu keiner Erledigung der Sache. Ich möchte Sie also wirk


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lich dringend ersuchen, sehr geehrter Herr Staatssekretär, diese schriftliche Zusage unverzüglich der Stadt Salzburg zu übermitteln, damit sich der Finanzreferent der Stadt Salzburg, Bürgermeister Dechant, nicht mehr hinsichtlich der fehlenden Zusage auf den Bund ausreden kann.

Herr Staatssekretär! Wiewohl ich weiß, daß Ihr Herz mehr für "Grün-Weiß" schlägt, darf ich Sie trotzdem bitten, die "Violetten" in Salzburg nicht zu vergessen. Um Sie visuell und akustisch immer daran zu erinnern, daß Sie Ihre Zusage einhalten und diese schriftliche Erklärung übersenden, darf ich Ihnen, sehr geehrter Herr Staatssekretär, das Maskottchen von Casino Austria Salzburg mit dazugehöriger "Bully"-CD überreichen. (Der Redner überreicht Staatssekretär Mag. Schlögl das Maskottchen und die CD.) So werden Sie immer daran erinnert, daß die Stadionsanierung endlich in Angriff genommen werden muß! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.59

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was anderen Themenbereichen nicht vergönnt war, scheint dem Sport vergönnt zu sein: daß er in einer schönen Abfolge der Wortmeldungen zur Sprache kommt.

Unter dem Titel 107: Sportangelegenheiten verbirgt sich ein Budgetumfang von immerhin 821 Millionen im Jahr 1996 und von sogar 828 Millionen Schilling im Jahr 1997. Wir sind also, lieber Noldi, von einer Sportmilliarde gar nicht weit entfernt, was den Bund betrifft. Dazu kommt noch eine weitere Milliarde auf Länderebene, die für den Sport ausgegeben wird, und dann kommen noch die Gemeinden mit ihren vielfältigen Sportförderungsaktivitäten dazu. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Diese umfangreichen Mittel für den Sport werden vor allem für die Beschickung und Durchführung von Wettkämpfen und Lehrgängen und für die Errichtung und Erhaltung von Sportstätten ausgegeben. Kollege Grabner! Du hast viele davon schon aufgezählt. Es hat allerdings nicht jeder an einem Einzelprojekt Interessierte Gelegenheit, das hier im Hohen Haus vorzutragen und noch eindrucksvoll mit der Überreichung eines Maskottchens an den Herrn Staatssekretär zu unterstreichen. Es warten noch viele solche wichtige Projekte auf ihre Realisierung.

Die Mittel gehen an den Leistungs- und Spitzensport genauso wie in den Betrieb von elf für den Sport und für die Unterstützung des Sports sehr wichtigen Bundessport-Einrichtungen, etwa von Bundessportheimen, genauso wie in die Förderung verschiedener Spezialprojekte zur Förderung des Sports über die verschiedensten Sportorganisationen, angefangen von der Bundessportorganisation über das IOC, die Dach- und Fachverbände, Vereine und auch die Gemeinden.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sport bedeutet einerseits Gesundheitsvorsorge, andererseits Bildung, Erziehung und Integrationshilfe. Er ist auch Identifikationssymbol und ist auch – bitte das nicht zu vernachlässigen und zu vergessen – ein nicht unbedeutender Wirtschaftsfaktor: Man beziffert in der EU den Anteil des Sports am Gesamtbruttoinlandsprodukt mit etwa 1 Prozent. Das muß man sich einmal vor Augen führen! Träger dieser verschiedensten Sportaktivitäten sind die Vereine, Verbände und Gemeinden. Vor allem haben sie – das sei unbestritten – die Fachkompetenz in diesen Bereichen, und sie verdienen für das, was sie mit ihren ehrenamtlichen Funktionären leisten, unsere besondere Anerkennung und auch unsere besondere Unterstützung!

Die Politik kann den Sport nicht im Sinne der Verbände betreiben lassen; die Politik kann aber Rahmenbedingungen für den Sport gestalten, und dazu sind wir aufgerufen: Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, Koordination bieten und vor allem auch neue Impulse in den Sport bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Einer, der das sehr intensiv und fundiert getan hat, war unser aus dem Amt geschiedener Staatssekretär Gerhard Schäffer. In seiner Amtszeit wurde eine gründliche und grundlegende Analyse der Situation im Sport vorgenommen, bei der festgestellt werden mußte, daß es verschiedene Problembereiche gibt, sei es die Nachwuchsarbeit, sei es die sportwissenschaftliche Betreuung, sei es auch die soziale Absicherung von Spitzensportlern, aber leider auch ein gewisses Maß an Bürokratie in den Sportorganisationen. Er hat es sehr gut geschafft, Lösungsansätze für diese Probleme zu finden, zum Beispiel durch die Schaffung einer Nachwuchstrainer-Akademie, durch die Einsetzung von sportwissenschaftlichen Koordinatoren, durch die Vorbereitung eines Beschäftigungsprojekts für Frauen im Spitzensport, welches jetzt durch die Öffnung der HSNS für Frauen noch verbessert werden kann.

Mag. Schäffer hat mit der Debatte über die Finanzmittel eine, wie ich meine, wichtige Diskussion in die Dachverbände gebracht, die nur dem Ziel dienen soll, notwendige Reorganisationsmaßnahmen in Angriff zu nehmen beziehungsweise einzuleiten; die Sicherung der Schulturnhallen für den Vereinssport sei in diesem Zusammenhang erwähnt.

Ich möchte mich an dieser Stelle wirklich sehr herzlich bei unserem aus dem Amt geschiedenen Staatssekretär Gerhard Schäffer bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte abschließend noch auf einige vor uns liegende Ziele und Aufgaben im Sport verweisen: Ich habe schon die Heeressport- und Nahkampfschule erwähnt, die bisher sehr, sehr wertvolle Dienste geleistet hat. (Abg. Grabner: Gesetzlich verankert!) Richtig! Genau das wäre jetzt gekommen, lieber Noldi! Die Heeressport- und Nahkampfschule soll erstens für Frauen geöffnet werden und zweitens eine gesetzliche Verankerung im Wehrgesetz finden. (Beifall des Abg. Grabner. ) Ich glaube, daran sollten wir arbeiten.

Ebenso sollten wir das Problem der Sozialversicherungspflicht für Amateursportler und Trainer mit Werkverträgen, das wir leider nur zum Teil lösen konnten – Noldi nickt –, einer endgültigen Lösung zuführen.

Desgleichen müssen wir das Thema Freizeitunfälle und Versicherung in diesem Bereich lösen. Ich warne bei dieser Gelegenheit davor, das gesamte Thema Freizeitunfälle mit dem Teilsegment der Sportunfälle zu vermischen. Ich warne davor, es sich zu einfach zu machen und nur den Sport als Problemverursacher heraus zu picken. Wir müssen eine Lösung für das gesamte Problem finden.

Es gäbe noch vieles zu diesem Thema zu sagen. Gott sei Dank ist es auch gelungen – Noldi Grabner hat das ebenfalls schon erwähnt –, die Valorisierung der besonderen Bundessportförderungsmittel ab 1998 wieder sicherzustellen.

Viele Dinge gilt es anzupacken. Herr Staatssekretär Schäffer steht uns dafür leider nicht mehr zur Verfügung. Der Sport bleibt im Bundeskanzleramt. Herr Staatssekretär Schlögl! Wir haben uns schon ganz kurz einmal darüber unterhalten. Ich hoffe, wir können das zu gegebener Zeit einmal ausführlicher tun. Ich und mit mir viele, die im Sport tätig sind, rechnen wirklich sehr stark mit Ihrer Unterstützung!

Sie, Herr Staatssekretär, können Ihrerseits mit der Unterstützung von, wie ich glaube, zumindest einigen Parlamentariern hier im Hause rechnen, die Sie bei dieser Aufgabe unterstützen wollen und unterstützen werden. Packen wir es gemeinsam an! Ich habe vorher einige Dinge aufgezählt, die zu tun sind. Gehen wir die Dinge möglichst rasch gemeinsam an! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. Er hat das Wort.

23.08

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Werter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Grabner hat mich durch seinen Beitrag dazu gebracht, mich doch noch auf die Rednerliste setzen zu lassen, damit nicht, wie er ge


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sagt hat, nur "Ahnungslose" von freiheitlicher Seite zum Thema Sport sprechen. Ich hätte lieber mit dem Herrn Sportminister gesprochen, aber er hat seinen Reservisten hergeschickt. (Zwischenruf des Abg. Grabner .) Es ist ja nicht so leicht, mit einem Kompetenten in Sachen Sport in unserer Republik zu reden. Trotzdem, Herr Staatssekretär: herzlich willkommen! Herr Bundeskanzler Vranitzky ist ja, wie wir gehört haben beziehungsweise annehmen dürfen, jetzt als Sportminister am Ball, also der derzeitige Ballführer, und als "Kompetenzkickerl" hat er den österreichischen Sport mit ein paar Sätzen erwähnt.

Ich möchte jetzt zurückdenken und die Wertigkeit dieser wichtigsten Nebensache der Welt kurz darstellen: Am Ball war seinerzeit das Unterrichtsministerium. 1986 gab es einen langen Paß ins Unterrichts- und Kunstministerium. Damals tauchte erstmals – siehe da – das Wort "Sport" als Anhängsel zu "Unterricht und Kunst" auf. Dr. Moritz war am Ball. Er hat aber dann einen kurzen Paß zur Frau Dr. Hawlicek hinüber gegeben. Diese verlor das Leder kampflos an den Ressortleiter des Bundesministeriums für Gesundheit und Sport. Dann hat man noch, um den Sport entsprechend zu relativieren, den Konsumentenschutz hinzugefügt: Herr Minister Ausserwinkler hat sich kurzfristig darum bemüht, hat aber, nach eher erfolglosem Dribbeln, den Ball vor einem guten Jahr an ein Staatssekretariat abgegeben.

Kollege Schäffer wurde hier gelobt, eigentlich der erste Fachmann in dieser Sache. Die Hoffnungen des Sports in den Kollegen Schäffer waren sehr groß, aber er verstolperte mit dem Leder an seiner Zusatzbeschäftigung, an der Team-Koordinationsarbeit, was nicht verwunderlich war.

Was wir jetzt vor uns haben, ist der "Großmeister" rundherum, der leider, wie gesagt, heute hier nicht ansprechbar ist in dieser Frage. Er hat also jetzt die Agenden des Sports in die Hand genommen, und via Medien haben wir das ja auch erfahren dürfen.

Was bisher nicht gelungen ist: Wir haben uns ein Jahr lang bemüht, einen parlamentarischen Unterausschuß für den Sport zu schaffen. Er wurde ein Jahr lang eingefordert, dann wurde er konstituiert. Den am Sport interessierten Österreichern sollte man sagen, daß der Sportausschuß ganze zweieinhalb Minuten getagt hat. Der Ausschuß hat sich konstituiert, ist aber nie zusammengetreten, ist nie zur Arbeit gekommen.

Im Herbst hat sich, wie wir ja wissen, die ganze Sache aufgelöst, und eine Revitalisierung dieses Sportausschusses ist weit und breit nicht zu sehen. Wir werden das weiterhin fordern, vielleicht gelingt es irgendwann einmal, daß wir ein Fachforum auch für diesen wichtigen Bereich, ob wir ihn nun wirtschaftlich, gesundheitlich oder wie immer sehen wollen, schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dem Sport ist, wie gesagt, der Ressortname verlorengegangen. Auch diese Geste, die von außen her, von den hier erwähnten Funktionären immer sehr hoch angesetzt wurde, ist inzwischen weg. Hand in Hand damit geht eine Demoralisierung der Funktionäre. Es ist schwieriger als in der Vergangenheit, Leute für diese hier hochgelobte freiwillige Tätigkeit in den Vereinen zu gewinnen.

Aber was hat uns Grabner heute gelehrt? – Er hat gesagt, Doping gehört zum Sport dazu. Das haben wir alle erfahren.

Und wie schaut es mit dem Doping im österreichischen Sport aus? Herr Präsident Fiedler ist ja heute unter uns und hat einen Rechnungshofbericht vorgelegt, der die Sportförderung ein bißchen kritischer ins Auge faßt. Da wird eine neue Dimension des Dopings sichtbar. Ich zitiere nur ein paar Sätze aus diesem Bericht.

"Die seit mehr als 45 Jahren im wesentlichen unveränderten Verteilungsregeln begünstigen die Dachverbände in erster Linie und gehen zu Lasten der Fachverbände."

Wen wundert es?! – Man hat sich natürlich diesen Bereich genauso in rot-schwarz aufgeteilt und als Alibi einen dritten Dachverband sozusagen mitleben lassen.

Weiters heißt es in diesem Bericht: "Die bedarfsunabhängige Zuweisung der Förderungsmittel ermöglicht den Verbänden die Bildung erheblicher Reserven aus Bundesmitteln." – Das ist ein


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Nebenaspekt. – "Doppel- und Mehrfachgleisigkeiten erschweren die Kontrolle dieser Förderung. Die Förderung der Sanierung und Erhaltung von Sportstätten" – das Thema des letzten Redners – "entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage", sagt der Rechnungshof. Das sollte man vielleicht auch wissen. "Zahlreiche Förderungsentscheidungen waren nicht nachvollziehbar. Mit Förderungsangelegenheiten befaßte Beamte bekleideten maßgebliche Funktionen der Förderungsempfänger."

So läuft es selbstverständlich in diesem Bereich: Das heißt, die gleichen Leute, die die Förderung ausgeben, streifen sie ein. Jene, die ihnen entsprechend willig sind, bekommen das dann natürlich auch über die Dachverbände, über rot oder schwarz, wie es halt gerade genehm ist, zugeordnet.

Der österreichische Sport ist in rot und schwarz aufgeteilt, glauben Sie mir das! Gehen Sie ins "Haus des Sports" hinein, da ist die rote Abteilung 1, die rote Abteilung 2, die schwarze Abteilung 3, die rote Abteilung 4, die schwarze Abteilung 5, die rote Abteilung 6 und so weiter. (Abg. Grabner: Du hast keine Ahnung!) Ich will das hier nicht namentlich festmachen, die Beamten werden hier nicht von mir denunziert, aber diese Einteilung ist fix geschrieben und wird genauso praktiziert.

Kollege Grabner hat das Wort "Schulsport" ziemlich fehlerfrei in den Mund genommen, nicht ganz so sehr das Wort "Mountainbike". Aber beim Schulsport hat er die Forderung gestellt, daß er getrennt vom sogenannten allgemeinen Sport organisiert gehört. (Abg. Grabner: Das habe ich überhaupt nicht gesagt!) Freund Grabner, das ist der Grundfehler unserer gesamten Organisation im Lande. (Abg. Grabner: Ich war nicht herinnen! Das habe ich überhaupt nicht gesagt!) Glauben Sie mir, ich habe eine internationale Sichtweise zu dieser Problematik. Diese Aufsplitterung und Trennung des Schulsportes und des Vereinssportes ist der Krebsschaden. Es gehören die guten Trainer in den Schulunterricht. Der Zusammenschluß über die Neigungs- und Eignungsgruppen zwischen Schulturnen, zwischen Schulsport und dem Nichtschulsport, dem sogenannten Vereinssport – auch eine problematische Bezeichnung –, gehört geschaffen.

Aber um mich nicht zu sehr in Details zu verzetteln: Die Bundessporteinrichtungen seien noch als typisches Beispiel für die Konzeptlosigkeit im Sportorganisationsbereich in unserem Land erwähnt. Wer sich erinnert: Im Vorjahr waren die Bundessportheime im Budget nur halb budgetiert. Das heißt, die große Ausserwinkler-Idee der Ausgliederung und Privatisierung wurde mit dieser Halbbilanzierung angedeutet. Im Vorjahr sollte es also zur Jahresmitte zur Ausgliederung und Privatisierung kommen. Dann sind aber die Löcher gestopft worden in der zweiten Jahreshälfte. Heuer sind die Bundessportheime natürlich wieder in voller Länge im Budget enthalten, wie es seinerzeit der Fall war. Aber von der großspurig geäußerten Idee – ich habe noch die Zitate von Ausserwinkler mit, der hier von Privatisierung gesprochen hat – ist nichts geblieben. Kein Mensch spricht mehr von Privatisierung im Bereich der Bundessportheime. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist nicht nur nachteilig, möchte ich gleich dazusagen – obwohl wir Freiheitlichen einmal einen Vorschlag auf Subjektförderung statt dieser Objektförderung gemacht haben –, daß das im Bundesbereich bleibt, aber es soll hier aufgezeigt werden, wie großspurig hier Vorhaben geäußert wurden und wie wenig davon übriggeblieben ist.

Der österreichische Sport hat noch einen langen Weg vor sich, um den Gesundheitsaspekt, um den es in erster Linie geht, realisieren zu können. Helfen Sie dabei! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort erhält nun der Herr Staatssekretär.

23.17

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich mache es sehr kurz. Nur zwei Bemerkungen zu den Ausführungen der Abgeordneten Grollitsch und Böhacker.


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Abgeordneter Grollitsch hat eine "Reservistenmeldung" abgegeben. Dazu fällt mir nur eines ein: Der Herr Klubobmann Khol hat heute bereits lateinisch zitiert. Ich erlaube mir auch, lateinisch zu zitieren: Si tacuisses, philosophus mansisses. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zum Thema, das Kollege Böhacker angeschnitten hat, möchte ich mich zuerst einmal sehr, sehr herzlich bedanken für das Geschenk. Ich werde mich mit einem grün-weißen Schal in den nächsten Tagen revanchieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Thema "Stadion Salzburg" erlaube ich mir zwei Anmerkungen. Die erste: Für die Nordtribüne gibt es bereits im Budget die entsprechende Vorausplanung: Falls das Parlament, was ich erhoffe, am Freitag endgültig das Budget 1996 und 1997 beschließen wird (Abg. Grabner – zu den Freiheitlichen gewendet –: Paßt nur auf!), werden wir rund 1,5 Millionen Schilling für 1996 und 7 Millionen Schilling für 1997 bereitgestellt haben.

Darüber hinaus gibt es eine prinzipielle Zusage von Herrn Staatssekretär Schäffer für die Südtribüne. An diese prinzipielle Zusage fühle ich mich gebunden, und wir werden im Budget 1998 und 1999, soweit ich das mitgestalten kann, die entsprechenden finanziellen Voraussetzungen dafür treffen. (Abg. Mag. Ederer: Na bitte, Böhacker!) Wobei ich gleich dazusagen möchte: Es gibt einige Dinge, die noch offen sind, die nicht beim Bund, sondern im Bereich der Stadt Salzburg liegen. Es gibt Probleme mit den Anrainern, Bewilligungsverfahren und ähnliches. Das muß geklärt werden. Da gibt es einen entsprechenden Schriftverkehr.

Ich werde mich bemühen, in den nächsten Tagen Gespräche darüber zu führen. Morgen treffe ich mich beispielsweise mit Herrn Vizebürgermeister Schaden in dieser Angelegenheit, und ich habe vor, noch im Mai zu einem Round-table-Gespräch einzuladen, um das Problem "Stadion Salzburg" endgültig einer Lösung zuzuführen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Böhacker. )

23.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich muß nur überlegen, ob auf der Regierungsbank etwas in violetter Farbe liegen darf; das tut mir schon sehr weh. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zum Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Hlavac.

23.20

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Nachdem die Kollegen jetzt vom Sport gesprochen haben und der Herr Staatssekretär auf souveräne Weise alle Wünsche der Sportinteressierten erfüllt hat, möchte ich jetzt mit einigen Argumenten noch einmal auf die Frauen-Debatte zurückkommen.

Es sind die vielfältigen Probleme der Frauen in unserer Gesellschaft angesprochen worden, und ich denke, daß die Situation insofern schwieriger geworden ist, als sich die wirtschaftliche Entwicklung vor allem negativ auf Frauen auswirkt und wir dem entgegensteuern müssen.

Ich meine daher, daß es wichtig ist, daß wir möglichst bald eine Sitzung des Gleichbehandlungsausschusses einberufen, in der alle diese Probleme, die heute aufgelistet worden sind, diskutiert werden und wir wirklich in eine inhaltliche Debatte eintreten.

Ich möchte nur zu einer Sache etwas ausführlicher Stellung nehmen. Es ist heute bereits die Quotenregelung im Bundesdienst und die Frauenförderung angesprochen worden. Wir wissen, daß der Europäische Gerichtshof in einer enttäuschenden Weise in dieser Frage entschieden hat. Der Europäische Gerichtshof hat bis jetzt den Artikel 119 des EU-Vertrages sehr frauenfreundlich ausgelegt und auch sehr Wichtiges zur Auslegung der Richtlinien zur Frauengleichbehandlung beigetragen. In dieser Frage allerdings, muß ich sagen, hat er unsere Erwartungen enttäuscht. In der Angelegenheit Kalanke gegen Bremen hat er gegen die dortige Regelung zur Frauengleichbehandlung entschieden.


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17. Sitzung / Seite 180

Es gibt ein weiteres Verfahren, das demnächst eingeleitet wird und bei dem sich die Republik Österreich mit einer Stellungnahme beteiligt hat. Ich denke, wir sollten dieses Verfahren abwarten und uns dann überlegen, ob es notwendig ist, unser Bundesgleichbehandlungsgesetz anzupassen und zu adaptieren oder ob es nicht doch möglich ist, es in dieser Form zu behalten, wie wir es jetzt haben.

Es wird am Donnerstag im Europäischen Parlament ein Hearing zu diesem Kalanke-Urteil geben, bei dem sowohl der Rechtsausschuß als auch der Sozialausschuß versuchen werden, zu einem Ergebnis zu kommen, das die Frauenförderung in allen Staaten der EU nicht nur zuläßt, sondern auch in der Form gestattet, wie sie in sehr vielen Ländern, unter anderem auch in Österreich, geregelt ist. Ich denke, daß das für uns sehr aufschlußreich sein kann und daß wir im Lichte dieser internationalen Debatten unsere weiteren Überlegungen anstellen sollen.

Es ist in mehreren Wortmeldungen auf die Mittel für die Kinderbetreuungseinrichtungen eingegangen worden, und ich möchte dazu nur sagen, daß ich es nicht verstehe, daß der Frau Frauenministerin vorgeworfen wird, daß jetzt nur 600 Millionen Schilling zur Verfügung stehen. Ich glaube doch, daß das ein Erfolg ist.

Warum ist es eigentlich dazu gekommen, daß wir Mittel des Bundes für Kinderbetreuungseinrichtungen brauchen? – Es ist deshalb dazu gekommen, weil Länder und Gemeinden zum Teil diesen Verpflichtungen, die sie haben, nicht nachgekommen sind, weil es in manchen Gemeinden, und zwar in recht vielen Gemeinden, Kinderbetreuungseinrichtungen nur für den Vormittag gibt und weil es auch Kindergärten gibt, bei denen die Kinder zu Mittag zum Essen nach Hause gehen müssen, was natürlich für berufstätige Frauen untragbar ist.

Und da ist der Gedanke entstanden, daß von Bundesseite ein Anreiz gegeben werden soll, solche Kinderbetreuungseinrichtungen zu fördern, die auch tatsächlich den Interessen der berufstätigen Eltern entsprechen.

Daher meine ich, daß es sehr wichtig und ein wirklicher Erfolg und sehr wertvoll ist, daß es diese 600 Millionen Schilling für Kinderbetreuungsprojekte gibt und daß es damit sicher gelingen wird, qualitativ wertvolle und für Frauen gute Kinderbetreuungseinrichtungen zu schaffen.

Meine Damen und Herren! Es ist sehr viel über die Probleme gesprochen worden, und, wie gesagt, ich leugne keineswegs, daß sich die Situation vor allem auf dem Arbeitsmarkt für Frauen negativ auswirkt, daß vor allem auch der Wiedereinstieg für Mütter ab einem gewissen Alter sehr, sehr schwierig geworden ist, daß Frauen ab ungefähr 40 Jahren Probleme haben, überhaupt wieder einen Arbeitsplatz zu finden.

Ich möchte aber trotzdem auch betonen, daß in den letzten 20 Jahren sehr viel geschehen ist für die Frauen, daß sehr, sehr viel weitergegangen ist, daß es ihnen doch in einem großen Maße gelungen ist, die alte Rolle abzustreifen, und daß es durch Maßnahmen vor allem im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch gelungen ist, die Rolle der Frau wesentlich aufzuwerten. Das war ein großer Erfolg. Wir brauchen aber weitere Erfolge, denn wenn es nicht einen weiteren Fortschritt gibt, dann gibt es einen Rückschritt. Wir müssen weitere Maßnahmen setzen bei der Verwirklichung der Partnerschaft, bei der Berufstätigkeit der Frau und bei der Chancengleichheit der Frau in Beruf und Familie. Ich bin überzeugt davon, daß es uns gemeinsam gelingen wird, etwas für die Frauen in unserem Lande zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

23.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wurmitzer. Er hat das Wort.

23.26

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Volksanwälte! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn es schon recht spät ist, möchte ich doch noch eine Lanze für unseren Rechnungshof brechen. Ich kann mich den Äußerungen und Feststellun


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gen meines Landsmannes und Kollegen aus dem Rechnungshofausschuß Anton Leikam nicht anschließen.

Er hat hier den Verdacht geäußert, daß der Rechnungshof jene Stelle sei, die undicht sei und bei welcher Rohberichte des Rechnungshofes durchsickern würden. – Dafür gibt es überhaupt und in keinem Fall einen Beweis. Im Gegenteil: Es gibt eine Reihe von Beweisen, daß Rechnungshof-Rohberichte bei den geprüften Stellen durchsickern. Das jüngste Beispiel ist der Flughafen Wien, wo sogar die Nummer des Exemplars im Fernsehen sichtbar war.

Zum zweiten hat Leikam hier von politischen Wertungen des Rechnungshofes gesprochen. Auch hiezu eine klare Feststellung: Wenn jede kritische Anmerkung als politische Wertung empfunden wird, dann wird Kritik ad absurdum geführt. Kollege Leikam soll also nicht den gleichen Fehler wie ein Pilot machen, der den Höhenmesser verstellt, damit er den Tiefflug nicht bemerkt. Das ist nicht der Weg, den Rechnungshof bei seiner Tätigkeit zu unterstützen.

Der Rechnungshof wird in den nächsten zwei Jahren vor große Herausforderungen gestellt sein: Zum ersten muß es dem Rechnungshof gelingen, das Prinzip der Sparsamkeit verstärkt in allen Verwaltungszweigen zum Durchbruch zu bringen. Das, was für den Rechnungshof selbst als Handlungsprinzip gilt, nämlich die Sparsamkeit, muß allen politisch Handelnden in verstärktem Umfang bewußt werden. In Zeiten knapper Geldmittel führt daran kein Weg vorbei, wie wir das auch selbst in dieser Budgetwoche spüren. Es gibt nämlich keine Alternative zum Sparen. Allerdings ist die Sparsamkeit ein Menü, das meistens nur bei Zwangsernährung eingenommen wird. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Die Bundesregierung wäre daher sehr gut beraten, wenn sie beim Vollzug der beiden Budgets 1996 und 1997 die bisher bereits vorliegenden Empfehlungen des Rechnungshofes heranzöge. Sinnvoll wäre eine Auflistung aller bereits vorliegenden Vorschläge und eine konsequente Umsetzung aller sinnvollen Anregungen. Daraus folgt logischerweise die Notwendigkeit einer strukturellen Verwaltungsreform, von der Herr Präsident Dr. Fiedler in einem Interview mit dem "Standard" gesprochen hat.

Wenn alles so bleibt wie es ist, können die Budgetziele nicht erreicht werden. Lineare Kürzungen beseitigen zwar kurzfristig den Geldmangel, vermögen aber langfristig keine Besserung und keine Beseitigung der Ursachen der Geldknappheit herbeizuführen. Da gibt es meiner Ansicht nach keinen Unterschied zur Privatwirtschaft.

Die zweite Herausforderung, der sich der Rechnungshof zu stellen hat, ergibt sich aus dem Beitritt Österreichs zur EU. Es gibt viele neue Verfahren, viele neue Geldflüsse und viele neue Aufgaben für die Kontrolle.

Es ist also auch notwendig, daß der österreichische Rechnungshof parallel zu den Kontrollorganen der EU prüft, um damit zu einer Synchronisation und Abstimmung der Kontrollgänge und -vorgänge zwischen Österreich und der EU beitragen zu können.

Die dritte Herausforderung wurde dem Rechnungshof durch das österreichische Parlament aufgetragen: Es ist dies die Prüfung aller gesetzlichen Interessenvertretungen. Das ist Neuland, das der Rechnungshof betreten muß, und er muß natürlich gewisse Vorurteile in den zu prüfenden Stellen erst abbauen.

Folgendes möchte ich jedenfalls hier deutlich und klar feststellen: Der Rechnungshof kann bei der Bewältigung dieser neuen Aufgaben auf die volle Unterstützung der Österreichischen Volkspartei zählen. Die Damen und Herren, die dort tätig sind – und deren Tätigkeit ist unverzichtbar für unsere Republik –, können damit rechnen, daß wir sie bei ihrer verantwortungsvollen Arbeit tatkräftig unterstützen werden. Das ist unserer Überzeugung nach der Weg im Dienste unserer Republik, im Dienste des gesamten Staatswesens. (Beifall bei der ÖVP.)


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23.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächstem erteile ich dem Herrn Präsidenten des Rechnungshofes das Wort.

23.31

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Herr Abgeordnete Leikam hat einige Fragen an mich gerichtet, die ich in aller gebotenen Kürze zu beantworten versuchen werde.

Die erste Frage hatte die Vorveröffentlichung der sogenannten Rohberichte – im legistischen Sprachgebrauch der Prüfungsergebnisse – zum Gegenstand. Der Herr Abgeordnete Leikam hat gefragt, welche Maßnahmen der Rechnungshof im Zusammenhang mit seinen Bemühungen trifft, daß die sogenannten Rohberichte nicht vorzeitig veröffentlicht werden.

Ich darf dazu wieder einmal – ich habe das bereits mehrfach im Ausschuß ausgeführt – darlegen, daß der Rechnungshof ein Sicherheitssystem entwickelt hat, das sich in den vergangenen Jahren bestens bewähren hat: Einerseits wurde die Zahl jener Vorveröffentlichungen, die besonders auffällig waren und die besonderes Mißfallen erregt haben, deutlich reduziert, andererseits hat dieses Sicherheitssystem einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, daß eine besondere präventive Wirkung entfaltet werden konnte. Das heißt, durch dieses Sicherheitssystem an sich konnte bereits vermieden werden, daß es überhaupt gewagt wurde, Vorveröffentlichungen vorzunehmen.

Schließlich hat dieses System auch dazu beigetragen, daß wir feststellen konnten, wenn es doch zu Vorveröffentlichungen kam, woher diese stammten.

Es gab in jüngster Zeit wieder einen sehr prägnanten Fall, in dem es uns sogar sehr leicht möglich war, zu orten, welches Exemplar den Medien zugespielt wurde. Wir konnten dies – ich darf mich hier wiederholen – sehr deutlich zuordnen und jedenfalls – und das ist für uns wesentlich – ausschließen, daß der Rechnungshof die undichte Stelle gewesen ist.

Welche weiteren Maßnahmen könnte man in diesem Zusammenhang noch treffen? – Ich meine, weitere Maßnahmen müßten nicht mehr vom Rechnungshof getroffen werden, sondern von den geprüften Stellen selbst. Wenn die geprüften Stellen jene Sorgfalt obwalten ließen, die der Rechnungshof bereits seit Jahren zu treffen pflegt, dann wäre sicherlich noch mehr zu gewinnen und dann könnten vielleicht mehr Vorveröffentlichungen vermieden werden.

Soviel zu den Vorveröffentlichungen, wobei noch eines zu erwähnen wäre: Es soll keine Unternehmung die Behauptung aufstellen, wenn es tatsächlich zu einer Vorveröffentlichung kam, daß ihr die diesbezüglichen Berichte nicht bereits bekannt gewesen wären. Der Inhalt der Berichte ist der geprüften Stelle regelmäßig bekannt, und es kann daher niemals vorkommen, daß die geprüfte Stelle mit Fug die Behauptung aufstellen könnte, sie sei durch eine derartige Vorveröffentlichung überrascht worden.

Nichtsdestoweniger – und das möchte ich betonen – ist der Rechnungshof daran interessiert, die Zahl der Vorveröffentlichungen so gering wie möglich zu halten. Es ist ihm in der Vergangenheit in diesem Zusammenhang auch schon viel gelungen; die Bemühungen des Rechnungshofes werden auch in Zukunft weiterhin darauf gerichtet sein.

Die zweite Frage des Herrn Abgeordneten Leikam hat sich darauf bezogen, wieso es möglich war, daß der Präsident des Stadtschulrates für Wien – ungeachtet der ihm seitens des Rechnungshofes gegebenen Zusage – einen dem Nationalrat vorgelegten Bericht nicht gleichzeitig mit dem Nationalrat bekommen hat.

Dazu darf ich vorerst auf die verfassungsrechtliche Situation Bezug nehmen. Nach der österreichischen Bundesverfassung hat der Rechnungshof seine Berichte, die dann letztlich auch zur Veröffentlichung bestimmt sind, dem Nationalrat vorzulegen und gleichzeitig auch der Bundesregierung. Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung des Rechnungshofes, in diesem Stadium der Berichtsvorlage seine Berichte auch den geprüften Stellen zuzuleiten.

Dessen ungeachtet hat der Rechnungshof immer wieder die Übung eingehalten, seine Berichte auch den geprüften Stellen zukommen zu lassen, wobei dies als Entgegenkommen des Rechnungshofes anzusehen ist, zumal wir Verständnis dafür aufbringen, daß die geprüften Stellen


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Interesse daran haben, die Berichte gleichzeitig mit dem Nationalrat und mit der daran anschließenden Veröffentlichung zu erhalten.

Im konkreten Fall, es handelte sich um den Nachtrag zum Tätigkeitsbericht 1994, der im Dezember letzten Jahres dem Nationalrat vorgelegt wurde, wurde der Bericht am gleichen Tage an den Nationalrat und an den Stadtschulrat für Wien abgefertigt. Das heißt, seitens des Rechnungshofes wurde diese Zusage eingehalten, und es wurde Vorsorge dafür getroffen, daß die Zustellung gleichzeitig erfolgen konnte. Daß im konkreten Fall die Zustellung an den Nationalrat rascher vonstatten ging als die Zustellung an den Stadtschulrat, lag nicht im Einflußbereich des Rechnungshofes. Daß es dabei zu einer Verzögerung von rund 24 Stunden kam, ist nicht dem Rechnungshof anzulasten, sondern war darauf zurückzuführen, daß eben die Zustellung an den Stadtschulrat für Wien länger gedauert hat.

Aber insoweit muß ich doch die Feststellung treffen – und sie deckt sich nicht ganz mit der des Präsidenten des Stadtschulrates für Wien –, daß dem Präsidenten des Stadtschulrates für Wien der Bericht im Wortlaut bekannt war. Es kann also nicht die Behauptung aufgestellt werden, er sei vom Inhalt des Berichtes überrascht worden und habe dazu nicht Stellung nehmen können, als er dann später von Journalisten dazu befragt wurde. Der Präsident des Stadtschulrates für Wien kannte diesen Bericht im Wortlaut.

Die dritte Frage des Herrn Abgeordneten Leikam bezog sich auf die Behauptung, der Rechnungshof habe im Zusammenhang mit seiner Positionierung zur Grenzkontrolle eine politische Wertung vorgenommen.

Ich möchte dies mit aller Entschiedenheit in Abrede stellen! Der Rechnungshof hat vielmehr im Zuge des Begutachtungsverfahrens eine Stellungnahme abgegeben, wie er dies immer wieder im Zusammenhang mit dem Gesetzwerdungsprozeß tut – im übrigen in Übereinstimmung mit einer Entschließung des Nationalrates aus dem Jahre 1981 –, und er hat inhaltlich in dieser Stellungnahme die Ansicht vertreten, daß eine kostensparendere als die im Gesetzentwurf vorgesehene Lösung möglich ist, wodurch Doppelgleisigkeiten bei der Grenzkontrolle vermieden werden. Es hat sich also dabei um keine politische Wertung gehandelt, sondern um eine Empfehlung , die unter dem Gesichtspunkt der Gebarungsrelevanz abgegeben wurde.

Daß es sich dabei um keine politische und schon gar nicht um eine parteipolitische Wertung gehandelt hat, geht allein daraus hervor, daß das Finanzministerium die gleiche Position wie der Rechnungshof bezogen hat. Und es wird wohl niemand ernstlich behaupten wollen, daß das Finanzministerium in diesem Zusammenhang eine politische Wertung oder politische Haltung eingenommen hätte. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Aumayr .) Sowohl das Finanzministerium als auch der Rechnungshof haben vielmehr im Interesse der Steuerzahler jene Lösung angepeilt, die für den Steuerzahler am kostengünstigsten gewesen wäre – nichts anderes; keine politische Wertung, sondern eine gebarungsrelevante Empfehlung.

Die vierte Frage des Herrn Abgeordneten Leikam hat die sogenannte Trennung des Rechnungshofes vom Parlament betroffen, die ich gefordert haben soll. Hiezu möchte ich in aller Deutlichkeit klarstellen: Es wurde von mir niemals eine derartige Forderung aufgestellt. Ich habe niemals gefordert, der Rechnungshof möge sich vom Parlament lösen. Das wäre auch völlig widersinnig.

Es handelte sich um etwas anderes: Es war im Rahmen eines Vortrages, daß ich gewisse Erwägungen zur Diskussion gestellt habe. Im übrigen war dies nicht vor einem Jahr, sondern vor nunmehr fast zwei Jahren. Es war zu einer Zeit, als verschiedene Gesichtspunkte im Zusammenhang mit einer Neustrukturierung und Neuorganisation des Rechnungshofes zur Diskussion standen; unter anderem – um ein Stichwort zu liefern – die kollegiale Leitung des Rechnungshofes und dergleichen mehr. Ich habe mich durchaus berufen und legitimiert gefühlt, auch von meiner Seite etwas in die Diskussion einzubringen.

Aber was von mir eingebracht wurde, lief nicht auf eine Loslösung des Rechnungshofes vom Parlament hinaus, sondern auf eine Neustrukturierung der Kooperation mit dem Parlament, und zwar nicht auf Basis des derzeit bestehenden Organschaftsverhältnisses, wonach der


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Rechnungshof ein Organ des Parlaments ist, sondern es sollten andere Formen der Kooperation gesucht werden, partnerschaftliche Formen der Kooperation, wie von mir ausdrücklich betont wurde.

Es kann daher keine Rede davon sein, daß der Präsident des Rechnungshofes eine Loslösung des Rechnungshofes vom Parlament oder gar eine Aufkündigung der Zusammenarbeit gefordert hätte. Ich habe immer wieder betont, daß die Zusammenarbeit zwischen Rechnungshof und Parlament eine der ganz wesentlichen Säulen der öffentlichen Finanzkontrolle darstellt. Ich habe umso weniger Veranlassung, diese Zusammenarbeit aufzukündigen, als ich gerade jetzt – das sind die Erfahrungen aus jüngster Zeit – dem Nationalrat dafür zu danken habe, daß er anläßlich der nunmehrigen Beratungen zu den Budgets der Jahre 1996 und 1997 dem Rechnungshof sehr stark entgegengekommen ist. Ich darf allen Fraktionen des Nationalrates dafür danken, daß man so viel Verständnis für den Rechnungshof aufgebracht hat. Ich sehe in dieser Unterstützung, die der Nationalrat dem Rechnungshof bei seiner Arbeit zukommen ließ, daß sich der Nationalrat der Bedeutung des Rechnungshofes und der Bedeutung der Zusammenarbeit mit dem Rechnungshof bewußt ist. – Ich darf dafür ausdrücklich danken! (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ, der Grünen sowie des Liberalen Forums.)

23.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste und vorläufig letzte Redner zu diesem Budgetkapitel ist Kollege Dr. Feurstein. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Zwei Minuten, die es aber in sich haben werden!)

23.41

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte war in den letzten Stunden sehr ruhig. Was allerdings heute nachmittag durch den Herrn Bundeskanzler von der Regierungsbank aus gesagt wurde, kann nicht unwidersprochen bleiben.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei! Wir haben gemeinsam vorige Woche ein Budgetbegleitgesetz, das Strukturanpassungsgesetz, beschlossen, das wir gemeinsam erarbeitet haben. Wir stehen dazu, und zwar voll und ganz. Wir haben jetzt ein Budget vorgelegt, zu dem wir stehen. Wir haben zur Kenntnis genommen – und das war eine Änderung der grundsätzlichen Haltung der Regierung zur Arbeitsmarktpolitik –, daß der Herr Finanzminister in seiner Budgetrede sagte: "Ein Defizit ist kein effizientes Instrument, um Beschäftigung zu schaffen." – Das ist eine Änderung in der bisherigen Politik, meine Damen und Herren!

Wir haben eine weitere Änderung zur Kenntnis genommen: Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vor wenigen Wochen gesagt, daß Arbeitsplätze zu garantieren und sie über das Budget zu finanzieren kein gangbarer Weg sei. – Das ist auch eine Änderung gegenüber dem, was früher der Regierungschef von der Regierungsbank aus gesagt hat.

Wenn uns der Bundeskanzler nun aber abspricht, Verantwortung für die Arbeiter von Semperit und Donawitz zu übernehmen, die ihre Arbeitsplätze verloren haben, und wenn er meint, daß wir uns um diese Menschen nicht kümmern, so müssen wir das schärfstens zurückweisen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben in einer kooperativen Art mit allen Ministerien, die von sozialdemokratischen Ministern geleitet werden, zusammengearbeitet. Das heißt also: Wir tragen auch Verantwortung für das, was im Finanzministerium, im Sozialministerium und so weiter geschieht. Aber wir nehmen den Vorwurf und die Unterstellung nicht zur Kenntnis, daß unsere Minister nur deshalb erfolgreich seien, weil sie von sozialdemokratischen Abgeordneten gestützt werden. – Das halte ich für eine Unerhörtheit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

In dieser Form werden wir die Zusammenarbeit nicht weiterführen. (Abg. Dr. Kostelka: Was heißt denn das?) Wir müssen – ich spreche jetzt mit den Worten des Bundeskanzlers – mit Ehrlichkeit, mit viel Offenheit und Bereitschaft zur politischen Zusammenarbeit politische Lösungen suchen und auch vorgeben. – Dazu stehen wir! Und das erwarten wir auch vom Herrn Bundes


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kanzler, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Kostelka: Und das angesichts Ihrer Doppelstrategie von heute vormittag?)

Wir bitten Sie, in Zukunft diese Dinge nicht nur auszusprechen, sondern gemeinsam mit uns zu tun, in die Tat umzusetzen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

23.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Diese Debatte ist daher geschlossen.

Die Abstimmungen finden nach Ende der zweiten Lesung, also am Freitag statt.

Landesverteidigung

Kapitel 40: Militärische Angelegenheiten (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt zur Verhandlung des Budgetkapitels Landesverteidigung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Scheibner. Ich erteile es ihm.

23.45

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zeit ist zwar schon sehr weit vorgeschritten, aber anscheinend noch nicht weit genug. – Ah, jetzt kommt der Herr Verteidigungsminister doch noch pünktlich, das freut mich!

Herr Verteidigungsminister! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nicht schon aufregen, bevor es überhaupt losgeht! (Abg. Dr. Puttinger: Was soll denn das wieder heißen?) Das ist eine Nervosität bei der ÖVP! Aber ich gebe Ihnen recht: Wenn einem eine ordentliche Landesverteidigung etwas wert ist und man sich dieses Landesverteidigungsbudget anschaut, dann muß man wirklich nervös werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. – Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Lieber Kollege Puttinger! Du hast eines heute nicht berichtigt, was hier vom Rednerpult über deine "Salzburger Nockerln" gesprochen wurde. Vielleicht wäre es für dich besser, daß du dich damit beschäftigst, als jetzt zur Landesverteidigung dazwischenzurufen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Zu Ihnen kommen wir heute auch noch!

Herr Verteidigungsminister! Wir behandeln heute das Budget für die Landesverteidigung für die Jahre 1996 und 1997. Normalerweise geht das Landesverteidigungsbudget ohne besondere Medienresonanz über die Bühne. Diesmal war es interessanterweise anders, Herr Minister! Denn man hat anscheinend spät, aber doch die Tragweite der Probleme, die durch dieses Budget mit verursacht werden, erkannt.

Dazu haben wir in den letzten Tagen und Wochen viele Zeitungsmeldungen gesehen. Überschriften: "Alarm im Heer! Kein Geld! Veraltete Geräte! Heer dient Blutzoll-Maximierung! Offizierskritik an Rüstungsmängeln. Es nagen Rost und Frust! Bundesheer ist fassungslos. Bei Spardiskussion auch das Heer erfaßt. Flugzeuge und Panzer verrotten! Bundesheer setzt Rost an!" Und letztlich gab es auch folgende Stellungnahme: "Im Ausland hui, im Inland pfui", in der kritisiert wurde, daß all jene Anschaffungen, die wir für das Bundesheer brauchen würden, nur dann zur Verfügung stehen, wenn es um internationale Einsätze geht.

Herr Bundesminister! Sie haben im Budgetausschuß, als wir die Ablehnung dieses Budgetkapitels bekanntgegeben haben, gesagt, daß Sie darüber nicht überrascht seien, weil es ja üblich sei, daß die Opposition ein Regierungsbudget grundsätzlich ablehnt. Sie hätten überhaupt noch nie erlebt, daß anderes der Fall gewesen wäre. Sie haben dann gesagt: Das Budget ist nicht erfreulich, aber ausreichend. – Es ist richtig, Herr Bundesminister! Die Freiheitlichen werden diesem Budget 1996/1997 nicht zustimmen (Abg. Dr. Puttinger: Das ist aber traurig!), aber nicht deshalb, weil wir grundsätzlich die Budgets ablehnen, die Sie hier vorlegen; ganz im Gegenteil. (Abg. Schwarzenberger: Dies haben wir nicht erwartet!)


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Herr Bundesminister! Sie wissen, daß wir immer versucht haben, konstruktiv gemeinsam mit Ihnen für das Bundesheer und für die Landesverteidigung zu arbeiten. Wir hätten heute gerne hier einem Budget zugestimmt, das wenigstens richtungsweisend gewesen wäre, in dem es wenigstens auch real eine Steigerung gegeben hätte, mit dem die Defizite, die sich in den letzten Jahren angehäuft haben, korrigiert werden könnten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Das ist das erste Mal, daß die Freiheitlichen dem Verteidigungsbudget nicht zustimmen!)

Herr Kollege Schwarzböck oder Schwarzenberger – ich verwechsle Sie immer –! Wie war denn die Entwicklung dieser Landesverteidigungsbudgets in den letzten Jahren? – 1983 bis 1986, als Sie in der Opposition waren und diesen Budgets als Opposition auch nicht zugestimmt haben, gab es hiefür einen Anteil am Bruttoinlandsprodukt von etwa 1,3 Prozent. Fast 4 Prozent Anteil am Gesamtbudget wurde damals für die Landesverteidigung aufgewendet. Heute, 10 Jahre später, sind es nur mehr knapp über 0,8 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt.

Herr Bundesminister! Sie haben damit erreicht, daß Österreich, was Verteidigungsausgaben anlangt, zur "Extraklasse" in Europa geworden ist. Wir sind nämlich einsame "Spitze", und zwar von unten gesehen: Österreich ist hinter Luxemburg das absolute Schlußlicht bei den Landesverteidigungsausgaben. Dazu darf ich Ihnen wirklich ganz herzlich "gratulieren". (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehen Sie sich den Vergleich an, Herr Bundesminister: Luxemburg hat diesbezüglich 1,20 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt, die Schweiz 1,7, Belgien 1,8, Dänemark 2 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt, und so geht das weiter.

Herr Bundesminister! Es wird so viel in den letzten Tagen und Wochen von der Europareife Österreichs gesprochen. In der Landesverteidigung oder zumindest beim Budget dafür sind wir bestenfalls Provinz!

Herr Bundesminister! Sie haben auch einmal gesagt, daß Sie mit diesem Budget durchaus das Auslangen finden könnten, man solle nicht krankjammern. – Natürlich, Herr Minister, ist es in Zeiten wie diesen nicht zu schaffen, von heute auf morgen die Defizite der Vergangenheit zu korrigieren. Aber es ist dies ja nicht das erste Sparbudget. Sie haben auch schon voriges Jahr und vor zwei Jahren gesagt, daß Sie nicht in einen Streit etwa mit den Sozialpolitikern, oder mit den Landwirtschaftspolitikern eintreten und sagen können: Auch wenn die anderen sparen müssen, wollen wir mehr für die Landesverteidigung. Und deswegen sind halt in den letzten Jahren diese Defizite gestiegen.

Es gibt bei diesem Budgetkapitel – das haben Sie positiv hervorgestrichen – 1996 und 1997 einen Zuwachs von etwa 400 Millionen Schilling nominell. Real, Herr Bundesminister, sieht es jedoch anders aus, wenn man die Inflation abrechnet und wenn man vor allem die zusätzlichen Aufgaben miteinbezieht, die für das Bundesheer jetzt anfallen. Allein der Einsatz Österreichs in Bosnien kostet 300 bis 400 Millionen Schilling im Jahr. Allein dadurch ist also diese zweijährige Budgetsteigerung sozusagen bereits konsumiert. Und wenn man die Inflation noch ins Kalkül zieht, dann ist diese Überschreitungsermächtigung betreffend Kasernenverkäufe ebenfalls "konsumiert". In Wahrheit haben Sie also keinen Schilling mehr für die Landesverteidigung herausgeschunden, obwohl Sie ganz genau wissen, daß es jetzt mehr denn je notwendig wäre, auf diesem Gebiet die Defizite zu bereinigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Wabl hat kritisiert, daß im "Kurier" von morgen schon etwas steht, was heute diskutiert wird. Herr Kollege Wabl! Die Einrichtung eines Pressedienstes oder eines direkten Kontakts mit Journalisten dürfte Ihnen unbekannt sein! – Laut "Kurier" von morgen hat der Herr Bundesminister gesagt: Wir brauchen neue Flugzeuge und Radpanzer. – Wunderbar! Wir geben Ihnen da hundertprozentig recht! Die Frage ist nur: Wie soll denn das finanziert werden, wenn nicht im Budget Vorsorge dafür getroffen wird?

Abgeordneter Maitz wird, nehme ich an, seinen Vorschlag hier beim Rednerpult wieder präsentieren. Er gibt ja zu, daß Steigerungen im Budget nicht möglich sind, anscheinend weil der Koali


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tionspartner dies nicht zuläßt. Interessanterweise wird alles bis 1998 aufgeschoben. 1998 wollen Sie dann ein Sonderfinanzierungsprogramm für Beschaffungsvorgänge beim Heer beschließen.

Herr Kollege Maitz, jetzt frage ich Sie: Wenn Sie es nicht schaffen, gegen den Widerstand der Bundesheerabschaffer und der Gegner des Bundesheeres – es wurde heute schon diskutiert – wenigstens richtungsweisende jährliche Erhöhungen, die nicht so schmerzhaft sind, zu erzielen, wie wollen Sie es dann schaffen, 1998 eine Sonderfinanzierung über 100 oder 120 Milliarden Schilling aufzustellen? Sie wissen, daß genau das der Finanzierungsbedarf ist. Wie Sie dann aber alles in einem finanzieren wollen, werden Sie uns, hoffe ich, heute noch erklären.

Wir Freiheitlichen sind der Meinung, daß es ehrlicher wäre, jetzt eine jährliche sukzessive Steigerung des Landesverteidigungsbudgets zu beschließen, damit wir danach sukzessive diese notwendigen Beschaffungen vornehmen können.

Herr Bundesminister! Gerade beim Sachaufwand und den Mitteln für die Neubeschaffung haben Sie im Budget eine Reduzierung vorgenommen. Das Gerät, das vorhanden ist, mit dem das Bundesheer die Sicherheit Österreichs gewährleisten soll, ist aber – das haben wir immer wieder diskutiert, das ist ja nichts Neues – 25 bis 30 Jahre alt. Herr Bundesminister! Wir würden neue Kampfpanzer, neue Schützenpanzer, neue Radpanzer brauchen – davon haben Sie jetzt großartig 68 Stück für die UNO angeschafft, 500 müßten es mindestens sein, 1 000 hat es einmal geheißen –, von Hubschraubern gar nicht zu reden! Mit Februar ist der Wartungs- und Garantievertrag für die Abfangjäger mit der Firma Saab abgelaufen. Österreichs Heer wird mit Ende nächsten Jahres die einzige Armee sein, die diesen Saab-Draken, der in der Vergangenheit sicherlich gute Dienste geleistet hat, noch im Dienst hat.

All diese Dinge, Herr Bundesminister, müßten wir hier und heute, ohnedies schon verspätet, aber wenigstens jetzt offensiv diskutieren. Sie wissen ganz genau, daß Sie hiefür unsere Unterstützung hätten. Welcher Bundesminister kann sich denn auf eine so breite Unterstützung seitens der Opposition verlassen? – Ich habe immer das Gefühl, daß wir Freiheitlichen als größte Oppositionspartei Sie mehr stützen als Ihr eigener Regierungspartner! Das sollte man hier einmal klar zum Ausdruck bringen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren, vor allem von der SPÖ! Ich weiß, daß in Ihren Reihen sehr viele sind, die mit manchen Stellungnahmen, auch von Leuten, die heute auf der Regierungsbank gesessen sind, nicht übereinstimmen. Die Frage ist nur: Wie weit werden diese sich in Zukunft durchsetzen? Werden wirklich Leute wie Minister Einem das Sagen in der Landesverteidigungspolitik der Sozialdemokraten haben, Leute, die das Bundesheer abschaffen wollen und meinen, daß die Grundwehrdiener nur die betrunkenen Kadersoldaten bei ihrer Faulenzerei stören? Ist das die Meinung, die man in Ihrer Fraktion zur Landesverteidigung hat? – Ich hoffe nicht! Und ich glaube es auch nicht, weil ich viele von Ihnen bei Veranstaltungen des Bundesheeres reden gehört habe. Und dort klingt alles ganz anders!

Aber man sollte halt solche Stellungnahmen nicht nur dort treffen, wo man glaubt, daß sie gerne gehört werden, sondern auch dort, wo es darum geht, Widerstand gegen Leute in den eigenen Reihen zu leisten, die das Bundesheer abschaffen wollen. Das wird auch von Ihrer Seite gefordert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Gaál! Sie haben in einer Aussendung an die Adresse des Ministers die Kritik gerichtet, daß das Gerät veraltet ist und daß es mit den Beschaffungsvorgängen Probleme gibt. – Da gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege, frage Sie aber: Warum übt gerade Ihre Fraktion Kritik, die in der Vergangenheit praktisch jeden größeren Beschaffungsvorgang, ich will nicht sagen: kriminalisiert, aber zumindest problematisiert hat?

Immer wieder haben Sie irgendwelche Subventions- und Schmiergeldgeschichten vermutet, wollten jedoch in Wahrheit nur die Beschaffungsvorgänge gemeinsam mit dem Finanzminister verhindern, der bereits zugesagte Geldmittel letztlich verweigert hat und den notwendigen Mitteln für das Heer nicht zugestimmt hat. – Dann kommt aber auch aus Ihren Reihen immer wieder die Frage nach der Beschaffung im Inland!


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17. Sitzung / Seite 188

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich sind wir dafür, daß wir, soweit es möglich ist, Gerät und Waren für das Bundesheer im Inland beschaffen. Dafür müssen wir aber auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen. Es kann nicht so sein, daß auf der einen Seite das Ministerium vom Rechnungshof bei einem Beschaffungsvorgang wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei Inlandseinkäufen kritisiert wird und man sagt: Was sind das für Kriterien?, auf der anderen Seite dann aber verlangt, daß das Bundesheer teurer einkaufen soll, und zwar nur deshalb, damit eine österreichische Firma zum Zug kommt. Ich gebe Ihnen recht, daß österreichische Firmen anbieten und, wenn es möglich ist, auch zum Zug kommen sollen. Nur: Wenn die österreichischen Produkte teurer sind als andere, dann erhebt sich schon die Frage: Soll diese Wirtschaftsförderung unbedingt durch das Landesverteidigungsbudget gedeckt werden – oder sollen nicht andere Ressorts diese Ausfallshaftung übernehmen?

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Auch eine Stellungnahme dazu wäre einmal interessant! (Abg. Hagenhofer: Was werden die Leute sagen?) Was werden Sie sagen? – Sie werden Ihnen dasselbe sagen, was sie etwa bei den Steyr-Werken gesagt haben, als wir kritisiert haben ... (Weitere Zwischenrufe der Abg. Hagenhofer. ) Frau Kollegin! Bitte hören Sie einmal gut zu: Als wir kritisiert haben, daß 30 Jahre alte Steyr-LKW um 700 000 S bis 800 000 S generalüberholt werden sollten, haben wir gesagt: Das ist unwirtschaftlich, denn um dasselbe Geld oder etwas mehr bekommt man bereits neue LKW. Und wir haben uns dafür eingesetzt, daß die Radpanzer auch von der Firma Steyr angeschafft werden.

Wir haben uns dafür eingesetzt – und setzen uns weiter dafür ein –, daß die Schützenpanzer angeschafft werden. Das sind auch Produkte, die die Firma Steyr produziert. (Abg. Dr. Nowotny: Das ist ein Ablenkungsmanöver!) Ihre Personalvertreter haben gesagt: Die Freiheitlichen wollen die Vernichtung der Arbeitsplätze bei der Firma Steyr. (Zwischenruf der Abg. Hagenhofer. )

Frau Kollegin! Wenn Sie sich dafür einsetzen, dann setzen Sie sich doch gemeinsam mit uns dafür ein, daß genau diese Beschaffungen möglich sind, daß Ihre Fraktion auch die Geldmittel dafür zur Verfügung stellt, daß wir die Schützenpanzer und Radpanzer anschaffen können, daß wir diese LKW anschaffen können! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Dann fließen Milliardenbeträge genau in diese von Ihnen zitierte Wirtschaft hinein.

Aber tun Sie doch nicht so, als ob Sie auf der einen Seite für die österreichischen Arbeitsplätze kämpfen würden, während Sie auf der anderen Seite Aufträge, die wirklich ins Haus stehen, ablehnen, weil es sich halt um Aufträge für die Landesverteidigung handelt. Und alles, was schweres Gerät betrifft, ist ja bei Ihnen negativ besetzt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )

Herr Kollege Nowotny! Die Zeit ist schon vorgeschritten, und ich muß mich daher wirklich kurz fassen. Es gäbe noch eine Reihe von Dingen zu besprechen. So würde es etwa ein mehrjähriger Beschaffungs- und Budgetplan erleichtern, die Planung für Anschaffungen für das Bundesheer langfristiger zu organisieren.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, weil es immer auch um den Sinn des Landesverteidigungsbudgets geht. Es wird gefragt: Wozu brauchen wir das? – Meine Damen und Herren! Auch Kollege Kostelka hat dazu schon Überlegungen angestellt: Wozu Landesverteidigung? – Es gibt ja keine Bedrohung, all das ist viel zu teuer! – Herr Kollege Kostelka! Sehen Sie doch das Bundesheer wie eine Versicherung! (Abg. Dr. Nowotny: Aber auch bei der Versicherung gibt es Grenzen!) Ja, aber sie sollte ausreichend dotiert sein, denn sonst kann es im Ernstfall nicht jene Sicherheit geben, die man sich erhofft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir müssen uns versichern gegen das nicht Auszuschließende! Wenn Sie der Meinung sind, daß es keine Bedrohung gibt, wem gegenüber haften Sie dann, wenn Sie sich geirrt haben, Herr Kollege Nowotny? – Das Risiko ist uns zu groß, daß wir alle für Ihren Irrtum dann die Zeche zu bezahlen haben! (Abg. Dr. Nowotny: Man muß nicht überversichern!)

Nehmen wir endlich die Landesverteidigung ernst! Wir brauchen ein Heer, das unsere Sicherheit ausreichend gewährleisten kann – nicht mehr, aber auch nicht weniger.


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17. Sitzung / Seite 189

Auch das Bundesheer könnte einsparen. Selbstverständlich gebe ich Kollegen Gaál, der das einmal in einer Aussendung gesagt hat, recht. Es gibt bürokratische Abläufe, die einzuschränken sind: Wir haben neun Militärkommanden und drei Korpskommanden. Das entspricht etwa der Verwaltungshierarchie Deutschlands, das aber ein zehnmal größeres Heer als Österreich hat. Es gibt Brigaden mit Verwaltungsstäben, die vom Grundwehrdieneraufkommen her sicherlich nicht dem entsprechen, was eine Brigade notwendig bräuchte. – Es wäre also eine Reihe von internen Einsparungen möglich.

Trotzdem, meine Damen und Herren, sollte man, bei all den Kosten, die das erfordert, auch einmal den volkswirtschaftlichen Nutzen betonen, den das Bundesheer durch die Assistenzeinsätze oder durch die Hilfe im Katastrophenschutzbereich für die Allgemeinheit erbringt.

Wir sehen es auch jetzt: Das Bundesheer wird eingreifen, weil Herr Minister Einem die notwendigen Geldmittel für einen Grenzschutz nicht hat. Das Bundesheer wird bei allen Umweltkatastrophen eingesetzt, zum Katastrophenschutz und Assistenzeinsatz herangezogen. Überall greift man sehr gerne auf das Bundesheer zurück. Wenn es dann aber um die Kosten geht, dann ist plötzlich alles zu teuer.

Herr Bundesminister Dr. Fasslabend! Sie waren heute nicht dabei. Der Bundeskanzler hat heute in einer anderen Debatte etwas sehr Interessantes gesagt. Er hat gemeint: Die ÖVP werde nicht in der Lage sein, alleine die Landesverteidigung zu organisieren und die Probleme in diesem Bereich zu lösen. Deshalb brauche sie die Hilfe des Bundeskanzlers und der Sozialdemokraten.

Herr Bundesminister! Ich weiß nicht, wie Sie das sehen! (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Vielleicht hilft Ihnen dann Herr Minister Einem. Sie haben es ja immerhin zugelassen, daß er für einige Tage Verteidigungsminister dieser Republik gewesen ist. Das ist auch eine interessante Sache. Er ist zwar staatsgefährdend, wird dann aber in Ihrer Vertretung zum Verteidigungsminister. – Das ist schon etwas paradox, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt in diesem Haus – das weiß ich genau –, und es gibt in der Bevölkerung eine Mehrheit von Befürwortern und Förderern der Landesverteidigung. Daher schlagen wir Ihnen vor: Schaffen Sie doch endlich den Klubzwang und den Koalitionszwang in dieser Frage ab! – Ich glaube, daß die Landesverteidigung wichtiger ist als die Frage der Promillegrenze für die Autofahrer oder der rechtliche Status der Homosexuellen, wofür Sie die Abstimmungen freigegeben haben.

Meine Damen und Herren! Eine ordentliche Landesverteidigung wäre es wert, daß hier einmal offen und ehrlich darüber diskutiert und in einer offenen Mehrheit darüber abgestimmt wird, ob wir in Zukunft ein tragkräftiges und leistungskräftiges Heer mit einer ordentlichen Dotierung haben wollen oder ob wir so weiterwurschteln wollen wie bisher und letztlich die Sicherheit Österreichs im Ernstfall gefährdet wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. Er hat das Wort.

0.05

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Verteidigungsminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, auch wenn bereits Mitternacht angebrochen ist, einige grundsätzliche Bemerkungen und einige Feststellungen zu den in der letzten Zeit geäußerten Meinungen anderer Fraktionen zu diesem Thema.

Seit etwa eineinhalb Jahren erlebe ich – und Sie mit mir – auf Bundesebene eine Stimmungsmache, eine Kampagne, die auf eine Entwertung des Bundesheeres abzielt. Was sind die Ursachen und die Ziele einer solchen Stimmungsmache?

Eine der Ursachen ist die Verstärkung einer fundamental pazifistischen Haltung bei einzelnen Politikern, auch bei Spitzenpolitikern, dieses Landes.


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Zweitens: Es hat den Anschein, daß die Verhinderung oder zumindest die Verzögerung einer vollständigen westeuropäischen Integration Österreichs auf diesem Weg stattfinden soll.

Drittens: Nach wie vor wird der Wert der immerwährenden Neutralität überbetont, obwohl man genau weiß, daß diese tatsächlich an Wert verloren hat.

Viertens: die Schwächung der österreichischen Landesverteidigung, bis wir – das sollte aber nie eintreten! – für westlich orientierte Sicherheitssysteme de facto kein verläßlicher und akzeptabler Partner mehr sein können. Oder ist es die irreale Hoffnung, daß seit 1989 Kriege in Europa oder darüber hinaus nicht mehr führbar wären? – Jugoslawien war ein grausames und tragisches Gegenbeispiel gegen diese These!

Meine Damen und Herren! Im "Jahrbuch Frieden", das dankenswerterweise jedes Jahr in Deutschland herausgegeben wird, sind 39 Kriege und 24 bewaffnete Konflikte in diesen Tagen auf der Welt verzeichnet. – Da soll doch niemand glauben, daß die Auseinandersetzung mit Waffengewalt nicht mehr möglich ist! Auch in Europa sind es drei bewaffnete Konflikte, die zurzeit noch immer anhalten.

Wie versucht man, diese Stimmung bei uns im Lande zu erreichen, daß es keine militärische Bedrohungsformen mehr gibt und diese Form der militärischen Verteidigung an Wert verloren hat? – Man argumentiert mit einem umfassenden oder erweiterten Sicherheitsbegriff und propagiert gleichzeitig, daß militärische Formen der Bedrohung nicht mehr vorhanden wären.

Was, meine Damen und Herren, wird dabei übersehen? – Könnten Sie bei den Freiheitlichen bitte etwa leiser miteinander reden? Sie stören den Redner sehr! (Abg. Ing. Meischberger: Das liegt am Redner und nicht an den Zuhörern!) Diesen boshaften Einwand habe ich mir fast erwartet!

Was wird beim genannten Argument bewußt übersehen? (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner .) – Ich habe nur um eine Verringerung der Lautstärke gebeten. (Zwischenrufe und Gegenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler .) Es gab, Herr Abgeordneter Stadler, zu verschiedenen Zeiten unserer Republik gewisse Parteien, die durch ständiges Zwischenrufen versucht haben, Redner, die sich nicht für ihre Sache verwendet haben, zu stören! (Abg. Ing. Meischberger: Grundvoraussetzung ist, daß dein Klub wach ist! – Abg. Mag. Stadler: Was wollen Sie? Reden Sie weiter!) Herr Stadler! Reden Sie oder rede ich jetzt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Dr. Maitz! Das Mikrophon ist laut genug eingestellt, wenn man zuhört.

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (fortsetzend): Was ist also bei dieser Situation bewußt übersehen worden? – Man geht bei dieser Denkschule davon aus, daß es eben keine Konflikte mehr gebe, man meint, daß die neuen, nichtmilitärischen Bedrohungen wie etwa Überbevölkerung und Wanderungsbewegungen, Umweltzerstörung und Vernichtung von Lebensraum oder die Ernährungsproblematik und Wirtschaftskrisen in weniger entwickelten Staaten, daß also diese und andere Phänomene, die Menschen, die Völkerschaften bedrohen, jeweils nur Konfliktursachen seien. Bewußt übersehen wird dabei, daß diese Konfliktursachen sich bei gegenseitiger Verstärkung aber sehr wohl zu gewaltsamen Lösungsversuchen unter Anwendung militärischer Gewalt entwickeln können.

Meine Damen und Herren! Ich will sicher keine Angst machen, was ich aber will, ist, daß politisch verantwortliche Persönlichkeiten unserer Republik eine realistische Sicht des europäischen und außereuropäischen Umfeldes pflegen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Wir brauchen eine angemessene, bewegliche und technisch gut ausgerüstete militärische Landesverteidigung für Österreich und unsere Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP.)

Darum geht es bei diesem Budget für militärische Angelegenheiten, und darum wird es auch in den beiden Jahren 1996 und 1997 gehen, wenn wir zum Beispiel – das wurde heute schon


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genannt – über die Nachfolge für die Überschallkampfflugzeuge Draken zu entscheiden haben werden.

Der Kalte Krieg ist aus, ein Zustand des stabilen Friedens, Kollege Wabl, ist in Europa noch nicht erreicht – das ist doch die Wahrheit und nichts anderes! Österreich, das sicherheitspolitisch für Europa so wichtig ist, darf kein Risikofaktor werden. Das ist unsere Verantwortung. Deshalb ist das Heeresbudget, zumindest nominell, erhöht worden, und dieser Anstieg im Vergleich zum Gesamtbudget ist in diesen Zeiten ein durchaus achtenswerter Erfolg der Verhandlungen des Verteidigungsministers.

Daß wir mit solchen "Normalbudgets" – das hat auch Kollege Scheibner hier gesagt – große Beschaffungsvorgänge nicht leisten werden können, ist evident. Dafür muß und soll – ich habe das schon öfter wiederholt, und ich wiederhole das auch heute – zum Beispiel für die Nachfolgemuster der Draken ab 1998 ein Zehnjahres-Sonderinvestitionsprogramm gestartet werden – und das mit oder ohne Vollbeitritt zur Westeuropäischen Union, weil besondere Ziele auch besondere Maßnahmen erforderlich machen.

Zu den einzelnen Debattenbeiträgen, etwa jenem des Kollegen Herbert Scheibner oder des Kollegen Anton Gaál: Für die Bereichskoalition für militärische Landesverteidigung des Kollegen Scheibner oder auch für die Kritik des Kollegen Gaál an überalterten Waffen und Geräten – für beides gilt eine Antwort, eine ganz einfache Antwort: Alle Abgeordneten sind eingeladen – alle Abgeordneten, auch Kollege Meischberger –, dem Machbaren beim Budget zuzustimmen und das Budget für die Heeresangelegenheiten somit zu Ihrer Sache zu machen. (Abg. Dr. Ofner: Da braucht es mehr Geld!)

Als Verantwortung für weitere große, wichtige Investitionsvorhaben für die äußere Sicherheit dieses Landes sollten wir in diesem Bereich – da gebe ich Herrn Kollegen Scheibner recht – Gemeinsamkeit gegenüber der Bevölkerung zeigen. Damit würden wir dann auch für die Notwendigkeit weiterer großer Investitionen eher die Zustimmung breiter Bevölkerungskreise erreichen.

Dem Kollegen Ofner ist nur recht zu geben, wenn er das Horrorszenario einer militärischen Landesverteidigung als "Nebenjob" von Polizei und Gendarmerie und auch die Vereinnahmung des Heeres-Nachrichtendienstes durch die Staatspolizei als unerträglich darstellt. Ich gebe Ihnen recht. Wenn dies jemals Realität würde, nämlich Landesverteidigung als "Nebenjob" von Polizei und Gendarmerie und die Vereinnahmung des Heeres-Nachrichtendienstes durch die Staatspolizei, dann wäre ich der erste, der seine politische Tätigkeit beenden und dieses Land nicht mehr so gerne hier vertreten würde, wie ich das nun tue. (Abg. Scheibner: Nicht aufgeben! – Abg. Wabl: Keine Drohung!) Das ist eine logische Konsequenz, die man aus einer solchen Situation ziehen müßte. Denn eines ist ganz sicher: Für die ÖVP sind diese beiden Punkte ganz bestimmt keine Verhandlungsgegenstände und keine Diskussion mehr! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine verehrten Damen und Herren! Ich verkürze das, was ich an diesem Abend noch sagen wollte, und reduziere auf ganz wenige Sätze. Es ist meine feste Überzeugung, daß das Bundesheer auch einen umfassenden Bildungsauftrag hat, und zwar einen umfassenden Bildungsauftrag mit drei Zielen: fachliche Ausbildung zur Erfüllung der eigentlichen militärischen Aufgabe anzubieten, einen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung für jeden zu leisten, der im Heer tätig ist (Abg. Wabl – kurz einen Bildkalender mit einer spärlich bekleideten Frau mit militärischen Accessoirs wie Stahlhelm und Patronengurt zeigend –: Das gehört auch dazu? Ich zeige Ihnen hier den Militärkalender! – Abg. Mag. Stadler: Was ist das? – Abg. Wabl: Der Militärkalender 1996!) , und eine dritte Qualität, nämlich organisatorische Fähigkeiten in der Praxis und für die Praxis zu vermitteln. (Abg. Mag. Stadler: Herr Präsident! Das sollte man unbedingt noch einmal anschauen! Für die Kamera!)

Meine Damen und Herren! Welche Institution sonst bietet jungen Österreichern die Einübung in den Dienst an der Gemeinschaft? Welche Institution sonst bietet jungen Österreichern – und künftig, wie ich hoffe, auch jungen Österreicherinnen, die sich freiwillig melden – die Vermittlung von Werten und Haltung für den Staat? Welche Institution bietet ... (Abg. Mag. Stadler: Geh, zeig es noch einmal her! Das ist schon interessant!) Für den Kollegen Stadler vielleicht, aber


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nicht für die große Masse der hier versammelten Kolleginnen und Kollegen. – Welche Institution sonst bietet die Einordnung in eine Gruppe zur Erledigung von Aufgaben, die sie im normalen Arbeitsleben nicht finden?

Meine verehrten Damen und Herren! Führungsverhalten und Managementmethoden (Abg. Ing. Meischberger: Konzentration auf die Uhr!) – nein, es ist noch Zeit, ich weiß das –, Führungsverhalten und Managementmethoden sind für Offiziere Qualitäten, die auch in Wirtschaft und Verwaltung sehr geschätzt werden. Ich nenne Ihnen nur drei Beispiele aus meinem Bundesland: Der Vorstandsdirektor einer der größten österreichischen Versicherungen, der Bezirkshauptmann von Knittelfeld, der Wirtschaftsdirektor des größten steirischen Krankenhauses sind Berufsoffiziere, die in den anderen Bereichen großartige und erfolgreiche Arbeit leisten. (Abg. Mag. Stadler: Geh, Wabl, zeig das noch einmal her! Das möbelt den Herrn Klubobmann Khol auf! Das ist Pornographie! – Abg. Dr. Khol: Eine nackte Frau ist noch nicht Pornographie!)

Die Landesverteidigungsakademie mit ihren Einrichtungen ist eine international anerkannte Institution. Die "Österreichische Militärische Zeitschrift" zum Beispiel hat Abonnenten in allen fünf Kontinenten. Wir sollten auf diese Bildungseinrichtungen stolz sein und sie bei ihrer Arbeit unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das österreichische Bundesheer ist die größte Friedensbewegung Österreichs. Das Bundesheer ist eine besonders verantwortungsbewußte, menschlich und fachlich starke, vielfältig einsetzbare präventive Friedensbewegung aus Berufs- und Milizsoldaten, und – so hoffe ich – in Zukunft auch aus freiwilligen Soldatinnen. Die militärische Landesverteidigung ist nie Selbstzweck, sondern immer Mittel zum Zweck, und das Ziel ist heute und in Zukunft, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. – Auch wenn es schon nach Mitternacht ist: Das wollte ich Ihnen sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Meischberger: Schau, der Khol klatscht!)

0.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. Er hat das Wort. (Abg. Mag. Stadler: Wo ist der Moser? Ist er schon in Pension? – Abg. Dr. Khol: Frischi, was machst du mit dem ganzen Papier?)

0.19

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Maitz hat gemeint, dem Bundesheer ... (Abg. Mag. Stadler: Wo ist der Moser?) Wie du siehst, nicht da! Ich bin beim Pult. Bin ich dir zu wenig? (Abg. Haigermoser: Nein, nicht, du warst immerhin zum Arbeiten da im Parlament! – Abg. Mag. Stadler: Du bist ja nicht in Pension!) Ist schon recht! (Abg. Mag. Stadler: Aber du schaust auch schon ein bißchen müde aus!)

Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister! Kollege Maitz hat gemeint, das Bundesheer hätte auch eine Erziehungsaufgabe. Ich denke, er hat sehr wohl auch die Sicherheitspolitik gemeint, und es wäre nun sicherlich verlockend, zunächst auf konkrete Bundesheerbegebenheiten einzugehen, ich meine aber, daß der wesentliche Punkt in dieser Debatte sein sollte, auf das sicherheitspolitische Dilemma hinzuweisen, das diese Bundesregierung Tag für Tag produziert.

Ich meine, man könnte selbstverständlich das Klagelied der zu geringen budgetären Absicherung des Heeres als Einstieg verwenden, und es gäbe auch manches gute Argument dafür – darauf werde ich noch eingehen –, aber der Hauptvorwurf, den man dieser Bundesregierung und auch Ihnen, Herr Bundesminister ... (Präsident Dr. Fischer – zu Bundesminister Dr. Fasslabend, der sich im Gespräch mit Abg. Dr. Haselsteiner befindet –: Herr Bundesminister! – Abg. Wabl: Dementiert der Haselsteiner jetzt?)

Herr Bundesminister, der Hauptvorwurf, der der Bundesregierung und damit auch Ihnen zu machen ist, ist das sicherheitspolitische Vakuum, für das diese Bundesregierung steht. In Wahrheit ist es so, daß Tag für Tag über die Medien – so auch im "Kurier" von morgen, der über die Debatte, die jetzt gerade stattfindet, seit dem Nachmittag berichtet – sehr deutlich wird, daß diese Bundesregierung, daß die beiden Regierungsparteien keine gemeinsame Sicherheits


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politik vertreten. Das ist ein Faktum, das man anhand von Diskussionsbeiträgen sehr schön aufzeigen kann, und damit meine ich nicht nur das Dilemma, unter dem die Verteidigungspolitik leiden muß, daß nämlich diese Bundesregierung nicht in der Lage ist, im Hinblick auf die europäische Perspektive eine gemeinsame Sicherheitspolitik zu entwickeln. In Wahrheit haben wir zwei: die eine seitens der Österreichischen Volkspartei, die eher in Richtung einer europäischen Integration der Sicherheitspolitik weist und auf der anderen Seite die Sozialdemokraten, die die Neutralität für alle Ewigkeit festgeschrieben glauben und eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik eigentlich für nicht notwendig, zumindest für keine Perspektive halten.

Das, Herr Bundesminister, ist der wesentliche Kritikpunkt, den man anmerken muß, weil das ja auch die Grundlage für die weiteren sicherheitspolitischen Konzeptionen und letzten Endes für die Organisation der militärischen Landesverteidigung ist.

Es ist eben merkwürdig, wenn man die Diskussion verfolgt. Zum Beispiel muß ich auf den seinerzeitigen Beitrag von Bundesminister Einem eingehen, der tatsächlich gemeint hat, die militärische Grenzsicherung, die militärische Sicherheit wäre letzten Endes einer "besseren" Grenzgendarmerie zu übertragen, wobei er völlig außer acht läßt, daß das natürlich nicht mehr dem verfassungsmäßigen Auftrag entspricht. Ein anderes Beispiel ist die von Klubobmann Kostelka vorgeschlagene Zusammenlegung von Heeres-Nachrichtendienst und Stapo. Genausogut könnte man die Baupolizei mit der Mordkommission zusammenlegen, denn so viel haben diese beiden Einrichtungen – Nachrichtenamt und Staatspolizei – miteinander zu tun.

Was mich an dieser Diskussion stört, ist nicht, daß so etwas passiert: Es zeigt das nur die absolute Unernsthaftigkeit oder auf jeden Fall Unseriosität, mit der mit diesen Dingen umgegangen wird. Und das ist ein Befund, den die Bundesregierung zu verantworten hat und damit, Herr Bundesminister, natürlich auch Sie. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zunächst einmal wäre es daher notwendig, daß Österreich in der sicherheitspolitischen Konzeption wieder Klarheit herbeiführt. Österreich hat viele Jahrzehnte hindurch aufgrund der Situation, in der sich eben unser Land zwischen den beiden Militärblöcken befunden hat, das sehr vernünftige sicherheitspolitische Konzept der Neutralität entwickelt. Auf der Grundlage dieses Konzeptes wurde ein ganz bestimmtes Wehrsystem, eine Verteidigungsdoktrin mit Raumverteidigung, Miliz und allen diesen Dingen entwickelt, die ihre Logik hatte, nur müssen wir uns darüber im klaren sein, daß diese Konzeption seit 1989/90 passé ist, und damit meine ich, Herr Bundesminister, auch die "Heeresgliederung Neu", mit der letzten Endes eine sehr beliebige MOB-Größe des Heeres festgelegt wurde, ohne daß sich die zukünftigen europäischen Perspektiven tatsächlich entsprechend untermauern ließen.

Jetzt kommt natürlich die Budgetsituation dazu, Herr Bundesminister, und Sie werden ganz genau wissen – ich brauche das jetzt nicht auszuführen –, daß diese "Heeresgliederung Neu", die mit 120 000 Mann hingestellt wurde, selbstverständlich auch vom Budgetären her von der Regierung nie wirklich ernstgenommen wurde. Das ist ein Faktum, und ich erspare es mir jetzt – wobei ich, wie Herr Kollege Scheibner, eine lange Liste an Mängeln anführen könnte, eine lange Liste der Investitionen, die notwendig wären, um dieses Ziel zu erreichen –, das anzuführen. (Abg. Wabl: Bitte, das würden wir gerne wissen! Das ist ja die Frage!) Ich meine, daß das im Endeffekt der Beleg dafür ist, daß die "Heeresgliederung Neu" als solche nicht durchführbar ist und sich damit auch die Frage stellt, wie es insgesamt weitergeht.

An der Spitze steht natürlich die Frage, ob sich diese Republik zur Notwendigkeit militärischer Sicherheitskapazitäten bekennt: ja oder nein? – Diese Grundsatzdebatte wird zwar rhetorisch meistens als geklärt dargestellt: In Wahrheit ist sie das nicht, denn wir wissen: In dem Augenblick, in dem es darum geht, die entsprechenden politischen und auch budgetären Belastungen für die militärische Sicherheit auf den Tisch zu legen, schrumpft die Zustimmung in diesem Haus und ich würde annehmen, auch in der Bevölkerung sehr rapide. Das ist ein Faktum. Das beschränkt natürlich auch die Möglichkeiten, und deshalb frage ich mich, ob nun dieses reine Fordern nach mehr Geld tatsächlich die Lösung ist.


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Nach unseren Vorstellungen müßte die Vorgangsweise folgendermaßen sein, Herr Bundesminister: Als allererstes sollten Sie mit dem Außenminister – hauptverantwortlich ist aber natürlich der Bundeskanzler und die gesamte Bundesregierung – dieses sicherheitspolitische Vakuum mit einem klaren Bekenntnis füllen. Das heißt, nachdem Österreich der Europäischen Union beigetreten ist und das Konzept der dauernden Neutralität keine sicherheitspolitische Perspektive eröffnet – im Gegenteil! –, sollte die Integration der militärischen Verteidigung ganz klar als politisches Ziel dieser Republik angesprochen werden. Es ist die Basis jeglicher vernünftiger Sicherheitspolitik, davon auszugehen, daß die Europäischen Union notwendigerweise auch eine Sicherheitsgemeinschaft ist und daß diese Sicherheitsgemeinschaft nicht nur im Interesse des Kontinents, sondern auch im Interesse Österreichs liegt.

Und wenn dieser Boden einmal gelegt ist, kann man als nächsten Schritt mit der Europäischen Union in einer zumindest mittelfristigen Perspektive übereinkommen, welchen Anteil Österreich an der Lastenverteilung, an dieser unangenehmen und oft drückenden Last der militärischen Sicherheit, zu tragen hat.

Ich bin der Ansicht, daß der Kontinent Europa nach wie vor ein überrüsteter ist, daß es eine zu hohe militärische Dichte gibt, aber eines muß uns jedenfalls klar sein: Die Illusion, die Kollege Kostelka einmal gehabt hat, daß wir, wenn einmal Ungarn oder die Slowakei Mitglieder der NATO sind, sozusagen im sicherheitspolitischen "Windschatten" durchkommen, weil dann der Kontinent vergißt, daß es da auch ein Österreich gibt, ist nicht aufrechtzuerhalten.

Zu meinen, es wäre sozusagen eine Möglichkeit gegeben, im "Windschatten" der anderen sicherheitspolitischen Gegebenheiten zu bleiben, dann werde man auf uns und auf unseren Beitrag vergessen – das ist Illusion. Es ist auch schon ganz klar ausgesprochen worden: Österreich wird einen Anteil leisten müssen, entweder durch eigene militärische Anstrengungen, oder man wird einfach ganz klar mitzahlen müssen. Und da, meine ich, ist es schon gescheiter, daß Österreich seinen eigenen militärischen Beitrag leistet. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Scheibner: Das hätten wir ja wollen, Kollege!)

Wie dieser Beitrag aussieht, meine Damen und Herren, wird weit von dem abgehen, was die jetzigen Grundlagen in der Verfassung, im Landesverteidigungsplan, in der Landesverteidigungsdoktrin und auch in der "Heeresgliederung Neu" darstellen. All diese Grundlagen haben ihre Gültigkeit verloren. Ich meine, wir werden uns darauf konzentrieren müssen, in Kernbereichen bescheidene, aber moderne Substanz aufzubauen. Wir werden mechanisierte Kernbereiche brauchen. Es wird die Debatte in Österreich zu führen sein, ob wir für eine eigene Luftraumkontrolle und Sicherheit vorsorgen oder nicht. Diese Frage ist dringend.

Ich bin nicht der Überzeugung, man könnte – wie es auch Kollege Kostelka unlängst einmal geäußert hat – annehmen, daß das vielleicht die anderen für uns machen. Ich halte das für militärisch nicht machbar. Aber diese Grundsatzdebatte ist zu führen, denn es wird nicht so gehen, daß wir einerseits sagen, wir brauchen militärische Sicherheit, wir haben unseren Beitrag zu leisten, daß wir aber auf der anderen Seite dann, wenn die Konsequenzen zu tragen sind, der Diskussion und Entscheidung ausweichen.

Diese Grundsatzdebatte ist bald zu führen, und ich weiß ein Lied davon zu singen, was es heißt, insbesondere in der Frage der Luftraumsicherung Entscheidungen zu treffen. Die Grundsatzdebatte ist zuerst zu führen, und dann erst sind die weiteren Schritte zu setzen, aber zunächst geht es darum, wirklich einen gemeinsamen Bogen zu legen, ob wir das wollen oder nicht! Das ist eine wesentliche Voraussetzung. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Zum Schluß rufe ich noch einmal in Erinnerung und betrachte es als den größten Mangel, daß diese Bundesregierung keine gemeinsame sicherheitspolitische Linie hat. Der Tagesstreit in den Zeitungen und offensichtlich auch zwischen den führenden Repräsentanten dieser Regierung ist eine Realität. Und das, was in der Regierungserklärung steht, Herr Bundesminister, grenzt geradezu ans Lächerliche, es ist verwaschen und unklar. (Abg. Wabl: Na geh, das ist doch eine Beleidigung!)


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Ich könnte das jetzt im einzelnen aufführen. Wenn hier zum Beispiel tatsächlich von der Modernisierung der Ausrüstung gesprochen wird und Sie genau wissen, daß mit diesen budgetären Parametern, die Sie vorfinden, dieser Nachholbedarf nicht zu finanzieren ist. Daher ist das eine reine Leerformel. (Abg. Wabl: Wir brauchen ein Ziel! Wie ist das Ziel des Liberalen Forums? Das würde mich interessieren!) Wenn davon die Rede ist, daß die Grundsatzplanung im Bereich Operation auch für die Beschaffung vorgelegt werden muß, dann frage ich wiederum: Was ist die sicherheitspolitische Basis, aufgrund derer das erfolgt, wenn die Bundesregierung diese Konzeption nicht hat? – Und wenn dann zum Beispiel von der Weiterentwicklung des Kasernen-, Lager- und Truppenübungsplatzkonzeptes die Rede ist, dann frage ich: Auf der Grundlage welcher Heeresgröße wird das diskutiert? – Und mir schaudert davor, daß es offensichtlich so ist, daß moderne neue Kasernen leerstehen, während in anderen Bereichen die Leute noch in miserablen Quartieren hausen müssen.

All das ist ohne tatsächliche sicherheitspolitische Grundkonzeption, daher ist alles weitere sehr, sehr schwammig und dementsprechend groß ist auch die Unsicherheit über die budgetäre Ausstattung des Heeres.

Deshalb noch einmal: Erstens muß diese Grundkonzeption erarbeitet werden, aufgrund derer in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union, vor allem mit der Westeuropäischen Union, der Anteil festgelegt werden muß, den Österreich in einer europäischen Sicherheitskonzeption beitragen muß. Dann muß die entsprechende Heeresorganisation durchgeführt und als letzte Frage erörtert werden, welches Wehrsystem man will: Berufsheer oder Fortsetzung der Wehrpflicht? – Wobei wir meinen, daß, wenn es einmal eine gemeinsame europäische Sicherheitskonzeption gibt, die Wehrpflicht aussetzbar ist.

Aber noch einmal: Voraussetzung, Herr Bundesminister, ist die sicherheitspolitische Konzeption. Diese sind Sie der Republik schuldig geblieben. Das ist die Hauptschwierigkeit, und das ist auch verantwortlich für die großen Schwierigkeiten, die das Bundesheer im Rahmen der gesamten politischen Entwicklung hat. (Beifall beim Liberalen Forum.)

0.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. Er hat das Wort.

0.33

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Dr. Maitz war ja sehr bemüht, hier dem erweiterten Sicherheitsbegriff das Wort zu reden, aber die Verschwörungstheorie, die er hier dargelegt hat, war sicher keine Antwort für den umfassenden Sicherheitsbegriff, würde ich wohl meinen.

Herr Bundesminister! Im Arbeitsübereinkommen, das sich die Bundesregierung für diese Legislaturperiode vorgenommen hat, ist expressis verbis die Vorlage einer militärischen Grundsatzplanung in den Bereichen Operation, Ausbildung und Beschaffung festgelegt. Wir haben diese Grundsatzplanung immer wieder auch deshalb gefordert, weil wir sie ganz einfach als wichtiges Element, als die wichtigste Grundlage für die Erstellung des Landesverteidigungsbudgets sehen.

Die Voranschläge 1996 und 1997 fügen sich zweifellos in den Sparrahmen des Regierungsprogramms ein, wobei natürlich der Gedanke des Sparens im Vordergrund steht, aber nicht im Sinne von Kaputtsparen, sondern eher – ich glaube, das ist auch richtig so – von intelligentem Sparen, und das bedeutet richtige Prioritätensetzung. Das läßt sehr wohl einen Investitionsrahmen für die Modernisierung der Ausrüstung und auch der Bewaffnung des Bundesheeres zu.

Diese Rüstungsbeschaffungen, Herr Bundesminister – ich habe das wiederholt hier gesagt –, müssen transparent und nachvollziehbar sein. Wir sind gerne bereit, mit Ihnen weiterhin für eine gemeinsame effiziente und glaubwürdige Landesverteidigung einzutreten und damit auch Mitverantwortung zu übernehmen, aber Mitverantwortung, Herr Bundesminister, heißt auch teilhaben an Mitentscheidung und Mitgestaltung.

In diesem Zusammenhang muß ich daher nochmals ein militärisches Investitionsprogramm von Ihnen einfordern. Sie können sich nicht immer wieder darauf verlassen, daß es uns im "trend"


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oder in anderen Zeitschriften österreichweit mitgeteilt wird, denn es geht letztlich um Millionen- und oftmals auch um Milliardenbeträge; nicht zu vergessen sind auch die Folgekosten.

Ich darf etwas konkreter werden: In Medienberichten der vergangenen Woche war ein dramatischer Hilferuf aus den Reihen der mechanisierten Truppe des Bundesheeres zu lesen, und dieser Hilferuf – er wurde heute hier schon erwähnt – gipfelte in den Schlagzeilen: "Bundesheer setzt Rost an", "Bundesheer ist am Ende", "Flugzeuge und Panzer verrotten".

Herr Bundesminister! Meiner Ansicht nach sind diese Berichte über den desolaten Zustand des Bundesheeres, vor allem was die mechanisierten Verbände anlangt, ganz einfach eine Kapitulationserklärung des Heeresmanagements. Und dafür, Herr Bundesminister, tragen allein Sie die Verantwortung! (Abg. Mag. Stadler: Sie allein, Herr Bundesminister, haben die Verantwortung!) Sie haben seinerzeit im Landesverteidigungsausschuß – ich darf daran erinnern – über den technischen Standard der Kampfpanzer M 60 berichtet, und ich darf aus diesem Anlaß aus dieser schriftlichen Unterlage zitieren, in der es heißt:

"Der mittlere Kampfpanzer M 60 ist Mitte der sechziger Jahre im Bundesheer eingeführt worden und entspricht in der Version A 3 dem heutigen technischen Standard", also dem Standard von 1993. Und weiters heißt es hier auch: "In vielen Armeen steht er zurzeit in Verwendung, so zum Beispiel in Italien, der Türkei, Spanien, Portugal, Griechenland sowie bei der Nationalgarde der amerikanischen Streitkräfte."

Weiters haben Sie berichtet, Herr Bundesminister, daß dieser Kampfpanzer auf absehbare Zeit hinaus weiterhin als wesentliches Element der Kampfkraft des Bundesheeres verbleiben wird. Dann haben Sie festgestellt, daß dieser Kampfpanzer noch zwei bis drei Grundüberholungsvorgängen zugeführt werden dürfte. Wie Sie wissen, Herr Bundesminister, finden diese Überholungsvorgänge alle neun Jahre statt. (Abg. Scheibner: Da werden Pedale eingebaut, damit man fahren kann!) Das bedeutet also, daß dieser Panzer, wenn wir nur von diesen zwei Grundüberholungsvorgängen ausgehen, immerhin bis zum Jahre 2010 im Bestand des österreichischen Bundesheeres verbleibt. Aber jetzt erklären Sie im morgigen "Kurier", daß dem nicht mehr so ist.

Herr Bundesminister! Ich darf Sie ersuchen, das hier aufzuklären, denn es gibt für mich nur eine einzige Schlußfolgerung: Entweder haben Sie dem Landesverteidigungsausschuß die falschen Informationen weitergegeben oder Ihre Aussagen im "Kurier" stimmen nicht. Daher bitte ich Sie um Aufklärung hierüber!

Erlauben Sie noch einmal einen Hinweis auf die Panzer und Flugzeuge, die verrosten und verrotten. Dies ist nicht deshalb der Fall, weil sie technisch veraltet sind, Herr Bundesminister, sondern weil sie ganz einfach schlecht oder gar nicht gewartet werden. Das, Herr Bundesminister, ist für mich unverständlich, denn das Bundesheer hat den Budgetrahmen für die Wartung nicht ausgenützt. (Abg. Dr. Maitz: Eine schwache Ausrede!)

Ich darf daran erinnern: 1995 hat das Bundesheer von 746 Millionen Schilling, die im Budget für Wartungsarbeiten vorgesehen waren, nur 422 Millionen Schilling tatsächlich ausgegeben. Herr Dr. Maitz, da hat man, wenn Sie nachrechnen, auf 324 Millionen Schilling verzichtet und auch 1994 hat man auf 200 Millionen Schilling verzichtet. (Beifall des Abg. Achs .) Sie haben ganz einfach diesen Budgetrahmen, der hierfür vorgegeben war, nicht ausgenützt. (Abg. Dr. Maitz: Eine schwache Ausrede für Ihr mangelndes Engagement!) Nein, das ist nachzulesen in den Budgetunterlagen.

Daher ist das für mich unverständlich. Wenn man sich seriös mit den inhaltlichen Gegebenheiten auseinandersetzt, Herr Dr. Maitz, kommt man zu dem Schluß, daß es sich um ein Mißmanagement des Österreichischen Bundesheeres handelt, und dafür hat der Herr Minister die volle Verantwortung zu tragen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir verlangen darüber volle Aufklärung. Was wir brauchen, Herr Bundesminister, ist ein Sofortprogramm zur Änderung dieser unhaltbaren Situation. Seit Jahren wird die strategische Planung des Bundesheeres vernachlässigt. Daher sind eine einsatzgerechte Ausbildung und die optimale Nutzung der Geräte nicht möglich. Seit der Bundesheerreformdiskussion 1990 stellen wir unsere Forderungen, und ich bitte Sie, Herr Bundesminister, sich einmal auch unsere Vorschläge anzu


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sehen und zu überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, miteinander den richtigen Weg zu gehen. Wir wollen die Ausarbeitung eines Controllingsystems zur wirtschaftlichen Führung des Bundesheeres. Das war immer wieder eine unserer Forderungen. Es sollen auch eine Ermittlung des Kampfwertes für sämtliche Waffensysteme und Truppenkörper und eine Kostennutzenanalyse für das gesamte Bundesheer vorgenommen werden. Bis jetzt, Herr Bundesminister, ist jedoch nichts geschehen, und jetzt ernten Sie die "Früchte"! Sie tragen vollinhaltlich die Verantwortung!

Daher würde ich meinen, meine Damen und Herren, daß wir einen klaren politischen Konsens brauchen, so wie es ihn in den achtziger Jahren gegeben hat, als es darum ging, den Landesverteidigungsplan zu erarbeiten; in der Folge gab es dann auch eine gemeinsame Beschlußfassung.

Ich glaube, nur so wird es möglich sein, die "Heeresgliederung Neu" in Richtung einer höheren Verfügungsbereitschaft weiterzuentwickeln. Die Ausrüstung und Bewaffnung des Bundesheeres mit den vorhandenen Budgetmitteln ist sehr wohl möglich, wenn wir sie sinnvoll einsetzen, modernisieren und auch eine zeitgemäße Ausbildung garantieren. Daher glaube ich, Herr Bundesminister, daß wir diesen Weg gemeinsam gehen sollten.

Die internationalen Aufgaben sind für Österreich sehr klar geregelt: Friedenserhaltung, humanitäre Maßnahmen, internationale Katastrophenhilfe. Ich halte die Teilnahme an der NATO-"Partnerschaft für den Frieden" für ein nützliches Instrument der sicherheitspolitischen Kooperation. Aber eines muß denjenigen, die immer wieder auf eine Mitgliedschaft Österreichs bei einem Militärbündnis drängen, klar und deutlich gesagt werden: Gemeinsame Missionen mit der NATO müssen unter dem Mandat der Vereinten Nationen oder der OSZE stehen. Die Teilnahme an der NATO-"Partnerschaft für den Frieden" darf unserer Ansicht nach kein Freibrief für eine schleichende NATO-Mitgliedschaft sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher halte ich es für ganz besonders wichtig, daß das individuelle Arbeitsprogramm zwischen NATO und Österreich, insbesondere was seine Durchführung betrifft, eine ganz besonders sorgfältige Handhabung festlegt, was die Vorbereitungsmaßnahmen und die gemeinsamen Übungen mit dieser Partnerschaft betrifft.

Auch zu den Übungen ein klares Wort, meine Damen und Herren: Für uns ist diese Regierungsvereinbarung bindend, daran gibt es überhaupt nichts zu rütteln, dazu stehen wir, daran halten wir fest. Das zeigt auch unsere Teilnahme an den PfP-Übungen. Wir sind aber nur unter Beibehaltung der Freiwilligkeit einverstanden. Die Freiwilligkeit muß nach wie vor gegeben sein, und zwar nach Ableistung des Präsenzdienstes. Das heißt: An Einsätzen und Übungen im Ausland dürfen keine Grundwehrdiener teilnehmen. Daran halten wir nach wie vor fest.

Herr Bundesminister! Jetzt müssen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung des Bundesheeres gesetzt werden. Dazu ist natürlich eine konsequente Fortführung der Verwaltungsreform im gesamten Verwaltungsbereich des Bundesheeres notwendig. Es müssen sehr wohl auch Planstellen abgebaut werden. Das muß mit einer Straffung der Führungsstruktur einhergehen. Wir verlangen das immer wieder, aber es hat bis heute keinen einzigen Schritt in diese Richtung gegeben. (Abg. Dr. Maitz: Das ist völliger Unsinn!)

Herr Bundesminister! Sie haben keine wie immer geartete Anregung unsererseits angenommen. Ich darf nur darauf hinweisen: Es gibt Betriebsversorgungsstellen, an die über 4 500 systemisierte Planstellen gebunden sind. Während also die Verwaltung voll besetzt ist, gibt es jedoch bei der Truppe ein Minus von nahezu 50 Prozent. Und das geht zu Lasten der Ausbildung. Sie waren aber bis heute nicht bereit, Änderungen herbeizuführen, Herr Bundesminister!

Ich glaube, daß das zentrale Thema der nächsten Jahre im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der heute schon wiederholt angesprochenen "Heeresgliederung Neu" sehr wohl die Modernisierung der Ausbildungseinrichtungen sein wird. Es muß eine Verbesserung der Ausrüstung geben, wobei die Mannesausrüstung im Vordergrund steht. Und nicht zu vergessen ist auch die Schaffung von annehmbaren Unterkünften für jene, die bereit sind, im Rahmen des Bundesheeres ihren Dienst zu leisten.


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Herr Bundesminister! Neben der heute schon erwähnten Grundsatzplanung für den Bereich der Operation, der Ausbildung und der Beschaffung muß auch das längst fällige Kasernen-, Lager- und Truppenübungsplatzkonzept vorgelegt werden. Diese konzeptiven Überlegungen wollen wir gemeinsam mit dem von Ihnen für das erste Halbjahr 1996 zugesagten Bericht über den Zustand des Bundesheeres und über die Umsetzung der "Heeresgliederung Neu" umfassend diskutieren. Auch dabei, Herr Bundesminister, müssen Glaubwürdigkeit und Effizienz im Vordergrund stehen.

Ich glaube, wir werden diesen Weg nur in einem sinnvollen Miteinander im Interesse der Sicherheit Österreichs gehen können, wenn wir erfolgreich sein wollen. Unsere Unterstützung und unser aktives Mittun haben wir bereits bewiesen und sagen es weiterhin zu. Herr Bundesminister! Gehen wir gemeinsam diesen Weg! Hören Sie auch auf unsere Anregungen, unsere Vorschläge und unsere konzeptiven Überlegungen im Interesse der Bevölkerung dieses Landes und im Interesse des österreichischen Bundesheeres. (Beifall bei der SPÖ.)

0.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. Er hat das Wort. (Abg. Mag. Stadler: Haben Sie den Kalender mit?)

0.48

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Das Original kann dann hinten gegen eine kleine Spende für das Heeresbudget eingesehen werden. (Bundesminister Dr. Fasslabend: Ich kenne ihn noch nicht! Jetzt sehe ich ihn endlich!)

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kollege Frischenschlager ist ja ein Kenner der Materie, er hatte immerhin drei Jahre lang Gelegenheit, das Verteidigungsministerium zu gestalten. Wer von der Opposition hat denn schon diesen reichen Erfahrungsschatz? – Frischenschlager hat damals den Grundstein für die grüne Opposition gelegt, und zwar für die großen Visionen, die die Grünen gehabt haben. Wir haben uns das ein bißchen anders vorgestellt, ich gebe es zu. Die Vision von uns Grünen im Zusammenhang mit der Verteidigung war etwas anders als das, was jetzt passiert.

Wir haben uns gedacht, wir müssen sukzessive die vielen Kräfte, die es in unserer Gesellschaft gibt – wie: soziale Verteidigung, demokratische Standfestigkeit als Rückgrat, Entwicklungshilfe, Zusammenarbeit, Integration, völkerverständigende Maßnahmen und, und, und –, dagegen lenken und langsam den militärisch gewaltsamen Teil der Verteidigung überführen in eine andere Formation. Das war eine Vision, die sehr langfristig angelegt war. (Abg. Dr. Maitz: Haben Sie schon einmal etwas von "Verfassungsauftrag" gehört?)

Herr Maitz! Daß Sie von der Koalition aber bereits heftig daran arbeiten, das Bundesheer zu demolieren und diese Vision unfreiwilligerweise zu verwirklichen, überrascht mich ein bißchen, zumal der Konflikt unübersehbar ist: Minister Fasslabend hat über seinen netten Kollegen Innenminister Einem gesagt: staatsgefährdend. Sie haben heute hier wieder erklärt, was alles notwendig sei, und Kollege Gaál hat Ihnen wieder widersprochen. – Sie in der Koalition sind sich überhaupt nicht darüber einig, was alles in diesem Bundesheer geschehen soll.

Wenn Sie mit Fachleuten über das Bundesheer reden, hören Sie ziemlich ähnliche Kommentare. Ich rede relativ selten über das Bundesheer und die innere Gliederung, weil ich darüber wenig weiß und kein Experte bin. Aber eines pfeifen die Spatzen bereits von den Dächern: Das Bundesheer wurde von Ihnen gemeinsam demoliert. Erstens herrscht dort ein Geist, den man nur als Ungeist bezeichnen kann. Die jungen Menschen wollen dort nicht mehr hin. Dann haben Sie versucht, den Zivildienst als Strafdienst zu verschärfen, damit mehr junge Leute zum Militär gehen. Sie haben alles probiert. Die jungen Menschen leisten aber lieber einen Dienst, der Sinn macht, bei dem sie aufrecht gehen können und nicht getreten werden und das Gefühl haben, sie leisten etwas Sinnvolles für diesen Staat, für diese Demokratie, für dieses Land. (Zwischenrufe der Abg. Zweytick und Scheibner .)

Sie haben den Zivildienst verschärft, Sie haben ihn verlängert, Sie haben ja alles probiert, um ihn zu diskreditieren. Das war ja Ihr wunderbarer "Verdienst"! Sie haben dann auch mit herrli


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chen Kalendern noch versucht, die Leute hin zu locken – ich weiß nicht, ob das schon ein Vorgriff war auf das Anlocken des anderen Geschlechts. Ich kann nicht beurteilen, was Sie sich dabei gedacht haben. Sie haben jedenfalls alles dazu getan, das Bundesheer unattraktiv zu machen. Herr Maitz! Das ist objektiv! Das ist keine böse Kritik von einem Grünen. Ich könnte dabei ja auch nur schadenfroh zusehen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Maitz. )

Herr Kollege Maitz! Sie haben nicht nur innerhalb des Bundesheeres alles dazu getan, daß das Bundesheer demoliert wird, dieser Vorwurf betrifft vor allem auch Ihre Partei! Leider ist Kollege Kiss nicht da! Herr Kraft mußte ja zurücktreten! Sie haben mit einer Reihe skandalöser Waffenschiebereien dafür gesorgt, daß alles rund um das Bundesheer diskreditiert wird. (Abg. Wurmitzer: Wo haben Sie gedient?) Herr Abgeordneter Wurmitzer! Ich habe beim Roten Kreuz gedient, stellen Sie sich das vor! Ich war einmal bei einer Geburt dabei, mehrmals bei Herzinfarkten und bei schweren Verkehrsunfällen. Ich habe dort gelernt, im Notfall einzugreifen. Ich bin nicht ausgebildet an den Waffen, die Sie wahrscheinlich ständig verschieben. Aber Herr Wurmitzer ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Wabl! Bitte um eine Klarstellung dessen, was Sie da gesagt haben!

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Ich habe gemeint (Zwischenrufe bei der ÖVP): Einige in der ÖVP sind manchmal versucht, in diesem Bereich Geschäfte zu machen. (Abg. Dr. Maitz: Wer?) Da gibt es einen Mann, der heißt Kraft. "Kraft" seines Amtes hat er agiert, und als Verteidigungssprecher wurde er verurteilt, und zwar wegen des Versuchs der Bestechung. Stimmt das? Ja? (Abg. Dr. Maitz: Deswegen ist er nicht verurteilt worden!) Ist er nicht verurteilt worden deshalb? – Es gibt darüber unzählige Berichte! Soll ich sie Ihnen vorlesen? Soll ich vorlesen von den "Waffenmillionen" und davon, wie sich SPÖ und ÖVP das Geld teilen wollen. "Politiksumpf Waffenhandel und Fasslabends Verantwortung" heißt es hier. Die Bestechungsversuche sind ab sofort strafbar, nach dem Urteil gegen Kraft. Weiteres Zitat: "Minister Fasslabend war über den Korruptionsversuch informiert und beharrte dennoch auf Thomson." Was soll denn das bedeuten? Mangelnde Kooperation?

Lacina hat sich dagegen gewehrt, daß diese Waffensysteme angekauft werden, und hat gemeint, daß da nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Meine Damen und Herren! Was ist denn da alles passiert? (Abg. Dr. Maitz: Das war alles korrekt!)

Na selbstverständlich! Und was war mit den Bilanzen, die plötzlich verschwunden sind in Ihrer Teilorganisation, anhand derer man nachweisen hätte können, daß Provisionen in Ihre Kassen geflossen sind? – Plötzlich waren sie unauffindbar! Computer sind abgestürzt! Alles war weg! Glauben Sie, das haben sich die Presseleute alles aus den Fingern gesogen, Herr Maitz? Glauben Sie, das ist alles erfunden? (Abg. Dr. Maitz: Sie werden schon für Gerüchte gesorgt haben!) Selbstverständlich, weil ich einen so guten Zugang zu Leuten wie Assman habe! Da haben Sie auch fleißig mitgeholfen!

Meine Damen und Herren! Sie haben nicht nur – das wiederhole ich noch einmal – im Bundesheer selbst dafür gesorgt, daß dieses Instrument diskreditiert wird, sondern Sie haben auch im Umfeld dafür gesorgt, daß das der Fall ist.

Meine Damen und Herren! "Tarnen und Täuschen" war einer der letzten großen Artikel darüber. – Sie haben sich damals – erfolgreich – gegen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses geweigert. Die SPÖ war schon geneigt, dem zuzustimmen und hat Sie natürlich unter Druck gesetzt. Aber Sie haben sich erfolgreich gewehrt! (Abg. Dr. Maitz: Weil nichts zu untersuchen war!) Herr Abgeordneter Maitz! Natürlich war nichts zu untersuchen! Es ist nie was zu untersuchen, wenn es nach Ihnen geht!

Jetzt kommt die letzte Posse, Herr Abgeordneter Maitz! Dabei spielen wieder mehrere mit. Jetzt kommt das große Spiel: Wo und was werden wir in Zukunft anschaffen? – Ich habe gehört: Der Herr Minister denkt noch immer an diese Hubschrauber; Sie kennen dieses peinliche Geschäft. Wir haben gehört, es sollen auch die Nachfolge-Abfangjäger gekauft werden. (Abg. Dr. Maitz: Sie sind dagegen, das wissen wir doch!) Abgeordneter Frischenschlager kommt hier heraus, er


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klärt mutig als Kenner der Materie: Herr Minister! Legen Sie doch endlich die Liste vor, damit wir wissen, wie wir dran sind. – Ich hätte ihn halt ersucht, zu sagen, woher das Geld hiefür kommen soll. Da fehlt’s dann an Mut beim Herrn Frischenschlager. Auch Herrn Scheibner verläßt plötzlich der Mut. (Zwischenruf des Abg. Scheibner .) Woher nehmen Sie denn das Geld her, Herr Scheibner? Wollen Sie es wieder bei den Familienbeihilfen, bei den Arbeitslosen, bei den Beamten holen, wobei Sie sagen müssen, bei welchen Beamten? (Abg. Scheibner: Bei den Förderungen!) Oder bei den Förderungen, bei den Bauern! Das wollten Sie ja schon einmal streichen! Sagen Sie doch, woher das Geld kommen soll! Nach Ihrer Aussendung von heute will der Herr Scheibner nur "lächerliche" 10 Milliarden Schilling mehr! Er ist ein "bescheidener" Kerl. 10 Milliarden! Woher denn bitte, Herr Scheibner? (Abg. Scheibner: Im Rahmen von vier Jahren!)

Dann kommt noch eine Steigerung. Es gibt Leute hier im Haus wie etwa Frau Klubobmann Heide Schmidt – Klubobfrau, entschuldigen Sie diesen Fauxpas! –, sie schämt sich schon ein bißchen, weil sie weiß, was der NATO-Beitritt wieder kosten wird. Kein Mensch sagt, woher das Geld kommen soll. Plötzlich stehen Sie dort ganz keusch wie die kleinen Buben, die erwischt worden sind bei unanständigen Gedanken, meine Damen und Herren! Das ist das Problem! (Abg. Dr. Schmidt: Was hat das mit mir zu tun?)

Sagen Sie es doch, Herr Minister Fasslabend, woher Sie das Geld nehmen werden! Sagen Sie es doch, wem Sie es wegnehmen wollen! Oder wollen Sie Kredite aufnehmen? Wollen Sie sammeln gehen, so wie immer gesammelt wird für die Behinderten, die Alten und die Kranken? – Nein, das tun Sie nicht! (Zwischenruf des Abg. Wurmitzer. )

Sagen Sie es doch! Herr Wurmitzer! Sagen Sie es doch Ihren Kärntnerinnen und Kärntnern, woher Sie das Geld nehmen wollen! Herr Maitz! Glauben Sie, daß Herr Assmann so viel angespart hat? (Heiterkeit bei den Grünen.)

Glauben Sie, daß Sie sich das alles leisten können, was in diesem herrlichen Wunschkatalog steht? In der Südsteiermark werden Sie bei den Weinbauern wahrscheinlich höhere Steuern einholen, um eben Boden-Boden- und Boden-Luftlenkwaffen anschaffen zu können, um Radpanzer anzuschaffen und die M60 auszuwechseln. Diese haben ja das Ende ihres Lebenszyklus erreicht, sagt der Herr Bundesminister für Verteidigung ganz mutig. Jetzt brauchen wir neue! (Zwischenruf des Abg. Zweytick. ) Aber woher nehmen wir denn das Geld, Herr Zweytick? Sie sollten sich mit dem Herrn Minister zusammensetzen und endlich darüber nachgrübeln, welchen Weinbauern man in der Südsteiermark die Förderungen wegnehmen soll, Herr Zweytick!

Oder, Herr Kollege Zweytick, haben Sie eine andere Geldquelle? (Abg. Zweytick: Ich habe eine, aber dir werde ich sie nicht verraten!) Haben Sie eine neue? – Bitte, sagen Sie es doch, kommen Sie doch heraus, denn dem Maitz ist ja nichts eingefallen! Dem Frischenschlager ist nichts eingefallen! Der Moser ist, glaube ich, heute ins Ausland geschickt worden, damit er sammeln geht, denn sonst müßte er hier erklären, wie er die Nachfolge-Abfangjäger kaufen kann.

Ich glaube, da gibt es einen veritablen Konflikt innerhalb des Liberalen Forums, denn Frau Dr. Schmidt ist, glaube ich, für ein Nullbudget. Sie ist ein bißchen eine Anhängerin der Einem-Vision. (Abg. Dr. Maitz: Wir werden für dieses Kabarett Eintritt kassieren!)

Herr Maitz! Ich habe nur eine ganz gewöhnliche Bitte: Wenn Sie hier Forderungen aufstellen, dann haben Sie doch den Mut und sagen Sie, in welche Finanztöpfe Sie greifen wollen! Stehen Sie nicht immer so verschämt hier beim Rednerpult oder an Ihrem Platz! Das ist doch traurig! Das ist ein Trauerspiel!

Wissen Sie, was Mut ist beziehungsweise was Mut wäre? – Wenn Sie klar sagten: Das wollen wir, und das wollen wir, und so werden wir das bedecken. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. ) Es steht sogar im Gesetz, daß wir dafür Bedeckungsvorschläge brauchen. Eine Regierungspartei, Herr Kukacka, die Dinge anschaffen will und dafür keine Bedeckungsvorschläge hat, hat abgedankt. (Abg. Mag. Kukacka: Es ist ein Schmierenstück, das ihr hier abzieht!)


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Herr Kukacka! Ich könnte jetzt schadenfroh sein und sagen: Tun Sie nur so weiter! Damit rücken wir alle der Vision eines Endes des Bundesheeres ein großes Stück näher.

Noch etwas: Da kommen die selbsternannten Verteidiger der Grundwehrdiener und sagen: Die sollen es gut haben, die sollen eine gute Ausbildung haben und sollen auch anständig entlohnt werden. Doch dann wird in diesem Haus mit dem Grundwehrgesetz stillschweigend beschlossen, daß 52,5 Millionen Schilling in der zweiten Jahreshälfte 1996 eingespart werden sollen. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Das ist dem Scheibner völlig egal, kein Wort in der Öffentlichkeit, daß die Grundwehrdiener in Zukunft im siebenten und im achten Monat 7 000 S verlieren und nur mehr 3 000 S haben. (Abg. Scheibner: Das stimmt ja gar nicht!) Das ist ihm egal! – Es sind aber viele Leute dabei, die auf dieses Geld angewiesen sind! (Abg. Scheibner: Das stimmt nicht!)

Das stimmt nicht? – Woher nehmen Sie denn diese 52,5 Millionen Schilling? (Abg. Scheibner: Sie haben gegen die Taggelderhöhung gestimmt, Herr Kollege!)

Herr Abgeordneter Scheibner! Antworten Sie auf meine bescheidene Frage! Vielleicht schließt sich Herr Maitz an, er war ja auch dafür! Vielleicht schließen sich auch die Kollegen von der Sozialdemokratie an! Woher nehmen Sie denn diese 52,5 Millionen Schilling? – Die nehmen Sie von jenen Grundwehrdienern, die Sie hier immer mit aller Vehemenz und aller Eloquenz verteidigen. Sie machen sich für sie stark und sagen: Wir brauchen ein angemessenes Heer und wir brauchen Soldaten, die ordentlich bezahlt und entlohnt werden! – Dafür kämpfen Sie hier. Man hat das Gefühl, Sie wollen hier gleich Ihre Bajonette aufpflanzen und für die Grundwehrdiener marschieren! Aber dann machen Sie ein derart armseliges Gesetz, mit dem Sie jenen Menschen, die 10 000 S, 11 000 S oder 12 000 S bekommen, 7 000 S oder 8 000 S wegnehmen. Das machen Sie unter dem Titel: Wir brauchen ein starkes Heer! (Abg. Dr. Maitz: Gleiche Leistung, gleiches Geld! Das ist eine gerechte Lösung!)

Herr Abgeordneter Maitz! Ich weiß nicht, wie Sie das den Grundwehrdienern erklären werden, die das siebente und achte Monat beim Bundesheer machen! Ich weiß nicht, wie Sie das machen werden, daß Sie denen mindestens 7 000 S wegnehmen! (Abg. Scheibner: Wo bekommt ein Grundwehrdiener im siebenten oder achten Monat 7 000 S oder 8 000 S?) Herr Abgeordneter Maitz! Herr Abgeordneter Scheibner! Sie haben darüber in der letzten Diskussion bei den Strukturanpassungsgesetzen geschwiegen, und Sie haben auch heute geschwiegen, weil Sie den Menschen nicht die Wahrheit sagen wollen. Das ist Ihr Problem! (Abg. Schwarzenberger: Sie vermischen den zeitverpflichteten Soldaten mit dem Grundwehrdiener!)

Wenn Sie den Menschen die Wahrheit sagen würden – Herr Frischenschlager ist zum Glück da! –, dann könnten sich diese orientieren bei ihren Wahlentscheidungen. Dann wüßten sie: Aha, die Liberalen sind dafür, daß das Heer demontiert wird, aber gleichzeitig soll man ihrer Meinung nach auch die neuen Abfangjäger kaufen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.) Herr Frischenschlager! Ich freue mich schon auf die künftigen Diskussionen mit den jungen Soldaten und Soldatinnen, in denen wir das erörtern können. Ich hoffe, Kollege Frischenschlager, Sie bleiben weiterhin geschäftsführender Klubobmann des Liberalen Forums! (Beifall bei den Grünen.)

1.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

1.03

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Herren Offiziere! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Was Kabarettist Wabl jetzt vorgeführt hat, ist eigentlich nichts Neues. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Ich habe befürchtet, daß er auch das Bundesheer wieder in seiner durchaus fähigen Art und Weise, alles ins Lächerliche zu ziehen, lächerlich machen wird. Wir sind es gewohnt, daß die Grünen, die Linken, gegen das Bundesheer auftreten – ungeachtet dessen, daß sie auf die Verfassung ein Gelöbnis abgelegt haben. – Aber das interessiert sie nicht!


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Wabl streitet auch ab, daß die geistige Demontage des Bundesheeres von den Grünen und Linken kommt. – Ich entgegne Ihnen: Nur Sie allein sagen: Wir brauchen kein Bundesheer, wir möchten das Bundesheer abschaffen, und alle, die zum Bundesheer gehen, Präsenzdiener, Kaderpersonal und Offiziere sind nicht zurechnungsfähig. Sie sagen: All das brauchen wir nicht. Wir brauchen keine Landesverteidigung, wir brauchen keine Sicherheit. – Sie wollen das vielleicht mit Kabarett allein machen!

Daß Sie gegen das Bundesheer auftreten, Kollege Wabl, ist offensichtlich. Eines stimmt mich aber sehr, sehr nachdenklich: Was bezwecken Sie damit, wenn Sie die Landesverteidigung und das Bundesheer lächerlich machen, indem Sie hier zum Rednerpult kommen, sich entsprechend gebärden und dann warten, wer grölt, schreit und sich auf die Schenkel klopft und sagt, wie gut heute der Wabl wieder gegen die Sicherheit unseres Landes auftritt? (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Kollege Wabl! Du kannst sagen, was du willst: Deine pauschalen Diffamierungen anderer Parteien sind ja nichts Neues! Wichtig ist dir, daß in erster Linie diffamiert wird, in zweiter Linie wird erst nachgeschaut, inwieweit die Behauptungen stimmen, und in dritter Linie wird die Angelegenheit dann vielleicht ins Lächerliche gezogen, damit sie wieder in Vergessenheit gerät. – So sollte das aber nicht sein!

Meine Damen und Herren! Ich möchte nun über das Sparpaket reden, das auch das Bundesheer getroffen hat. Wir wünschen uns alle mehr Budgetmittel, das steht außer Zweifel; darüber sind wir uns einig. Ich bin froh darüber, daß der Sparstift nicht bei der Truppe angesetzt wurde, sondern bei der Administration, bei Versorgungsangelegenheiten oder bei Auslagerungen, wie das zum Beispiel beim Kfz-Bereich geschehen ist.

Da von Beschaffungen heute so viel geredet wurde, möchte ich nur daran erinnern, daß die Schwerpunkte der Beschaffung Fernmeldegeräte, Radargeräte, Abwehrlenkwaffen, Verbesserung der Nahkampftauglichkeit, Splitterschutz, Simulatoren und ähnliches betreffen. All das dient der Verbesserung der Schlagkraft des Bundesheeres. Daß wir uns alle wünschen, daß noch mehr Beschaffungen vorgenommen werden können, ist nur selbstverständlich, und wir von der ÖVP werden alles tun, damit dem Bundesheer mehr Finanzmittel zur Verfügung stehen, weil uns die Sicherheit ein großes Anliegen ist. (Abg. Öllinger: Woher nehmen Sie das Geld?)

Kollege Öllinger! Woher nehmen wir das Geld für andere Positionen? Woher? – Wir nehmen es von den Einnahmen! Ist das falsch? (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Grünen.) Sehr richtig! (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt dann Aufteilungen, und nicht jeder Minister muß sich sein Geld selber holen! Darüber sind wir uns doch einig! Ich hoffe, so weit können Sie das mitverfolgen. (Abg. Wabl: Woher holt Fasslabend das Geld? Weihnachten ist schon vorbei! Vielleicht beim "Konsum"!)

Ich möchte mich jetzt aber nicht von Ihren Zwischenrufen aufhalten lassen, sondern möchte dem Stellenwert der Landesverteidigung Rechnung tragen, deren Notwendigkeit unterstreichen und betonen, daß die Österreichische Volkspartei für diese Landesverteidigung und für unser Bundesheer eintritt.

Ich möchte auch meiner Verwunderung Ausdruck verleihen: Ich habe von dir, Kollege Gaál, nicht erwartet, daß du dich in dieser Form in der Öffentlichkeit äußern wirst. Ich weiß, daß es bei den Sozialdemokraten einen Schulterschluß zu den Grünen und Linken gibt und daß man auch bei euch vom "Bundesheer light" und von der Abschaffung des Bundesheeres und ähnlichem spricht beziehungsweise dies fordert.

Da hier über zuwenig Finanzen gesprochen wurde, muß ich aber auch daran erinnern, daß mehr als zwei Jahrzehnte, nämlich 26 Jahre lang, die Sozialistische Partei beziehungsweise die Sozialdemokraten den Finanzminister gestellt haben. Wenn Sie jetzt einfach sagen, daß die alleinige Verantwortung, wenn der Landesverteidigung zuwenig Geld zur Verfügung gestellt wird, natürlich der Verteidigungsminister hat, dann müssen wir Sie schon daran erinnern, daß es auch


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einen Finanzminister gibt! Der Vollständigkeit halber sollte dies erwähnt werden. Ich halte diese Behauptung, und auch Bundesminister Fasslabend stimmt darin mit mir überein, für grotesk – im Bewußtsein dessen, wie wir mit unseren Finanzen umzugehen und auch ein Sparpaket koalitionär zu tragen haben.

Ich möchte abschließend Positives aus diesen Äußerungen herausnehmen. Ich vertraue auf den Wehrsprecher der Sozialdemokraten, und ich hoffe, daß die Sozialdemokraten koalitionär für die notwendige Ausrüstung und Mechanisierung des Bundesheeres eintreten werden. (Abg. Scheibner: Wann ist das? 1998 oder wann?)

Ich hoffe, daß aus diesem Grund eine wesentliche Aufstockung des Budgets für Landesverteidigung im Sinne der Sicherheit – das möchte ich noch einmal dem Kollegen Wabl sagen – aller Österreicherinnen und Österreicher vorgenommen werden wird. (Beifall bei der ÖVP.)

1.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Wabl hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Herr Abgeordneter, bitte. Beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

1.11

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Abgeordneter Murauer hat behauptet, daß die Grünen gesagt hätten, jene jungen Männer, die zum Bundesheer gehen, seien unzurechnungsfähig. Das ist falsch.

Ich habe in meiner Rede erkennen lassen, daß viele, die Verteidigungspolitik in diesem Haus machen, unzurechnungsfähig erscheinen.

1.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

1.11

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Die Demokratie ist in ihrer umfassenden Toleranz schon etwas Schönes. Sie hat Platz für alle, auch für die Wabls. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP.) Das gehört dazu.

Es gibt eben überall Kräfte, die aufbauen, was wir alle brauchen, und es gibt andere, die nützen es aus und machen sich darüber lustig. Das ist halt so. Das gehört zum Leben, gehört zur Demokratie. Wir müssen es nur erkennen, wissen und aufpassen, daß wir ja nicht einmal Konzessionen machen oder zu sehr damit in Berührung kommen. Das muß man schon vermeiden, schon aus Gründen der Selbstachtung; das ist ganz wichtig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ich darf dir berichten, was dir vielleicht ohnehin schon erzählt wurde: Es hat am Freitag vergangener Woche eine heftige und lange Debatte hier im Haus über die Problematik der Versuche seitens der einen Regierungspartei gegeben, aus dem Bereich der Landesverteidigung den Heeres-Nachrichtendienst herauszunehmen und ihn einem anderen Ressort – sei es dem Innenressort oder auch dem Bundeskanzleramt – zuzuordnen.

Wir haben diese Debatte eröffnet und über Stunden fortgeführt, weil wir geglaubt haben, daß du am Freitag nachmittag da sein würdest und weil wir dir erklärtermaßen Schützenhilfe angedeihen lassen wollten. Du bist vertreten gewesen durch den Kollegen Ditz. Darum sage ich es dir jetzt.

Wir Freiheitlichen – und sicher viele andere mit uns – haben Sorge, daß es wahr werden könnte, daß sich eine Machtkonzentration bedenklichen Ausmaßes, wie sie in der Geschichte noch nie dagewesen ist, ereignen könnte, wie sie sich aus Äußerungen des Klubobmannes Kostelka, aber auch des Innenministers Einem abzeichnet. Polizei, Gendarmerie, die vielleicht doch noch zu schaffende Grenzschutztruppe, die Polizei – Anführungszeichen – "mit einigen schweren Waffen" – Anführungszeichen geschlossen – anstelle des Bundesheeres, dann die Staatspolizei, der Heeres-Nachrichtendienst, und all das garniert mit dem Lauschangriff und mit der


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Rasterfahndung, wie man jetzt überall hören kann nicht unter richterlicher Kontrolle, sondern unter der Kontrolle von Politikern, nämlich von Regierungsmitgliedern, in einer Hand – zumindest in einer politischen Hand, wenn nicht sogar in einer physischen Hand.

Das sind Entwicklungen, die uns die Ganslhaut über den Rücken rinnen lassen. Wir Freiheitlichen – und andere sicher mit uns – werden uns mit allen Kräften dagegen wehren, daß so etwas stattfinden kann. Du kannst sicher sein, Herr Minister, daß wir da auf deiner Seite sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe gehört, daß die Freiheitlichen schuld daran seien, daß es den Steyr-Werken manchmal schlecht geht mit der Erzeugung militärischer Ausrüstung – Fahrzeuge, Panzerfahrzeuge und ähnliches. – Dazu muß ich sagen: Ich bin noch ein Zeitzeuge, der da herinnen erlebt hat, wie das alles begonnen hat. Da hat es einen Abgeordneten Prechtl von der Sozialdemokratischen – damals Sozialistischen – Partei gegeben. Er war der Eisenbahnergewerkschafter, und der hat als erster begonnen, gegen die "Kürassier"-Produktion bei Steyr vom Leder zu ziehen. Und das ist ihm sehr erfolgreich gelungen: Binnen kurzer Zeit ist es ihm geglückt, die "Kürassier"-Produktion endgültig umzubringen. Wenn Sie also vorhaben, sich bei den Steyr-Arbeitern aufklärend zu betätigen, dann fangen Sie gleich einmal mit Prechtl an. (Abg. Edler: Chile!)

Umgebracht ist die Panzerproduktion worden! Nach Chile? – Das ist schon möglich. Aber die Chilenen sind nicht ohne Panzer geblieben, die haben sie dann woanders gekauft. Wer heute einen Panzer haben will, der kauft ihn irgendwo. Aber das mußt du der Kollegin dann sagen, Edler von der Bundesbahn: Das mußt du der Kollegin sagen, daß deshalb, weil der "Kürassier" nach Chile gehen hätten sollen und das dem Prechtl nicht gefallen hat, die Steyr-Arbeiter die Arbeit verloren haben! So muß man es klar und der Wahrheit entsprechend darstellen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da kann man auch gleich bei den "Noricum"-Kanonen bleiben: 500 Stück praktisch schon fix verkauft an Indien. Aber dann ist der "Friedensapostel" Olof Palme gekommen, der ja ein erfolgreicher Waffenvertreter für Bofors gewesen ist, und er hat sich bemüht, den Österreichern den bereits von Indira Gandhi praktisch erteilten Auftrag wieder abzujagen.

Dann hat die indische Regierung an die Schweden und an die Österreicher – auf der einen Seite Bofors und auf der anderen Seite "Noricum" – die Frage gerichtet: Können wir auch im Ernstfall, nämlich dann, wenn wir die Kanonen brauchen, damit rechnen, daß wir Ersatzteile, Munition und ähnliches bekommen? Der "Friedensapostel" Olof Palme hat nur einen Satz geschrieben: Ja, natürlich. – Minister Lacina aber, damals Minister für die verstaatlichte Industrie, hat fünf Seiten gewundenen Textes geschrieben, mit dem Ergebnis: Ihr könnt das immer haben, nur nicht dann, wenn Ernstfall ist, denn dann würde das natürlich von unserem Standpunkt aus nicht gehen. – Und den Zuschlag, bitte, haben die Schweden bekommen.

Interessanterweise hat die Freundschaft des Rajiv Gandhi mit Olof Palme von den Abrüstungsverhandlungen in Genf hergerührt. – So pervers ist das alles!

Aber die Frau Kollegin Ederer soll das den Steyr-Arbeitern nur sagen: Angefangen von Prechtl, fortgesetzt über Lacina, vielleicht aus hohen Ideen und Motiven, aber die Arbeitsplätze sind flötengegangen, und die österreichische militärische Ausrüstungsindustrie von großer Tradition, 150 Firmen umfassend, ist vor die Hunde gegangen, und viele tausend Arbeitsplätze mit ihr. (Abg. Edler: Sind Sie der Meinung, daß wir den kriegführenden Ländern Waffen liefern sollen?)

Da muß man bei der Ehrlichkeit bleiben, sich auch in der jüngeren Geschichte ein bißchen auskennen und sich trauen, Frau Kollegin Ederer, die Dinge beim Namen zu nennen. Das kann man schon verlangen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Du hast die 800 Millionen Schilling Provision für den Rajiv Gandhi vergessen!)

Da war ein zweiter Fehler dabei, denn einerseits hatte die Provision zum Teil schon Indira Gandhi bekommen, sie ist dann peinlicherweise erschossen worden. Und dann hat Rajiv Gandhi noch einmal die Provision bekommen müssen. (Abg. Dr. Khol: So ist es!) Es war alles sehr kompliziert.


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Aber das Entscheidende – ich habe das ja damals miterlebt – war der Brief des Bundesministers Lacina, der einem Staat, der ein stehendes Heer von 2,5 Millionen Mann oder mehr unterhält und rundherum Krisengrenzen hat, gesagt hat: Ihr könnt Kanonen und alles haben, nur nicht dann, wenn ihr es braucht, dann bekommt ihr nichts mehr.

Das muß man alles offen sagen! Man darf nicht nur sagen, wir gehen mit dem Palmzweig, so wie es der Olof Palme getan hat, man muß auch den Arbeitern dann sagen: Weil wir mit dem Palmzweig gehen, habt ihr nichts zu tun. Diesen Zusammenhang muß man, wenn man ehrlich ist, offen darlegen. Und das muß man den Steyrern auch sagen. (Abg. Dr. Khol: Er hat aber seine sozialdemokratischen Skrupel leicht überwunden!)

Wenn es ums Heer geht – ich habe nur mehr vier Minuten –, dann sehe ich das Hauptproblem darin, daß es bei diesem unseren Bundesheer, das seine Ansprüche, was die Zahl an Soldaten anlangt, in den letzten Jahren ohnehin außerordentlich weit zurück geschraubt hat und wie man hört, schon wieder dabei ist, von 120 000 auf 80 000 oder 90 000 Mann herunterzugehen, noch immer viel zuviele Häuptlinge und viel zuwenig Indianer gibt.

Denn tatsächlich ist es so, daß es an einem vor allem fehlt: natürlich an Geld. Aber vor allem fehlt es auch an Grundwehrdienern. Es ist ein Tauziehen zwischen den einzelnen Einheiten, die Soldaten brauchen und sie nicht alle in ausreichender Anzahl bekommen können. Denn es sind geburtenschwache Jahrgänge. Es ist in Zeiten, in denen die jungen Leute schon Moped und ähnliches fahren, so, daß sie in das wehrpflichtige Alter kommen und schon invalid oder krank sind. Und dann ist die Zivildienstregelung ja derzeit so gestaltet, daß wirklich nur mehr ein Freiwilliger zum Heer kommt. Nur wer es wirklich will, landet beim Heer. Jeder andere ist ohnehin schon irgendwo anders. Und das führt dazu, daß wir beim Heer einen wirklich einschneidenden Mangel an Soldaten haben.

Wir erleben das auch bei den Manövern, wo man viel zu geringe Mannschaftsstände zusammenkratzt, bunt gewürfelt aus einer Reihe von Einheiten. Es wird in 14 Tagen, beim Abschlußmanöver der Militärakademie, nicht anders sein. Die ausländischen Attachés werden sich ganz genau notieren, woher die überall kommen, und sie können dann ihre Einschätzungen sehr richtig treffen.

Es ist tatsächlich so, daß der Wachdienst nahezu österreichweit nicht mehr ordentlich vollzogen werden kann, weil es einfach die Leute dazu nicht gibt.

Dazu kommt, daß bei den Einheiten im Wiener Bereich die Zahl der Soldaten, die frisch eingebürgerte Österreicher sind und die nicht zum Wachdienst herangezogen werden können, so groß ist, daß man schon überhaupt nicht mehr weiß, wie man die Dinge bewachen soll, und daß jene, die in der Lage sind, zu bewachen, nicht nachkommen mit zusätzlichen Diensten.

Es ist so, daß ein Teil der Soldaten mit Sperrvermerken versehen ist, weil sie aus Ländern kommen, wo man annimmt, daß sie möglicherweise glauben, daß sie das Maschinengewehr, das sie bewachen sollen, besser irgendwo einsetzen können in der Gegend, woher sie sind, oder es dort hinbringen können – durchaus aus idealistischer Gesinnung natürlich.

Und dann gibt es andere, die kommen zwar nicht aus solchen Ländern, haben daher keinen Sperrvermerk, können aber so wenig Deutsch, daß man ihnen nicht erklären kann, was sie bewachen sollen.

Das sind die Probleme, die nicht in der Zeitung stehen, die das Heer aber hat. Es hat zu wenig Soldaten. Und die, die es hat, kann es zum Teil nicht brauchen. Daher wird man sich vor allem darum kümmern müssen, daß es genug Grundwehrdiener gibt, und man wird vor allem danach trachten müssen, daß man den Frauen, die kommen wollen, die Möglichkeit eröffnet, kommen zu können. Denn wir brauchen sie! Das ist nicht etwas für die Zeitungen, wo man irgendein Mäderl zeigt, wie es in die Uniform steigt und einen Stahlhelm aufsetzt oder ähnliches mehr. Wir brauchen die Frauen: Wir brauchen sie in der Wirtschaft, wir brauchen sie in der Verwaltung, wir brauchen sie auch beim Heer. Und daher ist es unverantwortlich, wenn man verhindert, daß sie


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ihren diesbezüglichen Vorstellungen tatsächlich nachkommen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Amon. )

Ein bißchen etwas verspreche ich mir von den Auslandseinsätzen des Heeres. Der Österreicher hat auch im Zusammenhang mit der Landesverteidigung seine Mentalität in den letzten Jahrzehnten – vielleicht noch länger – nicht geändert. Man braucht nur die Literatur Conrad von Hötzendorfs aus der Jahrhundertwende und etwas danach nachzulesen. Man glaubt sich in die Zeit der Budgetdebatten in unserem Jahrzehnt da im Parlament versetzt, wenn man zur Kenntnis nimmt, worum es im Reichsrat, im selben Haus damals, gegangen ist: Auch um die Probleme der Rekrutenkontingente, auch um die Probleme der Ausrüstung, der Bewaffnung, der Remonten. Unter diesem Ausdruck, den heute keiner mehr kennt, verbergen sich die Pferde, denn damals waren ja die Pferde das Um und Auf für die Truppe, als Reittiere und als Zugtiere. Das war so zum Verzweifeln, daß Conrad von Hötzendorf zurückgetreten ist, wenn ich es richtig in Erinnerung habe zweimal sogar: aus Protest.

Büßen mußten das mit ihrem Blut und ihrem Leben die österreichischen Soldaten im damals ausbrechenden Ersten Weltkrieg. Da war es zu spät. Alle anderen waren überlegen, die haben weniger gespart, die Russen, die Italiener. Die haben die schwere Artillerie gehabt, die die Österreicher produzieren haben können, aber sich nicht angeschafft haben, nach dem Motto: "Verkauft's mei G'wand, ich fahr in' Himmel! Es wird nicht so arg sein, wir brauchen das alles eh nicht!" Es werden immer die anderen die Kastanien aus dem Feuer holen.

Aber neben der Mentalität: Es wird schon nicht so arg werden, alles auf die leichte Schulter nehmen! hat der Österreicher noch eine zweite Nationaleigenschaft: Er möchte nur ja nicht, daß der Ausländer auf ihn herunterschaut. Er hat immer die Angst: Was wird das Ausland sagen? Er möchte Musterschüler sein. Das merkt man ja auch im Zusammenhang mit der Europäischen Union immer wieder.

Jetzt wissen die österreichischen Verantwortlichen sehr wohl, daß das Auslassen der Österreicher beim Somalia-Einsatz, weil sie die Ausrüstung nicht gehabt hätten – tatsächlich auch nicht gehabt haben –, uns heute noch außenpolitisch, international, bei der UNO et cetera schwer nachhängt. Es wird nur nicht zugegeben; aber es ist so.

Wir sind ein zweites Mal blamiert gewesen, als es in Richtung Bosnien gegangen ist, denn da haben die dort Verantwortlichen gleich gesagt: Mit diesen Stahlhelmen braucht ihr uns nicht zu kommen! Ohne die Splitterschutzwesten braucht ihr uns nicht zu kommen! Ohne die zusätzlich gepanzerten LKW braucht ihr uns nicht zu kommen! – Und blitzartig war das alles da. Der Stahlhelm, den man angeblich keinem Österreicher zumuten kann, weder zum Aufsetzen noch zum Anschauen, denn er erinnert so sehr an den Stahlhelm der Deutschen Wehrmacht; mittlerweile trägt ihn aber die ganze Welt, und die Amerikaner und ähnliche erzeugen ihn. Die Splitterschutzweste, sie mußte angeschafft werden, um viel Geld. Die Fahrzeuge, sie mußten zusätzlich gepanzert werden.

Ich gehe davon aus, daß man den internationalen Druck in der Richtung erkennen wird können, daß man vielleicht Günstiges für das Heer daraus ableiten kann. Man wird sich nicht blamieren wollen als Österreicher. Ich verlasse mich darauf. Und man wird aus dieser Sicht bei zunehmender Tendenz zu internationalen Einsätzen vielleicht das Heer entsprechend profitieren sehen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

1.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Das Wort hat nunmehr Herr Abgeordneter Ing. Tychtl. – Bitte.

1.25

Abgeordneter Ing. Gerald Tychtl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Zwei Dinge treffen immer bei der Verhandlung dieses Budgetkapitels zu: Es wird beinahe immer zur Geisterstunde, um Mitternacht abgehandelt, und es geht immer ums Geld. Und wenn ich dazu Stellung nehmen soll, dann tue ich dies


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in gebührender Kürze, weil das auch gute Tradition ist. Ich möchte mich daher nur mit einigen wenigen Sätzen zu diesem Thema äußern.

Herr Bundesminister! Im Voranschlag für das Bundesfinanzgesetz 1996, aber auch 1997 sind die Aufwendungen taxativ ausgeführt. Unter vier Punkten ist hier zu lesen: Es geht um die Aufrechterhaltung des Betriebes des Bundesheeres, um die Aufrechterhaltung der Ausbildung der Wehrpflichtigen und die Weiterbildung des Kaders, um die Weiterführung der Modernisierung der Ausrüstung der Bundesheeres im bereits vertraglich gebundenen Umfange und um die Berücksichtigung jener Erfordernisse, die der Erhaltung der Infrastruktur dienen.

Nun, worum geht es im einzelnen? Es sind auch hier einige Punkte aufgeführt, die schon angemerkt wurden. Im besonderen sind mir die Ausrüstung für UN-Einsätze und für die IFOR aufgefallen. Mein Vorredner hat kurz darauf Bezug genommen. Und es ist tatsächlich so, daß gerade für die UN-Einsätze und für die IFOR die notwendigen Ausrüstungsgegenstände sichergestellt werden müssen. Aber es darf, so meine ich, nicht immer wieder eines Anlaßfalles bedürfen, um solche Ausrüstungsgegenstände kurzfristig beschaffen zu müssen.

Denn ein Kraftfahrzeug, das sich das Bundesheer anschafft, sollte eigentlich ein Betriebsbuch haben, wo man sehr klar und deutlich erkennen kann, welche Kilometerleistung gegeben ist, wann zum Service gefahren werden muß, wie es gewartet wird, sodaß man von vornherein erkennen kann, wie viele Einsätze ein solches Fahrzeug noch leisten kann.

Ein bißchen bin ich schon überrascht gewesen von Pressemeldungen vor wenigen Tagen, in denen das Bundesheer mit seiner gesamten Ausrüstung eigentlich als ein – mit Verlaub gesagt – arger Schrotthaufen dargestellt wurde.

Ich weiß, daß das übertrieben ist. Ich bin aber auch davon überzeugt, daß vielleicht das eine oder andere wirklich mehr ins Auge gefaßt werden sollte, daß wir uns mit jenen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, sehr, sehr intensiv damit auseinandersetzen und damit vor allem die Sicherheit unserer Mannschaften und Offiziere gewährleisten sollten.

Ich habe im Budgetausschuß schon darauf hingewiesen, daß mir eigentlich auch ein bißchen jener Part abgeht, den das Bundesheer, wie ich glaube, gerade in der Bevölkerung immer sehr stark spielen kann und der auch von der Bevölkerung sehr positiv aufgenommen wird. Ich spreche da konkret von der Frage der Einsätze bei Katastrophenfällen. Auch hiezu ist es notwendig, daß Mannschaft, Offiziere, aber auch Material und Fahrzeuge in Ordnung sind. Es bringt wenig, wenn man einen Hilferuf an das Bundesheer richtet, aber auf der anderen Seite das Bundesheer mit Gerät und Mannschaft ausrüstet, mit der man einer Katastrophe nicht Herr werden kann, weil man ihnen eben vorher bestimmte Möglichkeiten genommen hat.

Ich glaube, es wäre mit wenig finanziellem Einsatz, aber umso mehr Logistik viel zu erreichen, und wir könnten das positive Bild des Bundesheeres gerade in der Bevölkerung draußen weiter heben. Was wir für eine positive Stimmung für unser Heer brauchen, sollten nicht wir uns zu verdienen trachten, sondern das hat sich das Heer selbst verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Darüber hinaus ist es aber auch notwendig, daß wir jene Teile, die taxativ im Kapitel 40 angeführt werden, tatsächlich umsetzen.

Da heute schon viel davon gesprochen wurde – egal, ob es nun um Panzer, Flugzeuge oder was immer geht –: Wir sollten uns einmal vornehmen, uns mit dem schon einige Male hier angesprochenen zehnjährigen Investitionsprogramm zu beschäftigen, von dem wir tatsächlich nicht wissen, was dort steht. Wie sieht die Planung aus? Wie sind die Zeitläufe tatsächlich? – Es wäre notwendig, sich im Landesverteidigungsausschuß damit auseinanderzusetzen, um vorweg, von unserer Warte aus Prioritäten zu setzen. Und dann könnten wir darüber diskutieren, welche Maßnahmen wir auch in finanzieller Hinsicht ins Auge fassen sollten.

Eine Diskussion aber, bei der wir nicht wissen, worum es geht, halte ich für wenig zielführend. Eine Diskussion im Ausschuß wäre zielführend im Sinne unseres Bundesheeres, damit wir auch


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in Zukunft dieses Bundesheer so ausrüsten können, daß es nicht nur herzeigbar, sondern auch verwendungsfähig ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

1.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr die Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Sie haben das Wort.

1.31

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar ve#ar, poštovane dame i gospodi! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Ich frage mich: Sind Dr. Ofner und Dr. Maitz beide im "Verfassungsbogen", oder sind Dr. Ofner und Dr. Maitz außerhalb des "Verfassungsbogens"? (Abg. Scheibner: Sind Sie im "Verfassungsbogen"?) Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, entweder es hat sich Dr. Ofner jetzt mit seiner staatstragenden Rede über das Bundesheer und über Sicherheitsfragen wieder in den "Verfassungsbogen" hineingeschummelt – oder Dr. Maitz läuft Gefahr, hinauszufliegen aus dem "Verfassungsbogen", denn er hat davon gesprochen, eine Ursache für die Krise der österreichischen Sicherheitspolitik sei die Überbetonung des Wertes der immerwährenden Neutralität. – Das ist ja wirklich ganz beachtlich und ganz erstaunlich. (Abg. Wabl: Das ist unglaublich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie von der sozialdemokratischen Fraktion werden überrascht sein, daß ich dem Dr. Ofner recht gebe bei seinem Brückenschlag in den "Verfassungsbogen". Er hat nämlich hier gesagt, daß die SPÖ damals nicht den Mut gehabt hat, etwas zuzugeben: Sie hatten nämlich damals, als es um den Panzerexport nach Chile ging, nicht den Mut, den Arbeitern zu sagen, daß mit Waffen kein Geschäft zu machen ist, daß mit Kriegsmaterialexport kein Geschäft zu machen ist. Hätten Sie damals nämlich diesen Mut gehabt, das den Arbeitern auch zu sagen, dann hätte man die Chance gehabt, auf zivile Produktion umzusteigen. Aber Ihre Mutlosigkeit von damals führt heute dazu, daß Herr Dr. Ofner zugeben mußte – so habe ich ihn verstanden –, daß logischerweise im Umkehrschluß Kriegsmaterialexport an kriegführende Länder logischerweise erlaubt sein soll und damit die Neutralität Österreichs und ein essentieller Bestandteil der österreichischen Bundesverfassung und dieses Gedankens obsolet ist. (Abg. Scheibner: Wer hat denn zur Wehrdienstverweigerung aufgerufen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Interpretation des Kollegen Ofner sollte Ihnen zu denken geben.

Aber das ist ja eigentlich nicht der Grund, meine Damen und Herren, für meine Wortmeldung. Der Grund für meine Wortmeldung ist ein äußerst dringlicher, sehr geehrter Herr Bundesminister.

Ich habe Ihnen eine schriftliche parlamentarische Anfrage gestellt bezüglich der angekündigten Teilnahme österreichischer Militärangehöriger bei der Einweihung des Denkmals in Wolgograd, ehemals Stalingrad. Jetzt ist aber diese Anfrage so dringlich, weil wir AnfragestellerInnen Gefahr laufen, daß Sie uns eine Antwort geben, wenn diese – ich weiß nicht, wie viele es sein werden – Militärangehörigen bereits ihre Teilnahme absolviert haben. Denn leider Gottes gibt Ihnen ja die Geschäftsordnung des Nationalrates acht Wochen Zeit, um Anfragen zu beantworten. Darum, Herr Bundesminister, auch wenn es spät in der Nacht ist, muß es sein, daß diese Gelegenheit hier im Zuge der Budgetdebatte dazu genützt wird.

Herr Bundesminister und geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Um Ihnen auch zu erläutern, worum es da geht, möchte ich Ihnen etwas vorlesen – nur in Auszügen –, was Johannes Mario Simmel und einige Freunde und Mitstreiter und Mitstreiterinnen von ihnen an den hochgeschätzten Herrn Bundeskanzler geschrieben haben. Johannes Mario Simmel bittet den Herrn Bundeskanzler, ja er fordert ihn dringend auf, die Aufstellung des Denkmals in Wolgograd zu verhindern, und zwar mit den Worten: "Sie würden unserem Land damit einiges ersparen."

Die Planung für dieses Denkmal, meine Damen und Herren, reicht ja schon einige Jahre zurück, und zwar ins Jahr 1992, schreibt auch Johannes Mario Simmel. Diese Gruppe von hochgestellten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens hat damals schon, gleich bei Bekannt


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werden, heftig gegen die Errichtung dieses Denkmals opponiert. (Abg. Scheibner: Was haben Sie gegen dieses Denkmal?) Johannes Mario Simmel schreibt dem Bundeskanzler – und das ist vielleicht für den Herrn Bundesminister besonders wichtig zu hören –: Es sei zwar sinnvoll und notwendig, daran zu erinnern, daß die österreichischen Teilnehmer an diesem Krieg weder für die Freiheit noch für das Vaterland gestorben sind, aber in Wolgograd ein Denkmal zu errichten, das die Botschaft vermittelt, die Opfer seien alle gleich, egal, ob sie in der Sowjetarmee gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben und damit auch für unsere Befreiung einen schrecklichen Blutzoll geleistet haben, oder ob sie als Aggressor in der deutschen Wehrmacht gekämpft haben und gefallen sind. (Abg. Scheibner: Da sind alle gefallen!) " Das ist schon", schreibt Johannes Mario Simmel, "eine Zumutung, die an Geschichtsfälschung grenzt." (Abg. Scheibner: Sehr überheblich, was Sie da bringen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß diesem anerkannten österreichischen Antifaschisten mehr als recht geben, denn er hat mit einem vor allem recht: Wenn er in seinem Brief bemerkt, daß heute – im Gegensatz zum Jahr 1992 – klar ist, daß sich das, was vor einigen Jahren noch gegolten hat, nämlich diese vermeintliche Möglichkeit der Trennung zwischen der "sauberen Wehrmacht" und der "verbrecherischen SS", als unhaltbar erwiesen hat, und zwar durch wissenschaftliches Aufarbeiten der Geschehnisse der damaligen Zeit. (Abg. Mag. Mühlbachler: Das waren einfach Soldaten! – Abg. Scheibner: Die Elterngeneration!)

Johannes Mario Simmel schreibt auch, daß damals auch Dr. Helmut Zilk, einem der Hauptproponenten dieses Personenkomitees, dem Politiker und Politikerinnen aller Fraktionen – außer der grünen Fraktion – angehören, daß also damals auch Dr. Helmut Zilk, der wahrlich auch als anerkannter und würdiger österreichischer Antifaschist zu bezeichnen ist, diese Aspekte noch nicht bekannt waren. (Abg. Mag. Mühlbachler: Unerträgliche verbale Attacken!)

Aber gerade jetzt, wo vor allem auch, zwar nur einem eingeschränkten, kleinen, aber doch wertvollen Teil der österreichischen Öffentlichkeit, besonders durch die Ausstellung, die letztes Jahr in der Alpenmilchzentrale gezeigt wurde – "Vernichtungskrieg" –, einiges bewußt gemacht wurde, und wo vor allem auch bekannt ist, daß sich Deutschland längst von Projekten wie diesen distanziert (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen), vor allem deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es notwendig, daß uns der Herr Bundesminister eine Antwort auf diese Fragen gibt. (Beifall des Abg. Wabl. ) Denn Anfang Juni sollen dort österreichische Bundesheeroffiziere in österreichischen Uniformen stehen und daran teilnehmen.

Darum frage ich Sie, Herr Bundesminister: Ist es Ihrem Verständnis nach so, daß das österreichische Bundesheer als Traditionsnachfolger der Sechsten Armee der deutschen Wehrmacht zu sehen ist, der Wehrmacht des Dritten Reichs – oder vielleicht eher als Traditionsnachfolger der österreichischen Widerstandsbewegung gegen das Dritte Reich, Herr Bundesminister? Wenn Sie Zweiteres meinen, dann frage ich mich: Warum schicken Sie uniformierte Militärangehörige nach Stalingrad – heute Wolgograd – zu dieser Denkmalenthüllung?

Ich frage mich wirklich: Woran wollen denn die Österreicher die Wolgograder Bevölkerung mit diesem geplanten – noch geplanten, aber im wesentlichen schon realisierten – Denkmal denn tatsächlich und wirklich gemahnen? Was ist die Intention? (Abg. Scheibner: Gemeinsam mit den Russen der Toten zu gedenken! Sie haben überhaupt keinen Anstand! Unerträglich ist es! Jedes Mittel ist Ihnen recht für Ihre miese Polemik!)

Ich meine, daß Österreich dort einiges zu leisten und zu tun hätte im Sinne eines Gedankens, der für mich sehr wesentlich ist, nämlich im Sinne des Gedankens der Versöhnung. Versöhnung ist etwas, was uns sehr am Herzen liegt.

Darum, Herr Bundesminister, gäbe es wirklich Sinnvolles dort zu tun, nämlich in einen Dialog zu treten mit der Bevölkerung Wolgograds, in einen Dialog zu treten mit jenen, die diese Zeit überlebt haben.


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Herr Bundesminister, Sie wissen viel besser als ich – Sie sind ja der Verteidigungsminister –, welche Verbrechen sich die Sechste Armee dort hat zuschulden kommen lassen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich sage nicht, daß alle Angehörigen der Sechsten Armee dort in Verbrechen involviert waren. Ganz im Gegenteil! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP.)

Aber, Herr Bundesminister, Teile dieser Sechsten Armee – das ist dokumentiert, ist geschichtliche Wahrheit – haben sich dort Verbrechen zuschulden kommen lassen, die ein junger Mensch wie ich nicht einmal erahnen kann. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Ich kann mir das gar nicht vorstellen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind eine Hysterikerin!)

Darum frage ich: Herr Bundesminister! Welche Abordnungen wollen Sie dorthin wirklich schicken? (Abg. Dr. Maitz: Sie betreiben hier verbale Grabschändung!)

Ich frage mich natürlich auch, wenn wir schon in der Budgetdebatte sind: Was kostet diese Teilnahme von Angehörigen Ihres Ressorts in Wolgograd? (Ruf bei der ÖVP: Nichts!) " Nichts", sagen Sie da von hinten? – Erläutern Sie mir das einmal! Finanziert das, was dort passiert, etwa die Firma Thomson oder Saab oder wer auch immer?

Ich frage mich: Warum denken Sie nicht daran, daß man auch tatsächlich sinnvolle Projekte der Versöhnung initiieren kann? – Ich könnte mir gut vorstellen, daß man dort als eine Geste Österreichs ein Austauschprogramm zwischen den Nachkommen derer, die unter den österreichischen und deutschen Soldaten gelitten haben, initiiert. (Abg. Scheibner: Ihre jetzige Rede ist der Inbegriff der Unversöhnlichkeit!) Das wäre eine Geste! Ich kann mir auch vorstellen, daß man ein gemeinsames Forschungsprojekt initiiert. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie schüren den Haß!) Und ich frage Sie: Warum tun Sie das nicht? Warum tun Sie das nicht, wenn Sie sich jetzt nicht, stellvertretend für das österreichische Bundesheer, in der Traditionspflege der Sechsten Deutschen Armee sehen wollen, sondern in der Traditionspflege jener, die gegen das nationalsozialistische Regime gekämpft haben?

Herr Bundesminister! Diese Fragen sind dringlich. Denn für Anfang Juni ist dieses Spektakel in Wolgograd geplant. Und wenn Johannes Mario Simmel an den Bundeskanzler die Bitte richtet: Verhindern Sie die Aufstellung dieses Denkmals in Wolgograd, Sie würden unserem Land einiges ersparen!, dann meine ich: Herr Bundesminister! Sie könnten dem Herrn Bundeskanzler zuvorkommen, indem Sie hier eine klare Antwort darauf geben! (Beifall bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

1.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

1.43

Abgeordneter Willi Sauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! (Abg. Scheibner: Sag etwas zu Stoisits! Das war ja unglaublich!) Gleich, gleich, Herr Kollege! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Eingangs richte ich die Bitte an Kollegen Scheibner, seine Haltung bei der Zustimmung zum Heeresbudget vielleicht nochmals zu überdenken. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Unterstützen, Herr Kollege Scheibner, kann man nur etwas, wenn man auch die Möglichkeit, in diesem Fall vor allem die finanzielle Möglichkeit gibt, um alles auszuführen. Wenn Sie das Budget ablehnen, dann geben Sie keine Unterstützung und damit auch nicht die Möglichkeit. – Das zum einen.(Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abg. Scheibner und Dr. Ofner. )

Frau Kollegin Stoisits! Ich verwahre mich dagegen, wenn Sie hier beim Rednerpult in etwa behaupten – vielleicht haben Sie es nicht ganz so gemeint –, daß all jene, die in der Deutschen Wehrmacht dienen mußten – sie haben ja nicht freiwillig gedient, sondern mußten dienen –, so


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in ein schiefes Licht gestellt würden. Ich will das Wort "Verbrecher" da gar nicht verwenden. Mein Vater mußte in dieser Wehrmacht dienen; er lebt noch. Hätte er diesen Dienst verweigert, würde er schon lange nicht mehr leben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der nun vorliegende Budgetentwurf für die Jahre 1996 und 1997 zeigt – wie in den vergangenen Jahren – eine deutliche Umstrukturierung der Kosten für das österreichische Bundesheer. Es sind darin einige wesentliche Vorhaben enthalten, vor allem die Aufrechterhaltung des Betriebes unseres Heeres, die Ausbildung der Wehrpflichtigen und die Weiterbildung des Kaders, aber auch eine Modernisierung und Erneuerung der Ausrüstung.

Durch die Beschaffung von modernen Ausrüstungsgeräten wie Schieß- und Gefechtssimulatoren sowie Geräten für Schieß- und Übungsplätze kann die Ausbildung gefechtsmäßiger gestaltet und das Einsatzgerät mit der zugehörigen Munition geschont werden, wodurch das Bundesheer nicht unerhebliche Kosten einspart.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das österreichische Bundesheer hat in den letzten Jahren sehr viele Assistenzeinsätze absolviert. Unsere UNO-Soldaten haben nicht nur im Inland, sondern auch international viel Sympathie und hohe Anerkennung erlangt. Die Tatsache, daß seit 1960 über 33 000 österreichische Soldaten an UNO-Einsätzen beteiligt waren, spricht für sich.

Wir dürfen uns auch in Zukunft internationalen Maßnahmen zur Friedenssicherung nicht verschließen. Der heikle Einsatz, den unsere Soldaten gegenwärtig im Rahmen der IFOR-Truppe in Bosnien-Herzegowina leisten, kann uns alle mit Stolz erfüllen. Stolz können wir aber nur dann sein, wenn Stolz auch angebracht ist. Und in diesem Fall ist Stolz wirklich angebracht. Die österreichische Truppe in diesem Einsatzgebiet ist zu 90 Prozent einsatzbereit und erledigt neben ihrer eigentlichen Aufgabe auch noch den Transport von Baumaterialien und Saatgut. Die beste Aktion, die von Österreich aus gestartet wurde, nämlich Saatgut für diese Kriegsgebiete zur Verfügung zu stellen, könnte nicht ausgeführt werden, wenn man das Saatgut nicht dort hinbrächte, wo es dringend benötigt wird. Und das besorgen auch unsere österreichischen UNO-Soldaten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich darf in diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß unsere Soldaten bei ihren Auslandseinsätzen freiwillig mitmachen, aber doch ein sehr hohes persönliches Risiko auf sich nehmen. Es ist erklärtes Ziel der Österreichischen Volkspartei – und es sollte auch das Ziel aller hier im Hause vertretenen Fraktionen sein –, daß auch in Zukunft diese Einheiten bestmöglich ausgestattet werden, damit ihre Sicherheit gewährleistet ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

An dieser Stelle möchte ich aber auch all jenen Soldaten danken, die seit Jahren im Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres an der burgenländischen Grenze tätig sind. Österreichs Bevölkerung hat ein Recht darauf, daß die Unverletzlichkeit der österreichischen Staatsgrenze und die österreichische Souveränität in vollem Umfang gewährleistet bleibt. Es gibt gegenwärtig keine Alternative zum Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres. Und im Zuge der Budgetverhandlungen wurde vereinbart, den Assistenzeinsatz an der burgenländischen Grenze für die gesamte Dauer dieser Legislaturperiode aufrechtzuerhalten. Eine mögliche Ausdehnung des Einsatzgebietes auf Teile von Niederösterreich wurde dabei in Aussicht genommen, was ich als niederösterreichischer Mandatar nur begrüßen kann.

In diesem Zusammenhang darf ich darauf verweisen, daß der Assistenzeinsatz neben seinem beachtlichen Erfolg beim Aufgreifen illegaler Grenzverletzer auch bei der ansässigen Bevölkerung auf überaus großes Verständnis stößt und unsere Soldaten so ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit des Heeres geben.

Ich habe aber auch noch einen zweiten Dank auszusprechen: Die Soldaten des österreichischen Bundesheeres erbringen auch Hilfeleistungen bei Katastropheneinsätzen. Gerade in diesem Winter hat sich gezeigt, daß die Soldaten des österreichischen Bundesheeres sehr wesentlich bei der Aufarbeitung der Schneebruchschäden in unseren Wäldern tätig sind, wobei auch


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noch eine zweite Katastrophe abgewendet werden kann, denn wenn diese Schneebruchhölzer raschest aufgearbeitet werden, kann der Borkenkäfer unseren Wäldern und unserer Natur nicht schädlich werden.

Hohes Haus! Der Budgetvoranschlag 1996 und 1997 für die Landesverteidigung ist ein deutlicher Beitrag von Bundesminister Dr. Fasslabend zur Konsolidierung des österreichischen Staatshaushaltes. Mit dem erzielten Verhandlungskompromiß – und ich lege Wert darauf, festzuhalten, daß es ein Kompromiß war – unterstützt das Verteidigungressort den Sparkurs der Bundesregierung, gewährleistet aber dennoch eine Finanzierung der laufenden Reformvorhaben im österreichischen Bundesheer und ermöglicht gleichzeitig eine gezielte Anhebung des Ausrüstungsstandes. Wir sollten unserem Bundesheer und damit den jungen Soldaten Mut und – jetzt spreche ich in die Richtung des Kollegen Wabl – unser Heer nicht miesmachen. Ich stehe zu diesem Bundesheer und mit mir meine Fraktionskollegen. Wir werden daher diesen Budgets zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

1.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Mag. Stoisits hat eine tatsächliche Berichtigung begehrt. – Bitte, beginnen Sie mit der Darstellung des Sachverhalts, den Sie berichtigen wollen.

1.52

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich berichtige meinen Vorredner, Herrn Abgeordneten Sauer, wie folgt. Er hat behauptet, daß ich in etwa behauptet habe, daß alle, die in der Wehrmacht dienen mußten, Verbrecher gewesen seien. (Abg. Dr. Khol: Das hat er nicht gesagt! – Abg. Sauer: Nicht alle! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Ich berichtige ihn tatsächlich: Wahr ist vielmehr, daß ich hier ausdrücklich darauf hingewiesen habe, daß weder ich noch Kritiker des geplanten Denkmals je behauptet haben, daß alle Angehörigen der Sechsten Deutschen Armee in diese schrecklichen Verbrechen verstrickt waren. Ihr Vorwurf, Kollege Sauer, geht ins Leere. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Er dient meiner Ansicht nach offensichtlich nur der Verschleierung, in welchem Ausmaß die Wehrmacht als Institution ... (Beifall bei den Grünen.)

1.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Die tatsächliche Berichtigung ist damit beendet.

Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Herr Abgeordneter Mentil. – Bitte, Sie haben das Wort.

1.53

Abgeordneter Hermann Mentil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich finde diese Art der Diskussion höchst unpassend. Wir reden über die Sicherheit unserer Söhne und womöglich unserer Töchter, wenn wir vom Verteidigungsbudget reden. – Das zur Einleitung.

Wir haben uns vorige Woche mit einem Strukturvernichtungsgesetz auseinandergesetzt (Abg. Kiss: Sehr "originell"!) und diese Woche kämpfen wir mit einem Budget, welches einen Unternehmer tieftraurig stimmen muß, eben aufgrund der Auswirkungen, die es durch dieses Budget gibt. Da nützt es nichts, wenn der Herr Bundeskanzler von der Regierungsbank aus heute nachmittag zwölf Mal erklärt hat: Wir haben, wir haben, wir haben, wir haben. Der Herr Bundeskanzler sagt nämlich schon seit einem Jahrzehnt, daß er hat. (Abg. Kiss: Was hat er denn?) – Aber es glaubt ihm niemand mehr, daß er etwas hat.

Am Samstag, am 20. April 1996, stand in der "WirtschaftsWoche" zu lesen: "Anleger meiden Österreich. Sparpaket und sinkende Rendite vertreiben Investoren zunehmend nach Prag, Budweis und Budapest."


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Nächste Aussage, wieder aus einem renommierten Wirtschaftsmagazin: "Hol’s der Geier: 1995 war hart. 1996 wird brutal. Die österreichische Wirtschaft erlebt derzeit die größte Pleitewelle seit Bestehen der Zweiten Republik. Ein Ende ist auf absehbare Zeit nicht in Sicht."

Dritter Kommentar betreffend Ihr "Superbudget" und die Hoffnung unserer Wirtschaftstreibenden: "Zur Lage der Nation: Schuldenberg wächst. Nicht einmal der Rechnungshof weiß, wie hoch er tatsächlich ist."

Das war die Einleitung, damit Sie erkennen können, wie Ihr Budget eingeschätzt wird. Jetzt komme ich wieder zum Budget selbst, und was die Fachleute davon halten. Daß Sie das Budget in den Himmel loben, ist schon klar, aber die Fachleute sehen das anders. – Mit diesem Budget für das Heer erreichen Sie schlicht und einfach, daß Sie das Bundesheer demoralisieren. Es gibt eine totale Desorientierung in den Kommanden. Sie können die Betroffenen fragen. Wir können nicht immer nur aus der Sicht des Parlaments das diskutieren, sondern wir sollten uns einmal mit den Soldaten auseinandersetzen. Wie wird denn die nächste Umgliederung aussehen?, fragen sich die Soldaten. Wie soll noch eingespart werden? Wie wird es überhaupt weitergehen? – Das sind die Existenzfragen, die sie interessieren.

Die Verunsicherung auf der mittleren und unteren Ebene wächst in alle Richtungen. Eine längerfristige Dienstplanerstellung ist nicht möglich, weil nie sichergestellt ist, ob die angeforderten und für den laufenden Dienstbetrieb erforderlichen Grundwehrdiener im Einberufungskontingent auch vorhanden sind. Das ist das Problem beim österreichischen Bundesheer! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sollten den Frust bei den Grundwehrdienern und Milizsoldaten hinterfragen. Sie sollten mit Ihren Söhnen oder mit Ihren Töchtern reden, wenn diese sich bereit erklären, den Dienst mit der Waffe zu machen. Es gibt viele Leerläufe, sagen die jungen Leute. Mit Euphorie gehen sie zum Bundesheer. Nach einer gewissen Zeit erklären sie aber, daß es viele Leerläufe gibt, weil für ein effizientes Übungsprogramm zuwenig Personal vorhanden ist.

Milizsoldaten werden zu Übungsvorbereitungen einberufen, obwohl gar nicht sicher ist, ob die Übung aus finanziellen Gründen überhaupt durchgeführt werden kann. Das sind beweisbare und belegbare Tatsachen. Ich kann Ihnen Zeugen zu Dutzenden bringen: Zu einer dreitägigen Truppenübung einberufene Milizsoldaten verbringen zweieinhalb Tage – hören Sie gut zu: zweieinhalb Tage! – mit Standesevidenzkontrolle und Verabschiedungsformalitäten. Ein halber Tag verbleibt für die Übungen. Aber diese Übungen können aus finanziellen Gründen, etwa weil es zu wenig Munition gibt, auch nicht so durchgeführt werden, wie sie durchgeführt werden sollen. – So sieht es aus!

Wenn Sie glauben, daß man den Wehrwillen unserer jungen Burschen so steigern und diese für die Landesverteidigung begeistern kann, dann sage ich Ihnen: Ich glaube, das wird in dieser Form danebengehen. Es ist verantwortungslos – ich sage es nochmals –, unsere Söhne und Töchter mit Hauptwaffensystemen Wehrübungen machen zu lassen und für den Ernstfall an die Grenze zu schicken, die derzeit 30 bis 50 Jahre alt sind. Mit diesem Schrott schicken wir unsere Söhne und Töchter an die Grenze, wenn es irgendwo kriselt und kracht! Das kann doch keine verantwortungsvolle Verteidigungspolitik sein! Das können Sie mir doch nicht erzählen!

Daher bringen wir einen Entschließungsantrag ein, damit Sie sehen, daß wir guten Willens und jederzeit bereit sind, eine verantwortungsbewußte Landesverteidigungspolitik mitzutragen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Scheibner, Apfelbeck, Mentil, Dr. Ofner und Dipl.-Ing. Schöggl betreffend Erhöhung des Landesverteidigungsbudgets in der XX. Gesetzgebungsperiode auf vergleichbares europäisches Niveau

Der Nationalrat wolle beschließen:


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"Der Bundesminister für Landesverteidigung wird aufgefordert, in den Verhandlungen mit dem Finanzminister dafür zu sorgen, daß das Landesverteidigungsbudget (ohne Oberflächenbauten) bis zum Ende der XX. Gesetzgebungsperiode schrittweise auf vergleichbares europäisches Niveau (1,3 bis 1,5 Prozent am BIP) angehoben wird und dies seinen zahlenmäßigen Niederschlag im Kapitel "militärische Angelegenheiten" der nächsten Bundeshaushaltsgesetze findet."

*****

Wir werden uns anschauen, wie die Herren von der Österreichischen Volkspartei oder der ehemalige Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager zu diesem Entschließungsantrag stehen, wie weit sie wirklich bereit sind, für ihre Söhne und Töchter, die im Ernstfall gefordert sind, Verantwortung zu übernehmen und ihnen Sicherheit in die Hand zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

2.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Mentil vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Als nächster Redner ist Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

2.01

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Auch ich kann nur bedauern, daß wir wieder einmal zu früher Morgenstunde das Kapitel Landesverteidigung diskutieren. Das österreichische Bundesheer hätte es sich verdient, Aufmerksamkeit zu einer christlicheren Zeit zu finden. (Beifall des Abg. Dr. Ofner .) Die selbsternannten Verteidiger des Bundesheeres sind nicht ganz unbeteiligt daran, daß es auch bei dieser Budgetdebatte wieder zwei Uhr früh geworden ist, und viele von uns gezwungen sind, ihre Ausführungen hier kurz zu fassen. (Zwischenruf des Abg. Scheibner .)

Meine Damen und Herren! Herr Minister, es ist dir gelungen, in den letzten Wochen das mediale Interesse zu wecken. Viele meiner Vorredner haben es bereits angeschnitten: Über das Heer stand wieder einmal viel in den Zeitungen. Ich behaupte: Das Echo war nicht so positiv, wie du und deine Herren sich das vielleicht vorgestellt haben.

Dieser dramatische Hilferuf, in dem in der ersten Phase unsere mechanisierte Truppe als "Rostschüsseln" dargestellt wurde, hat dann eine Kehrtwendung bewirkt. Nachdem wir darauf hingewiesen haben, daß es wahrscheinlich ein Instandhaltungsproblem sein könnte, wenn Rost auftritt, war dann die nächste Meldung: Es handelt sich nicht um Rost, sondern die Kampfwertsteigerung ist nicht mehr möglich. Der M 60 A3 gehört eigentlich verschrottet. Auch das hat Kollege Gaál schon angeschnitten: Herr Minister! Innerhalb von drei Jahren hast du auch in diesem Bereich eine Kehrtwendung durchgeführt. Denn vor drei Jahren galt das noch als technischer Standard, heute entspricht das Material hingegen nicht mehr. – Kampfpanzer, meine Damen und Herren, altern nicht in drei Jahren vom technischen Standard zum Schrottmodell! (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. )

Aber interessant ist auch anderes, was man den Gazetten entnehmen kann. Das Verteidigungsministerium beschäftigt sich, zumindest seit dem 17. April dieses Jahres, mit fast revolutionären Fragen. So heißt es in den Gazetten – ich zitiere –: "Sollen alle Kampfpanzer ersetzt werden, oder kommt man aufgrund eines geänderten Bedrohungsbildes künftig mit weniger Panzern aus?" – Zitatende. Das verlautet aus dem Ministerium. – Wehe, meine Damen und Herren, wenn ein sozialdemokratischer Politiker solche Überlegungen anstellte! Dann hieße es: Das sind linke Utopien, das ist eine Gefährdung der Republik, "Bundesheerabschaffer", Kollege Scheibner, ist dann noch das freundlichste, was man hört.

Herr Minister! Du hast im Ausschuß die Panzertruppe als den "Hammer der Landesverteidigung" bezeichnet. – Schauen wir doch kurz über unsere Grenzen, auch um viertel Drei in der Früh, welche "Hämmer" andere Staaten einsetzen: Zum Beispiel Finnland. Da findet sich im


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letzten "Truppendienst", einer Zeitschrift, die die Damen und Herren des Landesverteidigungsausschusses zugestellt bekommen, ein hochinteressanter Artikel.

Ich behaupte, Finnland hat ein sensibleres Bedrohungsbild, als das bei Österreich der Fall ist. Ich zitiere also aus dieser Zeitschrift: "Die finnische Panzertruppe ist derzeit schlagkräftiger denn je. Neue Kampffahrzeuge und Material wurden hauptsächlich aus der ehemaligen Sowjetunion und den aufgelösten Verbänden der Nationalen Volksarmee der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik beschafft. Es reicht für die Aufstellung und Erhaltung von zwei Panzerbrigaden. Das erstemal in der Geschichte Finnlands ist ausreichend Kriegsmaterial vorhanden, das den gegebenen Verhältnissen angepaßt ist." – Zitatende.

Wie sehen diese beiden "bestens ausgestatteten" Panzerbrigaden aus? – Sie bestehen aus je 65 Stück T 72, also 25 Jahre alten Kampfpanzern, insgesamt also 130 Panzern. Diese sind der "Hammer" Finnlands! – Österreich hat 170 M 60, die, was das Leben eines Panzers anlangt, unwesentlich älter sind, aber bei uns bezeichnet man diese als "schrottreif"!

Ein anderes Beispiel ist die Republik Irland: Die Iren – nicht die Irren, meine Damen und Herren! – haben seit Jahren keine Kettenfahrzeuge, keine Kampfpanzer, keinen "Hammer". Und auch die Iren sind überzeugt davon, daß sie ihre Heimat effizient verteidigen können. (Zwischenruf des Abg. Scheibner .)

Herr Minister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben ein geändertes Bedrohungsbild, und vielleicht brauchen wir einen kleineren Hammer oder einen Schraubenzieher. Natürlich kann man eine Schraube auch mit dem Hammer lösen; die Effizienz eines Schraubenziehers ist jedoch höher.

Für effizient halte ich – in diesem Punkt bin ich mit dem Bundesminister einer Meinung – die Beschaffung von Radpanzern. Seiner Aussage, für alle Truppengattungen sollen Radpanzer angeschafft werden, kann ich voll beipflichten. Über den Verwendungszweck sind wir uns allerdings nicht mehr so einig.

Mit Erstaunen habe ich im Ausschuß gehört, daß der Herr Minister die Radpanzer als Ersatz für feste Anlagen ansieht. Dazu kann ich sagen: Das werden sie sicher nicht sein! Oder sollen wir unsere Aufgaben bei den UNO-Einsätzen mit dem Export fester Anlagen lösen? – Ich ersuche dich, Herr Minister, daß du dir das von dem Generalstabsoffizier, der dir das vielleicht aufgeschrieben hat, interpretieren läßt!

Ich glaube, daß mit dem Radpanzer ein Großteil der zukünftigen Aufgaben des Heeres erfüllt werden kann. Ich behaupte, daß eine Ausrüstung, wie sie zum Beispiel das Aufklärungsbataillon – das wir beide sehr gut kennen – nach einer Umrüstung auf den "Pandur" haben wird, zweckmäßig und zielführend ist. Ich meine, daß damit Grenzüberwachung und Katastropheneinsätze möglich sind.

Ich wollte noch meine Beobachtungen, die ich beim Grenzeinsatz im Falle Jugoslawien gemacht habe, der immer wieder genannt wird, hier darlegen: Wenn man zugeschaut hat, wie sich ein "K" auf den Loiblpaß hinaufquält, dann muß man feststellen: Das ist für eine Panzerwaffe kein geeigneter Einsatz. – Ich überspringe jedoch diesen Punkt.

Ich glaube aber auch, daß es keinen Sinn macht, neuerlich Vergleiche mit einem anderen Gerät anzustellen. Dieser Radpanzer ist ein österreichisches Produkt. Derzeit werden 68 Stück bei verschiedenen österreichischen Firmen gefertigt, und diese Firmen sind auch in der Lage, den weiteren Bedarf zu decken.

Hohes Haus! Die Koalitionsparteien bekennen sich zur Modernisierung der Ausrüstung, der Ausbildungseinrichtungen und der Unterkünfte. Kollege Gaál hat auch darauf hingewiesen, daß eine militärische Grundsatzplanung in den Bereichen Operation, Ausbildung und Beschaffung vorzulegen ist. Wir stellen uns vor, daß wir im Rahmen dieser Grundsatzplanung auch ein Konzept für unsere mechanisierten Truppen vorgelegt bekommen, das es uns auch erleichtert, ein Zehnjahres-Investitionsprogramm und die Zukunft konkreter beurteilen zu können.


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Die Koalition bekennt sich zu einer zeitgemäßen Ausgestaltung der Friedens- und Einsatzorganisation sowie der Führungsstruktur. Unsere Soldaten, meine Damen und Herren, werden auch mit den beschränkten finanziellen Mitteln jene Voraussetzungen vorfinden, die sie brauchen, um den politischen Auftrag umzusetzen.

Auch ich schließe mit dem Dank für jene Leistungen, die das Kaderpersonal, die die österreichische Jugend für die Republik im Rahmen des Präsenzdienstes und des Zivildienstes erbracht haben beziehungsweise noch erbringen werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

2.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. – Herr Abgeordneter, Ihnen steht noch eine Redezeit von fünf Minuten zur Verfügung.

2.10

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Zweimal im Laufe dieses Tages haben wir die sattsam bekannten Auftritte der Kollegin Stoisits über uns ergehen lassen müssen, und ich muß sagen: Sie polarisieren, Sie verbreiten Zwietracht, und Sie führen auf perfide Weise ständig das Wort "Versöhnung" auf den Lippen. Das ist unerträglich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Kapitel Landesverteidigung gehört zu den traurigsten Kapiteln der Budgetdebatte. Wir machen ein Budget für zwei Jahre, und am Ende dieser zwei Jahre werden Waffen und Gerät und wir alle um zwei Jahre älter sein, aber das wird auch schon das einzige sein, was wir mit diesem Budget bewegt haben werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Katastrophe beziehungsweise der Zustand der Landesverteidigung, der dazu führt, daß die Offiziere quasi in der Presse um Hilfe schreien, wenn sie sagen, die Kampfkraft ist entscheidend geschwächt, wir geben uns quasi der Lächerlichkeit hin, ist ja nicht vom Himmel gefallen. Das ist eine Folge der Politik der letzten Jahre, um nicht zu sagen Jahrzehnte. Die Liste der Dinge, die wir dringend für unsere Landesverteidigung brauchen würden – vom Draken-Nachfolger über Panzer, Panzerabwehrwaffen, Hubschrauber, Personenschutz –, ist unendlich lang, und das Geld reicht hinten und vorne nicht. Und sogar dort, wo modernisiert wurde, wurde so modernisiert, daß letztlich durch die Lücken im System, wie die "Presse" schreibt, die Modernisierung faktisch wirkungslos gemacht wurde.

Grundsätzlich ist auch die Koalition von einer einhelligen Meinung über die weitere Vorgangsweise in der Sicherheitspolitik meilenweit entfernt. Es sind da keine Ansätze für eine Vereinheitlichung und einen einheitlichen Standpunkt gegeben, der jedoch dringend notwendig wäre, wenn wir die oft beschworene Europareife erreichen wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einen konkreten Vorschlag machen, wo gespart werden könnte. Wie Sie wissen, werden zur Verwaltung der Kasernen Mitarbeiter der Bundesgebäudeverwaltung herangezogen. Und wenn Sie wissen, wie ein konkreter Ablauf stattfindet, wenn in einer Kaserne etwas zu sanieren ist, eine Dusche umzubauen ist oder Fenster auszuwechseln sind, wie das Zusammenspiel zwischen BGV und den militärischen Behörden stattfindet, dann drängt sich schon die Frage auf: Könnte man das nicht vereinfachen? – Ich bin überzeugt davon, daß die Militärverwaltung, die Kasernenkommanden durchaus in der Lage wären, derartige Dinge in Eigenregie, in Eigenverantwortlichkeit, unter eigener Budgethoheit abzuwickeln, wodurch Millionen eingespart werden könnten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im heutigen "Kurier" gibt es ein Bild von unserem Verteidigungsminister, mit dem Untertitel: "Begehrliche Blicke auf neue Militärtechnologie". Und es sind da Modelle, um nicht zu sagen Spielzeugmodelle, dargestellt.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesverteidigung ist keine Spielerei! Ich meine, wir müssen vieles ändern, um eine effiziente Landesverteidigung zum Wohle unserer Heimat und unseres Vaterlandes Österreich zu sichern. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

2.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Abgeordneter Amon. – Bitte, Herr Abgeordneter.

2.14

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In Wahrheit haben wir drei Teile im Parlament, nämlich einen Teil, der sich eindeutig für eine funktionierende, effiziente Landesverteidigung ausspricht, bestehend aus dem Liberalen Forum, der Österreichischen Volkspartei und den Freiheitlichen, dann haben wir eine Gruppierung, die Sozialdemokratie, die, so habe ich den Eindruck, nicht so genau weiß, was sie will, so ein bißchen "nicht Fisch, nicht Fleisch" in dieser Frage ist, und dann haben wir eine Fraktion, nämlich die Grünen, die wissen, was sie wollen, nämlich keine Landesverteidigung. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Manchmal hat man den Eindruck, Ihnen wäre es lieber, wenn das Bundesheer nicht einmal Funkgeräte hätte, sondern die Nachrichten mit Brieftauben hin- und herschicken würde. (Beifall bei der ÖVP.)

Jedenfalls kann man sagen, daß Österreich mit einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 0,8 beziehungsweise 0,9 Prozent tatsächlich das Schlußlicht in Europa bildet, was eben das Landesverteidigungsbudget anlangt. (Abg. Parnigoni: Ist das nicht genug?) Andere vergleichbare Staaten geben 3 bis 6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes dafür aus.

Auf der anderen Seite muß man natürlich sagen: Wenn es ein übergeordnetes Sparziel gibt, dann ordnet sich dem auch der Bereich der Landesverteidigung unter. Und trotzdem habe ich die Überzeugung, daß die Sozialdemokraten glauben, daß diese 0,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auch noch zu viel für die Landesverteidigung sind (Abg. Scheibner: 0,83 Prozent!) , wenn man so manche Wortmeldungen hier gehört hat.

Dieser Ansatz ist meiner Meinung nach in zweierlei Hinsicht problematisch, weil auf der einen Seite das Bundesheer sozusagen zunehmend an die Grenze der Erfüllbarkeit seines Auftrages kommt, auf der anderen Seite aber Sie sich einer umfassenden Sicherheitsdiskussion doch verschließen, die ja weitergehen muß als nur in Richtung der Frage, ob man bei UNO-Einsätzen aktiv sein kann. In Wirklichkeit geben wir vom Nationalrat aus dem Bundesheer einen Auftrag, den es mit dem derzeitigen Budget nur sehr, sehr schwer erfüllen kann. Jeder unabhängige Staat hat eine Armee, die einen Auftrag hat, und entsprechend diesem Auftrag legt man die Stärke, die Bewaffnung, die Ausrüstung und ein etwaiges Kampfverfahren fest. – Ich meine, daß man diesem Auftrag, den wir dem österreichischen Bundesheer gegeben haben, unbedingt nachkommen muß, auch was das Budget anlangt.

Zum Schluß möchte ich noch einen sehr wichtigen Punkt ansprechen, nämlich den, daß wir insbesondere den Präsenzdienern viel stärker signalisieren sollten – wie wir das auch bei den Zivildienern tun –, daß sie einen wichtigen Dienst für unser Land leisten.

In diesem Zusammenhang sei auch eingefordert, daß wir dazu kommen müssen, das Taggeld weiter zu erhöhen, daß wir die Unterkünfte weiter verbessern müssen und daß wir auch im Umgang mit den Präsenzdienern auf alle Fälle noch besser werden müssen. (Abg. Wabl: Noch besser?) – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

2.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete. Die Redezeit, die Ihnen zur Verfügung steht, beträgt noch zehn Minuten. (Zwischenrufe.)

2.20

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Es ist wirklich eine "Freude", am späten Abend noch zu diskutieren (Abg. Schwarzenberger: Es ist früh am Morgen!) – oder am frühen


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Morgen. Aber ich meine, daß es nicht an mir und nicht an unserer Fraktion liegt, daß diese Tageszeit oder Morgenzeit erreicht wurde. Aber da Sie monieren – gerade Sie von der ÖVP –, daß das eine so wichtige Debatte ist und daß Sie leider um diese Morgenzeit geführt wird, gebe ich Ihnen recht: Das ist eine sehr wichtige Debatte. Man sollte eine solche Diskussion ernst nehmen und von vielen Facetten her betrachten.

Es wirft ein bezeichnendes Licht auf Ihre Bereitschaft, darüber zu diskutieren, auch auf die Herren der F, wenn Sie mich beim Heruntergehen zum Rednerpultes als erstes fragen, wo ich gedient habe. Offensichtlich dürfen hier nur Militaristen zu diesem Thema diskutieren (Abg. Scheibner: Was heißt "Militaristen"?) und keine Zivilisten. Wenn Sie an mich diese Frage richten, verstehe ich das zumindest so. Es stört mich nicht, denn ich denke mir, daß ich auch als Zivilistin durchaus genug Kompetenz habe, darüber zu diskutieren. (Abg. Mag. Trattner: Schauen Sie dazu, daß Sie zum Thema kommen, es ist schon spät!)

Ich habe gesagt, daß das eine wichtige Debatte ist, und es hat mich Ihre Reaktion auf das, was meine Kollegin Stoisits gesagt hat, bewogen, mich noch zu Wort zu melden. – Das war eine derart heftige Reaktion, die gezeigt hat, daß es offensichtlich in Österreich – im Gegensatz zu Deutschland – nicht möglich ist, über die Vergangenheit und die Rolle des Militärs im Zweiten Weltkrieg (Abg. Scheibner: Was hat das beim Landesverteidigungsbudget verloren?) , über die Beteiligung des Militärs an den Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges zu diskutieren und das auch mitzubeleuchten, wenn es um eine solche Debatte geht. (Abg. Scheibner: Was heißt denn das?)

Es gibt ein Buch, das heute im "Standard" präsentiert wurde, das schon vergangene Woche in der "Zeit" vorgestellt wurde; herausgekommen ist es in den Vereinigten Staaten. Was in diesem Buch steht, ist nichts Neues. Es hat ein Harvard-Professor geschrieben, und er ist nicht der erste und der einzige, der ein solches Buch geschrieben hat. Vor ihm haben schon verschiedene andere Wissenschafter ähnliches – nach den Studien historischer Archive – geschrieben. (Abg. Kiss: Und das plappern Sie nach!) Dieses Buch heißt "Hitlers willige Vollstrecker", der Autor ist Daniel Jonas Goldhagen. – Ich spreche das einmal deutsch aus, weil ich nicht weiß, was die richtige Prononcierung ist.

Im Prinzip wiederholt Goldhagen das, was ein Kollege vor ihm, nämlich Browning, einige Jahre vorher bereits dargestellt hat, nämlich daß es nicht darum geht – und das ist übrigens etwas, was heute auch niemand mehr unter den Historikern Deutschlands wirklich behauptet (Abg. Mag. Trattner: Sprechen Sie zum Budget?) –, daß diese Vernichtungsmaschinerie, dieses wahnsinnige Morden, dieses Massenhinrichten darauf zurückzuführen ist, daß es einen Wahnsinnigen namens Hitler gegeben hat, aber daß es eine kleine Gruppe von SSlern gegeben hat, die ihn dabei unterstützt haben, und daß wir heute wissen, daß das ganze System nur aus zwei Gründen funktioniert hat: Aus dem einen Grund, daß auch eine Vielzahl – und da gehen sicher die Zahlen auseinander – von Militärangehörigen, von Militärdienst leistenden Menschen dazugehört haben, von ganz "normalen" Menschen, ganz "normalen" Nachbarn, ganz "normalen" Familienvätern, und vermutlich auch deswegen, weil es kulturelle und historische Zusammenhänge gibt. (Abg. Scheibner: Was hat das mit dem Bundesheer zu tun? – Abg. Mag. Trattner: Zum Thema kommen!)

Das ist natürlich ein Argument, zu sagen: Ja, was hätte denn mein Vater tun sollen? Er wäre erschossen worden, hätte er diesen Befehl verweigert. Aber es gibt eine Vorgeschichte dazu, es gibt eine klare politische Vorgeschichte, die bis ins vorige Jahrhundert zurückgeht, zum deutschen Antisemitismus und die bis zum Jahre 1938 – zumindest in Österreich – reicht, die auch eine Antwort geben sollte auf diese Frage.

Ich halte das zu bedenken für wichtig, und ich denke mir, daß man sich darüber auch in Österreich und in einem österreichischen Parlament auf zivilisierte Art und Weise unterhalten können muß, wenn es um die Aufgabe, um die Rolle des österreichischen Bundesheeres geht. Ohne die Aufarbeitung der Geschichte der Vergangenheit, ohne das Bewußtwerden, was Militär ist und bedeutet, sollten wir uns im klaren darüber sein, daß eine ernsthafte Diskussion über die Zukunft des österreichischen Bundesheeres nicht zu führen ist.


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Eine der Begründungen, warum solches möglich ist – nicht nur bei der deutschen Wehrmacht, sondern warum solches möglich war in Kambodscha, warum solches möglich ist in unserem Nachbarland, in Bosnien (Abg. Scheibner: Bei der Roten Armee!) , in Kroatien, in Bereichen auch der Restrepublik Jugoslawien, wenn wir etwa an den Kosovo denken, wenn wir uns viele, viele solcher Länder anschauen, wo solches möglich ist, weil Gehorsam vorausgesetzt wird. Noch einmal: Wie dieser Gehorsam zustande kommt, wie er interpretiert wird, wie er aufgefaßt wird, auch das sollte man im jeweils eigenen kulturellen und historischen Kontext sehen.

Wenn wir nachdenken – und ich habe das Ihren Worten entnommen – über die Zukunft des österreichischen Bundesheeres, dann sollten wir das im Kontext der Europäischen Union tun und im Kontext dessen, was im Rahmen der Regierungskonferenz – vermutlich in den nächsten eineinhalb Jahren – debattiert wird.

Da geht es darum, daß es nicht nur eine gemeinsame Außenpolitik und eine gemeinsame Sicherheitspolitik gibt, sondern auch darum, daß es so etwas wie ein gemeinsames, kooperatives Sicherheitssystem geben soll.

Da mögen jetzt die Vorstellungen auseinandergehen. Da gibt es Gruppen im Nationalrat – und ich würde diese Gruppen übrigens auch etwas anders definieren und nicht derart intellektuell schmal ansetzen, wie das einer meiner Vorredner getan hat –, die sagen: Die NATO ist die richtige Organisation, die diese Aufgabe übernehmen soll; wir sollten uns dieser Organisation anschließen. Es gibt aber auch Gruppen hier im Nationalrat – und das ist fraktionsübergreifend, das ist nicht einzuteilen nach Fraktionen –, die sagen: Die Westeuropäische Union ist das Richtige. Es gibt aber auch welche, die sagen: Warten wir ab, was entstehen, was kommen wird.

Aber wissen Sie, das Überlegenswerte daran ist, was immer es ist: Es stellt nämlich die Frage des nationalen Militärs, des eigenen Bundesheeres massiv in Frage, wenn Sie darangehen, zu überlegen, wie ein künftiges europäisches Sicherheitssystem ausschaut.

Unsere Vorstellungen eines europäischen Sicherheitssystems habe ich Ihnen schon öfters dargelegt: Sie sind in erster Linie präventiv, konfliktvermeidend und gehen erst in zweiter Linie und in einer Übergangsphase davon aus, daß wir auch militärische Einheiten brauchen.

In einer Debatte, in der es um Landesverteidigung geht, in einer Debatte – ich fasse das so auf –, in der es um Sicherheitspolitik im weitesten Sinne geht, da vermisse ich, daß hier keiner meiner Vorredner das auch nur irgendwann erwähnt hätte, daß es kein Wort der Unterstützung für die mindestens genauso wichtige Förderung nicht nur von Friedensforschung, sondern auch von Friedenserziehung gibt.

Unser Nachbarland Italien hat in verschiedenen Regionen – gleichgesetzt mit unseren Landtagen – Gesetze erlassen, mit denen selbstverständlich Friedensprojekte, Forschungsprojekte, Friedenserziehungsprojekte finanziert und unterstützt werden. Das wäre zumindest ein Anfang, um zu zeigen, wie glaubwürdig und wie ernsthaft Sie es meinen, wenn Sie auf den Lippen führen, daß die Prävention wichtiger ist als ein militärischer Schlag. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Das ist ein gutes Beispiel: Italien hat das Militärbudget erhöht!)

2.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

2.28

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zwei Dinge sind es, die ich den Herrn Bundesminister fragen möchte und wo ich ihn bitte, mir darauf eine Antwort beziehungsweise Informationen zu geben.

Herr Bundesminister! Bei der letzten Sitzung des Landesverteidigungsausschusses habe ich einen Artikel der "Salzburger Nachrichten" vom April dieses Jahres zitiert, woraus zu entnehmen war, daß das Bundesheer einen Auftrag über die Lieferung von 327 000 Paar Wollsocken nach


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Tschechien vergeben hat. Den österreichischen Produzenten, so steht in diesem Artikel, geht damit ein Geschäft in der Größenordnung von 9 Millionen Schilling verloren. Damit sind Arbeitsplätze in Österreich gefährdet, und diese noch dazu in der Textilindustrie, die sowieso mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat.

Auf meine Frage, was Sie, Herr Minister, dazu bewogen hat, diesen Auftrag ins Ausland zu vergeben, haben Sie, wenn ich mich recht entsinne, in etwa folgendes gesagt: Es ist eine österreichisch-tschechische Firma, und im übrigen hat keine österreichische Firma angeboten.

Auf unsere Wortmeldung, daß doch eine österreichische Firma angeboten hat, haben Sie uns dann erklärt, das sei eine österreichisch-slowenische Firma. (Abg. Scheibner: Slowakische!) Slowakische Firma, ja. Danke schön. (Abg. Haigermoser: Beides beginnt mit "Sl", aber dann ...!)

Wir haben dann bei dieser Firma recherchiert, und wir mußten feststellen, daß sowohl der Materialursprung als auch die Produktion der Socken dieser slowakischen Firma in Österreich gewesen wäre.

Ich würde Sie bitten, uns zu erklären: Was war jetzt wirklich der Grund, wenn man vom Billigstangebot absieht – 1 S beträgt unseren Informationen nach der Preisunterschied pro Paar Socken –, wenn man weiß, daß dem Steueraufkommen, Sozialversicherung und Arbeitsplatzverluste entgegenstehen?

Zweitens, Herr Bundesminister: In der Vergangenheit – bis zu den letzten zwei Jahren – sind Wirtschaftsentwicklung und der Bedarf auf dem Arbeitsmarkt immer ìn Relation zueinander einhergegangen. Das heißt, wenn in der Arbeitswelt Not am Mann war, wurde der Ruf nach den Frauen laut.

Ein besonderes Merkmal der Frauen ist sicherlich Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft. Was ist bis dato geschehen? – Mit Lockangeboten wie Zubringerdiensten, Hausfrauenschichten et cetera wurden die Frauen auf den Arbeitsmarkt gelockt; der Durchbruch zu Führungspositionen ist aber bis dato nicht in allen Bereichen erfolgt.

In einem "Standard"-Artikel vom März (Abg. Haigermoser: Frau Kollegin, das ist die falsche Rede!) sagen Sie, Herr Minister: Frauen im Heer: Versuch soll rasch starten. (Abg. Haigermoser: Sie haben die falsche Rede mit!) – Herr Dr. Ofner hat heute gesagt: Das Heer hat zu wenig Soldaten. (Abg. Haigermoser: Schwemlein, arbeitsloses Einkommen! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Es darf doch wohl nicht heißen, wenn Sie sagen, Herr Bundesminister, Frauen rasch zum Heer, daß Frauen das Bundesheer retten sollen, das heißt, als Lückenbüßerinnen für sinkende Einrückungsquoten einfach herhalten sollen! (Abg. Scheibner: Haben Sie so wenig Selbstvertrauen?)

Eine Studie besagt weiters – zitiert war diese im "News" –: Frauen waren für Militärs immer dann interessant, wenn der sogenannte Pillenknick zuwenig männliche Soldaten nach- und einrücken ließ.

In dieser Studie heißt es weiters: In keiner der Streitkräfte ist die gleichberechtigte Integration der Frauen bis dato verwirklicht: weder in den USA, in der Schweiz, in Kanada oder in Großbritannien, um nur einige Beispiele zu nennen.

Beim österreichischen Bundesheer sind insgesamt über 30 000 Personen beschäftigt, einschließlich Zivilbedienstete, und davon sind in etwa 3 000 Frauen. Die meisten dieser 3 000 Frauen jedoch sind im Putzdienst beziehungsweise als Schreibkräfte beschäftigt – keine einzige Frau in einer Führungsposition. Das muß man wohl einmal ganz klar sagen dürfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Wenn Sie schon revolutionäre Veränderungen im Heer wollen, also Frauen zum Heer, dann genügt es meines Erachtens nicht, daß da immer wieder eine Dame im


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Fernsehen auftaucht, und zwar in voller Uniform der Aufklärungstruppe, sondern da ist gesellschaftlicher Konsens notwendig. Ich glaube, darüber sind wir uns einig. Gesellschaftlichen Konsens, Herr Bundesminister, erreicht man – das wissen Sie ganz genau – durch Information.

Wenn Sie solche Veränderungen im Heer wollen, dann haben Sie sich bestimmt Gedanken darüber gemacht, haben Pläne entworfen.

Sie sprechen immer von einem Maßnahmenkatalog. Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Was beinhaltet dieser Maßnahmenkatalog? Was genau haben Sie vor? (Unruhe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Im Koalitionsübereinkommen steht, daß binnen einem Jahr den Frauen das Eintreten zum Heer ermöglicht werden soll. Aber wir verlangen schon von Ihnen, nicht in letzter Sekunde diesen Maßnahmenkatalog auf den Tisch geknallt zu bekommen, sondern wir wollen jetzt wissen, was Sie planen. Aber bis jetzt ist diesbezüglich noch immer Funkstille. (Beifall bei der SPÖ. – Unruhe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren des Hohes Hauses! Auch wenn es halb drei Uhr in der Früh ist: Es ist das ein Thema, das auch den Damen von der ÖVP, Frau Kollegin Steibl, nicht so Wurscht sein dürfte, daß man einfach sagt: Jetzt hören wir auf, das ist uninteressant. (Abg. Steibl: Es ist nicht Wurscht, aber nicht so ausführlich! Es ist zu lang! – Präsident Dr. Neisser gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Wir von der SPÖ wollen wissen: Was hat Minister Fasslabend mit den Frauen tatsächlich vor? (Heiterkeit bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Sie überschätzen die Fähigkeiten des Ministers! 2 000 Frauen auf einen Minister, das ist ein bißchen viel!) Wozu will er sie beim Bundesheer einsetzen? (Anhaltende Heiterkeit bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) – Sie können schon lachen, das ist ganz gut, da werden Sie wieder einmal munter. – Wozu will er Frauen beim Bundesheer einsetzen?

Wir wollen nicht zustimmen, und wir lassen uns nicht erpressen in letzter Sekunde, indem es dann vielleicht heißt: So, in Koalitionstreue ist jetzt mitzugehen. – Das werden Sie nicht erleben! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister! Ich hätte noch eines gerne gewußt: Sie haben beispielsweise im Landesverteidigungsausschuß gesagt – Sie haben auch dort von einem Maßnahmenkatalog gesprochen –, Sie wollen den Zugang für Frauen zum Heer sozusagen sukzessive, also nicht überall und sofort. Das hätte ich auch gerne gewußt, was das in der Realität bedeutet. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

2.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich Herr Bundesminister Dr. Fasslabend zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

2.37

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist von mehreren Rednern das Bedürfnis nach einer einheitlichen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, zumindest der Bundesregierung, wenn nicht des Gesamtstaates, betont worden. Die Debatte in den letzten Monaten hat gezeigt, daß zwischen den Parteien, was etwa die Ausrichtung im Hinblick auf eine Sicherheitsintegration betrifft, die Meinungen durchaus auseinandergehen.

Durch die Vereinbarung zwischen den Regierungsparteien ist aber sichergestellt, daß es spätestens im ersten Quartal 1998 einen gemeinsamen Bericht von Bundeskanzler, Außenminister und Verteidigungsminister an das Parlament, nämlich hinsichtlich des nach unserer Ansicht notwendigen nächsten Schrittes, des Vollbeitritts Österreichs zur WEU, geben wird. Das heißt, der Fahrplan dazu ist klargestellt. (Beifall bei der ÖVP.)

Es hat darüber hinaus zu den verfassungsmäßigen Aufgaben des Bundesheeres eine weitere wichtige Klarstellung gegeben, nämlich daß der Assistenzeinsatz des Bundesheeres für die


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17. Sitzung / Seite 222

gesamte Legislaturperiode vorgesehen ist. Ich glaube, daß daher auch die diesbezüglichen Debattenbeiträge dazu eigentlich keine Relevanz mehr haben.

Daß ich es unabhängig davon nicht für besonders sinnvoll halte, daß wenige Wochen nach Abschluß eines Regierungsübereinkommens bestimmte neue Dimensionen verschiedentlich angesprochen werden, sage ich nur ergänzend dazu.

Daß aber vom Bundesheer selbst bereits in der Vergangenheit ausführliche Konzepte, aufbauend auf die neue geostrategische Situation, ein neues Einsatzkonzept, eine neue Heeresorganisation, ein neues Ausbildungskonzept, und selbstverständlich auch darauf aufbauend die Rüstungsprioritäten festgelegt und entschieden wurden, möchte ich nur der Vollständigkeit halber dazusagen.

Daß einige der Rüstungsprioriäten noch nicht durchgeführt werden konnten, sondern eben erst in der nächsten Legislaturperiode in Angriff genommen werden, ergibt sich ja daraus, daß gerade die letzten fünf Jahre dadurch gekennzeichnet waren, daß der größte Aufholbedarf des Bundesheeres, nämlich dort, wo wir über überhaupt kein Waffensystem verfügt haben, nämlich im Lenkwaffenbereich, in Angriff genommen werden mußte und eben Boden-Boden-, Boden-Luft- und Luft-Luft-Abwehrlenkwaffen angeschafft werden mußten. Jetzt steht der Ersatz von Großgeräten einerseits und eben eine weitere Modernisierung auf der anderen Seite im Vordergrund.

Daß das mit den vorhandenen begrenzten Mitteln ungeheuer schwierig ist, möchte ich auch zum Ausdruck bringen. Ich glaube, daß es aber auf der anderen Seite auch eine Selbstverständlichkeit ist, daß das Bundesheer den Sparkurs mitträgt. Wir glauben, daß mit einer leichten Erhöhung des Ansatzes für das österreichische Bundesheer im Ausmaß von 513 Millionen Schilling für dieses Jahr, mit weiteren über 100 Millionen Schilling und einer gesetzlichen Ermächtigung im Rahmen von 400 Millionen Schilling für 1997 ein kleiner, ein bescheidener, aber doch realistischer Schritt im Rahmen des Gesamtprogramms gemacht werden kann, ein Schritt, der auch dazu führen wird, daß der Anteil der Ressortaufwendungen des Bundesheeres am Gesamtbudget in diesen beiden Jahren im Vergleich zu 1995 leicht steigende Tendenz hat.

Wichtig scheint mir noch zu sein, ganz konkret gestellte Fragen zu beantworten. Die eine Frage betrifft das Denkmal in Wolgograd. – Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, daß man mehr als 50 Jahre nach Kriegsende in der Lage sein muß, ein Zeichen der Versöhnung zu setzen und Tausenden, Hunderttausenden, ja Millionen Menschen, die ihr Leben lassen mußten, ein kleines, bescheidenes Denkmal setzt. Ich glaube, im Vordergrund steht der Versöhnungsgedanke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was die Beschaffung von Socken für das Bundesheer betrifft, eine Frage, die hier angesprochen wurde, möchte ich in aller Deutlichkeit noch einmal sagen: Dazu gibt es absolute Falschmeldungen. Gleichzeitig möchte ich in aller Deutlichkeit dazusagen, daß auch das Klima, in dem diese Meldungen verbreitet werden, vielleicht ein bißchen symptomatisch für anderes ist, wenn ich etwa nur an die Überschrift eines Magazins denke, das in den letzten Tagen herausgekommen ist und das diesen Ankauf von Socken sogar mit "dubios" übertitelte.

Es hat eine Firma den Zuschlag erhalten, und zwar deshalb, weil sie – ich verweise auf das österreichische Vergabegesetz, das in diesem Haus beschlossen wurde – eindeutig der Bestbieter war. Diese Firma ist eine 100prozentige Tochterfirma eines österreichischen Eigentümers und arbeitet in der Tschechischen Republik.

Der zweitbeste Bieter war der 100prozentige Eigentümer gleichfalls dieser Firma, das heißt, das zweitbeste Angebot wäre auch an den gleichen Unternehmer gefallen; es ist die Firma Schmöger aus Dobersberg im Waldviertel.

Das von der Firma Putz und von anderen Anbietern immer wieder ins Spiel gebrachte Angebot der dritten Firma ist kein ursprünglich österreichisches Angebot. Ich kann es Ihnen zeigen: Es ist ausgestellt von der Firma Silva Slovakia spol s.r.o., zu Hause in 95301, Zlaté Moravce, Brezovál, das Angebot ausgestellt in Zlaté Moravce. Es steht auch noch einmal auf dem Stem


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17. Sitzung / Seite 223

pel: Es ist das eine slowakische Firma, die durchaus auch – ähnlich wie das erstgereihte Angebot – österreichische Teilhaber hat, aber was geschehen hätte können, wäre gewesen, daß wir ein österreichisches Tochterunternehmen durch ein anderes österreichisches Tochterunternehmen ersetzen und dafür um eine Dreiviertelmillion beziehungsweise sogar 1,5 Millionen Schilling mehr bezahlt und gleichzeitig gegen das Vergabegesetz verstoßen hätten.

Meine Damen und Herren, die das angesprochen haben: Da verlangen Sie von uns eindeutig zu viel! (Beifall bei der ÖVP.)

Der letzte Punkt, der von Kollegin Hagenhofer angesprochen wurde: Frauen zum Bundesheer. Auch dazu möchte ich richtigstellen, daß Frauen selbstverständlich, obwohl es Frauen beim Bundesheer nur in Verwaltungsfunktionen gegeben hat, in Führungsfunktionen aufgestiegen sind, auch wenn sich vielleicht jetzt gerade keine in einer absoluten Topposition befindet. Die letzte – ich kann es Ihnen deshalb sagen, weil sie mir persönlich seit vielen Jahren bekannt ist – war eine Hofrätin, Frau Dr. Popelka, die ihren Dienst versehen hat. Ich glaube durchaus, daß angesichts des relativ schmalen Feldes der Aufstieg einer Frau im Bundesheer in dieser Dimension in etlichen anderen Ressorts erst Nachahmung finden muß.

Betrachten Sie doch einmal, wie viele Frauen dort in Toppositionen sind, wo die Sozialdemokratische Partei die Verantwortung gehabt hat, nämlich bei den Österreichischen Bundesbahnen. Sagen Sie mir, wieviel Prozent an Frauen dort in absoluten Toppositionen waren beziehungsweise sind. Wir beim Bundesheer übertreffen diesen Prozentsatz sicherlich bei weitem. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Aber das ist eine schwache Ausrede!)

Selbstverständlich werden wir den gesamten Bereich des Bundesheeres – wenn auch aus administrativen Gründen wahrscheinlich am Anfang nicht sofort in allen Bereichen – für Frauen öffnen, selbstverständlich auch alle Karrieremöglichkeiten. Eine diesbezügliche Vorlage soll nach Abstimmung mit dem Frauenministerium in Kürze, das heißt möglichst in diesem Jahr, dem Hohen Haus übermittelt werden, und wir werden dann ausreichend Zeit haben, die einzelnen Aspekte durchzudiskutieren. (Abg. Wabl: Die Liste der Anschaffungen, bitte, Herr Bundesminister!)

Zum Schluß noch ein Wort ... (Abg. Wabl: Wo ist die Liste der Anschaffungen? Die vollständige Liste der Anschaffungen, bitte!) Ich gebe Ihnen gerne die vollständige Liste der Anschaffungen. Möglicherweise könnten Sie dabei überfordert sein, Herr Abgeordneter Wabl. Ich lasse Sie gerne Einsicht nehmen. (Abg. Wabl: Bitte schriftlich! Da ist es leichter, da lasse ich es von jemand anderem lesen!)

Meine Damen und Herren! Es war das jetzt eine Debatte in den frühen Morgenstunden; sie hat trotzdem viele interessante Aspekte beinhaltet. Das, worum ich Sie bitte, ist die Unterstützung für die Notwendigkeit der militärischen Landesverteidigung und für die vielfältige Aufgabenstellung auch bei internationalen Einsätzen, bei Katastropheneinsätzen beziehungsweise bei sonstigen Assistenzeinsätzen. (Abg. Mag. Guggenberger: Paraden!)

Die Angehörigen des österreichischen Bundesheeres haben es gerade aufgrund der begrenzten Mittel wahrscheinlich viel, viel schwerer bei der Durchführung ihrer Aufgaben als die Angehörigen anderer Armeen. Es hat bis jetzt noch keinen Einsatz gegeben, der nicht funktioniert hätte und wo wir die Aufgabenstellung nicht entsprechend erfüllen hätten können. Ich glaube, daß das ein Anlaß sein sollte, zu überdenken, daß das Bundesheer nicht bei der erstbesten Gelegenheit und, wenn es ein Gesetz haargenau einhält, mit Verdacht auf "dubios" et cetera in Frage gestellt werden soll, sondern daß wir ihm zu jeder Zeit die notwendige Unterstützung geben sollten. – Das wäre meine Bitte an Sie. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

2.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich unterbreche nun die Sitzung bis Mittwoch, den 24. April 1996, 9 Uhr.


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17. Sitzung / Seite 224

Nach Wiederaufnahme der Verhandlungen wird mit dem Budgetkapitel Äußeres fortgesetzt werden.

(Die Sitzung wird um 2.48 Uhr unterbrochen und um 9 Uhr wiederaufgenommen. )

Fortsetzung der Sitzung: 9 Uhr

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und nehme die unterbrochene 17. Sitzung des Nationalrates wieder auf.

Am heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Rudolf Nürnberger, Edeltraud Gatterer, Dr. Walter Schwimmer, Robert Elmecker, Hans Helmut Moser, Dr. Irmtraut Karlsson, Dr. Günther Kräuter und Ing. Mathias Reichhold.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diesen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über Entschließungen des Bundespräsidenten betreffend Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt Mitteilung gemacht:

Bundesminister Dr. Scholten wird als Wissenschaftsminister von Minister Dr. Michalek und in seiner Funktion als Verkehrsminister durch Frau Bundesministerin Dr. Konrad vertreten,

Finanzminister Viktor Klima wird durch Herrn Bundesminister Hums vertreten,

der Herr Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend wird durch Bundesminister Dr. Caspar Einem vertreten.

Äußeres

Kapitel 20: Äußeres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir fahren in der Verhandlung des Budgets 1996 und 1997 fort. Zur Beratung steht das Kapitel Äußeres.

Die Redezeiten für heute wurden wie folgt festgelegt: SPÖ 165, ÖVP 154, Freiheitliche 143, Liberales Forum und Grüne je 99 Minuten.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider. Ich erteile ihm das Wort. – Redezeit: 40 Minuten.

9.02

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die österreichische Außenpolitik steht heute im Zentrum unserer Diskussionen, und es ist natürlich naheliegend, daß wir uns ein bißchen mit den Aspekten der Zukunft Österreichs im Rahmen der Europäischen Union auseinanderzusetzen haben, vor allem dann, wenn man in den heutigen Zeitungen wie etwa der Tageszeitung "Die Presse" liest, daß eine schlechte Stimmung in Österreich nach dem EU-Beitritt herrscht und daß es sehr viel Kritik an der Vorgangsweise der Regierung im Zusammenhang, ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner .)

Herr Kollege Leiner, Demokratie ist Argument und Gegenargument. Und wenn es kein Gegenargument mehr gibt, dann hört sich die Demokratie auf, und damit die Demokratie funktioniert, haben wir das Gegenargument plaziert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte nicht unbedingt in eine Kontroverse mit dir eintreten. Ich möchte nur sagen, daß dieser Bericht in der Tageszeitung "Die Presse" deshalb bedeutend ist, weil drin steht, daß die


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17. Sitzung / Seite 225

Europäische Union erstmals einen erheblichen Geldbetrag zur Unterstützung der Europawahl in Mitgliedsländern zur Verfügung stellen wird. Sie gibt für die Europawahlen in Finnland und in Österreich 1 Million Ecu zur Propaganda im jeweiligen Land her, wobei der größere Teil dieser Million nach Österreich fließt, weil angeblich die Stimmung hier so schlecht ist und man daher mit entsprechenden Geldmitteln die geistige Veränderung der Österreicher in Richtung positive EU-Stimmung herbeiführen muß. (Abg. Mag. Stadler: Stimmenkauf!)

Das ist eine sehr sonderbare Einstellung, die bei uns unter dem Titel "Stimmenkauf" firmiert und die mit einer wirklichen demokratischen Auseinandersetzung nichts zu tun hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn die EU und auch die Vertreter Österreichs, die in der EU sitzen, wirklich der Meinung sind, daß das der richtige Weg ist, uns sozusagen mit Propaganda zu überrollen – 80 Millionen Schilling gibt die Regierung aus, die EU gibt 1 Million Ecu aus, mit besonderer Widmung für Österreich, weil wir angeblich so widerspenstig sind und eine so große Skepsis in der österreichischen Bevölkerung herrscht –, dann ist das nicht jenes Bild, das man uns versprochen hat.

Ich darf doch darauf verweisen, daß selbst der Präsident der Europäischen Kommission Santer sehr selbstkritisch in einem Interview mit österreichischen Zeitungen, aber auch in einem Fernsehinterview vor wenigen Wochen gesagt hat: Die Europäer können mit der Maastricht-EU nichts anfangen. – Genau das ist der Punkt! Denn, meine Damen und Herren, wir können ein Europa, zu dem wir Freiheitlichen uns bekennen, das ein Europa des Friedens und der Sicherheit sein soll, nicht aufbauen, wenn es über die Köpfe der Bürger hinweg errichtet wird.

Es wird in der nächsten Zeit eine Menge von Entscheidungen geben, wo es notwendig sein wird, deutlich zu machen, daß die Bürger Europas selbstverständlich ein Mitgestaltungs- und Mitentscheidungsrecht haben müssen und daß es nicht angeht, daß die Bürokratie, die, mächtig angesiedelt, irgendwo in Brüssel hantiert, letztlich über die Leute drüberfahren kann.

Es muß ein Europa sein, das auch zeigt, daß mit Geld umgegangen werden kann. Herr Bunesminister! Ich glaube, es ist wirklich keine positive Vision für die Österreicher – man erklärt sich daraus schon einen gewissen Frust –, wenn man sieht, wie das Europaparlament zwischen Brüssel und Straßburg hin- und herübersiedelt. Weil man sich nicht einigen kann, wo der Sitz des Europaparlaments ist, baut man in Brüssel ein neues Parlament mit Aufwendungen in Milliardenhöhe, baut man in Straßburg ein neues Parlament mit Aufwendungen in Milliardenhöhe. Und die Europaparlamentarier siedeln wochenweise mit ihrer ganzen Bürokratie, mit Aktenschränken, mit Eisenkoffern hin und her. Ja, es wird sogar ein eigener Zug zwischen Brüssel und Straßburg eingerichtet, um die Administration des Europaparlamentes hin- und herzutransportieren. In einer Zeit, in der den Behinderten in Österreich ihr Taschengeld halbiert wird, weil angeblich kein Geld da ist, da spielt Österreich mit, daß ein solcher milliardenschwerer Unsinn tagtäglich innerhalb der europäischen Institutionen gemacht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Murauer: Ganz furchtbar ist das!)

Selbstverständlich, meine Herren, ist das fürchterlich, wenn es solch milliardenschwere Investitionen für zwei an sich nicht notwendige parlamentarische Gebäude gibt. Das ist genau die Überheblichkeit, mit der Sie über die Köpfe der Österreicher drüberfahren. Das ist der Frust, den die Menschen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich zitiere Ihnen einen konservativen Denker. Leopold Khor wird so gerne von der ÖVP zitiert. Leopold Khor hat gesagt: Die Sünde der modernen europäischen Politik besteht darin, daß sie sich dem Lawinengeist verpflichtet fühlt. – Lawinengeist heißt, daß man glaubt, große Fehler mit immer größeren organisatorischen Maßnahmen bewältigen zu müssen.

Heute gilt in der Wirtschaft die Dezentralisation – im politischen institutionellen Leben Europas jedoch gilt die Zentralisation, die große Lösung, die immer größere Lösung. Und daher ist es schon notwendig, daß wir uns darüber unterhalten, wie denn die zukünftige Perspektive dieses Europas ausschauen soll. Ich bin sicherlich mit vielen von Ihnen auch einer Meinung, daß wir ein dezentrales Europa haben wollen, daß wir ein föderalistisches Europa haben wollen, daß wir ein bürgernahes Europa haben wollen. Nur muß man etwas dafür tun. Man kann nicht nur sa


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gen: Ja, wir wollen das!, sondern man muß sich auch dafür einsetzen, daß diese europäischen Institutionen föderalisiert werden, daß es eine Subsidiarität gibt, die auch funktioniert. Aber es geht nicht an, daß wir weiterhin einen Moloch aufbauen, der in Brüssel entsteht, den wir nicht mehr dirigieren können.

Ein erster Schritt in diese Richtung, meine Damen und Herren, auch Sie von der ÖVP, wäre doch der, daß man sagt: Überlegen wir doch einmal, was aus dieser Europäischen Kommission werden soll. Wollen wir wirklich eine Europäische Kommission, die schön langsam zur europäischen Regierung heranwachsen soll? Sollte nicht eigentlich im Zuge der Regierungskonferenz auch darüber geredet werden, ob nicht die Kompetenzen der Kommission zurechtgestutzt und das wirkliche Regierungsorgan, der Europäische Rat aufgewertet werden sollte. Denn im Europäischen Rat sitzen die Minister, in diesem sind die demokratisch legitimierten Organe tätig. Sie sollen entscheiden – nicht das Hilfsorgan Kommission soll sich quasi als die nichtdemokratisch legitimierte europäische Zentralregierung aufspielen können, wogegen man überhaupt nichts tun kann, wo man keinen Einfluß nehmen kann. Vielmehr fährt sie über die Leute drüber und trifft ihre Entscheidungen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dasselbe gilt auch für die Frage: Europaparlament – nationale Parlamente. Ich hielte sehr viel davon, wenn wir uns stärker dem Gedanken widmen würden, daß in der zukünftigen politischen Entwicklung auch die nationalen Parlamente mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten haben, als dies vorgesehen ist. Wir können nicht ein Abbild der nationalen Parlamente auf gesamteuropäischer Ebene institutionalisieren. Das ist sicherlich falsch. Und daher wäre es auch richtig, in dieser Richtung vorzugehen.

Ich sage das deshalb, weil wir Österreicher durch den EU-Beitritt letztlich gesehen haben, daß es gut ist, wenn wir uns unsere Mitspracherechte sichern – auch die, die wir in Österreich haben. Denn es werden auch jene – Herr Dr. Mock wird mir auch dabei zustimmen –, die begeistert dafür gekämpft haben, daß wir möglichst rasch beitreten, zugeben müssen, daß die Warnungen von uns Freiheitlichen, man sollte die Hausaufgaben gründlich erledigen, bevor man diesen Schritt macht, zu Recht bestanden haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir sind dafür geprügelt worden, meine Damen und Herren, man hat gesagt, die Freiheitlichen sind gegen Europa, sie lehnen alles ab, sie sagen zu allem nein. Das, was wir gesagt haben, war: Es ist notwendig, diesen Beitritt so vorzubereiten, daß Österreich unter dem Strich mehr Vorteile als Nachteile hat. Schauen Sie sich die Bilanz des ersten Jahres an! Selbst Medien, die sehr für den EU-Beitritt geworben haben, äußern sich heute negativ. Etwa die "Salzburger Nachrichten", schreiben heute: EU-Beitritt brachte Lebensmittelindustrie Umsatzeinbruch und Arbeitsplatzverlust von Tausenden Arbeitsplätzen – von Tausenden, nicht von ein paar hundert, von Tausenden Arbeitsplätzen, meine Damen und Herren!

Es hat Minister gegeben, die gesagt haben: Wir werden Vorsorge treffen, es wird ein "Eurofit-Programm" geben. Die Lebensmittelindustrie wird sozusagen im "Fitneßstudio" der Republik Österreich für den Wettbewerb in Europa fit gemacht werden.

In Wirklichkeit laufen diese Programm bis heute nicht. Bis heute weigern sich einzelne Bundesländer, daran teilzunehmen oder eine Kofinanzierung zu geben. Das gefährdet Tausende Arbeitsplätze. Das hat dazu geführt, daß im vergangenen Jahr über 3 000 Arbeitsplätze allein in der Lebensmittelindustrie verlorengegangen sind. Und wenn in der Lebensmittelindustrie viele Arbeitsplätze verlorengehen, gibt es weniger Aufträge für die Zulieferindustrie, etwa für die Glasindustrie und vieles andere, das damit zusammenhängt. – Das haben wir gemeint mit nicht ordnungsgemäßer Vorbereitung, Lösung der Hausaufgaben.

Oder: die Frage Semperit: Jetzt gibt es einen Krisengipfel nach dem anderen, Petitionen an die Konzernleitung, in denen gesagt wird: Bitte, erhaltet den Standort Semperit! – Aber vor dem 12. Juni hat man so getan, als wäre das alles geklärt. Sie selbst, Herr Vizekanzler, haben sich hier vor das Parlament gestellt und gesagt: Ich war in Japan, ich war bei der EU, und ich habe geklärt, daß die Firma Semperit auch weiterhin im Autozuliefergeschäft mit Japan voll liefern kann. – Vor dem EU-Beitritt hat Semperit 2,6 Millionen Reifen nach Japan geliefert, jetzt sind es


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17. Sitzung / Seite 227

nur mehr 200 000. Jetzt ist der Standort dieses Betriebes in Gefahr – es sind immerhin 2 300 Arbeitsplätze, die da zur Diskussion stehen.

Das wären Hausaufgaben gewesen, die zu lösen sind. Nicht das Parlament anzuschwindeln und die Arbeitsplätze kaputtzumachen, sondern für die Sicherung der Arbeitsplätze zu kämpfen für die Zukunftsabsicherung zu kämpfen, und dann mit gutem Gewissen ein Ja für diese Europäische Union zu empfehlen – das wäre die Linie gewesen, um die es uns geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Vizekanzler selbst hat uns versprochen, der EU-Beitritt bringt uns bis zum Jahr 2000 70 000 neue Arbeitsplätze. Ich habe vorige Woche die Prognose des Wirtschaftsforschungsinstitutes gelesen, in der steht: Revision der Prognosen: Bis zum Jahr 2001 wird die Arbeitslosigkeit auf mehr als 8 Prozent steigen, und wir werden 70 000 neue Arbeitslose dazubekommen. – Es wird also nicht weniger, sondern mehr Arbeitslose, nicht mehr Arbeitsplätze, sondern weniger Arbeitsplätze geben, meine Damen und Herren.

Also ich meine, man sollte in Zukunft ein bißchen vorsichtiger mit diesem Gerede sein, wir versprechen euch soundso viele Arbeitsplätze. Was hat diese Regierung schon alles versprochen? 150 000 Arbeitsplätze, 200 000 neue Arbeitsplätze. – Es wird ohnehin immer weniger: Beim letzten Mal haben Sie 80 000 versprochen, jetzt sind Sie schon bei 30 000; wahrscheinlich werden Sie dann auch noch die Arbeitslosen zu versprechen beginnen, damit die ganzen Dinge funktionieren. – Ich glaube nicht, daß das der richtige Weg ist.

Meine Damen und Herren! Stellen Sie die Weichen richtig, und korrigieren Sie das, was beim EU-Beitritt versäumt worden ist, dann brauchen Sie sich keine Gedanken darüber zu machen, wie Sie Propaganda machen, um den EU-Beitritt zu rechtfertigen, sondern dann haben Sie die Österreicher überzeugt davon, daß das vernünftig war. Noch steht es auf des Messers Schneide, das kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Damit komme ich zu einem Thema, das uns sicherlich in der nächsten Zeit bewegen wird, nämlich die Frage der europäischen Währung. Da gibt es unterschiedliche Aussagen. Zuerst hat es geheißen, das wird eine Währungsunion sein, wo alle dabeisein werden. Jetzt hört man wieder, es wird eine Währungsunion sein, die in jedem Falle mit dem Kerneuropa beginnt; wir Österreicher sind auf alle Fälle dabei. – Ob wir das wirklich schaffen werden, bleibt dahingestellt. Wenn wir es schaffen, dann wird es möglicherweise um den Preis einer etwas weicheren Währung als die D-Mark und der Schilling sein, denn wenn Sie Ihre Budgetprognosen selbst ernst nehmen, dann müssen wir nicht nur 3 Prozent Netto-Neuverschuldung als maximale Grenze einhalten, sondern wir müssen auch 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes maximal als Grenze für die Staatsschulden akzeptieren. – Wir liegen aber derzeit weit darüber. Wir müßten im Budget 1997 einen Überschuß von 89 Milliarden Schilling erwirtschaften, damit wir die 60-Prozent-Grenze, die Maastricht vorsieht, erreichen würden. – Wie das funktionieren soll, bleibt dahingestellt.

Wie auch immer: Wenn es jetzt ein Kerneuropa gibt, das diese Währungsunion bilden soll, dann haben wir genau das, was die österreichische Bundesregierung nicht haben wollte, nämlich ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, dann gibt es den harten Kern und rundherum die Fußmaroden, die dann nachhinken und irgendwann einmal mitmachen werden.

Welche Konsequenzen das aber für Österreich hat, möchte ich auch nicht verschweigen, denn eine Währungsunion, an der nur das Kerneuropa teilnimmt, heißt, daß wir auch unsere Chancen im Außenhandel und in der heute so hart umkämpften Exportwirtschaft natürlich gravierend verschlechtern, etwa mit unserem Handelspartner Italien. Erklären Sie mir, wo der Vorteil für uns liegt, wenn die Italiener – also ein wichtiger Handelspartner – nicht bei der Währungsunion sind und im Rahmen eines angeschlossenen EWS II die Möglichkeit haben, ihre Währung floaten zu lassen, abzuwerten, aufzuwerten – je nach Fasson – und damit ihre Marktpositionen zu bestimmen. Das ist doch genau die nachteilige Politik, die man verhindern sollte.

Daher sagen wir Freiheitlichen ganz klar: Für uns ist die Währungsunion von verschiedenen Bedingungen abhängig: Es müssen alle dabeisein, denn erst dann ergibt das Ganze einen Sinn,


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und es muß weiterhin eine harte Währung sein, damit die Österreicher die Gewißheit haben, daß sie nicht zum Zeitpunkt der Währungsumstellung, dann, wenn sie etwa ein Sparguthaben haben, auf einmal 20 Prozent weniger Vermögen besitzen, weil man einen kleinen Abstrich gemacht und eine weichere Währung erzeugt hat. Das darf also nicht passieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bevor all diese Dinge kommen, wird es notwendig sein, meine Damen und Herren, daß uns diese Regierung erklärt, welche Rolle die Entwicklung der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit in Europa bei der Bewertung der Kriterien für die Europäische Währungsunion spielt. Sie selbst als Sozialdemokraten haben große Versprechungen gemacht, Sie werden sich dafür einsetzen, daß das Kriterium der Beschäftigung mit ein Faktor bei der Bildung der Europäischen Währungsunion ist. – Gut, das haben Sie also versprochen. – Dann fährt Herr Klima nach Brüssel, kommt zurück und sagt: Ohne Wenn und Aber sind wir dabei, die Arbeitslosigkeit spielt bei der Bewertung der Kriterien für die Währungsunion keine Rolle.

Der Herr Vranitzky sagte am 27. März im "Standard": Die Formulierung im Vertrag von Maastricht erfordere jedoch keine exakte Einhaltung der Limits zu öffentlichen Schulden und Staatsdefizit, sondern lasse durchaus eine vorübergehende Überschreitung zu. – Na genau das ist es! "Vorübergehende Überschreitung" heißt, man macht die Tore auf für eine weiche Währung, und eine weiche Währung heißt, daß die Österreicher mit einer Abwertung ihrer Vermögenswerte konfrontiert sind. – Und da werden Sie auf unseren erbitterten Widerstand stoßen, das kann ich Ihnen garantieren (Beifall bei den Freiheitlichen), denn die österreichische Bevölkerung hat schon oft genug unter Währungsabwertungen, unter Währungsverlusten, unter Vermögensverfall gelitten. Ja wollen Sie den Österreichern das wieder zumuten?

Wie schaut das Konzept der Währungsunion wirklich aus? – So faszinierend die Grundidee klingt, aber die technische Vorbereitung stimmt im Moment überhaupt nicht, sonst würden sich nicht Leute wie Bundesbankdirektor Issing in einem Vortrag in Wien so kritisch damit auseinandersetzen. Auch Herr Kollege Van der Bellen war bei diesem Vortrag und hat wörtlich gesagt: Der Maastricht-Vertrag ist sowieso ein Holler. Issing, einer der führenden Leute der Deutschen Bundesbank, sagt selbst: Viel zu optimistisch waren und sind die Annahmen über die Einsparungen an Transaktionskosten bei der Einführung der Währungsunion. Issing sagte weiters in seinem Vortrag: Viel zu optimistisch sind aber auch die Erwartungshaltungen, was die vermeidbaren Kosten der Umstellung betrifft. Das kostet uns viel mehr, als die Vorteile ausmachen werden. – Und darüber wird man nachdenken müssen, ob man, nur um die politische Einigung Europas zu beschleunigen, dieser Europäischen Gemeinschaft einen ökonomischen Zwang antut.

Normalerweise ist die gemeinsame Währung der Schlußpunkt eines Integrationsprozesses. Und so lange die Volkswirtschaften nicht harmonisiert sind, kann es natürlich auch zu keiner wirklich funktionierenden gemeinsamen Währung kommen.

Ich warne vor einem, nämlich daß damit ein politischer Gewaltakt zusammenhängen könnte. Meine Damen und Herren! Wenn wir uns entschließen, eine gemeinsame Währung für Europa auch durch Aufgabe des österreichischen Schillings zu akzeptieren, dann begeben wir uns in Zukunft der Möglichkeiten einer eigenen österreichischen Wirtschafts- und Finanzpolitik. Das muß uns klar sein.

Und wenn wir keine Wirtschafts- und Finanzpolitik mehr machen können, dann werden wir auch nicht mehr in der Lage sein, hier in Österreich selbständig den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit durch autonome Maßnahmen des Staates, der öffentlichen Aufträge, der Gestaltung unserer Währung und so weiter zu verfügen. Dann haben wir nur mehr die Möglichkeit, dort, wo wir Wettbewerbsnachteile haben, Lohnkürzungen zu verordnen oder Arbeitslosigkeit zu akzeptieren. Das ist in Wirklichkeit der Sündenfall, den die Sozialdemokratie heute begeht, indem sie das erkennt, aber gleichzeitig sagt: Im Sinne der Musterschülerrolle, die Österreich in der EU spielen wird, sagen wir trotzdem wieder, ohne Wenn und Aber hinein in die Währungsunion, auch wenn das bedeutet, daß dann, wenn wir keine wirtschaftspolitischen Möglichkeiten mehr haben, die einzige Gestaltungsmöglichkeit Lohnverzicht oder Arbeitslosigkeit ist,


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die wir zu akzeptieren hätten. – Das ist nicht der Weg, den wir mit Ihnen gehen wollen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher erwarte ich schon, daß uns heute auch die Vertreter der Regierung einmal klipp und klar sagen, was ist denn das für ein Konzept, das die österreichische Regierung verfolgt? Sind Sie für ein Kerneuropa, sind Sie für ein Europa der zwei Geschwindigkeiten? Sind Sie für eine harte oder eine weiche Währung? Wie werden die Umstellungen laufen? Mich wundert es ja, daß man von einer europäischen Einheitswährung spricht, und die eigene Oesterreichische Nationalbank baut soeben eine neue Druckerei mit einem Aufwand von 3 Milliarden Schilling am Gelände des ehemaligen AKH-Narrenturms. 3 Milliarden Schilling an Investitionen für eine neue Notenbankdruckerei! (Abg. Dr. Haselsteiner: Für den Druck des Euro!)

Wenn man den Schilling abschaffen will, wozu brauchen wir dann eine neue Notenbankdruckerei? Oder haben wir die Möglichkeiten, daß wir dann in den österreichischen Institutionen den Euro drucken dürfen? Dann sollten wir uns aber vorher kümmern, daß dieser Euro mindestens so hart ist wie der österreichische Schilling, damit wir auch den österreichischen Sparern damit eine gewisse Garantie und Sicherheit geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher sagen wir: Keine Experimente in diesen Fragen. Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich Ihrer Sache sicher sind, dann seien Sie bitte so demokratisch, wie es Santer haben will, und fahren Sie nicht drüber über die Bürger. Geben Sie die Möglichkeit, wenn es eine Währungsunion geben wird, vorher die Österreicher zu befragen. Geben Sie die Möglichkeit, daß die Österreicher abstimmen darüber, ob sie diese europäische Währungsunion haben, ob sie den Schilling aufgeben wollen. Das wäre eine sehr demokratische Vorgangsweise. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ein weiterer Punkt, der von Interesse ist, nämlich die Frage der Osterweiterung, steht zur Diskussion. Ich teile auch Ihre immer wieder geäußerte Meinung, daß die Osterweiterung eine sicherheits- und friedenspolitische Bedeutung hat. Wir Freiheitlichen haben daher gesagt, das kann nicht über die Ökonomie, sondern das kann nur über die Erweiterung des Sicherheitsbündnisses, primär im Rahmen der NATO erfolgen. Daher haben wir auch diese Weichenstellungen bereits vor Jahren eingemahnt.

Daß Sie jetzt langsam auch auf diesen Kurs gehen, freut uns, aber ändert nichts an der Tatsache, daß die Frage der Osterweiterung noch offen ist, und zwar nach welcher Strategie. Sie selbst forcieren die Osterweiterung. Ihr Kollege Ditz sagte vor wenigen Tagen in einem Zeitungsinterview, er könne sich eine Osterweiterung der EU nicht vorstellen, weil sie zu den derzeitigen Bedingungen nicht finanzierbar ist. Und er hat natürlich recht. Wenn die Osterweiterung unter den gegenwärtigen Bedingungen der EU gemacht wird, kostet das so viel Geld, daß der Nettozahler Österreich zusätzlich Zahlungen an die EU entrichten muß, damit wir die wirtschaftlich schwächeren Nachbarländer in Osteuropa mitaufnehmen und das alles finanzieren können.

Also was gilt jetzt: Gilt das, was der Wirtschaftsminister sagt, oder gilt das, was Sie sagen? Wie schaut jetzt Ihre Osterweiterung aus? Haben Sie in Ihre Überlegungen auch miteingeschlossen, daß eine Osterweiterung letztlich auch bedeutet, daß beispielsweise das heute hochgefeierte Ziel-1-Gebiet Burgenland dann nicht mehr existiert? Damit verlagern sich natürlich die Ziel-1-Gebiete in die wirtschaftlich schwächsten Gebiete, die zur Europäischen Union gehören. Dann wird nicht mehr das Burgenland, sondern ein Teil Ungarns oder Ungarn insgesamt oder Tschechien als solches gelten. (Abg. Mag. Steindl: Das ist doch bis 1999 befristet!)

Ja, klar; aber wir müssen ja auch ein Interesse daran haben, daß nicht in den nächsten Jahren eine Erweiterungsstrategie verfolgt wird, die letztlich den Burgenländern erheblichen Nachteil bringt, Herr Kollege! Um nichts anderes geht es! Gerade Sie als burgenländischer Abgeordneter müssen ja ein Interesse daran haben, daß das diskutiert wird, daß man Aufklärung von der Regierung über Dinge bekommt, die das Land betreffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist doch schon genug Schaden durch mangelnde beziehungsweise fehlende Erledigung von Hausaufgaben angerichtet worden. Daher mahnen wir das ein. (Abg. Mag. Steindl: Das geht ja nicht verloren!)


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17. Sitzung / Seite 230

Ich weiß schon, daß Sie jetzt kurz vor einer burgenländischen Landtagswahl sagen: Ist eh alles gesichert. – Das haben wir schon oft gehört. Da hat es geheißen, Österreich wird Milliarden für die Forschung bekommen. Wir zahlen 1 Milliarde Schilling und kriegen 400 Millionen zurück! Da hat es weiters geheißen, Österreich wird Milliarden für die Bauern bekommen. Was aber machen Sie? (Neuerliche Zwischenrufe des Abg. Mag. Steindl. )

Hören Sie mir zu! Österreich wird Milliarden für die Bauern bekommen, hieß es. Die EU gibt das Bauerngeld schon, aber Österreich hat kein Geld mehr, daher sagt man den Bauern – gegen die Richtlinien der EU –, ihr könnt jetzt nicht mehr in das Ökoprogramm einsteigen.

Österreich selbst ist schlecht vorbereitet. Daher muß man mit einem österreichischen Minister diese Dinge diskutieren, damit wir nicht Politik unter falschen Vorzeichen machen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Steindl: Sie sagen lauter Halbwahrheiten!)

Es würde uns natürlich sehr interessieren, Herr Bundesminister, Herr Vizekanzler, wie diese Erweiterungsstrategie der österreichischen Bundesregierung im Hinblick auf die EU jetzt tatsächlich zu sehen ist? Wohin geht die Reise bei der Osterweiterung? Ist es eine ökonomische, ist es eine sicherheitspolitische? Wie finanzieren wir das? Welche Auswirkungen hat das auf den Nettozahler Österreich? (Zwischenruf des Abg. Mag. Steindl. )

Herr Kollege Steindl! Ich glaube nicht, daß ich so etwas Fürchterliches gesagt habe, sodaß Sie sich so erregen müßten. Aber ich gestehe Ihnen gerne zu, daß Sie in großer Sorge um das Burgenland sind. Wir aber sind es auch, denn letztlich sollte dort ja eine wirtschaftliche Entwicklung vorangetrieben werden und nicht mit politischen Schlagworten der ÖVP ein paar Wähler gewonnen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Steindl: Wir bauen Lyocell!)

Das Projekt Lyocell ist ja eines, das geradezu sprichwörtlich ist und das auch für die Strategie innerhalb der EU deutlich zeigt, wo es langgeht. Da verlagert man eine Produktion von Oberösterreich ins Burgenland, das mit einem Förderungsaufwand von 1,2 Milliarden Schilling. Der Förderungsaufwand der EU ist aber nicht so groß, daß das wirklich finanziert werden kann. Das arme Burgenland muß daher im Nicht-EU-Land Schweiz einen Kredit aufnehmen, damit es die Kofinanzierung für die Lyocell Betriebsumsiedlung machen kann. (Abg. Mag. Steindl: Aber doch nicht für Lyocell!) Das ist die Wahrheit. Aber da schütteln Sie den Kopf!

Die Wahrheit ist, daß der Herr Landeshauptmann von Burgenland in der Schweiz Kredite hat aufnehmen müssen. Die angeblich wirtschaftlich so schlechte Schweiz muß uns Kredit geben, damit wir die EU-Programme finanzieren können. (Abg. Mag. Steindl: Herr Abgeordneter Haider! Das sind ja Hunderte Projekte!) Meine Damen und Herren! Da lachen ja wirklich die Hühner, über diese Art und Weise, wie hier Politik gemacht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und das mit dem Ergebnis, daß Sie für ein paar Jahre einen Arbeitsplatz mit 10 Millionen Schilling subventionieren. Da müssen Sie mir erst erklären, wohin denn die Politik der EU geht, wenn man einige Betriebsgrößen mit 10 Millionen Schilling pro Arbeitsplatz subventioniert, der breite Mittelstand hingegen, der in Österreich in Wirklichkeit das Rückgrat unserer Wirtschaft bildet, leer ausgeht und keine Perspektiven hat. Das ist doch die Tatsache!

Sie werden auch wissen, daß es momentan in der EU eine heftige Diskussion unter den Vertretern der klein- und mittleren Unternehmungen gibt, die sagen: Wie kommen wir dazu, daß jetzt die multinationalen Konzerne, nur weil sie viel Geld haben, in Brüssel eigene Büros und Firmen errichten, die als eigene Förderungsorganisatoren tätig sind? Diese tarnen sich als klein- und mittelständische Unternehmen, reichen Projekte ein, kassieren die Förderungen, gehören aber multinationalen Konzernen an und bedienen sich aus den Förderungstöpfen der klein- und mittelständischen Wirtschaft. – Auch das ist ein Thema, das es zu diskutieren gilt!

Ein Europa der Vielfalt heißt auch, daß es ein Europa der mittelständischen Wirtschaft sein muß – und nicht der Großkonzerne, nicht der multinationalen Konzerne. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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17. Sitzung / Seite 231

Meine Damen und Herren! Die multinationalen Konzerne und Großkonzerne sind jene, die heimatlos sind: Die sind heute da und produzieren morgen dort. Da gilt der Mensch als Produktionsfaktor. Da gibt es keine Bindung mehr an die Heimat. Das ist auch etwas, was man mitberücksichtigen sollte. Die österreichischen Betriebe, der gewerbliche Mittelstand sind heimatgebunden, die bleiben hier. Sie sind auch bereit, Arbeitsplätze zusätzlich zu schaffen, wenn wir die Rahmenbedingungen verbessern. – Davon ist aber derzeit nicht die Rede. Und das ist das, was auch die Menschen letztlich immer wieder in Sorge und Unruhe versetzt.

Herr Bundesminister! Im Zuge dieser EU-Erweiterungspläne gibt es auch Gespräche mit Slowenien. Ich habe schon einmal eingemahnt, daß man den Slowenen klarmachen soll: Wenn sie in eine Gemeinschaft wie die Europäische Gemeinschaft kommen wollen, die sozusagen auch durch bestimmte Wertvorstellungen miteinander verbunden ist – Wertvorstellungen der Demokratie, Wertvorstellungen der Menschenrechte, Wertvorstellungen der Marktwirtschaft und des privaten Eigentums –, dann wäre es wohl notwendig, daß auch die slowenische Regierung vor einem EU-Beitritt, der von Österreich unterstützt wird, bereit ist, die diskriminierenden Gesetze von Jajce aufzuheben, durch die – und heute noch immer – die Altösterreicher in Slowenien diskriminiert und quasi zu vogelfreien Menschen erklärt wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie haben mir einmal in einer Anfragebeantwortung gesagt, man werde darüber Einzelgespräche führen; das könne man nicht im Rahmen der EU machen. – Für diese Haltung gibt es bei mir kein Verständnis. Wenn wir in dieser Gemeinschaft sind, wenn dort jemand ansucht, dann soll er sich auch an die Spielregeln der Demokratie und der Menschenrechte halten. Dann kann es doch bitte nicht so sein, daß die Partisanengesetze Titos aus dem Jahr 1943, die jeden Österreicher, der dort beheimatet war, für vogelfrei erklärt haben, 1996 noch immer in Kraft sind, während Kroatien und andere Staaten diese Gesetze sofort aufgehoben haben, um sich in die demokratischen Gemeinschaften einzugliedern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist unser Appell an Sie! Es kann nicht so sein, daß der Bundeskanzler zur slowenischen Regierung fährt und dem Ministerpräsidenten versichert, daß Österreich unterstützend tätig sein wird, während auf der anderen Seite die Italiener sehr wohl wissen, daß sie – auch unter Ausnutzung ihrer EU-Funktionen – ihre offenen Probleme mit Slowenien regeln werden. Frau Agnelli hat ganz klar gemacht, daß es so lange keine wirklichen Integrationsschritte Sloweniens in Richtung EU geben kann, bevor das historische Problem zwischen Italien und Slowenien nicht geklärt ist. – Und ich meine, das ist auch richtig.

Auch Sie haben diesbezüglich eine Verantwortung, denn es leben im Raum Marburg, in der ehemaligen Untersteiermark, heute noch etliche tausend Altösterreicher mit ihren Familien, die sich auch dazu bekennen. Meine Damen und Herren! Wir haben auch eine moralische Verantwortung für diese Altösterreicher, und es wäre daher nur recht und billig, wenn jene, die ständig von den Menschenrechten und der Demokratie reden, auch bei den Verhandlungen mit Slowenien einmal den Mut aufbrächten, unverblümt zu sagen: Wir erwarten, daß dann, wenn Österreich zu einem Beitritt Sloweniens ja sagen soll, vorerst diese diskriminierenden, diesen fürchterlichen Gesetze aufgehoben werden, damit es eine geordnete, offene Gesprächsbasis zu einem möglichen neuen EU-Mitgliedsland geben kann. Das ist die Erwartungshaltung, die wir haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube also, daß wir uns in einem Prozeß befinden, bei dem nicht alle sofort alle Konzepte auf den Tisch legen und sagen können, wir wissen, wie es hundertprozentig gehen wird. Und ich habe daher hier einige Fragen gestellt, weil wir Freiheitlichen da auch in diesem Denk- und Diskussionsprozeß sind, bei dem wir nicht den Fehler machen wollen, zu sagen: Wir wissen hundertprozentig wie es geht, daher darf es keine Abweichungen von unseren Vorstellungen geben. Das tun wir nicht, aber wir haben Zielvorgaben, und diese Zielvorgaben heißen: Ein Europa, zu dem die österreichische Bevölkerung in einem beachtlichen Ausmaß ja gesagt hat, ist nun ein Europa, das wir zu gestalten haben, auch wenn wir Freiheitlichen bei der Abstimmung einen anderen Standpunkt eingenommen haben. Aber es ist selbstverständlich, daß wir das Ergebnis respektieren und daß wir nun unseren Beitrag leisten, um das Beste daraus zu machen, was die Österreicher entschieden haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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17. Sitzung / Seite 232

Es ist selbstverständlich, daß die Philosophie, die dahintersteht, nur jene sein kann, daß wir ein Europa der Vaterländer haben wollen, daß wir ein Europa haben wollen, in dem die Nationalstaaten, so auch Österreich, nicht untergehen, sondern eine wichtige Rolle spielen. Das heißt, die Frage der Subsidiarität, die Frage der Dezentralisierung, die Frage des Föderalismus wird eine sehr wesentliche sein. Aber insbesondere wird die Frage der Mitbestimmung der Völker Europas in diesen Zukunftsfragen eine wesentliche sein.

Daher auch der Appell in Sachen Währungsunion, mit der Bevölkerung die Entscheidung herbeizuführen – und nicht gegen die Bevölkerung. Man kann sagen, das ist alles mit der Abstimmung am 12. Juni 1994 erledigt worden. Das glauben Sie aber selbst nicht. (Abg. Mag. Stadler: Das waren die gegenteiligen Versprechungen!) Diese Dimension, was da alles mit hinein verpackt worden ist, kann man dem Bürger wirklich nicht unterstellen. Aber es wäre notwendig, wie das auch Frankreich, wie das auch Dänemark getan hat, bei so wichtigen Schritten, wie es die Aufgabe des Schillings ist, selbstverständlich eine klare Entscheidung der österreichischen Bevölkerung herbeizuführen. Dann gibt es eine breite, offene Diskussion, dann gibt es die Verpflichtung der Regierung, ein schlüssiges Konzept auf den Tisch zu legen, und dann gibt es die Sicherheit für die Bevölkerung, sagen zu können: Jawohl, wir haben uns aus freien Stücken entschieden, diesen oder jenen Weg zu gehen.

Ich glaube jedoch, es wäre falsch, jetzt zu sagen, das habt ihr alles am 12. Juni schon entschieden, damit habt ihr euer Recht verloren, ihr habt nicht mehr mitzureden, und in Zukunft entscheiden nur noch einige Minister in Österreich und einige Bürokraten in Brüssel, was mit eurem Schilling, euren Sparguthaben, eurer Währung geschehen wird. – Das ist nicht das Europa, das wir haben wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher unser Appell, meine Damen und Herren: Helfen Sie mit, daß dieser Diskussionsprozeß ein solcher sein wird, in dem Offenheit, Bürgernähe, so wie es Santer jetzt selbst propagiert, stärker zum Grundprinzip der europäischen Einigung gemacht wird. Dann ist das auch ein Weg, den wir unterstützen können. – Alles andere wird mit unserem massiven Widerstand ausgestattet sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mock. Er hat das Wort.

9.37

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn wir das wichtige Thema der österreichischen Politik im Bereich Europas im Dialog abhandeln wollen, wie das immer verlangt wird, dann, glaube ich, sollten wir das in differenzierter Weise machen.

Kollege Haider, um auf einige Ihrer Argumente einzugehen: Sie haben gesagt, die Bürokratie in Brüssel wachse ständig; wir müssen dezentralisieren, denn das ist unzumutbar für den Bürger. – Fünf Minuten später sagten Sie: Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik muß in Brüssel ausgemacht werden. Schauen wir uns an, was wir tun. (Abg. Dr. Haider: Das habe ich wirklich nicht gesagt! – Abg. Mag. Stadler: Das stimmt nicht! In Österreich soll das geschehen!) Wenn es so gesagt wurde, wird man das im Protokoll nachlesen können. Das liegt auf der gleichen Linie was Sie draußen oft gesagt haben (Abg. Dr. Haider: Da haben Sie mich mißverstanden!), das wurde von Gegnern forciert: Endlich muß die EU im ehemaligen Jugoslawien Ordnung machen! Sie ist schwach, sie macht keine Ordnung. Gleichzeitig hat man gewarnt, daß die EU irgendeine zusätzliche politische Kompetenz bekommt. Die EU konnte nicht einmal einen Polizisten hinunterschicken, wie kann sie Ordnung machen? Man kann nicht auf der einen Seite die Schwäche einer Organisation, einer politischen Architektur kritisieren, die langsam aufbaut, langsam wächst, weil sie demokratisch wächst, und gleichzeitig von ihr verlangen, daß sie überall dort Ordnung macht, wo die anderen versagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Warum ist es so, daß die Öffentlichkeit so skeptisch gegenüber politischen Aussagen im allgemeinen ist? Die Neigung im Regierungsbereich ist oft so, alles zu loben, was man macht und die Schwächen nicht zu sehen. In der Opposition ist es üblich, alles niederzumachen, was die Regierung macht. Das ist ein Stil, der demokratiepolitisch abzulehnen ist.


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Sie handhaben das in Ihrer dialektischen Weise mit der Frage der Europäischen Integration. Sie haben wieder die Bauern erwähnt. Ich habe mir das mitgenommen: Wir haben seit der Mitgliedschaft in der Europäischen Union zum erstenmal auf dem italienischen Markt 500 000 Tonnen Getreide, 200 000 Tonnen Milch, 10 000 Tonnen Schweinefleisch und 1 500 Tonnen Butter verkauft. Für vier dieser fünf Produkte war der italienische Markt geschlossen. Nun wäre es falsch, nicht dazuzusagen, das wir gleichzeitig woanders auch Marktanteile verloren haben – in Deutschland zum Beispiel –, aber unter dem Strich kommt etwas Gutes heraus. (Abg. Dr. Haider: 4 000 Arbeitsplätze sind in der Lebensmittelindustrie verlorengegangen!)

Ich bin überzeugt davon, daß die Bilanz auch der Europäischen Union – man muß eben den Mut haben, zu sagen, was haben wir gewonnen, was haben wir durch Reibungsverluste verloren – eine gute sein wird, und zwar deswegen, weil es uns gelingt, die Integration politisch zu gestalten, sodaß niemals mehr ein nationaler Krieg stattfindet. (Beifall bei der ÖVP.)

Nennen Sie mir einen einzigen Wirtschaftsraum in Form einer Freihandelszone, einer Zollunion oder ähnlicher Konstruktionen, wo nach zehn Jahren die wirtschaftlichen Leistungen, die Beschäftigung, Einkommen schlechter waren als vorher. Noch immer ist im Auf und Ab – darunter liegt auch die EU – über längere Zeit hinweg die Leistungsfähigkeit eines großen Marktes größer als die eines kleinen Marktes, der sich abschottet. (Abg. Dr. Haider: Der COMECON ist eingegangen! – Abg. Schieder: Wenn sich der Ostblock auflöst, löst sich auch der COMECON auf!) COMECON ist keine Freihandelszone gewesen. Ich bitte Sie! Das war keine Freihandelszone, keine Zollunion.

Kollege Haider! COMECON war ein reglementierter Markt. Die konnten doch nicht frei von Polen in die Sowjetunion exportieren. (Abg. Dr. Khol: COMECON hat sich aus politischen, nicht aus wirtschaftlichen Gründen aufgelöst! – Abg. Schieder: Aus innerwirtschaftlichen Gründen dieser Länder!)

Also bitte: COMECON, das Beispiel für eine zentrale Verwaltungswirtschaft in einzelnen Ländern, mit der EU oder mit dem gemeinsamem Markt zu vergleichen, ist eine unseriöse Art. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin nicht dazu da, um Ihnen etwas zu erlauben oder nicht zu erlauben. Die Opposition soll auf die schlechten Punkte verweisen. Sie soll Druck ausüben, aber nicht in der Form, daß man alles immer wieder in Frage stellt. Sie sagen, wir brauchen ein Europa der Bürger. Die Bürger haben mit 66 Prozent Mehrheit – zwei Drittel – entschieden für das, was ihnen vorgelegt wurde. (Abg. Dr. Haider: Habe ich das heute anerkannt oder nicht?) Ja! Aber dann müssen Sie auch anerkennen, daß sie die Währungsunion beschlossen haben. (Abg. Mag. Stadler: Sie haben gesagt, der Schilling bleibt!) Die Währungsunion ist Teil des Maastricht-Vertrages. (Weitere Zwischenrufe der Abg. Dr. Haider und Mag. Stadler. )

Ich sage Ihnen zur Währungsunion folgendes: Die Währungsunion ist derzeit das einzige Projekt von einer großen Dimension, das eine Chance hat, verwirklicht zu werden. Wenn die Währungsunion nicht durchgeführt wird, würde das ein Rückschlag werden, der nicht nur eine der vielen Krisen ist, die letztlich zum Erfolg geführt hat, sondern er würde viel mehr in Frage stellen.

Ich sage Ihnen: Ich werde alles tun – und da unterstütze ich am konkretesten die gesamte Bundesregierung –, so wie vor dem 12. Juni, daß die Währungsunion Realität wird. Wer einen starken Schilling will, muß in die Währungsunion. Sie sagen, Sie wollen einen starken Schilling, wo Österreich mit den schwachen Währungen draußenbleibt. – Das ist doch nicht seriös! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie sagen, es gibt gewisse Bedingungen. Meine Damen und Herren! Man hat Bedingungen aufgestellt, die schwer zu erfüllen sind, weil man die starken Währungen halten will. Das liegt ja eindeutig vor. Nur eine bestimmte Staatsverschuldung ist erlaubt, nur eine bestimmte minimale Inflationsrate, nur ein bestimmtes Schwanken der Währungskurse. Es gibt dafür fünf harte Bedingungen. Es geht nur über ein flexibles Europa, über ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Das ist nichts Neues, Herr Kollege Haider. Da sind Sie 30 Jahre zurück. Wir haben


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seit 30 Jahren ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Es gibt zwischen Luxemburg und Belgien eine Währungsunion, es gibt zwischen Luxemburg, den Niederlanden und Belgien eine Wirtschaftsunion. Da gab es die Wirtschaftsunion für den Rest der Europäischen Union noch lange nicht. Es gibt jetzt gewisse soziale Wirkungen, nicht für den Bereich Dänemark und England.

Ich bin dafür, nach Möglichkeit im Zug alle mitzunehmen. Aber wer nicht will – das ist demokratisch –, der soll zurückbleiben; er wird sich schon bemühen, nachzukommen. Österreich orientiert sich nicht an dem leichten, an dem billigen Standard. Das würde dazu führen, daß alle drinnen sein müssen. Wir orientieren uns an dem hohen Standard. Das ist auch bei der Währung der Fall. Deswegen bin ich davon überzeugt, daß trotz der Schwierigkeiten – es wird Spekulationen am 1. Jänner 1999 geben, vor allem gegen die schwachen Währungen – diese Währungsunion realisiert werden wird, weil wir dadurch endlich auch viel stärker wettbewerbsfähig werden gegenüber Wirtschaftsräumen wie Kanada, den Vereinigten Staaten, Ostasien, dem Pazifikraum. Und weil – das sage ich dazu – wir auch gezwungen werden, daß wir – wir sind ja in der schwächere Konstruktion – wirtschaftspolitisch mehr zusammenarbeiten.

Mancher hat kritisiert: Wie kann eine Währungsunion ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik funktionieren? Ich bin überzeugt davon: Wenn wir die Währungsunion realisieren, sind wir der Unumkehrbarkeit der Europäischen Integration in Form einer politischen Union einen Schritt näher. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist das auch ein politisches Projekt. Ich möchte sehr deutlich sagen: Man muß in gewissen Zeiten die Dinge beim Namen nennen. Wer für einen starken Schilling ist, wird notgedrungen für die Währungsunion mit diesen Bedingungen eintreten müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Haider! Wer Gefahr läuft, hier nicht mitzugehen, der muß auch riskieren, daß der Schilling draußen bleibt bei den schwachen Währungen, spekulativ gehandhabt wird. (Abg. Mag. Stadler: Der Schweizer Franken! Ist der auch schwach?) Genau! Gerade gestern oder vorgestern hat die Schweiz erklärt, sie wird in der Währungsbank mittun müssen, denn der Franken ist zu schwach. (Abg. Mag. Stadler: Das stimmt sicher nicht!)

Ich schicke Ihnen morgen diese Erklärung der Schweizer Bundesregierung. Der Schweizer Franken ist zu schwach, um gegen eine gemeinsame Währungsunion und neben einer gemeinsamen Währung Europas zu bestehen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich will nicht so agieren wie Sie. Sie haben gesagt, wir haben nicht überall Recht. Wir werden fehlen, konnte man hören. Sie haben sich ja jetzt schon wieder den Teppich gelegt, dann zu sagen: Wir Freiheitlichen waren nicht so überheblich, daß wir überall Recht behalten wollten.

Ich möchte Ihnen sehr deutlich sagen: Die Schweiz hat in den letzten Tagen bekanntgegeben, daß der Franken nicht frei fluktuierend im Raum stehen kann, wenn es eine gemeinsame europäische Währung gibt. Das sagt die Schweiz mit dem Franken, der noch um einiges stärker ist als unser Schilling. Hier ist die Latte hoch gelegt. Hier gibt es nur einen Weg: Den Weg zielstrebig zu gehen – oder eine große Niederlage zu erleben.

Ich habe sehr deutlich gesagt: Wichtig ist auch, das politische Endziel zu sehen. Natürlich kostet der große Markt Reibungsverluste, er bringt mehr Wettbewerbsumstellungsvermögen. Ich kann verstehen, das mancher Bauer verärgert ist. Er hatte bis jetzt sehr wenig mit Bürokratie zu tun. Jetzt kommt von Brüssel ein ganzer Haufen von Dokumenten herein, die er ausfüllen muß. Das ärgert sie. Damit war ein Bauer bis jetzt nicht beschäftigt. Aber es ist klar gewesen, daß die Milliarden, die in dunklen Kanälen verschwunden sind, nachweisbar jenen zugeführt werden müssen, die Anrecht darauf haben – und nicht jenen, die es sich "draußen" richten.

Das heißt, man muß ein Minimum an Ordnung in diesem Markt aufbauen. Gleichzeitig muß man daher dezentralisieren, wo immer es geht. Das haben wir immer gesagt: dezentralisieren in Österreich und dezentralisieren in Europa. Da tun wir uns ja leichter, wenn wir eine bundesstaatliche Reform haben.


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Man muß den Menschen aber auch sagen: Die Umstellung kostet etwas, nämlich Anstrengung. Die Österreicher werden es aber genauso leisten und Erfolg haben, wie das bisher der Fall gewesen ist. Es gibt immer wieder welche, die sagen: Wir können das nicht, wir schaffen das nicht; sie sehen alles negativ. Der Geist, der alles verneint!, der wohnt teilweise zu stark in uns. – Wir haben aber auch starke Seiten. Lassen wir das nirgendwo in Europa aufkommen. Hier geht es um mehr, als daß irgendeiner Wahlen gewinnt. Es geht um die existenzielle Frage, ob wir gleichberechtigt in Europa mittun, ob wir den Frieden sichern – oder ob wir da nebenbei mitlaufen und dann betteln gehen müssen, um mit den Großen wieder zu verhandeln. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Wir sind ja drinnen!) Ja, und wir sollen das nützen, Kollege Stadler! (Abg. Mag. Stadler: Wir machen das beste daraus! Das haben wir gerade gesagt!) Dann nützen wir es doch.

Die Österreicher haben gezeigt, was sie können! Sie haben die Voraussetzungen auch für künftige Erfolge aufgebaut. Ich zitiere nicht die Voraussagen, die Sie vor dem 12. Juni 1994 gemacht haben, wie katastrophal das alles sein wird. Von diesen Dingen redet man nicht mehr. Wir sind in der EU; nützen wir daher die Chancen! Ich glaube, wenn wir mit der positiven Einstellung, mit der wir vor dem 12. Juni 1994 agiert haben, auch jetzt an die Sache gehen, werden wir es auch wieder schaffen. Ich habe einen unglaublich großen Glauben an unser Land. Der wird sich auch im Bereich der Europäischen Integration bewahrheiten.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch kurz zwei Bemerkungen machen, da die Umwelt diese Gemeinsamkeit unbedingt benötigt. Es ist ja nicht so, daß alles nach Glorie und Verständnis aussieht:

Es gibt mehr Konflikte als vor zehn Jahren: Balkan, Tschetschenien, Kaukasusgebiet und auch latent in den Donauländern. Wenn man sich anhört, was diese Nachbarn gelegentlich sagen, was die Mehrheit über die Minderheit sagt, was die Minderheit über die Mehrheit sagt, dann ist das teilweise eine Sprache der dreißiger Jahre. Es ist daher alles zu tun, damit die Europäische Union Kristallisationspunkt der europäischen Sicherheit bleibt und noch stärker wird. Es gibt keine Alternative zum geeinten Europa als die neuer Konflikte und neuen Chaos. (Beifall bei der ÖVP, SPÖ, dem Liberalen Forum sowie Beifall der Abg. Ing. Langthaler. )

Bereiten wir uns besser vor. Man kann immer alles noch besser machen, auch das, was vor dem 12. Juni 1994 gemacht wurde und was jetzt gemacht wird. Man kann aber auch Gelegenheiten verspielen und versäumen. Ich darf daran erinnern, daß wir Glück gehabt haben und daß die Regierung ein Gespür dafür im Jahr 1955 gehabt hat, als der Staatsvertrag unterzeichnet und die Neutralität beschlossen wurde. Es war das ein Glücksfall, die Menschen hatten ein Gespür dafür gehabt; ein Jahr später wäre es nicht mehr gegangen. Wir hätten nach dem Aufstand in Ungarn nie mehr den Staatsvertrag bekommen, als die Russen, die Sowjets entdeckt haben, daß 2 Millionen Bürger in ein freies Land laufen können, daß die Demokraten von Ungarn weg können. Wir hätten ihn nicht mehr bekommen.

Wir haben auch bei Südtirol Glück gehabt. Am 27. Mai 1992 ist die Zustimmung gegeben worden, am 17. Juli ist die italienische Regierung ohne Andreotti, ohne Gianni De Michelis angetreten; es hätte keine Chance mehr für das Paket gegeben.

Bei Europa hätte es ebenfalls so sein können.

Die Erweiterung wird aber von uns allen sehr unterstützt. Auch Sie haben sich positiv dazu geäußert, die Regierung äußert sich positiv, und ich kann das nur massiv unterstützen. Aber die Fairneß verlangt zu sagen, es mag vielleicht länger dauern, als wir es uns wünschen, als es unsere Nachbarn wünschen. Hätten wir vielleicht erst im Jahr 2020 dazukommen sollen und den Beitritt mit den Schwierigkeiten, die diese Länder aufgrund ihres kommunistischen Erbes bewältigen müssen, zustande bringen sollen?

Ich sage Ihnen: Keine Schwierigkeit hätte so groß sein können, daß ich das Ziel nicht für richtig gehalten hätte. Wegen dieses überragenden Zieles, des Respektes voreinander und des Friedens in Europa bin ich positiv eingestellt.


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17. Sitzung / Seite 236

Mit diesem Engagement können wir auch im Bereich der Ökologie –, der Verkehrspolitik, der Mittelstandspolitik wenn wir wollen, Positives leisten und Erfolge haben. (Beifall bei der ÖVP, SPÖ, dem Liberalen Forum sowie Beifall der Abg. Ing. Langthaler. )

Ich möchte gar nicht ausführlich von der Sicherheitspolitik sprechen, dies wird sehr lange dauern. Ich habe gesagt, die Währungsunion ist das einzig große Projekt, das eine Chance hat, verwirklicht zu werden. Wenn es trotz Schwierigkeiten nicht durchkommt, dann ist das ein großer Rückschlag.

Meine Damen und Herren! Hat uns doch Jugoslawien, das zerfallene Jugoslawien gelehrt, was heute alles passieren kann! Wer hätte das vor 20 Jahren für möglich gehalten, was dort, vor den Augen der Öffentlichkeit passiert? Wir sind nicht mehr in der Situation, daß wir sagen können, die Sicherheit können wir allein garantieren. Wir müssen die Sicherheit gemeinsam garantieren. Wir haben hier einen vorsichtigen Weg eingeschlagen, aber den sollten wir konsequent gehen. Wir sollen auch nicht dauernd von der europäischen Sicherheitsarchitektur, die wir wollen, reden, das dient nur dazu, eine konkrete Aussage zu vermeiden. Es wird auch niemand glauben, daß noch eine zusätzliche Organisation aufgebaut wird. Wir haben mit der KSZE, jetzt OSZE genannt, mit der NATO und mit der Westeuropäischen Union genügend Anlaufstellen. (Abg. Mag. Stadler: Ihr Regierungspartner, glaube ich!) Ich setze mich später mit ihm noch auseinander. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen, man sollte hier nicht provozieren, aber eines sehr deutlich sagen: Es geht nicht darum, ob wir der NATO, der Westeuropäischen Union oder der KSZE, so wie sie sich entwickelt, angehören, oder die Neutralität erhalten, sondern es geht darum, ob wir einen Modus finden, der die Sicherheit dieses Landes garantiert. Das ist das Ziel. Mir ist fast alles recht, um die Sicherheit zu garantieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Sicherheit werden wir nur mit einem sehr realistischen Kurs erhalten. Wir werden daher mit Recht die Mitgliedschaft Österreichs in der Westeuropäischen Union anstreben, das hat die ÖVP sehr deutlich gesagt. Ich begrüße, daß im Koalitionsabkommen die Rede davon ist, daß man sich in zwei Jahren darüber unterhält. Eine Koalition erfordert auch ihren Preis; nach mir könnte es rascher gehen, aber der Weg ist richtig, die Richtung stimmt. Wir müssen wissen, daß die Mitgliedschaft in der Westeuropäischen Union von vielen nur mehr möglich gemacht wird, wenn wir auch der NATO beitreten, auch das muß einmal ausgesprochen werden. Aber wir dürfen uns nicht davon abhalten lassen, wir dürfen nicht Unmögliches fordern, Herr Kollege Haider, und wir dürfen auch nicht zu langsam vorgehen, weil wir irgendeinem alten Denken in der Diplomatie und in der Politik verhaftet sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kollegen! Allein werden wir die internationalen Probleme nicht lösen. Ich wünsche mir eine Situation, wo man Konflikte ohne militärische Mittel löst. Viele haben geglaubt – eine Illusion –, sie können mit Diplomatie und Politik allein den Konflikt in Jugoslawien lösen. Man hat gesagt: Keine militärische Lösung! Diejenigen, die das gesagt haben, sollen einmal über ihre Verantwortung nachdenken. In Srebrenica sind mindestens 8 000 Menschen umgekommen, sind ermordet worden, Tausende Frauen sind vergewaltigt worden. Und wenn nicht die NATO mit Amerika – den Amerikanern möchte ich einen Dank aussprechen – mit militärischen Mitteln, so wie es die UNO vorsieht, eingegriffen hätte, wäre das nächste Ziel Bihac gewesen, die Nordostenklave. Es hätte wieder Tausende Ermordete gegeben, es hätte ein Großserbien gegeben, und Bosnien wäre verschwunden. Ich glaube, das ist ein Lehrstück, das wir berücksichtigen sollten.

Wir brauchen eine Vision vom Frieden in Europa. Wir müssen wissen, wann es Rückschläge gibt, wir müssen Konkretes leisten. Wenn wir beides in einer ausbalancierten Lage halten, das langfristige Ziel, die Vision, der Glaube an ein bestimmtes Ziel und die konkrete Arbeit, dann werden wir Österreich in ein noch integrierteres Europa führen, wo wir heute schon Fuß gefaßt haben und dort eine starke Position einnehmen. Dann wird es auch so sein, daß Europa ein neuer Name für Frieden ist, und das ist das Hauptziel, dem anderes andere unterzuordnen ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.57


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17. Sitzung / Seite 237

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. Er hat das Wort.

9.57

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der letzte Satz von Herrn Abgeordneten Mock, der das zentrale Ziel unserer Außen-, aber vor allem Europapolitik klar umrissen hat, ist sicherlich eine gemeinsame Basis für alle Fraktionen. Im übrigen ist es aber so, daß die Europapolitik, die im Zentrum dieser außenpolitischen Debatte steht – das völlig zu Recht – eine höchst kontroversielle Angelegenheit ist, weil die Europäische Union, die Europäische Integration ein zu höchst kontroversieller politischer Prozeß ist, der aber unabwendbar ist und nicht nur im Interesse des ganzen Kontinents und seiner Friedensordnung, sondern auch im Interesse unserer Republik Österreich steht. Und das muß man ganz entschieden an die Spitze dieser Diskussion stellen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Natürlich gibt es eine Reihe von Kritikpunkten, die man in diesem Zusammenhang an die Regierung richten muß. Erstens: Dieses schöne Bild der großen Ziele der Europapolitik wird natürlich durch die tagtägliche Praxis gerade zu Beginn dieser Legislaturperiode konterkariert. Man braucht sich zum Beispiel nur diese fortgesetzte Kompetenzranklerei innerhalb der Bundesregierung anzuschauen, die so deutlich macht, daß wir es in der Außenpolitik im Grunde genommen mit zwei Regierungsteilen zu tun haben. Und aus diesem Grund haben wir wieder dieses Kompetenzgerankel erleben müssen, und die Schaffung der Staatssekretariate war sicherlich auch nicht nützlich.

Wir haben zweitens gesehen – und das ist ein ganz gravierender Punkt, den wir offen ansprechen müssen –, daß diese Bundesregierung in zentralen Lebensfragen der Außen- und Sicherheitspolitik, vor allem in letzterer, keine gemeinsame Sprache spricht, hier geht es diametral auseinander.

Drittens habe ich vor allem im Hinblick auf die Unterlage der Bundesregierung, im Hinblick auf die Positionierung Österreichs für die Regierungskonferenz 1996 den Eindruck, daß vieles nicht gemeinsam getragen wird und die Positionierungen dementsprechend schwammig und offen sind.

Als letzter, sehr wichtiger Kritikpunkt meine ich, daß auch die Bundesregierung nicht frei ist von Opportunismus in der Außenpolitik, wenn es um die Grund-, Freiheits- und Menschenrechte geht. Da beziehe ich mich insbesondere auf die Anerkennungspolitik gegenüber Rest-Jugoslawien.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich nehmen wir zur Kenntnis, daß die Außenpolitik und insbesondere die Europapolitik eine zu erarbeitende ist, eine ist, die sich im Fluß befindet und bei der es Kontroversen gibt. Man muß es nur offen aussprechen und darf nicht so tun, als ob diese Divergenzen nicht vorhanden wären.

Herr Bundesminister! Selbst wenn Außenpolitik für das Parlament eine spröde Angelegenheit ist, so ist es doch für die Öffentlichkeit ganz entscheidend, daß wir diese Auseinandersetzungen darüber sachlich, aber offen führen. Das wäre viel nützlicher als die wieder vom Zaun gebrochene Propagandawelle, die seitens der Regierung angekündigt wurde.

Eine offene und sachliche Auseinandersetzung wäre für die Öffentlichkeit viel wertvoller und für unsere Bürgerinnen und Bürger, die im Herbst zum ersten Mal ihre Repräsentanten im Europäischen Parlament wählen, viel sinnvoller. Sie werden den Verdacht nicht los werden, daß es sich um Regierungspropaganda handelt.

Lassen Sie eine ganz offene und kontroversielle Diskussion über diese Dinge zu! Sie sind kontroversiell, und in einem demokratischen, pluralistischen System ist die Diskussion, die Auseinandersetzung Grundlage für eine gemeinsame Politik. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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17. Sitzung / Seite 238

Meine Damen und Herren! Kollege Haider hat von einem Stimmungsabschwung gesprochen – das wird sicherlich stimmen. Die wirtschaftlichen, sozialen, aber auch sicherheitspolitischen Verhältnisse gestalten sich so, daß man mit der Politik dieses Kontinents, daß man mit der Politik der Europäischen Union sehr unzufrieden sein muß. Das ist klar, das muß man auch offen sagen.

Aber das Wichtigste in diesem Zusammenhang ist, meine Damen und Herren, daß wir von dieser Schönwetter-Philosophie wegkommen, die noch aus der Zeit des Referendums stammt, zu der man das Europa und die Europäische Union geradezu als politisches Schlaraffenland – und nicht nur das politische Schlaraffenland – hingestellt hat, als ob sich mit dem Beitritt zur Europäischen Union die Probleme geradezu von selbst lösen würden. Mitnichten!

Wir wissen genau, daß die Europäische Union einen ganz normalen politischen Körper darstellt, der dazu da ist, Probleme zu lösen und der in dieser Funktion selbstverständlich unverzichtbar ist, wir wissen aber auch, daß die Dinge dort genauso wie hier in der innerstaatlichen Politik kontroversiell laufen. Es gibt inhaltliche Auseinandersetzungen, es gibt selbstverständlich Interessendurchsetzungsstrategien, aber letzten Endes müssen wir uns im klaren darüber sein, daß diese Europäische Union für diesen Kontinent, für sämtliche politische Bereiche – von der Sicherheits- und Friedenspolitik abwärts, bis zur Ökologie, bis zu den sozialen Fragen – den einzigen und sinnvollen politischen Rahmen darstellt, durch den wir die Chance haben, die immensen Probleme, die wir überall haben, auch tatsächlich lösen zu können. Und das ist das Entscheidende der Europäischen Integration beziehungsweise der Europäischen Union. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Davon ausgehend möchte ich mich mit der konkreten österreichischen EU-Politik auseinandersetzen und möchte zwei Beispiele bringen, die für mich symptomatisch sind und aufzeigen, daß wie wir in unserem europapolitischen Bewußtsein steckengeblieben sind. Die zwei Beispiele, die die Österreicherinnen und Österreicher immens aufgeregt haben, sind die Beispiele Maut und anonyme Sparbücher. Sie sind für mich deshalb so typisch, weil sie erstens Emotionen wecken und weil sie zweitens aufzeigen, wie falsch es wäre, zu glauben, daß man mit einzelstaatlichen Maßnahmen irgend etwas erreichen kann.

Bei der Mautfrage, die, wie alles was mit Autofahren zusammenhängt, die Österreicher immens aufregt, ist doch völlig klar, daß zwei Dinge geschehen müssen: Erstens bedarf es einer gesamteuropäischen Verkehrspolitik, und ich füge hinzu, einer, die von ökologischen Gesichtspunkten ausgeht, obwohl ich weiß, daß wir davon weit entfernt sind. Das ist aber das Politische an der Europäischen Union, und es sollte unser Anliegen und unser Motiv sein, daß wir die Dinge dorthin bewegen, wo sie nach unseren Gesichtspunkten richtig sind. Es wird noch lange dauern, bis sich die Europäischen Union in diesen Dingen bewegt, weil natürlich massive gegenteilige Interessen existieren. Eine völlig klare Sache!

Zweitens ist hinzuzufügen, daß die Kostenwahrheit beim Verkehr essentiell ist.

Der dritte Punkt ist, daß es selbstverständlich europaweite entsprechende Kostenlastenverteilungen geben muß.

Das ist das Entscheidende. Und jetzt können wir herumstreiten, welches das vernünftigste System wäre, aber diese gesamteuropäische Perspektive dürfen wir nicht aus dem Auge lassen, und wir dürfen auch nicht manchmal den Eindruck erwecken, na, es ist herrlich, wir machen es einfach so, wir isolieren dieses Land mit dieser oder jener Maßnahme. – Das nützt nichts, weil wir von den gesamteuropäischen Verhältnissen sehr stark abhängig sind und nicht wieder in ein "Inselstaatsdenken" verfallen und sagen dürfen: Pflöcke in die Straße, wir lassen nichts rein! – Mit den Pflöcken meine ich jetzt symbolische Sperrmaßnahmen, die sich ja manche vorstellen. – Das ist für mich ein sehr interessantes Beispiel.

Das vielleicht noch bekanntere Beispiel ist jenes mit den anonymen Sparbüchern. Worauf ist da nicht alles hingewiesen worden: auf die österreichische Sparkultur, auf die Mentalität, die man den Leuten nicht wegnehmen könnte. Es wurden die furchtbaren Dinge, die die Österreicher nach zwei Weltkriegen mit ihren Sparbüchern erlebt haben, an die Wand gemalt und so weiter.


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17. Sitzung / Seite 239

Die Bundesregierung hat gesagt, das dürfe man nicht anrühren, und außerdem sei es völlig falsch, daß man damit Schwarzgeld weißwaschen könne.

Ich erinnere mich daran – es war vor ein paar Monaten –, daß es die größte Bank Österreichs "zusammengebracht" hat, eine halbe Milliarde Schilling – zumindest für einen Tag lang – durch ihre flinken Angestellten verteilen zu lassen. Das war eine beträchtliche Gesamtsumme und man hat versucht, mit Einzelmaßnahmen eine merkwürdige Spar- und Bankpolitik zu betreiben. – Es geht das also schon ein bißchen. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Das ist ein gutes Beispiel, weil sie sind sofort aufgeflogen und haben sich unsterblich blamiert!) Das mag schon sein, aber ich glaube nicht, daß die Mafiosi gleich 500 Leute losschicken werden, sondern sie werden kleinere Geldbeträge anlegen oder dies auf einen längeren Zeitraum hinausdehnen.

Es geht mir aber gar nicht um solche Details, sondern es geht mir darum, daß wir wieder die Zielsetzung sehr klar herausstreichen: Im Mittelpunkt muß unser gesamteuropäisches und deshalb auch österreichisches Interesse stehen, nämlich diese Kriminalität zu bekämpfen. Und ich meine, daß wir bei dieser Werteabwägung auf eine spezielle österreichische Sparkultur verzichten könnten. Das wird im Hinblick auf dieses gemeinsame Ziel verkraftbar sein.

Ich sage das in dem Wissen, daß viele meinen, an dieser Sparbüchelpolitik hänge das Herz fast aller Österreicher, aber es geht um die politischen Zielperspektiven, die wir im Auge behalten müssen und für die es eben einer gesamteuropäischen Sichtweise bedarf.

Ein interessantes Beispiel in diesem Zusammenhang war die Verknüpfung des aus Österreich stammenden Kommissars – oder Kommissärs – beide Bezeichnungen gefallen mir eigentlich nicht sehr – Fischler. (Abg. Schieder: Sag "Komissionsmitglied"!) – Du hast recht: Kommissionsmitglied! Bei seinem Verhalten bezüglich dieser beiden Themen ist herausgekommen, daß das Denken in Österreich, bis in die höchsten politischen Ränge würde ich sagen, bezüglich der Europäischen Integration, bezüglich des Gefüges der Europäischen Union und der Republik Österreich zurückgeblieben ist.

Das Kommissionsmitglied Fischler hat es gewagt, in dieser seiner Funktion Österreich zu kritisieren. Na, da ist es losgegangen: Unglaublich! – Es ging bis an den Rand des Vaterlandsverrates, daß er solches gewagt habe.

Das zeigt ganz deutlich, daß viele bei uns auch im politischen Bereich noch gar nicht kapiert haben, daß es seine Aufgabe ist, den Standpunkt der Kommission und der Gemeinschaft zu vertreten, und daß er eben nicht, was manche glauben, womöglich der Botschafter Österreichs in Brüssel, in der Europäischen Union ist. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ja nicht wahr! Er ist ja ein Patriot!) – Ja, das ist eben die verkürzte Denkweise, Kollege Stadler. Jetzt kommt das ein bißchen heraus. Du bist leider ein Opfer deiner eigenen Philosophie, die auch dein Parteiobmann vertritt, der nämlich heute noch die Auffassung vertritt, das eigentliche Europamodell wäre das Europa der Vaterländer. – Ein alter Hut, 40 Jahre alt. (Abg. Mag. Stadler : Das umformulierte Parteiprogramm! Hast du alte Hüte in das Parteiprogramm geschrieben? Das ist ein alter Hut?)

Und Gott sei Dank, Kollege Stadler, waren diejenigen, die dein Parteiobmann unlängst im Fernsehen zitiert hat, nämlich de Gaulle und Adenauer, diejenigen, die aus dem Weg, aus dieser Sackgasse des Europas der Vaterländer herausgeführt haben. (Beifall beim Liberalen Forum. – Neuerlicher Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Das steht nicht im Programm, werter Freund, sondern ist ganz klar die Bereitschaft Österreichs, sich europäisch zu integrieren. Und das ist eben nicht die Fehlideologie des "Europas der Vaterländer". Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Unterhalten wir uns ein bißchen darüber. (Abg. Schieder: Das ist erlebte Vergangenheitsbewältigung!) Das Problem hat vielleicht der Kollege Haider, weil er an Konzepten hängt, die 40 Jahre alt und wirklich überholt sind. (Abg. Dr. Khol: Ein alter Bruderzwist!)

Nein, das ist kein Bruderzwist, denn Brüder sind wir nicht, lieber Freund. Wir haben klare unterschiedliche Positionierungen. Das ist ein Punkt, wo wir uns so klar und tatsächlich unterschei


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den. Die Freiheitliche Partei – wie man jetzt hört – macht einen ganz entscheidenden Denkfehler, nämlich denjenigen, daß sie nach wie vor glaubt, daß sich mit einzelstaatlichen Politiken die Probleme lösen ließen. Das versteckt sich hinter dem Schlagwort "Europa der Vaterländer".

Das ist ein Fehlweg, und zwar deshalb, weil wir wissen: Das ist genau das, was wir gehabt haben. Ich frage mich, wie Sie die ökologischen, die sicherheitspolitischen, die wirtschaftlichen, die sozialen, die verkehrsmäßigen Probleme lösen wollen, wenn jeder europäische Staat sein unmittelbares Eigeninteresse als einzigen Maßstab seines politischen Verhaltens auf den Schild hebt.

Das ist Rückschritt. Das ist die Verhinderung von Weiterentwicklung. Das ist die Verhinderung des Lösens von Problemen. – Und das ist der Unterschied, den wir vom Liberalen Forum und den Freiheitlichen haben. (Beifall beim Liberalen Forum sowie Beifall des Abg. Dr. Mock . – Abg. Mag. Stadler: Dein Parteiprogramm ist rückschrittlich! – Abg. Dr. Haider: Revisionist!)

Ja, "Revisionist" ist ein guter Begriff, ist durchaus brauchbar. Wenn man erkannt hat, daß es etwas falsch läuft und seine Meinung ändert, ist das von Vorteil und richtig. Das Verharren oder die Rückfallstäterschaft, daß man aus rein opportunistischen Gründen auf Uraltmodelle zurückfällt, – vielleicht da und dort aus populistischen Gründen –, ist keine Zukunftsperspektive, werter Freund!

Meine Damen und Herren! Es ist ja ganz logisch: Eine Partei, die in der Europapolitik eine sehr klare und ich würde sagen fortschrittliche Linie hatte, dann aber abgekommen ist – weg von Europa –, hat natürlich Schwierigkeiten, sich in der Gegenwart vernünftig zu positionieren. Das ist das Pech der Freiheitlichen Partei – aber nicht mein Problem! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! (Abg. Haigermoser: Du warst einmal mein Landesparteiobmann!) Ja, ich wundere mich noch heute, daß ich es mit Leuten wie dir ausgehalten habe! (Heiterkeit und Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Damit wieder zur konkreten Regierungspolitik. (Abg. Haigermoser: Du bist mit dem Moped herumgefahren, als du noch keinen Führerschein gehabt hast!) Ja, ja.

Herr Bundesminister! Damit wieder zur konkreten Regierungspolitik zurück. Ich habe bereits diesen Kompetenzwirrwarr innerhalb der Regierung angeführt. Ich halte es wirklich für einen Fehler, wie diese Auseinandersetzung gelaufen ist und wie es letzten Endes ausgeschaut hat.

Ich hätte es noch verstanden, wenn eine Bundesregierung – auch wenn sie unterschiedlicher parteipolitischer Zusammensetzung ist – in der Europapolitik gemeinsam handelt, diese gemeinsam konzipiert und auch die Personen nicht nach parteipolitischen Gesichtspunkten auswählt. Aber wie ist es gelaufen? – Es mußte leider – weil der Herr Bundeskanzler der Auffassung war, man kann doch jetzt nicht der ÖVP, also der Regierungspartei 2, die Europapolitik überlassen – dem Bundeskanzleramt auch etwas bleiben. Jetzt wollte man einsparen – und herausgekommen ist Staatssekretär Schlögl. Dieser hat also die ganzen Verwaltungsfragen über, die Beamtenfragen und den Sport, wenn mich nicht alles täuscht. Das finde ich besonders lustig. Und Staatssekretär Schlögl hat jetzt auch noch die EU-Kompetenzen.

Ich halte diese Zweigleisigkeit für falsch. Da hätte es mir schon besser gefallen, wenn tatsächlich im Außenamt die Europapolitik konzentriert worden wäre und meinetwegen ein Staatssekretär in diesem Ressort angesiedelt wird – und wenn es auch ein Sozialdemokrat gewesen wäre. Aber es ist offensichtlich das Mißtrauen in der Europapolitik derart groß, daß man eben nur mit zwei institutionellen Beinen – Bundeskanzler und Außenamt – das Auslangen finden und den Frieden zu erreichen glaubt. (Abg. Schieder: Aber auf zwei Beinen steht man schon besser als auf einem Bein! Das ist eine Lebenserfahrung!) Ja, schon, Kollege Schieder, aber in der EU-Politik habe ich manchmal den Eindruck, daß das eine Bein auf den Zehen des anderen steht – und da hat man Schmerzen und auch noch Unsicherheit. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Schieder: Es war die Frage: ein oder zwei Beine?)


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Es zeigt sich ja auch in der Regierungserklärung, daß man zwei Seiten, meine Damen und Herren – es gibt vieles in der Regierungserklärung, wichtige Themen, die mit einer halben Seite abgetan wurden –, braucht, um diese Regierung und die schwierigen Koordinationsmechanismen in Sachen Außen- und EU-Politik irgendwie abzusichern. So tief ist das Mißtrauen, und so muß man das austarieren (Abg. Schieder: Darum wollten Sie das dritte Bein!), daß sich zum Beispiel so etwas, Kollege Schieder, in der Regierungserklärung findet, nämlich etwas Selbstverständliches: Grundsätzliche Entscheidungen betreffend die österreichische EU-Politik werden von der Bundesregierung auf gemeinsamen Antrag von Bundeskanzler und Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten getroffen. – Zitatende. (Abg. Dr. Fuhrmann: Ist das schlecht?)

Man muß das Verfahren festlegen! Beide müssen den Antrag stellen –, so, als ob das nicht eine Regierung wäre. Eine Regierung macht eine Politik, und in der EU-Politik würden Sie eine gemeinsame Positionierung vornehmen. – Nein, man muß extra hineinschreiben: Einer allein darf nicht!

Weiter findet sich noch so etwas Herrliches wie: Die Weisungen des Fachressorts an die Ständige Vertretung in Brüssel in Routineangelegenheiten ergehen direkt mit Kopie an das Bundesministerium für auswärtigen Angelegenheiten und an das Bundeskanzleramt et cetera. Extra mußte man sozusagen den bürokratischen Weg der Papierln in Routineangelegenheiten regeln. – So tief ist das Mißtrauen zwischen den beiden Exponenten der EU-Politik. Das spricht eine beredte Sprache, und dementsprechend sieht ja auch die konkrete Politik aus. (Abg. Dr. Khol: Nein, nein, so viel Papier gibt es, Herr Kollege Frischenschlager! – Abg. Schieder: Da hat er schon ein bißchen recht! Aber er wollte ja der Dritte sein!)

Herr Bundesminister! Es ist jetzt nicht die Zeit, auf die Position Österreichs in Sachen Regierungskonferenz einzugehen. Ich möchte nur einige wesentliche Dinge ansprechen.

Zunächst einmal scheint mir wichtig zu sein – noch zur praktischen Politik –, daß etwas nicht passiert, nämlich daß Zeitungen mit Recht schreiben können, Österreich hätte ganz konkrete Chancen in der EU vertan.

Es schmerzt mich, wenn die "Presse" von Mitte Dezember 1995 titeln kann: "EU-Bilanz für 1995" – das betrifft die österreichische Bilanz –: "3 Milliarden Schilling verschenkt."

Nicht, daß deshalb die Welt einstürzt, aber diese Fehler leisten der Meinung Vorschub, daß andere, die speziell ihre Börselmentalität mit der EU-Politik verbinden, sagen können: Aufgrund des Versagens dieser Bundesregierung hat Österreich 3 Milliarden Schilling verloren.

Man muß ganz wertfrei und sachlich feststellen: Solche Meldungen sind natürlich eine Katastrophe. (Zwischenbemerkung des Vizekanzlers Dr. Schüssel . ) Nein, das glaube ich nicht, aber dann wäre es wieder ein schönes Beispiel, Herr Bundesminister, weil immerhin Staatssekretär Schlögl wenige Zeit später sagen mußte – wiederum eine Schlagzeile, diesmal aus dem "Standard": "Schlögl: Haben EU-Topf nicht voll ausgeschöpft." (Vizekanzler Dr. Schüssel: Herr Kollege, nicht die Bundesregierung! Das sind Projekte in Wien und in den Regionen!)

Herr Bundesminister! Mein Eindruck ist jedenfalls, daß Chancen nicht genutzt wurden beziehungsweise nicht voll genutzt wurden. Das ist etwas, was Sie nicht so ohneweiters wegschieben können, denn ganz deppert sind die Leute, die das schreiben, nicht.

Zweiter Kritikpunkt: Es ist natürlich schmerzlich, wenn die österreichischen parteipolitischen Praktiken in der Personalpolitik permanent für Schlagzeilen sorgen, die nicht sehr lustig sind, so zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Leiter der Mission der Kommission hier in Wien, wenn parteipolitische Aspekte bekannt werden, wie ich überhaupt glaube, daß es eine Unsitte ist, österreichische Praktiken – gerade in der Personalpolitik, auch was die sozialpartnerschaftlichen Institutionen betrifft; ich erinnere nur an die gigantische Mission in Brüssel – von Österreich auf die europäische Ebene zu exportieren. Das sind Dinge, die mich entschieden stören.


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Im Mittelpunkt unserer Kritik steht, daß Sie, was die Regierungskonferenz betrifft, in wesentlichen Punkten keine gefestigte, keine einheitliche Linie haben. Ich beziehe mich ausdrücklich nochmals auf die Sicherheitspolitik. Es ist ein Jammer, daß Österreich in dieser entscheidenden und vielleicht lebenswichtigen Frage keine wirklich konsequente Politik betreibt. Es ist einfach so, daß Sie – vor allem Ihr Koalitionspartner SPÖ – die Neutralität nach wie vor in den Mittelpunkt stellen oder als Ausgangspunkt der Sicherheitspolitik auf europäischer Ebene betrachten. Das ist kontraproduktiv, denn wir müssen wissen, daß mit dem Beitritt zur Europäischen Union international jedenfalls keinerlei Glaubwürdigkeit für eine dauernde Neutralität aufrechterhaltbar ist. Das muß man einmal zur Kenntnis nehmen, und daraus muß man auch die sicherheitspolitischen Konsequenzen ziehen.

Zweiter Punkt: Was mir in der österreichischen Positionierung zuwenig herauskommt, wäre eine konsequente Vertretung der Menschen- und Grundrechte. Ich meine, daß der eigene Grundrechtskatalog der Europäischen Union das entscheidende Ziel wäre. Die EMRK ist mir da zu wenig. Vor allem wäre in diesem Zusammenhang auch bezüglich der Grundrechte der Volksgruppen ein rechtlicher Rahmen auf europäischer Ebene zu schaffen. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Herr Kollege, genau das vertrete ich ja!)

Ja, ich finde das nur nicht in den Papieren Ihres Amtes bezüglich der Regierungserklärung. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Es ist eine Wortmeldung gewesen! Es steht in dem Zeitplan!) Ja, ist ja schön, aber Sie allein sind nicht die Bundesregierung; ich rede ja von der gesamten Regierung. (Abg. Mag. Barmüller: Bitte keine Zwischenrufe von meiner Redezeit! – Heiterkeit.)

Sie, Herr Vizekanzler, haben eine Meinung, ich habe eine Meinung; das ist Ihnen unbenommen. Das Entscheidende ist, daß ja die Gesamtregierung die Positionierung vornehmen soll. Es steht ja vieles drinnen, das mir gefällt, es ist ja gar nicht so.

Dritter Punkt: der Bereich EU-Ausweitung. (Abg. Dr. Khol: Solidarität mit Barmüller! – Abg. Dr. Fuhrmann: Der Barmüller beschwert sich schon!) Ja, ja, ist schon recht. Laß das nicht deine Sorge sein, sondern das ist unsere. (Abg. Tichy-Schreder: Er glaubt es nicht! Wir sind nur der Vermittler!)

Dritter Punkt: EU-Ausweitung. (Abg. Koppler: Das ist euer Problem!) Und vor allem, wenn du dauernd dazwischenredest, dauert es noch länger! (Heiterkeit.) – Entscheidend ist die Ausweitung und Vertiefung der EU, meine Damen und Herren. Es kann nur konsequent beides geschehen. Dabei ist mir auch wichtig, klarzustellen, daß wir für den Weg von Entscheidungen durch Mehrheitsbildungen in der Europäischen Union sind. Wir erachten es als positiv, nicht zuletzt, weil uns Europaparlamentarier hier bei Enqueten im Parlament gesagt haben, daß dadurch ein Argumentationszwang zwischen den Ländern entsteht – statt dem Vetorecht, das eigentlich nur ein "Njet" bedeutet.

Letzter Punkt, der mir wichtig ist, Herr Bundesminister: die konsequente Weiterverfolgung der Grund-, Freiheits- und Demokratierechte im Zusammenhang mit der EU-Ausweitung. Es ist einfach nicht hinzunehmen, daß in Ländern wie der Slowakei, aber auch in Kroatien demokratische Wahlen von den politisch Mächtigen nicht zur Kenntnis genommen werden – wie es im Fall der Slowakei war, wo seitens der Mächtigen versucht wurde, gewählten Abgeordneten nachträglich ihre Mandate abzuerkennen, oder wie im Fall Kroatien, wo vom Präsidenten hinsichtlich der Wahl in der Hauptstadt dieses Landes versucht wird, ein anderes Ergebnis herauskommen zu lassen, als der Wähler entschieden hat.

Ganz wichtig scheint mir zu sein, daß der Europarat, aber auch die Europäische Union in diesen Dingen ganz konsequent dafür sorgen, daß diese Länder mit europäischen Maßstäben gemessen werden – aber nicht, weil wir Oberlehrer sein wollen, sondern einfach deshalb, weil das zum europäischen Normalstandard werden soll. Das ist der Hauptwert der Europäischen Union: nicht nur die Friedenssicherung, sondern diese gemeinsame Wertbasis auf dem Boden von Grundrechten in Form der parlamentarischen Demokratie und als Sicherheitsgemeinschaft.


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Diese Ziele sollten wir gemeinsam anstreben, und an ihrer Entwicklung, an ihrem Ausbau und an ihrer Durchsetzung sollten wir auch in diesem Haus gemeinsam arbeiten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schieder. Er hat das Wort.

10.26

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Beitrag des Abgeordneten Haider hat auch durchblicken lassen, wie die Freiheitliche Partei wahrscheinlich den Europawahlkampf anlegen wird.

Ich bedaure ein bißchen, daß die Richtung nicht ist: Welche Leute werden am besten in der Lage sein, im Europäischen Parlament und damit in der EU das, was Österreich will, durchzusetzen, sondern daß die Richtung werden dürfte: Man setzt sich auf eine – in einem gewissen Ausmaß vorhandene – kritische Haltung zur EU drauf und benützt diese sozusagen als Trägerrakete für den Europawahlkampf.

Ich bedaure diese Haltung, die hier durchgeblitzt ist. – Gestern haben die Redner der Freiheitlichen sehr oft in der Frage Geheimdienst die Regierungsbank und vor allem Bundesminister Einem an die mahnenden Worte des Herrn Bundespräsidenten erinnert. Es scheint in der Freiheitlichen Partei eine sehr selektive Wahrnehmung für mahnende Worte des Herrn Bundespräsidenten zu geben, denn in Richtung FPÖ hat der Bundespräsident mahnende Worte gerade in der Frage EU und Europapolitik gerichtet, und da wäre es die Aufgabe, bei sich selbst zu beginnen, wenn man schon so um die Mahnungen des Herrn Bundespräsidenten besorgt ist.

Wenn manche Vertreter der FPÖ sehr oft die Worte "Besen" und "Ordnung machen" in den Mund nehmen – ein Bild, das mir gar nicht so gut gefällt –, aber wenn man schon den Besen laufend in die Hand nimmt, dann sollte man auch vor der eigenen Tür kehren, dort, wo es am Platz ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Inhaltlich möchte ich anmerken, daß der Vergleich, den Haider zieht, nämlich: Wie war es in bestimmten Branchen vor dem EU-Beitritt, und wie schaut es jetzt aus?, natürlich einer ist, der politisch möglicherweise zulässig, aber inhaltlich nicht richtig ist, denn will man auf diesem Gebiet wirklich einen Vergleich ziehen, so ist es natürlich der, der am schwersten zu ziehen ist: Zu vergleichen ist nicht ein Österreich 1996 in der EU mit einem Österreich zu Beginn der neunziger Jahre – obwohl selbst dieser Vergleich, wie die Rede des Abgeordneten Mock gezeigt hat, nicht so schlecht ausgeht. Zu vergleichen wäre – das ist auch die wirkliche Frage, die sich stellt –: Wie schaut es für das Österreich 1996 in der EU gegenüber einem Österreich aus, das in einer bestimmten Form wäre, wenn es 1996 nicht in der EU wäre. Das ist die wirkliche Frage! Welche Auswirkungen hätten all die Entwicklungen auf unser Land gehabt, wenn wir nicht in der EU wären? – Das ist das, was wir dem Bürger vermitteln müssen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es war eine Entwicklung, die jedem Land Schwierigkeiten gemacht hat. Aber durch den EU-Beitritt ist sie viel besser zu verkraften, es wird für die Zukunft weit mehr an Positivem gestaltet, als wenn wir jetzt außerhalb stünden. Und das ist genau das, was die Schweiz erkannt hat und warum sie auch in den nächsten Jahren ihren Standpunkt revidieren wird. (Abg. Meisinger: Sie sagen das aber schon jahrelang, Herr Kollege! – Abg. Mag. Schweitzer: Das meinen Sie! Das ist Ihre persönliche Meinung! – Weiterer Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Herr Kollege, ich bin wirklich nicht überheblich, aber dieses Debüt in den Fragen der Außenpolitik hätte Sie sich sparen können! (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage Jajce, die auch angeschnitten wurde: Ich glaube, unsere Beziehungen mit Slowenien sind so gut, daß wir diese Frage in der Tat bilateral mit Slowenien besprechen sollten. Auch wenn man die Frage nicht so schwarzweiß sieht, wie Herr Abgeordneter Haider, kann man aber sicherlich solch ein Problem zwischen zwei Ländern besprechen. Falsch wäre es unserer Auffassung nach aber, dies zu einer der Vorausbedingungen einer Unterstützung zum EU-Beitritt zu machen. Ich bedaure auch die Haltung, die Italien diesbezüglich eingeschlagen hat. Aber


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der Wahlausgang in Italien freut uns auch aus anderen Gründen. Weil es für Österreich einfach gut ist, daß es dem Rechtsbündnis mit Post-Faschisten nicht gelungen ist, die Macht in Italien zu erlangen, und weil ein solcher Sieg auch besonders von der deutschsprachigen Mehrheit in Südtirol als echte Gefahr angesehen wird, darum freue ich mich über dieses Ergebnis. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Ich hoffe, daß es auch in der Frage Slowenien und EU jetzt eine neue Einstellung gibt.

Was den Euro betrifft, so hat mich sehr amüsiert, daß jetzt Angst geschürt werden kann bei den Menschen, die Sparbücher haben. Das hat Herr Abgeordneter Haider in einer Art und Weise heute hier gemacht – nicht lautstark, sondern versteckt, aber so, daß es Menschen, die ein Sparbuch haben, Angst macht. Und das finde ich besonders verwerflich.

Aber was das Ärgste dabei ist: Jetzt, weil es ihm in den Kram für die Europawahlen paßt, ist er plötzlich für einen harten Schilling. Als im vergangenen Jahr in gewissen Industriekreisen Sorge darüber geherrscht hat, ob die Hartwährungspolitik Österreichs richtig ist, hat er sofort im "Industriemagazin", Ausgabe 2/95, genau das Gegenteil vertreten und ausdrücklich einen weicheren Schilling verlangt. Je nach dem Zuhörerkreis, je nach dem Mund, nach dem er spricht, formuliert er seine Argumente. Und das ist eine Politik, die sich selbst richten sollte, vor allem in so wesentlichen Fragen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, auch ein Wort zu den Ausführungen des Abgeordneten Mock zu sagen. Das meiste, was er hier gesagt hat, ist zu unterstützten, und ich möchte auch persönlich sagen, es war beeindruckend, Herr Kollege Mock, aus dieser Rede zu ersehen, wie wichtig große, persönliche Erfahrung in der Politik ist, wie das Erleben von Staatsvertrag, Südtirol und all das, was man persönlich auch mitgestaltet, einen prägt, und wie gut es für die Politik ist, wenn es Menschen mit großer persönlicher Erfahrung gibt.

In einem Punkt, in dem wir nicht einer Meinung waren, hat sich meiner Meinung aber auch gezeigt – das trifft abgestuft auf uns alle zu –, daß große Erfahrung, so wichtig sie für die Politik ist, auch gefährlich ist, nämlich daß man den Punkt der Erneuerung unterschätzt. Nicht nur deswegen ist es auch wichtig, daß für Menschen mit Erfahrung in Gremien – ich sage noch einmal: das gilt abgestuft für jeden von uns – auch von Zeit zu Zeit frischer Wind weht, Menschen, die die Erneuerung schwerer wirken lassen, den Möglichkeitssinn stärker wirken lassen, wie es Musil formulierte, als den Wirklichkeitssinn, den sie mit ihrer Erfahrung gewonnen haben.

Das ist auch in der Frage der Zukunft Europas anzuwenden. Wenn all jene, die etwas mehr wollen als bloß die Fortschreibung des Bestehenden, als Illusionisten abgetan werden, wenn man sich nur mehr das wünscht, von dem man aus der großen Erfahrung weiß, daß es erfüllt werden wird, wenn man nicht mehr will, wenn man sich nicht mehr wünscht, dann wird man auch nicht mehr erreichen. Deshalb bin ich eigentlich sehr dafür, daß man – auch wenn man es für unwahrscheinlich hält – in die europäische Politik die Vorstellungen von etwas mehr als den Status quo einbringt, von einer Sicherheit, die mehr ist als bloße Verteidigungspolitik, und von einem Europa, das eines Tages doch auf einen Vertrag über Recht und Ordnung gegründet ist, das den Frieden garantiert und nicht bloß Verteidigung und das auch eine neue Dimension im Zusammenleben der Menschen darstellt.

Solch ein Europa wird – egal, ob es dann diesen Begriff gibt oder nicht, egal, ob uns die Völkerrechtler erlauben, ihn anzuwenden oder nicht – in seinem Wesen eigentlich das sein, was Österreich auch ist, nämlich neutral im guten Sinn des Wortes, daß es sich nirgendwo einmischt und nur darauf achtet, daß Recht und Ordnung und Gesetz Anwendung finden, meine Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Bundesminister! Ich möchte aber auch noch auf einige andere Fragen eingehen. Ich möchte es nicht verabsäumen, mich für die Zusammenarbeit zwischen Außenpolitischem Ausschuß und Ihrem Ressort und den Beamten zu bedanken. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß es dort, wo diese Zusammenarbeit auch unorthodox stattgefunden hat, wie zum Beispiel bei der Neuformulierung der Bestimmungen über die Diplomatische Akademie, in der Beamte ihre Ideen eingebracht haben und in der Abgeordnete ihre Ideen eingebracht haben, zu sehr guten


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Ergebnissen geführt hat, daß also das Dialoghafte der guten Beziehungen fast ein Modell für künftige Arbeitsweisen sein sollte. Ich möchte Danke schön sagen für diese gute Zusammenarbeit.

Ich möchte aber auch zu den Fragen Zuständigkeiten und Ausland, die Kollege Frischenschlager angeschnitten hat, etwas sagen. Ich möchte damit wahrlich nicht das Koalitionsgeplänkel bei der Erfassung des Regierungsprogramms neu aufwärmen oder jetzt noch einmal über ein Hintertürl beginnen. (Zwischenruf des Abg. Ing. Meischberger .)

Ich sage es noch deutlicher: Auch wenn die Frage der Zuständigkeiten mit diesem Ergebnis gelöst wurde, wie ich es mir persönlich nicht gewünscht habe – ich akzeptiere es selbstverständlich, auch wenn ich aus dem Grund nicht ganz zufrieden war –, dann hat es vielleicht das eine Gute, daß Sie die notwendigen Änderungen, die in den nächsten Jahren im Außenamt vorzunehmen sind, jetzt vornehmen können, ohne daß Ihnen andere aus Ihren eigenen Reihen vielleicht den Vorwurf machen würden, Sie hätten damit den Sozialisten nachgegeben.

Es ist wichtig – ich nehme an, Sie wissen es selbst –, daß auf manchen Gebieten Klarstellungen und Änderungen stattfinden. Wenn Sie von der Fiktion ausgehen, daß das Außenamt alle Außenbeziehungen steuert – dieses Quasimonopol besteht in der Verlagsvorbereitung, im Schriftverkehr mit dem Ausland –, wenn zuviel an Arbeitskraft zur Erhaltung dieses formalen Rechtes gebunden wird, dann wird eines Tages die inhaltliche Aufgabe des Außenamtes noch stärker darunter leiden.

Es wird – im Interesse des Außenamtes – notwendig sein, gemeinsam darüber nachzudenken, vor allem auch in bezug auf die EU, wie wir das besser und neuer organisieren können. Ich bin froh, wenn das eben, wie gesagt, nicht mehr belastet wird durch die Frage rot oder schwarz bei Regierungsverhandlungen, sondern wenn sachliche Argumente zählen. Und ich bin froh, daß viele Beamte des Außenamtes selbst darüber nachdenken, weil es um den eigenen Dienst, um die eigenen Inhalte geht.

Ich habe auch mit großem Interesse Beiträge dazu gelesen, wie zum Beispiel vom Gesandten Trauttmansdorff in einem österreichischen Journal. In diesem Journal war ein Beitrag, der hochinteressant war. Darin wurden die Möglichkeiten aufzeigt, wie man im Außenamt von der hierarchischen Organisationsform zur kooperativen kommen könnte. Er schlägt vor, daß die Mittel von Public Diplomacy stärker für das Außenamt selbst genützt werden, und es soll auch die Frage behandelt werden, was wir der EU lassen und was wir national – auch als Ausland – stärker an Vorstellungen abstecken wollen.

Ich glaube, die Frage, wer was in den Außenbeziehungen macht, ist eine, die im Interesse unseres Landes sachlich und nicht als Politikum zu betrachten ist. Ich möchte, da auch das Parlament sehr viele Außenbeziehungen hat, anbieten, daß wir das auf einer sachlichen Basis in aller Ruhe – losgelöst davon ist das eine Frage für die Koalitionsbildung oder nicht, losgelöst von der parteipolitischen Debatte – diskutieren, damit die Außenpolitik und das Auftreten Österreichs besser organisiert werden und damit auch die Interessen unseres Landes im Konzert der anderen Staaten und der internationalen Organisationen besser durchgesetzt werden können. Es kommt in der Außenpolitik darauf an, daß das, was dieses Land will, was für seine Bürger notwendig ist, was es an Zielvorstellungen hat, bestmöglich organisiert und erreicht werden kann.

Ich möchte noch zu einer weiteren Frage etwas sagen. Kollege Frischenschlager hat vor einigen Tagen, auch bei den Festreden zu "40 Jahre Österreich" im Europarat die Frage der Zukunft des Europarates und die Neuaufnahmen angesprochen. Gerade zu dieser Stunde – ich werde mich am Nachmittag wieder nach Straßburg begeben – findet im Europarat die Debatte über die Aufnahme Kroatiens in Straßburg statt. Es stellt sich nämlich die Frage: War es richtig, manche Staaten aufzunehmen, oder ist es so, wie manche befürchten, daß die Aufnahme Rußlands eine Panne, ein Fehler war und die Sorge besteht, daß mit Kroatien und anderen jetzt weitere Fehler gemacht werden?

Ich persönlich glaube, daß diese Politik, die im Europarat neu eingeschlagen wurde, legitim und vernünftig ist. Es ist vernünftig, nicht mehr zu sagen, man wartet, bis jeder Staat von sich aus,


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aus eigenem Wollen, aus eigener Kraft all das an Kriterien erfüllt, was als demokratische Einstufung und Menschenrechte vom Europarat angesehen wird. Also man wartet nicht auf die eigene, selbsttätige Entwicklung eines neuen Staates, sondern ab einem bestimmten Standard hilft man mit, übt Druck aus, damit innerhalb einer bestimmten Frist, in der sich dieser Staat schon im Europarat befindet, dieses dann gemeinsam erreicht wird. (Abg. Dr. Khol: Gilt das auch für Kroatien? Weil die Frage der Unterschiede der Standards ...!) Ich komme gleich auf diese Frage zurück.

Also es soll mit der Demokratie in diesen Staaten so sein, wie es dem Fischer mit der Lorelei ging: Halb zog es ihn hin, halb sank er hin. – So soll sich das entwickeln, und ich halte diese Vorgangsweise für eine gute Überlegung. Kollege Khol! Wenn man das ernst meint und den "Fehler Rußland" nicht mit einem weiteren Fehler ausgleichen will, sondern sich zur neuen Vorgangsweise bekennt, dann hat die logische Konsequenz zu sein, auch bei Jugoslawien, auch bei Kroatien für die Aufnahme zu sein und dafür Bedingungen zu stellen. – Deshalb habe ich das auch gestern schon so für die Sozialisten im Europarat vertreten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Nur eines wird nicht gehen, nämlich daß wir diesen neuen Weg wählen und uns dann der Mut verläßt, wenn diese begleitende Kontrolle oder die Sanktionen stattfinden müssen. (Abg. Dr. Khol: Gegenüber Rußland! Gegenüber Rußland und Kroatien!) Das ist meine Sorge. Man hat nicht einmal jetzt den Mut, da in Albanien ein undemokratisches Wahlgesetz beschlossen wurde, man traut es sich nicht, dem Ministerkomitee des Europarates, Herr Bundesminister, zu sagen, obwohl in Moldawien die Gefahr besteht, daß es einen Präsidenten-Putsch gibt. Man hat nicht einmal den Mut, dieses neue gescheite Verfahren auch dafür zu nutzen, um einem Staat zu sagen: Bis hierher, aber nicht weiter! Erfülle das, was du versprochen hast! – Man hat bei Albanien und Moldawien nicht den Mut, und jeder fragt sich, ob man ihn dann bei Rußland haben wird, wenn man schon bei kleineren Staaten nicht den Mut hat.

Deshalb kann die Lösung nur der ehrliche, aber schwierige Weg sein: Weitertun mit dieser Politik des – ich möchte es fast so sagen – Demokratie-Enforcements im Europarat durch Neuaufnahmen, aber gleichzeitig kritische Hilfe, laufende Beobachtung und Maßnahmen, wenn jemand das nicht erfüllt was er versprochen hat, auch wenn es ein Nachbarland ist, wie etwa die Slowakei, denn diesbezüglich gibt es auch noch eine offene Frage.

Es ist unser Ersuchen, es ist unsere Forderung als Parlamentarier auch an die Regierungen, nicht wegen des guten Gesprächsklimas im Ministerkomitee, Herr Minister, nicht deshalb, weil ein Botschafter dem anderen nicht weh tun will und weil man das gute Klima nicht zerstören will, darauf zu verzichten, einem anderen Staat die Wahrheit zu sagen, wenn er gegen Grundsätze des Europarates verstößt. Das gilt für die Türkei, das gilt für viele kleine Staaten, das gilt auch vielleicht eines Tages für langjährige Mitglieder, und es muß auch für Rußland gelten.

Denn eine Politik, auch im internationalen Bereich, wird in Zukunft nicht mehr von geheimen Absichten der Diplomatie getragen sein können, sondern nur von dem offenen, durchschaubaren, transparenten Bemühen, seine Grundsätze und Ziele mit legitimen Mitteln durchzusetzen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächste Frau Abgeordnete Kammerlander. – Bitte sehr.

10.47

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister Dr. Schüssel, Sie sind nun etwa seit einem Jahr im Amt. Es läßt sich feststellen, daß Sie bei Ihrem Amtsantritt aufhorchen ließen mit einer Kurskorrektur in der österreichischen Außenpolitik, als es um die Bewertung der Ereignisse in unserem Nachbarland, in Exjugoslawien, ging, als es auch um die Bewertung der kroatischen Regierung in bestimmten Fragen der Demokratie und der Menschenrechte ging, aber auch als es um die Bewertung ging, wie in internationalen Vertretungen und Organisationen mit dem Problem der möglichen Anerkennung Restjugoslawiens umgegangen werden soll.


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Seit diesem – damals – beeindruckenden Amtsantritt Ihrerseits läßt sich diagnostizieren, daß Österreich auf dem internationalen Parkett wie auch in den Organen und Institutionen der Europäischen Union mehr oder weniger nicht vertreten ist, auf jeden Fall wenig oder kaum durch Ihre Person vertreten ist, wenig vertreten ist durch eigene Initiativen, eigene Vorschläge zur Außenpolitik und insgesamt – leider! – an Gewicht und an Bedeutung in internationalen Zusammenhängen verloren hat.

Das heißt, eine Position, eine Stellung, die Österreich noch vor längerer Zeit als ein Land innehatte, das immer wieder durch Initiativen, durch vor allem friedenstiftende Initiativen aufhorchen ließ, dieses Ansehen ist uns verlorengegangen.

Es mag sein, daß das in Ihrer vielfachen Belastung als Parteiobmann, als Vizekanzler und als Außenminister liegt, es mag auch sein, daß die Bedeutung österreichischer Außenpolitik – und dem neige ich sehr zu, das so zu interpretieren – für Sie eine andere geworden ist, indem Sie sagen: Österreich ist nun Mitglied in der Europäischen Union, und wir lehnen uns an das an, was die Europäische Union vorgibt, und sind nicht mehr dazu aufgerufen, eigenständige Initiativen vorzulegen!

Aber es gäbe da noch einen anderen und weiteren Bereich als diesen allgemeinen, und zwar geht es um die Bedeutung, die Österreich bei seinen Nachbarländern hat, hier vor allem in den Ländern des früheren Ostens, in Slowenien, in Ungarn, in der Slowakei und in Tschechien. Da geht es vor allem auch – und das ist ein Gebiet, das Ihnen eigentlich naheliegt – um die Bedeutung der wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit und darüber hinaus auch um die Stellung Österreichs im allgemeinpolitischen Sinn.

Wenn man sich die Daten und den Verlauf seit der Öffnung, seit dem Jahr 1989, anschaut, dann sieht man, daß Österreich verloren hat. Es hat verloren, was den Rang betrifft, und zwar an Wirtschaftsbeziehungen, aber auch bei konkreten Maßnahmen. Es hat aber auch verloren, was seine Bedeutung insgesamt, also den Input betrifft, den österreichische Politik in vielen Fragen, die diese Länder betreffen, einbringt.

Wenn wir noch ein wenig weiter schauen, wenn wir nach Deutschland schauen, so, muß ich sagen, läßt sich die Außenpolitik nur mit den Worten charakterisieren, daß Österreich wieder einmal beginnt, sich immer mehr an die Außenpolitik Deutschlands anzulehnen, wie an den "großen Bruder", und versucht ist, eher den Initiativen der Deutschen Folge zu leisten, statt eigene Akzente zu setzen.

Herr Minister! Sie sind aber auch in den Fragen der Europäischen Union klare Antworten schuldig geblieben. Sie sind eine klare Antwort schuldig geblieben in der Frage der Osterweiterung, denn es kann ja wohl nicht das Rezept sein, für eine Osterweiterung einzutreten – ungeachtet dessen, welche Konsequenzen das innerhalb der Europäischen Union nach sich ziehen würde, welche Fragen das aufwirft, welche Fragen das vor allem auch im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Währungsunion nach sich zieht, aber auch mit den Fragen der Institutionenreform.

Diese Antworten bleiben Sie schuldig, diese Antworten haben Sie nie gegeben, sondern Sie treten immer nur sehr populistisch für die Osterweiterung ein. Die Antwort darauf, wie diese genau vor sich gehen soll, wie diese dann in den Organen der Europäischen Union vor allem vollzogen werden soll, bleiben Sie schuldig. Und Sie bleiben sie nicht nur Österreich schuldig, sondern Sie bleiben sie auch unseren Nachbarländern gegenüber schuldig, die sehr hohe Erwartungen in uns setzen. Aber Sie sind die Antworten auch bei den Vorstellungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik schuldig geblieben. Sie lehnen sich in diesem Falle – und das ist eben so ein Beispiel dafür – immer wieder an die deutsche Politik an. Sie lehnen sich an das an, was Sie erwarten, was die Europäische Union vorgeben wird. Es gibt wenig beziehungsweise nicht sehr starke, aussagekräftige Positionen Österreichs bei der Regierungskonferenz. Denn die ganze Palette zu eröffnen, wie auf einem Tablett zu präsentieren und zu sagen, es gibt die NATO, die Westeuropäische Union und die OSZE, irgend etwas wird daraus schon werden, man wird sehen, wie diese Gespräche bei der Regierungkonferenz laufen, ist zu wenig.


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Ich bin froh über die Worte Ihres Vorgängers, denn er hat wenigstens eine klare Meinung positioniert. Sie ist nicht meine Meinung, aber es ist eine klare Haltung, eine klare Meinung, wenn er sagt: Beitritt zur NATO, Beitritt zur Westeuropäischen Union, und erwarten wir uns doch nicht, daß wir ein neues Gebilde konstruieren werden, wo es schon so viele gibt. – Sie könnten auch jene Haltung vertreten, die manche Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten einnehmen, die sagen, die OSZE ist eine wichtige Organisation, diese gilt es aufzuwerten. – Aber es gibt keine klare Antwort Ihrerseits, Herr Minister, zu diesen Fragen.

Da möchte ich schon noch auf das eingehen, was Kollege Mock in seinen Ausführungen gesagt hat. Wenn Sie sagen, man sollte nicht auf die alten Politikmuster zurückgreifen, so habe ich das im Zusammenhang mit Ihrer Rede so verstanden, daß Sie damit gemeint haben, man sollte nicht an der Neutralität festhalten, denn sie ist ein altes Politikmuster und hat sich überholt. – Das war zumindest mein Verständnis, das ich im Zusammenhang mit Ihrer Rede gewonnen habe.

Ich kann Ihnen zur Antwort geben, daß es aber auch alte Politikmuster sind, immer an militärischen Lösungsvorschlägen und an militärischen Strategien festzuhalten. Da würde ich dann so ganz allgemein auch meinen, man soll an diesen alten Politikmustern nicht festhalten. (Abg. Dr. Mock: Richtig!)

Wenn Sie, Herr Dr. Mock, sagen, es sei eine Illusion, daß nur mit Diplomatie Konflikte gelöst werden, dann meine ich, das ist richtig, wenn man die Diplomatie in dem Moment einsetzt, in dem die Katastrophe schon eingetreten ist. Sie haben das Beispiel Srbrenica gebracht. Wenn man aber die Diplomatie viel früher ansetzt, bereits dann, wenn es um vorbeugende Maßnahmen, um Überlegungen, um politische Entscheidungen geht, also schon lange vor einer Katastrophe, dann könnte das sehr wohl auch zur Lösung von Konflikten führen.

Zeigen Sie mir aber nur einen Fall auf, nur einen einzigen Fall, wo militärisches Eingreifen zu Lösungen geführt hat. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Balkan!) Militärisches Eingreifen hat auch am Balkan zu keinen Lösungen geführt. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Sicher!) Es gibt zurzeit zwar einen Waffenstillstand, aber es gibt keine Lösung des politischen Problems. Es gibt einen Vertrag, und wir lesen jetzt fast täglich in den Zeitungen, wie schwierig es ist, diesen Vertrag einzuhalten.

Was bei Maßnahmen natürlich nicht berücksichtigt werden kann – und die Maßnahme war richtig, einen Waffenstillstand herbeizuführen –, ist, daß damit die Probleme noch nicht aus der Welt geschafft sind, und zwar die Probleme, die beim Zusammenleben nach diesem entsetzlichen Krieg entstehen, der dort geführt wurde.

Jeder Kenner, jede Kennerin dieses Gebietes haben vorhersagen können, daß es nicht so sein wird, daß die serbische Bevölkerung die Moslems zurückkehren läßt, daß es nicht so sein wird, daß selbst die Kroaten und die Moslems wieder friedlich zusammenwohnen. Jeder profunder Kenner, jede profunde Kennerin der Situation vor Ort haben gesagt: Machen Sie sich keine zu großen Hoffnungen und hegen Sie keine zu großen Erwartungen, daß mit dem Waffenstillstand und mit dem Abkommen von Dayton das Problem gelöst ist. Noch dazu ist nach wie vor die Frage völlig ungeklärt, ob der Aufenthalt der IFOR-Truppen auf dieses Jahr begrenzt bleibt oder nicht. Was wird danach sein?

Wir haben ja im Ausschuß auch über die grundsätzliche Haltung diskutiert, die Österreich einnimmt, wenn es um präventive beziehungsweise demokratieaufbauende Maßnahmen geht. Aber wenn es dann um die Kosten der Durchführung der Wahlen in Bosnien geht, sind wir plötzlich auf Spenden angewiesen. (Abg. Dr. Mock: Stärkere präventive Aktionen! Nur muß man wissen, daß wir in einer Zeit leben, in der letztlich Mittel der Macht notwendig sind! Das letzte Mittel soll es sein!) Das ist richtig, Herr Kollege.

Was mich nachdenklich stimmt, ist, daß im Laufe der Geschichte öfters das Mittel der militärischen Macht ausprobiert wurde, und zwar in den verschiedensten Varianten und Variationen, aber nur ganz selten das Mittel der Prävention. Das verleitet natürlich dann zum Schluß, zu sagen: Es gibt Erfahrungswerte, und zwar sehr breit angelegte Erfahrungswerte, was die


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sogenannte militärische Lösung betrifft, aber es gibt kaum Erfahrungswerte, was die Prävention betrifft.

Ich meine – damit will ich jetzt wieder zur GASP, also zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, zurückkommen –, das ist eine gute Gelegenheit, zu betonen, es gilt, diese Erfahrungen der Prävention endlich einmal abzusichern und zu sagen: Zuerst und primär muß es um die Prävention gehen, um alle Maßnahmen, die nicht militärischer Natur sind. Die Ultima ratio können militärische Mittel sein.

Ich habe die Vision – ich habe noch Visionen –, daß das eine Übergangsphase sein soll. Nach meiner Vision sollte es irgendwann möglich sein, Konflikte auf der Ebene des politischen Parketts zu lösen. Man sollte zumindest einmal auf der Ebene der Europäischen Union beginnen, zu sagen, wir können auf militärische Mittel verzichten. Ich vermisse allerdings diese Prioritätensetzung. Ich vermisse sie in den Ausführungen der Bundesregierung zur Regierungskonferenz, und ich vermisse, daß diese klare Haltung von der österreichischen Bundesregierung generell zu Fragen der Sicherheitspolitik eingenommen wird.

Was sind die Bedrohungsszenarien für die Länder Europas? – Als Bedrohungsszenarien werden hier immer wieder aufgezählt: Rußland, der fernere Osten, der Nahe Osten. Ich weiß nicht, wie weit Ihre Vorstellung von Bedrohungsszenarien geht. Aber was ist das, was diese Länder, die Länder des früheren Ostens, brauchen? Was ist das, was Rußland braucht?

Rußland steht vor massiven sozialen, wirtschaftlichen und demokratischen Problemen. In diesem Fall muß die Europäische Union eine andere Antwort finden, als dem Aufbau eines militärischen Apparats den Vorrang zu geben.

Selbst wenn es um die Bedrohung im Nahen Osten geht, selbst wenn es um die Bedrohung, wie es viele sehen, durch den Fundamentalismus geht, selbst wenn es um die Bedrohung geht, die im Mittelmeerraum insgesamt vorhanden ist, so meine ich doch, daß man auf diese Bedrohungen nicht primär und in erster Linie mit militärischen Mitteln antworten kann, sondern daß mit politischen Mitteln zu antworten ist, und zwar mit einer breiten Palette von Möglichkeiten und Angeboten zu Friedensgesprächen. Gerade die jüngste Situation im Nahen Osten hat gezeigt, daß es nur mit Hilfe der Diplomatie möglich ist, Aggressionen und Übergriffe zum Stillstand zu bringen, und zwar was beide Streitteile betrifft. (Beifall bei den Grünen. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

In diesem Zusammenhang halte ich es für wichtig, daß sich Österreich gerade aufgrund seiner historischen und auch kulturellen Situation – gerade in der Außenpolitik ist es wichtig, den Zusammenhang zu sehen und einen Konnex zur eigenen Geschichte, zur eigenen Kultur herzustellen – intensiver mit den Rändern Europas befaßt, und zwar mit den ganz sensiblen Rändern Europas. Ein solches Randgebiet ist das gesamte Gebiet der früheren Sowjetunion, auch das heutige Rußland.

Zwar nicht von Österreich, aber von der Europäischen Union wurde – wenn man das mit Aufmerksamkeit verfolgt hat, konnte man das erkennen – darauf Bedacht genommen, indem jetzt sehr wohl Gespräche geführt werden und zur Kenntnis genommen wird, daß eine NATO-Osterweiterung ohne Einbeziehung Rußlands in diese Fragen, ohne das Einholen der russischen Position ein äußerst gefährliches Projekt gewesen wäre. Das haben wir hier schon vor einem Jahr gefordert. Ich meine, es wäre eine ehrenvolle Aufgabe Österreichs gewesen, gerade aufgrund des historischen und kulturellen Kontexts, diese Initiativen massiv voranzutreiben, anstatt darauf zu warten, was die Europäische Union, der "große Bruder", das "große Dach", unter dem man sich jetzt geborgen fühlt, in Zukunft macht.

Ein anderer solcher Bereich, der am Rande Europas liegt, ist die Türkei, ein Land, das zu Europa gehört, das aber an alle Krisenherde, kann man sagen, des Nahen Ostens, an alle Krisenherde des Ostens überhaupt angrenzt. Es hat eine Reihe von Nachbarländern, wo undemokratische Zustände bis Kriegszustände herrschen, es ist ein Land, das mit dem Fundamentalismus konfrontiert ist, es ist ein Land, das allerdings auch eine sehr bedeutende Geschichte hat und die europäische Geschichte in sehr bedeutender Weise mitgeprägt hat.


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Ich meine, es würde Österreich gut anstehen, auch in diesem Falle ganz genau eigene Akzente zu setzen und nicht abzuwarten, ob die Europäische Union nun die Zollunion beschließt oder nicht, abzuwarten, ob eine Debatte im Europarat – dort ruht noch immer ein Antrag der sozialdemokratischen Fraktion – geführt wird oder nicht.

Es würde Österreich gut anstehen, in diesem Falle eigene Initiativen zu setzen. Welche meine ich damit? – Genau solche, die mein Vorredner, Kollege Schieder, auch angeschnitten hat. Ich finde es richtig, sich zu bemühen, daß die Türkei in Europa integriert wird. Ich halte nichts davon, dieses Land, gerade dieses Land zu isolieren. Aber wir dürfen für den Fall, daß wir bestimmte Maßnahmen setzen, wenn es um die Aufnahme der Türkei in die Zollunion geht, nämlich wenn wir von der Türkei eine Verfassungsänderung und die Achtung der Menschenrechte fordern, diese Maßnahmen nicht einfach aus den Augen verlieren, nachdem der Beitritt zur Zollunion erfolgt ist.

So kann es nicht sein – da schließe ich mich ganz den Worten meines Vorredners an –, daß wir immer dann, wenn konkrete Fragen anstehen, einen großen Katalog entwerfen, was diese Länder alles tun sollen, um einen Mindeststandard an Demokratie und Menschenrechten einzuhalten, aber das dann, wenn sie dann aufgenommen sind, in welche Organisation auch immer, außer acht lassen und nicht mehr weiter verfolgen.

Tatsache ist, daß sich, seit der Druck Europas weg ist von der Türkei, seit die Türkei in die Zollunion aufgenommen ist, der demokratische Zustand des Landes wieder verschlechtert hat, die Menschenrechte massiv mißachtet und verletzt werden. Sie kennen den berühmtesten Fall, nämlich jenen des Schriftstellers Yasar Kemal, der wieder angeklagt wurde, nachdem er im vorigen Jahr auf Druck der Europäischen Union, unter dem Druck der Verhandlungen über die Zollunion freigesprochen worden war. Er ist nur der prominenteste Fall von Hunderten Menschen und Opfern, die seit dem Beitritt der Türkei zur Zollunion angeklagt sind, Verfahren anhängig haben, in Haft sind und Folterungen ausgesetzt sind.

Ich meine, es ist die Aufgabe auch eines einzelnen Landes wie Österreich, gerade in diesem historischen und kulturellen Kontext nicht aus den Augen zu verlieren, welche Erwartungen wir gegenüber der Türkei damals formuliert haben. Auch als Mitglied der Europäischen Union sollten wir überall dort, wo es uns möglich ist – sei es in der Europäischen Union, sei es im Europarat, sei es in anderen internationalen Gremien und Organen, sei es aber auch als einzelnes Land in bilateralen Beziehungen –, immer wieder darauf verweisen, daß eine Mitgliedschaft, in welcher Organisation auch immer, in welchem Teilbereich auch immer, nicht heißt, daß das ein Freibrief für undemokratische Zustände und für Mißachtung der Menschenrechte ist.

Dasselbe gilt – diesbezüglich kann ich meine Ausführungen kurz halten – für den Bereich Kroatien, dasselbe gilt für die Anerkennung Rest-Jugoslawiens; das hat bereits mein Vorredner ausgeführt.

Was diesen Bereich des für mich dritten Randes Europas, diesen Bereich Ex-Jugoslawien betrifft, möchte ich nur ein Beispiel herausgreifen, das ich auch schon voriges Jahr erwähnt habe, wo ich meine, daß Österreich gerade wieder in diesem historischen und kulturellen Kontext Wesentliches hätte leisten können und auch noch leisten kann, und das ist das Beispiel Mazedonien. Es gibt eine frühere Teilrepublik in Exjugoslawien, ein heute eigenständiges Land, das einen friedlichen Weg genommen hat, das große Bemühungen gesetzt hat in der Frage der Minderheitenpolitik, das sozusagen auf eigenen Wunsch in Begleitung der OSZE, in Begleitung des Europarates versucht hat, mühsame Gespräche aufzunehmen. Es ist klar: Präventive Maßnahmen, politische Maßnahmen sind weitaus mühsamer und langfristiger anzusetzen.

Mazedonien also hat diesen Weg eingeschlagen und versucht, in unzähligen Gesprächen zu einer Verfassung, zu einer Demokratie, sozusagen zu einem politischen Aufbau zu kommen, das es in die Zukunft tragen kann. Ich habe große Hochachtung vor den Bemühungen dieser ehemaligen Teilrepublik, vor allem wenn man sich die Entwicklung in den anderen Teilrepubli


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ken, auch in Kroatien anschaut, wo keine Pressefreiheit herrscht, wo es nicht möglich ist, seine Meinung frei zu äußern, ohne unter Druck zu geraten.

Ich meine, das Mindeste, das sich von Österreich erwarten ließe, wäre die Anerkennung dieser Bemühungen in Form einer Aufnahme eines Mindestlevels bilateraler Beziehungen. Was meine ich damit? – Ich halte es für unzumutbar, nicht nur aufgrund der politischen und diplomatischen Beziehungen, auch aufgrund der alltäglichen Situation vor Ort, daß es in Skopje keine österreichische Botschaft, ja nicht einmal ein Generalkonsulat gibt, daß es noch immer notwendig ist, daß die Menschen, die ein Visum brauchen, bis nach Albanien zur österreichischen Botschaft in Tirana fahren müssen, um ein Visum zu bekommen.

Ich halte es aber nicht nur aus diesen menschlichen Gründen für unzumutbar, sondern ich halte das aus politischen Gründen für geradezu fahrlässig, denn es wäre ein leichtes und eine relativ – sagen wir es einmal so – billige Maßnahme, dort wenigstens einen Mindestlevel an diplomatischen Beziehungen aufzubauen. Wichtig wäre auf dieser Ebene der präventiven, friedlichen Beziehungen auch etwas, was die Länder immer ganz stark wünschen, zum Beispiel der Abschluß eines Kulturabkommens, eines Kulturaustausches zwischen diesen beiden Ländern, um damit zu signalisieren und zu zeigen, wie wichtig wir solche Bemühungen nehmen.

Zum Schluß lassen Sie mich noch zwei Bereiche erwähnen, zunächst einmal die Rolle Österreichs in internationalen Organisationen beziehungsweise auf internationalen Konferenzen. Dafür gibt es ein aktuelles Beispiel. Es tagt zurzeit die Anti-Minen-Konferenz in Genf. Es schaut so aus, als könnte sie erfolgreicher arbeiten als seinerzeit in Wien. Nach wie vor ist für mich zumindest, aber auch für eine Reihe von anderen Österreicherinnen und Österreichern die Haltung Österreichs bei dieser Konferenz völlig unklar. Denn das, was die Koalitionsparteien als Antrag wiedereingebracht haben, ist mehr als verschwommen und verwaschen.

Wir halten fest: Wir unterstützen Sie darin, wir geben unsere Zustimmung als ersten Schritt zu einem Verbot aller Anti-Personen-Minen. Wir betrachten das als ersten Schritt. Und um zu zeigen, daß wir kooperativ sind, daß es uns nicht darum geht, aus einer Justamenthaltung heraus zu sagen, es müßten alle Minen verboten werden, geben wir die Zustimmung dazu, aber dann ohne Ausnahmen, ohne Wenn und Aber. So ist es einfach unrichtig, es ist verschwommen und verwaschen, dann eine Liste von Ausnahmen zu erstellen, wann dieses Verbot der Anti-Personen-Minen wieder aufgehoben wird, wenn es zum Beispiel um Minen geht, die einen ausreichenden Metallanteil haben, damit sie vom Detektor entdeckt werden, oder wenn es um jene Minen geht, die zum Übungsgebrauch des österreichischen Bundesheeres zählen.

Sie haben eine Reihe solcher Ausnahmemaßnahmen gesetzt, und ich kann Ihnen nur mit dem Präsidenten des Roten Kreuzes, einem prominenten Mitglied der ÖVP, soweit ich informiert bin, nämlich Herrn Dr. Treichl, kontern, der beklagt, daß Sie zwar diese Initiative, die das Rote Kreuz Ihnen in Form eines Antrages vorgelegt hat, aufgegriffen haben, daß Sie aber mit diesen Maßnahmen diese Initiative eigentlich ad absurdum geführt haben.

Wenn ein Kind, wenn Menschen überhaupt betroffen sind, gibt es keine Unterscheidung zwischen einer "intelligenten" oder "dummen" Mine, und es ist völlig gleichgültig, wenn Personen damit konfrontiert werden, ob diese Mine nun einen bestimmten Metallanteil hat oder nicht. Es ist richtig, daß es zum Auffinden wichtig ist, daß man solche Maßnahmen grundsätzlicher Art hineinnimmt, daß Minen in Zukunft mindestens so ausgestattet sein sollten – ich denke, wir reden in Zukunft nur mehr von Panzerminen –, okay, aber ein generelles Verbot aller Anti-Personen-Minen ist unserer Meinung nach der Mindestlevel.

Gestatten Sie mir noch ein Wort zu der weiterreichenden Frage der Panzerminen. Sie scheinen sich offensichtlich nicht im klaren darüber zu sein, vielleicht sind Sie auch nicht informiert darüber, wie in jenen Ländern, in denen auch österreichische Panzerminen aufgelegt werden – da gibt es eine Reihe afrikanischer Länder; die Minen stammen übrigens alle von der Firma Dynamit, die in die Raiffeisengruppe gehört –, umgegangen wird. Es gibt Länder wie Moçambique und Uganda, wo Banditen diese Minen aufklauben und dazu benützen, Überfälle auf Lebensmitteltransporte zu machen. Vor Bussen, die Lebensmittel, aber auch Menschen transportieren, werden diese Minen deponiert, und Menschen sterben an diesen Panzerminen.


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Sie scheinen all das nicht zu berücksichtigen, wenn Sie meinen, daß mit einem Verbot der Personenminen schon genug getan ist. Aber noch einmal unser Angebot: Ja als ein erster Schritt zu einem Verbot aller Personenminen, aber dann muß es zu einem generellen Verbot aller Personenminen kommen. Es wäre eine gute Gelegenheit für Österreich, sich auf einer internationalen Konferenz einer breiten, einer sehr breiten Haltung anzuschließen und zu sagen: Wir haben das in unserem Parlament beschlossen, und wir bringen das nun als klare österreichische Haltung in diese Konferenz ein.

Haben Sie einmal den Mut, wirklich Haltung zu zeigen und ungeachtet dessen, was andere Länder, was wichtige Länder, was befreundete Länder tun, eine klare Haltung als österreichische Haltung in einer Konferenz einzubringen und sich dort einer breiten Meinung anzuschließen. (Beifall bei den Grünen sowie Beifall des Abg. Dr. Cap .)

Zum Abschluß meiner Ausführungen zur internationalen Politik komme ich auf die Entwicklungspolitik zu sprechen. Ich möchte aber nicht in den Fehler verfallen, Entwicklungspolitik einfach als internationale Politik zu bezeichnen, und zwar deswegen nicht, weil sie dann nämlich anderen Interessen unterworfen wäre, und da, glaube ich, sollten wir ganz deutlich unterscheiden.

Ich stehe dazu, daß wir internationale Politik auch nach klaren Wirtschaftsinteressen, Handelsinteressen, die Österreich hat, durchführen, aber dann ist es internationale Politik und nicht Entwicklungspolitik. Entwicklungspolitik muß anderen Kriterien gehorchen, muß sicher sehr nachhaltigen Kriterien gehorchen und unterliegen, nachhaltigen sozialen und ökologischen Kriterien. Entwicklungspolitik sollte vor allem auch – darauf will ich heute besonderen Wert legen und das betonen, weil wir uns in einer Regierungskonferenz befinden, die das ja auch vorsieht – auf die Kohärenz Bedacht nehmen; zusätzlich zu den anderen politischen Entscheidungen und zu den weiteren politischen Schritten, die gesetzt werden.

Meine Frage ist: Existiert diese Kohärenz, die im übrigen die Europäische Union für ihre eigene Politik verbindlich vorschreibt, in allen Bereichen vorschreibt, überhaupt in Österreich? Nach welchen Kriterien werden in Österreich Exportkredite vergeben? Wer beurteilt, nach welchen Kriterien Exportkredite vergeben werden und welche der Entwicklungspolitik zugerechnet werden. Wir wissen, daß das ein reines Zufallsprinzip ist, daß Sie das auswählen, nachdem diese Kredite gegeben und abgerechnet wurden, und zwar danach auswählen, in welche Empfängerländer diese Kredite gegangen sind. Es gibt keine Kriterien bei den Exportkrediten, die der Entwicklungspolitik, die der Kohärenz entsprechen.

Es gibt aber in Zukunft – und da gibt es zwei aktuelle Beispiele, an denen wir das sozusagen gleich erproben können – auch die Kohärenz mit den Maßnahmen und den Verordnungen innerhalb der Europäischen Union, denn da gibt es sehr wohl auch einen Widerspruch. Wir werden in nächster Zeit mit der Schokoladenordnung und wieder mit der Bananenordnung zu tun haben, und in beiden Fällen ist zu prüfen, ob diese Kohärenz vorhanden ist und zwischen entwicklungspolitischen Maßnahmen und handelspolitischen und wirtschaftlichen Interessen herzustellen ist.

Was wir fordern, ist eine Überprüfung aller entwicklungspolitischen Zielsetzungen nach diesen nachhaltigen sozialen und ökologischen Kriterien, was wir fordern, ist eine Überprüfung all jener Maßnahmen, die in die Entwicklungspolitik eingerechnet werden, nämlich ob sie dem Sinne dieser Kohärenz nicht weiter widersprechen, indem eine in Österreich getroffen Entscheidung einer anderen Entscheidung, nämlich entwicklungspolitischer bilateraler Zusammenarbeit, aufs massivste widerspricht und somit diese Zielsetzung ad absurdum geführt wird. (Beifall bei den Grünen.)

Und zu allerletzt möchte ich, wenn das auch sonst niemand tut, darauf verweisen, daß Sie zwar, was die Entwicklungspolitik und die bilaterale Zusammenarbeit betrifft, ein besseres Budget vorgelegt haben als im vergangenen Jahr, daß Sie aber noch immer eine Lücke von 100 Millionen Schilling an Budgetüberschreitung haben, und ich habe die größte Befürchtung – vor allem nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres –, daß diese 100 Millionen Schilling an Budgetüberschreitung nicht zum Tragen kommen, daß sie nur jetzt als Beruhigung dienen, daß sie als Feigenblatt dienen für eine Sparpolitik, die sie nicht im ersten Anlauf, nicht im ersten Ansatz zu


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geben wollen, daß sie eine Beruhigungspille sein sollen für die entwicklungspolitischen Organisationen, damit nicht noch einmal ein solcher Aufschrei durch die Öffentlichkeit geht. Aber ich habe diesbezüglich die massive Befürchtung, und wir werden ein wachsames Auge darauf werfen, daß Sie diese 100 Millionen an Budgetüberschreitung auch wirklich freigeben werden. (Beifall bei den Grünen.)

11.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.18

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Kammerlander, ich glaube, wir werden noch genügend Zeit haben, in diesem Haus über das Problem Tretminen zu diskutieren, nämlich dann, wenn der Antrag eben eingebracht ist.

Was die Entwicklungshilfe betrifft, möchte ich Ihnen sagen, daß wir einen Ausschuß für Entwicklungshilfe haben, in dem wir auch diskutieren werden, aber ich möchte auf eines hinweisen: Es macht manchmal Probleme, die Entwicklungshilfe zu erörtern, weil es die unterschiedlichsten Interessen der unterschiedlichsten Vereine der Entwicklungspolitik gibt, die teilweise diametral entgegengesetzt sind. Ich wäre froh, wenn die verschiedensten Parallelorganisationen zu einer einheitlichen Meinung in bezug auf Entwicklungshilfe kämen. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Kammerlander, ich habe die gleiche Vision wie Sie, daß man durch Prävention militärische Auseinandersetzungen und Konflikte verhindern kann. Aber wie Sie selbst gesagt haben: Sie haben die Vision. Auch ich habe die Vision, aber eine Vision ist nicht etwas, was sofort umzusetzen ist. Wir müssen daran arbeiten, und an dieser gemeinsamen Arbeit wirken wir gerne mit, aber wir müssen die Realität erkennen, daß sich kriegerische Auseinandersetzungen, daß sich Militärauseinandersetzungen nicht immer mit Maßnahmen der Prävention, mit politischer Aktivität, mit Diplomatie vermeiden lassen. Das ist das Problem. Wir müssen daran arbeiten, aber wir können deshalb, weil es eine Vision ist, nicht sofort darauf verzichten, militärisch stabil zu sein – auch aus Sicherheitsgründen für Europa.

Ich weiß nicht, wer es war, aber ein Dissident aus dem vormaligen Jugoslawien hat vor vielen, vielen Jahren gesagt: Wenn der Westen glaubt, auf militärische Abschreckung verzichten zu können, dann ist er verloren, denn nur diese Sprache wird dort verstanden. – Und solange wir diese Diskussion nicht noch breiter gefaßt haben, daß sich mehr Menschen dazu bekennen, mehr Regierungen dazu bekennen, so lange müssen wir auch militärisch stabil und gerüstet sein für Auseinandersetzungen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aber auch darauf eingehen, daß Sie gesagt haben, daß Herr Vizekanzler Dr. Schüssel, als er das Außenministerium übernommen hat, eine Kurskorrektur vorgenommen hätte. Das stimmt überhaupt nicht. In der Außenpolitik ist der Kurs gleichgeblieben. Es gibt sicher Akzentverschiebungen, weil sich auch die Weltpolitik verändert; das ist klar. Darauf muß jeder Außenminister eingehen.

Gerade, weil Sie gesagt haben, wir hätten zu unseren Nachbarstaaten nicht das erstrebenswerte Verhältnis, möchte ich Ihnen erwidern: Da irren Sie sich! Ich habe hier die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch den Herrn Vizekanzler, in der es um das freundschaftliche Verhältnis zu Kroatien geht. Darin sagt er ganz dezidiert:

"Selbstverständlich ergibt sich aus diesem freundschaftlichen Verhältnis auch die Berechtigung und Verpflichtung für Österreich, Kroatien auf Mängel, Mißstände und unzureichende Fortschritte im Bereich der Demokratisierung, der Menschenrechte, des Minderheitenschutzes und ähnliches hinzuweisen."

Dies hat Dr. Schüssel anläßlich seines Besuches in Kroatien getan, und genau das ist gelebte Partnerschaft mit Nachbarländern: nicht nur Vorschriften zu machen, sondern zu diskutieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ich glaube, so soll das auch verstanden werden, damit


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man diese Staaten mit unserem Denken vertraut macht, weil es dort und da noch andere Vorstellungen gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Erweiterung der Europäischen Union um die mittel- und osteuropäischen Staaten, von der Sie gesagt haben, es würde nur darüber gesprochen, wie sie vonstatten geht, kann ich Ihnen sagen, daß darüber sehr viele Gespräche stattfinden. Die Österreichische Volkspartei, die Bundesregierung treten vehement für die Erweiterung der Europäischen Union ein. Es gibt Vorstellungen über eine flexible Art und Weise, wie man diese Erweiterung vornehmen kann.

Unser Beitritt wurde gemeinsam mit dem anderer Staaten in einem Block verhandelt. Und bei diesen gemeinsamen Verhandlungen hat sich schon innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes gezeigt, daß gerade Dr. Schüssel bei seinen internationalen Partnern innerhalb der EFTA-Staaten damals höchste Anerkennung für das Vermitteln von Gesprächen von unterschiedlichsten Positionen erworben hat, was uns geholfen hat und ein leichteres Verhandeln für den Beitritt zur Europäischen Union bedeutet hat.

Das ist gerade jetzt auch für unsere Nachbarstaaten wichtig. Was machen wir jetzt? Wir unterstützen die Nachbarstaaten genauso wie Malta und Zypern. Wir treten dafür ein, daß nach der Regierungskonferenz 1996, die wahrscheinlich erst Ende 1997 zu Ende sein wird, auch mit unseren Nachbarstaaten verhandelt wird. Wir wollen aber nicht, daß in einem Block verhandelt wird, weil wir die unterschiedlichen Positionen erkennen, weil wir erkennen, daß die einzelnen Staaten unterschiedliche Voraussetzungen haben.

Für die Beitrittswerber ist es wichtig, daß politische Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung konform gehen. Unsere Aufgabe ist es, sie darauf hinzuweisen, wie wichtig das ist, wenn man beitritt, darauf hinzuweisen, daß auch die Übernahme des Acquis Communautaire durchgeführt werden muß und daß die wirtschaftliche und politische Verträglichkeit gegeben sein müssen. Darauf weisen wir jetzt bereits in den verschiedensten Gesprächen hin. Ich glaube, das ist für uns von Wichtigkeit für die Zukunft. Damit können wir diese Staaten unterstützen: in vielen Gesprächen, auf verschiedenen Ebenen, was Wirtschaftsbeziehungen betrifft, was die Verwaltung betrifft et cetera. Das machen wir und darin haben wir auch die Anerkennung dieser Staaten. Wann immer Sie mit Leuten aus unseren Nachbarstaaten sprechen, werden Sie merken, daß Österreich in diesem Bereich die höchste Anerkennung hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Das, meine Damen und Herren, ist der eine Teil. – Der zweite Teil, warum es wichtig ist, Europa zu festigen, ist die internationale Herausforderung, die wir haben, die wirtschaftliche Herausforderung, die auch außenpolitisch gesehen immer wichtiger wird. Im OECD-Bericht wird darauf hingewiesen, daß das Wirtschaftswachstum der OECD-Länder in den nächsten 10, 15 Jahren um 10, 15 Prozent zurückgehen wird. Das Wachstum in Ostasien hingegen wird steigen. Damit haben wir uns auseinanderzusetzen. Österreich hat rechtzeitig erkannt, Asien als außenpolitischen Schwerpunkt zu sehen; die Europäische Union auch. Wir treten darüber in Gespräche ein.

In Ostasien gibt es einzelne politische Gruppierungen – ich möchte jetzt gar nicht anführen, welche Gruppierungen sich getroffen haben –, die wirtschaftlich, aber auch politisch zusammenarbeiten wollen. Und mit dieser politischen und wirtschaftlichen Herausforderung hat Europa, hat Österreich zu rechnen. Nur wenn wir gemeinsam – auch Europa – einen Weg finden, können wir in Zukunft für diese wirtschaftliche und außenpolitische Herausforderung gewappnet sein. – Ich weiß diese Aufgabe in den Händen des Außenministers und Vizekanzlers Dr. Schüssel bestens aufgehoben. (Beifall bei der ÖVP.)

11.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

11.25

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der ehemalige Außenminister Dr. Mock hat in seiner


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17. Sitzung / Seite 255

Rede betont, daß Österreich den Vertrag unterschrieben habe und damit die Verpflichtung eingegangen sei, an der Europäischen Währungsunion teilzunehmen.

Meine Damen und Herren! Mit dem Vertrag, den wir unterschrieben haben, haben wir auch die Verpflichtung übernommen, keine eigenen Mautregeln mehr einführen zu dürfen, hier aber wehren wir uns gegen die Bestimmungen, die in dem Vertrag stehen, den wir unterschrieben haben. Gleiches gilt für die Anonymität der Sparbücher. Mit dem Vertrag, den wir unterschrieben haben, haben wir die Anonymität der Sparbücher aufgegeben. Diese Bundesregierung jedoch verspricht der Bevölkerung: Die Anonymität der Sparbücher wird erhalten bleiben.

Also hier ist irgendwo eine Dissonanz gegeben, die aufklärungsbedürftig wäre, meine Damen und Herren, und ich würde Herrn Dr. Mock gerne fragen, warum er es bei seinen "erfolgreichen" Verhandlungen nicht so gemacht hat, wie es die Schweden gemacht haben. Mir liegt ein Papier des schwedischen Außenministeriums vor, aus dem klar und deutlich hervorgeht, daß es sich die Schweden vorbehalten haben, eigenständig in ihrem Parlament darüber zu entscheiden, ob sie an dieser Währungsunion teilnehmen werden oder nicht, meine Herren vom Außenministerium. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich zitiere: "Während der Beitrittsverhandlung wurde von schwedischer Seite eine Erklärung abgegeben, die besagt, daß eine endgültige Stellungnahme hinsichtlich des Übergangs von der zweiten zur dritten Stufe abgegeben werden wird." – Das wurde im Verhandlungsprotokoll festgehalten, meine Herren vom Außenministerium. "Bei den Verhandlungen wurde auch klargestellt", so die Schweden, "daß eine endgültige Stellungnahme zur Frage, ob Schweden an der dritten Stufe teilnehmen wird, letztlich vom schwedischen Reichstag abgegeben wird."

Am 19. Oktober 1995 hat die Regierung in Schweden einen Ausschuß eingesetzt, der die Vor- und Nachteile einer schwedischen Teilnahme an der dritten Stufe, der WWU, analysieren soll, und aufgrund des Ergebnisses dieser Analyse wird schlußendlich entschieden. Warum kann das Schweden? Warum können wir Österreicher das nicht, meine Herren? Wir haben schlecht verhandelt! Einmal mehr ist damit der Beweis erbracht, daß wir schlecht verhandelt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und was steht hier auf einem Papier geschrieben, unterzeichnet noch von Erhard Busek, Schüssels Vorgänger, und von Franz Vranitzky? – Ich zitiere: "Unser Land ist gut vorbereitet für die Europäische Union. In Brüssel hat die Bundesregierung mit großem Erfolg verhandelt." – Ich habe anhand des Beispiels nachgewiesen, daß das nicht der Fall war. – Weiters heißt es: "Es ist uns gelungen, die Interessen unseres Landes in wichtigen Bereichen wie Neutralität, Landwirtschaft, Transit, Grund und Boden zu sichern."

Meine Damen und Herren! Wenn wir das heute noch einmal Revue passieren lassen, sehen wir: Das stimmt ja alles nicht, was da festgehalten wurde.

Herr Präsident, könnten Sie dafür sorgen, daß man sich da etwas ruhiger verhält. (Vizekanzler Dr. Schüssel – der sich im Gespräch mit Abg. Dr. Rasinger befunden hat –: Ich höre Ihnen eh zu!) Aber es stört mich schon wesentlich. (Abg. Dr. Haider – zum Abg. Dr. Rasinger –: Du bist einer, der pausenlos bei der Regierungsbank steht!)

Meine Damen und Herren! Der 13. Oktober wird Zeitpunkt sein, Rechenschaft darüber abzulegen, was von diesen Versprechungen tatsächlich übriggeblieben ist, was von den Versprechungen dieser beispiellosen Regierungspropaganda, die mit viel Steuergeld gemacht wurde, wirklich übriggeblieben ist. Wenn Vertreter deiner Partei (zu Vizekanzler Dr. Schüssel) uns als reaktionär, als antieuropäisch, als kleingeistig verleumdet haben, auf der anderen Seite Cap mit seiner Kollegin Ederer die EU als Schlaraffenland dargestellt haben, als das Land, wo Milch und Honig fließen werden, werden wir am 13. Oktober alle miteinander Rechenschaft darüber abzulegen haben, wer jetzt wirklich recht behalten hat.

Heute wissen wir einmal mehr, daß die Freiheitlichen es waren, die die Dinge richtig gesehen haben. Viele Hoffnungen sind bereits enttäuscht. Unsere Kritik, unsere Warnungen wurden viel


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17. Sitzung / Seite 256

fach bestätigt, weil wir die einzigen waren, die sich mit diesem Thema wirklich ernsthaft auseinandergesetzt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auf zwei außerordentlichen Bundesparteitagen haben wir uns mit diesem Thema auseinandergesetzt: Wir hatten Gastreferenten aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens eingeladen, um wirklich alle Probleme in voller Breite diskutieren zu können. Das Ergebnis, die Hauptkritik war damals: Die Bundesregierung hat nicht optimal verhandelt, innerösterreichische Hausaufgaben wurden nicht erledigt, und ein Bundesstaat à la Maastricht ist der falsche Weg für Europa. Bestätigungen für diese unsere Ansicht haben wir im Laufe des letzten Jahres zuhauf erhalten.

Auch die renommierte "Weltwoche" vom 15. Juni 1995 schreibt: Die österreichische Malaise wird allenfalls marginal im fernen Brüssel erzeugt, zum größten Teil ist sie hausgemacht. In Hauptverantwortung: SPÖ-ÖVP-Regierung. (Abg. Dr. Cap: Pfui gack!) Sie haben die Österreicher weitgehend unvorbereitet nach Europa geführt, und jetzt steht Österreich im europäischen Regen.

Über die Fakten, Kollege Cap, kommen wir nicht hinweg: 50 Milliarden Schilling an Beitrittskosten im ersten Jahr; Verdoppelung des Leistungsbilanzdefizits, in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, bezüglich derer von Ihrer Seite so oft gesagt wird, wie gut Österreich da liege, sind wir inzwischen von Platz 7 auf Platz 13 abgerutscht; der dramatische Anstieg der Arbeitslosigkeit ist bekannt, und der enorme Kaufkraftabfluß mußte vom Finanzminister bereits des öfteren zugegeben werden.

Das alles sind Fakten, die glühende EU-Befürworter äußerst schweigsam und nachdenklich haben werden lassen. Äußerst unsanft sind viele von denen, die ohne Wenn und Aber in diese Europäische Union hineinmarschiert sind, auf den Boden der Realität zurückgeholt worden. Erst vor kurzem hat auf einer Wirtschaftsveranstaltung der Freiheitlichen der glühende Europabefürworter und mein väterlicher Freund Georg Mautner Markhof zugeben müssen: Man muß schon viel Humor haben, um heute noch für einen Beitritt zu sein.

Das Beispiel mit dem Burgenland und wie komisch das dort manchmal läuft, wurde bereits vom Kollegen Haider angeführt: Wir müßten jetzt, damit wir das Geld, das wir nach Brüssel zahlen, zum Teil wieder zurückbekommen, Kredite in der Schweiz aufnehmen, um schlußendlich Arbeitsplätze kurzfristig von Oberösterreich ins Burgenland verlagern zu können – mit einem Aufwand von 10 Millionen Schilling pro Arbeitsplatz! Ich glaube, das ist der Extrakt der Perversion dieser Europäischen Union. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Steindl: Ein Projekt!) – Geh bitte, du kennst dich wirklich nicht aus! Du bist vielleicht ein guter Bürgermeister in Purbach, aber damit hast du dich nicht beschäftigt.

Landwirtschaft zum Beispiel: Die Preise sind im Keller; die Alternative, die ökologische Landwirtschaft, wird jetzt durch die Bestimmungen, gentechnisch manipulierte Lebensmittel nicht kennzeichnen zu müssen – auf der europäischen Ebene beschlossen –, ruiniert. Die österreichischen bäuerlichen Betriebe können auf diesem Markt, auf dem nur der Preis zählt, nicht mithalten, vor allem deshalb, weil die Europäische Union überhaupt kein Interesse hat, die ökologische Landwirtschaft zu fördern. Sonst hätte sie nämlich für die Kennzeichnung der genmanipulierten Lebensmittel gestimmt und nicht dagegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie ist das mit dem Transit? – Kollege Klima hat mir und auch Gurgieser beim Europaforum hoch und heilig versprochen: Alles bestens, der Vertrag wird halten, die Umweltbelastung wird reduziert. – Tatsache ist: 25 Prozent mehr Transit, die Emissionen sind geradezu explodiert. – Na gut, Klima ist mit diesem Vertrag eben ein kleiner Irrtum passiert, wie so vielen Ministern, die da verhandelt haben, Irrtümer passiert sind.

Aber mit den Problemen geht es ja jetzt erst richtig los: Die Diskussion um die anonymen Sparbücher ist eine Kleinigkeit gegen das, was jetzt auf uns zukommt. "Ohne Wenn und Aber": Im Gegensatz zu Schweden, das gescheit verhandelt hat, gehen wir ohne Wenn und Aber in diese Europäische Währungsunion hinein, in eine Währungsunion, von der im "Economist" zu lesen ist – ich zitiere –: "Mit dem Euro soll eine Einheitswährung kommen, der der Geruch des schlechten Geldes bereits vorauseilt."


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Meine Damen und Herren! Momentan sind alle Staaten fleißig damit beschäftigt, die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, und diese Kriterien bringen uns zurzeit ja in gewaltige innenpolitische Turbulenzen, weil diese Kriterien aufzeigen, daß diese Regierung ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Versäumnisse und verfehlte Politik werden jetzt rücksichtslos aufgedeckt. Die Folge? – Belastungspakete à la Sozialdemokratie mit dem Ziel, 100 Milliarden Schilling in zwei Jahren einzusparen. Ich wette heute schon, daß Sie es nicht schaffen werden. (Abg. Dr. Cap: Geisterbahn! – Abg. Dr. Haider: Du bist der Schaffner von der Geisterbahn!) Da können wir wetten, daß wir das nicht schaffen werden.

Das Belastungspaket kostet den Bürger zwar viel, wird aber nicht den Erfolg erzielen, den Sie sich wünschen. Die Wirtschaft wird dadurch derart negativ beeinflußt, daß es zu keinem Wirtschaftswachstum kommen wird. Wir können uns ja die laufenden Korrekturen der Wirtschaftsforschungsinstitute nach unten anschauen. Irgendwann wird das darauf hinauslaufen, daß es überhaupt kein Wachstum mehr geben wird. Das heißt, die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen; vor allem die Jugendarbeitslosigkeit wird für Österreich ein Problem werden. Wir werden damit eine negative Spirale in Gang setzen, mit der wir sehr lange zu kämpfen haben werden.

Auch das sind Folgen Ihrer Versäumnisse und eines übereilten EU-Beitrittes, das muß man der Bevölkerung sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber es hat ja nicht nur Österreich diese Probleme. Fast alle Länder – bis auf Luxemburg – haben die gleichen Probleme mit Schulden, Inflation, steigender Arbeitslosigkeit, und die EU selbst mit ihren Wirtschaftsforschungsinstituten sieht weitere 1,5 Millionen Arbeitslose auf sich zukommen. Dänemark, Großbritannien und das bereits zitierte Schweden haben das rechtzeitig erkannt und sich eigenständig Möglichkeiten geschaffen, um nicht überall teilhaben zu müssen, wenn es irgendwo in die falsche Richtung läuft.

Nur wir müssen ohne Wenn und Aber jetzt all das einstecken, was uns von Ihnen eingebrockt wurde!

Wenn der Euro tatsächlich kommen soll – was passiert denn dann, Herr Kollege Cap? Was passiert, wenn er zeitgerecht, unter Einhaltung aller Fristen, kommen soll? Was müssen die Länder dann tatsächlich tun? (Abg. Dr. Haider: Das ist dem Cap Wurscht!) – Sie werden kurzfristig zu vielen Tricks greifen, wie Experten sagen: Sie werden eigenwillige Statistikverfahren anwenden, sie werden privatisieren, sie werden Ausgaben in die Folgejahre verlagern, sie werden die Kreditaufnahmen stoppen und unter Umständen kurzfristig, für eine Momentaufnahme, mit Ach und Krach – zumindest einige Länder – diese Kriterien erreichen.

Aber was passiert nach dieser Momentaufnahme? Werden diese Kriterien dann auch für einen langen Zeitraum gehalten werden können? – Jeder Experte sagt: Nein, das ist nicht möglich. Und Minister Waigel hat sich ja deshalb Gedanken gemacht. Er hat seinen berühmten Stabilitätspakt in der Öffentlichkeit vorgestellt, von dem aber Haensch sagt: Was sich Waigel vorstellt, wird auf europäischer Ebene nicht kommen.

Was passiert, wenn einige oder viele Länder dann trotz aller Bemühungen nicht konkurrenzfähig sind, wenn sie diese Kriterien nicht halten können? Was passiert dann? Wird dann die Arbeitslosigkeit wieder steigen? – Aller Voraussicht nach, Herr Minister. Aber es wird dann diese Instrumente nicht mehr geben, mit denen man Wirtschaftspolitik machen kann. Abwerten ist dann nicht mehr möglich, rausfliegen können die Länder auch nicht mehr. Also: Was wird sein? – Verstärkte Mobilität quer durch die Mitgliedsstaaten? Wenn Sie mit Ihrer Osterweiterung durchkommen, dann habe ich Angst vor dieser Mobilität, Herr Minister. (Abg. Dr. Cap: Schweitzer, wer hat die Rede geschrieben?)

Weitere soziale Spannungen werden auf uns zukommen, und wir werden größte Probleme haben, die Sie zu verantworten haben, Herr Kollege Cap, Sie mit Ihrer Sozialdemokratie. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Wer hat die Rede geschrieben? Der gehört fristlos entlassen!)


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Oder wir greifen zu Gegenmaßnahmen, und es kommt jährlich nicht nur zum innerösterreichischen Finanzausgleich, sondern auch zum internationalen Finanzausgleich. Sie werden den Leuten schon erklären, warum dieser Finanzausgleich von den Österreichern wieder eine Unsumme von Geldaufwendungen erfordert. Sie werden es ihnen erklären! Sie werden sagen, warum sie jetzt für die EU noch mehr zu bezahlen haben. Die wohlhabenden EU-Länder – und zu denen gehört Österreich Gott sei Dank noch – werden den Nachzüglern verstärkt finanziell unter die Arme greifen müssen.

Kollege Cap, was ist aber, wenn die Schwachen draußen bleiben müssen? Was passiert dann? (Abg. Dr. Cap: Dann sind die Starken drinnen! – Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) – Dann wird die EU wahrscheinlich in der Form – vielleicht Gott sei Dank – nicht weiter bestehen können, denn die starken Abwertungen bei den Draußengebliebenen werden die Wettbewerbssituation nur kurzfristig, wenn überhaupt, verbessern. Dann aber verringern steigende Inflation und steigende Zinsen die Chancen auf die Budgetsanierung und somit den Beitritt zum Club, hat Herr Giscard d’Estaing gesagt, der damit meint, daß der Spaltpilz tief in die EU geraten könnte.

Auch Kollege Ditz hat das richtig erkannt, wenn er sagt, es könne eine Wirtschafts- und Währungsunion nur dann geben, wenn alle eingebunden seien. Verschiedene Eintrittstermine der einzelnen EU-Staaten würden – so Ditz – zu starken Wettbewerbsverzerrungen führen.

Ich hätte dann gerne eine Antwort von Ihnen, Herr Minister Schüssel, was Sie zur Aussage Ihres Kollegen sagen, vor allem dann, wenn Sie wissen, daß zum Beispiel Haensch sagt, daß Italien am Anfang sicherlich nicht dabeisein wird und daß Belgien mit 130 Prozent Verschuldung frühestens im Jahre 2017 an dieser Währungsunion teilnehmen kann.

Ihr Gesinnungsfreund Schröder, Herr Kollege Cap, sagt: Wenn man Gebiete mit unterschiedlicher Wirtschaftskraft zusammenschließt, dann gibt es entweder Wanderungsbewegungen – oder man verhindert diesen Prozeß, indem man gewaltige Transferzahlungen organisiert. All das wird laut Aussagen von Ditz, von Schröder – die nicht zu uns gehören – auf uns zukommen. (Abg. Kiss: Wer ist Schröder?) Schröder kennst du nicht? Pauli, du kommst zuwenig ins Ausland!

Ich meine, daß wir uns überstürzt und schlecht gerüstet auf ein unwiderrufliches Experiment einlassen. Ich bin daher gegen dieses überstürzte Experiment, das aus politischen Gründen vorangetrieben wird, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Ach so, den Schröder meint er!)

Die Kosten für uns werden einmal mehr enorm hoch sein, und das alles nur, weil Sie diese Einheitswährung so früh wollen, weil Sie wieder einmal nicht bereit sind, diesen Schritt ordentlich von unten her vorzubereiten. Ein Diktat von oben ist Ihnen viel lieber.

Angesichts all dieser Unsicherheiten stellt sich für uns die Frage – und wir werden das gemeinsam mit der österreichischen Bevölkerung diskutieren –: Wozu soll die Abschaffung des Schillings gut sein – bei all diesen Unsicherheiten, bei all diesen unbeantworteten Fragen? (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap. – Abg. Dr. Haider – zum Abg. Dr. Cap –: Du hast dir im Leben nie etwas erspart, aber es gibt Tausende fleißige Leute! Du hast dir nie etwas erspart, darum kümmert dich das Problem nicht! Du hast ja bis zum 36. Lebensjahr studiert!) Herr Kollege Cap! Warum sollen wir die eigene Währung, den Schilling, und damit einen wesentlichen Teil der österreichischen Wirtschaftskraft aufgeben? Warum? Können Sie mir das erklären, können Sie das der österreichischen Bevölkerung erklären? (Abg. Dr. Cap: Der Text stimmt jetzt nicht, da fehlt jetzt etwas! Du hast etwas ausgelassen! – Heiterkeit. – Abg. Dr. Haider: Er schreibt sich’s nicht nieder, im Gegensatz zu dir!)

Kollege Cap! Eines sage ich Ihnen – mit den Worten von Giscard d’Estaing: Wenn wir so in die Europäische Währungsunion hineingehen, wie Sie das wollen, dann haben wir die Wahl zwischen Pest und Cholera; das hat Giscard vor rund drei Wochen gesagt.


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Die österreichische Bevölkerung vor diese Wahl zu stellen, zeigt, wie wenig politisches Gespür Sie haben. Wir Freiheitlichen werden mehr politisches Gespür haben. Wir werden der österreichischen Bevölkerung sagen, was sie mit dem Schilling alles aufgeben muß, weil Sie diesen Beitritt wieder einmal schlecht vorbereitet haben. Die Wahlen am 13. Oktober werden ein deutliches Ergebnis bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Schüssel. – Bitte, Herr Minister.

11.42

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich habe mich natürlich absichtlich nach dem Abgeordneten Schweitzer zu Wort gemeldet, weil ich ja gewußt habe, mit welchen Argumenten er in etwa als Schweitzer (Heiterkeit) gegen die Europäische Union agiert. Ich darf mit einem wirklichen Schweizer antworten, mit dem Schweizer Bundespräsidenten Jean-Pascal Delamuraz, der lange Jahre mein Kollege als Wirtschaftsminister war. Dieser hat auf die Frage – dieses Gespräch war sehr interessant –: Sind Sie jetzt froh, daß die Schweiz nicht EU-Mitglied ist, weil Sie doch derzeit sehen, daß Österreich Schwierigkeiten mit der EU, mit der Budgetsanierung, mit der Währungsunion und dem schlechten Meinungsklima hat? geantwortet –: Sicher nicht. Die Zukunft meines Landes liegt in einer Integration in Europa. – Die Wahl ist ganz klar; es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wir sind nicht drinnen und leiden unter der Europäischen Union, oder wir sind drinnen und haben Mitverantwortung in diesen Beschlüssen. Eine andere Lösung gibt es nicht.

Schweitzer, nimm dir ein Beispiel an diesem Schweizer, der eigentlich sehr schön gesagt hat, worum es wirklich geht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Wolfgang, du mußt den Witz erzählen, den er erzählt hat!)

Es ist dies die erste Gelegenheit, daß wir anläßlich des Budgets eine grundsätzliche Auseinandersetzung um die Außenpolitik haben. Ich gebe dem Abgeordneten Frischenschlager durchaus recht, daß es eine kontroversielle Angelegenheit ist, aber trotzdem sind doch auch einige wesentliche gemeinsame Linien sichtbar geworden.

Ich habe zum Beispiel mit großem Interesse der Rede des FPÖ-Obmanns zugehört, und wenn es ernst gemeint ist, dann zeigt das schon auch eine leichte Drehung in Richtung einer differenzierteren Haltung zur Europäischen Union. Er hat gesagt: Wir respektieren das Ergebnis der Volksabstimmung, wir wollen das Beste daraus machen. Ziel ist es, dieses Europa, zu dem Österreich ja gesagt hat, mitzugestalten.

Ich glaube, das ist oder kann durchaus eine Basis für eine gemeinsame außenpolitische Konzeption sein. Ich habe vielleicht eine etwas naive Auffassung von Außenpolitik, aber ich glaube, ein kleines Land braucht eine gemeinsame Außenpolitik, weil es eigentlich nur dann außenpolitisch und in den internationalen Gremien wirklich erfolgreich sein kann.

Daher meine ich, daß viele kritische Bemerkungen, die gekommen sind – von den Rednern der Opposition im besonderen –, die Vergangenheit betreffen und nicht die Gegenwart, etwa die Kritik an der falschen oder zu komplizierten, aufwendigen Kompetenzlage. Ich glaube, da ist uns bei den Koalitionsverhandlungen wirklich eine viel bessere Lösung geglückt.

Es gibt heute eine ganz klare Weichenstellung. Außenpolitisch ist ausschließlich das Außenministerium zuständig, da gibt es überhaupt keine Parallelaktion mehr, aber es gibt eine – hoffentlich – optimale Abstimmung auf nationaler Ebene. Und so muß es sein. Das gilt für jeden Fachminister – und in diesem Sinn ist auch der Bundeskanzler ein Fachminister, der für die nationale Abstimmung in manchen Bereichen, wenn mehrere Ressorts betroffen sind, zuständig ist.

Auch das ist notwendig, damit wir dann in Brüssel mit einer Stimme reden. Das müssen aber auch die einzelnen Fachminister machen. Wenn etwa der Willi Molterer zum Agrarministerrat


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fährt, dann muß er sich in Fragen, die zum Beispiel für die Konsumenten ungeheuer wichtig sind, mit der Gesundheits- und Konsumentenministerin abstimmen. Wenn Frau Minister Krammer in einem Fachministerrat auftritt, muß sie natürlich die Meinung der ressortzuständigen Minister einholen, es muß eine koordinierte Linie gegeben sein. Der Binnenmarktminister – das ist Johannes Ditz als Chef des Wirtschaftsressorts – muß sich natürlich abstimmen.

Wir haben jede Woche im Ministerrat einen eigenen Tagesordnungspunkt nur zu europäischen Angelegenheiten, und nach den ersten zwei Monaten kann man schon sagen, daß fast 60 Prozent der Zeit, die wir im Ministerrat diskutieren, auf die Koordination und Beschlußfassung, auf die Abstimmung der verschiedenen Meinungen in europäischen Angelegenheiten aufgeht.

Daher: Vergessen wir wirklich diese historischen Streitigkeiten; die sind Geschichte. Was wir heute haben, ist, glaube ich, eine sehr vernünftige Basis, mit einer klaren Zuordnung der Verantwortlichkeit, wo eben das Außenministerium die Stimme im wichtigsten Rat ist, nämlich im Rat für allgemeine Angelegenheiten. Es ist ja auch eine ganz bewußte Zielsetzung des Maastricht-Vertrags, daß sich von diesem allgemeinen Rat letztlich alle anderen Fachministerräte ja ableiten.

Auch der Streit um die Personeninterventionen – darf ich das ganz offen sagen, lieber Friedhelm – ist Geschichte. (Abg. Dr. Frischenschlager: Eine wiederkehrende!) Nein, wirklich nicht! Ich verspreche dir, wir werden in dieser Frage überhaupt keine Streitigkeiten mehr haben.

Auch in der Frage des Büros gab es keine Streitereien in Österreich. Es gab in Brüssel eine Diskussion darüber, diese hatte aber wirklich mit der "Farbenlehre" in Wien nichts zu tun.

Am Montag war ich in Luxemburg, und dort hat mir zum Beispiel der Generalsekretär des Europäischen Rates bestätigt, daß der österreichische Vertreter Brunmayr – ein A1-Posten – mittlerweile der Spitzenmann seiner Mitarbeiter ist. Das gleiche wird mir bestätigt von den Generaldirektionen, in denen österreichische Beamte mit Sitz und Stimme agieren können. Und bitte: Franz Fischler ist sicher im Reigen der Kommissäre eine nicht nur körperlich, sondern auch intellektuell und politisch herausragende Figur geworden. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich will mich mit der Aktualität und mit den österreichischen Schwerpunkten der Außenpolitik ganz kurz beschäftigen; wir werden das sicher auch noch vertiefen können.

Für mich ist die österreichische Außenpolitik durch drei große Zielbereiche gekennzeichnet. Ein Bereich ist das klassische, traditionelle Engagement für Menschenrechte und für den Schutz der Minderheiten. Diese Frage ist für uns von außerordentlich großer Bedeutung. Wir haben uns hiefür in den letzten Jahrzehnten – gleichgültig, wer Außenminister war – exemplarisch eingesetzt, und so soll es bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweites großes Thema für uns: gute Nachbarschaftspolitik und – ich bekenne mich dazu – nicht oberlehrerhafte Attitüde. Wir treten nicht an als diejenigen, die jetzt alle anderen das Gute, Wahre und Schöne zu lehren haben. Wir sind gute Freunde, wir sind Nachbarn, wir tragen Kontroversen aus – etwa in der Frage der Atomkraftwerke, auch in der Frage von rechtlichen Situationen, die vor allem in der Nachkriegszeit oder in der Kriegszeit aufgeflammt sind –, aber wir vermengen nicht alles mit jedem.

Bilaterales ist bilateral, Multilaterales ist multilateral zu diskutieren. In diesem Sinn haben wir auch eine exemplarische Qualität an guter Nachbarschaft gewonnen, und natürlich ist unter Nachbarschaft auch immer unser geliebtes Südtirol mitgemeint. Ich sage das ganz bewußt pathetisch, denn die Südtirol-Politik ist nicht irgendeine Randfacette der österreichischen Außenpolitik, sondern wiederum Herzblut in der Geschichte der Zweiten Republik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Erlauben Sie, daß ich einen Satz zu Slowenien sage, und zwar deswegen, weil es gerade sehr aktuell ist. Ich war am Freitag in Laibach und habe eine sehr gute Gesprächsrunde mit allen Vertretern gehabt – vom Präsidenten, Ministerpräsidenten, Außenminister, Bischof, Erzbischof bis zu Oppositions- und Parteiführern. Das war eine sehr gute Runde insofern, als wir erstens


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einen Durchbruch auf dem Weg zum Assoziationsabkommen zur Europäischen Union erzielen konnten. Das slowenische Parlament hat jetzt die notwendigen Beschlüsse gefaßt, die es ermöglichen, den Assoziationsvertrag so rasch wie möglich auch wirklich unterschreiben zu können.

Darüber hinaus haben wir erstmals auch Signale dafür erhalten, daß der Dialog, der auf österreichischer Seite mit den slowenischen Minderheiten ja exemplarisch geführt wird, auch auf der slowenischen Seite beginnt. An dieser Stelle möchte ich auch den Klubs und allen Fraktionssprechern dafür danken, daß sie sich hier wirklich für einen europaweit hohen, ja höchsten Standard der Fragen des Minderheitenschutzes einsetzen. Aber erstmals gibt es auch auf slowenischer Seite Bereitschaft, einen solchen Dialog mit deutschsprechenden Slowenen aufzunehmen. Ich halte das für die Qualität unserer gegenwärtigen und künftigen Beziehungen von großem Interesse und großer Bedeutung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir messen dieser Nachbarschaftspolitik gerade jetzt besondere Bedeutung bei. Ich mache von Jänner bis Juni 25 Auslandsreisen, besuche sämtliche Nachbarstaaten, die Aufnahme ist hervorragend, und ich glaube, davon ausgehend können wir auch – drittes Thema – in der Europapolitik eine ganz andere Rolle spielen.

Wir haben mit diesem Koalitionsabkommen quasi ein Grundgesetz der österreichischen Europapolitik festgeschrieben: Wir wollen an allen zentralen Politikbereichen von Anfang an aktiv und solidarisch mitwirken. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der hoffentlich auch weit über die Grenzen der heutigen Regierungsparteien hinausgeht und hoffentlich auch von den Oppositionsparteien mitgetragen werden kann. Wir wollen von Anfang an aktiv und solidarisch alle europäischen Politiken mitgestalten.

Der erste und große Bereich ist natürlich die Währungsunion. Es sind heute gerade zu diesem Thema viele Wortmeldungen gekommen. Ich glaube, daß man nochmals erwähnen muß, warum es denn zu dieser Wirtschafts- und Währungsunion kommt: Einmal, weil sie ökonomische Vorteile hat. Wir ersparen uns damit natürlich Umrechnungskosten, Transaktionskosten in einer beachtlichen zweistelligen Milliardenhöhe. Und gerade jetzt, wo wir den Standort Österreich im internationalen Wettbewerb stärken müssen, ist es sinnvoll, diesen Kostenvorteil durch eine Währungsunion zu nützen.

Daneben hat aber die Währungsunion etwas, was tief ins politische Selbstverständnis hineinreicht. Sie ist ja auch nicht zufällig im Jahr 1990 auf Initiative von Mitterrand und Kohl erfunden worden. Sie soll auch als Gegengewicht zur deutschen Wiedervereinigung und als Beschleunigung wirken, sie soll die deutsche Einigung in einen europäischen Zusammenhang stellen und soll die Europäische Integration für alle Zeit und Ewigkeit unumkehrbar machen. Es ist wichtig, das zu verstehen.

Es ist natürlich notwendig, daß diese gemeinsame Währung eine ist, die Vertrauen bei den Bürgern, bei den Wirtschaftsleuten, bei den Investoren und bei den Sparern erweckt. Daher ist es wichtig, daß das nicht irgendeine Plastikwährung, sondern eine gute, harte, stabile Währung ist.

Herr Dr. Haider, eines muß schon klar sein: Entweder wir bestehen darauf, daß die Lira drinnen ist, was für uns sehr wichtig wäre, oder man sagt: Es muß eine Währung sein, die so hart wie der Schilling ist. Dann kann unter Umständen eine Währung, die diese Kriterien nicht erfüllt, draußen sein. Das ist aber im wesentlichen das, was auch heute der Fall ist. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. )

Heute haben wir quasi eine Verbindung, fast schon eine Währungsunion, nicht nur Deutschland, auch einige Benelux-Staaten wie etwa Holland, aber auch der Franc hat, zeitweise jedenfalls, solche Elemente gehabt, und Österreich. Vielleicht will man aber auch, daß alle Währungen unter allen Umständen dabei sind, was aus meiner Sicht allerdings keinen Sinn macht.

Ich darf wieder den unverdächtigen Schweizer Zeugen zitieren. Die Frage an Delamuraz war: Wie sehen Sie aus Schweizer Sicht, als einer, der noch nicht der Union angehört, diese


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Währungsunion? – Antwort des Schweizer Bundespräsidenten: Der Erfolg der Währungsunion ist für den Schweizer Franken eine Gnade. Ein zukünftiger Mißerfolg würde eine sehr schwierige Lage schaffen. Es ist im Interesse der Schweiz, daß es einen Erfolg gibt. Das künstlich hohe Niveau des Schweizer Franken kostet uns Milliarden bei den Ausfuhren und beim Tourismus gegenüber der Dollarzone und der italienischen Lira. – Wenn Sie also schon der österreichischen Regierung vielleicht nicht glauben, nehmen Sie den unverdächtigen Schweizer Zeugen, der es ja auch wissen muß! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dritter Bereich: Nach der Reform der Institutionen in Richtung mehr Effizienz – die Rolle der Kleinen muß gestärkt werden –, ist natürlich auch der Kampf um die optimale innere Sicherheit von größter Bedeutung. Diesem Ziel dient Schengen, dient die Kooperation von Europol, die Zusammenarbeit der Drogenfahnder, die Zusammenarbeit gegen die internationale Geldwäsche. Ich teile natürlich vollinhaltlich die Meinungen, die hier gesagt wurden. Kein Mensch, am allerwenigsten ein starkes, gutes, sicheres Land wie Österreich, kann auch nur einen Schatten von Interesse daran haben, zu einer internationalen Geldwäscherzentrale zu werden, daher erfolgt natürlich auch die Einbringung der UN-Drogenkonventionen und vieler anderer Dinge mehr. Daher aber auch der Kampf um eine intensivierte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Wir haben gerade auch im Zusammenhang mit den Koalitionsverhandlungen einige bedeutende Punkte dazu festgeschrieben.

Lassen Sie mich aber auch einen Satz zur Erweiterung der Union sagen. Mich stört ein wenig das Wort "Osterweiterung". Eine sogenannte Osterweiterung würde eigentlich den Gedanken nahelegen, es gäbe heute noch den Ostblock. Aber reden Sie einmal mit einem Tschechen, reden Sie mit einem Slowenen, die werden sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, in einen Topf mit anderen Ländern geworfen zu werden – ich nenne jetzt ganz bewußt keines davon. Und wenn man sich ein bißchen die Fakten ansieht, dann wird man draufkommen, daß die Kluft der heutigen Beitrittskandidaten zu den anderen Mitgliedstaaten gar nicht mehr so groß ist.

Tschechien beispielsweise hat heute bereits ein Bruttosozialprodukt, das höher ist, als es Griechenland zur Zeit seines Beitrittes gehabt hat. Die Zahlen für Ungarn und Polen liegen heute schon deutlich über dem Wert von Portugal zum Zeitpunkt dessen Beitritts. Ich sage das deswegen, um auch die Diskussion ein bißchen zu entschärfen und zu versachlichen. Ja, es ist richtig, eine Osterweiterung, eine Erweiterung um einige beitrittsfähige und beitrittswillige Länder in Mittel- und Osteuropa kann Geld kosten. Aber ich sehe die Frage so: Wenn wir nicht bereit sind, Stabilität zu exportieren, dann droht die Gefahr, daß wir Instabilität importieren! Deswegen macht der Beitritt der Nachbarländer rund um Österreich Sinn für unser Land, für unsere Bürger, für unsere eigene innere und äußere, aber auch wirtschaftliche Sicherheit.

Die zweite Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, lautet: Wie können wir die Zukunft so gestalten, daß die Kosten berechenbar und bewältigbar sind? – Ich glaube daher, daß wir auch die innere Reform in der EU vorantreiben müssen. Es werden nicht alle Programme, die heute selbstverständlich sind, in das 21. Jahrhundert übertragen werden können.

Ich teile natürlich auch die Meinung meiner burgenländischen Freunde, daß es nach Ende der Fünfjahresperiode, in der das Burgenland Ziel-1-Gebiet ist, unser Bestreben sein muß, daß das Burgenland dann eben nicht mehr Ziel-1-Gebiet ist, weil es stark genug geworden ist, aus dieser Armutszone herauszudrängen und damit wieder voll im Wohlstandszug dabeizusein. Das ist doch unser Interesse! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir wissen, daß jene Fragen, die uns Österreichern wichtig sind, heute nicht mehr auf der nationalstaatlichen Ebene gelöst werden können, zum Beispiel die Frage der Arbeit. Wir alle in Europa haben das gleiche Interesse, und zwar, daß wir Beschäftigung schaffen und Arbeitslosigkeit bekämpfen. Wir wissen aber auch, daß die nationale Anstrengung allein zu wenig ist. Natürlich bleibt es nationale Verantwortung, das ist klar, Beschäftigungspolitik bleibt auch im nächsten Jahrhundert nationale Angelegenheit und Verantwortung. Aber es ist besser, uns aufeinander abzustimmen, gemeinsame Spielregeln und Maßnahmen wie Deregulierung,


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Gründerzeit, transeuropäische Netze, Forschungsentwicklungen und so weiter so zu setzen, daß die Beschäftigung in Europa möglichst gestärkt wird.

Umweltfragen: Es ist in unserem Interesse, die Umweltfragen so zu lösen, daß wir über die Grenzen hinweg optimal agieren können, daß wir etwa der Frage der 30, 40 Ost-AKWs größtmögliche Bedeutung beimessen und dort zumindest mit den höchsten westlichen Sicherheitsstandards operieren, genauso wie in der Verkehrspolitik nationale Anstrengungen längst zu wenig sind, wie die Europäische Union heute weltweit der stärkste Zahler in der Entwicklungshilfe geworden ist, wie Friede und Stabilität ja letztlich nicht durch Österreich gesichert werden können, sondern nur in der internationalen Zusammenarbeit. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wurde die Wahl zum Europäischen Parlament am 13. Oktober erwähnt. Das ist eine wichtige Wahl. Das ist keine selbstverständliche Wahl! Paul-Henry Spaak – früherer Außenminister Belgiens und späterer Präsident der Versammlung – hat einmal gesagt, das Europäische Parlament wird erst dann seine Bedeutung haben, wenn seine Mitglieder unmittelbar durch allgemeine Wahlen bestimmt werden. Und das war ein langer, mühsamer Kampf um diese demokratische Wahl eines europäischen Parlaments. Sie ist nicht selbstverständlich!

Werten wir daher die Frage der Wahlen zum Europäischen Parlament nicht ab, indem wir daraus quasi eine Reservevolksabstimmung oder einen innenpolitischen Denkzettel machen wollen. Dazu ist das Europäische Parlament zu schade! Dort geht es darum, die besten, die professionellsten Vertreter zu wählen, die die Interessen unserer Region, Österreichs, der Bundesländer, der Berufsgruppen so vertreten, daß wir für Europa viel erreichen, aber gleichzeitig auch für Österreich das Beste herausholen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

12.02

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich muß Ihnen, Herr Vizekanzler, ein Kompliment machen: Es war wohltuend, daß Sie hier so konzeptiv Stellung genommen haben. Das regt die Diskussion an und kann wirklich behilflich sein, dann vielleicht die eine oder andere unterschiedliche Nuance herauszuarbeiten. Es war aber vor allem das Bemühen dahinter, hier wirklich wieder ein wenig Niveau in die Debatte hereinzubringen, was man ja von Ihrem Vorredner nicht sagen kann. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Denn das, was vorher war, waren interne Ausscheidungskämpfe, wer den glücklosen FPÖ-Wahlkampf zum Europaparlament führen soll: Haider oder Schweitzer? – Ich muß sagen, ich weiß es nicht, denn intellektuell und politisch war kein Unterschied zu erkennen. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Beide haben sich an Tiefe nicht überbieten können. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wenn herauskommen sollte, daß es ein Aufguß der Referendumsargumentation wird, dann kann ich nur sagen: Davon sollten wir Sie nicht abhalten, denn da hat es schon einmal eine 66prozentige Mehrheit als Folge dieser Argumentation gegeben, wo dann die Joghurt-Läuse herumgelaufen sind ... (Zwischenrufe der Abg. Ing. Meischberger und Mag. Schweitzer. ) – Ich weiß, Sie machen die Politik der apokalyptischen Reiter und stellen einfach alles, was Ihnen nur einfällt, in einem Zusammenhang dar, der bar jeder Realität ist. Da wird zum Beispiel eben mit den Joghurt-Läusen argumentiert, wie das damals der Fall war, dann mit der Anonymität der Sparbücher und dann – und da sollten Sie besonders vorsichtig sein! – mit dem "Moloch" der Brüsseler Bürokratie. Als gäbe es da irgendetwas Unkontrollierbares, nicht Erkennbares, alles über dem Kopf der Bürger Entscheidendes; das ist für Sie der "Moloch" der Brüsseler Bürokratie.

Ich will Ihnen folgendes sagen, wenn Sie das schon so darstellen: In den Gängen in Brüssel irren einzelne FPÖ-Europaabgeordnete in der Gegend herum, einsam, allein, keiner will sie.


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Kaum wollen sie eine Tür öffnen, ist sie schon wieder verschlossen. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

Da kann man den Österreichern nur sagen: Das wäre eine verlorene Stimme! Irgendwelche Geisterfahrer in Brüsseler Komplexe zu wählen, die dort nichts umsetzen können, weil ihnen in Wirklichkeit keiner zuhört, weil vor allem keine andere Fraktion will, daß sie dort mitarbeiten, hat keinen Sinn. Sie werden keine Wirksamkeit haben, kein Gewicht haben. Das wird einfach ein Witz sein, wenn Sie dort auftreten! Daher kann ich nur sagen: Ich glaube, das muß man den Österreichern mitteilen, nämlich, welche Rolle Sie dort spielen. Ich verstehe auch, daß Sie sich hier herausstellen und sagen: Wir wollen Brüssel gar nicht – weil Brüssel uns nicht will. Das verstehe ich schon! Das ist die Sandkistenreaktion aus der Kindheit, die Sie hier wiederbeleben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Was habt ihr erreicht? Ein Beispiel!)

Schweitzer! Ich kann schwer mit dir diskutieren, ich habe nicht dieses "hohe" Niveau. Bei dir heißt es ja nur: der Waigel, der Hänsch, wahrscheinlich auch der Giscard d’Estaing und der Schweitzer. Schweitzer ist überall zu Hause! Schweitzer ist international! Da gehen alle Türen auf! Wahrscheinlich ist Schweitzer der einzige, dem die Leute gerne zuhören auf der allerhöchsten Ebene. Wenn das so ist, kann man dich nur beglückwünschen!

Ich bin dafür, man sollte wirklich versuchen, die Diskussion auf den Punkt zu bringen und einmal die Möglichkeit geben, zu debattieren. Wenn man nur Gruselkabinette darstellt, wenn man sich nur als Direktor der Geisterbahn präsentiert, ist es sinnlos! (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Da wird das Ergebnis nur sein, daß alle zittern und nicht zuhören können. Wir wollen ja ein Klima der Debatte schaffen, und nicht das, was Sie hier versuchen, in Ihren Wahlkampf-Trockendock-Übungen im Endeffekt zu präsentieren. – Ich halte das für verhängnisvoll. Aber machen Sie es nur! Sie werden die Antwort kriegen, die Sie schon einmal bei dem Referendum letztendlich auch bekommen haben. Und wir werden alles dafür tun, das zu wiederholen! Das können wir Ihnen heute wirklich versprechen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Da gibt es noch so eine perfide Argumentationslinie. Ein bißchen schimmert so die Haltung durch: Da gibt es also diesen "Moloch" der Bürokratie, und es wird über unseren Kopf entschieden, und daher könnte vielleicht doch die Referendumsdemokratie eine Möglichkeit sein, dem zu entkommen. – Also wie das mit der Referendumsdemokratie bei 15 Mitgliedsstaaten funktionieren soll, weiß ich nicht. Ich bin ja nicht einmal sicher, ob das mit der permanenten Referendumsdemokratie in einem Staat funktioniert. Daß das vielleicht in das Konzept hineinpaßt, das Sie als Oppositionspartei haben, mag ja sein.

Aber man muß ja, bitte, auch an etwas anderes denken. – Frau Abgeordnete Tichy-Schreder hat einen Gedanken geäußert, der mir wirklich sehr wichtig erscheint, und zwar hat sie das Problem – nicht der Joghurt-Läuse! – der Globalisierung der Wirtschaft angesprochen, das Problem der Bedrohung der Standorte, die Frage der Sicherung der Arbeitsplätze, das alles noch in Verbindung mit dem Ausbau der multimedialen Vernetzung, die Frage der Produktivität, die Frage der Produktionen und wo sie in Hinkunft stattfinden werden. Und sie hat berichtet, daß im pazifischen Raum derzeit ein Wachstumsprozeß stattfindet, der weit größer ist als der im OECD-Raum. Und das muß man einmal zu Ende denken, was das bedeutet! Und das haben Sie, Herr Außenminister, ja auch vorhin so am Rande angeschnitten. Da hat es doch Sinn, darüber nachzudenken, was nicht nur Österreich einbringen kann, sondern was wir innerhalb der Europäischen Union mit den anderen Mitgliedsländern einbringen können, damit wir in diesem Globalisierungswettbewerb überhaupt bestehen können, damit es überhaupt noch Arbeitsplätze gibt in Europa, damit der künftige Wachstumsprozeß nicht bald ausschließlich in Malaysia, in China, in Singapur und in Indien vor sich gehen wird.

Das sind die entscheidenden Fragen, die existenziellen Fragen. Und das wird unsere ganze künftige Industriepolitik betreffen, ebenso unsere künftige Sozialpolitik. Der ganze Sozialstaatslevel wird davon abhängen. Davon wird es abhängen, ob wir überhaupt noch Umweltpolitik, Umweltschutz werden finanzieren können; ob wir Sozialpolitik wirklich finanzieren werden können. – Das sind die entscheidenden Fragen, und darauf müßte man sich konzentrieren. Und da plädiere ich für einen seriösen Dialog, auch in die Richtung, daß wir einmal kritisch überlegen:


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Wird die EU das können? – Das war ja eine der konstitutiven Überlegungen, daß wir ja gesagt haben zu einer Europäischen Union, daß wir dort Mitglieder sein wollen, weil wir uns in dieser großen Wirtschaftseinheit, in dieser großen politischen Einheit diesen Herausforderungen wirklich besser stellen und dann wirklich besser bestehen können.

Wie können wir uns dort einbringen? Wie werden die Institutionen sich entwickeln? Wie werden wir unsere Gestaltungsüberlegungen einbringen können als kleines Land und mit welchen Konzeptionen? Da hat es ja schon einmal Anrisse gegeben, wie das in etwa sein könnte, und das muß man jetzt konkretisieren. Und das, denke ich mir, sollte eigentlich auch in einer Wahlbewegung stattfinden, obwohl wir es nicht gewöhnt sind, das zu tun. Aber wir könnten ja versuchen, uns einmal umzustellen, Wahlbewegungen auch dafür zu verwenden, daß man wirklich versucht, in einen politischen Dialog mit den Bürgern zu treten, statt mit Angstparolen zu arbeiten, und ununterbrochen zu glauben, über Angstparolen billiges politisches Kapital schlagen zu können, völlig ohne Rücksicht darauf, was das letztlich bedeuten könnte. Das ist dermaßen verantwortungslos – noch dazu in einer Zeit, in der es darum geht, konzeptive Politik zu betreiben, und es ohnehin schwer genug ist, da Vorurteile gegeben sind und in den anderen EU-Mitgliedsländern die Stimmung nicht wirklich gut ist, weil es halt im Beschäftigungsbereich, im Sicherheitsbereich, im Sozialbereich und, und, und Probleme gibt. Aber das wäre wirklich auch Aufgabe der Opposition, zu versuchen, das aufzugreifen, und zwar nicht nur national, sondern auch im Rahmen der Tätigkeit des Europaparlaments.

Welche Politik werden Sie denn im Europaparlament machen? Welche Inhalte werden Sie dort vertreten? Werden Sie dort weiter mit der Geisterbahn-Rodel in der Gegend herumfahren? Wie werden Sie das dort machen, wenn Sie hier schon versuchen, alle Schlechtigkeiten dieser Welt mit medizinischen und mit sonstigen Vokabularien den Bürgern zu vermitteln? Das ist meine Frage!

Immerhin werden Sie von rund einer Million Bürger gewählt, und es ist nicht egal, wie man mit dieser einen Million Bürger kommuniziert, auch im bezug auf die nächsten Europawahlen. Daher mein Appell, hier eine wirklich sinnvolle, konstruktive Debatte zu führen. Das gilt nicht nur für den Wirtschaftsbereich, sondern das betrifft auch den Komplex der Sicherheitspolitik. Das ist ja auch so ein verlockendes Feld, wo man mit Angstparolen operieren und dauernd sagen kann: Um Gottes Willen! Zitter, zitter! Man agiert verantwortungslos, die ganze Regierung ist ein Durchhaus, nichts funktioniert, alles verrostet, grusel, grusel!

Man kann es natürlich so machen. Na klar! Es wird immer ein paar geben, die das auch glauben, die zu zittern anfangen, die den Haider im Fernsehen sehen und am ganzen Körper zittern – entweder weil sie ihn sehen oder weil sei das glauben, was er sagt, ich weiß es nicht. Jedenfalls: Sie zittern, es gruselt sie. Hören Sie nur zu, Herr Abgeordneter Haider! Es gruselt sie. Das ist immerhin etwas. Schauen Sie sich Ihre eigenen Videos an, vielleicht gruselt es Sie dann auch, wenn Sie sich selber sehen! (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich meine, auch im Bereich der Sicherheitspolitik sollte man überlegen – und ein bißchen Kritik darf ich schon anbringen –, bevor man sagt: Ab in die WEU! Wir wissen zwar noch nicht wie, und wir wissen zwar noch nicht, was sie macht, aber Hauptsache ist, wir sind schnell dort! Mit diesem Konzept kann ich mich nicht ganz abfinden. (Abg. Kiss: Das ist ein Unsinn!)

Lassen Sie uns auch einmal konterversiell diskutieren. Bisher habe ich genug gelobt, jetzt muß ich das ein bisserl ausgleichen. (Abg. Kiss: Nein!)

Noch einmal: Ich meine, darüber sollte man zuerst einmal nachdenken. Ich bin ja nicht so, daß ich nicht sage, ich denke gerne darüber nach, was eine eventuelle Mitgliedschaft in der WEU bedeuten könnte. Nur muß ich wissen, was das soll, in welchem Verhältnis das zur NATO steht, mit welchem Konzept wir dann insgesamt an die Sicherheitskonzeption in Europa gehen, wie wir versuchen können, Osteuropa einzubínden, wie wir versuchen können, in diesen Aspekt auch Rußland einzubinden. Das alles ist ja im globalisierenden Wettbewerb, den wir wirtschaftlich haben werden und wo wir haben wollen, daß Europa ein starker Partner ist, nicht egal. Ein starker Partner ist dann im Endeffekt auch wirtschaftlich, so hoffe ich, wenn das von der


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entsprechenden Wirtschaftspolitik begleitet ist, ein starker Partner, und auch ein Garant für eine globale Friedenspolitik. Das ist ja nicht egal! Daher plädiere ich dafür, daß wir die Gestaltungsüberlegungen hier offener aussprechen, bevor wir diesen Weg beschreiben, sonst ist der Weg das Ziel. Damit macht Citroën seine Geschäfte – aber das dürfen nicht wir machen. Bei uns muß das Ziel das Ziel sein, es darf nicht der Weg das Ziel sein! Das war jetzt ein kurzer philosophischer Exkurs, Herr Abgeordneter Kiss. Aber ich hoffe, Sie können auch da ein wenig mittun. Da sollten wir, so glaube ich, auch unsere Vorstellungen einbringen. (Beifall bei der SPÖ.)

In der Frage der Osterweiterung muß man differenziert an die Sache herangehen. Man kann ja nicht alle osteuropäischen Staaten in einen Topf werfen und sagen, die haben ungefähr den gleichen Entwicklungslevel. Das stimmt ja nicht! Da muß man also differenziert die Sache sehen. Aber man soll sich prinzipiell für eine Integration dieser Länder engagieren. – aus ökonomisch, aus politischen, aus friedenspolitischen Erwägungen und natürlich auch aus Überlegungen globalstrategischer Natur heraus.

Man sollte sich aber folgendes bewußt machen: Man soll ganz, ganz vorsichtig sein, wenn man in all diesen Debatten immer wieder mit der sogenannten österreichischen Extrawurst argumentiert. Da muß man ganz vorsichtig sein, wenn man sagt – plopp, plopp, plopp – wir Österreicher werden aber ... Das hat Abgeordneter Schweizer vorhin mit der "schwedischen Karte" zu machen versucht, indem er meinte: Wie intelligent sind doch die Schweden, die es geschafft haben, eine "Carte blanche" herauszuverhandeln, ob sie der Währungsunion beitreten oder nicht.

Es ist keinem der zwei Redner der Freiheitlichen eingefallen – darum habe ich gesagt, sie haben das gleiche intellektuelle, konzeptive und politische Niveau – , sich die Frage zu stellen, ob die Währungsunion nicht vielleicht auch einen Sinn haben könnte und was dahintersteckt, was da kostenmäßig, ersparnismäßig, wettbewerbsmäßig dahintersteckt, ob man damit nicht resistenter wird gegen so Superspekulanten wie dem Soros und diverse andere Figuren, die ganze Währungen von einzelnen Nationen durcheinanderbringen können.

Das wäre eine interessante Debatte! – nicht immer nur die Nasenringargumentation: Da werden wieder willenlose Österreicher in irgendeinen Kerker hineingeführt und können dort die nächsten hundert Jahre brüllen und buhen. Aber wir, die Befreier, wir, die Blauen, wir, die blauen Engel, die Erzengel, wir werden das alles verhindern, flatter, flatter! Dann flattern Sie kurz mit den Flügeln und glauben, die Sache ist gelaufen. Das ist unverantwortlich!

Daher mein Appell, hier eine wirklich sinnvolle, seriöse Debatte zu führen. Wir sollten alle gemeinsam einen Boden suchen und diese Wahlkampftrockenübungen – wahrscheinlich hat er das Rennen gemacht, denn wenn es verlorengeht, muß er den Kopf abgeben und der Haider kann weitermachen, so wird es ohnehin laufen – unterlassen. Aber intellektuell können beide gemeinsam den Wahlkampf führen. Ich glaube, das ist g’hupft wie g’sprungen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

12.16

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind der Worte schon viele gewechselt worden. Kollege Cap hat hier sein rhetorisches Talent ausgepackt. Allerdings hat es ihm, muß ich sagen – und er wird mich richtig verstehen –, der Gegner leichtgemacht. Man konnte erkennen, daß er viel Spaß dabei gehabt hat, und das halte ich grundsätzlich für positiv, denn man soll sich ja auch bei der Arbeit freuen dürfen, was wir als zuhörende Abgeordnete auch als sehr angenehm erleben.

Ich möchte mich aber jetzt jenen Aspekten zuwenden, die der Kollege Cap verständlicherweise nicht erwähnt hat, weil er da sehr koalitionstreu ist. Er hat zwar ein paar Abgrenzungen vorgenommen, beispielsweise in der sicherheitspolitischen Frage, hat aber die Schwachstellen, die wir insbesondere aus liberaler Sicht in der Außenpolitik sehen, nicht touchiert. Das ist zwar nicht seine Aufgabe, aber er hätte doch das eine oder andere einmahnen können.


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Ich hingegen werde versuchen, einige Dinge einzumahnen, insbesondere was die "Osterweiterung" – unter Anführungszeichen – anlangt. Es wurde hier heute schon einmal die Frage Slowenien im Zusammenhang mit rechtlichen Altlasten in diesem Land thematisiert. Ich bin mir ganz sicher und teile auch die Einschätzung des Herrn Bundesministers, daß man mit der Republik Slowenien diese Aspekte in einer kollegialen, freundschaftlichen, hoffentlich auch hart geführten, aber ehrlichen Diskussion wird ausräumen können.

Aber wir haben vor unserer Haustüre auch andere Beitrittswillige und auch von ihrer wirtschaftlichen Entwicklung her relativ weit fortgeschrittene Länder, mit denen wir vergleichbare Probleme haben. Ich möchte nicht, daß wir uns mit Angelegenheiten, die Tschechien betreffend seine eigene historische Vergangenheit intellektuell noch nicht ganz bewältigt hat, nicht auseinandersetzen. Ich halte es für notwendig, daß irgendwann einmal auch ein ehrliches Wort über die Beneš-Dekrete gesprochen wird.

Ich will das hier jetzt nicht diskutieren, denn das würde zu weit führen. Aber wenn wir uns darüber verschweigen, dann sind wir unaufrichtig, dann sind wir feige, und dann bleiben wir vielen unserer Mitbürger, die längst bei uns als österreichische Staatsbürger integriert leben, etwas schuldig. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich glaube, daß wir da keine Gefälligkeitsdiplomatie und keine politische Kindesweglegung begehen dürfen, indem wir uns damit beruhigt wissen, daß der Freistaat Bayern und Deutschland ohnedies – so recht und schlecht und irgendwie – die Schutzmachtfunktion ausüben. Es geht ja nicht um die Umsetzung schwieriger vermögensrechtlicher Dinge, sondern es geht um die Wiederherstellung der Ehre ermordeter Menschen. Das sollte uns ein Anliegen sein! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das sind Aspekte, die auch in der jetzigen Europäischen Union schon eine gewisse Rolle spielen, wenn auch nicht mit dieser Dramatik, aber immerhin, nämlich die Aspekte Menschenrechte, Grundrechte. Diese scheinen mir vernachlässigt zu werden. Es wird zwar richtigerweise erkannt, daß die politische Integration und die wirtschaftliche Integration zu entwickeln wären, aber den europäischen Grundrechtskatalog und seine Durchsetzbarkeit auf europäischer Ebene vermisse ich in den Positionierungen Österreichs für die EU-Regierungskonferenz in dem Ausmaß, wie wir uns das aus liberaler Sicht wünschen würden.

Es fehlt uns da der Ansatz, den wir aus Sicht eines neu beigetretenen Landes viel leichter vertreten könnten als Staaten, die schon länger in der Gemeinschaft sind. Wir können als neu beigetretenes Land auch eine gewisse, ganz bewußte Blauäugigkeit aufbringen, indem wir sagen: Wir sind jetzt dabei, und wir wünschen uns!

Dieser interaktive Prozeß, um den es dabei gehen muß, ist eben harte Arbeit, denn Österreich ist natürlich ein kleines Land in einer großen Gemeinschaft. Aber vielleicht wäre es innenpolitisch für die österreichische Bundesregierung ganz nützlich, sich bewußt zu machen, daß die Zweidrittelmehrheit, die sie zu Hause hat, nicht auch in Brüssel wirkt. Dort wirkt sie nämlich nicht! Daher wäre es ganz, ganz wichtig, daß man auch bei der Anwendung der eigenen Möglichkeiten im Inland manchmal Bescheidenheit an den Tag legt und mit jenem Augenmaß agiert, das einem auf der internationalen Ebene sehr schmerzlich beigebracht werden wird.

Wenn wir uns nicht für die Festschreibung eines allgemeinen Diskriminierungsverbotes in Ansehung von Staatsbürgerschaft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, ethnische Zugehörigkeit, Behinderung und Alter einsetzen, dann bleiben wir uns selber etwas schuldig. Wenn wir uns nicht dafür einsetzen, daß sich die Unionsbürgerschaft allmählich in Richtung auf eine vollwertige, der Staatsbürgerschaft verwandtere Rechtsfigur entwickelt, dann bleiben wir etwas schuldig.

In diesem Zusammenhang meine ich, daß es insbesondere Österreich gut anstünde, im Bereich des Asylverfahrens auf europäischer Ebene echte Initiativen zu setzen, für echte Harmonisierungen zu sorgen. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Wir haben da etwas gutzumachen. Die Drittlandklausel, die letztlich in diesem Land erfunden wurde, muß von einem gelebten Asylrecht flankiert werden. Dies muß natürlich im europäischen Verbund geschehen. Wenn es gelänge, auf der europäischen Ebene einheitliche Standards zu erreichen, so würde so manches Problem, das wir heute aufgrund der nicht vorhandenen Solidarität unserer europäischen Partnerstaaten haben, nicht mehr existieren.

Daher verstehe ich nicht, was das Hindernis ist, sich in dieser Frage stark zu machen. Möglicherweise liegt der Grund darin, daß wir uns gelegentlich auf anderen internationalen Ebenen in Menschenrechtsfragen etwas schamhaft verhalten. Ich denke dabei an China. China ist ein Problem! (Abg. Dr. Schmidt: Wohlwollend!) Schamhaft oder doppelbödig. Wenn man diese Doppelbödigkeit kaschieren will, dann ist man manchmal vielleicht etwas verschwiegen in Menschenrechtsfragen, damit einem diese doppelte Moral nicht vorgehalten werden kann.

Wenn Bundesrats-Delegationen China bereisen, ohne daß die Menschenrechtsfrage thematisiert wird, und gleichzeitig immerhin dem Präsidenten eines der größeren europäischen Länder bei der Tischrede untersagt wird, das Wort "Menschenrechte" auch nur in den Mund zu nehmen, und er aus der Situation heraus nicht anders handeln konnte, als dann tatsächlich das Wort "Menschenrechte" nicht in den Mund zu nehmen – ich verteidige ihn jetzt nicht, aber ich kann mir den Ablauf ganz gut vorstellen, diese Abläufe sind manchmal recht zwanghaft, und er war offenbar auch nicht Manns genug, sich darüber hinwegzusetzen, wie dem aber auch immer sei –, dann muß ich sagen: Vor diesem Hintergrund schickt man keine Bundesrats-Delegation in solch ein Land! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Kollege Cap hat hier die sicherheitspolitischen Aspekte wie WEU und so weiter angeschnitten. Damit will ich mich jetzt hier nicht auseinandersetzen. Aber ich bringe von gestern etwas hier heute herein: Möglicherweise ist diese eigenwillige Positionierung im Verhältnis zur Türkei und zu den Kurden, die übrigens mit Menschenrechtsproblemen zusammenhängt, da vielleicht eine Nahtstelle. Aber wenn man auf einem Auge blind ist, dann fällt einem natürlich nicht auf, daß das Kurdenproblem, von dem wir gestern gesprochen haben, das Ergebnis einer menschenrechtswidrigen Politik eines NATO-Staates, nämlich der Türkei ist. Und wenn man da bestimmte Wunschvorstellungen hat und weil es der eigenen NATO-Perspektive widerspricht, unterdrückt man vielleicht den Reflex, sich zu sagen, da ist Kritik angesagt.

Nur: Das sind Dinge, die in Ruhe ausdiskutiert werden müssen. Wir sind der Meinung, ohne Westeuropäische Union auf der sicherheitspolitischen Ebene ist keine Lösung für eine europäische Sicherheitsarchitektur möglich. (Beifall beim Liberalen Forum und Beifall der Abg. Dr. Petrovic. )

Wir müssen aber an diesem Gebäude konstruktiv mitwirken und dürfen nicht nur sagen, wir hätten gern die WEU, das ist eine vornehme Adresse, aber was dort geschieht, interessiert uns nicht. Wir werden dann schon zum gegebenen Zeitpunkt in dieses Haus einziehen, wenn es die anderen gebaut und eingerichtet haben.

Dazu sind wir nicht in die Europäische Union eingetreten – um weiterhin in der Loge zu sitzen und zuzuschauen, was auf der Bühne geschieht. Wir müssen viel mehr selber auf die Bühne und mehr agieren.

Wir müssen aber auch begreifen, daß die Europäische Union inzwischen ein Element unserer Innenpolitik geworden ist. Das heißt, wir müssen unseren Umgang mit den Mitwirkungsrechten des Parlaments in Angelegenheiten der EU noch verbessern, die administrativen Abläufe verbessern und auch die Leistungsfähigkeit des Parlaments in diesem Punkt anheben. Wir sind in diesen Fragen der Administration gegenüber nach wie vor unterlegen, sollen aber und wollen auch mitwirken und halten das für einen demokratiepolitischen Fortschritt.

Ich vermisse auch teilweise die volle Übernahme dessen, was der Beitritt zur EU bedeutet, in den einzelnen Ministerien. Wir hatten erst vor wenigen Tagen das wirklich eigentlich für mich erschreckende und mich auch traurig stimmende Phänomen, daß unser Wirtschaftsministerium das Außenhandelsrecht genauso weiter administriert wie bisher, so, als ob wir nicht in die EU eingetreten wären. Es werden weiterhin auch dort, wo es unmittelbar anwendbares EU-Recht


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gibt, österreichische Außenhandelsverordnungen erlassen und dann wieder aufgehoben. Was das für einen Wirtschaftsstandort Österreich bedeutet, wenn plötzlich Parallelrechtsvorschriften existieren, wo dann Gelehrte darüber streiten müssen, welches von beiden jetzt gilt, können wir nur erahnen. Für ein Unternehmen kann das zur Folge haben, daß es seine Rechtsabteilung womöglich um einige Leute erweitern muß, um zu erkennen, ob eine in Österreich im Bundesgesetzblatt verlautbarte Verordnung überhaupt rechtens und notwendig war, und ob sie noch gilt, obwohl sie auf EU-Ebene schon die Rechtsgrundlage verloren hat. Da ist unsere Administration noch stark verbesserungsfähig.

Das trifft nicht das Haus des Herrn Bundesministers, aber das Wirtschaftsministerium war früher sein Haus, und er hat sicher beste Beziehungen zu diesem und wird mir da recht geben können und wollen.

Da ist der Lernprozeß noch viel zu weit hinter der Wirklichkeit zurückgeblieben, und das sind Dinge, die für einen Wirtschaftsstandort extrem nachteilig sind. Wir haben ohnedies das Problem, daß wir mit unserem Binnenrecht eine überbürokratische Situation geschaffen haben; beim nächsten Budgetkapitel werden meine Fraktionskollegen sicherlich darauf ausführlich eingehen. Aber wenn wir jetzt unsere Bürokratie sogar dort noch aufrechterhalten oder ausbauen, wo wir sie überhaupt nicht mehr benötigen würden, weil es bereits europäisch einheitliche Rechtsnormen gibt, die auch unmittelbar anwendbar sind, dann wird die ganze Skurrilität mehr als sichtbar.

Daher nochmals: Wenn man die Europäische Union nicht nur als ausschließlich wirtschaftlich und nicht nur als ausschließlich politisch im bisher Gesagten versteht, sondern wenn man sie auch als Grundrechtsplattform auffaßt, als eine Möglichkeit, daß Österreich in der Weiterentwicklung bei der Durchsetzung von Menschenrechten mitwirkt, dann werden wir auch in der Bevölkerung eine andere Akzeptanz erreichen. Daß der Beitritt zur Europäischen Union in Wirklichkeit ohne Alternative war, hat sich bis auf eine Fraktion in diesem Haus herumgesprochen. Streiten sollten wir uns darüber, wie wir mit unseren Möglichkeiten in der Europäischen Union umgehen. Wir dürfen dabei insbesondere nicht vergessen, daß es auch im Wirtschaftsfeld einige Dinge gibt, die plötzlich außer Evidenz geraten sind.

Außer Evidenz geraten scheint mir auf europäischer Ebene die Energiefrage zu sein. Diesbezüglich lag schon wesentlich mehr auf dem Tisch, als heute aktuell zu sein scheint. Ich glaube daher, daß wir uns auch darauf konzentrieren sollten, das Energiekapitel in den europäischen Verträgen weiter zu betreiben, weil es eine der zentralen Infrastrukturfragen des Kontinents ist, wie wir damit umgehen, und zwar sowohl großflächig als auch kleinräumig, denn nur dann, wenn es da zu einer echten Kooperation kommt – zu einer echten, nicht zu einer auf schiefer Ebene! –, können wir auch die ökologischen Standards, die wir dort erreichen wollen, durchsetzen.

Welche Glaubwürdigkeit haben wir mit einer Politik, die sich mit Sorge den hochrisikoreichen Kernkraftwerken im ehemaligen Ostblock zuwendet, wenn wir keine Weiterentwicklung unserer Energiestrukturen in Westeuropa ermöglichen, wenn wir weiter an einem antiquierten Euratom-Vertrag festhalten, statt ihn weiterzuentwickeln und umzuinterpretieren als eines der Instrumente zur Ermöglichung des Ausstiegs aus dieser Form der Energienutzung.

Jeder, der die wirtschaftlichen Parameter der Kernenergie kennt, weiß, daß diesbezüglich die wirklichen Kosten mit einem Schneepflug vor dem Problem weggeschoben werden, und der Tag rückt näher und näher, wo die wirklichen Kosten dieser Energienutzung schlagend sein werden, und das werden gigantische Kosten sein. Ich erwähne deswegen die Kosten, weil das vielleicht eine Sprache ist, die auch Frankreich versteht, wenn schon die ökologischen und andere Argumente dort nicht greifen sollten. Es ist abenteuerlich zu sehen, wie da der Kopf in den Sand gesteckt wird, wie die Möglichkeiten zu argumentieren, ignoriert werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Lassen Sie mich zum Abschluß noch ein Ceterum censeo einbringen, ein Ceterum censeo für die Felder der Außenpolitik, die nicht Europäische Union, die nicht Erweiterung der Euro


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päischen Union heißen, sondern Entwicklungszusammenarbeit. Diesbezüglich ist schon die Semantik manchmal verräterisch, weil hier gelegentlich statt Entwicklungszusammenarbeit nach wie vor der überholte Begriff "Entwicklungshilfe" verwendet wird. Da haben wir keinerlei Anlaß, auf uns und das, was Österreich leistet, stolz zu sein.

Wenn Kollegin Pollet-Kammerlander die Sorge geäußert hat, daß die Budgetüberschreitung, die in den Raum gestellt wurde, um den Budgetansatz wenigstens einigermaßen am Leben zu erhalten, nicht kommen wird, dann muß ich ihr sagen, das kann man von zwei Seiten her betrachten. Für dieses Sanierungsbudget sind eben nur 850 Millionen vorgesehen, und das Argument, 100 Millionen kommen in Form einer Überschreitung noch dazu, ist nicht akzeptabel, ist doppelbödig, weil das wäre der Budgetwahrheit mit der verkehrten Hand ins Gesicht geschlagen.

Der Skandal ist, daß eben nur 850 Millionen da stehen. Vielleicht wird man eine Budgetüberschreitung machen, ich will mich da jetzt nicht als Prophet ausgeben. Daß die Kollegin Pollet-Kammerlander das bedauert, verstehe ich, weil für sie die wirtschaftliche Dimension der Budgetwahrheit vielleicht nicht so wichtig war und die emotionale Seite bei ihr in Richtung Entwicklungszusammenarbeit durchgegangen ist, aber es sollte beides der Fall sein.

Man muß für Entwicklungszusammenarbeit die notwendigen Budgetmittel zur Verfügung und bei der Budgetwahrheit bleiben – und nicht durch angekündigte Überschreitungen in Höhe von 100 Millionen den Schmerz der humanitär denkenden Menschen zu stillen versuchen und gleichzeitig das erste kleine Loch in den Boden des Budget-Fasses schlagen, wenn wir heute über die Bundeshaushalte sprechen. Dieser Abschlußsatz war mir wichtig. Ich hoffe, es sind nicht mehr solcher kleiner Löcher im Boden dieses Fasses. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte.

12.33

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, jahrelang konsequent verfolgt von der Österreichischen Volkspartei und ihrem Außenminister Alois Mock, war sicher der wichtigste Schritt der österreichischen Außenpolitik in den letzten Jahrzehnten und in der Zweiten Republik.

Motivation war in erster Linie für Österreich sicher die Mitwirkung am österreichischen Friedenswerk, aber auch die Erkenntnis, daß Österreich als kleines Land in Europa seine Probleme nicht alleine lösen kann, wie zum Beispiel die Friedenssicherung oder grenzüberschreitende Umweltbedrohungen, Wanderungsströme oder kriminelle Entwicklungen, wie zum Beispiel der Drogenhandel.

Österreich kann als Vollmitglied in der Europäischen Union Europas Zukunft aktiv mitgestalten – und das ist sicher besser, als ausgeschlossen und isoliert zu sein. Österreich kann auch bei den Weichenstellungen für die Zukunft mitbestimmen und bekommt sie nicht von außen oktroyiert.

Das österreichische Referendum im Jahre 1994 war ein eindrucksvoller Beweis der Österreicherinnen und Österreicher, daß sie in die österreichische Außenpolitik und die Linie der Außenpolitik Vertrauen haben; mit mehr als 66 Prozent haben sie dies eindeutig bewiesen. Die Euphorie dieser Zeit ist sicher einem Alltagstrott und der Alltagsroutine gewichen. Wir müssen die Unzufriedenheit, die in manchen Bereichen spürbar ist, sehr ernst nehmen. Das heißt, daß auch für die Regierung, auch für das Parlament ein permanenter Handlungs- und Informationsbedarf besteht.

Auch Teilen der Bevölkerung fällt die Anpassung an die neue Situation nicht ganz so leicht. Manche Wirtschaftsbereiche spüren die Konkurrenz aus dem Ausland besonders stark, aber gerade österreichischer Einfallsreichtum, Flexibilität und Engagement haben bewiesen, daß Österreich diese Nischen auch nutzen kann. Ein Beispiel dafür sind die österreichischen Bauern,


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von denen bereits mehr als 10 Prozent biologisch wirtschaften und sich damit nicht nur der österreichischen Nachfrage, sondern auch der europäischen Nachfrage anpassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch eine Fülle von Förderprogrammen für Klein- und Mittelbetriebe – wenn ich da nur CRAFT, PHARE oder TACIS nennen darf – helfen der österreichischen Wirtschaft, diese Herausforderung nicht nur anzunehmen, sondern auch zu bewältigen.

Österreich hat sich als EU-Neumitglied seit Beginn 1995 hervorragend und problemlos in die Europäische Union eingefügt. Die Institutionen und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben Österreich von Anfang an als vollwertig akzeptiert, und auf die Stimme Österreichs wurde immer gehört.

Ein wichtiger Punkt ist natürlich die Frage des Wirtschaftsstandortes Österreich in Europa, und dieser Wirtschaftsstandort Österreich hat mit dem Beitritt zur Europäischen Union sicher an Attraktivität gewonnen. Allein die Exportwirtschaft konnte in den Jahren 1994 und 1995 praktisch nach dem Abschluß der Verhandlungen bereits mit plus 9,7 beziehungsweise 8,5 Prozent in diesen beiden Jahren einen wesentlichen Impuls für die österreichische Wirtschaft und damit für österreichische Arbeitsplätze setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch die Auslandsinvestitionen aus den Nichtmitgliedsländern nahmen stark zu, und die Unternehmen haben Österreich als Tor zu Mittel- und Osteuropa anerkannt.

Der Beitritt war sicher trotz der Tatsache, daß Österreich Nettozahler ist, aus wirtschaftlicher Sicht richtig, fließen doch nicht weniger als 21 Milliarden Schilling bis zum Jahr 1999 an Regionalförderung wieder in österreichische Zielgebiete zurück.

Auch die Inflationsrate sinkt seither permanent. Wir hatten 1995 mit 2,3 Prozent den tiefsten Stand seit 1988 erreicht, für 1996 sind 2,2 Prozent und für 1997 sind 1,9 Prozent prognostiziert.

Die wichtigste politische Aktion der Europäischen Union ist die Regierungskonferenz, die im März 1996 in Turin begonnen hat und sicher nicht vor Mitte 1997 abgeschlossen sein wird. Österreich hat seine Grundsatzpositionen dazu dargelegt. Wir legen Wert darauf, in allen Kernbereichen der Europäischen Integration von Anfang an voll dabeizusein, um zur Weiterentwicklung beizutragen.

Die zentrale Herausforderung der Regierungskonferenz ist die Stärkung der Akzeptanz der Union bei den Bürgern, und daß es uns gelingt, europäische Entscheidungsprozesse demokratischer und transparenter zu gestalten. Aber auch die Schaffung optimaler Voraussetzungen für die effektive Einbindung der nationalen Parlamente in die Europäischen Union und der Ausbau der Legislativ- und Kontrollbefugnisse des Europäischen Parlaments, vor allem im Sozial- und Umweltbereich, sind ganz wichtige Komponenten.

Die Stärkung der Zuständigkeiten des Ausschusses der Regionen sowie die effektivere Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips sind ebenso wichtige österreichische Anliegen.

Ein zentraler Punkt der Regierungskonferenz ist sicher das Thema Arbeit und Arbeitslosigkeit in Europa. Diesbezüglich hat Österreich die konkretesten Vorschläge eingebracht: Österreich fordert die Aufwertung der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch Aufnahme in die Zielbestimmungen des EG-Vertrages nach Artikel 2, die Schaffung eines gemeinsamen Überwachungsmechanismus der Mitgliedstaaten und der Kommission und die Einbeziehung des Sozialprotokolls in den EG-Vertrag.

Die ÖVP vertritt auch den zügigen Ausbau der transeuropäischen Netze; das heißt für Österreich: Brenner-Basistunnel und die Inntal-Bahnstrecke sowie die Verbindungen nach Mittel- und Osteuropa, die auch einen wesentlichen Einfluß auf die Arbeitsplatzsicherung in Österreich haben werden. (Beifall bei der ÖVP.)


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Darüber hinaus fordert die Österreichische Volkspartei auch die Aufnahme von Sozial- und Umweltstandards in die Regeln der internationalen Handelsbeziehungen durch die Europäische Union und zusätzliche Anstrengungen der Europäischen Union auf den Gebieten Ausbildung, Forschung und Entwicklung.

Ein wesentlicher Beitrag Österreichs in die Europäische Union waren die hohen österreichische Umweltstandards, die wir bei unserem Beitritt eingebracht haben, und daher ist es auch ein zentrales Anliegen Österreichs, in der Europäischen Union die Umweltpolitik aktiv und fortschrittlich mitzugestalten. Sicher ist es für uns ganz besonders wichtig, die höheren österreichischen Standards abzusichern, aber ein wesentlicher Faktor ist natürlich auch, die EU-Standards anzuheben.

Österreich hat in der Regierungskonferenz auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung für alle Kommissionsvorschläge vorgeschlagen, eine vertragliche Verankerung des Tierschutzes, und vor allem wären Initiativen zur Förderung alternativer Energien und energiesparender Maßnahmen in Osteuropa wichtig. Das ist ein langfristiges Vorhaben, mit dem Ziel des Ausstiegs aus der Kernenergie. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich hätte noch eine Reihe von Maßnahmen, die zum Teil auch schon vom Herrn Außenminister abgehandelt wurden. Ich bitte, mit der Kürze der Zeit hier hauszuhalten. Ich glaube, daß dieser Schritt in die Europäische Union für Österreich ein ganz wichtiger Faktor war und daß Österreich in der Zwischenzeit sehr große Bedeutung in diesem Europa hat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.43

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kurz einige Worte zur Währungsunion und den Konvergenzkriterien. Abgeordneter Haider hat mich nämlich heute in seiner Rede zitiert. Er hat, wenn ich mich recht erinnere, gesagt, daß ich bei einem Symposion der Oesterreichischen Nationalbank, das kürzlich stattgefunden hat, gesagt habe, der Maastricht-Vertrag sei ein "Holler".

Das ist zum Teil richtig, zum Teil nicht ganz richtig. Ich habe bei diesem Nationalbank-Symposion gesagt, daß ich das Ziel der Europäischen Währungsunion für richtig halte – und zwar nicht nur aus ökonomischen, fast mehr aus politischen Gründen –, daß ich aber den Weg dorthin, der im Maastricht-Vertrag vorgezeichnet ist, für eine Fehlkonstruktion halte und insbesondere die sogenannten Maastrichter Konvergenzkriterien für einen – und das ist das Richtige am Zitat – Holler halte. (Abg. Dr. Fuhrmann: Das ist aber ein großer Unterschied!)

Das ist wirklich ein großer Unterschied! Diese Differenzierung zwischen positiver Haltung zur Währungsunion, negativer Haltung zu den Konvergenzkriterien ist mir sehr wichtig. Kurz begründet, warum – ich möchte hier aber kein akademisches Kolleg halten –:

Es gibt keine theoretische Begründung – zumindest keine ökonomische – für diese Art von Konvergenzkriterien. Aus der Theorie optimaler Währungsräume hätte man allenfalls reale Konvergenzkriterien ableiten können – also beispielsweise irgend etwas bezüglich der Ähnlichkeit der Industriestrukturen und dergleichen. Warum? – Je ähnlicher die Wirtschaftsstrukturen sind, desto unwahrscheinlicher ist es, daß sogenannte – jetzt kommt ein Terminus technicus, Sie verzeihen – exogene asymmetrische Schocks eine große Rolle spielen. Und je unwahrscheinlicher solche Schocks, desto eher kann ein Land auch auf das Instrument der autonomen Wechselkurspolitik verzichten.

Die Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrages aber sind ausschließlich monetär, haben mit der realen Entwicklung überhaupt nichts zu tun: Konvergenz der Inflationsraten, Konvergenz der Zinssätze, Stabilität der Wechselkurse einige Zeit vor der Währungsunion und schließlich die


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zwei, wenn ich so sagen darf, berüchtigten Fiskalkriterien: die 3 Prozent beziehungsweise 60 Prozent bezüglich Defizit und Verschuldung.

Die Kriterien bezüglich Inflationsraten und Zinssätze halte ich bestenfalls für überflüssig, jedenfalls für unnotwendig, weil ja in einer Währungsunion die Zinssätze sowieso weitgehend identisch sein werden – abgesehen von speziellen Risikoprämien in bestimmten Ländern –, und die Inflationsraten auch weitgehend identisch sein werden. Es ist also nicht notwendig, daß sie vorher auf diesem Pfad konvergieren. Die Fiskalkriterien halte ich für schädlich, für schädlich schon allein deswegen, weil sie in einer relativ kurzen Zeitspanne einen erheblichen Druck auf eine restriktive Budgetpolitik in allen Ländern der EU gleichzeitig erzeugen und dadurch, zumindest bis 1998, die derzeit gegebene europäische Rezession verschärfen.

Das haben eben die Väter des Maastricht-Vertrages nicht vorausgesehen, kann man argumentieren, Ende der achtziger Jahre war die Konjunktursituation anders. Wie auch immer das sein mag: Aus ökonomischen Motiven ist das nicht begründbar.

Es gibt verschiedene Hypothesen darüber – es gibt relativ eine breite Literatur darüber –, warum diese Konvergenzkriterien trotzdem drinnenstehen: Das reicht von Verschwörungstheorien, die besagen, das sei eine liberal-kapitalistische Verschwörung, um eine konservative Budgetpolitik zu erzwingen, bis hin zu einer zivileren Verschwörungstheorie, die in meinen Augen eher glaubhaft ist, nämlich daß über Deutschland und speziell die Deutsche Bundesbank diese Konvergenzkriterien hineinreklamiert wurden, um die Währungsunion zu erschweren und nicht zu erleichtern. – Dieses zweite Argument ist nicht unplausibel, wenn man sich die Haltung der Deutschen Bundesbank in den letzten Monaten anschaut.

Jedenfalls: Für die Währungsunion als solche sind auch die zwei fiskalischen Konvergenzkriterien weder notwendig noch hinreichend, solange – und das ist allerdings ein wesentlicher Punkt – das sogenannte Bail-out ausgeschlossen ist. Bail-out heißt, daß andere Länder ein hochverschuldetes Land sozusagen nicht freikaufen müssen, wenn die Gefahr der Illiquidität besteht. Ich glaube nicht, daß irgendein europäisches Land in einer solchen unmittelbaren Gefahr steht, aber diese Möglichkeit, diese sogenannte Bail-out-Verpflichtung, ist im Maastricht-Vertrag ausdrücklich ausgeschlossen, und zwar sowohl unmittelbare als auch sogenannte mittelbare Bail-outs.

Also alles, was in einer Währungsunion passieren wird, ist, daß Länder, die – aus welchen Gründen immer – eine sozusagen vom durchschnittlichen Pfad der Tugend abweichende Verschuldungspolitik treiben – das heißt, sich höher verschulden, höhere Defizite zulassen und so weiter –, eine höhere Risikoprämie zahlen werden müssen, das heißt mit anderen Worten, höhere Zinssätze als Länder, die eben eine andere Politik betreiben.

Es gibt viele Leute – nicht nur in Österreich, vor allem in Deutschland, aber auch der Abgeordnete Dr. Haider –, die Sorge tragen – berechtigte Sorge tragen! –, daß der Euro doch eine, wie man so sagt, harte Währung sein sollte. Es ist der Begriff "Härte" nicht eindeutig definiert, aber nehmen wir einmal an, es sind zwei Dinge damit gemeint: sozusagen die Härte nach innen – das kann nur heißen, daß die Inflationsrate in der EU niedrig sein soll – und die Härte nach außen, das heißt, daß der Euro nicht zu den sogenannten Weichwährungen zählt, die ständig unter Abwertungsgefahr stehen.

Ich glaube, dieses Ziel wird grundsätzlich von allen hier Anwesenden im großen und ganzen geteilt; die Frage ist: Sehen die institutionellen Mechanismen in der Europäischen Union vor, daß der Euro eine harte Währung sein wird? – Ich glaube: ja! Viele Leute sind sogar der Ansicht, daß die Vorschriften zu weit gehen. Warum glaube ich das? – Es gibt klare Zielvorgaben für die Europäische Zentralbank, und vor allem gibt es klar geregelte Bestimmungen über die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank gegenüber den nationalen Regierungen.

Diese Unabhängigkeit ist grosso modo der Deutschen Bundesbank nachgebildet, geht aber in wichtigen Details über die Unabhängigkeit der jetzigen Funktionäre, also Direktoren, Generaldirektoren et cetera, der Deutschen Bundesbank noch hinaus, was demokratiepolitisch nicht


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völlig unbedenklich ist. Aber bezüglich der Stabilität der Währung nach innen, glaube ich, sollten Sie insofern keine Bedenken haben.

Was die Härte nach außen betrifft, die Frage, ob das eine auf- oder abwertungsverdächtige Währung sein wird, so kann sich diese Frage dann nur auf Relationen zum Dollar, zum Yen, zum Australischen Dollar usw. beziehen, aber nicht im Innenverhältnis. Darüber kann man sinnvollerweise heute wenig Gesichertes aussagen, das hängt davon ab, wie sich die europäische Industrie im Verhältnis zur amerikanischen oder japanischen Industrie und dergleichen entwickeln wird.

Ich möchte hier nur darauf hinweisen, daß die sogenannte Härte nach außen nicht unbedingt in jeder Sekunde der Weltgeschichte volkswirtschaftlich gesehen etwas Positives sein muß.

Herr Abgeordneter Dr. Prinzhorn von der Freiheitlichen Partei hat mehrfach, wenn ich mich nicht sehr irre, dazu Stellung genommen, daß der Schilling in den letzten – ich weiß nicht – ein oder zwei Jahren zu hart war, in dem Sinn, daß zuwenig flexibel reagiert worden ist beispielsweise auf die Abwertung der Lira oder die Abwertung der Schweden-Krone und von Währungen ähnlicher europäischer Länder, weil sich das auf die internationale Wettbewerbsposition der österreichischen Papierindustrie nicht positiv ausgewirkt hat.

Also vermutlich ist das eine Minderheitsposition innerhalb der FPÖ – jedenfalls steht es in einem gewissen Kontrast zu den Äußerungen des Herrn Dr. Haider von heute.

Innerhalb der Währungsunion kann es ja, wenn sie einmal in Kraft ist, definitionsgemäß zu solchen kompetitiven Abwertungen nicht mehr kommen, genausowenig wie Kärnten gegenüber Oberösterreich abwerten kann, wenn die Kärntner von einem exogenen Schock betroffen sind, oder Vorarlberg gegenüber Burgenland, weil sich eben diese Länder auch in einer Währungsunion befinden, wo der österreichische Schilling Geltung hat – trotz unterschiedlicher Wirtschaftsstrukturen, trotz unterschiedlicher Industriestrukturen.

Also weil zum Beispiel Italien oder Schweden dieses Instrument nicht mehr einsetzen werden können, wenn beide Länder Mitglieder der Währungsunion sind, glaube ich, liegt es auch im Interesse der jetzigen Hartwährungsländer, nicht zu restriktiv bei der Entscheidung zu sein, welche Länder von Anfang an an der Währungsunion teilnehmen werden oder nicht. Es sollte im Interesse Österreichs sein, darauf zu drängen, daß Italien von Anfang an dabeisein wird, natürlich immer vorausgesetzt, wovon ich ausgehe, daß die Mechanismen innerhalb der Europäischen Zentralbank ausreichen, um eine entsprechende Stabilitätspolitik zu betreiben.

Recht hat, glaube ich, Herr Dr. Haider heute gehabt mit dem Hinweis darauf – mit diesem Hinweis ist er durchaus nicht allein –, daß normalerweise die Währungsunion der Schlußstrich einer länger dauernden, intensiven politischen Integration ist. Der Maastricht-Vertrag wählt da gewissermaßen den umgekehrten Weg, zuerst die Währungsunion und dann eine Verstärkung der politischen Integration. Und man kann der Auffassung sein, daß hier ziemlich einmalig in der Geschichte das Pferd beim Schwanz aufgezäumt wird.

Das birgt gewisse Risken in sich, das, glaube ich, wird niemand bestreiten können. Die Frage ist: Was soll man jetzt tun? Ganz im Gegensatz zu meiner sonstigen Rolle meine ich, es ist eine ziemlich akademische Frage, jetzt zu sagen, der Maastricht-Vertrag ist falsch konstruiert, und wir hätten zuerst politisch stärker integrieren müssen, et cetera. Es gibt nun einmal diesen Maastricht-Vertrag, Österreich hat ihn mitunterschrieben durch den Beitritt zur Europäischen Union.

In diesem Maastricht-Vertrag ist auch der Zeitplan für die Währungsunion fixiert, und weniger aus ökonomischen als aus politischen Gründen halte ich es für sehr zweifelhaft, ob man diese Bestimmungen jetzt sozusagen zurücknehmen, in Zweifel ziehen sollte, das heißt mit anderen Worten, eine Neuverhandlung des Maastricht-Vertrages angehen sollte.

Ganz im Gegenteil: Ich glaube, das würde für die europäische Entwicklung, für die politische Handlungsfähigkeit der Union einen sehr starken Rückschlag bedeuten und die anderen großen


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anstehenden Aufgaben, nämlich die Vertiefung der Institutionen, die Reform der Institutionen innerhalb der EU und natürlich die Osterweiterung der EU eher blockieren als fördern.

Auch aus ökonomischer Sicht glaube ich nicht – obwohl es gute Argumente dafür gibt, das gebe ich gerne zu –, daß der Zeitplan in Frage gestellt werden sollte, und zwar glaube ich das nach langer Überlegung deswegen nicht, weil ich die Hauptprobleme der Währungsunion nicht in der Währungsunion als solche sehe, sondern in der Zeit des Übergangs. Da entstehen nämlich die wesentlichen Probleme, und durch eine Erstreckung des Zeitplanes, wenn es auch dafür, wie gesagt, Argumente gibt, werden diese Übergangsprobleme verlängert, aber nicht gelöst.

Im übrigen – damit komme ich schon zum Schluß – lautet meine Ceterum-censeo-Bitte an die jeweils anwesenden Minister, jetzt an den Außenminister – den Finanzminister habe ich diesbezüglich schon erwischt –, den Maastricht-Vertrag auch wieder einmal zu lesen. Ich ersuche Sie, diese Bitte auch an die anderen Außen- und Finanzminister heranzutragen. Der Maastricht-Vertrag ist nämlich keineswegs so formuliert, daß er die Erfüllung dieser 3-Prozent- und 60-Prozent-Ziele sklavisch, dogmatisch vorschreibt. Er enthält so viele vage Formulierungen, die ökonomisch vernünftige Interpretationen durchaus zulassen.

Und ich glaube, diese flexiblen Interpretationen, die angezeigt sind, sollte man vor allem auch den deutschen Kollegen immer wieder nahebringen, denn die Entscheidung darüber, wer letztlich an der ersten Stufe der Währungsunion teilnimmt, sollte nicht den – sage ich etwas spöttisch – fiskalistischen Kriterien überlassen werden, sondern diese Entscheidung ist letztlich eine politische Entscheidung.

Aus der Sicht Österreichs sollte, glaube ich, insbesondere darauf gedrungen werden, daß nicht nur Österreich, Deutschland und die Benelux-Länder plus Frankreich dabei sind, sondern daß auch Italien, auch angesichts der Budgetentwicklung der letzten zwei, drei Jahre, schon bei der ersten Stufe der Währungsunion dabeisein kann. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Fuhrmann. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.58

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, meinen Beitrag mit einem Zitat aus einem gestrigen Interview des UNO-Generalsekretärs Boutros Boutros-Ghali in der Tageszeitung "Die Presse" zu beginnen. Er sagte unter anderem:

"Es ist kein neues, sondern ein altes Problem: Die öffentliche Meinung in den Mitgliedsstaaten -gemeint sind hier: der Vereinten Nationen – ist an der Außenpolitik nicht interessiert. Man muß der öffentlichen Meinung klarlegen, daß man mehr und mehr mit globalen Problemen konfrontiert werden wird. Mit anderen Worten: Wir werden die nationalen Probleme nicht lösen können, wenn wir nicht die internationalen lösen."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ausgehend von diesen Worten des UN-Generalsekretärs möchte ich in diese Debatte etwas einbringen, das bis jetzt verständlicherweise etwas zu kurz gekommen ist, weil natürlich die Politik unseres Landes in der Europäischen Union als Mitglied derselben ein Hauptthema der österreichischen Außenpolitik ist. Die übrigen Aspekte der Außenpolitik kommen daher naturgemäß – noch einmal: nicht kritisch gesagt, sondern nur feststellend – etwas zu kurz. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß wir uns in der internationalen Politik eigentlich in einer sehr interessanten Phase befinden, wo, wie Boutros-Ghali sagt, Globalisierung und Internationalisierung massiv voranschreiten, wir aber andererseits auch festzustellen haben, daß es ein Aufflammen von Nationalismen gibt, daß es Neo-Isolationismus in sehr wichtigen Staaten dieser Welt – ich spreche die USA an –, bei wichtigen Repräsentanten der Politik gibt, dann glaube ich, daß wir Österreicherinnen und Österreicher und naturgemäß als jene, die in diesem Land Politik machen, uns dessen sehr bewußt sein müssen, daß wir nicht in den Fehler verfallen sollten, uns nur auf das zu konzentrieren, was sich


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in Europa tut, uns nur darauf zu konzentrieren, was sich in der Union der 15 tut, und darüber vielleicht allzusehr vernachlässigen, daß es außer diesem einen Kontinent noch vier andere gibt.

Der Herr Außenminister und auch der eine oder andere Redner in dieser Debatte haben das Faktum angesprochen – ich will das gar nicht als Problematik bezeichnen, sondern als Faktum –, daß wir in Asien mit einem rasanten Umbau der dortigen Wirtschaftssysteme, mit einem explosiven Wirtschaftswachstum konfrontiert sind, und daraus ergibt sich natürlich automatisch auch ein entsprechender Umbau der Gesellschaften und, wie anzunehmen ist, auch der Kriterien, nach denen in diesen Ländern Außenpolitik gemacht wird.

Ich weiß mich eines Sinnes mit dem Herrn Vizekanzler, daß natürlich auch bei uns im Außenamt und bei den außenpolitisch Tätigen erkannt ist, daß ein massiver Schwerpunkt unserer Außenpolitik Asien zu sein hat. Wir dürfen dort nicht Boden verlieren und – leicht kritisch angemerkt – nicht noch mehr Boden verlieren, als wir in der Vergangenheit dort schon verloren haben, weil wir in den vergangenen Jahren natürlich alle unsere Ressourcen an Personen, an Aufmerksamkeit, an intellektueller man-power auf unseren geplanten und angestrebten Vollbeitritt zur Europäischen Union konzentriert haben.

Wir werden uns nicht nur im Konzert der 15 der Europäischen Union mit dieser asiatischen Herausforderung zu befassen haben. Ich teile hundertprozentig die Meinung all derer, die klar zum Ausdruck gebracht haben, daß gerade das ein wesentlicher Grund ist, Vollmitglied in der Europäischen Union zu sein, daß es ganz wesentlich ist, die Wirtschaftsunion und damit natürlich auch die Währungsunion so schnell wie möglich zu verwirklichen, um fit zu sein, dieser wirtschaftlichen Herausforderung der sogenannten Tiger-Staaten als alter Kontinent Europa begegnen zu können. Aber es geht halt in der internationalen Politik nicht nur um wirtschaftliche Fragen, es geht auch um viele andere Probleme in der Beziehung der Völker zueinander.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche Afrika an. – Ich habe auch nicht sehr viel Redezeit und kann daher die Themen nur punktuell anreißen. – Auch dieser Kontinent ist ja in einem massiven Umbau begriffen. Das fällt vielleicht bei uns hier in Mitteleuropa nicht so auf, aber wenn man so wie ich in der vergangenen Woche, als ich hier bei der Plenardebatte entschuldigt war, mit Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen bei der Konferenz der IPU in Istanbul war und dort die Debattenbeiträge der Repräsentanten der afrikanischen, der arabischen Welt gehört hat, dann wird einem schlagartig wieder ins Bewußtsein gerufen, daß dort ein noch schlafender Kontinent, ein Kontinent, der sich erst von den Zwängen seiner wirtschaftlichen Problematik, die natürlich von uns Europäern in der Vergangenheit durchaus mit verschuldet und hervorgerufen worden ist, befreien muß, beginnt, sich zu erheben, und auch mit dabeisein will im internationalen Konzert und nicht nur wirtschaftlich. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das heißt, wir dürfen hier natürlich nicht an Boden verlieren, nicht vergessen, daß sich dort auch etwas tut und daß wir als Republik Österreich eigenständig mit den Ländern dieses Kontinentes unsere Kontakte bestmöglich zu pflegen haben.

Für Lateinamerika – ich weiß nicht, ob in der heutigen Debatte überhaupt dieses Wort schon einmal gefallen ist – gilt genau dasselbe, was ich gerade gesagt habe. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Die Frau Staatssekretärin kommt gerade aus Rio!) – Frau Staatssekretärin, ich höre, Sie kommen gerade aus Rio. Daher werden Sie diesen meinen Überlegungen hoffentlich beipflichten. – Die Länder dieses Kontinents sind von unserer Außenpolitik, von unserer eigenständigen Außenpolitik außerhalb jener, die im europäischen Konzert gemacht wird, pfleglichst zu behandeln.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, meine ich, daß es vernünftig ist, sich das aus Anlaß einer solchen Debatte wieder in Erinnerung zu rufen und als Parlamentarier auch bereit zu sein, in den Gremien, in denen man als Parlamentarierin, als Parlamentarier mitarbeiten kann, sich durchaus auch mit den Fragen zu befassen, die außerhalb dieser europäischen, ein bißchen zentrisch ausgerichteten Gedankenwelt stehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe es schon angesprochen: Interparlamentarische Union, OSZE, Vereinte Nationen; da gibt es natürlich ein großes Betätigungsfeld für die österreichische Außenpolitik. Zurückkommend auf Europa möchte ich aber jetzt noch ganz


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gerne folgenden Gedanken einbringen: Vergegenwärtigen wir uns auch, daß Europapolitik nicht nur Politik der Europäischen Union in sich selbst und Politik der Europäischen Union vis-à-vis der anderen europäischen Länder und vielleicht jener, die beitreten wollen, ist, daß sich Europapolitik darin nicht erschöpfen kann und nicht erschöpfen darf, denn Europa ist eben viel, viel größer als die Europäische Union.

Ich meine, daß man eine Woche nach der Sitzung des Nationalrates, in der der Präsident des Hauses die Tatsache der 40jährigen Mitgliedschaft Österreichs beim Europarat gewürdigt hat, das heute auch noch einmal ansprechen kann, weil ich der Überzeugung bin, daß Österreich als jahrzehntelanges Mitglied dieser größten und ältesten Länderorganisation Europas – ich darf Sie daran erinnern: sie umfaßt jetzt immerhin schon 39 Länder mit rund 750 Millionen, also einer dreiviertel Milliarde Menschen – weit über seine Größe hinaus in dieser Organisation in den vergangenen Jahrzehnten Bedeutung gehabt hat und auch heute noch hat.

Meine Damen und Herren! Wir haben bereits einen Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates gestellt – es war der unvergessene Karl Czernetz. Wir haben mit Lujo Ton#i%-Sorinj und Franz Karasek zwei Generalsekretäre gestellt. Und heute ist es so, daß die beiden größten Fraktionen oder Gruppen in dieser Parlamentarischen Versammlung des Europarates österreichische Vorsitzende haben. Faktum ist also, daß ein Volk von nicht ganz 8 Millionen Menschen doch weit über seine Bedeutung hinaus im Europarat Einfluß ausgeübt hat und derzeit auch ausüben kann.

Wenn es nun so ist, daß es sich diese europäische Organisation auf ihre Fahnen geschrieben hat – sie hat das in ihrer bisherigen Geschichte auch sehr gut verwirklicht –, im Rahmen des Möglichen Menschenrechte und Demokratie zu fördern, teilweise verwirklichen zu helfen, dann ist das zum Beispiel auch ein wesentlicher Aspekt einer europäischen Sicherheitspolitik, eines europäischen Sicherheitsdenkens, denn Demokratien pflegen keine Aggressionskriege zu führen. Da es bereits gelungen ist, 39 europäische Länder bis nach Rußland und – ich glaube, das passiert jetzt gerade – heute das 40. Land mit Kroatien aufzunehmen, beziehungsweise wird der Beschluß der Parlamentarischen Versammlung mit dem Vorschlag an den Ministerrat erfolgen, glaube ich, daß dieses bedeutende Diskussionsforum zwischen den Repräsentanten von 40 Ländern dieses Europas, wo es um die essentiellen Grundwerte von – ich sage das jetzt sehr unwissenschaftlich – vernünftigen Staatsgebilden, nämlich um Demokratie und Menschenrechte geht, in all den Überlegungen sicher einen ganz wesentlichen Stellenwert einnimmt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme schon zum Ende, weil die Redezeit, die wir uns ausgemacht haben, im Auslaufen ist, und sage Ihnen: Es ist das ein Thema, über das man wahrlich so reden könnte, wie mir das von meinem Vorgänger erzählt worden ist, der außenpolitischer Sprecher war, wo sich bei einer solchen Budgetdebatte zum Thema Außenpolitik jeweils die Redner – es waren damals viel, viel weniger – hergestellt und eine Tour d΄horizon im Rahmen zwischen in etwa einer Dreiviertelstunde und einer Stunde vorgenommen haben, wobei man natürlich auf vieles eingehen konnte. Wir haben jetzt ein anderes System. Wir teilen uns das alles auf und gehen auf Spezialaspekte ein.

Ich komme zum Schluß: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Vizekanzler und Außenminister und Frau Staatssekretärin! Ich bitte, diese Überlegungen, die ich kurz angeschnitten habe, zu berücksichtigen und aufgrund unserer Konzentration auf die bestmögliche und, wie auch der Herr Außenminister gesagt hat, von Anfang an vollwertige Mitarbeit in der Europäischen Union nicht zu viele geistige Ressourcen und Ressourcen der Aufmerksamkeit zu binden und womöglich wichtige andere Bereiche, die ich soeben abgesprochen habe, versehentlich zu vernachlässigen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.14

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Das ist über weite Strecken ein interessanter Vormittag. Ich teile beileibe


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nicht in jeder Hinsicht die Ansichten meiner Vorredner, auch nicht meiner unmittelbaren, aber es ist mir ein Vergnügen gewesen, sowohl Professor Van der Bellen als auch Willi Fuhrmann zuzuhören, aus dem Bauch heraus, sachlich, fachorientiert, emotionsfrei und ohne Spitze gegen irgend jemand anderen hier zu referieren. Ich habe gerne zugehört, und ich bin dankbar dafür, daß das so vorgebracht worden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen, der SPÖ und den Grünen.)

Wenn wir schon bei diesen versöhnlichen Tönen sind, darf ich auch sagen, daß es mich freut, daß der Herr Bundesminister in seinen Anmerkungen zum Ausdruck gebracht hat, daß er dem Komplex der Avnoj-Bestimmungen, die es in Slowenien nach wie vor gibt, problembewußt gegenübersteht und tatsächlich vorhat, nachhaltig auf die Abschaffung dieses Unrechts zu dringen, weil es eben einfach nicht angeht, daß eine so bösartige, historisch überholte, in keiner Richtung akzeptierbare Normenansammlung einen Staat auf dem Weg nach Europa begleitet.

Die Avnoj-Bestimmungen oder die Regeln von Jaize 1943 und Belgrad 1944 sind Grundlagen für ethnische Säuberungen in eben dem Gebiet schon damals gewesen, in dem sie auch in den jüngst vergangenen Jahren stattgefunden haben. Alle, die Deutsch als Muttersprache gehabt haben, sind aller Rechte verlustig gegangen – aller Rechte, nicht nur aller Vermögensrechte! Das heißt, man hat ihnen das letzte Hemd vom Leib nehmen dürfen – ich sage gar nicht "stehlen", denn es war kein Unrecht – oder den letzten Löffel aus der Hosentasche nehmen können, denn es war kein Unrecht. Man hat sie erschlagen dürfen an der nächsten Ecke, völlig sanktionslos, denn sie haben keine Rechte, auch keine persönlichen Rechte in dieser Hinsicht gehabt, sie waren tatsächlich vogelfrei.

Diesbezüglich gibt es erschütternde Geschichten, die man nachlesen kann, die einem erzählt werden, wie sich das in der Praxis abgespielt hat, aber das würde den Rahmen einer außenpolitischen Debatte in diesem Haus, von diesem Rednerpult aus sprengen. Während der Ausführungen meiner beiden Vorredner habe ich daran gedacht, daß der Abgeordnete Ermacora, Gott habe ihn selig, bei seiner Abschiedsrede dieses Pult als das wichtigste Rednerpult der Republik bezeichnet hat. Von diesem Rednerpult aus wird man bei anderer Gelegenheit auch über diese dunklen Facetten der Geschichte sprechen müssen.

Tatsächlich sind diese Avnoj-Bestimmungen die Basis dafür gewesen, daß man von den zirka 750 000 – 750 000! – Altösterreichern deutscher Zunge im ehemaligen Jugoslawien etwas mehr als die Hälfte außer Landes getrieben hat, den etwas kleineren Teil umgebracht hat. Schlicht und einfach.

Da hat es Dinge gegeben! Ein hoher Geistlicher, der von dort gekommen ist, hat mir in St. Pölten folgendes erzählt – ein geistlicher Funktionär, nicht Bischof Krenn –: Es war die Bevölkerung einer Kleinstadt – zirka 10 000 Einwohner; immerhin relativ groß – in einem großen Sportgelände gefangengehalten, und es hat geheißen: Morgen um 15 Uhr sind alle Kinder bis 15 Jahre abzugeben. Es reicht die Phantasie nicht aus, sich auszumalen, was sich dort abgespielt hat. Tatsächlich sind alle, von den Säuglingen bis zu den Halbwüchsigen, diese Tausenden Kinder am nächsten Tag weggenommen worden. Man hat nie wieder etwas von diesen Kindern gehört oder gesehen: Avnoj-Bestimmungen!

Heute, 53 Jahre später, sind von Nachfolgestaaten, etwa von Kroatien, diese Bestimmungen längst aus dem Rechtsfundus eliminiert. Ein anderer Staat, zum Beispiel Slowenien, um den es hier geht, hat diese Bestimmungen ausdrücklich in das Denationalisierungsgesetz vom 20. 11. 1991 übernommen. Er hat also nicht übersehen, daß es das noch gibt, nicht darauf vergessen, nicht den Standpunkt vertreten, das ist ohnehin schon längst durch desuetudo oder aus welchen Gründen immer nicht mehr Rechtsbestandteil. Nein! Er hat es ausdrücklich in diese gesetzliche Bestimmung aufgenommen.

Das ist relativ praktisch, denn es bewirkt, daß man Altösterreichern deutscher Zunge auch heute noch auf Basis dieser Bestimmungen keinerlei Rechte einzuräumen braucht, ihnen theoretisch – das ist nur heute in der Praxis nicht mehr so einfach – alles wegnehmen kann, ohne daß das Unrechtsgehalt hätte nach der innerstaatlichen Regelung, und sie eigentlich auch umbringen dürfte. Natürlich geht auch das nicht mehr ganz so einfach.


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Es bringt aber offenbar in den Augen Verantwortlicher den Nachteil für die Altösterreicher, daß sich kaum jemand bei Volkszählungen, bei denen nach der Muttersprache gefragt wird, trauen kann, "Deutsch" hineinzuschreiben, weil er noch gut in Erinnerung hat, welche – im wahrsten Sinne des Wortes – vernichtende Folgen das in seiner eigenen Jugend oder bei seinen Eltern oder Großeltern gehabt hat.

Damit in Zusammenhang wird wohl zu sehen sein, daß bei der jüngsten Volkszählung in Slowenien, in diesem kleinen Staat, zwischen 50 000 und 60 000 Personen keine Angabe über ihre Muttersprache gemacht haben – ich behaupte: sich zu machen getraut haben.

Wenn es darum geht, der Volksgruppe der Altösterreicher in diesem jungen Staat Mindestrechte, die jeder Minderheit einfach zustehen, einzuräumen, dann dreht man den Spieß um und sagt, es gibt keine Minderheit, denn niemand bekennt sich zu ihr, außer ein paar Tausend wirklich mutigen Leuten.

Ich glaube, daß man hier wirklich handeln muß! Darum bringe ich das alles noch einmal ausführlich vor und wende mich zur Frau Staatssekretärin und bitte sie, gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister und mit den Mitarbeitern des Hauses diese Fakten richtig zu werten und ihnen entsprechendes Gewicht beizumessen. Es kann nicht angehen, daß Österreich, das eine selbstverständliche moralische Schutzmachtfunktion gegenüber den Altösterreichern deutscher Zunge auch in Slowenien hat, feierlich aus dem Munde seines Außenministers erklärt, sich sicher vornimmt, das auch zu tun: Wir werden euch helfen auf eurem Weg nach Europa!, sich gleichzeitig aber damit abspeisen läßt, daß nur Allgemeinplätze als Antwort auf das selbstverständliche Verlangen, diese geschichtlich – wenn sie jemals Berechtigung gehabt hätten – längst überholten Bestimmungen, die zu verbrecherischen Auswüchsen auch heute noch führen könnten, endlich fallen zu lassen, gegeben werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist eine Selbstverständlichkeit! Ich sage das ganz ernst, ohne jede Polemik – Es ist das kein parteipolitisches Problem –: Es ist im Jahr 1996, an der Schwelle zum dritten Jahrtausend nach Christi Geburt, einfach notwendig, unausweichlich, daß man von solchen Relikten einer unseligen Vergangenheit wegkommt.

Junge Staaten, die vor Selbstbewußtsein zunächst einmal strotzen – das legt sich ja dann, wie wir Österreicher wissen, mit der Zeit –, neigen dazu, zu meinen, sie seien zu stark zum Laufen. Aber man kann ihnen doch energisch sagen: Wenn ihr darauf Wert legt, daß wir euch helfen, wenn ihr wollt, daß wir euch nicht behindern, dann müßt ihr bitte Selbstverständlichkeiten wie die Aufhebung dieser Avnoj-Beschlüsse in euer Programm schreiben! Das ist mein Anliegen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zweytick. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.23

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Diese Problematik, die mein Vorredner hinsichtlich der Anerkennung deutschsprachiger Minderheiten angesprochen hat, betrifft Minderheiten überall auf dieser Welt. Auch wir unterstützen die Anerkennung der Minderheiten schon lange intensivst, mit dem Ziel, diesen Konflikt friedlich im Sinne dieser Menschen zu lösen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das bedeutet, wir haben den Dialog mit den betroffenen Menschen in dieser Region intensivst zu führen. Und dieser Dialog – ich tue mir da leichter, weil ich an der Grenze zu Slowenien wohne und in Marburg sehr viele Freunde habe – wird auch mit diesen Betroffenen geführt. Es ist dies ein Dialog des Friedens, des Miteinanders, des Über-den-Zaun-Schauens und Miteinander-Sprechens. Es geht diesen Menschen um Sicherheit in der Zukunft, um Frieden und den Erhalt ihrer Leistungen aus der Vergangenheit. Diese Leute sind heute großteils schon ältere Menschen, die zufrieden sind und hoffen. Sie warnen vor noch so berechtigten Sticheleien in diesen Fragen der Menschenrechte in ihrer Republik, heute Slowenien. Sie wollen, daß die Intentionen anderer Länder mit Gefühl und Weitblick im Sinne dieser Menschen betrieben


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werden. Diese Menschen stellen nicht unbedingt Forderungen hinsichtlich ihrer Rechte, sie haben ihre Rechte. Diese Menschenrechte sind andere als in Österreich, in Ungarn, aber diese Menschen bekennen sich dazu. Sie wollen nur das Recht, Frieden und Gerechtigkeit zu haben. Sie akzeptieren diesen Zustand und sind auch bereit zu akzeptieren, daß diese Rechte europaweit Bedeutung finden. Für sie soll ein europaweiter gemeinsamer Dialog darüber auch in Zukunft bestehen bleiben. Der Dialog ist unterschiedlich, je nach betroffenen Volksgruppen, ob das jetzt in der Südsteiermark oder in Kärnten ist.

Ich glaube, der gemeinsame Dialog betreffend diese Menschenrechte und Völkergruppen sollte intensiviert werden, denn es kann nur dann zu wirklichen Verbesserungen kommen, wenn in diesem Bereich einheitliche Bekenntnisse und vor allem auch Vorschläge und Wünsche vorliegen, die sich im Rahmen ihrer Sinnhaftigkeit einer Realisierung zuführen lassen. Dann wird es am schnellsten Entscheidungen in dieser Sache geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich freue mich immer wieder, wenn ich mit den Leuten zusammenkomme und vor allem auch einen guten Dialog führen kann. Es kommt dann zu mehr als nur zu einem Dialog, nämlich zu Verständigung, zu Erzählungen aus der Geschichte, aus der Vergangenheit. In meiner Region ist für mich bei einem guten Glaserl Wein das gemeinsame Lied und das Singen sehr wichtig. Heutzutage ist das ja wirklich eine Kultur, die fast nur noch in Kärnten hochgepriesen wird, in den anderen Bundesländern aber immer seltener wird.

Dieses gemeinsame Lied mit diesen deutschsprachigen Slowenen beginnt so, daß wir zuerst slowenische Lieder singen und dann deutsche Lieder – und umgekehrt. Wir haben entlang unserer Grenze sehr viele Volksschulen, in denen wir Slowenischunterricht anbieten. Er wird auch sehr stark angenommen, um miteinander stärker zu kooperieren. Es geht vordergründig mehr um Gemeinsamkeit als um irgendwelche Rechte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Außenminister Mock sagte heute, Europa sollte das andere Wort für Frieden in Zukunft sein. Frieden ist ja in der EU bereits Realität. Für manche Ostländer, vor allem, wenn man es vergleicht mit anderen, zum Beispiel das ehemalige Jugoslawien, kann man das nicht sagen. Dieses Europa muß aber auch für Sicherheit stehen und verantwortlich für diese sein. Das bedeutet, auch die tickenden Zeitbomben an unserer östlichen Staatsgrenze zu entschärfen, gehört zu den wichtigsten Zielen unserer Außenpolitik in und für Europa.

Zehn Jahre nach dem Unfall in Tschernobyl klagen Tausende stumme Opfer an. Sie können sich nicht wehren. Wir aber schon: mit verstärkten Interventionen aller Volksvertreter im Hohen Haus, mit intensivster Solidarität aller Europäer für eine atomfreie Zukunft! Wir müssen vor allem auch mit Rücksicht auf die Zukunft unserer Kinder in diesem Europa für das nächste Jahrhundert Sicherheit schaffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich persönlich bin 70 Kilometer von Krško entfernt. Das ist für meine steirischen, aber auch meine Kärntner Freunde Heimat; Heimat, aber mit Angst verbunden, weil Krško zu den gefährlichsten Reaktoren zählt. Eine Volksbefragung für eine Volksabstimmung für das Abschalten des Reaktors muß jenen Slowenen, die diese durchführen wollen, erst einmal gelingen.

Dazu kommt aber noch, daß Kroatien zu 50 Prozent Besitzer des Atomkraftwerkes ist und derzeit noch jede Diskussion betreffend Alternativlösungen ablehnt. Gerade aufgrund der bevorstehenden Aufnahme in den Europarat sollte verstärkt internationaler Druck auf Kroatien hinsichtlich rascher Gespräche im Zusammenhang mit Krško und Folgen ausgeübt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bringe daher einen


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17. Sitzung / Seite 281

Entschließungsantrag der Abgeordneten Zweytick, Leikam, Schweitzer, Barmüller und Wabl ein, der wie folgt lautet:

Entschließungsantrag

Die Bundesregierung wird ersucht, ihre Politik für ein kernkraftwerkfreies Mitteleuropa zu intensivieren und dabei innerhalb der EU mit den kernenergiekritischen Staaten zusammenzuarbeiten.

Die Bundesregierung wird ersucht, ihre Aktivitäten zur Reduktion des Gefährdungspotentials grenznaher kerntechnischer Anlagen, insbesondere der Kernkraftwerke Dukovany, Bohunice, Paks und Krško fortzusetzen und energiewirtschaftliche Kooperationen und Unterstützungen für die Nachbarländer anzubieten, um dazu beizutragen, die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Nutzung der Kernenergie in diesen Ländern zu schaffen und Alternativen zur Errichtung neuer Kapazitäten, unter anderem für das Kernkraftwerk Mochovce, zu ermöglichen.

In Anbetracht der derzeitigen Situation betreffend das Kernkraftwerk Krško wird die Bundesregierung ersucht, die Arbeiten der eingesetzten slowenisch-österreichischen Arbeitsgruppe zu intensivieren. Darüber hinaus wird die Bundesregierung ersucht, in der EU auf die Schaffung von Finanzierungsinstrumenten für nicht-nukleare Alternativen hinzuwirken, die auch der Republik Slowenien zugänglich gemacht werden sollten.

Die Bundesregierung wird ersucht, zu diesem Zweck wie bisher die erforderliche Unterstützung und die technische Kooperation sowie Energiepartnerschaften anzubieten, welche den Ausstieg aus der nuklearen Option und damit den Übergang auf umweltschonende Energietechniken möglich macht.

Die Bundesregierung wird ersucht, alle Möglichkeiten in ihren bilateralen oder internationalen Kontakten zu nutzen, um den österreichischen Standpunkt hinsichtlich der Ablehnung der Kernenergie und im Interesse grenzüberschreitender Sicherheitsvorkehrungen zu nutzen.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke für Ihre Solidarität in diesem gemeinsamen Antrag. (Allgemeiner Beifall.)

13.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Anschober. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

13.31

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der heutigen, durchaus niveauvollen außenpolitischen Debatte ist meiner Ansicht nach ein Thema noch zu kurz gekommen. (Zwischenruf.) – Danke für den mahnenden Zwischenruf, ich werde mich bemühen, daß er nicht Realität wird.

Ein Thema ist meiner Ansicht nach zu kurz gekommen, ein Thema, über das außenpolitisch in den letzten Jahren zu Recht sehr, sehr viel von österreichischer Seite gesprochen wurde, wo man sich aber die Bilanz sehr kritisch, sehr genau ansehen muß, nämlich was von diesen Reden, von diesen Versprechungen tatsächlich realisiert wurde: der weite Bereich der Umwelt-Außenpolitik, damit ein wesentliches sicherheitspolitsches Thema, und konkret, um es enger zu nennen, natürlich der Bereich der österreichischen Antiatompolitik, die ja von der ehemaligen Umweltministerin in ihrer heutigen Rede auch schon thematisiert wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man muß sich ja nicht die Dokumentationen, die in den letzten Tagen gesandt, geschrieben wurden, zu "Katastrophe Tschernobyl – zehn Jahre danach" ansehen, ich hoffe, wir alle haben auch so noch sehr, sehr gut in Erinnerung, was damals passiert ist, und wissen, wie gravierend die Auswirkungen nach wie vor – nicht nur vor Ort, sondern in weiten Kreisen Europas – sind.


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Ich war letzten Sonntag mit Vertretern der UNO bei einem Lokalaugenschein in Tschernobyl. Das Bild, das sich dort bietet, ist nach wie vor ein verheerendes, ein deprimierendes, mit beängstigenden gesundheitlichen Konsequenzen, die sich gerade jetzt nach zehn Jahren in einer massiven Zunahme der Krebsraten, in jetzt belegbaren genetischen Veränderungen und so weiter in beängstigendem Ausmaß niederschlagen. Wie gravierend die Gesundheitsfolgen langfristig sein werden, kann derzeit noch niemand wirklich beurteilen. All das ist Hypothese. Sie sind aber auf jeden Fall mittlerweile nicht mehr verharmlosbar, zeitlich nicht mehr begrenzbar.

Wenn Sie die Meldungen aus der Ukraine gestern und heute nacht über den Waldbrand, der in der Region Tschernobyl in der 30-Kilometer-Zone entstanden ist, verfolgt haben und hier hören, daß aufgrund der Tatsache, daß es nach wie vor zu einer massiven Kontamination, gerade durch Cäsium, im Bereich dieser Sicherheitszone in den Böden, in den Pflanzen et cetera kommt, Cäsium massiv freigesetzt wurde, können Sie erahnen, daß dies eine lebensgefährliche Hypothek ist, die uns vor zehn Jahren hinterlassen wurde, die uns vermutlich noch Jahrzehnte auf diese lebensgefährliche Art und Weise verfolgen wird.

Gerade angesichts dieser Tatsache ist das Faktum, daß man den Reaktor 1 und 3 vor Ort mit 5 000 Beschäftigten weiterlaufen lassen will, eigentlich ein tagtäglicher menschenverachtender Akt. Gerade der Reaktor 3 ist nur durch eine Mauer vom Sarkophag getrennt, jederzeit kann der Funke überspringen, kann es zu einer Kettenreaktion im Sarkophag kommen und damit Reaktor 3 ebenfalls in Richtung eines größten Unfalls gehen.

In der Ukraine sind am Wochenende als Konsequenz des G-7-Gipfels von Moskau, der ja blamabel geendet hat, was die Atomfrage betrifft, eine historische Chance verspielt hat, auch Meldungen aufgetaucht, daß die Ukraine nun wieder verstärkt in Atomenergie investieren will. Und zwar geht es konkret um zwei Reaktorblöcke, die seit Jahren stillstehen und zu 60 Prozent fertiggebaut sind: Das sind die Reaktorstandorte Rovno und Chmelnizki – beide in der Südwestukraine gelegen. Die sollen nun fertigfinanziert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Intervention der G 7 gibt es einen Antrag bei einem für Österreich interessanten Kreditgeber, nämlich bei der Ost-Wiederaufbaubank, bei der EBRD, mit den gleichen potentiellen Betreibern, wie wir es im Fall Mochovce erlebt haben, nämlich Siemens, Framatom und Electricité de France. Also ein 10-Milliarden-Schilling-Kreditansuchen zum Ausbau des Atompfades der Ukraine zu neuen Hochrisikoreaktoren vom Typ WWER-1000, das ist der Schwesterreaktor zur Temelin-Baulinie. Wenn die EBRD tatsächlich diesem Antrag der G 7 stattgibt, würde das bedeuten, daß österreichisches Kapital direkt in den Ostatomausbau, direkt in den Atomausbau der Ukraine fließt.

Wir werden deshalb heute hier die Gelegenheit nutzen, die Bundesregierung sehr, sehr eindringlich aufzufordern, bei diesem Kreditantrag der G 7 ihr Veto als Mitgliedsland der EBRD einzureichen. Es kann nicht sein und es darf nicht sein, daß zehn Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl mit österreichischem Kapital Atomreaktoren in Osteuropa weitergebaut, fertiggebaut werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, da kann es von der Regierungsseite her heute gleich zu einer Klarstellung kommen. Ich erwarte mir das gleiche Vorgehen wie im Fall Mochovce. Wir werden auch im Europaparlament – ich erhoffe mir die Unterstützung aller Fraktionen dieses Hauses und derer Abgeordneten im Europaparlament – selbstverständlich beim nächstmöglichen Anlaß – das ist die Sitzung vom 8., 9. Mai – initiativ werden, um auch ein Veto des Europaparlaments gegen diese Finanzierungskonzepte, gegen diese 10-Milliarden-Konzepte für neue Atomreaktoren in der Ukraine – wie gesagt, dann auch mit österreichischer Kapitalbeteiligung – zu erreichen! – Das ist der eine Bereich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zweitens: Wir haben in diesem Parlament im vergangenen Jahr bereits einige wesentliche Durchbrüche erzielt, einige sehr, sehr positive Beschlüsse erzielt, was die österreichische Antiatompolitik betrifft. Dieses Parlament hat in zwei Sitzungen im Juli und im Februar des vergangenen Jahres eine Serie von offensiven Maßnahmen für eine engagierte österreichische Antiatom-Außenpolitik beschlossen. Ich war sehr


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froh darüber, daß es Allparteien-Beschlüsse in diesem Haus waren, die die Bundesregierung verpflichtet haben, ganz konkrete Maßnahmen, ganz konkrete Schritte zu setzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun, nach einem Jahr, kann man Bilanz ziehen: Aus diesen Maßnahmen, aus diesen Schritten ist bislang sehr, sehr wenig geworden. Es gibt ganz wesentliche Bereiche, rund 90 Prozent der Anträge, die bis zum heutigen Tag von der Bundesregierung nicht erfüllt sind. Es gibt ganz wesentliche Bereiche, die noch nicht einmal angegangen wurden. Es gibt ganz wesentliche Bereiche, wo die Bundesregierung genau das Gegenteil dessen getan hat, wozu es das Parlament im vergangenen Jahr verpflichtet hat; etwa die massive Beschneidung des Ost-Ökofonds als Möglichkeit, rasch tätig zu werden.

Das Parlament hat – Sie können sich daran erinnern – am 9. Februar des vergangenen Jahres die Forderung ausgesprochen, man möge die Mittel dieser Förderungsinstrumente eindeutig erhöhen – so war die Forderung des Parlaments. Die Realität schaut so aus, daß von den einst 250 Millionen Schilling des Ost-Ökofonds mittlerweile im neuen Budget nur mehr 150 Millionen Schilling übrig sind. Und selbst diese sind als allgemeine Umweltförderung nicht mehr explizit für den osteuropäischen Bereich gewidmet. Man kann daher sagen, daß es zumindest zu einer Halbierung dieser Summe gekommen ist. Angesichts der Aufforderung und der klaren Entschließung des Parlaments ist das an und für sich eine Farce, die, so meine ich, das Parlament sich nicht unwidersprochen gefallen lassen und nicht hinnehmen kann.

Weitere Forderung des Parlaments, die von der Bundesregierung bisher nicht erfüllt wurde: der Umbau von Euratom von einer klaren Atomförderungsgemeinschaft hin zu einer Ausstiegsgemeinschaft. Diesbezüglich hat es keine Tätigkeiten der Bundesregierung gegeben. Und wenn man sich den Absichtsbericht vom Montag dieser Woche bezüglich Regierungskonferenz im Herbst dieses Jahres durchliest, muß man deprimierterweise feststellen, daß das Wort "Euratom", der Umbau und die österreichischen Forderungen nicht vorkommen, ja nicht einmal das Wort "Atom" kommt mehr vor. Es gibt nicht einmal mehr einen Nebensatz, es gibt gar kein Wort mehr darüber. Dieses Thema ist entsorgt, und das ist eigentlich zehn Jahre nach Tschernobyl ein trauriges Zeichen für diese Bundesregierung und für die immer wieder proklamierten Versprechungen, man wolle ja eine Veränderung von innen im europäischen Bereich erreichen. Jetzt hätten wir die Chance dazu bei dieser Regierungskonferenz, wir hätten die Chance, die Atompolitik auf die Tagesordnung zu bringen beziehungsweise dies zu beantragen, sie wurde aber auf eine ziemlich traurige Art und Weise verspielt.

Offen sind auch noch folgende Forderungen: Atomhaftung, Überarbeitung bilateraler Atomabkommen, Anträge auf Veränderung der Internationalen Atomenergie-Organisation und Ausstiegskonzepte für die Schrottreaktoren an unserer Grenze, um den benachbarten Regierungen den Ausstieg zu ermöglichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist eine triste Bilanz nach diesem Durchbruch im vergangenen Februar, nach diesen Fünfparteienbeschlüssen. Ich habe mir lange überlegt, ob wir jetzt seitens des Parlaments sozusagen einen Beharrungsbeschluß beantragen sollen, aber ich glaube, die Effizienz von Beschlüssen nimmt nicht zu, wenn wir sie vier- oder fünfmal wiederholen, sondern es muß ganz einfach seitens jeder Partei die Aufforderung an die Bundesregierung ergehen, das raschest umzusetzen, was nicht nur dem Sicherheitsbedürfnis der Österreicherinnen und Österreicher entsprechen würde, sondern auch die Umsetzung der Forderung, aus diesen Schrottreaktoren, die Lebensgefahr in sich bergen, auszusteigen, forcieren würde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es bleibt aber nicht dabei, es ist noch ein interessanter Brief mit Datum 4. März 1996 unterwegs, in dem – jetzt würde ich mir die ungeteilte Aufmerksamkeit der Frau Staatssekretärin wünschen, da es nämlich ein Brief des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten ist – auf dieses Paket von so positiven, offensiven Antiatombeschlüssen des Parlaments Bezug genommen wird. Den interessanten Absatz daraus lese ich Ihnen vor – ich zitiere –:


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Zu Ihrem Hinweis auf die Entschließung des Nationalrates vom 9. Februar 1995 betreffend Alternativen zur möglichen Fertigstellung des Kernkraftwerkes Mochovce – als ein Beispiel für diese rund Dutzend konkreten Beschlüsse des Hohen Hauses – ist zunächst zu bemerken, daß diese Entschließung mit der Auflösung des Nationalrates, der sie beschlossen hat, und dem Rücktritt der Bundesregierung, an die sie gerichtet ist, ihre Geltung verloren hat. (Abg. Öllinger: Unglaublich!)

Frau Staatssekretärin! Ich kann mir nicht vorstellen, daß das ernst gemeint ist. Das ist ja eine Frotzelei, eine Verhöhnung dieses Hauses, so unter dem Motto, jetzt müssen wir alljährlich die gleichen Beschlüsse fassen, wer weiß, vielleicht kommt uns die Regierung wieder abhanden. Vielleicht wird wieder neu gewählt, dann müssen wir die gleiche Prozedur wieder durchmachen. Das kann doch so nicht gemeint sein!

Stellen Sie bitte heute hier klar und deutlich fest, daß die Beschlüsse des Parlaments in Richtung Antiatommaßnahmen, diese Forderungen an die Bundesregierung vom vergangenen Februar nach wie vor Auftrag für diese Bundesregierung sind. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist, glaube ich, ganz wesentlich, denn wenn Sie diese Feststellung hier nicht treffen, dann müssen wir uns die Mühe machen, die gleichen Anträge wieder einzubringen. Wir können uns diese Prozedur an und für sich ersparen, wenn wir eine klare Aussage von der Regierungsbank aus dazu haben.

Dritter Bereich: Ich hoffe, daß es dem heutigen Krško-Beschluß, dem heutigen Krško-Antrag nicht so ergeht wie den Beschlüssen des vergangenen Jahres. Ich bin froh, daß es Abgeordnetem Wabl, der ja ein Vorkämpfer für die Schließung von Krško ist, nach 20 Anläufen gelungen ist, einen Fünfparteienantrag zu formulieren, der erstmals konkrete Maßnahmen vorsieht, der sich erstmals auch direkt an die slowenische Regierung wendet und der gerade in dieser sensiblen Phase die innerstaatliche Entscheidung Sloweniens über Krško wesentlich bestimmen könnte, wenn es tatsächlich zu konkreten Alternativangeboten, zu konkreten Hilfsangeboten kommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Jahr nach diesen Antiatomanträgen, zehn Jahre nach Tschernobyl muß man sagen: Die Bilanz ist triste, die Bilanz der Bundesregierung bezüglich dieser Antiatompolitik ist triste! Wir haben eine unglaubliche Anhäufung von Ankündigungen, von Versprechungen von Maßnahmen, aber daraus wurde bisher nichts. Ich habe das Gefühl, diese Bundesregierung ist in der Antiatompolitik mittlerweile in tiefe Resignation verfallen, sie wirkt apathisch. Ein Antiatomtiefschlaf ist deutlich vernehmbar, das ist aber auch das einzige, das derzeit an konkreten Protesten, an konkreten Ausstiegskonzepten, an konkreten Initiativen innerhalb der EU zu hören ist. Von konkreten Allianzen etwa mit anderen atomfreien Ländern Europas ist derzeit nichts zu vernehmen.

Ich hoffe, daß sich vor dem Hintergrund dieser doch nun wieder intensiver werdenden Diskussion am zehnten Jahrestag nach Tschernobyl diese Bundesregierung dazu bekennt, daß die Beschlüsse des Parlaments ernst genommen werden, und daß es zu einem Wiedererwachen, zu einer neuen Offensive der Antiatompolitik der österreichischen Bundesregierung kommt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jäger. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.47

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Von Jahr zu Jahr gibt es mehr Österreicherinnen und Österreicher, die in die Länder des Südens auf Urlaub fahren; es sind die Sehnsucht nach der Schönheit karibischer Strände, die Abenteuer im Regenwald und die Faszination fremder Völker und Kulturen. Unsere leistungsfähige Technik und die Globalisierung machen dies aber erst möglich. Die Globalisierung der Wirtschaft führt aber auch dazu, daß sich aufgrund eines freien


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Welthandels und dank neuer Kommunikations- und Transportmöglichkeiten die Industriekonzerne weltweit die günstigsten Produktionsstandorte aussuchen können. Es ist heute schon mehrmals angesprochen worden: Wir haben jetzt einen Wirtschaftsaufschwung vor allem in Asien.

Die Auswirkungen dieser Globalisierung der Wirtschaft spüren wir tagtäglich – ich denke nur daran, wieviel Industriestandorte in Österreich verlagert werden. Einerseits können wir durch die Liberalisierung des Welthandels alle Produkte dieser Welt kaufen, andererseits können immer weniger Menschen an diesem Wohlstand teilhaben. Zusätzlich bekommen immer mehr Menschen auch die Schattenseiten dieser Industrialisierung und Technologisierung zu spüren. Die unwiederbringliche Zerstörung ganzer Landschaften ist nur ein Beispiel dafür. Mein Vorredner hat schon angesprochen, was derzeit nach der Katastrophe von Tschernobyl in Rußland passiert.

Zunehmende Umweltkatastrophen führen bei wachsender Weltbevölkerung zu Verelendung, zu Verteilungskriegen und zu Landflucht. Die traurigen Bilder dieser Gegenwart werden uns täglich via Fernsehen vor Augen geführt. Es ist so, daß alle Fakten über den Zustand der Welt auf dem Tisch liegen. Es gibt keinen Mangel an Wissen, sondern einen Mangel an politischem Handeln! Bei mehreren großen Weltkonferenzen – ich denke an die Umweltkonferenz in Rio, an die Weltfrauenkonferenz sowie an den Weltsozialgipfel in Kopenhagen – sind die großen weltweiten sozialen und ökologischen Probleme dargestellt worden. 108 Staats- und Regierungschefs haben in Kopenhagen anläßlich des Sozialgipfels zur Zusammenarbeit von Regierungen und Nichtregierungsorganisationen aufgerufen, um die weltweiten sozialen Probleme in den Griff zu bekommen.

Diese politischen Versprechungen, die Lebensbedingungen der Mehrheit der Menschen zu verbessern, müssen wir jetzt umsetzen. Wir alle sind dazu aufgerufen, an der Umsetzung dieser Beschlüsse aktiv mitzuwirken. (Beifall bei der SPÖ.) Gerade die Entwicklungszusammenarbeit leistet hier einen wertvollen Beitrag für unsere politische Zukunft und ist ein Gebot der Stunde.

Ich möchte ganz kurz drei Problembereiche anschneiden, die in diesem Zusammenhang zu sehen sind. Das ist erstens die weltweite Verschuldung. Vor allem den Staaten und Regierungen in der sogenannten Dritten Welt droht vielfach der finanzielle Ruin. Die hohe Schuldenlast bedroht nicht nur die Regierungen, sondern auch Millionen Menschen sind derzeit in ihren Lebensgrundlagen bedroht.

Dem Weltentwicklungsbericht 1995 der Weltbank zufolge betrug die Auslandsverschuldung der 45 ärmsten Länder 1 100 Milliarden Schilling. Um diesen Verpflichtungen nur annähernd nachzukommen, steigern die verschuldeten Länder die Exporte, was wieder großteils Raubbau an der Natur und Migration zur Folge hat.

Ich begrüße in diesem Zusammenhang die vom österreichischen Bundeskanzler in Kopenhagen zugesagte Schuldenstreichung für die ärmsten Länder des Südens in der Höhe von 1 Milliarde Schilling und bin davon überzeugt, daß wir noch heuer mit der Realisierung beginnen können. (Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. ) Kluge politische Handlungen sind nicht immer populär, aber ich denke trotzdem, daß diese Schuldenstreichung dringend notwendig war. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens: Verarmung und Verelendung. Heute ist auch von einigen Vorrednern schon angesprochen worden, daß Länder in Afrika aus dem Weltmarkt herausgenommen werden, weil sie keine interessanten Produkte anbieten können. Es kann doch nicht so sein, daß man diese Länder der Armut überläßt, daß man zuläßt, daß in diesen Ländern Kriege beginnen, daß die Menschen total verelenden. 1,3 Milliarden Menschen leben in absoluter Armut, und wir haben weltweit 800 Millionen Arbeitslose.

Von den Handelsgewinnen – die Liberalisierung des Handels bringt es ja mit sich, daß alle Länder weltweit einbezogen werden – entfallen nach OECD- und GATT-Kalkulationen zwei Drittel auf die OECD-Länder und nur ein Sechstel auf die Entwicklungsländer.


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Das dritte Problem, das ich ansprechen möchte, sind die zunehmenden weltweiten Umweltprobleme bedingt durch die Ausweitung der industriellen Produktion, durch die Zerstörung herkömmlicher Produktion – zum Beispiel Landwirtschaft – und durch den weltweiten Transport. Momentan ist es so, daß 20 Prozent der Menschheit 80 Prozent der Ressourcen und der Energie verbrauchen. Und es ist aus rein ökologischen Gründen unmöglich, daß die restlichen 80 Prozent ihre Industrie in dem Ausmaß entwickeln, wie wir uns industrielle Entwicklung vorstellen.

Laut Berichten aus Asien, aus China kommt es dort zu einem Wachstum von 15 bis 20 Prozent. Zum Beispiel kommt auf drei Deutsche ein Auto, und auf 2 000 Chinesen kommt jetzt ein Auto. Wenn dort innerhalb von zehn Jahren die Anzahl der Autos in dem Ausmaß zunimmt wie bei uns, dann, das wissen wir aus allen Klimaberichten, hält das diese Welt nicht aus.

Das politische Handeln muß so aussehen, daß wir bei uns beginnen, ressourcen- und energiesparend zu wirtschaften, einfach deshalb, weil wir den anderen Ländern diese industrielle Entwicklung nicht verbieten können. Es gilt, die Wirtschaft heute so zu gestalten, daß Ressourcen und Energien gespart werden. Vielleicht haben wir in Zukunft auch die Möglichkeit, neue Umwelttechnologien auf dem Markt anzubieten. Ich bin mir sicher, daß auch in diesen asiatischen Ländern die Menschen draufkommen werden, daß die Lebensqualität massiv eingeschränkt wird, wenn ungehemmtes Wachstum stattfindet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch ganz kurz auf die österreichische Entwicklungszusammenarbeit eingehen. Ich weiß, daß wir, obwohl wir selbst Schwierigkeiten und ein Sparpaket haben, zu den reichen Industrieländern gehören. Es ist daher ganz einfach notwendig, daß wir für die Entwicklungszusammenarbeit Geld ausgeben. Wir haben auch im entwicklungspolitischen Bereich eine Kürzung vorgenommen. Trotzdem ist die Gesamtsumme des heurigen Entwicklungshilfebudgets ohne Budgetüberschreitung höher als im Vorjahr, und darüber bin ich schon froh. Und ich hoffe, Frau Staatssekretärin, daß wir diese 100 Millionen Budgetüberschreitung, die dann annähernd dasselbe bringen würden wie im Vorjahr, auch heuer für die Entwicklungszusammenarbeit bekommen.

Insgesamt, kann ich sagen, haben wir mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung, und zwar deshalb, weil wir an den Entwicklungshilfefonds der EU 1995 800 Millionen bezahlt haben und 1998 noch einmal 800 Millionen Schilling bezahlen werden.

Ich habe mir den Prüfbericht der OECD angesehen. Er besagt, daß die Qualität der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit noch zu verbessern ist, daß vor allem ein zu hoher Prozentsatz für Exportförderung, für Kosten der Flüchtlingsbetreuung und für die Universitätskosten ausländischer Studenten verrechnet wird und daß sozusagen nur 14 Prozent des Gesamttopfes für bilaterale Hilfe ausgegeben werden.

Die größten Teile der Geldmittel verwaltet ja der Finanzminister: die Zahlungen an die großen Finanzinstitutionen, die Weltbank, den Weltwährungsfonds, sowie die Exportförderung. Während die Projekte der Entwicklungshilfeabteilung des Außenamtes jederzeit einsehbar, jederzeit überprüfbar sind, gibt es für die Weltbankprojekte keine Transparenz. Und mein Wunsch wäre es – ich sehe das als dringend notwendig an –, daß zumindest einmal jährlich dem Parlament ein Bericht des Finanzministers über diese Weltbankprojekte vorgelegt wird. Noch besser wäre es meiner Meinung nach, nach dem Schweizer Vorbild eine unabhängige Kommission einzurichten, die im Dialog mit dem österreichischen Vertreter bei der Weltbank die Projekte überprüft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich zitiere jetzt Gustav Heinemann: Das Kapital investiert nur dort, wo es etwas zu gewinnen gibt. Die Politik muß sich aber auch dort engagieren, wo es etwas zu verlieren gibt. Denn wer heute nur für sich selbst sorgen will, verspielt mit der Zukunft anderer auch seine eigene.

Ich trete grundsätzlich für die Verbesserung der Entwicklungszusammenarbeit ein, und ich bin mir sicher, daß, wenn die großen sozialen und ökologischen Probleme dieses Jahrhunderts nicht gelöst werden, wir alle, auch in den Industrieländern, die Auswirkungen drastisch zu


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spüren bekommen werden. Allein die Wanderungsbewegungen – das ist sicher auch für Sie von den Freiheitlichen interessant – aus Afrika, aus anderen Teilen der Welt werden auch für die europäischen Regierungen unlösbare Probleme bringen.

Deshalb ist es notwendig, daß wir in Europa in den nächsten Jahren – trotz eingeschränkter Staatsfinanzen – finanzielle Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit sichern und diese auch kontinuierlich gesteigert werden.

Wir sind aber auch aufgerufen zur Förderung eines fairen Handels, der die Länder des Südens stärkt. Ich denke nur daran, wie billig Rohstoffe dort sind und wieviel es helfen würde, wenn zum Beispiel Kaffee oder andere Produkte ein bißchen teurer wären. In diesem Zusammenhang sind wir auch als Konsumenten aufgerufen, den fairen Handel zu unterstützen.

Vor allem aber gilt es, weltweit Strukturen aufzubauen, die den ungehemmten Liberalismus des Welthandels einschränken und Sozial- und Umweltstandards erhöhen – dies nicht zuletzt auch zum weltweiten Schutze der Arbeiterinnen und Arbeiter. – Wir könnten auch bei uns wieder die Sklavenwirtschaft einführen, wenn wir hergehen und sagen, wir sind nicht konkurrenzfähig, weil wir so hohe Löhne haben, wir orientieren uns an den Löhnen, die in anderen Ländern gezahlt werden, in Diktaturen, dort, wo sich die Menschen nicht helfen können oder wo sich die Menschen nicht darum kümmern können, daß sie mehr Gehalt bekommen, aber wenn wir das machen, dann schreiten wir immer mehr zurück. Ich glaube nicht, daß das für den Welthandel letztlich etwas bringen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Schluß: Es liegt in unser aller Verantwortung, daß die Beschlüsse der letzten großen globalen Konferenzen umgesetzt werden. Obwohl ich weiß, daß Österreich ein kleines Land ist, daß wir vielleicht nicht so viele Möglichkeiten haben, denke ich, im Rahmen der EU, im Rahmen der internationalen Organisationen – der Herr Minister hat das heute schon angesprochen – sollten wir immer wieder unsere Anliegen in dieser Richtung einbringen.

Ich begrüße es, wenn wir uns für die Demokratisierung und die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen, denn diese sind Voraussetzung dafür, daß die Wirtschaft auch in anderen Teilen der Welt so wachsen kann, daß der gesellschaftliche Reichtum, der dann erworben wird, verteilt wird und daß auch diese Menschen dann soviel Geld in der Hand haben, daß der Welthandel sozusagen zirkuliert. Das wollen wir, und das ist auch in unserem eigenen Interesse. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Ing. Meischberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.03

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Der Herr Bundesminister hat festgestellt, daß Südtirol für ihn einen besonderen Stellenwert einnimmt. Ich glaube, daß die Südtirolpolitik hier im Hohen Haus leider Gottes etwas vernachlässigt wird gegenüber früheren Zeiten. Kein einziger Redner hat auf dieses für uns so wichtige Thema Bezug genommen. Ich glaube, daß es gerade in der nächsten Zukunft eine ganz gewichtige Aufgabe der Schutzmacht Österreich ist, die deutsche und ladinische Volksgruppe zu unterstützen.

Der Aufgabenbereich teilt sich in zwei Teile: Zum einen ist darauf zu achten, daß die Autonomierechte, die den Südtirolern durch den Paketabschluß zugestanden wurden, nicht weiter ausgehöhlt werden, und zum zweiten sind die Möglichkeiten optimal auszunutzen, die die drei Tiroler Landesteile im Zuge der europäischen Einigung haben, um die Trennung des Landes zu überwinden. (Abg. Öllinger: Gott sei Dank sind die Rechten schwächer geworden in Italien! – Abg. Mag. Stadler: Aber in Südtirol nicht!) – Kollege Öllinger ist wie so oft ein bißchen schlecht informiert.


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Ich glaube, daß die Schutzmachtrolle in der Zukunft ganz besonders wichtig ist, weil wir aus Vorkommnissen in der jüngsten Vergangenheit erkennen müssen, daß durch die Streitbeilegung vieles nicht erledigt wurde. Vor allem in der Debatte um das Europabüro der Tiroler Handelskammern, die ein gemeinsames Büro für die Zusammenarbeit in Brüssel errichten wollten, wurde aufgezeigt, daß diese Streitbeilegung viel zu früh gekommen ist, um eine tatsächliche Einigung im Sinne der europäischen Idee in Tirol herbeizuführen.

Was die Schutzmachterfüllung durch den Bundesminister betrifft, muß ich sagen, es hat diesbezüglich ein Qualitätsverlust stattgefunden, der für uns spürbar ist. Beim Wechsel von Mock zu Schüssel war es so, daß beide eines gemeinsam hatten: Sie haben beide immer wieder gerne von sich gesagt, Südtirol sei ihnen eine Herzensangelegenheit. Bei Bundesminister Mock konnte man das spüren; bei Bundesminister Schüssel muß ich leider vom Gefühl her erkennen, daß das Ganze weniger eine spürbare Herzensangelegenheit als ein Lippenbekenntnis ist. (Abg. Mag. Stadler: Die Frau Staatssekretärin hat persönliche Gründe, sich für Südtirol einzusetzen! Das ist die bessere Ansprechperson!) – Na ja, das hätten schon mehrere.

Ich glaube, daß die Südtirolpolitik des Bundesministers Schüssel vielmehr auf der römischen Ebene abläuft, daß er viel lieber mit seiner Amtskollegin Agnelli über die Probleme der Südtiroler spricht und viel weniger mit den Südtirolern selbst. Das ist eine "chiantisierte" Südtirolpolitik, wie sie die Südtiroler derzeit absolut nicht brauchen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, diese "chiantisierte" Südtirolpolitik bedeutet nichts anderes, als daß die Schutzmachtrolle zunehmend dafür geopfert wird, daß man mit Italien einen angenehmen Gesprächspartner auf EU-Ebene hat. Wir stellen auch fest, daß gerade offizielle Stellungnahmen zu Vorkommnissen in Südtirol zu vermissen sind – in einer Zeit, in der das offizielle Italien zum Teil in die Zeit des Kolonialdenkens zurückfällt und sich den Südtirolern gegenüber so verhält, als wären die sechziger Jahre noch nicht vergangen.

Wir erkennen aus den wenigen Beispielen der letzten Zeit auch, daß es noch ein weiter Weg sein wird, bis alle Italiener einsehen, daß eine Italienisierung Südtirols nicht möglich ist. Ich habe ein Beispiel herausgenommen, das zeigt, wie man mit jungen Südtirolern – auch von seiten der Carabinieri – umgeht. Es hat folgenden Vorfall gegeben – und das ist kein Einzelfall –: Ein junger Südtiroler ist ein halbes Jahr nach Ableistung seines Präsenzdienstes, Wehrdienstes, beim Verlassen eines Lokales drei italienischen Carabinieri in Südtirol gegenübergestanden. Es ist zu einer Auseinandersetzung gekommen, und es sind Schimpfworte gefallen. Der Südtiroler wurde zur Ausweisung verpflichtet; es ist dann mit einer Anzeige weitergegangen, und letztlich hat das Ganze mit einem Militärgerichtsverfahren in Verona geendet. Man hat ihm Schmähung der Nation vorgeworfen, und das ist letztlich am Militärgericht in Verona verhandelt worden.

In einem anderen EU-Staat wäre es unmöglich, daß ein Bürger, der sich abfällig über den Staat äußert, letztlich vor dem Militärgericht landet. Ich denke an Österreich: Wenn es in Österreich auch so wäre, daß jeder, der sich abfällig über Politiker, die Regierung oder den Staat äußert, vor Gericht kommt, wäre in Zeiten des Sparpaketes das halbe Land in Gefängnissen oder vor Gericht. Aber in Südtirol ist das nach wie vor gang und gäbe.

Daß mit zweierlei Maß gemessen wird zwischen Italienern und Südtirolern, wie sie sich über den Staat äußern, zeigt die Vorgangsweise von Bossi in der Wahlauseinandersetzung. Ihm steht es frei, 25 Millionen Süditaliener als Parasiten zu beschimpfen und die Loslösung Norditaliens von Zentralitalien zu fordern. Es gibt in weiten Bereichen nicht einmal einen Protest dagegen, geschweige denn, daß man von Schmähung des Staates spricht oder gar gerichtlich gegen ihn vorgeht.

Ich glaube, daß eben weite Teile des offiziellen Italiens den Autonomiestatus, den die Südtiroler derzeit haben, nur als lästigen Zwischenschritt sehen bis zur völligen Einverleibung Südtirols in Italien.

Und wenn man sieht, wie schnell die Richter mit dem Strafgesetzbuch zur Hand sind, dann ist es, glaube ich, höchst an der Zeit, daß sich auch das offizielle Österreich von derartigen Vor


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17. Sitzung / Seite 289

gangsweisen distanziert beziehungsweise seine Schutzmachtrolle erfüllt und dem auch offen Ausdruck gibt.

Mir fehlen auch offizielle Reaktionen unseres Bundesministers in bezug auf den Skandal um das bereits erwähnte EU-Büro. Für diejenigen, die das nicht verfolgt haben, ganz kurz: Es geht um nichts anderes, als daß die Handelskammern aus den drei getrennten Landesteilen Tirols beschlossen haben, gemeinsam ein Büro in Brüssel zu betreiben, um die Zusammenarbeit nach der europäischen Idee zu pflegen. Das war gestützt auf Landtagsbeschlüsse aus allen Landesteilen von 1992 und ist im Sinne der europäischen Idee dort plaziert worden. (Abg. Mag. Stadler: Mit Vorarlberg damals noch!)

Juristische Partner für die Gründung dieses Büros waren die Handelskammern. Kurz vor der Eröffnung kam es zu heftiger Kritik aus Rom. Man hat einfach nicht verstehen wollen, warum zwei Länder aus verschiedenen EU-Staaten in einem Büro zusammenarbeiten wollen. Man hat darin einen Anschlag auf die "Unversehrlichkeit" der Republik Italien gesehen und das auch so gewertet. Letztlich ist die Eröffnung ohne die offizielle Vertretung Italiens über die Bühne gegangen.

Weitergegangen ist die Geschichte wirklich skandalös: Die Landeshauptleute Andreotti aus dem Trentino und Durnwalder aus Südtirol wurden von einem Mitglied der Alleanza Nazionale, von der MSI, angezeigt. Die "Digos", die politische Staatspolizei, hat dann Hausdurchsuchungen im Landtag, bei den Landeshauptleuten vorgenommen und weitere skandalöse Dinge aufgeführt.

Es hat dann in der Erfüllung der Schutzmachtrolle von österreichischer Seite nichts anderes gegeben als einen Briefwechsel zwischen Klestil und Scalfaro, wobei Klestil nur lapidar erwähnt hat, man habe über bilaterale Beziehungen gesprochen, unter anderem auch über dieses EU-Büro der Tiroler in Brüssel, während Scalfaro sehr wohl seiner Meinung Ausdruck verliehen und gesagt hat, er finde, daß das gegen die Maastrichter Verträge und gegen die italienische Verfassung verstoße. – Man hat versucht, uns in Österreich zu beruhigen, und hat eine lockere Gesprächsrunde vorgetäuscht. Scalfaro verweigert aber bis heute die Unterschrift unter das Gesetz, das die Betreibung dieses Büros offiziell ermöglichen würde.

Das ist die Situation – das kann man sich in anderen Staaten nicht vorstellen.

Man muß sich folgende Fragen stellen: Welchen Wert hat die Autonomie in Südtirol überhaupt noch, wenn es rechtmäßige Beschlüsse auf Landes- und EU-Ebene für das gemeinsame Büro der Zusammenarbeit gibt, die letztlich dahin führen, daß das offizielle Italien aberwitzige Verfahren gegen Landeshauptleute einleitet und Hausdurchsuchungen veranlaßt? Welche Funktion – das ist die zweite Frage – hat die Schutzmacht Österreich noch, die keine Reaktion auf eine derartige Vorgangsweise von sich gibt?

Ich glaube – ich möchte das wiederholen –, die guten Beziehungen zu Frau Agnelli und zum offiziellen Italien, um eine lockere Gesprächsbasis auf EU-Ebene zu haben, sind Ihnen viel wichtiger als die autonomen Rechte der Südtiroler, obwohl das Bundesland Tirol in dieser speziellen Frage doppelt betroffen ist – zum einen gegenüber Südtirol als Schutzmacht, zum anderen das Bundesland Tirol, wobei es ja unser eigenes Interesse sein soll, daß es Beziehungen zum abgetrennten Landesteil pflegt.

Das ist die "Herzensangelegenheit", von der Minister Schüssel immer so gerne spricht. Ich frage mich nur, von welchem Herzen er spricht. Für Südtirol selbst möchte ich es in Abrede stellen.

Was den Paketabschluß betrifft, so glaube ich, es sind gerade diese Vorgänge Beweis dafür, wie richtig die Entscheidung der Freiheitlichen war, damals diese Streitbeilegungserklärung oder diesen Paketabschluß abzulehnen. Es nützt uns nichts, wenn ein toller Minderheitenschutz für die Südtiroler, für die deutsche und ladinische Volksgruppe auf dem Papier besteht, die Realität aber eine ganz andere ist und wir heute, weil es eben kein Streitfall mehr ist, nur noch sehr schwer in diese Bereiche eingreifen können.


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Die ganze Situation ist besonders im Lichte der am vergangenen Wochenende abgeführten Wahlen in Italien zu sehen. Ich glaube, daß dieses Linksbündnis, wie Kollege Öllinger gesagt hat, zwar in Gesamtitalien gewonnen hat, aber es dürfte ihm entgangen sein, daß es einen eindeutigen und ganz scharfen Rechtsruck in Südtirol selbst gegeben hat. (Abg. Mag. Stadler: Er hat sich so über die Kommunisten-Siege in Italien gefreut, da hat er die Seiten durcheinandergebracht!) – Er sieht das alles ein bisserl seitenverkehrt.

Dieser Rechtsruck in Südtirol birgt für die Zukunft nichts Gutes in sich, auch nicht, was die Autonomiebestimmungen betrifft. Es ist so, daß im Kammerwahlkreis der autonomiefreundliche Abgeordnete Chiocci nicht mehr in die Kammer gekommen ist. An seiner Stelle ist Herr Frattini dort, der ein besonders autonomieunfreundlicher Mandatar ist, wenn ich das so sagen darf, der die Stadt Bozen vertritt. Wir vermuten oder befürchten, oder man muß auf alle Fälle darauf aufpassen, ob nicht Spannungen erzeugt werden, die den Autonomiestatus der Südtiroler in Frage stellen.

Das ist meine Bitte an Sie, Herr Bundesminister, Frau Staatssekretärin, daß Sie sich, wenn auch in der jüngeren Vergangenheit Nachlässigkeiten passiert sind, in der Zukunft ganz besonders Ihrer Rolle als Schutzmachtvertreter der Republik Österreich gegenüber den Südtirolern klar sind und diese auch wahrnehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum noch immer offenen Fall Unterkircher, der dem Hohes Haus bereits bekannt ist: Es handelt sich um eine Frau, von der man bis heute nicht weiß, ob sie selbst eine Grenzverletzung zwischen Nord- und Südtirol begangen hat. Man vermutet, daß es sich um eine Verschleppung handelt, daß es eine Geheimdienstaktion des italienischen Geheimdienstes war. Jedenfalls ist die Sache bis heute nicht aufgeklärt. Diese Frau sitzt nach wie vor in Italien in Untersuchungshaft. Es wäre schön, einmal für die Enthaftung zu sorgen oder zu intervenieren, eine Abschiebung nach Österreich zu veranlassen, damit dieses unliebsame Kapitel in der Tiroler Geschichte endlich abgeschlossen werden kann. – Ich glaube, das brauche ich nicht weiter zu erwähnen, es ist immer wieder und oft gesagt worden.

Dasselbe gilt für die schwarzen Listen und für die immer noch bestehenden Haftbefehle für Südtiroler Freiheitskämpfer, damit man endlich einmal die Aktendeckel schließen kann und nach mehr als 30 Jahren die Grundlage dafür schafft, ein friedliches Zusammenleben zwischen den Volksgruppen zu organisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Schluß noch zu einem anderen Thema. Es wurde im Ausschuß bei den Budgetberatungen der Grundkauf für das neue Amtsgebäude in Berlin angesprochen. Uns ist der Preis, nämlich 127 Millionen Schilling, für den bloßen Grundkauf in Berlin relativ hoch vorgekommen. Wir haben versucht, das mit dem Herrn Bundesminister zu diskutieren. Als Antwort auf die Frage, ob es richtig ist, in Zeiten des Sparpakets 127 Millionen Schilling für Grund auszugeben, wobei man noch nicht einmal genau weiß, wieviel zig Millionen vielleicht noch für den Bau des Gebäudes auf diesem Grundstück notwendig sein werden, hat er uns gefragt, ob die österreichische Vertretung in Berlin vielleicht campieren oder zelten soll. Er hat das damit abgetan.

Wir sehen das anders. Ich meine, man sollte, wenn man schon die Sparpaketsdebatte von den verantwortlichen Regierungsleuten her ernst nehmen soll, in der Öffentlichkeit mit derartigen Summen anders umgehen. Ich überlasse das dem Hohen Haus zur eigenen Bewertung. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun die Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte.

14.19

Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Abgeordneter Fuhrmann hat mir vorhin, als ich hereinkam, das Stichwort gegeben, und zwar hat er "Lateinamerika" gesagt. Ich möchte anschließend an dieses Stichwort noch einmal ausholen und ein bißchen auf meine Schwerpunkte in der Regierungsarbeit eingehen, und das


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ist die Globalisierung der österreichischen Außenpolitik, die, meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz besonders auch oder erst durch unseren EU-Beitritt ermöglicht wurde. Erst jetzt werden wir nämlich wirklich als vollwertiges Mitglied der Staatengemeinschaft anerkannt. Erst jetzt werden das Gespräch und der Dialog mit uns gesucht.

Ich komme gerade von der Konferenz der Rio-Staaten und der EU-Staaten in Cochabamba in Bolivien zurück, von diesem multilateralen Gipfel, der wirklich sehr bedeutend war und der drei große Themen angesprochen hat: Das erste war die nachhaltige Entwicklung und unsere gemeinsamen Beiträge zur nachhaltigen Entwicklung – also auch ein wichtiges entwicklungspolitisches Thema –, das zweite wichtige Thema war die Drogenproblematik – auf diese werde ich noch kurz eingehen, weil sie auch für Österreich sehr bedeutend ist –, und das dritte Thema waren schließlich ein wesentlich verstärkter Austausch der Wirtschaft, mögliche weitere Investitionen, Handelsliberalisierung – etwas, was im Hinblick auf verstärkte Exporte auch sehr, sehr wesentlich ist.

Ich möchte im Augenblick nur Cochabamba ansprechen, natürlich beziehen sich meine Reisen aber nicht nur auf Lateinamerika, sondern sehr wohl auch auf Asien. Aber auch der ganze Mittelmeerraum, der Nahe Osten ist ein Raum, wo wir heute einerseits wesentlich mehr gefordert sind, als Partner dazustehen, andererseits aber auch wesentlich mehr einbringen können. Ich erinnere nur zum Beispiel an die Mittelmeerkonferenz in Barcelona, an der ich ebenfalls teilgenommen habe und wo wir sowohl am politischen Dialog als auch an einer verstärkten Wirtschafts- und Investitionskooperation teilnehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch – das hat Herr Abgeordneter Haider heute erwähnt – die Frage der Reifenexporte nach Japan herausgreifen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich selbst war im Januar in Japan, habe selbst das Thema dort angesprochen, und zwar sowohl mit dem Außen- als auch mit dem Außenhandelsministerium, dem MITI. Man muß natürlich auch die Umstände sehen – ich will jetzt gar nicht auf die Details eingehen –, die zu unseren damaligen großen Exporten geführt haben. Natürlich bemühen wir uns weiter darum, aber man muß selbstverständlich auch international konkurrenzfähig sein, und das ist leider bei Semperit nicht der Fall, so gerne ich es haben würde. (Abg. Mag. Stadler: Das hat Schüssel vor der Volksabstimmung ganz anders erzählt! Er hat gesagt, das würde weitergehen!)

Herr Abgeordneter Stadler! Ich darf Ihnen aber auch sagen, daß zum Beispiel im Juni auf meine Initiative hin ein Round-table mit den Drahtziehern der japanischen Wirtschaft, das heißt den MITI-Wirtschaftsleuten selbst und dem Außenministerium, stattfinden wird, weil ich versuchen will, auch dort neue Exportmärkte zu finden oder dort, wo Lücken sind, diese aufzufüllen, wenn es mir gelingen sollte. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Conti hat den Japanmarkt übernommen, das steht heute in einer APA-Meldung!) Ich kenne das noch nicht, aber ich würde jetzt keinen Dialog mit Ihnen führen wollen. Ich darf fortfahren.

Ich möchte ganz gerne als zweiten wesentlichen Punkt die Vereinten Nationen herausgreifen, und zwar deshalb, weil die Außenpolitik immer komplexer wird und die Probleme immer mehr auf internationaler Ebene gelöst werden müssen, weshalb wir als Sitzstaat der Vereinten Nationen natürlich großes Interesse daran haben, dort möglichst gut vertreten zu sein. Gerade in einer Zeit, in der die Vereinten Nationen in einer Finanzkrise sind, ist es ganz wichtig, effiziente Strukturen zu haben. Dies inkludiert ganz besonders den UN-Sitz Wien – Sie wissen, das ist auch einer der Punkte, wo ich mich ganz besonders engagiere. Nicht nur, daß ich laufend Kontakt mit dem Generalsekretär pflege – ich habe vor, in zirka einem Monat Boutros-Ghali in New York wieder zu besuchen; der Termin steht bereits fest –, versuche ich auch, für die in Wien ansässigen Organisationen alles einzubringen, um diese voll in Wien zu erhalten, was bei der heutigen Trendsituation in den Vereinten Nationen leider nicht so selbstverständlich ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte hier nur ganz kurz die Situation der UNIDO herausgreifen. Wie Sie wissen, ist das eine Organisation, die seit ihrem Bestehen beinahe die Hälfte ihrer Mitarbeiter abbauen mußte, die aber jetzt, durch Österreichs Interventionen und durch die Möglichkeit, die internationale Gemeinschaft zu mobilisieren, in dieser Form, so hoffe ich, erhalten werden kann.


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Ich denke auch – und darauf komme ich jetzt noch einmal zurück – an die Drogeneinheit. Sie wissen, wir haben die UN-Drogenkontrolleinheit hier, und es hat gerade dieser Tage eine wichtige Kommission getagt, die sich mit dem Thema Drogen und Kampf gegen die Drogen beschäftigt hat, vor allem mit einem Thema, das auch in Cochabamba im Gespräch war, nämlich daß sowohl Produzentenländer als auch Konsumentenländer gemeinsam daran arbeiten müssen, dieses Problem zu lösen. Dabei spielt Österreich natürlich eine ganz wichtige Rolle als Sitzstaat dieser Organisation; einer Organisation, die auch in Zukunft gute Chancen hat, weiterzuwachsen, weil sie ganz, ganz wesentlich ist.

Dasselbe gilt für die "Crime Prevention", die Verbrechensverhütung, und natürlich auch für die Atomenergieorganisation, die eine der effizientest geführten UNO-Organisationen in der ganzen Welt ist.

Damit im Zusammenhang möchte ich ganz kurz auf die sogenannte CTBTO eingehen, die "Comprehensive Test Ban Treaty Organization", das ist die Atomteststoppkontrollorganisation. Sie wissen, daß ich mich ganz besonders darum bemühe, diese Organisation nach Wien zu bringen. Österreich ist zwar bis jetzt der einzige Kandidat, aber im Hintergrund scharren natürlich einige andere, unter anderen Bonn und Genf. Wir müssen unser Angebot also sehr, sehr gut gestalten, um diese Organisation, die viele Synergieeffekte mit der Atomenergiebehörde schaffen würde, hierherzubringen, wodurch wir am Höhepunkt der Organisation zirka 300 weitere Bedienstete bekommen könnten. Ich bin sehr zuversichtlich, daß uns das gelingen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Noch ein letztes Wort zu den Vereinten Nationen. Ich möchte auch nicht verabsäumen, hier zu erwähnen, daß die Vereinten Nationen gerade in Wien eine wichtige Rolle spielen, was die "verwaisten Konflikte" betrifft. "Verwaiste Konflikte" sind jene Konflikte, die die tägliche Berichterstattung nicht unbedingt dominieren, die aber ebenfalls bestehen und wo wir eine wichtige Rolle in der Präventivdiplomatie haben. Ich nenne nur Ost-Timor, wo wir zum Beispiel in Schlaining einen Dialog zustande gebracht haben – nun schon das zweite Mal – und wo wir sicher einmal Geschichte mitgeschrieben haben werden, wenn sich dieses Problem endgültig lösen läßt. – Das zu diesen Themen.

Ich möchte nur noch ganz kurz auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Anschober eingehen und ihm sagen, daß die österreichische Bundesregierung selbstverständlich auch in Zukunft dieselbe Nuklearpolitik weiterverfolgt wie in der Vergangenheit. Wir lehnen die Nutzung der Kernkraft ab und zeigen möglichst Alternativen auf. Das vertreten wir auch in allen unseren bilateralen Gesprächen. Es hat gerade der Herr Bundesminister, als er in Slowenien war, auch ein Abkommen über die nukleare Sicherheit unterzeichnet. Ein solches Abkommen ist am 29. 3. auch mit Belarus paraphiert worden, und die Unterzeichnung wird vorbereitet. Mit der Schweiz wurde die Aufnahme von Verhandlungen über ein diesbezügliches einschlägiges Abkommen vereinbart. – Also auch hier gibt es keinen Wechsel in unserer Politik.

Zu Südtirol möchte ich nur sagen: Auch hier sind wir, obwohl es inzwischen offiziell einen Abschluß und eine Streitbeilegung gegeben hat, selbstverständlich nach wie vor Schutzmacht. Ich glaube, man sollte Politik nicht mit Gefühlen machen, sondern rational. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Alle diese Probleme werden immer wieder bei bilateralen Gesprächen angesprochen, ob dies nun, Herr Abgeordneter Meischberger, in Briefen immer so zum Ausdruck kommt oder nicht. – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP.)

14.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Brader. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.29

Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich möchte Ihre geschätzte Aufmerksamkeit noch ganz kurz in Anspruch nehmen und einige Punkte der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit ansprechen. Wir haben heute von Frau Kollegin Jäger und auch von Frau Kammerlander schon sehr fundiert einige Punkte gehört. Ich möchte sagen, daß sich die Situation, wenn nicht ganz


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entspannt, so doch schon sehr gebessert hat. Im Vorjahr war ja durch die Nichtauszahlung beziehungsweise durch die verspätete Auszahlung der 300 Millionen durch den Finanzminister die österreichische Entwicklungszusammenarbeit vor allem auf NGO-Ebene schwer in Bedrängnis geraten.

Jetzt ist die Situation wieder besser, und wir können uns aufgrund dieser Tatsache Punkten zuwenden, die nicht unbedingt nur mit Geld zu tun haben. Wir können etwa darüber nachdenken, wie wir diese Entwicklungszusammenarbeit effizienter, genauer, zielführender gestalten können.

Einer dieser Punkte scheint mir die Sicherung der EU-Kofinanzierung für Projekte in Schwerpunktländern zu sein. Ein zweiter Punkt sind die Entwicklung genau definierter Länderprogramme und die Öffnung der Entwicklungspolitik unter Einbeziehung der Wissenschaft und unter verstärkter Einbeziehung der Wirtschaft. Außerdem glaube ich – da pflichte ich Frau Kollegin Jäger bei –, daß eine Koordination mit den Vertretern Österreichs in den multilateralen Finanzinstitutionen zu suchen ist.

Zu der angesprochenen Entschuldungsinitiative möchte ich sagen, daß wir sie begrüßen, aber einige offene Fragen und Probleme sehen. Führt man eine Entschuldung im Wege eines SWAPS durch, so ist das begünstigte Land verpflichtet, einen Teil dieser Verbindlichkeiten in sozial nachhaltige Projekte zu investieren. Und genau darin sehe ich ein Problem. Ich glaube, daß die Schuldensituation in manchen Ländern schon so ernst ist, daß sie diese Projekte nicht schaffen. Bei diesen Entwicklungshilfekrediten, deren Rückzahlung zwar erst in etwa 15 Jahren fällig wird, soll jetzt ein Projekt im Gegenwert aufgebaut werden, wodurch es sicher zu Problemen kommen wird.

Das nächste Problem ist, daß wir nicht allen Ländern, die uns etwas schuldig sind, Nachlässe geben können, sondern daß eine Auswahl zu treffen ist, wem man diese Nachlässe gibt; das muß man sich anschauen.

Es muß uns aber klar sein – ich glaube, das ist noch viel zu wenig im Bewußtsein der Bevölkerung verankert –, daß die Situation in den Entwicklungsländern mehr und mehr auch Auswirkungen auf unser Leben hat. Ich verstehe nicht, daß man zum Beispiel wirtschaftlich schwache Entwicklungsländer dazu auffordert, ihre natürlichen Ressourcen im Dienste der Umwelt unangetastet zu lassen, auf der anderen Seite aber jene, die davon profitieren, keinen Beitrag leisten.

Es wird den Menschen in den Ländern der Dritten Welt immer vorgeworfen, daß sie zu viele Kinder hätten. Die Situation ist aber ganz anders, denn: Ist es für die Bewohner von Entwicklungsländern wirklich sinnvoll, weniger als sechs Kinder zu haben, solange es keine Altersvorsorge gibt? Die Realität ist, daß drei Kinder sterben, zwei abwandern und, wenn es hoch kommt, eines übrigbleibt, das sich dann vielleicht um die alten Eltern kümmert. Solange die Situation so ist, wird sich daran nichts ändern. Wir haben dieser Situation ins Auge zu sehen und in Anerkennung der wirtschaftlichen Realität nach unseren Möglichkeiten alles zu tun, um diesen Ländern zu helfen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.34

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Herr Präsident! Ich bedaure, daß der Herr Bundesminister inzwischen wieder gegangen ist, denn ich wollte mein Wort an ihn richten, weil mich mit ihm etwas verbindet. (Abg. Schwarzenberger: Das ist aber extrem frauenfeindlich!) Nein. Sie, Frau Staatssekretärin, waren damals weder in Ihrer jetzigen Funktion, noch haben Sie die parlamentarische Diskussion mitgemacht, als es darum ging, Kroatien und Slowenien anzuerkennen.

Heute ist der Tag der – zwar noch nicht formellen – Aufnahme Kroatiens in den Europarat. Wie ich inzwischen der APA entnommen habe, hat die Parlamentarische Versammlung zwar mit


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zahlreichen Stimmenthaltungen und zahlreichen Gegenstimmen, aber doch die Aufnahme Kroatiens in den Europarat beschlossen. Ich sehe diese Tatsache als große Verpflichtung für Österreich an. Ich sehe es deshalb als große Verpflichtung für Österreich an, weil ich mich als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates im Vorjahr auch vehement für die Aufnahme Kroatiens in den Europarat eingesetzt habe, vor allem mit dem Argument, nicht mit zweierlei Maß zu messen.

Dieser Einsatz und dieses Engagement für Kroatien als ein österreichisches Nachbarland – als solches betrachte ich es, obwohl wir jetzt keine unmittelbare gemeinsame Grenze haben, aber kulturell, historisch ist Kroatien immer ein österreichisches Nachbarland gewesen, und das soll es im übertragenen Sinn auch bleiben – bedeutet aber auch, daß wir – wir Österreicher und Österreicherinnen, meine ich –, die wir uns so sehr für Kroatien engagieren, eine besondere Verpflichtung haben, jetzt, wo Kroatien Mitglied des Europarates ist, diese Punkte, die der Europarat zur Bedingung gemacht hat – es sind insgesamt 26 Punkte, die an die Aufnahme geknüpft worden sind –, ganz besonders zu beachten.

Kroatien ist kein Land, meine sehr geehrten Damen und Herren, in dem Menschenrechte, Minderheitenrechte, Pressefreiheit und Grundrechte in dem Sinn, wie wir sie verstehen, besonders hochgehalten werden. (Abg. Mag. Stadler: In Rußland auch nicht!) Ich erinnere Sie nur an die uns manchmal geradezu skurril anmutende Vorgangsweise rund um die Bestätigung des Zagreber Bürgermeisters. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, mit welch lapidarer Antwort der Staatspräsident Kroatiens im Europarat reagiert hat. (Abg. Mag. Stadler: Die Frau Staatssekretärin nickt beifällig! Das ist der alte Reflex gegen Kroatien! Rußland darf ruhig Tschetschenien überfallen! Wie in Kroatien ein Bürgermeister gewählt wird, spielt eine Rolle, aber Rußland darf Tschetschenien angreifen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich ist es eine ganz besondere Verpflichtung, aus unserem historischen Verständnis heraus, gemeinsam mit anderen Staaten hier ganz besonders den Finger in die Wunden zu legen. Herr Kollege Stadler! Ich finde es überhaupt nicht lustig (Abg. Mag. Stadler: Ich finde es auch nicht lustig! Es ist nicht lustig, was Sie da daherreden! Es ist nicht lustig, daß Rußland Tschetschenien angreift!) und schon gar nicht zwischenrufwürdig, wenn ich Ihnen sage, daß ich Schulbücher aus Kroatien bekommen habe, Schulbücher, die jetzt ganz offiziell von der Republik Kroatien approbiert wurden und auch in den Schulen verwendet werden, in denen es Verharmlosungen des Konzentrationslagers Jasenovac gibt. Das berührt mich wirklich – als Kroatin, aber auch als Österreicherin mit viel Engagement für Kroatien – ganz besonders negativ. (Abg. Mag. Stadler: Sie mit Ihrem Engagement für Kroatien! Wenn Sie einen Bürgermeister von Kroatien mit Tschetschenien vergleichen, dann weiß man, wes Geistes Kind Sie sind! Kroatien hat eine bessere Vertretung verdient!)

Das sind Dinge, wo ich meine, daß man sich nicht mit einem höflichen – fast bin ich geneigt zu sagen – Geplänkel mit Herrn Staatspräsidenten Tudjman begnügen sollte, sondern ganz klare Worte finden muß, denn Kroatien ist auch auf unsere Hilfe angewiesen bei der Bewältigung dessen, was es sowohl wirtschaftlich als ein relativ armes Land, aber vor allem bedingt durch die Kriegssituation jetzt an Last zu tragen hat. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wir in Österreich – Frau Staatssekretärin, ich bitte Sie, darauf ganz besonders zu achten – verpflichtet, diese Standards besonders zu kontrollieren. (Abg. Mag. Stadler: Da war ja die Mock-Rede noch besser!)

Ich möchte nur noch eines erwähnen, das permanent zu Klagen Anlaß gibt: die Situation der Pressefreiheit in Kroatien. Die läßt mehr als zu wünschen übrig. Jeder weiß es, aber kaum jemand spricht es aus.

Jetzt komme ich gleich zu meinem zweiten Punkt. Sie wissen – der Herr Bundesminister weiß das auch –, daß ich Minderheitensprecherin der Grünen bin und in diesem Bereich ganz besonders auch in der Vergangenheit engagiert war. Mir liegt vor allem das, was der Europarat auf dem Gebiet der Minderheitenrechte und der Volksgruppenrechte als Programm vorgibt, sowie dessen Umsetzung auf nationaler Ebene besonders am Herzen. Die Rahmenkonvention zum Schutz von Minderheiten und die Konvention zum Schutz der regionalen Minderheitensprachen


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ist etwas, hinsichtlich dessen es uns am Beginn dieses Jahres gelungen ist, zumindest eine Entschließung aller Parteien zu erwirken, damit das endlich auch in Österreich ratifiziert wird.

Ich möchte den Herrn Bundesminister bitten – und Sie bitten, ihm das zu sagen –, nicht bis zum Ende des Jahres zu warten, sondern das unmittelbar umzusetzen, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind in diesem Punkt nicht europareif, wir sind diesbezüglich nicht einmal europaratsreif, wobei im Europarat seit heute 40 Mitgliedstaaten sind, in denen der demokratische Standard durchaus ein sehr unterschiedlicher ist.

Der Standard, den der Europarat für Staaten wie Österreich vorgibt, ist natürlich ein anderer als für Staaten wie Rumänien. Es gibt Versäumnisse Österreichs in der Vergangenheit und vor allem in der Gegenwart, Dinge, die absolut nicht europatauglich sind. Stichwort: topographische Aufschriften, Stichwort: zweisprachiger Unterricht in der vierten Klasse Volksschule. All das sind Rechte, die im Vertrag von Wien garantiert sind, wo aber die österreichische Bundesregierung und auch der Nationalrat nicht einmal mit der Wimper zucken, wenn man da nichts tut. Das sind lauter Rechte, die einzelne Bürger, ja die gesamte Volksgruppe bis zu den Höchstgerichten durchfechten müßten, um diese Rechte letztendlich auch zu bekommen. Das, Frau Staatssekretärin – Sie nicken, ich nehme an, Sie pflichten mir bei –, ist kein internationaler Standard, der Österreich in Europa oder weltweit Ruhm einbringen würde. Das ist aber etwas, was ganz leicht abzustellen wäre, indem man nämlich diese Rechte erfüllt.

Artikel 7 Staatsvertrag von Wien ist mir deshalb so wichtig, weil es hier immer diese Diskussionen – ich habe das gestern in meiner Rede schon gesagt, ich wiederhole es deshalb jetzt nur ganz kurz – rund um die Obsoleterklärung von einzelnen Passagen oder des Staatsvertrags von Wien insgesamt gibt. Artikel 7 ist die Magna Charta der Volksgruppenrechte in Österreich.

Ich kann Ihnen berichten, daß es den Volksgruppenorganisationen und den Angehörigen der österreichischen Volksgruppen ein intensives Anliegen ist, diese Rechte zu erhalten, und daß es keinerlei Kompensation für diese Rechte durch bilaterale Verträge mit wem auch immer geben kann. Die Ankündigung des slowenischen Außenministers Thaler, die er unpassenderweise gerade in Wien gemacht hat, einen bilateralen Vertrag mit Österreich schließen zu wollen, der genauso wirken soll, ist nicht der Weg, den wir uns wünschen.

Der nächste Punkt, den ich zur Sprache bringen will, ist – Kollege Kier hat das schon einmal kurz erwähnt – die Verantwortung des Außenministeriums und des Außenministers im Zusammenhang mit der Anwendung der Drittlandsklausel im österreichischen Asylgesetz. Ich habe aufgrund von parlamentarischen Anfragen folgendes entdeckt: Das Außenministerium weiß viel mehr als das Innenministerium, denn das Außenministerium weiß, in welchen Ländern dieser Welt die Todesstrafe vollzogen wird. Das weiß das Innenministerium nicht und schiebt aufgrund der Drittlandsklausel ganz ungehemmt Menschen in solche Länder ab.

Könnten Sie nicht mit den verantwortlichen Damen und Herren des Innenministeriums Kontakt aufnehmen und so dazu beitragen – der Innenminister sitzt im Ministerrat ja wahrscheinlich unmittelbar neben dem Außenminister –, daß es da zu einer Koordination kommt?

Es gibt widersprüchliche Anfragebeantwortungen von Innen- und Außenressort. Das ist für einige – Gott sei Dank nicht für viele – Menschen von existentieller Bedeutung. Von existentieller Bedeutung ist die Information, die das Außenministerium dem Innenministerium geben kann, wo Todesstrafe droht. Ich würde Sie wirklich bitten – auch wenn nur ein paar Leute davon betroffen sind –, das zu tun.

Ein Letztes: Ich höre so viele Klagen über die Situation in österreichischen Konsulaten in einigen Staaten, wenn es um Touristenvisa geht. Ich höre vor allem Klagen über Willkür und nicht nachvollziehbare Verweigerung von Touristenvisa an Familienangehörige, also an Menschen, die Angehörige in Österreich besuchen wollen, und zwar vor allem aus dem Konsulat in Zagreb, das noch die Agenden der inzwischen eingerichteten Botschaft in Sarajevo, was die konsularischen Angelegenheiten betrifft, zu erfüllen hat. Das, verehrte Frau Staatssekretärin – ich habe zahlreiche Gespräche geführt und auch Fakten gesammelt –, ist mir nicht einsichtig.


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Ich möchte Sie bitten – ich habe inzwischen auch eine schriftliche parlamentarische Anfrage gestellt –, da für Aufklärung zu sorgen. Denn ich weiß, daß die Bediensteten und Angestellten der Konsulate fast rund um die Uhr arbeiten – dieses Gefühl hat man zumindest –, daß sie sich auch besonders anstrengen. Ich habe aber den Eindruck, daß man von seiten der Ressortleitung nicht besonders darauf achtet, ob es jetzt eine spezifische Situation in Zagreb gibt, bedingt durch den Bosnienkrieg, und daß es dort einen viel, viel größeren Arbeitsanfall gibt. Kann man das nicht von seiten der Ressortleitung ein bißchen besser koordinieren? Die Leidtragenden sind Menschen, wie zum Beispiel aus
Goraýde oder aus Srbrenica, die jahrelang im Kessel gefangen waren, jetzt ihre Verwandten in Österreich nur kurz besuchen wollen, aber an der österreichischen Bürokratie scheitern, an Dingen, die nicht durch den Unwillen einzelner entstehen, sondern – und das wurde mir versichert – aufgrund von Erlässen von seiten des Ministeriums. Frau Staatssekretärin, bitte richten Sie das dem Herrn Bundesminister aus.

Ich möchte zuallerletzt noch etwas sagen, das mich ganz besonders verblüfft hat. Kollege Meischberger, der hier lang und breit über Südtirol gesprochen hat, hat offensichtlich etwas überhört, falsch verstanden oder falsch eingeschätzt. Wenn ich die Reaktion seines Parteivorsitzenden Dr. Haider richtig verstanden habe, dann hat er ja den Wahlausgang in Italien extrem bedauert. Er hat ja bedauert, daß die Postfaschisten nicht gewonnen haben. Aber Kollege Meischberger kriegt im Kopf offensichtlich nicht ganz zusammen, was das für Südtirol bedeuten würde. Jeder weiß, wie die Haltung der Postfaschisten in Italien im Zusammenhang mit Südtirol, was die Autonomie in Südtirol betrifft, ist. (Abg. Scheibner: Was sagen die Kommunisten?) Gottlob, kann ich nur sagen, hat Herr Dr. Haider den Wahlausgang bedauern müssen. – Kollegen Meischberger empfehle ich, daß er, bevor er hier großspurige Reden hält, einmal darüber nachdenkt, was des Führers Parole in diesen Fragen war. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Am Wort ist nun Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.47

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da sich die Debatte über die Außenpolitik dem Ende zuneigt und ich die Möglichkeit habe, als Letztgemeldeter der ÖVP-Abgeordneten noch einige Punkte anzuschneiden, möchte ich mich darauf konzentrieren, zu jenen Punkten Stellung zu nehmen, die im Laufe der Debatte aufgegriffen worden sind, wo ich glaube, daß noch das eine oder andere an Klärung erfolgen soll.

Zunächst einmal zu den Ausführungen von Kollegin Stoisits, die in einer sehr engagierten Form Vorgänge in Kroatien kritisiert hat. Kollegin Stoisits! Ich bin der Auffassung – ich hoffe, daß diese Auffassung sehr, sehr viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Hohen Haus teilen –, daß wir überall dort, wo Menschenrechtsverletzungen vorkommen, konsequent kritisch darauf zu reagieren haben. Ich glaube, die Menschenrechte als solche sind unteilbar. Wer sonst als freie, demokratisch gewählte Abgeordnete im westlichen Bereich dieser Welt sollte das aufzeigen – und wir sollten es überall tun! Nur: Wenn man einerseits Kroatien sehr kritisiert und andererseits Rußland sozusagen mit großem Wohlwollen gegenübertritt und es weniger stark kritisiert, was ich manchmal aus Ihren Debattenbeiträgen herauslese, dann muß ich sagen, wir sollten überall nach den gleichen Maßstäben vorgehen. Was meine ich damit? Wenn Rußland in den Europarat aufgenommen worden ist, aber die Aufnahme Kroatiens wegen vielleicht auch vorhandener Menschenrechtsverletzungen abgelehnt wird, dann, so meine ich, werden da wirklich nicht dieselben Maßstäbe angelegt. Ich bin dafür, Menschenrechtsverletzungen überall anzugreifen und die gleichen Maßstäbe an alle Länder, in denen Menschenrechtsverletzungen vorgenommen werden, anzulegen. Das soll ein gemeinsamer Standpunkt sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zum zweiten – weil Sie Menschenrechte angeschnitten haben –: Ich bin weder mit der Situation in Kroatien noch mit jener in Rußland oder in der Türkei zufrieden. Es gibt auch noch viele


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andere Länder, die zu erwähnen wären. (Abg. Mag. Stoisits: Ich bin auch mit Moldavien und Albanien nicht zufrieden!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollegin Stoisits! Lassen Sie mich eines sagen: Ich war sehr froh, als der Herr Vizekanzler und Außenminister als ersten der drei wesentlichen Schwerpunkte der Außenpolitik den Einsatz Österreichs für die Menschenrechtspolitik genannt hat.

Ich glaube, es ist eine sehr wichtige, wenn Sie wollen, auch eine sehr symbolhafte Vorgangsweise, wenn das an erster Stelle kommt. Wir – und zwar geht das durch alle Fraktionen – haben in dieser Zweiten Republik folgenden Standpunkt vertreten: Menschenrechtsverletzungen – diese gibt es leider in der überwiegenden Zahl der Staaten – haben wir aufzuzeigen, und zwar hat dies nicht nur der Außenminister zu tun, sondern das hat überall dort zu geschehen, wo Personen, vor allem natürlich Parlamentarier, Österreich vertreten.

Wenn wir das konsequent machen, ist das etwas, was enorm positiv für Österreich und für das Image Österreichs im gesamten weltpolitischen Bereich ist und uns in unserer Beurteilung nützen kann. Das ist unsere Überzeugung, und diese Überzeugung sollen wir auch leben!

Deswegen ist es so, daß die Menschenrechtspolitik als eine zentrale Frage der Außenpolitik diesen Stellenwert erhält. Ich glaube, wir sollten diesen Standpunkt, diesen Schwerpunkt der Außenpolitik in der Zukunft gemeinsam weiter vertiefen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu einem weiteren Punkt: Es hat Kollege Meischberger – ich möchte kurz darauf eingehen – eine kritische Stellungnahme zu Südtirol abgegeben. Das sei ihm natürlich unbenommen, aber er hat auch gesagt, Kollege Schüssel würde sich viel eher mit Außenministerin Agnelli über Südtirol unterhalten, als mit den Südtirolern gemeinsam Politik zu machen. – Kollege Meischberger! Ich gehe auf die anderen Punkte, die Sie gebracht haben, nicht ein. Er ist auch gerade nicht anwesend, aber die Kollegen werden es ihm sicher sagen.

Eines ist klar: Wir haben regelmäßige Kontakte nicht nur jetzt durch Herrn Dr. Schüssel, sondern auch früher schon mit den Verantwortlichen in Südtirol gehabt. Es sind die Schritte jeweils abgestimmt worden. Bereits nächste Woche ist der nächste Kontakt mit den Südtiroler Verantwortlichen. Und wenn jemand wirklich auf eine konstante Politik hinweisen kann, dann, so meine ich, sind es Dr. Schüssel, Dr. Mock und deren Vorgänger.

Südtirol hat eine Herzensangelegenheit der jeweiligen österreichischen Außenpolitik zu sein. Das wird auch in Zukunft so bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Letzter Punkt: Es sind einige Aspekte, kritische Stellungnahmen, aber auch positive Stellungnahmen zu unserer Politik innerhalb der Europäischen Union gebracht worden. Es ist schon richtig, daß etliches auch an Problemen, an Schwierigkeiten existiert. Allerdings glaube ich, daß die Haltung, die wir in der Außenpolitik – oder de facto ist das ja quasi zur europäischen Innenpolitik geworden – im Rahmen der EU jetzt einzunehmen haben, folgende ist – das gilt für die Politik generell –: Sich vor Herausforderungen zu fürchten, wäre die schlechteste Haltung, die man einnehmen kann. Wir dürfen uns nicht fürchten, sondern wir müssen Chancen, die sich ergeben – und diese gibt es reihum –, nützen, und zwar offensiv nützen im Bewußtsein, daß wir Strukturen zu ändern haben, daß wir selbstverständlich Offensiven im Wirtschaftsbereich und in anderen Bereichen einzuleiten haben. Wir haben diese Chancen.

Dr. Schüssel hat den Schweizer Bundespräsidenten zitiert, der gemeint hat: Es ist wesentlich besser, drinnen zu sein, diese Chancen von innen her zu sehen und nützen zu können, als draußen zu sein und alle Nachteile erleiden zu müssen.

In diesem Sinne: Wenn Außenpolitik von Optimismus, Hoffnung und Zuversicht getragen ist, von der Haltung, Probleme als solche zu sehen, aber als Herausforderungen, die bewältigbar sind, zu betrachten, dann, so glaube ich, werden wir die Herausforderungen, die an uns gestellt werden, auch bewältigen. In diesem Sinne stimmen wir von der Volkspartei dieser Außenpolitik


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und somit auch dem Kapitel Außenpolitik der Budgets 1996 und 1997 – und darum geht es ja – zu. (Beifall bei der ÖVP.)

14.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.55

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Zu Beginn ein Wort zu den Ausführungen der Frau Abgeordneten Stoisits, die sich mit Kroatien auseinandergesetzt hat. Wenn ihr auch durchaus in einigen Bereichen recht zu geben ist, so muß ich, da sie den Europarat, dessen Mitglied auch ich bin, angesprochen hat, schon darauf hinweisen, daß man, was die Frage der Menschenrechte und der Zugangsvoraussetzungen für eine Mitgliedschaft im Europarat und somit auch im Prinzip innerhalb der westlichen Staatengemeinschaft betrifft, nicht mit zweierlei Maß messen darf.

Der Europarat hat mit großer Mehrheit bei der Aufnahme Rußlands – trotz des Tschetschenienkrieges – von seiner bisherigen Praxis Abstand genommen, daß ein Beitrittswerber, bevor er Mitglied werden kann, all diese Anforderungen erfüllen muß. Man hat gesagt, das ist eine Art Vorleistung, um die demokratischen Kräfte zu unterstützen. Genützt hat es, wie wir jeden Tag aus den Zeitungen erfahren, nicht sehr viel.

Bei Kroatien, das immerhin – das muß man auch dazusagen – ein Staat gewesen ist, der von einem terroristischen Regime überfallen wurde, wo es selbstverständlich auch Menschenrechtsprobleme gibt, legt man jetzt plötzlich andere Maßstäbe an.

Heute, Mittwoch, wird im Europarat über diese Frage abgestimmt. Ich weiß nicht, wie diese Abstimmung ausgehen wird, aber dieselben Kräfte – sie stammen alle aus dem linken Lager –, die sich sehr für das russische Aufnahmegesuch eingesetzt haben, argumentieren jetzt plötzlich gegen eine Aufnahme Kroatiens und sagen, Kroatien müsse vorher diese Anforderungen erfüllen. Ich bin der Ansicht – und da stimme ich Kollegen Höchtl zu –, Menschenrechte sind nicht teilbar. Sehen Sie das nicht alles durch die ideologische Brille. Man muß eine Richtlinie aufstellen, und diese ist dann auch konsequent einzuhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Staatssekretärin! Abgeordneter Mock hat zu Beginn dieser Debatte etwas sehr Interessantes gesagt. Er hat gesagt: Sicherheitspolitik ist in Zukunft nur gemeinsam mit den anderen Staaten zu organisieren. Er hat gesagt, man soll nicht von einer neuen Sicherheitsarchitektur sprechen, die sich irgendwann einmal aufbauen wird, denn da wird nichts Neues kommen. Und er hat auch gleichzeitig seine Sympathien für eine WEU- und NATO-Mitgliedschaft bekundet.

Ich stimme hier dem ehemaligen Außenminister völlig zu. Es ist nur die Frage, meine Damen und Herren – auch von der Volkspartei und vom Außenminister hat man ja schon ähnliche Meldungen gehört –, wie das dann in die Praxis umgesetzt wird. So, wie wir es gestern bei der Landesverteidigung gesehen haben: Es gibt zwar richtige Denkansätze, gute Statements und gute Forderungen, aber in der Praxis sehen wir dann wieder recht wenig von der Volkspartei.

Frau Staatssekretärin! Das haben wir beim Programm der Regierung für die Regierungskonferenz gesehen. Es sollte ja das Ziel sein, Fortschritte beim Aufbau einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu erzielen und eine europäische Friedensordnung aufzubauen. Aber man merkt überhaupt nichts davon, daß Sie da offensiv werden, daß Sie eigene Ideen einbringen. Wir hören immer nur, Sie warten ab, was das Ergebnis dieser Regierungskonferenz sein wird.

Frau Staatssekretärin! Wir hätten gar nicht teilnehmen müssen, denn wir hätten auch von außen beobachten können, was die anderen ausschnapsen. Der Sinn einer Vollmitgliedschaft, einer Beteiligung ist es ja selbstverständlich, auch eigene Initiativen einzubringen! Sagen Sie es uns doch, wenn das nicht stimmt! Wie ist denn jetzt Ihre Sicht der Dinge? Was möchte Österreich, was die zukünftige Sicherheitsarchitektur betrifft? Wie soll ein europäisches Sicherheitssystem


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in Zukunft aussehen? Möchte Österreich mit allen Rechten und Pflichten daran teilnehmen? Oder wollen wir nur so wie bis jetzt von außen zusehen, ein bißchen beobachten, gute Tips geben, wir zahlen vielleicht auch ein bißchen etwas dazu, aber im Ernstfall sollen es die anderen machen, wir halten uns da heraus?

Frau Staatssekretärin! Wenn Sie diese Linie vertreten – bis jetzt haben Sie das noch nicht ausgeführt –, dann werden Sie ja heute noch dazu Stellung nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jedenfalls wird im Mai wieder eine Delegation des österreichischen Parlaments an einer Tagung der NATO-Vollversammlung, an der Parlamentarischen Versammlung der NATO teilnehmen – als Beobachter.

Als Beobachter dürfen wir in der letzten Reihe sitzen und zuhören und beobachten, was Staaten wie Rußland, Moldavien, Albanien, Bulgarien, Rumänien und andere dort diskutieren und wie sie gemeinsam mit den NATO-Mitgliedern an der NATO-Osterweiterung, am Aufbau eines neuen Sicherheitssystems arbeiten. Da zeigt sich die Realität, Frau Staatssekretärin, nämlich daß Sie es mit Ihrer Regierungspolitik geschafft haben, daß Österreich als westlicher Staat bei der internationalen Integration in die Sicherheitspolitik mittlerweile von Staaten wie Albanien überholt worden ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Herr Minister ist schon da! Das kannst du ihm sagen!) – Der Herr Minister ist da, wunderbar! Vielleicht wird er auch noch eine Stellungnahme dazu abgeben, warum wir diesbezüglich derart blockiert sind. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Aber es ist ja offensichtlich, meine Damen und Herren: Die Regierung konnte sich nicht auf einen offensiven Kurs in der Sicherheitspolitik einigen. Da sind die Sozialdemokraten natürlich stark mitverantwortlich, weil sie nach wie vor am Dogma der Neutralität festhalten, obwohl jeder weiß, daß sie sicherheitspolitisch heute überhaupt keinen Wert mehr hat. Die Neutralität hat einen starken historischen Wert für Österreich gehabt, aber welchen Wert diese Neutralität heute noch sicherheitspolitisch, nämlich als Schutz gegen einen Aggressor, haben könnte, das muß man mir noch einmal erklären.

Sie könnte schon einen Wert haben, wenn man sie wirklich ernst nähme, so wie die Schweizer, aber ich glaube, daß es nicht Sinn und Zweck einer vernünftigen Sicherheitspolitik sein kann, völlig isoliert und allein Landesverteidigung und damit auch Sicherheitspolitik zu betreiben. Ganz im Gegenteil. Es müßte das Gebot der Stunde sein, gemeinsam mit den anderen Staaten, aber als vollberechtigter Partner in diese sicherheitspolitischen Diskussionen einzugehen, ohne irgendwelche Dogmen aufzubauen, ohne zu sagen: Ja wir beobachten, wir diskutieren mit, aber in Wahrheit werden wir an dieser Neutralität festhalten.

Sie gehen ja sogar einen Schritt weiter, meine Damen und Herren: Sie übernehmen die Pflichten, die aus einer derartigen Kooperation erfließen, etwa bei der Beteiligung österreichischer Soldaten am IFOR-Einsatz, auch die finanzielle Beteiligung, ohne aber die Rechte aus einem derartigen Bündnis in Anspruch nehmen zu können. Denn das Recht, unter diesem Schutzschirm der Gemeinschaft zu sein, gibt es halt nur für Mitglieder. Durch dieses Festhalten an der Neutralität und auch dadurch, Herr Außenminister, daß Sie sich mit Ihrer Fraktion mit Ihren durchaus vernünftigen Ansätzen bis dato nicht durchsetzen konnten, haben wir hier mit derartigen Defiziten zu kämpfen.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns dazu entschließen, internationale Kooperationen einzugehen, wie das heute auch Abgeordneter Mock festgehalten hat, soll man auch nicht um den heißen Brei herumreden und sagen: Wir werden WEU-Mitglied, aber nicht NATO-Mitglied. Jeder weiß, meine Damen und Herren: Das wird nicht zu trennen sein. Eine WEU-Mitgliedschaft ohne NATO-Mitgliedschaft ist nicht möglich. Und ich glaube, es ist auch völlig verfehlt, daß man eine derartige Tabuisierung der NATO vornimmt. Die NATO hat sich gewandelt, und sie ist derzeit das einzige funktionierende Sicherheitssystem, das auch echte Sicherheitsgarantien geben kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie ist sicherlich auch zu kritisieren. Wir sind vor allem mit dem amerikanischen Einfluß in der NATO nicht zufrieden. Das haben wir ja auch in Bosnien gesehen, aber wir müssen leider zur


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Kenntnis nehmen, daß die Europäer derzeit noch nicht in der Lage und auch nicht willens sind, die eigene Sicherheit in die eigenen Hände zu nehmen und auch aus der eigenen Tasche zu finanzieren. Solange das so ist, müssen wir uns eben nach der Decke strecken, und da ist die NATO das einzig vorhandene und funktionierende Sicherheitssystem.

Herr Bundesminister! Wir würden uns erwarten, daß Sie nicht nur deutliche Worte in dieser sicherheitspolitischen Diskussion finden, sondern daß diesen Worten auch endlich Taten folgen. Wir alle wissen, daß das ja Prozesse sind, die Jahre dauern, aber wir müssen einmal anfangen, zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen. Bis all das dann realisiert wird, dauert es ja, aber Sie werden uns, wenn Sie weiterhin zögern und zaudern und sich von den Sozialisten bremsen lassen, weiter ins sicherheitspolitische Abseits bringen, und das gefährdet die Sicherheit Österreichs im Ernstfall. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegen mir zum Verhandlungsbereich Äußeres keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Debatte dazu.

Wirtschaftliche Angelegenheiten

Kapitel 63: Handel, Gewerbe, Industrie, Fremdenverkehr

Kapitel 64: Bauten und Technik (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir verhandeln nunmehr den Bereich wirtschaftliche Angelegenheiten.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Prinzhorn. Ich erteile es ihm.

15.05

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Als Neuabgeordneter habe ich natürlich das Koalitionsabkommen ganz genau studiert. Darin stehen ja längst fällige Erkenntnisse. Meine Freude war wirklich groß. Die Konsolidierung des Bundeshaushalts ist angesichts der Entwicklung ein zentrales Anliegen für die Wirtschaftspolitik. – Wie richtig!

Meine Damen und Herren! Die Zielsetzung, das Budgetnettodefizit von über 5 Prozent auf 2,5, 3 Prozent herunterzubringen – wie richtig! Sie schreiben: Sollte beispielsweise die Sanierung über die Erhöhung von Lohn- und Einkommensteuer erreicht werden, dann seien die Grenzen der Steuerbelastung einfach schon längst erreicht, wenn Sie da noch weitere Anhebungen machen wollten.

Die Budgetsanierung muß daher ausgabenseitig erfolgen. Die sofortige Ausarbeitung, heißt es da, eines längerfristig wirksamen Sanierungspaketes und der Einfluß der notwendigen Gesetzesänderungen, die Lukrierung außerordentlicher Erträge durch Veräußerung von Bundesvermögen. Es ist sogar von einer eineinhalbprozentigen Einsparung beim Aktivitätsaufwand ohne Mehrleistungsvergütung die Rede, und Sie wollen sogar die Hälfte der Planstellen in der öffentlichen Verwaltung nicht mehr nachbesetzen. Die Zahl der Dienstposten muß gesenkt werden, heißt es, und außerordentliche Erträge durch die Veräußerung des Bundesvermögens sind zu lukrieren.

Das sind alles Frohbotschaften in Richtung schlanker Staat. Können Sie sich vorstellen, wie groß mein Entsetzen war, als ich dann – ich bin eben ein Neuabgeordneter – das Datum dieses Koalitionsübereinkommens gelesen habe? – Es war nämlich der 16. Jänner 1987, meine Damen und Herren, der Tag, an dem uns das Arbeitsübereinkommen der Sozialistischen Partei Österreichs und der Österreichischen Volkspartei diese Frohbotschaft übermittelt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Solche Frohbotschaften bekommen wir ja eigentlich täglich zu hören. Ich habe heute und gestern aus dem Mund der Bundesregierung gehört, es wird jetzt wieder investiert werden – die Zinssätze sind gesunken. Ich sage Ihnen: Investiert wird aufgrund von langfristigen Zinssätzen und nicht aufgrund von kurzfristigen. Damit können Sie bestenfalls Autoimporte und Autokäufe erreichen. Wir haben heute bereits die meisten Autokäufe nach dem Zweiten Weltkrieg zur Kenntnis genommen; dadurch wird unser Leistungsbilanzdefizit höchstens noch größer, aber nicht kleiner.

Investiert, meine Damen und Herren, wird auch heute aus dem Cash-flow der Unternehmungen, weil sie viel zuviel Angst haben, neue langfristige Verbindlichkeiten einzugehen. Aber der Herr Bundeskanzler, der ja lange genug ein hervorragender Bankdirektor war, wollte uns das nicht dazusagen, als er gestern darüber berichtete.

Auch der Wirtschaftssprecher der Grünen, Van der Bellen, hat heute gemeint, man würde eben das Pferd von der falschen Seite her aufzäumen und den Binnenmarkt mit der Brechstange Euro erreichen, anstatt den Binnenmarkt vorher herzustellen und dann den Euro einzuführen, als logische Konsequenz dazu.

Ich glaube, daß wir gut beraten sind, wenn wir zur Kenntnis nehmen, daß die Entwicklung der Zahl der Industriebeschäftigten der letzten neun Jahre ständig rückläufig war. Dieser Rücklauf der Industriebeschäftigtenzahlen wird heuer mit weiteren 5 Prozent minus einen neuen Höhepunkt erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das sind die "Frohbotschaften", die vielleicht noch dadurch ergänzt werden, daß Sie in den Frühnachrichten von Landeshauptmann Pröll hören, daß die Arbeitsplätze bei Semperit erhalten werden können. Ich empfehle Ihnen, die "WirtschaftsWoche" von morgen zu lesen. Da steht nämlich drinnen, was passiert und was nach Aachen verlagert wird.

Es sind dies Dinge, die wir Ihnen schon lange zu erklären versuchen. Es sind eben die Rahmenbedingungen dafür nicht gegeben, und Ideen wie jene des Herrn Landeshauptmannes Pröll kommen vielleicht aus der Tintenburg St. Pölten, von Bürokraten, aber nicht von dort, wo das wahre Geschäft gemacht wird, nicht von dort, wo die wahren Umsätze gemacht werden, nicht von dort, wo die Investitionsentscheidungen getroffen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Gradwohl: Wo machen Sie Ihre Umsätze, Herr Prinzhorn?)

Die Garantien der Arbeitsplätze, meine Damen und Herren, haben so lange Beine wie die Garantien der Pensionen vom 17. Dezember. Es gibt keine Wertsicherung der Pensionen, sondern man wird den Realpensionsverlust einfach hinnehmen müssen, so wie wir den Verlust von Arbeitsplätzen in den letzten Jahren hinnehmen mußten, weil wir keine neuen geschaffen haben. Und darin, glaube ich, liegt unser Problem.

Wie Ihr Abgeordneter Nowotny richtig sagt – und ich muß sagen, er ist ein ehrlicher, rechtschaffener Mensch –: Seit 1980 ist die Zahl der Arbeitsplätze in der öffentlichen Verwaltung um 44 Prozent gestiegen. Wir haben 44 Prozent mehr Beamte, die mit dieser Gesetzesflut und mit diesem Chaos fertig werden müssen, meine Damen und Herren.

Und wenn wir von Deregulierung reden, wie das Ihr Herr Minister Weiss, Ihr Herr Minister Löschnak und Dr. Neisser getan haben, dann kann ich Ihnen nur sagen: Genausowenig, wie vom 17. Jänner 1987 bis heute bezüglich der Umstrukturierung des Budgets und der Rahmenbedingungen für die österreichische Wirtschaft geschehen ist, ist auch da geschehen. Die Gesetzesflut nimmt ein horrendes Ausmaß an, und von Gesetzesbereinigung kann nicht die Rede sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Während wir uns mit hausgemachten Problemen herumschlagen, schreitet die Umstrukturierung weltweit fort, und während die Geschwindigkeit der Veränderung ständig zunimmt, verharren wir in Nabelbeschau und denken über den Tellerrand nicht hinaus. Glauben Sie mir: Mich als Unternehmer freut das überhaupt nicht!


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John F. Kennedy hat einmal gesagt: Wenn die Menschen fähig sind, durch Maschinen Arbeit zu ersetzen, dann sind die Menschen auch fähig, wieder ausreichend Arbeit zu schaffen, Herr Minister Löschnak. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nur muß ich Ihnen wirklich sagen: Diese Menschen fehlen mir heute und hier in diesem Parlament. (Abg. Kiss: Was hat das mit dem Löschnak zu tun?) Wo liegt den Österreich im internationalen Vergleich, Herr Abgeordneter? Wo liegt es denn? (Abg. Kiss: Was hat das mit Löschnak zu tun?) Wir haben über Gesetzesänderungen und über die Eindämmung der Bürokratie schon jahrelang gesprochen, und das waren sehr wesentliche Dinge. So lange sind Sie aber vielleicht noch nicht im Parlament, daß Sie das wissen, Herr Abgeordneter Kiss. (Abg. Kiss: Was hat das mit dem Franz Löschnak zu tun?) Von einem Neuabgeordneten müssen Sie sich erklären lassen, wer dafür zuständig war, Herr Abgeordneter! Das ist aber traurig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Informationsgesellschaft, die auf uns zukommt, verlangt auch eine Umstrukturierung von ORF- und Telefonmonopol. Wir haben dort die Entwicklung – ich traue es mich gar nicht zu sagen, weil Sie sonst aufbrausen – ein bissel verschlafen. Während in Europa Hunderte Privatstationen am Fernsehsektor den Arbeitsmarkt am Dienstleistungssektor beleben, streiten wir um Kompetenzen und Genehmigungen.

Die Postprivatisierung ist ein weiteres Beispiel. Während man 115 Milliarden Schilling im Rahmen der Postprivatisierung irgendwie budgetfreundlich zu verteilen versucht, stehen doppelt so hohe Telefongebühren in Österreich denen Schwedens und vieler anderer Länder gegenüber. Ich kann Ihnen nur eines empfehlen: Nehmen Sie sich, wenn Sie viel im Ausland telefonieren, so wie ich eine Auslandshandynummer, weil die Telefongebühren dort die Hälfte betragen; aber da dürfen Sie keine österreichische Station benützen. Das ist eine traurige Entwicklung, kann ich Ihnen sagen, das ist eine traurige Entwicklung! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edler: Sie sind ein Österreicher! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich bin ein internationaler Bürger und habe große Sorge um Österreich, Herr Abgeordneter. Ich habe große Sorge um Österreich. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Machen Sie nur weiter, reden Sie sich nur aus! Wenn Sie so viele Ideen hätten, wie Sie jetzt zurufen, muß ich Ihnen sagen, dann würden wir in der Wirtschaftspolitik anders dastehen.

Aber auch im Technologiebereich gibt es Streit um Kompetenzen zwischen den Ministerien und Institutionen. Weltweit werden dauernd neue Zukunftspotentiale durch Innovation geschaffen. Den Sünden der Vergangenheit, sage ich Ihnen, steht die Ideenlosigkeit für die Zukunft gegenüber, und zwar Ihre Ideenlosigkeit. (Abg. Koppler: Wie stehen wir denn da?)

Herr Abgeordneter Koppler, wir haben bei Semperit gerade ein großes Problem, weil wir die Reifenproduktion in Österreich verlieren. Hören Sie mir gut zu, was mit der Autoproduktion passiert, damit Sie sich daran erinnern, wenn es so weit ist: Es kostet heute ein steirischer Chrysler in Österreich 40 000 Dollar. Derselbe Chrysler, mit derselben Ausstattung, kostet in Amerika 25 000 Dollar, und die Frachtkosten machen 500 Dollar aus. Und ich sage Ihnen: Wenn die Einzelgenehmigungsprobleme hier gelöst sind, dann werden unsere Kinder via Internet den Chrysler bestellen. Und ich fürchte, bei 25 500 Dollar für einen Import-Chrysler wird er nicht nur, wie wir es gerne sehen würden, aus Graz kommen. Dann sind wir die Autoreifen und die Autos los! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Herr Wirtschaftsminister! So wenig, wie Sie Österreich gestern auf die EU vorbereitet haben, so wenig bereiten Sie Österreich mit seiner Wirtschaftspolitik auf die Bedürfnisse von morgen vor. Wir Freiheitlichen wollen Arbeitsplätze durch Innovation sichern, aber nicht durch Bürokratie und Kompetenzwirrwarr, wie es derzeit in der Innovationsförderung der Fall ist. Daher bringen wir folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Betrag der für das Jahr 1996 veranschlagten Privatisierungserlöse der Forschungs- und Technologieförderung – sprich: dem Forschungsförderungsfonds für die gewerbliche Wirtschaft sowie dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung – als Stiftungskapital zum Zwecke der nachhaltigen Sicherung und Verbesserung der österreichischen Forschungs- und Technologieförderung zur Verfügung zu stellen, der das Erreichen des OECD-Durchschnittes in bezug auf die Ausgaben für Forschung und Entwicklung ermöglicht.

*****

Der OECD-Durchschnitt ist, bitte, 3 Prozent bei der Forschungsförderung, nicht 1,5 Prozent wie bei uns. Bitte ermöglichen Sie Österreich die Schaffung von Arbeitsplätzen für die Zukunft durch Innovation! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unternehmer, die die Zukunft nicht abschätzen können, sind ihr Geschäft bald los, Herr Minister. Neue Unternehmer bauen auf, es gibt neue Arbeitsplätze. Ihnen von der Regierung wird es auch bald so ergehen: Sie werden sich neue Arbeitsplätze suchen müssen. Ich wünsche Ihnen, daß Sie sich dabei leichter tun als derzeit die österreichische Industrie. Schauen Sie nicht, was geht, Herr Minister! Sie schreiben und sagen so gerne: Schauen, was geht. Schauen Sie nicht, was geht, sondern haben Sie Mut zum Handeln! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder wird vielleicht der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten, den Sie immer äußern und der besonders wichtig ist für die Belebung des Arbeitsmarktes, eingetauscht gegen den Wunsch der Sozialdemokraten nach Liberalisierung der Gewerbeordnung? – Tatsache ist, daß Österreich als Wirtschaftsstandort sehr hohe Kosten hat, wir aber eigentlich keine Ansätze einer Veränderung zeigen.

Die Lohnnebenkosten gegenüber der Schweiz stellen sich so dar, daß die Nettolöhne, also das, was der Mensch pro Arbeitsstunde – damit da nicht wieder ein Durcheinander bei Ihnen entsteht – verdient, um 70 Prozent höher sind, die Lohnnebenkosten in der Schweiz sind 60 Prozent niedriger. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und wenn Ihnen die Definition der Lohnnebenkosten nicht paßt, dann erkundigen Sie sich bei der ILO, bei der internationalen Organisation. Dort wird die Definition nämlich so gehandelt und nicht anders.

Zu den Umweltkosten, Herr Minister. – Wir sind in die EU hineingegangen mit unserer Umweltgesetzgebung und haben gesagt, da werden wir in der EU positive Beiträge leisten können, ganz Europa werden wir mit unseren Umweltgesetzen beglücken, die in weiten Bereichen bahnbrechend sind, wenngleich sehr wettbewerbsverzerrend.

Was aber macht die EU, Herr Minister? – Dort zuckt man die Achseln, schickt uns in das nächste Jahrtausend hinein und sagt: Das ist ja euer Problem, wenn eure Industrie und Wirtschaft so benachteiligt wird, wir denken nicht daran, eure Gesetzgebung zu übernehmen.

Das meinen wir, wenn wir sagen: Vorbereitung auf die EU, Herr Minister. Brüssel schert sich nämlich um unsere Anliegen einen Dreck (Beifall bei den Freiheitlichen), und daher sind wir enttäuscht – wenngleich wir natürlich zur EU stehen. Wir sind heute drinnen, aber wir wollen mit dem Euro nicht noch einmal dasselbe erleben, nämlich, wie Professor Van der Bellen gesagt hat, das Pferd von der falschen Seite aufzäumen.

Abhängigkeiten, Herr Minister, Betreuungskosten durch Gesetzesflut und Regulative steigen auch in diesem Belastungspaket. Wir haben es heute gehört: 22 Prozent öffentlich Bedienstete, nur 6 Prozent Selbständige, Schlußlicht in Europa, 15 Prozent Pensionskosten am Bruttoinlandsprodukt. – Und da ist noch gar nicht alles hineingerechnet. Bezüglich der Pensionsverbindlichkeiten der heute eingegangenen Pensionen können Sie bei Professor Holzmann in Saarbrücken, diesem Experten, nachlesen. Für die Pensionsverbindlichkeiten der heute eingegangenen Pensionen stehen 7 000 Milliarden Schilling Verbindlichkeiten bei den Pensionen nur 1 500 Milliarden Einzahlungen gegenüber. Und da frage ich Sie, wer da Pensionen garantieren


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will und sich nicht letztlich falscher Versprechungen schuldig macht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn die Pensionsgarantie, die wir am 17. Dezember noch mitgekriegt haben, nämlich noch knapp vor der Wahl, drei Monate später nicht mehr gehalten hat und die Pensionen real verlieren, dann dürfen Sie Pessimismus und Konsumverweigerung nicht bei der Wirtschaft beklagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber auch der Kapitalmarkt fehlt in Ihrem Konzept, die Entwicklung des Kapitalmarktes. Vergessen Sie nicht, Österreich ist mit 4 Prozent Aktionären in der Bevölkerung Entwicklungsland. Wir haben nur mehr Indien hinter uns, der Rest der Welt ist vor uns. Das sind Entwicklungsprobleme! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber Eigeninitiative wird ja bei uns überhaupt gern abgewürgt. Das kennen wir ja schon von der Diskussion über die Pflichtversicherung und die Versicherungspflicht, Herr Abgeordneter Feurstein! Also ich muß Ihnen sagen: Herr Abgeordneter, das hat mich erschüttert von Ihnen! Von Herrn Guggenberger hätte ich es mir noch eher erwartet, aber von Ihnen habe ich das eigentlich nicht erwartet. (Abg. Dr. Feurstein: Das ist eine totale Fehlhaltung von Ihnen! Ich bin sehr enttäuscht von Ihnen! Das ist ein Witz!) Aber der selbständige Mensch hat ja bei Ihnen noch nie etwas gegolten, sondern immer nur der betreute Mensch, Herr Abgeordneter. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Herr Abgeordneter! Sie können dann herauskommen und reden! Kommen Sie nur, Herr Feurstein! Sie können sich ja melden, dann sind Sie ja dran!

Ich bedauere ja auch den Herrn Vizekanzler, wenn er Vorschläge zur Eigenvorsorge macht. Wenn nämlich Herr Vizekanzler Schüssel Vorschläge für den Selbstbehalt bei Medikamenten macht und im nächsten Augenblick Ihr Gesundheitssprecher Rasinger kommt und sagt, davon hält er gar nichts, nämlich von der Marktwirtschaft und vom Leistungsprinzip, dann spricht das ja auch nur dieselbe Sprache. (Abg. Dr. Rasinger – neben dem Platz des Abg. Dr. Khol stehend –: Das haben Sie leider verwechselt!) – Herr Abgeordneter Rasinger! Kommen Sie noch ein bißchen näher, ich höre nämlich ein bißchen schlecht.

Das paßt alles gut ins Bild der Privatisierung. – Das Gerangel um die Privatisierung der E-Wirtschaft zeigt das ja ebenfalls sehr eindrucksvoll.

Da schreibt der Herr Vizekanzler ein Buch – wirklich ein sympathisches Buch: "Mehr Privat, weniger Staat"; es ist zwar auch schon 10, 15 Jahre alt; ich sehe noch seine Präsentation im Wiener Hilton Hotel –, darin unterstreicht er, wie wichtig es sei, daß man dieses 2. Verstaatlichungsgesetz endlich zu Fall bringt. Aber ich muß Ihnen sagen, beim großen Bruder, der SPÖ, hat er sich da nicht durchgesetzt, und ich glaube daher, es ist auch da richtig, wieder einmal einen Entschließungsantrag zu stellen, um das in Erinnerung zu rufen – was ich hiemit tue.

Dieser Entschließungsantrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Kollegen betreffend Novellierung des Bundesgesetzes vom 26. März 1947 (2. Verstaatlichungsgesetz), BGBl. Nr. 81/1947

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, in Übereinstimmung mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Bundesgesetzes vom 26. März 1947 (2. Verstaatlichungsgesetz), BGBl. Nr. 81/1947, vorzulegen, durch welchen eine vollständige Privatisierung der in öffentlichem Eigentum befindlichen Unternehmungen, Betriebe und Anlagen zur Erzeugung und Verteilung elektrischer Energie möglich gemacht wird.

*****


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Wenn Sie das machen, werden wir vielleicht in diesem Punkt nicht wieder Schlußlicht bleiben, weil auch die Privatisierung der E-Wirtschaft, der Wettbewerb der E-Wirtschaft und die Föderalisierung natürlich europaweit und weltweit vorangetrieben werden.

Meine Damen und Herren! Bei allem Respekt vor der schwierigen Aufgabe, vor der wir in Europa stehen – und wir in Österreich ganz besonders –: Sie haben in der Frage der österreichischen Wirtschafts- und Industriepolitik in den letzten neun Jahren, seit dem 17. Jänner 1987, sehr wenig bis nichts eingebracht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben uns auch 1996 mit steigenden Arbeitslosenzahlen das Leben versauert und die Perspektiven versalzen! Insolvenzrekorde werden an der Tagesordnung sein und das erste Quartal 1996 spricht eine deutliche Sprache. Und ich muß Ihnen sagen: Die strukturellen Budgetdefizite sind Sie nicht einmal im Ansatz angegangen! Und wenn Sie, meine Damen und Herren, glauben, daß mich als Unternehmer das nicht alarmiert und nicht alarmieren darf, dann haben Sie sich wirklich vergriffen. Aber wenn Sie glauben, daß mich als Oppositionspolitiker dieser Zustand freut, dann irren Sie sich noch mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die beiden Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Maderthaner. – Bitte.

15.24

Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Budgetdebatte, die wir derzeit führen, hat jedenfalls – das möchte ich gleich eingangs feststellen – eine Trendwende eingeleitet. Die Maßnahmen, die hier beschlossen wurden, waren richtige Schritte in die richtige Richtung.

Meine Damen und Herren! Ich darf festhalten, daß ich ja schon in der Vergangenheit einiges von den Dingen, die nun beschlossen werden, vorgeschlagen habe und daß ich von vielen in der Vergangenheit, auch von manchen in diesem Haus, kritisiert wurde, als ich davor gewarnt habe, daß wir in einigen Bereichen über unsere Verhältnisse leben und daß wir nichts verschenken sollten, was wir nicht auch verdienen können. Von der Mehrheit der fleißigen Menschen in unserem Lande bin ich aber, so glaube ich, schon länger durchaus richtig verstanden worden.

Wenn nun einiges und Wichtiges im neuen Regierungspapier seinen Niederschlag gefunden hat, so ist das erfreulich und wird sicherlich nun die Möglichkeit dazu geben, dort, wo es notwendig ist, auch Korrekturen vorzunehmen. Aber wenn wir die Wirtschaft in unserem Lande weiter wettbewerbsfähig halten wollen beziehungsweise die Wettbewerbsfähigkeit noch verbessern wollen, dann ist das sicherlich noch nicht genug, was wir uns vornehmen müssen.

Meine Damen und Herren! In diesen Tagen ist – gerade auch in dieser Budgetdebatte – viel von Ausgewogenheit die Rede. Jeder verwendet dieses Wort und diesen Begriff in einer anderen Weise, wenn ich das so sagen darf. Und ich stehe nicht allein mit der Beurteilung, daß dieses Wort so oft es gebraucht auch mißbraucht wird, denn letztlich geht es um die Einsicht, daß eben nur verteilt werden kann, was erarbeitet wird und zur Verfügung steht. Wer das nicht glaubt, ist eingeladen, mit einem Unternehmer, etwa einem kleinen Handwerker oder mit einem Trafikanten, über Freizeit, soziale Ausgewogenheit, Pensionsanfallsalter, Krankenstand, Urlaub und so weiter zu reden. Und die österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer tragen wesentlich und überdurchschnittlich zur Sanierung des österreichischen Staatshaushaltes bei!

Wir brauchen auf der anderen Seite aber auch gewisse Entlastungen – ich möchte das heute noch genauer ausführen –, die nicht immer nur materieller Natur sein müssen, die aber das Unternehmerdasein erleichtern helfen: Bürokratieabbau, Arbeitszeitflexibilisierung, Lohnnebenkostenabbau sind dabei wesentliche Punkte, wie ich ebenfalls noch ausführen möchte.

Bei allem positiven Blick in die Zukunft müssen wir doch feststellen, daß die Insolvenzstatistik der letzten Monate uns schon ein bißchen Sorge macht. Und wenn den Unternehmern manch


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mal die Luft zum Atmen genommen wird, meine Damen und Herren, dann geht uns auch die Luft aus – diese Erkenntnis und die richtigen Schlüsse, die wir daraus ziehen sollten, sichern und schaffen jedenfalls mehr Arbeitsplätze und finanzieren unsere sozialen Netze besser als sogenannte staatliche Beschäftigungsprogramme, Positionspapiere oder Entscheidungen nur vom grünen Tisch aus.

Denn wenn ich – und ich sage das auch sehr kritisch, meine Damen und Herren – manchmal das Wort "Beschäftigungsprogramm" höre, dann frage ich mich, was damit gemeint ist. Arbeitsplätze können nicht verordnet werden, Arbeitsplätze können nicht am grünen Tisch einfach beschlossen werden, Arbeitsplätze werden von Unternehmen – und zwar von konkurrenzfähigen Unternehmen – geschaffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade in diesem Bereich gibt es eben auch Schritte in die richtige Richtung und Korrekturen. Vom Wirtschaftsstandort Österreich, von sicheren Arbeitsplätzen und von Wettbewerbsfähigkeit zu reden und sich dazu zu bekennen, ist sicher notwendig, ist aber eine Sache. Das auch umzusetzen, ist die andere, und darum müssen wir uns bemühen. Dazu braucht es Unternehmer mit Weitblick, Initiative und Risikobereitschaft sowie einen Staat, der die Unternehmer wenigstens in diesen ihren Aufgaben unterstützt und sie nicht noch behindert in der Erfüllung ihrer Aufgaben.

Ich möchte hier eine kritische Anmerkung machen. Wenn ich jetzt zum Beispiel den neuen Evaluierungsbogen, der beim Arbeitnehmerschutzgesetz im Entwurf ist, lese, dann finde ich, daß das sicherlich nicht der richtige Weg ist, Unternehmern Mut zu machen (Abg. Haigermoser: Wie denn ?) oder neue Unternehmer zu gewinnen.

Meine Damen und Herren! Die Unternehmer brauchen ihre Zeit zum Denken und zum Arbeiten und nicht, um seitenweise Formulare auszufüllen. Das möchte ich hier deutlich feststellen. (Beifall bei der ÖVP.) Daher möchte ich alle Verantwortlichen bitten, nachzudenken, was man tun muß, wenn man eine Gründungswelle, eine Gründerwelle in Gang setzen will, wenn man neue Unternehmer finden will. (Abg. Schöll: Abschaffen! Die Kammern abschaffen!) Meine Damen und Herren! Wir brauchen sicher neue, ja sogar viele neue Unternehmer, um die Arbeitsplätze zu schaffen, die wir in der Zukunft brauchen.

Bei all den Problemen, die wir zurzeit zu bewältigen haben, meine Damen und Herren, wäre es aber auch falsch – sicher falsch! –, die Schuld an den Problemen, die wir gemeinsam bewältigen müssen, auf den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zu schieben, wie das manche so gerne tun. Ich möchte hier ganz deutlich feststellen, daß gerade dieser Beitritt zur Europäischen Union zusätzliche Investitionen nach Österreich gebracht hat, zusätzliche Niederlassungen, die uns jedenfalls gerade im Jahr des Beitritts zusätzlich Arbeit gegeben haben.

Meine Damen und Herren! Auch die Ausfuhren aus Österreich in die Europäische Union haben sich positiv entwickelt, und die Inflation ist so niedrig wie schon lange nicht. Das hängt sicherlich auch damit zusammen.

Durch diese niedrige Inflation sind auch die Kreditzinsen für Neuinvestitionen billiger geworden. Das ist sicher auch ein positiver Punkt, denn allein die Senkung dieser Zinsen um 1 Prozent bringt etwa 7 bis 8 Milliarden Schilling für die Belebung der Wirtschaft. Dazu kommt, meine Damen und Herren, daß sich das Investitionsklima in Österreich im ersten Jahr des Beitritts durchaus gut entwickelt hat.

Meine Damen und Herren! Wir stehen gemeinsam vor schwierigen Aufgaben, aber übertriebener Pessimismus schadet allen, nicht zuletzt auch der Wirtschaft, also den Unternehmen selbst. Und dabei sind sie es, die einzig und allein Beschäftigung schaffen können und dafür sorgen können. Ohne positive Einstellung zur Zukunft kann niemand Unternehmer werden oder bleiben. Wir brauchen keine illusionistischen Schönfärbereien, meine Damen und Herren, aber einen gesunden Realismus, auch im Zusammenhang mit der so oft beschworenen und vielfach als Wundermittel gepriesenen Unternehmensgründungswelle. Auch da tun Realismus und Hilfe zur Selbsthilfe not. Das wäre, so glaube ich, eine geeignete Vorgangsweise, die Gründungswelle zu unterstützen, um dem Ziel näherzukommen, neue Unternehmen zu schaffen.


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Ich bekenne mich zu dem Ziel, in Österreich, wie wir es uns vorgenommen haben, einige Tausende oder Zigtausende Unternehmen zu schaffen, um damit auch das Ziel, neue Arbeitsplätze zu bekommen, zu erreichen und zu fördern. Aber die Rahmenbedingungen müssen dabei natürlich stimmen. Dazu gehören selbstverständlich fundierte, fachlich und vor allem auch kaufmännisch geeignete Unternehmer. Es gehören auch entsprechende Finanzierungsmodelle dazu, die bei der Eigenkapitalbildung ansetzen, vor allem aber möglichst wenig Bürokratie, denn damit verhindern wir Unternehmensgründungen.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang lassen Sie mich eines sagen: Wir reden so viel von der Liberalisierung, vom einfachen Zugang zum Unternehmertum, und sagen sehr oft: Die Unternehmensgründungen sind deswegen nicht so im Vormarsch, wie wir das wünschen würden, weil die Gewerbeordnung verhindert, daß man sich sehr leicht selbständig machen kann. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Dann tut doch etwas! Dann ändert das doch!)

Meine Damen und Herren! Da gibt es sicherlich einen breiten Bogen, je nachdem, was sich er eine oder andere vorstellt. Die einen wollen auf die Unternehmerprüfung oder auf den Befähigungsnachweis ganz verzichten, andere an jeder Straßenecke einen Betrieb errichten, wieder andere sehen in der Unternehmensgründung ein bloßes Instrument zur Unterbringung von Arbeitslosen und zur Beschönigung der Beschäftigungsstatistik.

Meine Damen und Herren! Eine Erleichterung des Zugangs zum Unternehmertum muß gesamtwirtschaftlich gesehen werden. Liberalisierung kann keine Einbahnstraße sein. Und nur mit schönen Worten hier kann man sicher nicht erreichen, daß das Selbständigmachen gefördert wird.

Meine Damen und Herren! Wenn wir von Liberalisierung reden, dann muß man eines doch bedenken: Es soll durchaus von der Gewerbeordnung her erleichtert werden, sich selbständig zu machen. Aber es ist dringend notwendig, daß bürokratische Hindernisse abgebaut werden. Es findet nämlich in der Regel ein solcher Spießrutenlauf statt, daß so mancher aufgibt, bevor er noch selbständig geworden ist.

Meine Damen und Herren! Die Qualifizierung kann es jedenfalls nicht sein, die das Selbständigmachen verhindert. Die Führung eines Unternehmens, die Verantwortung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist sicher mindestens so schwierig wie das Lenken eines Autos. Und die Führung eines Unternehmens muß sicher jenen vorbehalten sein, die eine entsprechende unternehmerische Qualifikation, Mut zum Selbständigmachen, auch zum Risiko mitbringen und die diese Qualifikation auch nachweisen können. Außerdem kann es in einer Zeit, in der man den Konsumentenschutz immer mehr forciert, in der man immer mehr Verantwortungsbewußtsein vom Unternehmer verlangt, nicht so sein, daß immer weniger an notwendiger Voraussetzung, an Ausbildung gefordert wird. Und wenn man dauernd von besserer Ausbildung im Beruf redet – und ich glaube, daß das in der Zukunft noch wichtiger wird denn je –, dann ist diese bessere Ausbildung auch die Voraussetzung, um sich selbständig zu machen.

Ich bin für Erleichterungen beim Zugang zum gewerblichen Beruf und zur gewerblichen Tätigkeit. Das geht aber nur, wenn das unternehmerische Umfeld auch entsprechend stimmt. Dabei denke ich daran, daß wir bei den Genehmigungen dringend Schritte zu setzen haben. Das Anlagenrecht ist ebenfalls dringend zu durchforsten. Es wäre wichtig, viel schneller als bisher zu reagieren. Es ist notwendig, die Genehmigungsverhandlungen zu konzentrieren und sicherzustellen, daß jemand, der sich selbständig machen will, auch sehr rasch diese Idee und diesen Wunsch umsetzen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn ich davon spreche, daß sozusagen Liberalisierung keine Einbahnstraße ist, dann meine ich damit, daß gleiche Bedingungen für alle zu gelten haben, und zwar gleiche Bedingungen zwischen den verschiedenen Berufsgruppen sowohl in steuerlicher Hinsicht als auch bei den sonstigen Bedingungen.

Meine Damen und Herren! Ich halte es für eine gemeinsame Aufgabe in der Politik, die österreichische Wirtschaft auf einen weitgehend liberalen Weltmarkt gründlich vorzubereiten. Denn auch nach der Bewältigung der Budgetprobleme wird es an wirtschaftlichen Herausforderungen


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nicht mangeln, wenn man nur an die wachsende Konkurrenz aus den osteuropäischen Nachbarstaaten denkt, an die zusätzliche Konkurrenz aus der Europäischen Union oder an die Neuordnung der Welthandelsorganisation mit dem beinharten Wettbewerb aus Asien.

Aber ich möchte ganz klar und deutlich festhalten: Nur darüber zu jammern oder schwarzzumalen wird uns nicht helfen, die Probleme zu bewältigen. Setzen wir die richtigen Schritte, krempeln wir die Ärmel auf, nehmen wir die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes selbstbewußt und auch mit Optimismus in die Hand! (Beifall bei der ÖVP.)

Die österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer sind sicher dazu bereit, wenn man ihnen, wie ich schon gesagt habe, mehr Luft zum Atmen gibt, die bürokratischen Hemmnisse abbaut und ihnen mehr Zeit zum Denken und Handeln gibt, ihnen diese wertvollste Zeit läßt, die sie brauchen, um ihre Betriebe weiterzuentwickeln.

In diesem Sinne bekenne ich mich zu den notwendigen Sanierungsmaßnahmen, wenn man auch bestimmte Punkte von verschiedenen Seiten betrachten kann. Aber die richtigen Schritte wurden gesetzt. Jetzt liegt es an uns, die nächsten Schritte zu setzen und die Wirtschaft in ihrem Bestreben, sich weiter im Wettbewerb zu verbessern, auch zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Helmut Peter. – Bitte. (Abg. Mentil: Wo ist er die letzten zehn Jahre gewesen, der Herr Bundeskammerpräsident?)

15.38

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Wirtschaftsminister war in den letzten Wochen und Monaten sehr in Anspruch genommen. Herr Bundesminister Ditz! Sie waren Chefverhandler bei den Koalitionsverhandlungen, Sie waren in Ihrer Partei für das Sparpaket verantwortlich, und Sie haben alles einem Ziel untergeordnet, nämlich der Erreichung der Wirtschafts- und Währungsunion.

Ich hoffe, Herr Wirtschaftsminister, in Ihrem und in unserem Sinn und im Sinne unseres Landes, daß es uns gelingt, diese Wirtschafts- und Währungsunion zu erreichen. Das Mittel, das Sie zum Zweck, zur Zielerreichung angewendet haben, war ein Strukturanpassungspaket: "98 auf einen Streich", was wir ja schon ausführlich kritisieren konnten. Rückwirkende Verfassungsbestimmungen, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien – und das werden wir Ihnen noch oft vorwerfen –, schaffen keine Rechtssicherheit!

Herr Bundesminister! Sie haben um das Ziel der Wirtschafts- und Währungsunion zu erreichen einen hohen Preis bezahlt, indem Sie das internationale Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig geschwächt haben. Anleger in Österreich sind betroffen davon, daß es mit der Rechtssicherheit in diesem Land nicht sehr weit her ist. Sie haben nämlich die Grundrechte in unserem Land weiter ausgehöhlt. Es ist dem Bürger heute nicht möglich, rückwirkende Gesetze, die Sie in den Verfassungsrang erhoben haben, vom Verfassungsgerichtshof prüfen zu lassen. Ich halte das für einen schweren Eingriff in die Grundrechte.

Sie haben darüber hinaus, Herr Wirtschaftsminister, die Selbstfinanzierungskraft der Unternehmungen geschwächt. Sie haben Verlustabzugsverbote – um nur ein Beispiel zu bringen – für die Jahre 1996 und 1997 beschlossen. Das heißt, daß, obwohl Verluste vorhanden sind, ein größerer Teil des Unternehmensgewinnes an den Staat geht und dem Unternehmen weniger Selbstfinanzierungskraft bleibt, wodurch es selbstverständlich auch weniger Investitionen tätigen kann.

Sie haben des weiteren, Herr Wirtschaftsminister, die Arbeitskosten weiter erhöht. Ich habe mich bei der Debatte über das Kapitel Soziales in der Frage der Werkverträge ausdrücklich dazu bekannt, daß man – man hätte mit uns Liberalen darüber diskutieren können – die Werkverträge in die Sozialversicherungspflicht nach genauen Definitionskriterien einbinden soll – aber unter Senkung der Sätze und nicht durch Erhöhung des absoluten Beitragsvolumes! Sie haben,


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Herr Wirtschaftsminister, damit die Arbeitskosten erhöht! Das ist leider ein Faktum! Sie haben aber letztlich auch das Kostenbild in den Unternehmungen verschlechtert, denn Energiesteuern, denen nicht gleichzeitig eine Senkung der Arbeitskosten gegenübersteht, bedeuten eine Erhöhung der Kosten im Unternehmen. Damit ist ohne Zweifel die Investitionskraft der Unternehmen geschwächt, die Insolvenzwelle verstärkt und sind die Arbeitsplätze weiter gefährdet worden.

Herr Wirtschaftsminister! Ich hoffe, daß Sie und unser Land und wir alle gemeinsam mit der Summe dieser Opfer, die wir gebracht haben, die Wirtschafts- und Währungsunion in der ersten Runde erreichen werden. Ich glaube sogar, sicher sein zu können.

Die Frage, die wir uns aber stellen müssen, ist: Was kommt danach? Wird unsere Hoffnung auf einen deutlichen Wirtschaftsaufschwung, um die Löcher im Budget 1998, die durch steuerliche Vorverschiebungen 1996 und 1997 entstanden sind, stopfen zu können, erfüllt werden? Wird dieser Wirtschaftsaufschwung auch tatsächlich kommen? Wird es zu der Wirtschaftsdynamik kommen, um das Budget 1998 erstellen zu können, oder gehen wir ab Sommer 1997 wieder demselben Trauerspiel entgegen, das die Koalitionsparteien im Sommer 1995, bis zu Neuwahlen hin, geliefert haben?

Sie haben mit der Österreichischen Volkspartei und mit der Sozialdemokratischen Partei mit Zweidrittelmehrheit diesen Weg gewählt. Ich habe mit großer Verwunderung die gestrige Debatte verfolgt, in der ein Abgeordneter der Österreichischen Volkspartei gemeint hat: Das, was die SPÖ-Minister machen, geht uns nichts an! – Ich habe die überzogene Reaktion des Herrn Bundeskanzlers darauf nicht geschätzt, aber in einem hat er schon recht: Die Regierung ist ein Kollegialorgan, und alle Damen und Herren dieser Regierung tragen gemeinsam die Verantwortung für eine gemeinsam beschlossene Regelung, und wir können nicht dieses Spiel dulden, wo sich jeweils die einen oder die anderen aus der Regierung ausklinken. (Abg. Dr. Mock: Politisch richtig, aber juristisch ist die Verantwortung des einzelnen Ministers dem Parlament gegenüber festgelegt!)

Herr Dr. Mock! Die Ministerverantwortlichkeit bezieht sich selbstverständlich auf eine einzelne Person. (Abg. Schwarzenberger: Hier geht es um die Frage, daß er dem Parlament gegenüber verantwortlich ist!) Mir geht es um eine darüber hinausgehende Frage, Herr Schwarzenberger. Mir geht es darum, daß wir uns momentan, in der jetzigen Lage, alles andere leisten können, nur nicht wirtschaftliche, ökonomische und politische Instabilität. Ich glaube nicht, daß ein Streit über einen Minister dieser Bundesregierung, so schwerwiegend er auch sein mag, als Anlaß dazu benützt werden darf, hier zu zündeln und damit letztlich die ökonomische Stabilität, die wir dringend brauchen, zu gefährden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Wirtschaftsminister! Seit 1986 sind uns Minister Ihrer Couleur – die Reihe geht von Graf, Schüssel bis zu Ditz – viele Reformen schuldig geblieben. Auch Sie sind uns diese Reformen in dem Sparpaket und in dem Strukturanpassungspaket, die Sie uns vorgelegt haben und die wir heute auch in den Budgets 1996 und 1997 finden, nach wie vor schuldig geblieben.

Ohne diese Reformen werden wir, Herr Bundesminister, den Wirtschaftsstandort Österreich, von dem wir reden und der ein Beschäftigungsstandort ist, wie Prinzhorn nachgewiesen hat, nicht absichern können. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Sechs wesentliche Punkte – ich kann mich kurz fassen; auch Präsident Maderthaner hat dankenswerterweise darauf hingewiesen – fehlen. (Abg. Haigermoser: Der ist in einer Regierungspartei, der könnte es ändern!)

Erster Punkt: Es fehlt der Risikokapitalmarkt.

Wir haben zweitens ein Förderungssystem, das völlig überholt ist und immer noch auf politische Dankbarkeiten, auf der Gießkanne aufbaut. Wir haben keine Eigenkapitalförderung.

Es ist drittens ohne Zweifel so, daß wir keine Unternehmerkultur haben. Ich zitiere in diesem Zusammenhang aus der Rede des Herrn Bundespräsidenten anläßlich einer Tagung des Österreichischen Kreditschutzverbandes. "Die Österreicher brauchen mehr Unternehmergeist.",


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sagte der Herr Bundespräsident. "Nach wie vor haben wir eine tief verwurzelte Sehnsucht nach dem Vollkaskostaat, nach lebenslanger Sicherheit. Noch immer neigen wir dazu, den Regeln des freien Marktes und des Wettbewerbes zu mißtrauen." – Soweit das Zitat des Herrn Bundespräsidenten.

Herr Wirtschaftsminister! Sie sind uns die Reform der Unternehmerkultur, den Abbau der Eigenkapitalfeindlichkeit schuldig geblieben. Es gibt eine Eigenkapitalfeindlichkeit in diesem Lande. Alle Ihre gesetzlichen Rahmenbedingungen sind nicht eigenkapitalfreundlich, sondern sie sind fremdkapitalfreundlich. Ihr gesamtes Förderungssystem ist fremdkapitalfreundlich. Es ist eine Bankenförderung, aber keineswegs die Förderung des unternehmerischen Risikokapitals! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Die neue Unternehmerkultur bedeutet einen freien Gewerbezugang, der nicht, wie Maderthaner das soeben unterstellte, eine Absage an die gute Ausbildung eines Unternehmers ist. Die Frage ist: Wer kontrolliert die Ausbildung eines Unternehmers? Wir Liberale behaupten, die Ausbildung eines Unternehmers kontrolliert der Markt und – ebenfalls auf dem freien Markt – die Versicherung, die darüber entscheidet, welche Einstiegsprämie für die Unternehmerhaftpflicht die gut ausgebildete Unternehmerin oder der schlecht ausgebildete Unternehmer hat.

Unternehmerkultur heißt, endlich einmal das alte Wort von Churchill ernst zu nehmen, als er meinte: Die einen sehen den Unternehmer als die Kuh, die man melken sollte, die anderen sehen den Unternehmer als den räudigen Hund, den man schlagen muß, aber nur wenige verstehen, daß die Unternehmer die Esel sind, die den Karren ziehen.

Wir haben zu wenig Esel im Churchillschen Sinn in unserem Lande. 6 Prozent Selbständige sind zuwenig. Wir müssen eine Unternehmerkultur entwickeln, die es jungen Menschen attraktiv erscheinen läßt, in diesem Land etwas zu unternehmen, Arbeitsplätze zu schaffen, neue Lösungen zu finden. Nur: Dazu bedarf es guter Rahmenbedingungen, die ich jedoch weitgehend vermisse. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Viertens: Wir reden, Herr Bundesminister, immer von Bürokratieabbau. Ich habe schon sehr viele gescheite Reden dazu von Ihnen gehört. Nur: Geschehen ist bisher nichts betreffend Bürokratieabbau. Absolut nichts!

Ein schönes Beispiel: Ein Maronibrater – Sie haben es sicher in der Zeitung gelesen – möchte also einen Maroniofen aufstellen. Er soll im Umkreis von 200 Metern mit allen Anrainern reden, ob nicht einer etwas dagegen hat, einen Maroniofen aufzustellen.

Herr Bundesminister! Wir kommen über die Worte nicht hinaus. Bürokratieabbau ist mehr als ein Schlagwort, er ist ein Inhalt, dem wir als Unternehmer in unseren Unternehmungen täglich begegnen.

Fünfter Punkt: die Entlastung bei den Lohnnebenkosten. Es gibt nun einmal – ich habe das in meiner Rede zum Kapitel Soziales nachgewiesen – einen Zusammenhang zwischen Lohnnebenkosten und Arbeitslosigkeit: Je höher die Lohnnebenkosten in einem Land sind, je höher die Arbeitskosten in einem Land sind, desto höher ist die Arbeitslosigkeit. Das hat nichts mit schrankenlosem Sozialabbau zu tun, aber schon gar nichts. Es hat damit zu tun, Bruttolöhne zu halten, soziale Absicherung zu halten, aber Arbeitskosten zu senken; wir konnten schon oft darüber diskutieren.

Die sechste wesentliche Rahmenbedingung, Herr Bundesminister, ist die Zurückdrängung der Schattenwirtschaft. Je höher die Lohnnebenkosten in einem Land sind, je höher das Steuerniveau in einem Land ist, je höher das Bürokratieniveau in einem Land ist, desto höher ist fast automatisch die Schattenwirtschaft.

Professor Friedrich Schneider sagt – ich zitiere –: "Die Schattenwirtschaft, die kontinuierlich vom Jahr 1970 von 7 Milliarden auf 165 Milliarden Schilling im Jahr 1995 angestiegen ist, ist zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig in Österreich geworden." Er setzt fort: "Wenn die Schattenwirtschaft weiterhin so stark zunimmt, werden immer weniger Individuen bereit sein,


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ehrlich ihre Steuern zu bezahlen, wenn andere in massivem Ausmaß aufgrund von Schwarzarbeit Steuern hinterziehen." Er setzt weiter fort: "Die Bekämpfung der Schattenwirtschaft wird an der Ursache, an den zu hohen offiziellen Arbeitskosten, ansetzen müssen. Gelingt es nicht, diese durch Senkung der Lohnnebenkosten wieder auf ein erträgliches Maß zurückzuführen, wird das Phänomen der Schattenwirtschaft auch in den kommenden Jahren weiterwachsen und dem Bundeshaushalt erhebliche Steuerausfälle bescheren. Insgesamt liegen diese Steuerausfälle, je nachdem, wie man es rechnet, zwischen 30 und 70 Milliarden Schilling."

Herr Bundesminister! Sie haben Ihren Weg gewählt, aber dafür tragen Sie auch die Verantwortung. Ich kann nur hoffen, daß Sie die Wirtschafts- und Währungsunion erreichen werden. Sie haben jetzt Zeit und Atem, alle die Reformen, von denen wir schon lange reden, in Angriff zu nehmen und umzusetzen.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte im zweiten Teil meiner Rede zur Lage der Tourismuswirtschaft in Österreich Stellung nehmen. Die Tourismuswirtschaft ist vergleichbar mit der Bauwirtschaft. Die Tourismuswirtschaft und die Bauwirtschaft haben bis 1992/93 eine erfreuliche Konjunktur erlebt und haben damit einen gegenläufigen Trend in unserem Land aufgewiesen. Während die übrige Wirtschaft 1993 in die Rezession abgestürzt ist, konnten dort noch vernünftige Zahlen erzielt werden. In den Jahren 1994, 1995 und 1996 hat sich der Trend umgekehrt, und sowohl die Bauwirtschaft als auch die Tourismuswirtschaft stehen nun vor sehr schwierig zu lösenden Problemen.

Im Bereich der Bauwirtschaft haben Sie diese Schwierigkeiten erkannt und haben richtigerweise auch gehandelt. Sie haben erkannt, daß Sie für einen Wirtschaftszweig, der 7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, wie eben die Bauwirtschaft, umfaßt, unterstützende Maßnahmen setzen müssen. Sie haben den Ausbau der Infrastruktur bei der Bahn in die Wege geleitet, Sie haben finanzielle Töpfe geöffnet, um die Bauwirtschaft weiter zu fördern, obwohl Sie wissen, daß auch da ein schaumgebremster Rückgang des Bauproduktionswertes in Österreich von den genannten 7 Prozent auf 5 Prozent international notwendig sein wird.

Im Bereich der Tourismuswirtschaft, Herr Tourismusminister, ist nichts geschehen. Außer Realitätsverweigerung und Gesundbeten habe ich in den letzten zwei Jahren, in denen die Tourismuswirtschaft in die schwerste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg gestürzt ist, nichts erlebt.

Die Freizeitwirtschaft umfaßt 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – bei einem sinkenden Anteil. Das, was Sie eigentlich alarmieren sollte, meine Damen und Herren, ist: Die Deviseneinnahmen aus dem Ausländertourismus, die 1990 noch 8,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen haben, betrugen 1995 nur mehr 6,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – mit sinkender Tendenz. Die einzige Maßnahme, die bisher von den Landesregierungen und – Gott sei Dank – jetzt auch von der Bundesregierung in den beiden Budgets gesetzt wurde, war die Erhöhung der Kommunikationsbudgets.

Ich habe mir bereits im März 1994 erlaubt, auf die Notwendigkeit hinzuweisen, die Kommunikationsbudgets zu erhöhen. Ich bedanke mich, daß es spät, aber doch geschehen ist. Schmerzhaft war damals die uninformierte parteipolitische Polemik. Sie hat sich selbst gerichtet.

Die Analyse für die Zukunft dieses unverzichtbaren Wirtschaftszweiges unseres Landes zeigt eines deutlich: Tourismus geht immer von Hartwährungsländern zu Weichwährungsländern, Tourismus geht immer von Hochlohnländern zu Niedriglohnländern, und billige Flugpreise machen das Ganze nur noch leichter erreichbar. Das ist die strukturelle Lage, in der wir uns befinden: ein weltweiter Verdrängungswettbewerb.

Dennoch glaube ich – mir ist es wichtig, das hier zu sagen – , an die Zukunft des Tourismusstandortes Österreich. Die Angebotsqualität in unserem Lande, bei aller Kritik, die richtigerweise geäußert wird, ist erstklassig. Die Nähe zu den Märkten werden wir erst dann richtig ausspielen können, wenn sich Zentraleuropa wirtschaftlich erholt und wenn wir in der Wirtschafts- und Währungsunion genauso wie im Schengener Raum eingebunden sind. Dann wird Österreich mitten in den wohlhabendsten Gegenden Europas liegen und wird seine Freizeitfunktion noch besser als bisher wahrnehmen können.


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Die Natur, die Kultur, die Umweltqualität, die Sicherheit: All das spricht für den Tourismusstandort Österreich. Nur: Die Rahmenbedingungen, Herr Wirtschaftsminister, die Sie der Tourismusbranche vorsetzen, werden entscheiden, wie viele dieser Marktchancen, die ich aufgezählt habe, wir nutzen können und in welchem Grade wir diese ausschöpfen können.

Wenn wie bisher außer schönen Worten, außer Realitätsverweigerung nichts geschieht, prognostiziere ich Ihnen für das Jahr 2000 nicht mehr 117 Millionen Nächtigungen, wie im Jahre 1995, sondern nur mehr rund 100 Millionen Nächtigungen, nicht mehr 1,2 Millionen Betten, wie im Jahr 1995, sondern nur mehr zirka 800 000 Betten, nicht mehr einen Anteil von 6,5 Prozent am Bruttoinlandsprodukt, sondern nur mehr einen solchen von 5 Prozent, nicht mehr 165 000 Beschäftigte, sondern nur mehr 150 000 Beschäftigte.

Selbst mit diesen Zahlen bleibt Österreich noch im Spitzenfeld der gesamteuropäischen touristischen Entwicklung. Aber, Herr Wirtschaftsminister, Sie begeben sich einer ganz großen Marktchance und auch der Möglichkeit, die Leistungsbilanz zu sanieren. Professionelle Regionen, professionelle Orte, professionelle Betriebe werden diesen Verdrängungswettbewerb überleben. Sie, Herr Wirtschaftsminister, müssen aber gemeinsam mit Ihren Landesräten in den Bundesländern eine Antwort auf die regionalpolitischen Probleme finden. Es gibt nun einmal gewisse Gegenden in unserem schönen Österreich, wo man außer vom Tourismus von gar nichts leben kann: Entweder fließt das Geld der Gäste an die dortigen Seeufer oder in die Täler, oder die Menschen werden dort absiedeln. Die Konkurrenzfähigkeit des Tourismusstandortes Österreich steht also auf dem Prüfstand.

Wenige Punkte dazu, was Sie tun müßten.

Herr Wirtschaftsminister! Sie müssen verstehen, daß das indirekte Steuerniveau in Österreich für eine Branche, die mit Inklusivpreisen arbeitet, selbstverständlich ein Wettbewerbsnachteil ist. Die Schweiz, die noch gröbere touristische Probleme als Österreich hat – sie hat eine ganz ähnliche Situation –, senkt die Mehrwertsteuer auf Logis von 6,5 Prozent auf 3 Prozent. Ab Oktober 1996 oder ab 1. Jänner 1997 wird daher der Schweizer Hotelier allein aus Gründen der Mehrwertsteuer um 7 Prozent preiswerter anbieten können als sein österreichischer Kollege. Diese Mehrwertsteuersenkung von 10 auf 5 Prozent im Logisbereich, die ich schon mehrmals als Ausgleich für die Hartwährungspolitik für die Tourismuswirtschaft vorgeschlagen habe, würde den Staat 2 Milliarden Schilling kosten. Die Gegenrechnung habe ich mir schon mehrfach aufzutun erlaubt.

Bei der Getränkesteuer handelt es sich um genau dasselbe Problem: Es wird die Wettbewerbsfähigkeit bei den Nebenkosten der österreichischen Tourismuswirtschaft schlechter, wenn die Kumulation von Getränkesteuer und Mehrwertsteuer auf ein normales Getränk an die 15 bis 20 Prozent Wettbewerbsnachteil ergibt.

Die zweite Maßnahme, die notwendig ist, um die Konkurrenzfähigkeit des Tourismusstandortes Österreich zu erhöhen, betrifft alle anderen Punkte, die ich vorhin angezogen habe. Der Tourismus ist ein Wirtschaftszweig wie jeder andere – mit einem einzigen Unterschied: daß der Gast, der in unser Land kommt, von Beherbergungsbetrieben, von Regionen, von Orten beworben wird und seine direkte touristische Kaufkraft direkt in allen Branchen ausgibt. Es gibt keinen Wirtschaftszweig, an dem alle Branchen unseres Landes nicht nur am indirekten Kaufkraftfluß, am Multiplikatoreffekt, sondern auch am direkten Kaufkraftfluß partizipieren.

Dritte Forderung: Herr Bundesminister! Wir Österreicher waren gescheit und großzügig genug, unseren kroatischen Nachbarn zum Wiederaufbau ihres Tourismus einen Masterplan zu finanzieren. Ich glaube, dieser Masterplan ist sogar eine der 81 Studien, die wir gestern abend diskutiert haben. Ich glaube, sie haben das mitfinanziert. Es gibt aber keinen touristischen Masterplan für Österreich. Der Tourismus in Österreich ist wie die Schwammerl im Walde gewachsen, er ist Landessache, jeder kocht seine eigene Suppe, am Wolfgangsee ist es einmal das Land Salzburg, einmal das Land Oberösterreich, und überall muß es ein bißchen anders sein: ein anderes Tourismusgesetz, andere Vorschriften.


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Wir brauchen einen touristischen Masterplan, um einmal zu definieren, was die Republik Österreich an touristischen Rahmenbedingungen für die touristische Entwicklung erreichen will.

Der vierte Punkt ist die Redimensionierung der Branche, der Strukturwandel. Herr Bundesminister! Es werden zwei Arten von Angeboten übrigbleiben. Das eine Angebot wird ein arbeitskostenloses Angebot sein: Ferienwohnungen, Privatvermietungen, wo es an sich keine Arbeitskosten gibt. Diese hervorragenden Angebote werden in der Preiskonkurrenz bestehen können. Die arbeitskostenintensiven Angebote können nur in der Qualitätskonkurrenz bestehen. Allerdings gibt es auf unseren Autobahnen recht viele Volkswagen und Ford und wenige Mercedes und Rolls Royce. Aber die Vier- und Fünfstern-Hotellerie sind nun einmal Mercedes und Rolls Royce, die sich nur Menschen mit sehr hohem Einkommen leisten können. Die Redimensionierung der Branche über die volle Besteuerung der Veräußerungserlöse zu behindern, ist rundweg kontraproduktiv und falsch.

Der letzte und wesentlichste Punkt ist die Neustrukturierung der Markenpolitik. Ich habe nie zu den Kritikern der Österreich-Werbung im nachhinein gehört, weil ich meine, daß die Leute, die dort arbeiten, sehr wohl wissen, was und welche Produkte sie auf dem Markt anbieten müssen. Aber ein Kritikpunkt sei hier klar angesagt: Trotz langer Arbeit in der Österreich-Werbung und auch in der Außenwirtschaftsorganisation ist es in Österreich nicht gelungen, den Markenartikel Österreich zu positionieren. Ich fordere nach wie vor, die Österreich-Werbung von einem Verein in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln, sie allen Fremdeinflüssen zu entziehen und neben ihrer Basisfinanzierung durch Verkauf von Leistungen ihre Budgets zu erhöhen. Die Kooperation mit der Außenwirtschaftsorganisation, mit den Kulturinstituten, den Österreich-Instituten ist zu verdichten, die Österreich-Häuser in europäischen und weltweiten Städten müssen das Ziel sein.

Herr Bundesminister! Sie haben das Sparpaket und die Budgets 1996 und 1997 mit Ihrer Mehrheit über die Bühne gebracht. Ich hoffe, Sie werden damit Ihr Ziel, der Wirtschafts- und Währungsunion beitreten zu können, erreichen. Sie haben jetzt Zeit und Luft, die wirklichen Reformen, die Sie seit langem versprochen haben, anzugehen. Ich bin gespannt, ob Sie es tun werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.00

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heurige Budgetdebatte läuft meiner Auffassung nach unter drei besonderen Perspektiven:

Erstens: Es sind die beiden ersten Budgets, die wir nach unserem EU-Beitritt zu erarbeiten und zu beschließen haben, und das noch dazu im Hinblick auf die Verwirklichung der schon mehrfach zitierten Wirtschafts- und Währungsunion.

Zweitens: Zum ersten Mal – zumindest in meiner nun schon sehr langen Tätigkeit als Parlamentarier – werden zwei Budgets auf einmal beschlossen. Das ist an sich sicherlich eine Mammuttätigkeit, und das wurde auch oft genug kritisiert, aber es ging eben nicht anders. Das ist auch ein besonderer Aspekt dieser Budgetdebatte.

Drittens: Die gegenwärtige Situation in den meisten westeuropäischen Industriestaaten hat zwei Ursachen: Zum normalen Auf und Ab in den Konjunkturzyklen kommt nun auch mit aller Vehemenz – ich möchte fast sagen: mit aller Brutalität – der globalisierte Wettbewerb, der ohne Zweifel enorme Beschäftigungsprobleme in allen EU-Ländern und auch Nicht-EU-Ländern geschaffen hat.

In den letzten Wochen beherrschten auch bei uns zunehmend Themen wie Konjunktureinbruch und Wachstumsschwäche in Österreich die wirtschaftliche Diskussion. Natürlich ist nicht zu


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leugnen, daß sich auch Österreich momentan in einer sensiblen Situation befindet, doch in einer Zeit, in der alle Länder Europas ihre Budgets gleichzeitig sanieren wollen, kann man auch von unserer Wirtschaft nicht die Machbarkeit des Unmöglichen erwarten.

Es gibt ja logischerweise verschiedene Interpretationen der derzeitigen Situation und der Entwicklung innerhalb der nächsten Monate. Ich möchte – damit es nicht heißt, ich maße mir hier an, ein Urteil über die verschiedenen Interpretationen abzugeben – einen Chefkommentator eines Industriemagazins zitieren, weil einige Passagen unsere Situation wirklichkeitsgetreu widerspiegeln.

Besagter Kommentator schreibt: Die Industrie produziere unintelligente Produkte. Für Forschung und Entwicklung sei zuwenig Geld da – das haben wir alles heute gehört. Die Sozialpartnerschaft sei ein hoffnungslos verkrustetes System. Die restriktive Gewerbeordnung behindere die Gründung von Unternehmen, und so weiter.

Er schreibt dann weiter: Das alles mag zum Teil stimmen. Aber könnte es nicht sein, daß wir uns alle in diesem Land in eine kollektive Unzufriedenheit hineinreden und als Journalisten hineinschreiben, eine Unzufriedenheit, die jede positive Aktivität lähmt, die potentielle Unternehmensgründer und ausländische Investoren verschreckt?

Der Kommentator kommt dann zu dem Schluß, daß durch die alles beherrschende Nörgelei und Jammerei die positiven Ereignisse in unserer Wirtschaft gar nicht mehr wahrgenommen werden, sodaß eine Stimmung entsteht, die letztlich in Form einer selbsterfüllenden Prophezeiung zu einer Spirale nach unten führt.

Ich habe das gestern im Zuge der Debatte zur Dringlichen der Kollegen von der Freiheitlichen Partei gesagt, und dieser Kommentator schreibt das eigentlich ähnlich: Man kann durch Gesundbeten keine Wirtschaftskrise verhindern. Man kann aber durch Krankjammern eine solche wahrlich produzieren.

Meine Damen und Herren! Dies schreibt ein unabhängiger Journalist in einem der Sozialdemokratischen Partei sicher nicht nahestehenden Magazin.

Wie sieht es nun tatsächlich aus? – Es würde zu weit führen, wenn ich die gesamte Situation erörtern würde. Ich möchte sie anhand eines Beispiels transparent machen. Seit gestern sind uns die Berichte und Studien der Oesterreichischen Nationalbank zugänglich. Wichtiges Thema: Außenhandel. Ergebnis – wir haben aufgrund der organisatorischen Umstellungen im Zuge der EU-Mitgliedschaft vorerst nur die statistischen Zahlen des ersten Halbjahres 1995 –: Die Warenexporte sind in den ersten sechs Monaten um 13 Prozent, die Warenimporte um 3 Prozent gewachsen. Die vorhandenen Daten deuten darauf hin, daß Österreich die Exportchancen im EU-Raum gut genutzt haben dürfte, sodaß das Handelsbilanzdefizit gegenüber der EU nicht weiter zunahm. Importe aus Osteuropa sind erheblich gestiegen. Ähnliches mehr ist hier zu lesen.

Das heißt, die Gesamtsituation eines der wichtigsten Teile unserer Wirtschaft stimmt, funktioniert, und man kann mit Fug und Recht sagen, daß sich der österreichische Außenhandel viel vitaler präsentiert, als er mancherorts gesehen wird. Trotzdem merke ich kritisch an: Die Exportquote – und ich befinde mich da durchaus auf einer Meinungsebene mit unserem Regierungschef –, gemessen in Prozenten am Bruttoinlandsprodukt, erreichte im erfolgreichen Exportjahr 1995 23,8 Prozent. Diese gilt es zu steigern, und daher begrüßen wir die Exportoffensive der Regierung. Das ist eine jener Maßnahmen, die unbedingt rasch realisiert werden müssen.

Was ist unserer Meinung nach noch notwendig, um dieser Geißel der Beschäftigungslosigkeit, die in Westeuropa grassiert, erfolgreich begegnen zu können? – Ein weites Programm ist notwendig; das steht außer Diskussion. Wichtig ist aber eines – diesbezüglich wurde ich schon mehrfach angesprochen –: Es darf nicht immer nur geredet werden, sondern wir müssen – und wir Sozialdemokraten haben das vor – jetzt folgendes unternehmen: Binnen Jahresfrist muß diese Gewerbeordnung radikal geändert werden, es muß der Zugang zur Gewerbetätigkeit


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erleichtert werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Blünegger: 15 Jahre wird darüber schon geredet!)

Ich freue mich, daß zum Beispiel der Wirtschaftsminister vor einigen Tagen in einem Interview deutlich gemacht hat, daß das der richtige Weg ist. (Abg. Blünegger: Jahrelang wird schon darüber geredet!) Herr Kollege, ich bin der letzte, der diese Kritik nicht hinnimmt. Helmut Haigermoser weiß das. Machbar ist das aber nur, wenn man Mehrheiten findet. Wir wollen uns bemühen, hier den notwendigen Weg gemeinsam zu gehen, denn das geht ja alle an. Das geht ja nicht nur blaue, rote oder schwarze Unternehmer an, sondern wir müssen jedem potentiellen österreichischen Unternehmer Zugang schaffen.

Es muß vorbei sein damit, daß jemand, wenn er – ich habe das schon ein paarmal zitiert – in Wien einen Würstelstand anmelden will, beinahe 200 Gesetze beziehungsweise Verordnungen kennen muß. Das ist ein Unfug. So kann man doch, bitte, wirklich nicht ernsthaft für Unternehmensgründungen sorgen. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Haigermoser. ) Wir werden uns diesbezüglich sehr vehement engagieren, damit wir binnen Jahresfrist diese Reform zuwege bringen.

Wir reden von Entbürokratisierung, wir reden von Verwaltungsreform. Das ist nicht nur Bundesangelegenheit, meine Damen und Herren. Ich freue mich sagen zu können, ja ich bin wirklich glücklich darüber, daß meine sozialdemokratischen Freunde im Wiener Rathaus in den nächsten Wochen eine neue Bauordnung verabschieden werden, mit der über alle Schatten gesprungen wird. Es wird hier noch heuer – im Juli oder August tritt sie in Kraft – eine Liberalität geschaffen, die beispielgebend ist.

Ich sage das deswegen, weil das nur ein Schritt sein kann. Wir können bundespolitische Rahmenbedingungen schaffen, aber die Länder und Gemeinden müssen das in ihrem Bereich auch tun. Nur all das zusammen wird in einen wirtschaftlichen Standort Österreich resultieren, mit dem wir die Herausforderungen, vor denen unser Land steht, bewältigen können. Ich als EU-Befürworter habe das immer gesagt: Die nächsten Jahre werden sich sehr brutal gestalten, denn Wettbewerb ist Brutalität. Wir können nur bestehen, wenn wir entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Das heißt: liberale Gewerbeordnung, leichterer Zugang, Entbürokratisierung, Verwaltungsreform sowie Reformen auch in anderen Bereichen; auch dort, wo es Behinderungen gibt. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Welcher Unternehmer soll sich in Österreich ansiedeln, wenn er drei, vier Jahre braucht, bis er eine Betriebsanlagengenehmigung hat? Eine totale Reform des Betriebsanlagenrechtes wird von uns vorgeschlagen werden, ebenso die Forderung, eine Konzentration bei den Umweltverträglichkeitsprüfungen herbeizuführen. (Beifall bei der SPÖ, bei den Freiheitlichen sowie beim Liberalen Forum.) Das sind Dinge, die wir brauchen: nicht Worte, sondern Handlungen. Und diese dürfen wir nicht in drei Jahren, sondern müssen sie innerhalb Jahresfrist realisieren. Wir werden dazu zur Verfügung stehen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte.

16.08

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Wochenzeitschrift "Die Zeit" hat Anfang dieses Monats eine Serie mit dem Titel "Angstfaktor Weltmarkt" begonnen. Es ist dies eine – wie in vielen anderen Zeitschriften – sehr interessante Auseinandersetzung mit den Konsequenzen der Globalisierung des Wirtschaftens, mit den Konsequenzen der Rationalisierung, die damit verbunden ist, und natürlich auch mit den Vorschlägen – so wie sie alle meine vier Vorredner ja unisono hier vorgebracht haben –, mit dem großen Ziel einer umfassenden Deregulierung.

Natürlich – und ich werde mich da etwas unterscheiden, was diesen Bereich betrifft – steht die österreichische Wirtschaft vor einem ziemlich großen Problem. Natürlich – und das möchte ich gleich vorausschicken – sehe auch ich, daß es in vielen Bereichen zahlreiche Vorschriften und Regelungen gibt. Dort ist es notwendig, zu vereinfachen. Aber so leicht, wie meine Vorredner


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meinen, und so einfach wird das Deregulieren an sich, das einfache Abschaffen verschiedener Behördenverfahren wohl nicht dazu führen, daß plötzlich die sogenannte große Gründerwelle ausbricht, da die Bundesregierung versprochen hat, in den nächsten Jahren in irgendeiner Form 30 000 oder 50 000 neue Unternehmungen zu fördern. Wie das passieren soll und wie die Förderungen aussehen sollen, wurde ja nicht verraten. Jedenfalls wird es meiner Auffassung nach wohl kaum gelingen, eine Stimulanz allein mit dem neuen Zauberwort der umfassenden Deregulierung zu schaffen.

Wir verzeichnen einen rapiden Wandel in der Weltwirtschaft. Wir verzeichnen natürlich die Angst, die reale und berechtigte Angst eines Sozial- und Lohndumpings in den Industrieländern aufgrund dieser enormen Unterschiede der einzelnen Sozialstandards, bei Ländern, wo alle jetzt selbstverständlich am Wettbewerb teilnehmen können. Das ist ja nicht nur eine Folge des EU-Beitritts für Österreich, sondern das hängt natürlich und weit stärker mit dem GATT-Vertrag und der Internationalisierung insgesamt zusammen.

Die logische Konsequenz – wir haben das ja heute im Kapitel Außenpolitik hier mehrfach thematisiert – der Wirtschafts- und Währungsunion ist ja nur eine kleine Facette in diesem Bereich. Verkrustungen und Sozialklimbim, so meinen viele, sollen jetzt abgeschafft werden, ohne zu bedenken und ohne zu sehen, was es schon an Beispielen gegeben hat, wo man gesehen hat und nach wie vor sieht, daß es zu einem Aufstand deklassierter Mittelschichten gekommen ist, was auch in Österreich, wenn man hier nun vereinfacht der Deregulierung das Wort redet, passieren kann.

Den Ausführungen meiner Vorredner, des Abgeordneten Prinzhorn zum Beispiel, aber auch des Kollegen Peter, kann ich entnehmen, daß sehr stark der amerikanische Weg von Reagan und Bush eingefordert wird. Man sollte aber doch bedenken, da Amerika wohl in vielen Bereichen, auch im Bereich der Deregulierung, oft ein Vorreiterland gewesen ist, daß man manches begrüßen, aber sehr, sehr vieles mehr als kritisch betrachten soll. Man muß sehen, wozu das dort geführt hat und wo die großen Gefahren liegen.

Zuerst haben die Deregulierungsmaßnahmen zu einer enormen Arbeitslosigkeit geführt. Es kam dazu, daß die Lohnschere noch weiter auseinanderging. Wenn man jetzt davon spricht, daß nach einer gewissen Durststrecke von 10, 12, 15 Jahren in Amerika die Arbeitslosenrate geringer ist als hier in Europa, dann muß man gleichzeitig dazusagen, daß es sich der durchschnittliche Amerikaner nicht leisten kann, nur einen Job zu haben, sondern meistens mindestens zwei Jobs hat und daß das untere Fünftel und auch das mittlere Fünftel der amerikanischen Arbeitnehmer heute absolut weniger verdient als vor 15 Jahren und daß nur die obersten 5 Prozent diese Deregulierung tatsächlich zu ihrem Vorteil nutzen konnten und es dort zu einem Einkommenszuwachs von mehr als 40 Prozent gekommen ist.

Die Unterschiede im Einkommen und im Vermögen sind jedenfalls in den Vereinigten Staaten inzwischen so groß, wie sie es seit Anfang dieses Jahrhunderts nicht mehr waren. Ähnliche Zahlen finden wir auch in Großbritannien vor, wo auch die Deregulierungsphase der Premierministerin Thatcher und deren Nachfolgers zu denselben oder ähnlichen Symptomen geführt hat. Zuerst kam es zu einem massiven Rationalisierungsschub – das können wir jetzt natürlich auch bei uns aufgrund anderer Faktoren verzeichnen –, aber dann hat diese Deregulierung selbstverständlich zu sozialen Spannungen und Problemen geführt, die wir uns in Österreich beziehungsweise in Europa insgesamt nicht leisten wollen.

Sehen Sie sich an, wozu diese großen Einkommensunterschiede und diese sozialen Spannungen gerade in den Vereinigten Staaten geführt haben: In jeder großen Stadt herrscht mittlerweile ein Sicherheits- und Kriminalitätsproblem, das die öffentlichen Hand weit mehr kostet, als wahrscheinlich aus volkswirtschaftlicher Sicht die Deregulierungsmaßnahmen insgesamt gebracht haben.

Allein deshalb kann es doch am Ende dieses Jahrhunderts beziehungsweise Jahrtausends nicht nur eine Lösung geben, noch dazu genau die gleiche oder ähnlich klingende wie schon vor hundert Jahren, nämlich einen sehr einfachen Wirtschaftsliberalismus, der vereinfacht so klingt:


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Weg mit allen Regulativen; Wettbewerb und Freihandel, wo es geht; weg mit den Sozialstandards, die uns allen fürchterlich lästig sind; weg mit bürokratischen Hürden; Wirtschaftsliberalismus pur!

Wozu hat denn das Ende des letzten Jahrhunderts geführt? – Das war doch der Nährboden totalitärer Systeme. Das war doch der Schub für ein riesiges Arbeitslosenproblem, gerade auch in Europa! (Abg. Dr. Frischenschlager: Das ist genau umgekehrt!) Diese Lösungen sind ein bissel zu einfach. Es muß uns doch gelingen, Ende dieses Jahrhunderts einen gewissen Mittelweg zu gehen, der einerseits unnötige und auch veraltete Hürden abbaut, aber sich gleichzeitig zu der Notwendigkeit sozialer Standards, aber auch, Herr Abgeordneter Heindl, zu Umweltstandards bekennt, die zum Beispiel bei Betriebsanlagengenehmigungen notwendig sind. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben gemeint, Sie schaffen jetzt alles ab. Es gefällt mir immer bei Abgeordneten der Koalitionsparteien, wenn sie so stürmisch die neuen Gesetze einfordern – und das seit Jahren. (Abg. Dr. Heindl: Das habe ich ja gar nicht gesagt! Bleiben Sie bei der Wahrheit!) Sie haben vor fünf Minuten hier gesagt: Die Gewerbeordnung wird vereinfacht, das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz muß novelliert werden. So wie ich Sie verstanden habe, müssen die Genehmigungen, die hier auch inkludiert sind, offensichtlich vereinfacht werden. (Ruf bei den Freiheitlichen: So ist es!)

Vor einigen Jahren – das ist nicht einmal so lange her – sind hier die gleichen Koalitionsabgeordneten gestanden und haben dieses UVP-Gesetz beschlossen, weil man gesehen hat, daß es notwendig ist, gerade bei Großanlagen – und dieses UVP-Gesetz betrifft ja nur Großanlagen – umfassende Prüfungen durchzuführen, weil es sich eine Volkswirtschaft nicht leisten kann, immer wieder für die externen Kosten, die betriebswirtschaftlich produziert werden, aufzukommen.

Alle, die vor mir gesprochen haben, haben von betriebswirtschaftlichen Vorteilen einzelner gesprochen – ich will jetzt nicht sagen: einzelner Unternehmen – und nicht wirklich den Staat und die Volkswirtschaft als Gesamtes – zumindest nicht umfassend genug – behandelt. Es darf nicht dazu kommen, daß hier nur die einzelnen Betriebe mancher Abgeordneter – das soll es ja alles geben; ich bin froh, daß es hier im Hohen Hause auch Unternehmer gibt – besprochen werden, daß die Debatte zum Budget hier in eine betriebswirtschaftliche Sicht der Wirtschaftspolitik mündet und den volkswirtschaftlichen Rahmen, in dem wir uns bewegen, und die Verantwortung, die ein Staat nicht nur für die Wirtschaft, sondern vor allem auch für die Arbeitnehmer, für alle Menschen und natürlich auch für die Umwelt in diesem Land hat, völlig außer acht läßt. (Beifall bei den Grünen.)

Abgeordneter Peter hat sich sehr ausführlich mit dem Tourismus beschäftigt, weil er ihm ein besonderes Herzensanliegen ist. Ich möchte das jetzt nicht tun, sondern mein besonderes Anliegen, das ich bei jeder Wirtschaftsdebatte ausdrücklich betonen und in den Mittelpunkt stellen möchte, ist der Bereich der Energiepolitik.

Eines nur vorweg, ganz kurz, bevor ich es vergesse: Die Freiheitlichen und auch die Liberalen haben massiv eingefordert, daß ein kleines Land wie Österreich in einer international schwierigen Situation Wettbewerbsvorteile nutzen muß. – Natürlich! Damit bin ich vollkommen einverstanden. Einer der wichtigsten Bereiche ist dabei natürlich Investition in Forschung. Auch uns ist das viel zuwenig, was für diesen Bereich, sowohl für die Forschung für das Gewerbe als auch für die Grundlagenforschung, budgetiert wurde.

Es ist nach wie vor ein Armutszeugnis, daß es nicht gelingt, wenigstens dem europäischen Durchschnitt nahezukommen. Ich meine auch, daß das eine der wichtigsten Zukunftsoptionen darstellt, besonders was die Förderung für die Wirtschaft betrifft, die ja in das Ressort des Wirtschaftsministers fällt.

Ganz kurz nun zu dem Bereich, der mir sehr wichtig ist, nämlich zur Energiepolitik. Der Wirtschaftsminister hat letzte Woche aufhorchen lassen durch ein APA-Interview, in dem er angekündigt hat, daß es jetzt, nachdem es zum zweiten Mal im Koalitionsübereinkommen steht, zu einer umfassenden Änderung in den legistischen Ausformungen der Energiepolitik kommen


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wird, zu einem Energieorganisationsgesetz und einer Änderung des 2. Verstaatlichungsgesetzes.

Ich begrüße es sehr, wenn es hier zu einer Umstrukturierung der E-Wirtschaft kommt. Ich begrüßte es auch sehr, wenn es vor allem zu einem guten Energieorganisationsgesetz käme. Aber alles, was ich bisher hier von Ihnen, Herr Wirtschaftsminister, gehört habe, zeigt mir eher, daß unsere Befürchtungen eintreten, nämlich daß es einen riesigen Kniefall von seiten des ÖVP-Wirtschaftsministers vor den schwarzen Landesgesellschaften in neun Bundesländern geben wird. Nicht alle sind ÖVP-dominiert, aber fast und überwiegend. (Abg. Wabl: Genau das ist das Problem!) Und was hier passiert und was Sie hier ankündigen, ist das Ende einer nationalen Energiepolitik, die es schon jetzt kaum gegeben hat, die aber wenigstens in Ansätzen möglich gewesen wäre.

Es gefällt mir immer, wenn Sie sagen: Wir brauchen Wettbewerb, und wir müssen jetzt umstrukturieren. Was im Wettbewerb notwendig wäre, das ist, daß die bessere Idee wirklich siegen sollte, andererseits aber soll es zu einem fairen Vergleich kommen. – Ja das, was hier vorliegt, führt überhaupt nicht zu dem – ganz im Gegenteil. Gehen wir es der Reihe nach durch!

Ich denke, bevor wir uns überhaupt darüber unterhalten, wie die neue Eigentümerstruktur aussehen muß, vor allem natürlich beim Verbund, aber auch bei den einzelnen Landesenergieversorgern, müssen die Ziele einer Neuorganisation, die Ziele einer Neustrukturierung der E-Wirtschaft im Vordergrund stehen.

Wenn es darum geht, die bestehenden Kraftwerke und auch die vergangenen Investitionen optimal zu nutzen, dann müssen Sie als Bundesminister danach trachten, daß es eine optimale Nutzung des österreichischen Kraftwerksparks gibt. Und da ist es von der Zielsetzung her völlig gleichgültig, ob das Kraftwerk jetzt dem Bund, sprich dem Verbund, oder einer Landesgesellschaft gehört.

Es ist so wahnsinnig absurd und hat überhaupt nichts mit Wettbewerb und freier Marktwirtschaft zu tun, wenn es beispielsweise in Niederösterreich ein Kraftwerk gibt, nämlich Dürnrohr, wo ein Block dem Verbund gehört – der arbeitet fast nie – und ein Block den EVN gehört – der wird natürlich kräftig ausgenützt –, und wenige Kilometer daneben ein weiteres kalorisches Kraftwerk, Theiß, existiert. Anstatt daß man, wenn man, gerade im Winter, Bedarf an der Produktion von mehr Strom hat, den zweiten Block bei Dürnrohr mehr auslastet – das geht ja nicht, denn das gehört ja dem Konkurrenten Verbund –, wird jetzt Theiß ausgebaut. Um einen horrenden Geldbetrag wird ein 450-Megawatt-Block dazugebaut. Das ist eine der größten Fehlinvestitionen; aber dafür gibt es offensichtlich Milliarden. Und es kommt nach wie vor nicht dazu – das ist der Status quo –, daß auch nur annähernd der bestehende Kraftwerkspark in diesem Land optimal genutzt wird.

Sie verschleudern Milliarden seit Jahren, und das geht so weiter. Und mit Ihren Vorschlägen zur Neustrukturierung wird sich das fortsetzen. Und das ist so ärgerlich, da Sie, gerade auch bei diesen Debatten, immer von der Notwendigkeit eines optimalen Nutzens der vorhandenen Mittel sprechen. (Beifall bei den Grünen.)

Erste Forderung – ein ganz wichtiger Punkt –: Optimale Nutzung des österreichischen Kraftwerksparks muß ein Ziel bei einer Neustrukturierung der E-Wirtschaft sein.

Zweiter Punkt: Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Unternehmen durch Wettbewerb. Auch hier kann ich Ihren Vorschlägen nicht entnehmen, wie das passiert.

Der dritte für mich sehr, sehr wichtige Punkt – ich habe die Hoffnung, daß von seiten der Sozialdemokraten ein Einspruch erhoben werden wird – ist die Vermeidung einer Marktspaltung. Zu dieser wird es nach den Vorschlägen, die vor allem von der ÖVP und da vom Wirtschaftsministerium gemacht werden, kommen. Diese Marktspaltung wird folgendermaßen aussehen: Der Wirtschaftsminister schlägt vor, daß es einerseits zu einer Aufhebung des Importmonopols von seiten des Verbundes kommt. Sie müssen sich nur vorstellen, was dann passieren wird; es liegt auf der Hand. Wir haben ja in Tirol aufgrund alter Verträge, die zum Teil


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schon vor dem Beschluß des 2. Verstaatlichungsgesetzes abgeschlossen wurden, die Situation, daß die TIWAG, daß sowohl Tirol als auch zum Teil Vorarlberg aus Süddeutschland Atomstrom importieren. Es gibt also hier kein Importmonopol des Verbundes, und aufgrund der Tatsache, daß dieser Strom ziemlich billig ist, wird er sehr, sehr gerne abgenommen und importiert.

Die Aufhebung des Importmonopols, das für den Osten Österreichs nach wie vor zu 100 Prozent gültig ist, würde bedeuten, daß Österreich natürlich mit Atomstrom überschwemmt wird. Es gibt einen enormen Überschuß in Europa – Sie brauchen sich ja nur die Zahlen selbst durchzusehen, Sektionschef Zluwa, der hier anwesend ist, wird sie Ihnen sicherlich geben können. Und Atomstrom ist unglaublich billig; er ist noch billiger als unser Wasserkraftstrom, um einiges sogar. Also wird vor allem, auch wegen der regionalen Nähe, die OKA, die oberösterreichische Landes-EVU, die dann wahrscheinlich in den Mehrheitsbesitz der Bayern-Werke übergehen wird, vorwiegend Atomstrom importieren, und die Haushalte werden vorwiegend mit Atomstrom versorgt werden. Wir können sämtliche Forderungen und sämtliche Initiativen und Ideen über erneuerbare Energieträger für viele, viele Jahre wirklich vergessen.

Es wäre unmöglich, hier noch nationale Energiepolitik zu machen, und es widerspricht jeder Forderung und jedem bisher verbal gefaßten Vorsatz, daß sich Österreich dafür einsetzt, daß es ein atomkraftfreies Mitteleuropa geben soll. Die Aufhebung des Importmonopols von seiten des Verbundes, so wie Sie sie vorschlagen, würde einfach bedeuten, daß Österreich in den nächsten Jahren eine ganze Menge an billigen Atomstromimporten zu verzeichnen hätte.

Zur Preisgestaltung und zur Marktspaltung wird es deshalb kommen, weil Sie ja im Gegenzug dem Verbund versprochen haben, daß er dafür Großabnehmer versorgen darf. Unabhängig davon, daß das zum Teil bisher schon möglich war, ist das ja keine Einbahnstraße. Die EU-Binnenmarktrichtlinie kommt, und sie wird mit Sicherheit kommen, egal, welches der beiden Konzepte, die sich derzeit im Wettstreit befinden, sich durchsetzen wird. Aber eines wird ganz sicher passieren, nämlich daß sich Großabnehmer in Zukunft auf jeden Fall aussuchen können, woher sie den Strom, den sie brauchen, beziehen.

Das heißt, der Verbund wird nur dann, wenn überhaupt, anbieten können, wenn er entsprechend billigen Strom zur Verfügung hat. Viel eher wird es dazu kommen, daß die Großabnehmer zurückgreifen werden entweder direkt auf die Billigproduzenten des Atomstroms oder eben auf ausländische EVUs, die mit billigem Strom im Überschuß versorgt werden. Das wird dazu führen, daß es sich zwar die Großabnehmer ideal ausmachen können mit den einzelnen Anbietern, sei das jetzt der Verbund oder ein ausländisches EVU, daß aber die Kleinabnehmer, die Summe der Haushalte, überhaupt nicht von dem sogenannten neuen Wettbewerb profitieren werden. Der Wettbewerb wird in diesem Fall nur für die Großabnehmer gelten. In diesem Bereich wird es tatsächlich zu billigerem Strom kommen, da wird es sogar zu einer massiven Verbilligung kommen; sie werden enorm profitieren.

Wer überhaupt nicht profitieren wird und wer zum Teil wahrscheinlich sogar noch etwas mehr wird zahlen müssen, weil sich das dann auch für ein österreichisches EVU oder für den Verbund ausgehen muß, das ist die Summe der Kleinabnehmer, die Summe der Kleinverbraucher, die offensichtlich völlig vergessen wird. Und das ist die Marktspaltung, von der wir hier sprechen und die es zu vermeiden gilt. Ich hoffe doch sehr, daß von seiten der Sozialdemokraten ein großer Einspruch erfolgen wird zu den Plänen, die von seiten des Wirtschaftsministers kommen. (Beifall bei den Grünen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die restliche Redezeit für die grüne Fraktion ist fünf Minuten.

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (fortsetzend): Ich komme auch schon zum Schluß.

Least-cost-planning haben Sie kurz angeführt. Auch das ist nur dann sinnvoll, wenn es nicht von den Landesversorgern, von den Elektrizitätswerken gemacht wird. Selbstverständlich muß das von unabhängigen Wissenschaftern, von einer, wie immer man das dann gestaltet, entsprechenden Expertenkommission gemacht werden, aber sicherlich nicht von den Energieversorgern selbst. So kann es nicht gehen, denn das würde auch die Beibehaltung des Status quo bedeuten.


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Insgesamt ist in der Energiepolitik in den nächsten Jahren mit einer großen Umstrukturierung zu rechnen. Wir sind hier für einen fairen Wettbewerb, aber wir sind vor allem dafür, daß es bei einer nationalen, einer österreichischen Energiepolitik bleibt, die einerseits dem Prinzip einer nachhaltigen Energiepolitik treu bleibt und andererseits vor allem versucht, dem Prinzip eines atomkraftfreien Mitteleuropas in irgendeiner Weise auch gerecht zu werden. Ihre Vorschläge, Herr Wirtschaftsminister, gehen derzeit in die völlig andere Richtung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist der Herr Bundesminister. Er hat das Wort.

16.30

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte am Beginn meiner Ausführungen im Gegensatz zu vielen Rednern der Opposition eines klar sagen: Österreich hat die letzten zehn Jahre im internationalen Vergleich wesentlich besser bewältigt als die meisten anderen Industriestaaten. Das sollte man sich auch in schwierigen Situationen immer wieder vergegenwärtigen.

In diesem Sinne möchte ich den Österreicherinnen und Österreichern Mut machen, ihnen klar sagen, daß ich überzeugt bin davon, daß wir die unternehmerische Kapazität haben, und zwar nicht nur bei den Unternehmern, sondern auch bei den Managern, auch in Zukunft besser zu reüssieren als andere Länder. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist zweitens überhaupt keine Frage, daß sich die internationalen Rahmenbedingungen verändert haben, daß wir völlig neue Fakten haben. Wir haben keine Globalisierung der Weltwirtschaft, die wir uns immer gewünscht haben, sondern wir haben eine Dreiteilung, eine Regionalisierung der Weltwirtschaft mit einem harten Wettbewerb. Und es ist überhaupt keine Frage, daß hier der Spielraum der nationalen Wirtschaftspolitik Grenzen findet, daß wir diese akzeptieren müssen, aber im Rahmen dieser Möglichkeiten bestmöglich agieren sollen.

Hier ist auch eines klar zu sehen – und das scheint Abgeordneter Prinzhorn übersehen zu haben –: Beim Hineingehen in die EU war ganz entscheidend, daß wir unsere Wettbewerbsposition halten konnten. Hätten wir das nicht gemacht, dann hätten wir heute wesentlich höhere Arbeitslosenraten, weniger Exporte, weniger Investitionen. Daher war dieser Weg richtig. Auch wenn wir im geschützten Bereich jetzt natürlich einen größeren Anpassungsdruck haben, auch wenn wir jetzt vieles verändern müssen, insgesamt ist die Alternative, nämlich ein Nein zu Europa, ein Weg in die Sackgasse. Das sollte man bei aller Diskussion und bei allen Detailproblemen nie vergessen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie Beifall des Abg. Mag. Peter. )

Ich widerspreche ganz vehement jenen, die hier meinen, das Sparpaket habe das Vertrauen in den österreichischen Wirtschaftsstandort nachhaltig geschwächt, insbesondere durch die Einführung einiger Verfassungsbestimmungen, die sicher nur dort Anwendung gefunden haben, wo sie notwendig sind, um rascher das Greifen von Maßnahmen und damit das Eindämmen von Schulden sichern zu können.

Ich sage Ihnen: Aufgrund meiner internationalen Kontakte weiß ich, daß der österreichische Weg, 100 Milliarden Schilling einzusparen, die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, unsere internationale Reputation wesentlich gesteigert hat. Und das wird sich auch in der internationalen Beurteilung durch den Wirtschafts- und Währungsfonds widerspiegeln. Das erhöht die Bonität und damit natürlich auch die Wettbewerbsfähigkeit, weil nur so die Zinsen weiter gesenkt werden können, weil wir nur so unser Triple-A halten können. Daher glaube ich, daß wir sehen müssen, daß die großen Linien in der Steuerpolitik gehalten wurden. Der österreichische Wirtschaftsstandort ist trotz dieser Strukturanpassungen – ich sage das ganz klar und selbstbewußt – nach wie vor steuerlich attraktiv. Und man sollte nicht vergessen, daß es in anderen Ländern, zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland, nicht gelungen ist, eine Vermögensteuer auf Betriebe völlig wegzubringen, eine Gewerbesteuer völlig wegzubringen, die Einkommensteuersätze zu senken. Das hat natürlich den Kapitalmarkt attraktiv gemacht. Was macht


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denn den Kapitalmarkt attraktiv, wenn nicht eine solche Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren?! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich warne alle Experten, die jetzt schon wieder analysieren, daß weitere Sparpakete notwendig sind. Ich bin überzeugt: Wenn die internationale Konjunktur hält, wenn die Prognosen, daß es nach 1997, 1998 wieder besser wird, eintreffen – und das hängt nicht nur von Österreich ab –, dann haben wir kein Problem (Ruf bei den Freiheitlichen: "Wenn"!), unsere Budgetziele zu erreichen, und dann werden wir unsere Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis stellen. Und es ist nicht notwendig, daß wir weitere Steuererhöhungen durchführen, es ist überhaupt nicht notwendig, weitere Sparpakete zu schnüren. – "Wenn!" rufen Sie. Wenn international die Konjunktur ... (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn. ) Na ja, Sie kennen vielleicht die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge nicht, Herr Prinzhorn. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Johannes! Warum willst du die Bäckerei nicht übernehmen?) Weil ich Volkswirtschaft betreibe, ganz klar.

Wenn international die Konjunktur einbricht, dann haben andere Länder, meine sehr geehrten Damen und Herren, viel größere Probleme als Österreich, die Maastricht-Kriterien zu erfüllen. Und Österreich ist dann bei einer generellen Niveausenkung noch immer bei den Besten. Das heißt, wir brauchen uns vor der Zukunft, auch vor der budgetären Zukunft, nicht zu fürchten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Man macht es sich etwas leicht, wenn man sagt: Aufgrund des Umfanges des Strukturanpassungsgesetzes war es mir nicht möglich, das alles zu lesen, und deshalb kann ich nicht mehr mitarbeiten. Vielleicht kommt auch heute wieder ein liberaler Abgeordneter mit den gesamten Budgetunterlagen heraus. Aber man kann sich das Wesentliche herauspicken, und das Wesentliche, sehr geehrter Herr Abgeordneter Haselsteiner, ist noch immer, daß sehr wohl Reformmaßnahmen durchgeführt wurden. Das sind nicht nur Maßnahmen, die hier irgendwie zusammengewürfelt wurden. Sie sind Ausdruck einer Reformpolitik – aber es waren zusätzlich auch Ad-hoc-Maßnahmen notwendig.

Zum Beispiel das sukzessive Hinaufsetzen des faktischen Pensionsalters ist ganz entscheidend und wird nicht nur im Jahr 1997, sondern auch im Jahr 1999 Einsparungen bringen. Und das Reduzieren von Planposten setzt natürlich eine neue Organisation in der öffentlichen Verwaltung voraus und muß jetzt auch umgesetzt werden. Auch das ist ein Reformansatz.

Die Einführung von Sonderunterstützungen war einmal notwendig, sie hat aber letztlich dazu geführt, daß sich Betriebe, durchaus im Einklang mit dem Betriebsrat, wesentlich rascher der älteren Arbeitskräfte entledigt haben. Das war eine Fehlentwicklung, und daher wurde das korrigiert.

Wir haben die aktive Arbeitsmarktförderung gestärkt und sind überzeugt davon, daß wir die passive Arbeitsmarktförderung reduzieren können, weil die Arbeitslosenzahlen eben nicht steigen werden aufgrund einer falschen Politik. Und das, glaube ich, ist eine wichtige Voraussetzung. (Beifall bei der ÖVP.)

Der entscheidende Punkt war, daß wir durchgesetzt haben, daß zumindest ein Stopp bei den Lohnnebenkosten durchgeführt wird, und das hat Reformen in Gang gesetzt. Ich sage ganz ehrlich, auch das ist noch nicht zu Ende, aber die KRAZAF-Reformen im Gesundheitsbereich, wo die Kosten gedeckelt werden, sind Grundvoraussetzung dafür, daß sich die Strukturen ändern, daß hier weitergearbeitet wird.

Die Ausgliederung der Post, die auch noch effizient bewerkstelligt werden muß, aber die jetzt im Grundsatz hier festgeschrieben ist, auch im Zuge dieses Pakets, ist entscheidend für die Wettbewerbssituation Österreichs, dafür, daß es gelingt, im Telekommunikationsbereich Fuß zu fassen, weil das eine Schlüsselbranche ist, weil wir wissen, daß gerade Telekommunikation die Wettbewerbsfähigkeit jedes einzelnen Betriebes betrifft.

Das heißt, ich wehre mich dagegen, daß man versucht, hier den Eindruck zu erwecken, es würden einfach irgendwelche – wie wird das immer so schön gesagt? – Belastungsmaßnahmen


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gesetzt. Veränderungen sind für einzelne immer eine Belastung, aber insgesamt ist das Ausdruck einer Reformpolitik. Und Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind uns hier jede Antwort schuldig geblieben, wo Ihre Alternative ist, und das ist das Problem. Daher sind Sie in der Opposition und nicht in der Regierung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rosenstingl: Zuhören!)

Ich sage Ihnen, daß wir mit dieser Finanzpolitik jetzt die Grundlage geschaffen haben, um wieder offensive Maßnahmen setzen zu können. Und ich stimme jedem zu, der hier im Hohen Haus in seiner Analyse sagt, daß jetzt mit all diesen Maßnahmen – das ist keine Frage – die Gesamtabgabenbelastung eine Höchstquote erreicht hat. Sie muß wieder sinken, mittelfristig wieder sinken, und es ist überhaupt keine Frage, daß wie auch in der Vergangenheit nach einem gewissen Zeitraum eine Anpassung der Tarife stattfinden muß. Daher ist es notwendig, den Budgetvollzug straff zu gestalten und die Maßnahmen nicht zu verwässern. Genau das hat die österreichische Bundesregierung versucht und wird sie weiterhin versuchen.

Nun noch zu einzelnen Punkten, die hier angesprochen wurden. Vom Herrn Abgeordneten Prinzhorn wurde bewußt auf die Bedeutung der sehr lange geschützten Sektoren für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Österreichs hingewiesen. Ich sage ganz ehrlich: Ich halte es für dringend notwendig – und da kann ich den Ausführungen der Frau Abgeordneten Langthaler überhaupt nicht folgen –, daß die Wettbewerbssituation im Bereich der Energiewirtschaft verstärkt verbessert wird, daß die Preise – und das habe ich bereits durchgeführt – durch einen Price cap festgeschrieben werden und nur mehr in einem gewissen Ausmaß erhöht werden dürfen, mit dem Ziel, damit auch die Kosten und die Effizienz auf diesem Sektor zu erhöhen.

Darum geht es. Das ist entscheidend auch für die optimale Versorgung mit Energie, wobei es ein nationales Anliegen ist, österreichische Lösungen zu suchen. Für mich bedeutet das aber nicht, zu glauben, ich muß jetzt die Wirtschaftslenkung von oben betreiben. Was wir brauchen, sind klare Wettbewerbsbedingungen. Hier ist es weder im Sinne des Wettbewerbs noch EU-konform, ein Importmonopol weiter zu halten. Aber ich bin überzeugt davon, daß die Privatisierung, die ich ermögliche, die ich aber nicht dekretieren kann, dazu führen müßte, daß die Kooperation unter den neuen Rahmenbedingungen effizient erfolgt.

Der zweite Punkt – hier bin ich gerne bereit, mit Ihren Experten einmal ein Gespräch zu führen –: Wir werden die Energieaufsicht natürlich erhöhen, es gibt keinen Kniefall vor den Bundesländern, im Gegenteil, wir müssen den Kompetenzzug hereinnehmen bis in das Wirtschaftsministerium, weil derjenige, der für die Energieaufsicht zuständig ist, auch eine Möglichkeit haben muß, zu entscheiden, ob sich die betriebswirtschaftliche und die volkswirtschaftliche Effizienz in diesem Zusammenhang miteinander vereinbaren lassen.

Wir wollen vorsehen, daß Energieversorgungsgebiete nach einer gewissen Übergangsfrist neu ausgeschrieben werden. Das ist keine angenehme Politik! Das ist aber eine vernünftige Politik, die insgesamt ökologisches Wirtschaften mit effizientem Wirtschaften verbinden will und verbinden muß. Was sicher nicht geht, ist, am Reißbrett zu sagen: Es gibt zwar sehr viele Unternehmen, die haben Eigentümerstrukturen, die sind Aktiengesellschaften, aber wir von oben – Frau Langthaler oder sonst jemand – wissen jetzt, was zu tun ist, da tun wir alle Produktionsanlagen und die Versorgungsanlagen zusammen, und das alles machen wir neu, um einen zentralen Konzern zu schaffen. Das widerspricht der österreichischen Praxis.

Wenn Sie sich die TIWAG ansehen, dann werden Sie merken, daß sie es geschafft haben, im internationalen Wettbewerb eine sehr gute Entwicklung zu nehmen, weil sie durch ihr Regime schon früh gezwungen war, in diesen Wettbewerb zu gehen. Andere haben das nicht gemacht und haben große Probleme. Ich möchte sie zwingen, daß sie denselben Weg gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Bei der Post ist entscheidend, daß wir den Wettbewerb stimulieren und uns auf das Fallen der Monopole vorbereiten. Wir wissen international, dort, wo liberalisiert worden ist, ist auch die Versorgung mit Technologie höher als dort, wo monopolisiert ist. Also auch hier ist es wichtig,


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jetzt rasch die Umorientierungen durchzuführen, wobei ich als Wirtschaftsminister leider nicht die Kompetenzen habe, das umzusetzen. Ich habe es ja verlangt. Ich habe gesagt, man sollte das Verkehrsministerium ins Wirtschaftsministerium bringen, weil ich glaube, daß die richtige Durchführung dieser Reformen wichtiger ist als die eine oder andere Förderungsmaßnahme, wo ich wirklich meine, daß man überlegen muß, neue Schwerpunkte zu setzen. (Abg. Mag. Trattner: Warum haben Sie das nicht gemacht?) Weil ich keine absolute Mehrheit habe – leider! Das ist das Problem. Aber vielleicht kommt das noch. (Beifall bei der ÖVP.)

In der Förderungspolitik werden wir uns im Wirtschaftsministerium auf unsere Förderungen konzentrieren, und wir werden sehr wohl die Eigenkapitalförderung forcieren, wobei man sich in Österreich keine Wunder erwarten darf. Der Kapitalmarkt ist nicht zuletzt auch deshalb in Österreich in jener Position, in der er ist, weil die Teilnehmer an diesem Markt sehr lange mit diesem Markt nicht leben wollten. Wenn ich keinen Partner hereinnehmen möchte, kann die Eigenkapitalbildung von außen nicht funktionieren. Es ist nicht nur das Steuersystem, es war sehr lange auch die Mentalität, und ich glaube, es ist wichtig, diese Mentalität zu ändern und klarzumachen, daß wir hier umdenken müssen. Da gebe ich Ihnen recht. Es ist notwendig, neben den Banken, die in guten Zeiten immer die Fremdfinanzierung forcieren, eben auch die Eigenkapitalfinanzierung mit anderen Institutionen anzubieten. Die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften, die wir gegründet haben, sind ein Ansatzpunkt. Wir müssen uns fragen, warum er nicht funktioniert. Ist es nur die nicht vorhandene Rendite, brauchen wir eine Startförderung, oder welche Maßnahmen können wir zusätzlich hier setzen?

Unternehmenskultur, Unternehmensgründungsoffensive. Hiezu ist eines ganz klar zu sagen: Ich glaube, daß das auch eine Frage – aus der Sicht von Ihnen, Herr Abgeordneter Peter, ist das sicherlich richtig erkannt worden – der Gesellschaftspolitik ist, wo Sie aber die Mentalität nicht über Nacht verändern können. Wir müssen ganz ehrlich sein: Wenn man Unternehmer – wie in letzter Zeit – immer öfter an den Pranger stellt, wenn sozusagen ein vorübergehendes Scheitern zur Diskriminierung und Diskreditierung führt, dann wird jeder nach Sicherheit streben und niemand wird versuchen, den Karren, wie Sie sagen, zu ziehen. Daher halte ich es für dringend notwendig, daß wir in einen konstruktiven Dialog über die Bildungspolitik in Österreich eintreten, darüber, ob wir nicht in der Ausbildung falsch liegen. Denn die einzige Chance, Unternehmer zu bekommen, ist doch, daß wir die Facharbeiter im weitesten Sinne des Wortes forcieren, deren Image erhöhen und nicht das Gegenteil bewirken. Ich bin sehr froh, daß jetzt auch bei unserem Koalitionspartner ein Umdenken zu erkennen ist. (Abg. Koppler: Seit zwei Jahren liegt ein Initiativantrag im Haus!)

Mit den Lehrwerkstätten allein ist das nicht zu fördern, Herr Abgeordneter Koppler. Ich habe wiederholt gefordert, man sollte sozial gestaffelte Studiengebühren einführen, weil die Leute einfach überlegen, ob es wirklich sinnvoll ist, diesen Weg zu gehen, und man sollte ihn nicht mit dem Nulltarif forcieren. Abgeordneter Nowotny kann sich das jetzt vorstellen, die Grünen können es sich vorstellen, die Liberalen können es sich vorstellen. Nur: Als wir es verhandelt haben, hat es sich leider niemand vorstellen können. Wir hätten uns einiges an Ärger erspart, wenn wir das getan hätten. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Vorwurf, wir hätten in einer schwierigen Zeit den Selbstfinanzierungsgrad der Unternehmen verringert, muß ich ganz ehrlich sagen: Die Verlustvorträge gehen ja nicht verloren. Diese dürfen in der Folge sozusagen mit berücksichtigt werden, und man denkt im Finanzministerium daran, den ewigen Verlustvortrag zu schaffen, sodaß das wirklich eine vorübergehende Maßnahme ist. Mir ist diese Maßnahme wesentlich lieber als eine, die die Steuersätze erhöht, eine Solidarsteuer einhebt und dann die gewinnstarken Betriebe belastet, weil ich davon überzeugt bin, daß die unternehmerische Entwicklung, die unternehmerische Dynamik noch immer von den ertragsstarken und nicht von den verlustgeplagten Unternehmen getragen wird. Daher haben wir alles darangesetzt, die Weichen so zu stellen, daß man dieser Situation gerecht wird.

Ich sehe schon ein Zeichen an der Uhr, daß man nicht zu lange und zu intensiv diskutieren soll. Aber doch noch ein Wort zum Tourismus, das wir, glaube ich, ernst nehmen sollten. Es gibt keine Debatte, es gibt keinen Aufsatz, in dem nicht die totale Krise des Tourismus sozusagen an


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die Wand gemalt wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte das für extrem gefährlich und für unrichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben jetzt die Tourismusergebnisse der ersten fünf Monate der Wintersaison vorliegen. Wenn ich mir diese ansehe, dann muß ich sagen, es gibt eine differenzierte Entwicklung, wir sind in einem Wandel begriffen. Aber insgesamt hat sich – Hut ab vor der österreichischen Tourismuswirtschaft! – die österreichische Tourismuswirtschaft hervorragend gehalten und eben keinen Rückgang erfahren, sondern nur einen marginalen von 0,3 Prozent bei den gewerblichen Beherbergungsbetrieben. Da kann man nicht von einer Krise sprechen, sondern wir sind in einem Wandel begriffen und sind dabei, diesen Wandel positiv zu bewältigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben Zuwächse: im Burgenland 6,3 Prozent (Abg. Trinkl: Das hat mit dem Gebiet nichts zu tun!), in Kärnten 4,3 Prozent, in Vorarlberg – man hat immer gesagt, die Entwicklung in Vorarlberg läuft schlecht; sie läuft besser denn je – 2,3 Prozent, in Wien 2 Prozent, in der Steiermark 1,7 Prozent. Tirol hat ein Minus von 1,6 Prozent. Okay, ja. Aber ich sage auch, warum: weil andere Länder abgewertet haben und weil es auch einem Wirtschaftsminister nicht über Nacht möglich ist, diesen Abwertungseffekt wegzudiskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Tirol hat sicher eine besondere Benachteiligung, weil Südtirol sehr nahe ist. Hier hat es Verlagerungen gegeben. Aber man hat reagiert, und wir werden weiterhin reagieren, nur glaube ich nicht, daß es der touristische Masterplan ist. Ich setze auf Vielfalt, ich setze auch auf regionale Initiativen. Ich glaube, daß es wichtig ist, zu versuchen, das, was in der Region vorhanden ist, professionell anzubieten und zu unterstützen. Wenn uns das gelingt, dann – davon bin ich überzeugt – werden wir auch wieder positive und sogar sehr positive Entwicklungen im Tourismus erleben. Ich bin nicht so pessimistisch wie viele andere, die hier zu diesem Thema gesprochen haben.

Zum Schluß kommend: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß wir vor einer Wirtschaftspolitik stehen, die ressortübergreifend ist, die in die Bildungspolitik hineingeht, die sicher – das wurde mit Recht angesprochen – im Deregulierungsbereich neue Akzente setzen muß. Nur, das heißt auch hier im Hohen Haus, das nicht nur bei der Wirtschaftsdebatte anzubringen, sondern auch bei der Sozialdebatte umzusetzen, bei der Umweltdebatte zu berücksichtigen. Unser Problem ist, daß wir in diesen Bereichen oft Bürokratie schaffen und keine effizienten Leistungen. Wenn ich an das gesamte Verpackungssystem denke, dann muß ich sagen, es führt zu zunehmenden Wettbewerbsverzerrungen, und wir müssen uns überlegen, ob dieser Weg weiter gangbar ist. (Zwischenruf der Abg. Ing. Langthaler. ) Das macht ja nichts, es hindert uns nicht daran, es zu verbessern. Man kann nicht immer stehenbleiben, die Welt dreht sich weiter, Frau Langthaler, und wir sind bereit, auf Entwicklungen zu reagieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Entscheidend ist – auch im Bereich der indirekten Steuern –, daß wir auf der Ausgabenseite effizient reformieren, sparen, denn sonst wird es niemandem möglich sein, Steuern – im Bereich der Mehrwertsteuer ist das sicher sinnvoll, aber auch im Bereich der Getränkesteuer – abzuschaffen oder zu verändern, damit wir Konkurrenznachteile verhindern. – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Dr. Puttinger zu Wort. – Bitte sehr.

16.53

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte an Herrn Minister Ditz anschließen, aber auf eine Tatsache hinweisen: Genau vor 85 Jahren wurde der deutsche Wirtschaftswissenschafter und Wirtschaftsminister Karl Schiller geboren, und von ihm stammt der Ausspruch: Wirtschaftspolitik ist zu 50 Prozent Psychologie. Nicht nur die Daten und Fakten sind das, was die Wirtschaftspolitik ausmacht. Das gilt aber auch besonders für den Tourismus, denn jeder der hier Anwesenden


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weiß, kann sich vorstellen oder hat in der Vergangenheit schon erlebt, wie sich Äußerungen – sei es auf internationalen Kongressen, sei es auf Messen, sei es in Zeitungen – auswirken, wenn sie in etwa so lauten: Österreich ist zu teuer. Das Wetter ist zu schlecht. Die Betriebe sind zu verschuldet. Die Maut bringt den Fremdenverkehr um. Wir werden zweistellige Minuszahlen bei den Nächtigungen im Winter haben. – Das sind die Dinge, die meiner Ansicht nach wesentlich mehr schaden als alles andere.

Herr Peter! Ich möchte Ihnen schon folgendes dazu sagen – der Herr Minister hat es bereits angeführt –: Mit 0,4 Prozent – ich gebe Ihnen zwar recht, daß die Gewinne deswegen nicht besser sind – haben wir, ohne Ostern zu berücksichtigen, ein Ergebnis im Wintertourismus, das gleich ist wie im letzten Jahr. So kann man nicht arbeiten, daß man immer zweistellige Nächtigungsrückgänge und so weiter voraussagt. Das müssen wir uns abgewöhnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sollten versuchen, positiv zu denken, Positives zu schaffen. Da möchte ich mich auf zwei Punkte konzentrieren. Der erste ist der Förderungsbereich: Im Gegensatz zu den Grünen, die die Förderungen meistens als jene unabdingbaren Maßnahmen ansehen, die unbedingt notwendig sind, um in der Wirtschaft überhaupt tätig sein zu können, stehe ich auf dem Standpunkt, daß wir die Förderungen nicht brauchen würden, wenn wir entsprechende Rahmenbedingungen hätten, wenn man uns in der Wirtschaft das machen ließe, was wir wollen, nämlich wirtschaften.

Trotz der notwendigen Budgetsanierungsmaßnahmen werden bestimmte Förderungsaktionen, wie die Top-Tourismusförderung, die Sicherungsmaßnahmen, die Gewerbestrukturverbesserungsaktionen, die Kleingewerbekreditaktionen, bestehen bleiben. Verschiedene Prämienaktionen, wie die Aktion Komfortzimmer, Sanitärräume, Zuwendungen für Fremdenverkehrsbetriebe an österreichischen Seen, werden abgeschafft werden. Strukturbereinigung darf aber nicht nur die Abschaffung von einzelnen Förderungen bedeuten, sie muß auch die Reform der Verwaltung, der Richtlinien sein, aber auch eine Verminderung der Bürokratie mit sich bringen.

Diese Reform der Förderungen sollte auf drei Ebenen geschehen: Die erste Ebene, das Wirtschaftsministerium, soll die wirtschafts- und förderungspolitische Gesetzgebungskompetenz behalten, die Richtlinien-, Budget- und Kontrollkompetenz soll bleiben. Auf der zweiten Ebene gibt es die Förderungsagentur, die Strategievorbereitungs-, Clearing- und Organisationskompetenz besitzt. Auf der dritten Ebene soll eine Förderungsabwicklungsstelle eingesetzt werden.

Andererseits möchte ich als Tourismussprecher der ÖVP auf die neue Österreich-Werbung eingehen, deren neue und engagierte Geschäftsführung bereits frischen Wind in die Organisation gebracht hat. 50 Millionen Schilling mehr an Budgetmitteln stehen zur Verfügung, die zusätzlich für Werbung und Marketing eingesetzt werden können. (Abg. Mag. Peter: Wird das auch sinnvoll geschehen?) Ja, selbstverständlich, Herr Mag. Peter. Sie wissen ja, wo Sie es einsetzen wollten, wir wissen, wo wir es jetzt einsetzen.

Die ÖW hat es sich aber auch zum Ziel gesetzt, nicht nur diese Mittel, sondern in Zukunft 60 Prozent ihres derzeitigen Budgets – nicht nur 43 Prozent wie bisher – für Werbung und Marketing einzusetzen. Dieser Schritt, aus eigener Kraft Mittel zur Marktbearbeitung zur Verfügung zu stellen, ist richtig und zukunftsweisend. Die engere Kooperation mit der Wirtschaftskammer und mit den Kulturinstituten ist ja bereits in die Wege geleitet. Die Organisationsform eines Vereines – und da möchte ich Ihnen schon widersprechen – ist einer effizienten Werbung sicher nicht widersprechend. Ich glaube, daß der Wechsel an der Spitze der ÖW notwendig gewesen ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die österreichischen Klein- und Mittelbetriebe, insbesondere auch im Tourismus, wollen ja nicht nur leben, sie wollen auch einen Erfolg nach Hause bringen. Wir haben die Unternehmer darin zu bestärken, daß es sich lohnt, das Angebot ideenreicher zu gestalten, daß es sich lohnt, Spezialangebote zu machen, daß es sich lohnt, den Erlebnistourismus auszubauen, daß es sich lohnt, eine Bündelung der Kräfte mitzumachen, und daß das Einzelkämpferdasein eigentlich der Vergangenheit angehören sollte. Denn das Spiel


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lautet nicht mehr Salzburg gegen Tirol, sondern es lautet Österreich gegen die Malediven. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um das Selbstbewußtsein und die Innovationsfreude der Unternehmerinnen und Unternehmer zu stärken, bedarf es aber positiver Signale; positiver Signale aus diesem Haus, die nicht unbedingt eine finanzielle Belastung für den Staatshaushalt sein müssen.

Wir brauchen die Vereinfachung des Arbeitszeitrechtes, die flexibleren Arbeitszeiten. Wir brauchen die Erleichterungen im Jugendbeschäftigungsgesetz, wir brauchen die Erleichterungen bei der Lehrlingsausbildung, wir brauchen Beteiligungsgesellschaften, um die Förderung des Eigenkapitals durchzusetzen.

Wir brauchen die Entkriminalisierung des Arbeits- und Arbeitszeitrechtes, die Vereinfachung der Verwaltungsverfahren, der Lohnverrechnung, des Sozialversicherungsrechts. Wir brauchen weitere Investitionsanreize außerhalb der 3 Prozent Steigerung des Investitionsbeitrages.

Wir brauchen einen Lohnkostenstopp, der richtungsweisend für die Jahre 1996 und 1997 bereits vorgesehen ist. Wir brauchen aber auch – und hier fordere ich den Finanzminister auf, endlich entsprechende Maßnahmen zu setzen – die versprochene Pauschalierungsverordnung, um gerade den Klein- und Kleinstbetrieben die entsprechende Hilfestellung in der derzeitigen Situation zu geben.

Aber wir brauchen auch die Harmonisierung des Steuersystems – insbesondere die Angleichung an die EU –, sei es im Bereich der Getränkesteuer, sei es im Bereich der Mehrwertsteuer. Diese Angleichung kann jedoch nicht gegen die Gemeinden stattfinden, denn die Finanzierung der Gemeinden muß ja gerade im Interesse des Fremdenverkehrs sichergestellt sein.

Es ist sehr leicht für jemanden, sehr geehrte Damen und Herren von der FPÖ, der weder im Bund noch in einer führenden Position in den Gemeinden tätig ist, einfach die Abschaffung der Getränkesteuer zu verlangen, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, wie es mit der Finanzierung der Gemeinden letzten Endes aussieht. (Abg. Dr. Graf: Herr Abgeordneter Puttinger! Wir haben auch Bürgermeister!) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Politik ist eine verantwortungslose Politik. Wir bekennen uns aber zu einer Politik mit Verantwortung. (Beifall bei der ÖVP.)

Für uns steht das Gesamtinteresse des Staates auch in dieser Frage vor Gruppeninteressen. Dafür stehen wir auch in Zukunft ein. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zeigen wir Verantwortung, einerseits in Form der Beschlußfassung dieses Sparbudgets und andererseits bei den Rahmenbedingungen für die Klein- und Mittelbetriebe im allgemeinen und für den Fremdenverkehr, den Tourismus, im besonderen.

Weil Kollege Peter das gemacht hat, zitiere ich auch Churchill. Er hat einmal gesagt: Man löst keine Probleme, indem man sie auf Eis legt. Nehmen wir diese Problematik alle gemeinsam in Angriff, Herr Kollege Haigermoser! Auch Sie sind gefordert (Beifall bei der ÖVP), denn wir sind nicht dazu da, irgendeine Sache um 1000 Prozent besser zu machen, sondern wir nehmen uns vor, 1000 Dinge um 1 Prozent besser zu machen. Herr Kollege Haigermoser! Sie sind eingeladen, von den 1000 Dingen wenigstens eines besser zu machen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Mag. Peter hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen ausreichend die Geschäftsordnung.

17.03

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Hohes Haus! Im Schwunge seiner Rede hat Dr. Puttinger behauptet, ich hätte für den heurigen Winter eine zweistellige Minusrate vorausgesagt. Diese Behauptung ist unrichtig! Meine Prognose lag bei 0 bis minus 5 Prozent. Ich hoffe, daß diese Prognose halten wird. Der April ist noch nicht zu Ende. Ostern war heuer eine


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Woche früher, daher werden wir Ende April sehen, wie es ausgegangen ist. Ich hoffe, daß es positiv sein wird.

17.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster hat sich Herr Abgeordneter Haigermoser zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.04

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Puttinger, wir werden ja am kommenden Montag Gelegenheit haben, die Klingen in der Kammervollversammlung zu kreuzen. Aber nur eines vorweg: Du beklagst das Auftreten gegen die Getränkesteuer und hast selber in deiner Kammer eine Unterschriftenaktion vom Zaun gebrochen. Jetzt frage ich mich schon: Wer ist stärker – i oder i? Diese Frage müßtest du an dich selbst richten. (Abg. Dr. Puttinger: Der Haigermoser begreift das nicht!)

Das ist ja wirklich hanebüchener Unsinn, Kollege Puttinger, den du hier verzapft hast. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Puttinger: Das habe ich dir jetzt schon fünfmal erklärt!) Natürlich, die Botschaft hören wir wohl, die hier verkündet wurde vom Bundesminister und von anderen Weihrauchkesselschwingern, die sich hier über die Probleme hinweggeturnt haben. Ditz war da ja meisterhaft unterwegs, so nach dem Muster des Vogel Strauß. Der ist ja ein Aussichtsturm im Vergleich zu dem, was Sie geboten haben, Herr Bundesminister.

Sie haben nur gewarnt. Sie haben die Unternehmer gewarnt, die Schwarzmaler gewarnt, die Experten gewarnt, den Rest der Welt gewarnt, die Opposition gewarnt. Alle sind von Ihnen gewarnt worden, sie sollen ja den Kopf in den Sand stecken. (Abg. Dr. Khol: Geht es dir so schlecht, daß du keine Krawatte mehr hast?) Spiel nicht den Störenfried, Andreas Khol!

Zu Maderthaner: Wo war er denn in den letzten zehn Jahren, dieser Maderthaner? Auf Tauchstation, meine Damen und Herren! Ich gebe zu, daß Heindl sich redlich bemüht hat, etwas voranzubringen, was die Gewerbeordnung anlangt. Da ist Maderthaner mit beiden Beinen auf der Bremse gestanden, so nach dem Motto des alten Kaiser Franz Joseph. Ich habe mir die Mühe gemacht, die Gewerbeordnung auszuheben, welche ja mit kaiserlichem Patent vom 20. Dezember 1859 verkündet wurde. Dort heißt es: "Wir, Franz Joseph I., von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich, verfügen..."

Er, Maderthaner, ist nach dem Motto unterwegs: Ich, Leo der I., von letzter Gnaden, verkünde die Gewerbeordnung. Er ist auf der Bremse gestanden, der Maderthaner, und jetzt sagt er: Wir werden da etwas ändern! Aber er sagt nicht, wo man etwas ändern will.

Meine Damen und Herren! Er, Maderthaner, steht nach wie vor für die alte, verzopfte Gewerbeordnung (Beifall bei den Freiheitlichen), nach dem Muster der Gewerbeordnung aus 1859, die zweifelsohne damals vorbildlich war.

Herr Dr. Ditz! Schönfärben und Gesundbeten war noch nie ein Rezept, anstehende Probleme einer Lösung zuzuführen. Es nützt der Wirtschaft überhaupt nichts, wenn Sie stets das Hohelied der Klein- und Mittelständler singen und sagen, die Österreicher hätten Großartiges geleistet. Das wissen die Wirtschaftstreibenden und deren Mitarbeiter selbst.

Es ist richtig, daß die positiven Kräfte unseres Land gemeinsam einiges zustande gebracht haben. Aber dieses Faktum darf nicht dazu führen, daß eine unverantwortliche sozialistische Koalition jetzt in die Krida abgleitet! Wenn Sie das im Schilde führen, werden wir Sie dabei empfindlich stören.

Herr Bundesminister Ditz, Sie haben gesagt, der Kollege verstehe nichts, unser Erstredner verstehe nichts, Thomas Prinzhorn verstehe nichts von den internationalen Zusammenhängen. Das glauben Sie doch hoffentlich selber nicht! (Abg. Tichy-Schreder: So hat er es nicht gesagt! "Von der Volkswirtschaft", hat er gesagt!) Wenn Sie jemals so viele Arbeitsplätze sichern wie Thomas Prinzhorn, dann gratuliere ich Ihnen als erster, Herr Bundesminister. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Nahezu jeder in unserer Fraktion hat die Nase im Wind des Wettbewerbs, sei es in seinem Beruf oder in seinen Betrieben. Da müssen Sie in Ihren Reihen lange suchen, Kollege Parnigoni, was diesen Vorteil unsererseits anbelangt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir wissen schon, daß alles im Umbruch ist, Herr Dr. Ditz. Daher ist es besonders bedauerlich, daß die sozialistische Koalition das zwar nur verbal erkennt, aber nicht daran arbeitet. Sie warnen wahrscheinlich auch den Herrn Ronald Barazon, der jüngst, am 9. März, den Leitartikel in den "Salzburger Nachrichten" verfaßt hat. Der wird auch von Ihnen gewarnt, weil er folgendes in diesem Leitartikel festhält: Die Geisterfahrt geht weiter, meint er. Noch schlimmer als der einfallslose Griff in die Börsen der Österreicher ist das Verhalten der Budgetsanierer auf der Ausgabenseite. – Da muß er wohl Sie gemeint haben.

Und er sagt weiter: Nicht gestellt hat man sich die Frage nach der Eindämmung der Bürokratie. Das neue Sparpaket ist eine Fortsetzung der hilflosen Politik, die SPÖ und ÖVP seit Jahren betreiben und die die Staatsfinanzen in die aktuelle Krise getrieben hat – die Geisterfahrt geht weiter. – Kein Geringerer als Ronald Barazon stellt das fest. Ich weiß schon, daß das kein Dogma ist, was Barazon verkündet, aber ihm fehlen wahrscheinlich auch der Zusammenhang und die visionäre Sicht, wie Sie gemeint haben.

Ich meine, Barazon hat den Nagel auf den Kopf getroffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es kommt auch von Ihrer Seite immer wieder der Zwischenruf: Na, wie würden denn Sie es machen? Ihr habt ja keine Rezepte, sagt man, wir regieren, und es ist uns wurscht, was die Bürger sagen.

Wir haben zahlreiche Vorschläge gemacht. Herr Bundesminister! Ich gehe querfeldein noch einmal kurz auf einige dieser Vorschläge ein, um Ihnen auf die Sprünge zu helfen:

Eindämmung der Einkaufszentren nach französischem Vorbild, um Arbeitsplätze im Mittelstand zu sichern und auch Ausbildungsplätze für die Jugend zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Da gibt es nämlich international Rezepte, und wir haben über die Grenzen geschaut, Herr Bundesminister, weil wir wissen, daß dies die Verantwortung für Österreich verlangt.

Weiters: begünstigter Steuersatz für nichtentnommene Gewinne. – Eine Forderung, die auch Sie stets in Ihren Sonntagsreden erfüllt sehen wollen.

Abschaffung der Einverleibungsgebühren bei der Wirtschaftskammer, um das Gründungsklima zu verbessern. – Warum, Kollege Puttinger, hilfst du uns nicht bei der Umsetzung dieser Forderung? Damit wird nämlich aus dem Bauch heraus den Unternehmern, jenen, die sich selbständig machen wollen, signalisiert, daß die Möglichkeiten dazu verbessert werden.

Ihr aber mauert’s alle Anträge ab. Ich schaue mir das am Montag bei diesen Anträgen wieder an, wie du abstimmen wirst, Kollege Puttinger!

Oder: die 3prozentige Kommunalabgabe für Lehrlingsentschädigung, ein Dauerthema. Es wurde mehrmals verbal auch vom Bundesminister in sämtlichen Gesetzgebungsperioden gefordert, diese Abgabe abzuschaffen.

Beim Handeln aber geht ihr alle auf Tauchstation. Ihr verkündet stets dem Christkind eure Liebeserklärungen, aber wenn es ums Abstimmen geht, dann seid ihr wieder beim Sozialismus. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weitere Punkte: Trennung des Anlagenrechts von der Gewerbeordnung und dessen Straffung; Privatisierung der Prüfinstanzen im Bereich des Anlagen- und Gewerberechtes – ein echter Beitrag zur Kostenminimierung. Das kostet dem Staatssäckel keinen Groschen. Im Gegenteil, es würde sogar eingespart werden, Herr Bundesminister! Das ist ein Teil unserer Vorschläge. Sie müssen aber zuhören und nicht schwätzen, wenn Sie auf der Regierungsbank sitzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Prinzhorn hat es schon angeführt: Wir haben die höchsten Telefongebühren. In Zeiten der Telekommunikation sahnen Sie mit Ihrem System, mit Ihrem Monopol in Österreich schrankenlos ab. Auch hier könnten Sie einen Beitrag leisten, um den Mittelständlern den Weg nach Europa zu ebnen.

Nichts von all dem haben Sie in Ihre Strategien aufgenommen, meine Damen und Herren! Die Steuern steigen, und es wird "SOS!" gerufen.

Auch jemand, der nichts versteht, der nicht über die Grenzen schauen kann, ist Kessler; er ist immerhin Präsident der Industriellenvereinigung. Er appelliert an die Abgeordneten, der IV-Präsident appelliert an die Abgeordneten zum Nationalrat. Der hat auch keine Ahnung, kennt sich nicht aus und versteht nichts. Ditz kennt sich aus. Kessler sagte: Erheben Sie Rechtswidriges nicht in Verfassungsrang, denn ein rückwirkendes Inkrafttreten steuerlicher Verschlechterungen widerspricht dem rechtsstaatlichen Prinzip, und das ist ein fahrlässiger Umgang mit der Reputation des Standortes Österreich.

Und genau das werden Sie am Freitag tun, meine Damen und Herren! Sie werden mit Ihrem Abstimmungsverhalten am kommenden Freitag den Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig schädigen. Das richtet Ihnen kein Geringerer als Kessler aus, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Puttinger hat gesagt, er habe eine Wunschliste. Das ist legitim, und er hat auch mit seinem Freund Maderthaner eine Bürgerinitiative in Gang gesetzt: Stopp der Gesetzesflut. Es wird auch wieder um Unterschriften geworben wie bei der Getränkesteuer, und dann kommt es in die Schublade. Den Bürgern wird dann erzählt, wir haben etwas getan, aber die bösen Sozialisten haben nicht mitgemacht!

Meine Damen und Herren! Sie sind wieder einmal mit dem Nasenring über den Tisch gezogen worden. Was zuviel ist, ist zuviel. Sie haben gesagt, es gibt kein Rätselraten bei neuen Gesetzen, keine Chance für Paragraphenreiter. Sie reiten ja wie wild auf der Rosinante, auf dieser Schindmähre, herum, Herr Kollege Dr. Ditz! Auf dieser Schindmähre reiten Sie Paragraphen.

Was passiert denn mit der Bürgerinitiative vom Maderthaner? Wie sinnvoll ist das neue Bonus-Malus-System für Arbeitnehmer über 50 Jahre? Das haben Sie ja auch eingeführt. Dazu sagt Ihnen Ihr eigener Universitätsprofessor Dr. Franz Schrank, Leiter der sozialpolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Steiermark – er ist ein gescheiter Bursche –, folgendes: Was man dem Gesetzgeber aber vorwerfen muß, ist der Umstand, daß er sein Ziel nicht nur mit wohl völlig untauglichen Mitteln zu erreichen versucht, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine Verschlechterung der Beschäftigungssituation Älterer riskiert. Das ist das erste. Mit Ihrem Bonus-Malus-System vernichten Sie also Arbeitsplätze bei den Älteren. Und weiters sagt er: Der Bonus beschränkt sich lediglich auf echte Neueinstellungen und führt auch zu einer administrativen Komplikation in der Lohnverrechnung!

Sie führen also mehr Bürokratie ein, auf der anderen Seite gehen Sie aber Unterschriften gegen diese Bürokratie sammeln, die Sie am nächsten Tag wieder einführen!

Meine Damen und Herren! Doppelzüngiger und janusköpfiger geht es überhaupt nicht mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dann schickt noch Maderthaner seinen Wirtschaftsbund-Generalsekretär an die Front – ich darf mich als Sanitätsgefreiter wohl militärisch ausdrücken. VP-Wirtschaftsbund: Regierungsmaßnahmen bringen mehr Bürokratie! Koalition versagt bei Strukturreform! Klare Aufgabenverteilung und Entbürokratisierung sind gefordert!

Die Koalition versagt aber bei der Strukturreform. Herr Mitterlehner darf ein bißchen die Muskeln spielen lassen, darf ein politischer Bodybilder sein, und dann geht er wieder ein wie die böhmische Leinwand, meine Damen und Herren!


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Wenn es in diesem Hause ums Handeln geht, dann, muß man sagen, haben die letzten zehn Jahre Sie von der sozialistischen Koalition mit ÖVP-Restbeteiligung mehr als versagt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich könnte Ihnen jetzt seitenweise zitieren. Die Vorschläge, die Maderthaner gemacht hat, sind reihum gute Vorschläge, keine Frage, aber sie sind ein Wunsch ans Christkind. Aber Sie regieren, Sie regieren, und daher haben Sie diese Dinge umzusetzen. Wir stehen Ihnen dabei zur Seite. Und wenn Sie Einstimmigkeit bei Ihren Umsetzungen der Belastungen für die Wirtschaft einmahnen, dann sage ich Ihnen nur eines: Da haben Sie uns nicht auf Ihrer Seite, denn Einstimmigkeit herrscht nur am Friedhof. Wir wollen keinen Wirtschaftsfriedhof in diesem Lande, sondern innovative Betriebe, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie den Mut gehabt hätten, Herr Kollege Puttinger, Herr Kollege Maderthaner, im Unternehmerparlament dieses Belastungspaket – oder nennen wir es Sparpaket – zu diskutieren, dann hätten Sie der Forderung der fünf freiheitlichen Vizepräsidenten nachkommen müssen, dieses Unternehmerparlament zu einer Sondersitzung einzuberufen und die Unternehmer diskutieren und abstimmen zu lassen. Dazu waren Sie aber zu feige, Herr Kollege Maderthaner! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben das Unternehmerparlament zu einer Abstimmungsmaschine degradiert, und am 7. Juli werden Sie verkünden, daß alles paletti ist, und sagen: Wir haben versucht, etwas zu ändern. Meine Damen und Herren! Das haben Sie nicht getan! Sie haben die gute demokratiepolitische Usance verweigert.

Meine Damen und Herren! Herr Ing. Maderthaner! Wenn Sie uns schon nicht glauben, dann sollten Sie wenigstens Ihren Funktionären, Ihren Mitgliedern glauben. Wenn Hilferufe, ohnmächtige Hilferufe aus dieser Ecke kommen, dann verschließen Sie bitte nicht die Ohren. In einem Gastkommentar in der Steirischen Wirtschaftszeitung, also in Ihrem offiziellen Organ, hat Herr Ing. Winfried Halasz, Gremialvorsteher des Textilhandels der Steiermark, folgendes dazu gesagt – ich zitiere das im Bewußtsein, daß sich um den Wirtschaftsstandort auch viele in Ihren Reihen Sorgen machen, aber nicht deshalb, weil sie krankjammern, sondern weil sie auch keine geschönten Zahlen sehen wollen –: Hat die Wirtschaft das alles gewollt? Haben Sie auch schon einmal die Beteuerungen der Politiker gehört, die Klein- und Mittelbetriebe seien die Retter der Konjunktur? Sie haben sicher auch erkannt, daß das alles Geschwätz ist. Sonntagsreden, sagt Ihr Ing. Winfried Halasz, ein Wirtschaftsbündler.

Und er schließt seinen Leserbrief, seinen Kommentar mit folgenden Sätzen: Niemand von uns hat den Mut, gemeinsam so laut aufzutreten, daß man es nicht nur im Rathaus, sondern auch in Ihrer Wirtschaftskammer, ja sogar an der Türe des Landhauses oder des Wirtschaftsministers hört. Dort sitzen vielleicht noch eine Handvoll Unternehmer, die sich einer Übermacht von Parteisekretären, Beamten, Mitarbeitern von Kammern und Gewerkschaften gegenüberstehen. Wer begreift von denen schon, welche Anliegen die Wirtschaft wirklich hat? Der Klein- und Mittelstand darf sich nicht wundern, wenn er mundtot ist und kaum gehört wird. Er hat es sich selbst zuzuschreiben.

Haben Sie sich, Herr Maderthaner, schon gefragt, ob Sie sich diese Mundtotheit nicht selbst zuzuschreiben haben? Sind Sie noch das Sprachrohr der klein- und mittelständischen Wirtschaft? Haben Sie deren Anliegen wahrgenommen, außer mit verbalen Erklärungen, bunten Bildern und Unterschriftenaktionen, die Puttinger dann selbst in der untersten Schublade versinken läßt, meine Damen und Herren? Stellen Sie sich diese Fragen! Manchmal ist eine Gewissenserforschung ein Weg in eine bessere Zukunft. Vielleicht gelingt es.

Ich unterstelle Ihnen keine bösen Absichten. Ich unterstelle Ihnen aber, daß Sie ein Gefangener dieser sozialistischen Koalition sind, meine Damen und Herren! Wir wollen nicht krankjammern. Wir wollen aber auch nicht gesundbeten. Wir wollen Reformen. Wir wollen neue Schübe in der Wirtschaft, wir wollen, daß sich Junge selbständig machen, wie wollen Unternehmer, denn nur die Wirtschaft kann Arbeitsplätze sichern, kann Lehrlinge ausbilden. Wir wollen diese klein- und mittelständische Wirtschaft überleben lassen, denn die Multis bilden wenige oder nahezu keinen


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einzigen Lehrling aus. Ausgebildet werden die Lehrlinge in der privaten klein- und mittelständischen Wirtschaft. Wenn es uns nicht gelingt, hier gemeinsam etwas zu verbessern, wird es in der Zukunft sehr düster aussehen auf dem Felde des Wettbewerbes, meine Damen und Herren. Ihr Weg ist nämlich zu 80 Prozent der falsche.

Ich behaupte nicht, daß alles schlecht ist. Der Volkswirtschaftsprofessor an der Uni Graz Günther Tichy antwortet in einem Interview auf die Frage: Verfolgt denn die österreichische Regierung eine Strategie? folgendermaßen: Leider sehe ich in Österreich gar keine Strategie. Ich bin im Moment ganz pessimistisch. – So Tichy. – Auch einer, der sich nicht auskennt, auch einer, der laut Ditz keine Ahnung hat. Es gibt außer Ihnen, Herr Bundesminister, auch andere Leute, die eine Ahnung haben.

Meine Damen und Herren! Wir fordern Sie auf, darüber nachzudenken, ob Ihre Sonntagsreden zumindest in Teilbereichen umgesetzt werden können. Wir Freiheitlichen haben Alternativen zuhauf auf den Tisch gelegt. Sie haben uns, wie bereits gesagt, auf Ihrer Seite, wenn es um das Wohl der Republik geht, aber wir werden erbittertsten Widerstand leisten, wenn Sie so wie bisher die Klein- und Mittelständler auf dem Feld des Sozialismus opfern. Wir sind jedenfalls deren Anwalt und werden auch in Hinkunft mit konstruktiven Vorschlägen aufwarten, damit der Wirtschaftsstandort Österreich nicht nur gehalten, sondern auch verbessert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

17.20

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Langthaler hat bei der Debatte um das Budgetkapitel wirtschaftliche Angelegenheiten gemeint, Abgeordneter Heindl möchte das amerikanische Modell hier irgendwie in die österreichische Politik einführen. Die Grünen nehmen zwar an der Debatte nicht mehr teil, aber trotzdem möchte ich hier klarstellen, daß es sicherlich nicht die Absicht des Abgeordneten Heindl ist, amerikanische Verhältnisse in Österreich einzuführen. Wir bekennen uns zu gewissen Deregulierungen, wir bekennen uns dazu, daß wir in einer vernünftig kurzen Zeit Verfahren abwickeln können, daß wir Verfahrensabläufe konzentrieren und daß man anstatt drei Instanzen nur mehr zwei Instanzen bei Verfahren im Betriebsanlagenrecht hat.

Ich sage sehr deutlich, daß einerseits der hohe soziale Standard, andererseits aber der hohe ökologische Standard sichergestellt werden muß.

Meine Damen und Herren! Einige Bemerkungen zur Tourismuspolitik, weil diese von einigen Rednern hier angesprochen worden ist.

Tatsache ist, daß wir in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich steigende Nächtigungszahlen hatten, Umsatzzuwächse zu verzeichnen hatten und jetzt zur Kenntnis nehmen müssen, daß die Phase des Wachstums unterbrochen ist und wir einen Strukturwandel miterleben. Ich glaube, die Antwort auf diese Herausforderung kann nicht sein, in Krisengeschrei auszubrechen. Abgeordneter Haigermoser (Abg. Haigermoser: Ich habe auch keine Ahnung!) – das habe ich nicht gesagt, aber das läßt darauf schließen – meinte, die österreichische Wirtschaft, die österreichische Politik gleite in die Krida ab. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser .) Dieses Krisengeschrei nützt niemandem.

Es ist auch gesagt worden, daß Wirtschaftspolitik zu 50 Prozent mit Psychologie zu tun habe. Ich kann daher nur annehmen, daß das, was Sie hier mit Ihrer Politik betreiben, darauf abzielt, die psychologische Tangente zu nutzen, tiefe Verunsicherung in der Wirtschaft auszulösen und womöglich einen negativen Effekt zu erzeugen, um dann sagen zu können, in der Wirtschaft sei alles schlecht. Dabei sind Sie selbst einer der Väter, einer der Erzeuger dieser Krisenstimmung. Dagegen verwahren wir uns, und wir werden in dieser Koalition alles tun, um der Wirtschaft, den Unternehmerinnen und Unternehmern, vor allem den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Rücken zu stärken und ihnen zur Seite zu stehen.


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17. Sitzung / Seite 332

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist notwendig, daß wir auch in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft den Strukturwandel unterstützen. Abgeordneter Peter hat eine brachiale Maßnahme vorgeschlagen, indem er gemeint hat: Das kann man relativ rasch und einfach machen. Wir nehmen 300 000 Betten aus dem Markt, und damit haben wir dieses Strukturproblem erledigt. – Ich bin der Meinung, daß wir mit diesem Bereich sehr sorgsam umgehen müssen.

Drei Überlegungen zur Tourismuspolitik: Ich glaube, daß Tourismuspolitik in einem immer größeren Ausmaß zur Freizeitpolitik wird. Das heißt – das sagt auch die erste österreichische Tourismus-Analyse –, daß Tourismuspolitik ein wesentlicher Bestandteil einer umfassenden Freizeitpolitik sein muß. (Abg. Dr. Graf: Was war es bisher?) Dieser Anspruch erfordert eine gezielte und koordinierte Vernetzung der Freizeitinfrastruktur, und ich meine, daß wir das touristische Angebot einer Region sowohl den Urlaubern, den Gästen als auch der Bevölkerung entsprechend zur Verfügung stellen müssen.

Zum zweiten müssen wir den Qualitätsbegriff in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft aktualisieren. Qualität bedeutet in erster Linie das Erfüllen von Erwartungen – auch in preislicher Hinsicht, meine Damen und Herren. Das heißt, die Gleichsetzung von Qualität und Höchstpreisangeboten ist die falsche Strategie, das Preis-Leistungs-Verhältnis muß ganz einfach stimmen.

Es ist auch wichtig, das Erwartungsniveau der Gäste immer wieder neu auszuloten, das Angebot nachzujustieren, um den Markt zu kennen, und dazu ist die Marktforschung zu verstärken. Herr Bundesminister! Ich glaube, es wäre notwendig, entsprechende Maßnahmen in diesem Bereich zu unterstützen, denn Gästebefragungen allein nützen uns nichts. (Abg. Dr. Graf: Wo fahren Sie auf Urlaub hin?)

Meine Damen und Herren! Der neu definierte Qualitätsbegriff ist aber nicht nur auf das Angebot anzuwenden, sondern er gilt auch für das Personal. In diesem Zusammenhang möchte ich schon sagen, daß der Tourismus eine High-touch-Dienstleistung ist, das heißt, es geht darum, die Gäste zufriedenzustellen, und das kann ich nur durch eine gut funktionierende Kommunikation, durch große Aufmerksamkeit und durch bestens motivierte Mitarbeiter, die mit entsprechender Kompetenz ausgestattet sind.

Dieser erweiterte Qualitätsbegriff für Angebot und Personal bedeutet auch, daß wir neue Arbeitszeitmodelle brauchen. Und ich will mich nicht daran vorbeischwindeln, sondern sagen, daß hier zumindest der Versuch der Quadratur des Kreises angesagt ist. Es muß hier nämlich Neuregelungen der Arbeitszeit in diesem Bereich geben, aus denen sowohl die Arbeitnehmer, als auch die Betriebe, die Gäste, die Touristen, die Nutzer dieser Einrichtungen Vorteile ziehen können.

Hohes Haus! Eine dritte Bemerkung: Die touristische Vermarktung muß in erster Linie von den Regionen ausgehen. Hier sind bereits einige gute Ansätze festzustellen. Ich glaube, es erscheint auch sinnvoll, daß die regionalen touristischen Managements das Angebot entwickeln, daß sich ganze Regionen als Einheit den Gästen anbieten. Übergeordnete Einrichtungen wie Landesfremdenverkehrsämter oder auch die Österreich-Werbung haben die Aufgabe, ihr Know-how zur Verfügung zu stellen, und sie haben die Aufgabe, eine begleitende und beratende Funktion auszuüben. Ich glaube, mit dem neuen Management in der Österreich-Werbung ist man auf dem richtigen Weg.

Hohes Haus! Ich hätte noch einiges zu sagen, aber wir haben vereinbart, daß noch sehr viele Redner meiner Fraktion zu diesem Kapitel Stellung nehmen werden. Ich möchte nur zum Abschluß den Kollegen Haigermoser, der hier wieder zum Ausdruck gebracht hat, daß die Koalition sozusagen nichts zustande bringt, daß die Koalition dem Volk in keinster Weise gerecht wird, an folgendes erinnern: Kollege Haigermoser – auch wenn du den Saal verläßt –, wir haben erst am 17. Dezember das Volk ob der politischen Voraussetzungen befragt, und am 17. Dezember (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), mein lieber Haigermoser, war es doch so, daß die ÖVP ein Mandat gewonnen hat, die SPÖ sechs gewonnen und die FPÖ zwei Mandate verloren hat. –


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Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Hast du dir das Wahlergebnis in meinem Wahlkreis angeschaut?)

17.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Herr Abgeordneter! Sie haben das Wort.

17.29

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir müssen uns wohl eingestehen, daß die Luft in dieser Budgetdebatte heraußen ist, daß alle Argumente mehrfach vorgebracht wurden und daß es eigentlich nur mehr wenig zu sagen gäbe. Wenn wir es trotzdem tun, dann zumindest in dem Bemühen, da und dort ein Schlaglicht zu werfen und vielleicht auch etwas zur Versachlichung beizutragen.

Herr Bundesminister! Sie wissen, daß ich immer gerne mit Ihnen debattiert habe und daß wir oftmals in den Debatten auch eine Übereinstimmung in den Ansichten gehabt haben. (Bundesminister Dr. Ditz spricht mit Abg. Dr. Leiner .) Ich möchte Sie nicht unterbrechen. (Abg. Dr. Leiner: Ich lasse mich nicht unterbrechen!) Es wäre ein Gebot der Höflichkeit, wenn Sie sich unterbrechen ließen.

Herr Bundesminister! Sie wissen, daß ich immer gern mit Ihnen debattiert habe. Ich glaube, es ist auch leichter – zumindest von meiner Seite her –, aus der Position der Wertschätzung Kritik vorzubringen, weil sie dann ja – so hoffe ich zumindest – glaubhafter ist. Es enttäuscht mich ein bißchen, daß Sie sich diesen Seitenhieb nicht ersparen konnten und auf unseren Auszug aus den Budgetberatungen, aus den Ausschußberatungen hingehackt haben.

Herr Bundesminister! Ich bin davon überzeugt, daß Sie im Grunde Ihrer Seele unserer Kritik zustimmen. Sie wissen, daß Qualitätsarbeit in diesen Ausschüssen nicht nur nicht möglich war, sondern daß sie im Grunde auch nicht gefragt war. Sie können es ja nachlesen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Aussagen Ihrer eigenen Regierungskollegen haben keinen Zweifel daran gelassen, daß es nicht erwünscht ist, daß dort etwas diskutiert wird, oder zumindest nicht erwünscht ist, daß dort Änderungen, seien sie auch nur marginal, herbeigeführt werden. Daher bitte ich Sie noch einmal, auch unter diesem Blickwinkel diese – ich muß es wirklich so sagen – Proteste und auch Notschreie eines Parlamentariers oder auch mehrerer, eben einer Fraktion, zu verstehen, die eigentlich versuchen möchten, die Arbeit, für die sie bezahlt werden, ernst zu nehmen und auch etwas beizutragen und zu bewirken. Wenn Sie das nicht täten und wenn Sie, wie ich fürchte, genauso wie mehrere andere Regierungsmitglieder, das wirklich nur als Farce und nur als Maschinerie sehen, dann würde mich das für die Zukunft nicht sehr optimistisch stimmen, was den Parlamentarismus betrifft.

Herr Bundesminister! Aber auch ein zweites Argument möchte ich noch anschneiden. Sie sagen mit Recht, wir haben in den vergangenen zehn Jahren Großes zustande gebracht. Unser Abschneiden in den internationalen Vergleichen ist gut. Wir sind besser als andere OECD-Staaten und andere Mitglieder der Europäischen Union, die ja diese Entwicklung, nämlich die Vorteile eines größeren gemeinsamen Marktes, viele Jahre oder Jahrzehnte länger hatten als wir.

Ich stimme Ihnen zu. Ich stimme Ihnen auch darin zu, daß die Steuerreform ein großer Wurf war und daß sie, gerade was die Unternehmersteuer betrifft, große Vorteile und Erleichterungen für die Unternehmer gebracht hat. Sie haben damit auch etwas ausgelöst, was leider Gottes – das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen – in der Zwischenzeit wieder versandet ist, nämlich Optimismus, Investitionsfreude, zukunftsgerichtetes Handeln. – Das war einmal, Herr Bundesminister!

Sie wissen wie ich, daß Ihr Kollege Klima immer wieder appelliert: Was wir brauchen, sind optimistische Unternehmer, sind Unternehmer, die nicht jammern, sind Unternehmer, die in die Zukunft blicken und etwas Positives erkennen! – Es ist ja auch bezeichnend, daß der Appell in dieser Form vorgebracht wird.


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Ich gebe Ihnen recht: Ich glaube, das Sparpaket – die Maßnahmen, die den Kapitalmarkt, den Finanzplatz Österreich betreffen – ist nicht mit einem Vertrauensverlust verbunden gewesen. Ich glaube aber, daß die Maßnahmen beziehungsweise die nichterfolgten Maßnahmen in diesem Strukturanpassungsgesetz bei den inländischen Unternehmern einen anderen Effekt hatten.

Herr Bundesminister! Sie wissen, ausländische Investoren gehen nach Renditen, das ist nicht nur weltweit vernetzt. Es gibt weltweit die gleichen Auswahlkriterien. Da gebe ich Ihnen recht. Da haben wir sozusagen für den internationalen – jetzt sage ich es deutlich – Geldanleger die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen und das notwendige Vertrauen wiederhergestellt, daß der Finanzplatz Österreich und damit die Verzinsung der österreichischen Staatsschuld im Griff bleiben. Das ist sicherlich unbestritten.

Für die österreichischen Unternehmer, Herr Bundesminister, sehe ich diesen Effekt leider nicht. Ich sehe keinen Optimismus und kann ihn auch bei mir selbst nicht erkennen, und ich bedauere das, denn ich wäre viel lieber ein optimistischer Unternehmer. Und nur deshalb, weil ich hier in diesem Haus sitze und eine Oppositionsrolle habe, würde ich den Optimismus nicht verleugnen wollen und auch nicht verleugnen können.

So einfach, daß man sagt, das sind Krankjammerer, Wehklagende, und sie beklagen unsere Regierungspolitik aus der Rolle einer Opposition heraus, obwohl es nichts zu beklagen gibt, so einfach, Herr Bundesminister, meine Damen und Herren, ist das nicht. Und warum ist es nicht so? – Ich glaube, weil wir, die wir österreichische Politik im Laufe der Jahrzehnte zu lesen und zu verstehen gelernt haben, auch erkennen, woran es uns eigentlich mangelt.

Herr Bundesminister! Ich erinnere mich noch gut daran – ich war schon hier im Haus –, als Sie eine Initiative, eine umgehende Initiative zu einer winzigen Kleinigkeit angekündigt haben: Es war die Ladenöffnungszeit, die Abschaffung beziehungsweise die Deregulierung der Ladenöffnungszeit. (Abg. Parnigoni: Kleinigkeit ist das keine!)

Herr Bundesminister! Sie kennen selbst das Ergebnis. Sie wissen, daß Sie bereits nach wenigen Tagen daran gescheitert waren. Ich weiß, daß Sie das bedauern, aber uns Österreichern, uns Wirtschaftstreibenden hilft es nicht, den Grund zu wissen, warum Sie scheitern (Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder ) – auch Sie, Frau Tichy-Schreder –, sondern wir wollen ja, daß die angekündigten Deregulierungen, die auch Herr Heindl heute beschworen hat, auch tatsächlich stattfinden und daß sie nicht immer nur versprochen werden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es kommt mir hin und wieder so vor, als wären Sie Gefangener in einer ungeliebten Koalition. Ich muß Ihnen noch etwas sagen, meine Damen und Herren: Wenn man Sie aus der Regierungskoalition beobachtet, auch in anderen Politikfeldern, zum Beispiel betreffend die Problematik der Sicherheitsdebatte gestern oder Ihr Verhältnis zueinander, dann muß ich sagen, das bewirkt keinen Optimismus bei einem Unternehmer, der seine Interessen und die seiner mehreren tausend Arbeitnehmer in diesem Land hat. Diese Regierung, so befürchten wir, hat einiges dazuzulernen. Und Sie sollten wenigstens Ihre Differenzen, meine Damen und Herren, besser verstecken, damit wir sie nicht so klar und eindeutig erkennen können. Und dann werden wir vielleicht wieder etwas optimistischer werden! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Wir sind aber auch deshalb nicht sehr optimistisch, weil wir – ich glaube, einfach zu Recht – bekritteln, daß in diesem Strukturanpassungsgesetz keine Strukturreformen im notwendigen Umfang enthalten sind. Es ist eine Fehlinterpretation, Herr Bundesminister, wenn Sie sagen: Da kommt die Opposition, insbesondere die Liberalen, und bestreitet jegliche Strukturmaßnahme in diesem Paket.

Wir haben anerkannt – und das von allem Anfang an, als das Verhandlungsergebnis auf dem Tisch lag –, daß Sie sich bemüht haben und daß Sie in einzelnen Bereichen auch tatsächlich Weichenstellungen, die zu einer Umkehr oder zu einer Abflachung der gefährlichen Trends notwendig waren, in diesem Strukturanpassungsgesetz durchgeführt haben. Das haben wir anerkannt.


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Aber wir haben gleichzeitig gesagt, daß Sie die elementaren Probleme unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft nicht angesprochen haben. Und ich sage Ihnen noch einmal, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien: Sie sprechen jeweils das andere Lager an! Herr Heindl sagt: Mit der Gewerbeordnung fahren wir ab, das wird ganz klar werden, das legen wir vor, ja! – Und die andere Seite sagt: Die Arbeitszeit werden wir deregulieren. – Und dann blockieren Sie sich gegenseitig. Das ist doch die Tatsache! Da kommen Versuchsballons von der ÖVP, und man sagt: Jetzt reden wir einmal, und jetzt werden wir deregulieren. – Dann kommt das Njet der Gewerkschaft und umgekehrt. – Das, meine Damen und Herren, verhindert aufkeimenden Optimismus bei der Unternehmerschaft dieses Landes! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Lassen Sie mich noch auf ein Thema eingehen. Sie sagen – und Sie stehen quasi dafür ein –: in Zukunft keine Sparpakete mehr! Und dann haben Sie einige "Wenn" angefügt. Jetzt weiß ich schon, daß man natürlich Parameter annehmen muß, daß man sie auch voraussagen darf und muß und daß man einen bestimmten wirtschaftspolitischen Rahmen zu Fug und Recht in den Mittelpunkt stellen kann. Aber ich mache Sie auf eine Gefahr aufmerksam: Diese globale Entwicklung der europäischen und der übrigen großen Wirtschaftsräume hat keine empirischen Erfahrungen, nicht einmal annäherungsweise. Wir bewegen uns nach 50 Jahren Friedenswirtschaft mit Geldmengen, wie sie noch nie in diesen modernen Volkswirtschaften vorhanden waren, auf dem Gebiet der reinen Theorie. Wir wissen nicht, wie in einer kommunikativ vernetzten Gesellschaft die Auswirkungen von politischen Maßnahmen greifen. (Abg. Mag. Peter gibt dem Redner ein Zeichen, daß er seine Rede beenden soll.) Gib Ruhe, denn du bist nicht Andreas Khol, und ich reagiere nicht auf grüne und auch nicht auf rote Karten! (Abg. Mag. Barmüller: Aber wir haben eine Redezeitbeschränkung! – Abg. Dr. Khol: Da werde ich sogar schon imitiert! Herr Präsident! Bitte schützen Sie mein Copyright!)

Ich glaube, die Konsequenz ist, Herr Kollege, daß wir mit den Versprechungen vorsichtig sein sollten, wir riskieren sonst einen Vertrauensverlust – nicht nur in der Unternehmerschaft, sondern in breiten Bevölkerungskreisen. Sie, Herr Minister, wissen, was mit der Euphorie nach dem EU-Beitritt passiert ist. Nach meiner Interpretation war es die überspannte, nicht realistische Erwartungshaltung, die wir aus politischer Opportunität nicht zu korrigieren gewagt haben. Wir haben den Menschen nicht klargemacht, daß es bei der EU nicht allein um persönliche rechenbare Vorteile geht, sondern daß das auch gegen sie sprechen könnte. Wir haben das zugunsten eines überragenden Abstimmungserfolges zumindest vernachlässigt.

Herr Bundesminister! Zum Schluß möchte ich noch auf eines eingehen: Sie haben selbst die Ministeriumsreform erwähnt. Es ist dies das klassische Beispiel. Ich stimme Ihnen zu. Das Verkehrsministerium – wohin sonst hätte es denn gehen sollen, wenn nicht zu Ihnen? Ich stimme Ihnen zu, ich bedauere auch Ihren Kollegen Scholten, der allerdings jetzt so tut, als hätte er eine Freude damit, und der sich "hineinhaut", daß man sich nur so wundert.

Herr Bundesminister! Aber das offenbart ja das ganze Dilemma! Hier sehen wir deutlich, woran es krankt. Sie als zehnjährig regierende Partei haben auch dafür die Verantwortung.

Ich möchte zum Schluß einfach noch eines vorbringen: Es gibt ein Gesetz, und das ist für mich charakteristisch, wenn wir über Arbeitskosten, Lohnnebenkosten, Bürokratie und andere Dinge, die sinnvoll oder teuer oder unsinnig und auch teuer sind, reden; und das ist das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz. Ich bekenne mich dazu, daß ein Arbeitnehmerschutzgesetz etwas Sinnvolles ist und daß es nach einem europäischen Standard erfolgt. Meine Damen und Herren! Aber was Sie hier mit diesem Bundesgesetzblatt beschlossen haben, das ist nicht feierlich. Sie verlangen etwas von den Unternehmungen – verbunden mit erheblichen Kosten. Herr Bundesminister! Dieses Gesetz ist zu einem Teil in Ihrem Vollzug. (Abg. Dr. Fekter: Nein, nein, nein, nein! – Sozialminister!) – Lesen Sie es nach! Ich habe es selbst gelesen. Wollen Sie es haben? – Sie müssen sich mit den Gesetzen beschäftigen, Frau Fekter! Sie sollten sie lesen und nicht wie Ihr Kollege Graff sagen: Ich habe sie nicht einmal gelesen. – Darin steht das nämlich.

Meine Damen und Herren! Hier haben wir ein Gesetz, das dringend novellierungsbedürftig ist. Es ist zum Beispiel eines jener Dinge, die symbolisieren, wie Sie den Unternehmern in diesem


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Lande unnötigerweise Gewichte um den Hals und an die Füße hängen! Das ist nur eines der Beispiele.

Und wenn wir es ernst nehmen mit Deregulieren, mit Vereinfachen, mit Gründerwelle, mit der Offensive, mit Optimismus und mit Initiativen, dann, meine Damen und Herren von der ÖVP, beginnen Sie mit diesem Gesetz! (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Dr. Trinkl. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

17.44

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Verehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wirtschaft war lange Zeit der böse Bube, der Sündenbock, den eigentlich keiner so richtig wollte – vielleicht vergleichbar mit dem Bild des Politikers, wie es heute vielfach gezeichnet wird. Umso erfreulicher aber ist es, daß sich die Meinung in der Öffentlichkeit gewandelt und zum Positiven verändert hat.

Heute weiß jeder: Ohne gesunde Wirtschaft geht nichts, nur gesunde und wettbewerbsfähige Betriebe sichern Arbeitsplätze. Sie sind die Grundlage für die Erhaltung unseres Sozialsystems. Nur ein erfolgreicher Betrieb ist letztlich auch ein guter Steuerzahler. (Abg. Dr. Graf: Der Koppler weiß das nicht!)

Die gesamte Wirtschaft – nicht nur die Exportwirtschaft – steht in einem beinharten internationalen Wettbewerb. Durch den Ausbau der Informationssysteme werden Entfernungen aufgehoben, und die Konkurrenz nimmt sprunghaft zu. Dieser globale Wettbewerb zwingt die Unternehmen, ihre Tätigkeiten dorthin zu verlagern, wo sie die attraktivsten Rahmenbedingungen vorfinden. Wollen wir also unsere Stellung in Europa und in der Welt behaupten, so müssen wir auch alles tun, um unseren Wirtschaftsstandort zu sichern! (Beifall bei der ÖVP.)

Hier können wir durchaus auf eine Reihe von Stärken hinweisen, die wir weiter ausbauen und auch pflegen sollten. Das ist das gute soziale Klima, bedingt durch die Sozialpartnerschaft, das sind fleißige und engagierte Mitarbeiter, die unsere hohe Produktivität sichern, eine intakte Umwelt und eine ausgewogene Betriebsstruktur mit sehr vielen Klein- und Mittelbetrieben, die flexibel sind und sich rasch an Marktverhältnisse anpassen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Koalitionsregierung hat die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen gestellt. Es wird allgemein anerkannt, daß Unternehmensgründungen neue Arbeitsplätze bringen. Wenn man weiß, daß nach fünf Jahren noch 72 von 100 Unternehmensgründungen sozusagen am Leben sind, so ist dies tatsächlich ein vielversprechender Ansatz. Wer aber mit Mut und Initiative neue Arbeitsplätze schaffen soll, der braucht gute Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Anerkennung.

Wir müssen initiativen Menschen den Schritt in die Selbständigkeit erleichtern. Das steirische Beispiel des Gründungschecks, wie es der neue Wirtschaftslandesrat Paierl vorgestellt hat, kann durchaus als positives Beispiel dienen. Viele weitere Schritte müssen folgen, und auch eine Adaptierung der Gewerbeordnung scheint durchaus sinnvoll zu sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Gestatten Sie, daß ich kurz auf den liberalen Vorschlag für ein Gewerbegesetz, wie es heißt, eingehe. Ich bin nämlich der Meinung, daß dieses Gewerbegesetz diesen Namen nicht verdient. Es sollte vielleicht besser Versicherungsexistenzschutzgesetz heißen. Warum? – Wir verschieben nämlich die Probleme der Qualität und der Qualifikation auf den Rechtsweg.

Meine Damen und Herren von der liberalen Fraktion! Wollen Sie tatsächlich amerikanische Verhältnisse, mit ausufernden Prozeßlawinen, in denen dann letztendlich Schadenersatzansprüche, Gewährleistungsansprüche und Produkthaftungsansprüche geklärt werden? Das kann doch nicht unser Weg sein! (Abg. Dr. Graf: Vergessen Sie die Rechtsanwälte nicht!) – Die Rechtsanwälte müssen leben, okay, zugestanden!


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Nur derjenige, der mehr weiß und mehr kann, hat die größeren Chancen! Ich darf hier meinen Parteiobmann Wolfgang Schüssel zitieren, der immer wieder gesagt hat: Nicht der Große frißt den Kleinen, sondern der Schnelle und der Vife obsiegt letztendlich dem Langsamen.

Die Bürokratie hemmt unsere Betriebe. Die Bürokratie müßte dem Tempo der Wirtschaft standhalten. Sie tut es nicht. Und wo sie es nicht tut, da wird sie zum Bremsklotz der Wirtschaft.

Der schon einmal zitierte Wirtschaftslandesrat Paierl hat kürzlich gesagt: Wir müssen alles dazu tun, daß der Unternehmer bei der Behörde nicht Bittsteller, sondern Kunde wird. Die Behörde hat den Unternehmer als Kunde anzusehen.

Heute ist es aber vielfach so, daß eine Unzahl von Gesetzen und Verordnungen dem Jungunternehmer den Zugang zu seinem neuen Beruf, zur Selbständigkeit tatsächlich verbaut. Bedenken Sie nur, daß allein ein kleiner Lebensmittelhändler insgesamt 130 Gesetze und Verordnungen berücksichtigen oder beachten muß. Ich wünsche – vielleicht entgegen dem Wunsch des Kollegen Haigermoser – der Initiative des Wirtschaftsbundes und vor allem meiner Kollegin Cordula Frieser sehr, sehr viel Erfolg! Ich wünsche, daß diese Aktion auch ein Denkanstoß für dieses Haus selbst ist! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sollten eines nicht übersehen: Die Menschen stehen heute oft draußen vor der Tür und können vieles von dem, was ein Gesetz oder eine Verordnung heute regelt, nicht mehr nachvollziehen. Und diese Menschen begehren – wenn Sie mir erlauben, mit Franz Kafka zu sprechen – jahrelang Einlaß, sie warten auf ihr Recht, und ich glaube, sie haben Anspruch auf ihr Recht.

Eine zwölfjährige Verfahrensdauer bei einem Betriebsanlagenverfahren versteht heute kein Mensch mehr. Zwölf Jahre mußte ein Unternehmer warten, bis er mit seinem Betrieb beginnen konnte! Er kann dann direkt in die Pension übergehen.

Ein anderer Fall: 230 Auflagenpunkte bei einem kleinen Kfz-Betrieb, die letztendlich von einem Sachverständigen zum anderen Sachverständigen weitergereicht werden, sodaß die Liste sich ins Unendliche erweitert. Und wenn man dann glaubt, man ist durch, dann fängt die Geschichte wieder von vorne an.

Deshalb ist die vom Wirtschaftsminister eingeleitete Verfahrensreform und Verfahrenskonzentration so wichtig. Ich danke ihm auch, daß er im Interesse unserer Klein- und Mittelbetriebe die Intrastarterhebungen mit der EU neu verhandeln möchte, damit hier eine Erleichterung Platz greift, weil sie tatsächlich von vielen von uns als Härte empfunden werden. Wir müssen diese bürokratischen Hemmnisse abbauen, wenn wir Erfolg haben wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Letztendlich aber steht und fällt der Wirtschaftsstandort mit der Qualität unserer Mitarbeiter. Wir liegen falsch, wenn arbeitslose Akademiker immer noch angesehener sind als ein in Beschäftigung stehender Facharbeiter. Die Lehrlingsausbildung hat daher höchste Priorität, aber vielleicht nicht nur – ein Wort an den Herrn Abgeordneten Koppler; er ist nicht da – in der Lehrwerkstätte, sondern auch in unseren Tausenden Klein- und Mittelbetrieben, die auf diesem Sektor Gewaltiges, Vorbildliches leisten, wo Goldmedaillen verdient werden in internationalen Wettbewerben. (Beifall bei der ÖVP.)

Und wenn heute das Angebot an Lehrstellen zurückgeht, so sei auch die Frage erlaubt, wo die Gründe dafür liegen. Eine kürzlich von mir gefundene Studie ergibt: 67 Prozent der Betriebe, die angegeben haben, warum sie in den letzten Jahren keine Lehrlinge genommen haben, meinen, die Regelungen im Arbeits- und im Jugendbeschäftigungsrecht machen die Lehrlingsausbildung sehr schwierig, 58 Prozent sagen, die Lehrlingsausbildung sei für den Betrieb zu teuer geworden, 33 Prozent sagen, die Berufsschulzeit sei zu lang.

Es versteht tatsächlich niemand, warum ein Lehrling im Gastgewerbe im dritten Lehrjahr, wenn er achtzehneinhalb Jahre alt ist, nicht arbeiten darf. Er darf Auto fahren, er darf Alkohol trinken, er darf zum Bundesheer einrücken, er darf heiraten und und und, aber arbeiten darf er nicht mehr. Das Krügel Bier nach Feierabend muß ihm der Chef selber bringen.


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Es muß unser gemeinsames Anliegen sein, alles zu tun, um den Betrieben wieder die Ausbildung zu ermöglichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wirtschaft ist nicht alles, das ist richtig, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts. Nur wenn der Wirtschaftsstandort Österreich wettbewerbsfähig bleibt, bleibt Österreich ein erstklassiger Arbeitsplatzgeber, und dann haben die Menschen in unserem Land auch eine sichere Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich vielleicht dem Herrn Kollegen Haigermoser 100 S für eine Paperback-Ausgabe einer neueren Ausgabe der Gewerbeordnung geben, denn die, die er eben hier gezeigt hat, ist seit 20 Jahren außer Kraft. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Trinkl überreicht Abg. Haigermoser eine 100-S-Note. – Abg. Dr. Graf: Aber die kostet 659 S! – Abg. Haigermoser: Ich geb’ dir eine Bestätigung, dann kannst du die Geschichte abschreiben! – Abg. Dr. Khol: Das war ein Akt der Erwachsenenbildung! Lebensbegleitendes Lernen!)

17.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Die Geschäftsordnung sieht weder für die Übergabe des Geldes noch für die Ausstellung der Empfangsbestätigung eine Grundlage vor. (Allgemeine Heiterkeit. – Abg. Dr. Khol: Du kannst dir um den Hunderter aber auch eine Krawatte kaufen! – Ruf: Aber nicht in seinem Geschäft! – Abg. Haigermoser: Um 100 S gibt es keine Krawatten mehr! – Abg. Dr. Khol: Oja, am Brenner!)

Als nächste ist Frau Abgeordnete Rossmann zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.55

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Regierung, diese neue alte Bundesregierung ist angetreten, um sich nun endgültig vom Interesse der österreichischen Tourismuswirtschaft zu verabschieden. Für diese Regierung existiert der Tourismus nicht mehr. Der beste Beweis dafür ist die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers. Ich habe lange gebraucht, bis ich diese eine Zeile, diesen einen Satz in der Regierungserklärung gefunden habe mit den Worten: "Neue Initiativen im Tourismussektor sollen dort für steigende Beschäftigung sorgen." Dagegen ist ja nichts einzuwenden, das ist ja zu begrüßen, aber das ist das Gesamtkonzept dieser Regierung für den Tourismus in dieser Legislaturperiode. (Abg. Parnigoni: Sie haben nicht alles gelesen!) Darauf habe ich gewartet! Das habe ich sehr ausführlich gelesen, das ist eine halbe Seite von 50 Seiten. Eine halbe Seite! Da sind Maßnahmen und Forderungen enthalten, die ich ja sehr begrüße, die aber mit dem Belastungspaket, worauf ich noch zu sprechen komme, bereits ad absurdum geführt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber diese Regierung hat den Stellenwert des Tourismus noch nicht erkannt. Diese Regierung weiß nicht, daß 14 von 100 Österreichern – das müßten Sie wissen, Herr Kollege Parnigoni (Abg. Dr. Graf: Der Parnigoni weiß überhaupt nichts!) – vom Tourismus leben und vom Tourismus abhängig sind. Wenn man Vergleichszahlen hernimmt, so sind es in der Schweiz acht Personen und in Deutschland nur sieben. 14 von 100 Österreichern leben also vom Tourismus.

Das interessiert wahrscheinlich den Herrn Minister nicht so. (Bundesminister Dr. Ditz befindet sich im Gespräch mit Abg. Donabauer .) Es wäre vielleicht ganz gut, wenn Sie mir zuhörten. Sie haben zwar schon von Kollegen Peter eine Vorlesung bekommen, aber ich hätte Ihnen auch einiges Wichtiges mitzuteilen. Denn, Herr Minister, da Sie uns vorhin die neuesten Zahlen mit einem Nur-Rückgang von 0,4 Prozent kundgetan haben, muß ich Ihnen folgendes sagen (Abg. Dr. Graf: Donabauer, lenk den Minister nicht ab! – Abg. Mentil: Donabauer, der Minister ist gar nicht neugierig auf dich!): Erstens ist die Zahlenbasis, das Zahlenmaterial im Vergleich zum Vorjahr, und im Vorjahr hatten wir ein schlechtes ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete, entschuldigen Sie!

Meine Damen und Herren! Es ist bekannt, daß wir relativ großzügig die Praxis tolerieren, daß Abgeordnete mit dem Minister auf der Ministerbank sprechen. Ich habe aber den Eindruck, daß


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das ein bißchen zu sehr zunimmt, und ich bitte, sich in Zukunft etwas zurückzuhalten. – Frau Abgeordnete, Sie sind weiter am Wort. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abgeordnete Mares Rossmann (fortsetzend): Ich habe mir die Mühe gemacht und habe für diesen Nur-Rückgang von 0,4 Prozent an Nächtigungen ausgerechnet, was das an Umsatz bedeutet. Es handelt sich da um einen Wintertourismus-Vergleichszeitraum, und ich bin von 2 000 S pro Tag ausgegangen, die ein Urlaubsgast in Österreich ausgibt; das ist niedrig gerechnet für den Winter. Ich habe auch das deutsche Sparpaket schon mit eingerechnet und komme auf einen Umsatzrückgang von sage und schreibe 360 Millionen! Rechnen Sie das hoch – diese Mühe können Sie sich machen –, was das an Mehrwertsteuer, Getränkesteuer und sonstigem ausmacht! Das ist Ihre Rechnungsweise.

Aber mich wundert das überhaupt nicht, denn die Regierung hat den Schock dieser Tourismuskrise bereits überwunden. Da handelt es sich ja nur um Politiker und Kammerfunktionäre, die haben ja noch nie in ihrem Leben einen Schilling aus eigenem Geld verdient, auf eigenes Risiko, durch eigene Unternehmensführung. (Abg. Tichy-Schreder: Kollegin Rossmann, das werden Sie doch dem Kollegen Puttinger nicht vorwerfen in seinem Betrieb! – Ruf: Das können Sie mir nicht vorwerfen!) Das kann ich sehr wohl. Sie haben den Schock leichter überwunden, während die Unternehmer in Österreich jetzt an den Folgen zu knabbern haben. Das ist der Unterschied. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und interessant ist schon: Wie reagiert zum Beispiel der Bundeskanzler darauf? Der Bundeskanzler interessiert sich plötzlich für den Tourismus. Bitte, der Herr Bundeskanzler übernimmt die Patronanz für Ischgl, für das tolle Projekt Ischgl, das alleine von Unternehmern entwickelt, getragen, finanziert wurde, die ihre Betriebe nahezu verschenken in einer Übergangszeit! Was macht der Herr Bundeskanzler? – Ich habe mich erkundigt. – Er stellt das Bundeskanzleramt zur Verfügung für die Präsentation! Das ist ja lobenswert, aber wenn das alles ist, so ist es zuwenig für das restliche Österreich, Herr Parnigoni. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Erlauben Sie mir einen Satz!)

Um in Androsch-Diktion zu sprechen: Das sind reine Placebos, und Placebos – unsere Mediziner werden mir das bestätigen ... (Abg. Parnigoni: Einen Satz nur!) Einen Augenblick, ich habe leider nicht so viel Redezeit, denn die Kollegen haben auch noch etwas zu sagen! (Abg. Parnigoni: Aber der Herr Bundeskanzler hat sich nicht aufgedrängt! Das waren schon die Unternehmer, die zu ihm gekommen sind! – Abg. Dr. Graf: Man hat eh gesehen, wie ungern er das gemacht hat!) Das sind, wie gesagt, reine Placebos. Während Placebos in der Medizin aber bekanntlich eine Auswirkung haben, haben diese Placebos der Regierung keine Auswirkung. Das ist nur ein Vertrösten und Schönreden. Das haben wir heute schon öfters gehört.

Der beste Beweis ist ja bitte der Chefverhandler des Sparpakets, Landeshauptmann Stix. Wissen Sie, was der bei einer Tourismusveranstaltung im Burgenland gesagt hat? Horchen Sie zu, das ist Ihr Parteikollege! Er sagte folgendes: "Bei den vielen Zwängen, unter denen das Sparpaket geschnürt werden mußte, ist der Tourismus besonders stiefmütterlich behandelt worden. Es bedeutet für mich eine besondere Verlegenheit, die diesbezüglichen Passagen zu Papier bringen zu müssen." Er spricht vom Tourismus als einzigem Wachstumsmarkt und so weiter. Stix bedauert das, bitte sehr, bei einer Veranstaltung, aber er ist auch das Opfer dieser Verhandlungen geworden, und der Tourismus blieb auf der Strecke. – Das will ich damit belegen, sonst nichts! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber Tatsache ist, daß mit Wahnsinnsmaßnahmen – anders kann ich sie nicht bezeichnen – wie zum Beispiel der Energiesteuer gearbeitet wird. Herr Minister! Mit der Energiesteuer besteuern Sie Betriebe, die bisher kostenlos, ohne Aufpreis die von Ihnen geforderte Incentives, All inclusives präsentiert haben, den Gästen mit kostenlosem Hallenbad und Saunabesuch zur Verfügung gestellt haben. Die werden von Ihnen bestraft. Ein 200-Betten-Hotel hat nur aufgrund der Energiesteuer eine Mehrbelastung von zirka 100 000 S im Jahr. (Abg. Mag. Trattner: Das hätte aufkommensneutral sein sollen!)


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17. Sitzung / Seite 340

Aber spinnen wir den Gedanken weiter: Sie fordern eine Gründungsinitiative, Jungunternehmergründung. Wissen Sie, was da passiert? – Jetzt darf man die Verlustabschreibung nicht mehr geltend machen. Das heißt, die Betriebe, die in der letzten Zeit brav investiert haben und jetzt einen Verlust machen, müssen sich einen Kredit aufnehmen, um die Steuer zu bezahlen. (Abg. Mag. Stadler: Unglaublich!) So wird es ausschauen in den nächsten zwei Jahren! Das ist Ihre Jungunternehmerförderung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und was passiert mit der oft geforderten – und zwar von allen Fraktionen geforderten – Erleichterung bei Betriebsveräußerung? Du mußt sterben oder 60 sein, denn sonst mußt die doppelte die Steuer dafür bezahlen. Auch das ist Ihre Initiative! – Ich könnte das noch fortsetzen, aber ich will den Kollegen nicht zuviel Zeit wegnehmen.

Auf eines möchte ich noch zurückkommen, auf die Maut. (Abg. Parnigoni: Das ist eine gefährliche Drohung!) Mein Kollege Rosenstingl wird es ausführlich behandeln, ich nehme nur den Bereich Busse her. (Abg. Parnigoni: Lassen Sie lieber den Kollegen Rosenstingl reden!) Wissen Sie, was Sie dem Tourismus damit antun? Die deutschen Busunternehmen kommen nicht mehr nach Österreich. Das war das Thema Nummer eins auf der ITP. Es wäre gut für Sie gewesen, auf der ITP gewesen zu sein, denn ich war dort im Unterschied zu Ihnen und auch im Unterschied zum Herrn Minister. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Österreichische Busunternehmer – das sage ich Ihnen jetzt zur Information, denn Sie wissen es wahrscheinlich nicht – mit 50 oder 100 Bussen können nicht im vorhinein planen, welchen Turnus sie absetzen und welchen Turnus sie wieder mitnehmen. Das heißt, wenn einer drei oder vier Österreichprogramme anfährt, muß er mindestens für seine halbe Busflotte ein Mautpickerl kaufen. Das geht in die Zigtausende Schilling. Die kommen nicht mehr, Sie werden es noch sehen!

Aber auch die Präsentation der Österreichwerbung auf der ITP – um kurz bei der ITP zu bleiben – war schändlich. Ich habe mir die Mühe gemacht, ich bin herumgegangen und habe mir die Präsentation aller anderen Länder, speziell jene unseres ersten Konkurrenzlandes Deutschland, deutsche Bundesländer, angesehen. Da wurden Emotionen präsentiert, da hat es geprickelt, da hast du gesehen, da ist etwas los. Das hat neugierig gemacht. Wissen Sie, was die ÖW gemacht hat? Nichts einzuwenden: Es war sicher ein teurer Stand, gutes Design, weiße Wände, rot-weiß-rot, Servus in Austria, alles cool mit viel Chrom, modernes Design, null Emotionen, null Klischees (Abg. Mag. Stadler: Mascherl!) , null für den Kulturtourismus, null für den Städtetourismus. (Abg. Mag. Stadler: Ein Mascherl genügt!) Das ist Ihre Österreichwerbung, die Sie immer wieder verteidigen und die auch hier so gelobt wurde. (Abg. Dr. Graf: Chromdesign – "typisch" österreichisch!)

Ich bleibe aber noch bei der Österreichwerbung. Um teures Geld hat man mit einem Headhunter-Büro einen neuen Geschäftsführer gefunden. Okay! Ich möchte sagen, ich habe ihn weder persönlich kennengelernt noch will ich ihn in irgendeiner Weise angreifen, aber warum beauftragt man jetzt um Millionen eine deutsche Agentur, um den neuen, so tollen Geschäftsführer zu beraten? Die Antwort bleibt bei Ihnen. Leute verlassen jedenfalls bereits die Österreichwerbung, weil plötzlich so viel Bürokratie eingefordert wird. (Abg. Parnigoni: Das haben ja Sie vorher kritisiert!) Nein, nein, nein, wir haben ganz andere Sachen kritisiert! (Abg. Parnigoni: Ihr Vorgänger hat das massivst kritisiert! – Abg. Mag. Stadler: Im Unterschied zu Ihnen weiß sie, wovon sie redet!) Die Leute müssen plötzlich einen genauen Rechenschaftsbericht ablegen. Sie sind mit dem Schreiben von Berichten beschäftigt, statt draußen vor Ort Österreichs Tourismus zu verkaufen. Herr Minister, ich bitte Sie, sich diese Maßnahmen genau anzusehen.

Aber auch die Proporz- und Freunderlwirtschaft hat wieder Einzug gehalten in die ÖW, mehr denn je zuvor. Und jetzt sage ich Ihnen etwas – Sie werden es wahrscheinlich wissen, und wenn Sie meine Anfrage erhalten haben, sehen Sie das auch dort –: Obwohl man gesagt hat, es werden keine Leute mehr versetzt, wissen Sie, was man gemacht hat? In New York – Sie kennen die Geschichte wahrscheinlich – hat man einen Familienvater mit drei Kindern fristlos entlassen – das ist jetzt beim Arbeitsgericht, das wird noch größere Wellen schlagen – und hat – das gestehe ich allerdings zu – eine Fachkraft von Wien nach New York versetzt, weil ihr Ehe


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gatte dort in einer Bank beschäftigt ist. Und wissen Sie, wer diese Fachkraft ist? – Die Tochter des Herrn Kollegen Stummvoll! (Ruf bei den Freiheitlichen: Na geh! – Abg. Mag. Stadler: Rein zufällig! Rein zufällig! Na so ein Zufall!) Ja, so ein Zufall! (Abg. Parnigoni: Das ist schon lange her! – Abg. Dr. Graf: Das schaut dem Stummvoll gar nicht ähnlich!)

Ich könnte das jetzt noch fortführen, aber wir haben ja noch öfters Gelegenheit, Ihnen gewisse Fragen zu stellen.

Abschließend möchte ich noch auf eines zurückkommen, und zwar auf die "Aktion Gastfreundschaft" in der Wirtschaftskammer. Ich muß sagen, ich bin selbst Unternehmerin und Wirtin, und ich war ich so bedrückt, daß es jetzt plötzlich heißt – das Thema wird natürlich unter Mitwirkung der Medien behandelt –, die Gastfreundschaft wird angezweifelt, Österreich sei nicht mehr gastfreundlich. (Abg. Mag. Stadler: Ein Familienvater muß für die Tochter vom Stummvoll weichen!) Bitte, das ist die Grundlage eines jeden funktionierenden Unternehmens, freundlich zu sein und sich im Dienstleistungsbereich möglichst freundlich zu verkaufen. Dazu brauchen wir keine Bevormundung von der Kammer – und schon gar nicht um einen Betrag in Millionenhöhe! Das möchte ich hier gesagt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schwarze Schafe wird es überall geben. Die muß man halt drauf aufmerksam machen, und das wäre die Aufgabe der Kammer, aber man sollte nicht generell die Gastfreundschaft in Österreich in Frage stellen.

Und weil Sie, Herr Minister, so viel von der Self fulfilling prophecy gesprochen haben, habe ich Ihnen the "worst case" der Self fulfilling prophecy mitgebracht, nämlich das Erdäpfelgulasch der Frau Ederer. (Allgemeine Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen. – Die Rednerin stellt ein mit Folie abgedecktes Gefäß mit der Aufschrift "Erdäpfelgulasch" vor Bundesminister Dr. Ditz auf die Regierungsbank. – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. ) Der Herr Minister darf das Gulasch mit der Frau Ederer zusammen aufessen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete, Sie wissen aber, daß wir erst unlängst in der Präsidiale einstimmig festgelegt haben, daß im Plenum nicht gegessen werden soll. Herr Minister, diese Festlegung gilt auch für Sie heute. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. – Bitte.

18.07

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Aktionismus der Freiheitlichen wird auch immer schwächer. (Abg. Mag. Stadler: Der freien Bürger!) Wie sehr es auch verlockend wäre, jetzt auf einige Argumente der Frau Rossmann einzugehen, möchte ich nur eines sagen: Sie hat hier beklagt, daß die Regierungserklärung zu wenig für den Tourismus beinhalte. Frau Abgeordnete Rossmann, ich kann Ihnen nur sagen, die Initiative müßte schon von den Tourismusbetrieben selbst ausgehen. Die Regierung sorgt für die Rahmenbedingungen, und die sind in Österreich sicherlich nicht schlecht.

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Rossmann hat auch die Maut für Busse beklagt, die Busse würden dann nicht mehr kommen, hat sie gemeint. Ich verstehe das Gejammere überhaupt nicht, denn seit Jahren müssen österreichische Touristen, wenn sie mit einem Bus nach Deutschland fahren, für jeden gefahrenem Kilometer eine Beförderungssteuer bezahlen, und zwar pro Person und pro gefahrenen Kilometer. Da kommt ganz schön was heraus. Da hätten wir nie nach Deutschland fahren dürfen. Ich glaube aber, das sind alles herbeigeredete Ausreden.

Dem Herrn Abgeordneten Haselsteiner – er ist gerade nicht herinnen – möchte ich nur sagen: Sein ewiges Gejammere ist auch schon irgendwie fad und ermüdend. Alleine die Wortwahl: Immer, wenn es um die Gewerkschaften geht, verwendet er das Wort "njet". Das haben wir schon im Fernsehen gehört, das haben wir hier herunten schon ein paarmal gehört. Ich kann


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Ihnen nur sagen, Herr Haselsteiner, die Arbeitnehmervertretung hat sich immer flexibel gezeigt, wenn es die Anforderungen notwendig gemacht haben, und das hat Ihnen auch Kollege Nürnberger vor einigen Tagen schon gesagt. Das muß natürlich im Einvernehmen mit den Beschäftigten erfolgen. Ich meine, das ist eine Vorraussetzung.

Ich komme in meinem Beitrag schon noch mit einem Satz auf Ihre Ausführungen zurück. Wir wissen alle, daß die Situation auf dem Arbeitsmarkt schwierig ist. Die Beschäftigungszahlen liegen leider unter dem Vorjahresniveau, und die Zahl der Arbeitslosen ist leider Gottes gestiegen. Aber durch ständiges Herbeireden einer kommenden wirtschaftlichen Flaute sinkt die Bereitschaft zu Investitionen, und ein weiterer Rückgang der Beschäftigung mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit wäre dann die Folge.

Ein maßgeblicher Faktor für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit ist die im Grunde durchaus erfreuliche Produktivitätssteigerung, vor allem in der Industrie, die aber in den Betrieben vielfach zu einem Beschäftigungsabbau führt. Das ist auch mit zu berücksichtigen.

Verschärft wird diese Situation dadurch, daß die Beschäftigung im Dienstleistungssektor nicht mehr expandiert, und durch die notwendige Budgetkonsolidierung in den öffentlichen Haushalten ist die Aufnahmefähigkeit des öffentlichen Dienstes auch erschöpft.

Daher ist es erfreulich, daß man, wenn man den österreichischen Außenhandel betrachtet – leider gibt es die gesamten Zahlen noch nicht, aber es gibt positive Trends –, sehen kann, daß sich im vergangenen Jahr die Daten sehr erfreulich entwickelt haben; bis auf die letzten Monate, vor allem im Dezember flacht diese Dynamik ab.

Das Wifo schätzt den Zuwachs der Exporte auf 9,2 Prozent, jenen der Importe auf 7,5 Prozent. Das entspricht realen Wachstumsraten von 8 Prozent beziehungsweise 7 Prozent. Damit schnitt die österreichische Exportwirtschaft überraschend gut ab. Österreich gewann 1995 im internationalen Handel Marktanteile und behauptete sich besser als zum Beispiel Deutschland. Das heißt, es ist eine Intensivierung des Außenhandels gerade in diese Zeiten unbedingt notwendig, da die Lücken in der Leistungsbilanz nicht mehr nur durch Überschüsse aus der Reiseverkehrsbilanz abgedeckt werden können. Das heißt, kräftige Exportsteigerungen sind vor allem in den Überseeländern möglich.

Ich glaube auch, daß Österreich sich zu lange auf die klassischen Exportländer konzentriert hat. So wichtig diese auch heute noch sind, meine Damen und Herren, aber: Die höchsten Wachstumsraten haben aber Länder des Fernen Ostens. Mir ist schon klar, daß es für einen kleineren oder mittleren Unternehmer nicht ganz einfach ist, in diesen Ländern Exportmärkte aufzubauen. Daher ist es umso wichtiger, daß diese Exportchancen eröffnet werden und daß von seiten der Wirtschaftskammer, aber natürlich auch durch das Ministerium jedwede Unterstützung gegeben wird.

Ich möchte sogar sagen, daß ich es etwas bedauere, daß es bei der Bildung der neuen Regierung nicht zu einem eigenen Außenhandelsministerium gekommen ist, denn ich bin der Meinung, daß ein Außenhandelsminister mindestens 50 Prozent seiner Arbeitszeit unterwegs sein müßte, um neue Märkte zu betreuen, um Geschäfte für die heimische Wirtschaft anzubahnen.

Der Exportanteil Österreichs liegt derzeit bei etwa 23 Prozent. Belgien, auch ein kleines Land, hat einen Exportanteil von 40 Prozent. Würde dieser Exportanteil nur um 3 Prozent gesteigert, so würde das ein Volumen von rund 100 Milliarden Schilling bedeuten und in weiterer Folge Zigtausende zusätzliche Arbeitsplätze!

Abschließend, meine Damen und Herren: Österreich braucht in dieser Situation offensive Maßnahmen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, wobei die gutausgebildeten und hochmotivierten Mitarbeiter der entscheidende Schlüsselfaktor sind, den es zu fördern gilt. Die Unternehmerforderung nach Senkung der Arbeitskosten ist defensiv, exportiert Arbeitslosigkeit in andere Länder, bis diese nachziehen, verschlechtert den Lebensstandard – mit der Konsequenz, daß auch die Kaufkraft sinkt. Daher: Wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche


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Bewältigung des massiven Strukturwandels ist ein soziales Netz, das auf diese wirtschaftlichen Veränderungen zugeschnitten ist.

Menschen – und das sollte man auch bedenken –, die keine Angst haben müssen, ihre Existenzgrundlage zu verlieren, werden die Veränderungen ihrer Lebens- und Arbeitswelt nicht als Bedrohung, sondern vielmehr als Chance empfinden und sich daher auch aktiv daran beteiligen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

18.14

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich darf meinen Redebeitrag gleich mit einem Zitat beginnen. Ich möchte es wörtlich vortragen:

"Was wir brauchen, was auch das vorrangigste Ziel ist, ist eine offensive Wirtschaftspolitik, um unsere Chancen in Europa zu nützen. Die Chancen sind da, das zeigen uns die jetzigen Wachstumsraten. Wenn wir das erreichen, dann können wir in den nächsten vier Jahren 200 000 Arbeitsplätze schaffen, dann wird keine Rede mehr sein von Sozialabbau." – Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Johannes Ditz, am 22. November 1994 in der 6. Sitzung des Nationalrates, XIX. Gesetzgebungsperiode, nachzulesen.

Herr Bundesminister! Sie gestatten mir einen kleinen Kommentar dazu: Selbsteinschätzung ist auch eine Tugend, insbesondere wäre es eine ministerielle Tugend.

Herr Bundesminister! Sie wissen – ich gebe Ihnen aber dafür nicht die Schuld –, eineinhalb Jahre später schaut es ein wenig anders aus, verbreiten Sie nicht mehr diesen gloriosen Optimismus, wie Sie dies in diesem Haus vor gar nicht so langer Zeit getan haben. Mein Kollege Haselsteiner hat Ihnen das ja sehr eindringlich vor Augen geführt. Sie sollten künftig in der Einschätzung der Zukunft etwas vorsichtiger sein, dann werden vielleicht auch die Budgets etwas anders aussehen, dann wird vielleicht aber auch rechtzeitig der Wirtschaftsoptimismus wieder kommen, den wir sicher alle brauchen.

Ich mache Sie nicht verantwortlich dafür, daß die Forderung nach 200 000 neuen Arbeitsplätzen in den nächsten zweieinhalb Jahren nur sehr schwer oder eigentlich gar nicht zu erfüllen ist. Dafür sind sicherlich andere Gründe maßgeblich. Nur, es ist halt reichlich dick aufgetragen worden bei dem, was ich Ihnen soeben zitiert habe.

Ich möchte aber jetzt noch auf einen anderen Bereich eingehen, der mir persönlich in der Debatte etwas zu kurz gekommen ist. Sie wissen, meine Damen und Herren, wir haben uns ausführlich über diverse Infrastrukturmaßnahmen im Laufe dieser Budgetdebatte unterhalten. Ich meine, das, was von parlamentarischer Seite beleuchtet wurde, ging immer wieder in eine ganz bestimmte Richtung, einerseits in die Schieneninfrastruktur, ein bißchen wurde auch über den Verkehrsweg Straße gesprochen, aber schon weniger. Aber ein dritter Aspekt – Herr Bundesminister, ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht krumm – ist mir im Verlauf dieser Diskussion völlig abgegangen, nämlich jener Bereich, der sich mit den Datennetzen beschäftigt. Ich habe noch gut in Erinnerung, wie Ihr Ressortkollege Bundesminister Klima hier großartig gesagt hat, wir dürfen die Auffahrt auf die internationalen Datenhighways nicht verfehlen, wir müssen da etwas tun. – Aber es war anscheinend nichts anderes als viel Luft.

Herr Bundesminister Ditz! Sie werden mir recht geben, die Realität schaut etwas anders aus. Gerade Sie in Ihrer Funktion als Wirtschaftsminister müßten ein gesteigertes Interesse daran haben, daß im Sinne der Industrie in Österreich, aber auch der kleineren und mittleren Betriebe die Realität anders ausschaut, als sie sich derzeit darstellt.


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Ich bedauere zutiefst, daß diese Auffahrt nur verbal stattgefunden hat und daß es Wunschdenken war und nicht mehr. Ich bedauere das deshalb, weil ich der Ansicht bin, daß Österreich damit Gefahr läuft, sich die Chancen dieses Wirtschaftsstandortes selbst zu verbauen.

Telekomkosten – Herr Bundesminister, das wissen Sie – werden zu einem wesentlichen Faktor in den nächsten Jahren werden, ein bedeutender Kostenfaktor, wesentlich mehr als in der Vergangenheit. Jetzt wird die Post ausgegliedert – wir haben das ja eingehend behandelt –, aber über das Geld für Infrastrukturmaßnahmen auf dem Sektor leistungsfähige Netzwerke mit schnellen Datentransfers redet man ganz einfach nicht. Wir machen jede Menge Forschungsprojekte auf diesem Sektor, wo sich das Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft, aber auch das Bundeskanzleramt mit den Möglichkeiten auseinandersetzen, aber wir setzen einfach nichts um, und wir investieren nicht in diese Richtung.

Herr Bundesminister! Ich glaube, Sie kennen die Studie, auf die ich mich jetzt berufe: Österreich braucht in den nächsten drei Jahren etwa 30 Milliarden Schilling, damit sich das Gefälle zwischen den hochentwickelten Ländern der Europäischen Union und Österreich etwas verringert, damit dieser Anschluß auch vollzogen wird; aber darüber spricht man nicht. – Also 10 Milliarden Schilling pro Jahr.

Wir machen zwar ein Schieneninfrastrukturgesetz, das in seiner Grundrichtung notwendig ist, nicht unbedingt aber in den Details. Wir schaffen einen Ersatz über die zusätzlichen Privatisierungserlöse aus den Bundesimmobilien und so weiter, aber diesen Bereich decken wir nicht ab.

Sie werden mich vielleicht fragen: Woher sollen wir das Geld nehmen? Ich kann Ihnen eine einfache Antwort darauf geben: Gehen Sie noch einmal über die Bücher, von mir aus in drei Monaten, schauen Sie sich noch einmal Ihre eigenen Budgetbegleitgesetze an, und machen Sie Schluß mit Spekulation und Projekten, die nicht aufgehen werden. Nehmen Sie beispielsweise die Ansätze für den Semmeringbasis-Tunnel heraus, das sind alleine 11 Milliarden Schilling. Mit 1 Milliarde Schilling – sagen Sie das bitte auch Ihren Ressortkollegen – kann man diese Strecke sanieren, dann haben Sie schon einmal die ersten 10 Milliarden für die Infrastruktur auf dem Sektor Datennetzwerke.

Weitere 20 Milliarden Schilling können lukriert werden, wenn Sie auch in Ihrer Funktion als generalkompetenter Wirtschaftsminister bei Ihrem Ressortkollegen darauf einwirken, daß die Post nicht erst im Jahr 1999 mit viel Bauchweh und mit viel Spekulation irgendwie so an die Börse rattert, sondern machen Sie das bitte, Herr Bundesminister, professionell – mit der notwendigen Vorbereitung, so, wie sich das im internationalen Maßstab auch gehören würde.

Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden in diesem Hohen Haus dauernd davon – das ist gut und auch richtig –, wie dieses Parlament und diese Regierung die steigenden Arbeitslosenzahlen in den Griff bekommen sollen. Es gibt viele Antworten drauf, aber der Stein der Weisen wurde nicht gefunden. Aber es gibt, und da sind sich viele Experten einig, eine Antwort auf einen Teilbereich: Der strukturellen Arbeitslosigkeit kann sicher in Zukunft mit dem Phänomen, das natürlich entwickelt werden muß, mit der Vision der Telearbeit wirksam begegnet werden.

Hier sehe ich, daß zwar das eine oder andere probiert wird auf dem Sektor Telearbeit, es gibt Pilotprojekte, aber ich sehe auch, Herr Bundesminister, daß es in die falsche Richtung geht. Ich glaube, zuerst muß man für die leistungsfähigen Netzwerke sorgen, dann muß man in einem zweiten Schritt eine Tarifreform herbeiführen, und zwar in der Weise, daß Datentransfers, Datenübertragungen grundsätzlich zum Ortstarif abgerechnet werden, egal, von welchem Ort in Österreich aus eingespeist wird. Bitte nehmen Sie das als Anregung.

Dann muß man sich auf die Förderung des Aufbaus von Telehäusern konzentrieren; da ist noch eine ganze Menge zu machen. Sie wissen, in Ihrem eigenen Ressort ist das eine oder andere vorgesehen, steuerliche Anreizsysteme, Investitionsprämien und diese Dinge. Das alles muß man so lange tun, bis nachweisliche Erfolge auf diesem Sektor erzielt worden sind.


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Im Rahmen solcher Regionalförderprogramme wird auch Geld aus Ihrem Ministerium fließen, und ich begrüße das. Aber wenn ich bemerke, Herr Bundesminister, daß die geförderten Pilotversuche von Telearbeitsplätzen beispielsweise mit großer Akribie im städtischen Bereich gemacht werden, anstatt sie in die strukturschwachen Regionen, nach Gmünd, nach Hermagor, nach Scheibbs, wo immer auch hin, zu transferieren, dann, meine ich, Herr Bundesminister, läuft etwas falsch. Wir machen dort diese Versuche, wir experimentieren dort, wo es anscheinend keine Probleme gibt. Wir sollten aber dort probieren, wo die Probleme groß sind und wo die strukturelle Arbeitslosigkeit gegeben ist, nicht in der Stadt, sondern in den entlegeneren Gebieten. Bitte denken Sie auch darüber einmal nach! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Was ich damit abschließend zum Ausdruck bringen möchte, Herr Bundesminister, ist: Hören Sie endlich auf, so blauäugig, einäugig in die eine oder andere Richtung zu denken, was den Sektor Infrastrukturpolitik, der für die gesamte Industriepolitik wichtig ist, betrifft! Hören Sie auf, Infrastruktur als Teilbereich von Sozialpartnerinteressen oder Parteiinteressen zu sehen, als Teilbereich von Rot und Schwarz, als Teilbereich in der Weise: ÖBB bedient die rote Reichshälfte, Straßenbau die schwarze Reichshälfte. Hälften sind es ja gar nicht mehr, Gott sei Dank. Wir brauchen diese dritte Dimension im Minimum, wir brauchen auch noch eine vierte und eine fünfte, Herr Bundesminister, und da geschieht einfach viel zu wenig.

Wenn Sie nicht mit Ihren Experten darüber nachdenken, dann wird auch dieses Budget sicher ins Leere gehen. Es ist der falsche Ansatz, den dringend benötigten Optimismus in der Wirtschaft wieder herbeizuführen. Und im übrigen meine ich, Herr Bundesminister, es wird an der Zeit sein, das eine oder andere im Verlaufe dieser Legislaturperiode zu korrigieren, was Sie mit Ihren Kollegen gemeinsam in die Budgetbegleitgesetze verpackt haben, denn darin steckt jede Menge Sprengstoff. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte, Sie haben das Wort.

18.26

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Zusammenbruch des COMECON vor einigen Jahren war auch auf die schlechte Infrastruktur dieser Staaten zurückzuführen. Die technologische Revolution vor allem im Kommunikationsbereich findet jetzt statt. Aktiv mitgestalten und daran teilnehmen, heißt die Devise, sonst geraten wir ins Hintertreffen und werden überholt.

Die zurzeit bei uns stattfindende Standortdiskussion muß zu einer raschen Strukturverbesserung unserer Volkswirtschaft führen und wird entscheidende Bedeutung für unsere Wirtschaftspolitik in den nächsten Jahren haben.

Die von der Koalition durchgeführte Steuerreform, vorangetrieben durch Sie, Herr Bundesminister Ditz, hat uns Steuervorteile verschafft, die durch entsprechende Infrastrukturmaßnahmen abzusichern sind, um die Qualität des Wirtschaftsstandortes Österreich zu verbessern. Dies könnte verstärkt zum Aufbau von Dienstleistungsaktivitäten – ich denke da vor allem an den Banken- und Versicherungsbereich und an Headquarterfunktionen – in bezug auf die mittel- und osteuropäischen Staaten genützt werden.

Was bedeutet eine gute Infrastruktur? – Sie gilt als Voraussetzung für eine dynamische, prosperierende Wirtschaft, sie soll schon da sein, bevor ein Unternehmen sich ansiedelt. Sie ist die Schnittstelle eines Unternehmens zur Außenwelt, sowohl im Hinblick auf Verkehr, Transportwege als auch auf Kommunikation.

Maßnahmen wie der Ausbau der Wasserstraßen sind fortzuführen. Mir als oberösterreichischem Abgeordneten ist der Ausbau des Hafens Enns ein besonderes Anliegen. Der Donaugüterverkehr von Österreich Richtung Westeuropa ist in vier Jahren von 159 000 Tonnen auf 572 000 Tonnen, und dies alleine in den ersten zehn Monaten 1995, gestiegen. Die Containereinheiten wurden von 1994 auf 1995 um 52 Prozent auf 12 000 gesteigert. Bei anhaltendem Frieden in Osten werden sich die Transporte nach Osteuropa auch gut entwickeln.


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Ebenso ist die Fortsetzung der touristischen Nutzung der Wasserstraßen – so etwa schwimmende "Straßen" für Radtouristen an der Donau – auszubauen.

In der Reiseverkehrsbilanz schlägt sich der Transport mit 10 Prozent nieder. Eine andere Zahl besagt, daß die Staus auf Österreichs Straßen jährlich 87 Milliarden Schilling an volkswirtschaftlichem Schaden anrichten.

Wenn der Gast nicht ohne Probleme anreisen kann, bezogen auf unseren Tourismus, fährt er dorthin, wo er das kann. Eine gute Infrastruktur wird von den Gästen heute vorausgesetzt. Die Infrastruktur laufend zu verbessern, ist daher die wichtigste Aufgabe der öffentlichen Hand zur Förderung des Tourismus. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine Verbesserung der Wertschöpfung im Tourismus erfordert jedoch ein Mehr an Vernetzung aller Ressourcen, die vorhanden sind, aller Verkehrssysteme und ein Mehr an Kundenorientierung.

Als Bürgermeister einer Tourismusgemeinde habe ich festgestellt, daß die Erhaltung und laufende Verbesserung der Infrastruktur für den Tourismus auf Gemeindeebene mehr Finanzmittel braucht, als an Getränkesteuereinnahmen hereinkommen. Meiner Überzeugung nach ist daher eine ersatzlose Streichung der Getränkesteuer negativ, sie würde sich für Tourismusbetriebe katastrophal auswirken. (Beifall bei der ÖVP.) Kein Tourismusbetrieb könnte ohne entsprechende Infrastruktur existieren.

Eine weitere wichtige Maßnahme ist der Lückenschluß im höherrangigen Straßennetz. Laut Aussagen von dir, Herr Bundesminister, werden für diese Vorhaben in den nächsten vier bis fünf Jahren 33 Milliarden Schilling in Neubauten investiert. Aber auch Ortsumfahrungen sind im Sinne einer wirtschaftlichen Zukunft der Tourismusregionen und zur Verminderung der Belastung der Bevölkerung unbedingt zu realisieren.

Natürlich ist mir in diesem Zusammenhang die Ortsumfahrung Traunkirchen, wo ich Bürgermeister bin, ein großes Anliegen. (Beifall der Abg. Dr. Nowotny und Dr. Haselsteiner. ) Das generelle Projekt wird in den nächsten Tagen Ihrem Ministerium zugeleitet.

Durch das Schieneninfrastruktur-Finanzierungsgesetz kann der Bahnbau zügig fortgesetzt werden. In den nächsten fünf Jahren werden jährlich 12 Milliarden Schilling zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang ist mir der Ausbau der Innkreisbahn aus oberösterreichischer Sicht ein großes Anliegen. Wie eine Studie aus dem Jahr 1995 beweist, wäre dann die Bahnverbindung München – Simbach – Neumarkt – Linz um 40 Kilometer kürzer als die Verbindung München – Salzburg – Linz.

Die Kosten des Ausbaus auf österreichischer Seite würden 3,8 Milliarden, die Gesamtkosten, einschließlich des Ausbaus auf deutscher Seite, 7 Milliarden Schilling betragen und im Vergleich zu anderen Projekten einen relativ bescheidenen Aufwand erfordern. Es würde damit eine leistungsfähige Bahn als Teilstück eines Donaukorridors entstehen. Die Westbahn würde entlastet, und zur zeitgemäßen Abwicklung des Regionalverkehrs würde damit zusätzlich eine wichtige Gütertransitstrecke geschaffen. (Beifall bei der ÖVP.) Die Güterterminals München- Riem, Wels und Linz könnten problemlos an die Strecke angebunden werden.

Durch die Förderung und Errichtung von Technozentren beziehungsweise Technologieparks können neue, attraktive Arbeitsplätze im höheren Technologiebereich geschaffen und der Transfer von österreichischem Know-how in der Wirtschaft erleichtert werden. Ein Bürokratieabbau sowie eine Vereinfachung und Straffung von Genehmigungsverfahren bei Betriebsneugründungen oder Anlagengenehmigungen sind ehest vorzunehmen.

Durch die Einführung der Breitbandkommunikation, die endlich erfolgen wird – die Post schaltet, wie man hört, vorerst einen Breitbandring von zwei Megabyte zwischen den Landeshauptstädten und Wien –, kann die Wirtschaft ihre Projekte in Zukunft auf Flat-rate-Basis – also deutlich unter den bisherigen kommerziellen Tarifen – realisieren.


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Eine gute, moderne Infrastruktur ist Voraussetzung für einen interessanten, attraktiven Wirtschaftsstandort und macht unsere Unternehmen konkurrenzfähiger, bietet mehr und höherwertige Beschäftigung und somit mehr Wohlstand für unsere Bürger.

Die Budgets 1996 und 1997 helfen mit, die internationale Wettbewerbssituation Österreichs zu verbessern. Sie heben die Wirtschaftspsychologie und damit die Investitionsbereitschaft unserer Betriebe. Die internationale Wirtschaftspresse sieht die von der Koalition ergriffenen Maßnahmen ähnlich – ich verweise nur auf die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" – und bestätigt den von Österreich eingeschlagenen Weg für eine gute wirtschaftliche Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

18.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Rosenstingl. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

18.35

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte heute noch einmal kurz auf die Mauteinführung zurückkommen, und zwar deshalb, weil der Herr Bundesminister im Ausschuß gemeint hat, die Maut werde eingeführt, weil der Staat Geld brauche. Es handelt sich dabei also um eine reine Geldbeschaffungsaktion. Diese Mauteinführung wird überhaupt nicht dazu beitragen, daß der Verkehr von der Straße auf die Schiene verlegt wird, und diese Mauteinführung hat natürlich auch keinerlei Umweltaspekte.

Der Herr Bundesminister hat gemeint, man brauche die Maut, um die Straßenerhaltung zu finanzieren. Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie sollten endlich zur Kenntnis nehmen, daß der Staat verpflichtet ist, auch die Verkehrsinfrastruktur aus den normalen Steuereinnahmen zur Verfügung zu stellen. Man kann nicht immer, wenn man etwas finanzieren möchte, eine neue Steuer einführen und dem Bürger in die Tasche greifen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundesminister war leider auch im Ausschuß nicht fähig, das Problem des Ausweichverkehrs zu behandeln. Er hat große Unwissenheit an den Tag gelegt. So hat er zum Beispiel auf eine Studie verwiesen, in welcher zwar die Akzeptanz der Mauteinführung behandelt wurde, aber überhaupt nichts darüber enthalten ist, welcher Ausweichverkehr entstehen wird.

Außerdem hat Bundesminister Ditz in diesem Ausschuß innerhalb von zehn Minuten einmal festgestellt, daß der Ausweichverkehr vielleicht 10 Prozent betragen wird, das zweite Mal hat er gemeint, der Ausweichverkehr werde 20 bis 25 Prozent betragen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. ) Das zeigt deutlich, daß dieser Bundesminister in diesem Bereich keine Kompetenz hat, Herr Verkehrssprecher Kukacka! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine besondere Rücksichtslosigkeit – und da hat sich der Herr Bundesminister ja in Tirol "ausgezeichnet" – ist, daß das Problem der Doppelbemautung nicht gelöst wurde. Ich glaube, hier muß man etwas für die Bürger tun, daher darf ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rosenstingl, Dr. Preisinger, Trattner und Kollegen betreffend Verhinderung der Doppelmaut infolge der Einführung des "Mautpickerls"

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß es zu keiner doppelten Mauteinhebung auf österreichischen Autobahnen kommt und dadurch zu verhindern, daß es zu negativen Erscheinungen wie einer Verdrängung von Verkehren auf das Bundesstraßennetz oder die Benachteiligung von Tourismusregionen kommt."

*****


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe Ihnen die Chance, mit diesem Antrag einmal etwas für die Bürger zu tun. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein zweiter Bereich ist die Ausnahme der Stadtautobahnen. Diesbezüglich hat der Herr Bundesminister gemeint, das sei nicht zu lösen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ganz leicht festzustellen, was Stadtautobahnen sind und diese auszunehmen, denn dort wird der Ausweichverkehr sehr groß sein. Ich darf darauf verweisen, daß es in Wien viele Kraftfahrzeugbesitzer gibt, die nur in Wien fahren oder ganz selten auswärts fahren. Diese Kraftfahrzeugbenützer werden sich sicher keine Vignette kaufen. Außerdem gibt es in vielen Familien Zweitautos, und man wird sich in einer Familie natürlich nur ein Pickerl für das erste Auto, aber nicht für das zweite Auto kaufen.

Sie haben daher in den städtischen Bereichen diese Autos nicht mehr auf der Stadtautobahn, wenn sie von einem Ende an das andere Ende der Stadt fahren, sondern Sie haben dieses Auto in den Straßen der Bezirke, und es wird daher dort zu einem Verkehrschaos kommen.

Um dieses Verkehrschaos zu vermeiden, bringen die Abgeordneten Rosenstingl, Dr. Preisinger und Kollegen einen Entschließungsantrag zur Verhinderung der Maut auf Stadtautobahnen ein:

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird im Interesse der städtischen Wohn- und Lebensqualität sowie im besonderen aus ökologischen Erwägungen und mit Rücksicht auf die Sozialverträglichkeit der urbanen Verkehrsentwicklung dringend ersucht, die sogenannten Stadtautobahnen nicht in die geplante Mautpflicht einzubeziehen."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt versucht, anhand einiger Bereiche darzustellen, daß Herr Bundesminister Ditz bei der Mauteinführung wirklich keine Kompetenz hat. Wir Freiheitlichen werden diesen Weg nicht mitgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die beiden verlesenen Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlung miteinbezogen.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.39

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heute bereits mehrmals angesprochene Energiewirtschaft verändert sich sehr rasch und sehr tiefgreifend. Ausgelöst werden diese Veränderungen in erster Linie, so meine ich, durch den EU-Binnenmarkt, die Ostöffnung und die wesentlich geänderten Anforderungen im Inland.

Die EU-Kommission will auch bei leitungsgebundenen Energieträgern mehr Wettbewerb. Die Verhandlungen, so scheint es, sind sehr schwierig und vor allem sehr langwierig. Die Interessenslagen, die da zum Tragen kommen, sind unterschiedlich. Die Länder im Osten setzen auf Stromproduktion aus reichlich vorhandenen Rohstoffen wie Uran und Steinkohle. Sie wollen mit der Ware Strom harte Devisen auf dem Energiemarkt verdienen.

Dazu kommt, daß westliche Atomkraftwerksbauer mit einem Schrumpfen ihrer ureigensten westlichen Märkte konfrontiert werden. Sie drängen daher verstärkt in die Märkte des Ostens.


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Meine Damen und Herren! Das Ergebnis wird ein ständig steigendes Stromangebot an unseren Grenzen sein, zu Preisen, bei denen unsere Energiewirtschaft nur mit größter Anstrengung – wenn überhaupt – mithalten können wird. Auch im Inland hat sich die Situation in den letzten Monaten, im letzten Jahr gravierend verändert: Gab es in der Stromnachfrage jahrzehntelang Zuwachsraten, so beginnt diese immer mehr zu stagnieren.

Frau Staatssekretärin, ich würde Sie ersuchen, dem Wirtschaftsminister mitzuteilen, daß ich für meine Fraktion den Energiebericht aus dem Jahr 1994 noch gerne in diesem Jahr im Parlament diskutiert hätte, weil ich glaube, daß dieser Energiebericht genau die Daten und Fakten bringt, die wir brauchen, um davon ausgehend wirklich eine gute, fundierte Diskussion über eine neue Energieorganisation für unser Land zu führen. Ich darf Sie daher bitten, diesen meinen Wunsch weiterzugeben.

In einigen EVUs – auch das wurde heute schon von Kollegin Langthaler angesprochen – haben sich die Eigentumsverhältnisse etwas verändert. Erfreulicherweise ist es zu österreichischen Lösungen gekommen. – Den Preis will ich in diesem Zusammenhang nicht näher erörtern; er war zum Teil sicherlich überhöht. – Ich hoffe, daß bei weiteren Änderungen in den Eigentumsverhältnissen diese Situation im Prinzip auch in Zukunft beibehalten werden kann. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß immer mehr ausländische Interessenten Beteiligungen an unseren EVUs anstreben; ich denke etwa an RWE, an die Bayern-Werke, an die EDF, aber auch an andere.

Ihre Beweggründe sind mehr als durchsichtig: Sie wollen sich aus strategischen Überlegungen einkaufen, damit Marktanteile gewinnen, und à la longue wollen sie den für sie verhältnismäßig kleinen, aber nicht uninteressanten Markt über diese Beteiligungen steuern. Es fällt ihnen finanziell verhältnismäßig leicht, sich hier einzukaufen. Sie müssen durchwegs hohe Rückstellungen für die von ihnen betriebenen Atomkraftwerke bilden, haben also die notwendigen finanziellen Ressourcen für solche Transaktionen.

Meine Damen und Herren! Der internationale strukturelle Anpassungsprozeß wird meiner Meinung nach verstärkt durch weitere Faktoren, wie technologische, wirtschaftliche Änderungen, zunehmendes Umweltbewußtsein der Nachfrager, mehr Wettbewerb auch in bisher geschützten Märkten, und – ein nicht unwesentlicher Faktor – Wirtschaftswachstum und Energienachfrage konnten entkoppelt werden.

Die Energieunternehmen stellen sich europaweit auf die neuen Wettbewerbsbedingungen ein. Die Konzentrationsprozesse auf dem Energiemarkt nehmen immer mehr zu.

Diesem Bündel neuer und großer Herausforderungen müssen wir uns stellen, aber nicht, indem – wie bei uns – der Verbund gegen die Landesgesellschaften antritt – oder umgekehrt –, vielleicht auch noch unterstützt durch ausländische finanzielle Beteiligungen, sondern die hier Angesprochenen sind aufgefordert, sich miteinander den Entwicklungen, die auf uns in der nächsten Zeit zukommen, zu stellen.

Wir wollen eine Energieorganisation, die neu geregelt wird und weiterhin im Verfassungsrang verbleibt; das halte ich für sehr, sehr wichtig. Wir wollen damit Rahmenbedingungen schaffen, mit denen wir den österreichischen Einfluß weiterhin wahren, weil nationale Elektrizitätsversorgungsunternehmen von großer strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung sind.

Die Zusammenarbeit der EVUs ist auf allen Ebenen sicherzustellen. Wir wollen ein Gesetz, das sicherstellt, daß der gemeinwirtschaftliche Versorgungsauftrag auch weiterhin erfüllt wird.

Damit wir uns in etwa vorstellen können, was das bedeutet: Die Energiewirtschaft in Österreich gibt für die unbedingt erforderliche Bevorratung etwa 2 Milliarden Schilling pro Jahr aus. Das ist ein nicht unwesentlicher Betrag. Bevorratung und Versorgungssicherheit hängen also sehr eng zusammen und spielen eine wesentliche Rolle in der Energiewirtschaft.


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Wir wollen die nachhaltige Energieversorgung und einen möglichst großen Eigenversorgungsgrad auch in Zukunft sicherstellen. Durch eine optimale Abstimmung unseres hydrothermischen Verbunds sollte die internationale Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten werden.

Ebenso aufrechterhalten werden sollte der dreistufige Aufbau unserer Energiewirtschaft. Dieser ist auch in einem liberalisierten Markt beizubehalten. Wenn, wie erwartet wird, die EU-Richtlinie das Konzept "single buyer" mit "negotiated access" bevorzugt, sollte der Verbund als "single buyer" auftreten. Im Sinne eines weiteren Wettbewerbs sollte auch Großabnehmern und kommunalen Gesellschaften die Möglichkeit gegeben werden, als Nachfragende auf dem internationalen Energiemarkt aufzutreten.

Unsere hohen Umweltstandards müssen beibehalten werden. Wir werden also ein Gesetz schaffen müssen, mit dem wir uns erfolgreich gegen Umweltdumping wehren können und das, soweit es irgendwie möglich ist, auch den Import von Atomstrom vermeiden hilft. Es wäre gut, wenn es uns gelänge, Importe von billigem Strom aus schmutzigen Kohlekraftwerken zu verhindern.

Meine Damen und Herren! Wichtig ist es, daß in einer neu organisierten Energiewirtschaft, aber auch bei leitungsgebundenen Energieträgern die Preistransparenz für den Kosumenten gewährleistet ist. Wenn wir eine wettbewerbsfähige Struktur und Größenordnung für die E-Wirtschaft im europäischen Binnenmarkt schaffen wollen, sind alle Verantwortlichen in der Bundesregierung, wir hier im Parlament und die Beteiligten in der Energiewirtschaft aufgefordert, rasch und effizient an einer Neuorganisation zu arbeiten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist der Abgeordnete Mag. Barmüller. – Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit beträgt noch sieben Minuten.

18.49

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Abgeordnete Oberhaidinger hier glaubwürdig verlangt, daß doch endlich der Energiebericht 1994 vorgelegt werden sollte, kann ich ihm nur zustimmen. Ich fürchte nur, der noch nicht vorliegende Energiebericht 1994 wird genauso Makulatur sein wie der Bericht 1993. Herr Abgeordneter Oberhaidinger! Es wäre besser, die Bundesregierung hätte das, was sie schon im Energiebericht 1993 verlangt hat, im jetzigen Strukturanpassungsgesetz eingehalten, als daß man neue Berichte fordert. Das ist ja das eigentliche Glaubwürdigkeitsproblem, von dem heute hier an diesem Pult schon so oft die Rede war.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Wenn uns Liberalen immer wieder vorgehalten wird, daß wir nach anfänglichem Dabeisein und Uns-Einbringen in den Ausschußberatungen ausgezogen sind (Abg. Dr. Fuhrmann: Zu Recht!) , Herr Abgeordneter Fuhrmann, so kann ich nur sagen: Dies ist deshalb geschehen, weil man mit einer Bundesregierung, mit Regierungsfraktionen nicht verhandeln und diskutieren kann, die nicht einmal bereit sind, sich an das zu halten, was sie selbst vor einem halben Jahr oder einem Jahr versprochen haben.

Wenn Sie sich nicht daran halten, dann kann man letztlich auch über keine Maßnahmen reden. Das war der Grund, weshalb wir gesagt haben: Wir bilden keine parlamentarische Fassade für eine Regierungsposse, die Sie hier mit diesem Strukturanpassungsgesetz aufgeführt haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen an drei Beispielen zeigen, daß das, was von dieser Regierung versprochen wurde und was eigentlich auch von Ihnen hier im Hohen Haus noch eingefordert werden könnte, einfach nicht eingehalten wird.

Das betrifft zum einen das ÖSTAT mit einem Budget von 600 Millionen Schilling. Es gibt 1 200 Mitarbeiter, sprich beamtete Mitarbeiter, 70 Prozent des Budgets gehen auf für Personalausgaben – aber eine Außenhandelsstatistik, meine Damen und Herren, fehlt! Jetzt wird es zwar – das werden Sie mir doch zugestehen – auch für Sie als Regierungsfraktionen


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wichtig sein, zu erfahren, wie die konkreten Daten aussehen, damit eine konkrete Wirtschaftspolitik gemacht werden kann. Sie haben sie aber nicht in Händen. Sie stellen sich aber hier heraus und tun so, als wüßten Sie alles und könnten alles sagen, was diesbezüglich vorgeht. Nichts ist wahr! Sie wissen es nicht! Sie reden einfach ins Blaue hinein. Und das ist etwas, was Sie dieser Fraktion (in Richtung Freiheitliche zeigend) oft vorhalten. Aber im Grunde genommen machen Sie es doch ganz, ganz gleich!

Die Lücken in der Industrie- und in der Gewerbestatistik sind ebenso ein Beispiel dafür, daß Ihnen die Unterlagen und Grundlagen für eine konsolidierte Wirtschaftspolitik überhaupt nicht vorliegen. Und was die Bereichszählung 1995 betrifft, die die Volkszählung der Wirtschaft genannt wird: Auch die, meine Damen und Herren, existiert nicht und wird wahrscheinlich auch nicht kommen. Dabei hat es noch im November 1995 einen Brief aller vier Sozialpartner an den Herrn Bundeskanzler gegeben, in dem eingemahnt wurde, daß man doch sicherstellen möge, daß diese Statistik ausgearbeitet und aufgelegt wird. Es ist diesbezüglich null geschehen. Aber Sie stellen sich heute hier heraus und sagen beim Strukturanpassungsgesetz und beim Budget, Sie wissen ganz genau, wo es langgeht. In Wahrheit haben Sie aber nicht einmal die Grundlagen dafür, das zu beurteilen!

Das dicke Ende, meine Damen und Herren, wird im Herbst kommen, nämlich dann, wenn das Bruttosozialprodukt nur unvollständig ausgerechnet vorliegen wird, und dann, wenn das Mehrwertsteueraufkommen nicht richtig berechnet sein wird, weil man es unter den Verhältnissen, die jetzt im ÖSTAT existieren, nicht mehr berechnen kann. Nichtsdestoweniger, meine Damen und Herren, wissen doch Sie genauso wie Herr Bundesminister Ditz, daß dies ganz wesentliche Parameter für die Ermittlung der Nettobeiträge an die EU sind, für die Gewährung der Fördermittel von der EU, und, meine Damen und Herren, schließlich auch für die Erfüllung der Konvergenzkriterien.

All das, meine Damen und Herren, können Sie aufgrund fehlender Grundlagen für Entscheidungen überhaupt nicht beurteilen. Sie erzählen aber hier allen Zuhörern und der ganzen Republik, daß Sie es angeblich könnten. – Wahr ist aber das Gegenteil!

Das zweite Beispiel ist der Dauerkrieg, der zwischen dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem ÖSTAT auf der einen Seite und einer privaten Firma auf der anderen Seite existiert, wo es um die Bereitstellung einer Energiegesamtrechnung geht. Es ist doch unglaublich, meine Damen und Herren, daß, obwohl seit 1993 ein einstimmiger Entschließungsantrag dieses Hauses vorliegt, man von seiten des Herrn Bundesministers Ditz nicht in der Lage war – sein Vorgänger, Herr Bundesminister Schüssel, ist da auch sehr maßgeblich daran beteiligt gewesen –, daß, wie es in dieser Entschließung geheißen hat, sofort alle bisher vorliegenden koordinierten Länderenergiebilanzen, Nutzenergieanalysen und Energieflußbilder aller Bundesländer umfassend öffentlich zur Verfügung gestellt werden.

Die Bundesregierung war nicht einmal in der Lage, das, was private Firmen schon angeboten, schon ausgerechnet haben, öffentlich zur Verfügung zu stellen. Nicht einmal das ist gemacht worden, obwohl es auch mit Ihren Stimmen in diesem Haus verlangt worden ist. Nichtsdestoweniger, meine Damen und Herren, wird eine Elektrizitätsabgabe eingeführt, wird eine Erdgasabgabe eingeführt und wird so getan, als könnten seitens der Bundesregierung die Aufkommen dieser einzelnen Steuern auch noch berechnet werden! In Wahrheit gilt aber auch hier: Es liegen Ihnen ja nicht einmal die zur Berechnung notwendigen Zahlen vor.

Die Unterschiede zwischen den Statistiken des Bundeslastverteilers und dem ÖSTAT auf der einen Seite, oder, was den Gasverbrauch angeht, die Statistiken der obersten Bergbehörde auf der einen Seite und dem ÖSTAT auf der anderen Seite klaffen auseinander. Aber den Herrn Bundesminister Ditz stört das nicht. (Abg. Böhacker: Er nimmt einen Mittelwert!) Er berechnet lustig, fröhlich vor sich hin. Und er sagt dann süffisant in unsere Richtung: Warum sind Sie denn fortgegangen aus den Ausschüssen? Sie hätten mit uns beraten können. – Worüber sollen wir denn beraten, wenn Sie nicht einmal die zugrundeliegenden Zahlen dafür haben? (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Letztes Beispiel, meine Damen und Herren, sind die Einspeisetarife für erneuerbare Energieträger. Dazu hat es ausdrücklich im Arbeitsübereinkommen Ihrer Koalition geheißen, daß Sie die ökologischen Richtlinien des nationalen Umweltplanes beachten wollen. Und Sie haben auch im Energiebericht 1993 gesagt, daß erneuerbare Energieträger gegenüber erschöpfbaren bevorzugt behandelt werden müssen. – Nichts davon halten Sie ein! Auch die Einspeisetarife für erneuerbare Energieträger sind bisher nicht so festgesetzt worden, daß sie wirklich eine Bevorzugung erfahren.

Jetzt sagt der Herr Bundesminister immer wieder: Es tut mir leid, das ist nicht meine Zuständigkeit, dafür sind die Landeshauptleute zuständig. – Wahr ist aber vielmehr, daß das eine Kompetenz ist, die dem Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten sehr wohl zusteht. Sie ist an die Landeshauptleute abgegeben worden, diese erfüllen sie aber nicht, und der Herr Bundesminister wäscht seine Hände in Unschuld.

So, meine Damen und Herren, wird man auf Dauer in Österreich nicht Politik machen können, und Sie werden es bei den nächsten Wahlen auch merken! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kröll. – Bitte. (Rufe bei der ÖVP: Die steirische Eiche!)

18.56

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte mich hier auch einbringen zum Budgetkapitel Wirtschaft, zum Bereich Gemeinde, Tourismus, Arbeitsplätze, und die Verbindung zum Sport ein bißchen näher ansprechen.

Es ist heute schon auf eine neue Studie hingewiesen worden, die die Casinos Austria ermöglicht haben, und zwar die erste österreichische Tourismusanalyse. (Der Redner hält eine Broschüre in die Höhe.)

Aufgrund dieser Tourismusanalyse gibt es ein interessantes Fazit einer Kurzzusammenfassung. Ich zitiere den Mitherausgeber, Herrn Professor Dr. Opaschowksi vom Zeitforschungsinstitut in Hamburg. Er bringt es sehr schön und kurz auf einen Punkt: "Der Verdrängungswettbewerb im Tourismus nimmt deutlich zu. Hohe Preise, mangelhafte Infrastruktur oder zunehmende Umweltverschmutzungen werden von den ebenso erfahrenen wie qualitätsbewußten Urlaubern nicht mehr ohne weiteres hingenommen."

Nach Professor Dr. Opaschowski gibt es keine nachweisbaren Alpen- oder Südeuropamüdigkeiten, allenfalls eine unzureichende Urlaubsqualität. "Qualitätskriterien können in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis und in Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs ebensogut schlechtes Service sein. Auf diese Weise mögen manche Reiseziele zeitweilig austauschbar sein. Der Trend zu Auslandsreisen bleibt aber ungebrochen." – Ich meine, in der Zusammenstellung dieser Broschüre ist ganz Entscheidendes drinnen, auf das wir auch reagieren müssen.

Wenn ich den Zusammenhang Gemeinde, Tourismus, Arbeitsplätze und Sport herstelle, dann muß ich sagen, wir wissen natürlich vor Ort – und gerade als Bürgermeister einer Tourismusgemeinde, wie Schladming auch eine ist, kenne ich das – um die schwieriger gewordenen Rahmenbedingungen für den Tourismus. Selbstverständlich wissen wir auch – in dieser Studie ist es neu dargelegt –, daß die Hartwährungsländer, nicht nur Österreich, sondern insgesamt, Rückgänge im Tourismus zu verzeichnen haben.

Wir wissen aber auch, daß die Hartwährung für Österreich und insgesamt richtig ist und daß sie ganz sicherlich auch so bleiben muß. Es war daher aber auch ganz wichtig, daß der Wirtschaftsminister mit verstärkten Werbemöglichkeiten am Markt reagiert hat und für den Verein Österreich-Werbung zusätzlich 50 Millionen Schilling – es wurde dies heute schon angesprochen – zur Verfügung gestellt hat. (Beifall bei der ÖVP.) Ich möchte betonen, das ist eine ganz gezielte und konkrete Maßnahme, die, wie schon erwähnt, auch schon öfters und von


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mehreren Stellen gefordert wurde. Entscheidend ist, daß es sie gibt, noch dazu in einer Situation, wo es nicht selbstverständlich ist, daß Mittel auch aufgestockt werden.

Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal auf die erste Wortmeldung des Herrn Ministers eingehen, weil ich nämlich den Dank für die vielen fleißigen Hände an die Spitze stellen möchte, die es ermöglicht haben, daß es entgegen der Prognosen von minus 5 bis 10 Prozent, die viele selbsternannte oder auch kolportierte Fachleute von sich gegeben haben – minus 5 Prozent hat auch Kollege Peter zugegeben, als er gesprochen hat –, jetzt nur noch 4,0 Prozent sind, wenn der März schon eingerechnet ist. Das ist noch nicht das Endergebnis, aber es schaut bedeutend besser aus, als es allgemein prognostiziert wurde. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Und das ist halt der Erfolg vieler fleißiger Hände, die in den Betrieben, in den Gaststätten, auf den Seilbahnen und überall, auch in den österreichischen Gemeinden, tätig sind. Ich möchte Ihnen allen ganz herzlich dafür danken! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben damit bis dato wiederum 44,8 Millionen Gästenächtigungen. Der Anteil der Ausländer konnte mit 34,6 Millionen stabil gehalten werden. Die Differenz von 10,2 Millionen ist die Nächtigungszahl der Inländer.

Es lohnt sich also durchaus, auch in schwierigeren Zeiten und unter schwierigen Rahmenbedingungen Mut zu machen und nicht alles mieszumachen, nicht immer nur verzagt zu sein und zu sagen, wie schlimm und wie schrecklich alles ist. Denn wenn Sie diese Zahlen jetzt mit den Prognosen von vor wenigen Wochen und Monaten vergleichen, dann sehen Sie, daß das nicht zusammenstimmt. (Abg. Aumayr: Die Prognosen haben in der Vergangenheit immer gestimmt!) Sie haben nicht immer gestimmt. Mir ist außerdem das Ergebnis viel wichtiger als alle Prognosen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich gehe auch davon aus, Frau Kollegin, daß die gesamten Wirtschaftsdaten, wenn wir nicht immer der Krise, sondern ein bißchen mehr der Offensive das Wort reden, ein bißchen Glauben haben an unsere eigene Zukunft, dann auch besser sein werden als die Prognosen. Ich sage Ihnen das. (Beifall bei der ÖVP.)

Für Österreich gelten natürlich die Qualität und die Sicherheit als ein markantes Merkmal für den Urlaubswunsch. Auch in dieser Studie ist ein wichtiger Punkt, daß 30 Prozent der Österreicher nach wie vor – und darauf dürfen wir auch stolz sein! – am liebsten in Österreich ihren Urlaub verbringen. Das ist ein hoher Wert, und zwar deshalb, weil diese Studie auch Deutschland, die Schweiz und Österreich vergleicht. Ich empfehle daher, sich diese Arbeit näher anzusehen.

Was ist aber die besondere Beziehung zu den Gemeinden? – Sie umfaßt viel mehr, als daß wir nur wieder einmal, periodisch und in kürzeren Abständen, ein Spannungsfeld aufbauen, an der Getränkesteuer festgemacht, wobei die Wirtschaft und die politischen Parteien die Abschaffung oder den Ersatz fordern, die Abschaffung mit Ersatz, ohne Ersatz. Die Gemeinden wiederum sagen: Man kann uns nicht die Seele aus dem Leib reißen! – Wir haben viel mehr Gemeinsamkeiten, als es hier steht.

Ich möchte überhaupt fragen: Wo ist der Urlauber zunächst Gast? Entweder in einem Haus, einem Hotel oder einer Pension – oder in einem Ort. Fragen Sie ihn! Das sind die ersten Bezugspunkte jedes Gastes. Entweder bin ich im Ort XY oder im Haus Sowieso.

Meine Damen und Herren! Folgendes möchte ich als kommunaler Sprecher des Hohen Hauses wirklich unterstreichen: Man stelle sich in Österreich die regionale politische Situation vor, wenn es den Tourismus nicht gäbe. Wo wären die Arbeitsplätze in den Bergen, in den Tälern, in den Alpen? Wie wäre die Situation, zum Beispiel hinsichtlich der Abwanderung in die Ballungszentren? Man sieht: Der Tourismus hat regionalpolitisch, infrastrukturpolitisch eine ungeheuer große Bedeutung. Es ist ganz sicher so, daß unsere Bevölkerung nicht jenes hohe Angebot an Infrastruktur hätte, das sie derzeit vorfindet, ob es nun Erholungseinrichtungen, Sport- oder Kultursäle sind, Hallenbäder oder Pisten oder Loipen, wenn es den Tourismus nicht gäbe. Denn


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dieser finanziert das alles mit! Wir haben also dadurch eine hohe Qualität der Infrastruktur. (Beifall bei der ÖVP.)

Nehmen wir den nächsten Bereich, die Ortsbildpflege, die Umwelt und die Kultur. Jeder Ort hält sehr viel auf sein Ortsbild. Der Eintritt, sozusagen die "Rezeption" des Ortes, ist das Ortsbild. Ich glaube daher, daß die 25jährige Tätigkeit des Gemeindebundes, die mit der Unterstützung der Wirtschaftskammer, des Wirtschaftsministeriums und der Österreich-Werbung für die Prädikatisierung von 1 500 Gemeinden zu umwelt-, tourismus- und kulturpolitischen Herzeigegemeinden erfolgt ist, damit schon Meilensteine gesetzt hat, die nur gemeinsam erreicht werden konnten.

Auf die Arbeitsplätze bezogen: Unser Fremdenverkehrssprecher Puttinger hat schon auf 160 000 Mitarbeiter hingewiesen – auch Peter hat es angesprochen –, dazu kommen 11 000 Lehrlinge, erfreulicherweise die meisten davon in der Steiermark. Also in 77 000 Betrieben – ohne die dem Tourismus nahestehenden – 160 000 bis 170 000 Menschen zu beschäftigen, ist schon eine beachtliche Sache!

Ich glaube daher sagen zu können, daß es eine Beziehung gibt: Tourismusbetrieb beziehungsweise Tourismuswirtschaft und Tourismusgemeinde. Diese beiden sind natürliche Partner, und wenn einer von beiden nicht vorhanden ist oder nicht den Anforderungen eines kritischen Gastes entspricht, wird der Tourismus nicht jene Bedeutung haben können, die er hat. Daher sollen wir und müssen wir aufeinander Rücksicht nehmen, und ich bin sehr froh darüber, daß durch das Finanzausgleichsgesetz einmal zumindest bis zum Jahre 2000 auch die Gemeinden durch die Beschlüsse dieses Hauses Sicherheit für ihre Budgets haben. Ich bin sehr froh darüber, weil dadurch Unsicherheit genommen und Optimismus gegeben wird! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny .)

Ich komme zum Schluß und darf den letzten Teil ansprechen. Österreich ist nicht nur von der Natur und von den freundlichen Menschen her – und das ist nach wie vor der höchste Wert im Tourismus – ... (Abg. Dr. Khol: Vor allem in der Steiermark!)

Alle zusammen! Da bin ich schon Österreich-Patriot genug, um – trotz Erzherzog Johann – zuzugeben, daß alle Länder schön sind, die Steiermark wohl aber ein besonders schönes Land ist! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Klubobmann Khol! Ich glaube, die Erfahrung hat auch gezeigt, ebenso wie die mutigen Männer, die vom Sport, die vom Tourismus als Bürgermeister kommen, entscheidungsfähige Landesregierungen, entscheidungsfähige Bundesregierungen, welche Bedeutung der Spitzensport und die Großveranstaltungen für den Tourismus und für das Urlaubsland Österreich haben. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Österreich-Ring!) Ich zähle nur auf: die Olympiaden, die Weltcups, die Weltmeisterschaften. Wir dürfen 1999 die Nordische in Ramsau erleben. Es bewirbt sich jetzt St. Anton für das Jahr 2001 oder 2003 um die Durchführung der Alpinen Weltmeisterschaft.

Wir als Steirer, als Grazer haben mit der Steiermark für 2002 hervorragend, nämlich als fünfter von neun, bei erster Kandidatur um die Olympiade abgeschnitten. Das ist immerhin eine große Leistung! Es bemühen sich die Kärntner Freunde, die Salzburger und die Tiroler um diese große Herausforderung. Jeder will, daß das bei ihm stattfindet. Das Wichtigste ist natürlich, daß wir sie überhaupt in unser Land bekommen. Ich trete daher dafür ein, daß alle befaßten Stellen des Sports, der Wirtschaft, der Politik und insbesondere auch des Tourismus an einem Strang ziehen, damit wir der großen Konkurrenz auch als Sieger begegnen und diesen Kongreß gewinnen können!

Ich halte es für eine lohnende und große Aufgabe, uns um diese großen Termine, ob es Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele sind, zu bemühen und das zum Erfolg führen zu können. Ich bitte Sie daher um Ihre Unterstützung! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte dazu noch etwas sagen. Mit der Durchführung der Special Olympics haben wir auch eine soziale Komponente in die Gesellschaft gebracht. Dabei geht es uns nicht vordergründig


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darum, daß es auch wirtschaftlich interessant ist. Es geht uns darum, daß über ein Sportthema für die behinderten Menschen in der Gesellschaft ein Tor aufgemacht wird, daß durch die Überreichung von olympischen Medaillen und wenn das olympische Licht brennt, ganz einfach auch die Seele des Österreichers erkannt und angesprochen wird. Damit ist der Wunsch verbunden, daß in diesem Land, in einem Land der Hoffnung, diese Flamme weiter brennen möge, sowohl für geistig behinderte Menschen, als auch für die großen Herausforderungen unserer Zeit, im Tourismus und im Sport. Und in diesem Sinne sehe ich der Entwicklung sehr positiv entgegen! (Beifall bei der ÖVP.)

19.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.08

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte mich heute noch einmal mit dem Bundesstraßenfinanzierungsgesetz beschäftigen und mit dem Abstimmungsverhalten meiner Tiroler Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen. Es gibt einen Beschluß des Tiroler Landtages vom 12. Oktober 1995. Damals gehörte dem Tiroler Landtag auch noch die jetzige Frau NR-Abgeordnete Horngacher an.

Dieser Beschluß des Tiroler Landtages wurde einstimmig gefaßt, und zwar in folgendem Wortlaut: Es wird beantragt, der Landtag wolle beschließen: Der Tiroler Landtag spricht sich gegen die Einführung einer Vignette in der derzeit vorgeschlagenen Form aus. Eine Überlagerung von zwei Mautsystemen verschärft die Verkehrsprobleme in unserem Lande.

Ein vom Bund initiiertes neues Mautsystem kann aus Tiroler Sicht nur dann akzeptiert werden, wenn es sich am Prinzip der Kostenwahrheit orientiert und keine Verlagerung des Verkehrs auf die Bundes- und Landesstraße und somit eine zusätzliche Verkehrsbelastung für die Tiroler Bevölkerung auslöst.

Das ist ein einstimmiger Beschluß des Tiroler Landtages. Aber die Abgeordneten der Österreichischen Volkspartei und der Sozialistischen Partei haben nicht im geringsten daran gedacht, sich an diesen einstimmigen Landtagsbeschluß zu halten.

Weiters hat der Tiroler Landtag am 21. März 1996 beschlossen: "Die Landesregierung wird aufgefordert, durch das zuständige Regierungsmitglied umgehend Gespräche mit den Bundesstellen aufzunehmen, um ein für Tirol akzeptables Mautsystem im Sinne der Landtagsentschließung vom 12. Oktober 1995 sicherzustellen."

Der zuständige Referent in der Tiroler Landesregierung, Landesrat Lugger, hat daraufhin sofort versucht, einen Termin bei Herrn Bundesminister Ditz zu bekommen. Er hat auch einen Termin gewährt bekommen, nur wurde dieser Termin dann abgesagt. Doch der Abgeordnete Lukesch erdreistet sich, hier herauszugehen und sich darüber lustig zu machen, daß sich der Herr Landesrat für Verkehr Dr. Lugger mit dem falschen Minister ins Einvernehmen gesetzt hat, obwohl ihm der zuständige Minister kurzfristig den Termin abgesagt hat. Er ging aber trotzdem ins Ministerium, sprach dort mit dem zuständigen Ministerialbeamten, aber der Erfolg war gleich null.

Wie Sie mit Beschlüssen seitens der Tiroler Landesregierung umgehen, zeigt die Stellungnahme des Landes Tirol zum Bundesstraßenfinanzierungsgesetz. In dieser Stellungnahme des Landes Tirol zur zeitabhängigen Maut, sprich Pickerl, Vignette, sagt der Tiroler Landtag beziehungsweise die Tiroler Landesregierung, daß folgende Probleme auftauchen: massive Ausweichfahrten vor allem des touristischen Verkehrs, Schädigung des Tourismus wegen der nicht vorhandenen Akzeptanz, Imageverlust für Österreich, was sich für ein Tourismusland wie Tirol besonders negativ auswirkt.

Aus den angeführten Gründen wird die im Entwurf vorgesehene Einführung einer zeitabhängigen Maut ab 1. Jänner 1997 in der derzeitigen Form entschieden abgelehnt – einstimmig von der Tiroler Landesregierung! Hier aber kommen die Abgeordneten von der sozialistischen


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Fraktion beziehungsweise von der Österreichischen Volkspartei herunter, sagen etwas ganz anderes als auf Landesebene und stimmen einstimmig für die Einführung der Vignette – gegen einen einstimmigen Beschluß im Tiroler Landtag.

Der Herr Klubobmann Andreas Khol, der auch die Stellungnahme des Landes Tirol übermittelt bekommen hat, schrieb dem Herrn Landesrat Lugger zurück: Ich teile Ihnen hiermit mit, daß ich für dieses Gesetz stimmen werde zur Wahrung der wohlverstandenen Interessen meiner Tiroler Landsleute. Ich habe mich daher Ihren Überlegungen nicht angeschlossen (Zwischenruf des Abg. Dr. Mock ) – Herr Dr. Mock, den Überlegungen des Tiroler Landtages – beziehungsweise dem einstimmigen Regierungsbeschluß, sondern stelle meine eigenen als Abgeordneter zum Nationalrat an, die ich Ihnen darlegen darf. Was die Entschließung des Tiroler Landtags betrifft, so ist Ihnen, sehr geehrter Herr Landesrat, sehr wohl bewußt, daß es sich in dieser Angelegenheit um eine Bundesangelegenheit handelt. – Zitatende.

Also mischt euch gefälligst in Länderangelegenheiten nicht hinein! – Das ist die Vorgangsweise der Österreichischen Volkspartei bei der umstrittenen Einführung einer Mautvignette. Aus Tiroler Sicht ist dem nichts mehr hinzuzufügen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort ist Herr Abgeordneter Kiermaier gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.13

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Anliegen betrifft jene Unternehmer, die, so wie ich, in einer Zeit ihre Betriebe übernommen haben, in der wahrscheinlich andere Denkmuster und Rahmenbedingungen Gültigkeit hatten. Auch wenn sich seither vieles gut entwickelt hat, so muß heute doch festgehalten werden, daß damals der einzelne Unternehmer doch wesentlich mehr gestalten konnte als heute; von seinen Initiativen hing in erster Linie die Richtung ab, in welcher sich sein Betrieb entwickelte. Heute sind die Horizonte völlig anders, vor allem durch den Beitritt zur EU, die Öffnung des Ostens und die angespannte Situation der europäischen Staatshaushalte und so weiter. Im Streben nach griffigen Schlagzeilen leisten die Medien eine nicht gerade sehr positive Arbeit, sondern verbreiten eine Stimmung, die der Wirtschaft sehr oft zum Nachteil gereicht. Das muß man auch einmal sagen. (Abg. Dr. Mock – Beifall spendend –: Er hat Courage!)

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß es, wie Kollege Puttinger hier schon erwähnt hat, zweistellige Raten waren, die die Presse im negativen Sinn prognostiziert hat. Das kann nicht gut sein, das ist zum Nachteil der Branche.

Ich möchte aber auch auf die Ausführungen meines Vorvorredners, des Bürgermeisters Hermann Kröll, Bezug nehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schön, wenn ein Bürgermeister weiß, was seine Wirte wert sind. Mir als Gastwirt hat es wohl getan, einmal einen Bürgermeister so reden zu hören. Ich glaube auch, daß es die Partnerschaft ist, die viel zuwenig gepflegt wird, und zwar die Partnerschaft zwischen dem Gemeindeoberhaupt und seinen Gastwirten. Einer braucht den anderen, und einer muß dem anderen entgegenkommen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es wäre auch sehr wichtig, daß wir den Unternehmern und den Unternehmerinnen mehr Mut zu offensiver Arbeit und zu offensiver Gestaltung ihrer Betriebsführungen machen. Die Defensivstimmung hat zu stark um sich gegriffen, die Negativpropaganda ist keine gute Sache.

Ich möchte aber vor allen Dingen auf einen Punkt verweisen, der, wie ich glaube, sehr wichtig ist. Wir wissen alle, daß die Exportquoten in unserem Land international gesehen zu niedrig sind. Man unternimmt in erster Linie Bestrebungen bei den großen Betrieben. Aber auch die kleinen und mittleren Betriebe müßte man viel mehr an den Export heranbringen. Es ist sehr oft eine gewisse Scheu der Grund dafür: Kleine Betriebe trauen sich nicht, den Schritt nach Europa zu machen, sie haben auch keine firmeneigenen Strukturen, die dafür notwendig sind, sie haben


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keine Außenhandelsabteilung, dort sind eher biedere, einfache Handwerker oder Produzenten am Werk. Diese müßten viel stärker dazu gebracht werden, daß sie den Schritt nach Europa wagen und die Märkte, die dort für uns offen sind, nutzen. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Abg. Dr. Mock .)

Ich möchte mich auch nicht in der Frage der Berufsausbildung zurückhalten. Es kommt in Kürze der Berufsausbildungsbericht ins Haus, ich werde dazu dann relativ viel sagen. In diesem Bereich ist Umdenken ganz, ganz wichtig, es müssen neue Wege gegangen werden! Laut Berufsausbildungsbericht sind die Facharbeiter und die Lehrlinge entsprechend aufzuwerten. All diese Dinge sind wichtig. Gute und motivierte Unternehmer waren zuerst Lehrlinge, daher müssen sie sich wohl fühlen, sie müssen in dieser Richtung etwas zustande bringen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Koppler: Bravo!)

Es ist auch wichtig, daß wir die Verwaltungsvereinfachung stark vorantreiben – aber nicht nur, damit die öffentliche Hand weniger Arbeit hat, sondern auch damit die Betriebe weniger Verwaltungsarbeit zu leisten haben. Der Handwerker gehört in die Werkstatt, und der Wirt gehört in die Gaststube, und der Kaufmann gehört in sein Geschäft und nicht alle ununterbrochen an den Schreibtisch. Das ist ein großes Problem, das wir haben! (Beifall der Abg. Dr. Mock und Rossmann .)

Meine Damen und Herren! Auch ein nicht unwesentliches Problem ist die Übergabe von Betrieben vom Vater auf den Sohn oder vom Vater auf die Tochter. Sehr oft wird da seitens der Behörde lange zugeschaut, und dann bekommt der neue Unternehmer eine Beschau, und dann werden ihm Dinge vorgeschrieben, die er einfach nicht erfüllen kann. Sehr oft kommt es dann vor, daß der Jungunternehmer sagt: Das, bitte, tue ich mir nicht an! Wenn ich das alles auf einen Schlag neu machen muß und bevor ich so viele Kredite aufnehme, mache ich mich besser nicht selbständig, dann lasse ich das Ganze sein! So gehen oft gute, traditionelle Betriebe, die auch einen guten Standort haben, leider Gottes verloren. Das sollten wir zu verhindern versuchen. (Beifall des Abg. Dr. Mock .)

Eine Bemerkung noch zum Schluß: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Immer wieder wird die Abschaffung der Getränkesteuer reklamiert. Ich glaube auch, daß dies wichtig ist. Ich bekenne mich auch voll dazu, das ist überhaupt keine Frage. Es ist aufgrund der internationalen Wettbewerbsbedingungen ganz einfach notwendig. Aber ich möchte noch sagen – um noch einmal auf die Partnerschaft zwischen Gemeinde und den Gastwirten zu sprechen zu kommen –: Ich glaube, solange wir keine dementsprechend gut fundierte Finanzierung für die Gemeinden haben, müssen wir aus Solidarität mit den Gemeinden mit der Abschaffung der Getränkesteuer, die wir alle nicht wollen, noch zuwarten. Das ist, glaube ich, seriöse Politik, derer sollten wir uns befleißigen.

In diesem Sinne bin ich überzeugt davon, daß wir mit diesen beiden Budgets einen Weg gehen werden, der für dieses Land von großem Vorteil sein wird. Es ist keine leichte Zeit. Aber dieses Land, dieses Österreich hat schon so viele Probleme gemeistert, daß ich felsenfest davon überzeugt bin, daß wir auch diese Situation, die auch international, europaweit keine leichte ist, mit unserem Fleiß und mit unserem festen Glauben an die Zukunft meistern werden. – Ich danke Ihnen schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Preisinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.20

Abgeordnete Dr. Susanne Preisinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Das Polittheater und das Koalitionsgeplänkel um die eigenartige Geldbeschaffungsaktion Maut haben vergangenen Freitag hier in diesem Hohen Haus wieder ein unrühmliches Ende gefunden, wie schon sooft vormals. Die Einführung der Maut geht wieder zu Lasten der Bevölkerung und führt zu einem weiteren finanziellen Kahlschlag in den Kassen und Geldbörsen der Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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17. Sitzung / Seite 358

Es war wirklich ein großkoalitionäres Spektakel und ein Theaterstück. Ich rufe in Erinnerung: Im November 1994 hat der Verkehrsminister von der SPÖ der Bevölkerung verkündet, daß er die Straßenbenützung pönalisieren will. Der Minister wörtlich: "Wir werden auch in Österreich ein modernes System zum Abcashen einsetzen." – APA-Meldung vom 28. November 1994.

Daraufhin geht es in die zweite Runde: Im Frühjahr 1995 erklärt der neue Wirtschaftsminister Ditz von der ÖVP, daß das alles für ihn nicht in Frage kommt. Ditz wortwörtlich: "Mautpläne haben für mich absolut keine Priorität. Mit der Erhöhung der Mineralölsteuer ist ohnehin ein Schritt in Richtung Ökologie und Belastung erfolgt. Man muß wissen, was zumutbar ist."

Herr Minister! Ich frage Sie definitiv: Wissen Sie es jetzt nicht mehr? Haben Sie dieses Wissen mittlerweile verloren? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weiters Ditz wörtlich zu den Road-Pricing-Plänen des sozialistischen Amtskollegen: "Von mir hören Sie keine Ankündigung in diese Richtung." – "Kurier", vom 30. April 1995. Sie, Herr Minister, haben allen Ernstes hier noch im Herbst vorigen Jahres, schon die Neuwahlen im Auge und in Sicht, von der Regierungsbank aus erklärt, daß Sie das Zauberwort "Road-Pricing" schon nicht mehr hören können. Wir alle konnten es mit eigenen Ohren hören. (Ruf bei den Freiheitlichen: Mußten es hören!)

Wie geht es weiter? Die Wahlen sind vorbei, die große Koalition ist wieder da. Es folgt ein Mautgipfel, eine Maut in Form von Pickerl und Road-Pricing steht ins Haus.

Das Theater geht weiter: Obwohl die Koalition offensichtlich wieder in Eintracht ist und die Welt wieder in Ordnung, verfällt der sozialistische Wiener Bürgermeister Häupl auf die glänzende und rasend gute Idee, das schon hinlänglich bekannte Spiel der Opposition in den eigenen Reihen und in der Koalition, aufs neue zu beginnen, und erklärt, er werde sogar den Verfassungsgerichtshof anrufen und zum Verfassungsgerichtshof gehen, wenn die Wiener Stadtautobahnen bemautet werden sollten – das, obwohl er in sämtlichen Bundesparteigremien der SPÖ diesem Sparpaket oder, besser gesagt, Belastungspaket samt Maut zugestimmt und sich dort offensichtlich überhaupt nicht zu Wort gemeldet hat. Da war es ihm egal! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber nachher war er natürlich dagegen, denn so etwas läßt sich in den Medien gut verkaufen.

Die Krone setzt er dieser Sache dann in einer Tageszeitung, und zwar am 16. März 1996 auf, als er großartig erklärte: Finde Mehrheit im Parlament gegen Maut. – Das ist nachzulesen.

Meine Damen und Herren! Wir wissen seit Freitag voriger Woche sehr genau, wie diese Mehrheit aussieht. Die Koalitionseintracht ist offensichtlich wiederhergestellt. Entweder ist das ein klassischer Versager des Wiener Bürgermeisters – oder eine bewußte Täuschung der Bevölkerung. Ich sage dazu nur: Für die Bevölkerung selbst ist das in Summe völlig gleichgültig, denn es bleibt für die Bevölkerung das gleiche klägliche Ergebnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich zum Abschluß – auch mir ist die Zeit bemessen – noch einen Entschließungsantrag zu diesem Thema einbringen. Neben einer Reihe anderer Ungereimtheiten bringt die Einführung der Pickerlmaut besondere Nachteile für Besitzer von Fahrzeugen mit Wechselkennzeichen, die nach derzeitigem Stand für jedes Fahrzeug ein eigenes Pickerl benötigen, obwohl ja jeweils nur ein Fahrzeug benützt werden kann. Laut Berechnungen macht das bei ungefähr 80 000 Wechselkennzeichenbesitzern eine lukrative Mehreinnahme von 44 Millionen Schilling pro Jahr aus.

Die Abgeordneten Dr. Preisinger, Rosenstingl und Kollegen stellen daher nachstehenden Antrag:

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:


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"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, bei der beabsichtigten Einführung der Mautvignette dafür Sorge zu tragen, daß Besitzer von Wechselkennzeichen die Maut nur einmal entrichten müssen." (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.25

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist natürlich toll, wenn man sich hier hinausstellt und gegen die Maut wettert, weil alle finanziellen Belastungen von der Bevölkerung natürlich negativ aufgenommen werden, und wenn man auf diesen populistischen Zug aufspringt, dann erntet man natürlich Zustimmung. Man hat aber dabei, Frau Kollegin Dr. Preisinger, nicht weiter gedacht, als die Nase lang ist. Denn: Die Mautdiskussion war natürlich durch das Diktat der leeren Kassen bestimmt, keine Frage, und das Wirtschaftsbudget wurde im Hinblick auf die leeren Kassen natürlich bedauerlicherweise umso mehr zurückgestutzt, als keine baulichen Maßnahmen mehr möglich waren. Wenn man weiß, daß die österreichische Konjunktur sehr wohl sehr wesentlich von Baumaßnahmen abhängig ist, dann weiß man auch, wie dringend notwendig wir diese Einnahmen aus der Maut brauchen, um eben konjunkturell stabilisierend und ankurbelnd wirken zu können.

Die Ausgaben am Bau, Frau Kollegin Preisinger – und daraus können Sie erkennen, wie notwendig es ist, daß Geld dort hineinfließt –, haben einen enorm hohen Multiplikatoreffekt. Es sind jene Ausgaben von Steuergeldern, die sich im Wirtschaftsgefüge multiplizieren und verdoppeln. Beim Hochbau erreicht der Multiplikatoreffekt überhaupt den höchsten Wert von allen Staatsausgaben, nämlich 2,3. Das heißt, jeder Steuerschilling, der in den Hochbau fließt, multipliziert sich auf dem Markt, im Wirtschaftsgefüge mit 2,3. Ich gebe schon zu, beim Straßenbau ist dieser Multiplikatoreffekt nicht so hoch. Ich bin aber sehr froh darüber, daß die 33-Milliarden-Projekte, die beim Baugipfel beschlossen wurden, über das neue Finanzierungsgesetz auch in Angriff genommen werden können.

Die Zurückhaltung der öffentlichen Hand bei den Bauausgaben hat nicht zuletzt zur bekannten Krise in der Bauwirtschaft geführt und diese außerdem verschärft. Daher begrüße ich das neue Finanzierungssystem in Form der Maut, auch wenn es mir schwer fällt. Ich glaube, daß es richtig ist, daß wir diesen Weg gehen.

Ich glaube auch, daß wir uns den modernen Methoden, wenn sie technisch ausgereift sind, in Hinkunft nicht verschließen dürfen und zu einem kilometerabhängigen Road-Pricing-System irgendwann in mittlerer Zukunft werden kommen müssen, denn das Mautpickerl alleine ist nicht ausreichend, wenn es um die Finanzierung der österreichischen Infrastruktur geht.

Bedauerlicherweise – und das schmerzt mich als Unternehmerin sehr – haben wir in Österreich zuwenig Betreibermodelle, zuwenig privat finanzierte Infrastruktur. Es ist so, daß wir in Österreich mit dieser Finanzierungsform so gut wie überhaupt nicht umgehen können; es gibt sie fast nicht. Ein positives Beispiel möchte ich nennen: Das ist die BIG, wo man über ein Betreibermodell zu mehr Bauvolumen gekommen ist. Das ist lobend zu erwähnen: Aber es ist nicht wirklich ein privat finanziertes Modell.

Daß wir in Österreich im Bereich der Infrastruktur keine Betreibermodelle kennen, und zwar sowohl im Bereich der Verkehrsinfrastruktur als auch in den Bereichen Abwasser, Entsorgung, E-Wirtschaft et cetera, und daß wir da diese Modelle nicht nützen, ist ein Nachteil für den Wirtschaftsmarkt im Inland, weil dadurch natürlich Kapital nicht verfügbar ist. Aber – etwas, was bisher viel zuwenig beachtet worden ist – es schadet uns diese mangelnde Erfahrung auch beim Export.


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Wir erleben derzeit, daß rund um uns, in unseren Nachbarländern zum Beispiel Infrastrukturprojekte wie zum Beispiel Abwasseranlagen, Kläranlagen, Kanalbau, Kraftwerksbau, Straßenbau et cetera über privat finanzierte Betreibermodelle errichtet werden und daß die österreichische Wirtschaft bedauerlicherweise dort nicht die Nase vorn hat, weil wir diese Modelle nicht wirklich beherrschen. Diesbezüglich sind Franzosen, Spanier, Italiener immer eine Nasenlänge voraus.

Ein positives Beispiel, das meine Theorie widerlegt, ist die M-1-Autobahn nach Budapest, wo ein österreichisches Konsortium gemeinsam mit den Franzosen sehr wohl ein Betreibermodell durchgezogen hat und damit erfolgreich war.

Ich glaube daher, daß wir uns in Hinkunft verstärkt dieser neuen Finanzierungsform, die auch alle Entwicklungsbanken fordern, zuwenden und daß wir unsere auch mittelständische Wirtschaft darauf vorbereiten müssen. Es geht nicht an, daß die Mittelständler im Infrastrukturbau sehr wohl genau wissen, wie man zu Bundesgeldern, zum Wasserwirtschaftsfonds kommt, wie man mit den Landesgeldern et cetera umgeht, daß sie aber nicht wissen, wie man Betreibermodelle anbietet und angeht. Ich glaube, daß es für die Exportwirtschaft ein gravierender Nachteil ist, daß wir das nicht perfekt beherrschen. Da haben wir Nachholbedarf. Mit der privaten Finanzierung von Infrastrukturen können nämlich nicht nur die bereits überlasteten öffentlichen Haushalte entlastet werden, sondern es gibt auch eine Vielzahl von Nebeneffekten, wie zum Beispiel Risikoübernahme weg von der öffentlichen Hand hin zu den Privaten bei Planung, Bau und Finanzierung und – wie das niedersächsische Modell zeigt – eine Kosteneinsparung von 10 bis 20 Prozent. Dort gibt es bereits über 80 Betreibermodelle im Abwasserbau.

Herr Minister! Das war nur eine Anregung im Hinblick auf eine neue Art, öffentlich finanzierte Infrastrukturmaßnahmen ein bißchen näher an die Privatwirtschaft zu bringen.

Ich habe aber am Schluß meiner Rede eine ganz konkrete Bitte an Sie, Herr Minister. Es betrifft die Bürokratie und den Vollzug der Gesetze. Derzeit geht die größte Kritik der Wirtschaft im Hinblick auf ihre Belastungen hauptsächlich in Richtung Bürokratie, deren Schwerfälligkeit und – ich muß das bedauerlicherweise hier sagen – deren gelegentliche Wirtschaftsfeindlichkeit. Es ist mir bewußt, daß wir hier im Parlament die Gesetze machen, die dann von der Bürokratie vollzogen werden müssen. Es wäre aber der Wirtschaft schon besonders geholfen, wenn die Bürokratie klare Prioritäten hätte, bei einem Ermessensspielraum immer auf der Seite der Arbeitsplätze und der Wirtschaft zu stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es könnte im Rahmen der geltenden Gesetze mit Sicherheit wesentlich wirtschaftsfreundlicher in der Verwaltung zugehen. Herr Minister! Ich ersuche Sie daher, Prioritäten zu setzen für den Wirtschaftsstandort Österreich, für die Arbeitsplätze, indem Sie Ihre Dienststellen anweisen, bei behördlichem Ermessensspielraum immer auf der Seite der Wirtschaft zu stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Blünegger. Ich möchte vorsorglich darauf hinweisen, die Redezeit beträgt nur zwei Minuten. – Bitte.

19.35

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geschätzter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Bundesminister! Mein Auftritt vorige Woche in meinem Schlosseranzug hat genau das dokumentiert, was in der heutigen Budgetdebatte wieder passiert: Die Bundesregierung, die Abgeordneten der Regierungsparteien werden diesem Budget zustimmen und damit Arbeitsplätze vernichten. (Abg. Dr. Mertel: Wegen des Schlosseranzuges?) Sie werden diesem Budget zustimmen und damit Arbeitsplätze vernichten, denn Sie kennen ja nicht einmal die indirekten und die negativen Folgen, die noch nicht zur Gänze abzuschätzen sind. Diese heutige Budgetdebatte war nach meinem Dafürhalten eine Schlagwortdebatte, das hat sich schon allein durch die Wortmeldung des Präsidenten der Bundeswirtschaftskammer Ing. Maderthaner gezeigt, der nur die Gefahr der Insolvenzen aufgezeigt hat. Wenn das keine Gefahr ist, wenn heuer die größte Pleitewelle der Nachkriegszeit erfolgt ist, und schon 2043 Insolvenzen über die Bühne gegangen und dadurch 63,1 Milliarden Schilling an


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Passiva verlorengegangen sind, wenn das keine Katastrophe ist, dann frage ich Sie, meine sehr geschätzten Damen und Herren, ob wir noch in derselben Welt leben.

Wenn Herr Abgeordneter Peter gemeint hat, daß er die Lohnnebenkosten senken will, dann soll er mir zuerst einmal sagen, welche Lohnnebenkosten er senken will. Denn der 13. Und 14. Gehalt sind keine Lohnnebenkosten, sondern das ist nur ein verteilter Lohn, einmal im Sommer und einmal im Winter, und das steht den Arbeitnehmern sicherlich zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das sind keine Lohnnebenkosten. Das ist ein Einkommen, und dieses wird halt verteilt, einmal im Sommer und einmal im Winter. Und so ist es auch zu betrachten. Daher ist Österreich bestimmt nicht an den hohen Lohnkosten zu messen.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter, bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Anton Blünegger (fortsetzend): Ich darf noch einen Schlußsatz anbringen: Österreich hat sicher bei den Arbeitskosten, die 29 Prozent unter jenen Deutschlands und 25 Prozent unter jenen der Schweiz liegen, kein Problem mit der Produktivität. Wir Freiheitlichen werden diesem Budget sicher nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Marizzi. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.38

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute noch einmal einen Aufguß der Geschichte der Maut gehört haben, dann muß man feststellen: Natürlich gibt es diesbezüglich verschiedene Auffassungen, aber wir sind der Meinung, daß mit dieser Maut ein wesentlicher Ankick in der Bauwirtschaft passiert, und das ist uns gerade jetzt sehr wichtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir in dieser Budgetdebatte über die Wirtschaft reden, dann muß man auch die über positiven Seiten der österreichischen Wirtschaft reden. Ich glaube, es ist nicht sinnvoll, krankzujammern, es ist auch nicht sinnvoll, gesundzubeten, sondern es sollen einmal die Fakten sprechen. Herr Prinzhorn ist jetzt nicht da, aber Herr Haigermoser hat heute Herrn Barazon von den "Salzburger Nachrichten" zitiert. Da schreibt Frau Margarete Freisinger in den "Salzburger Nachrichten": "Vom Sanierungsfall zum Börsenstar."

Wenn heute jeder vierte VOEST-ALPINE-Stahlarbeiter Aktien des Unternehmens besitzt, dann ist das ein großer Vertrauensbeweis in dieses Unternehmen, vor allem in die österreichische Wirtschaft. Die VOEST-ALPINE-Industrieanlagenbau steigerte ihren Gewinn beachtlich. Wie man den Medien entnimmt, ist jetzt ein großer Auftrag aus Saudi-Arabien mit 9 Milliarden Schilling an Land gezogen worden. Darauf können wir stolz sein. Vor einiger Zeit haben manche gesagt, aus diesen Betrieben sollte man Museen machen, andere haben vom Zusperren gesprochen. Wenn zum Beispiel die VA-Tech den Gewinn um 37 Prozent steigerte, wenn das Corex-Verfahren rund um die Welt ein "Renner" ist, dann muß man sagen: Wir sind stolz! Sie sind vielleicht nicht stolz, aber wir sind stolz. Wir wollten weder Museen daraus machen noch zusperren, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn die internationale Presse, die internationalen Investoren schreiben: "Sparpaket verbessert die österreichische Bonität," dann muß ich Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sagen: Sie sind ja genauso österreichische Abgeordnete und sollten die Wirtschaft hier vertreten und nicht immer die Wirtschaft madig machen. Damit machen Sie doch die Beschäftigten madig, meine sehr geehrten Damen und Herren von der FPÖ!

Ich habe mir heute Ihre Reden angehört, wie schlecht alles sei. Ich habe mir das heraussuchen lassen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Seien Sie ruhig da oben, jetzt rede ich, ich habe 5 Minuten Redezeit, und ich werde in diesen 5 Minuten das Optimistische, das Positive und nicht nur immer das Negative herausstreichen, wie Sie das machen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Schauen wir uns das an: BMW-Österreich wieder Rekordumsatz. Kapfenberg erhält Großauftrag von Ford. Nettingsdorfer für 1996 zufriedenstellende Ergebnisse. Umsatz- und Mitarbeiterplus bei Biochemie Kundl, Heraklith-Gruppe steigert Umsatz um 27 Prozent. BauMax: 1996 wird das stärkste Expansionsjahr. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Weiters: Nestlé Österreich mit überdurchschnittlichem Umsatzplus. Österreichische Industrieproduktion im November 1995 gestiegen. Unisys-Österreich: 1995 und 1996 mehr Umsatz. Die steirische Industrie entwickelt sich überdurchschnittlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich gibt es da und dort schwarze Schafe. Ich komme auch dazu. (Abg. Aumayr: Den "Konsum"!)

Es gibt positive Ansiedlungsprojekte: BMW, Siemens, General Motors. Wenn man bedenkt, daß Siemens ins Bauelementwerk in Villach 3,5 Milliarden Schilling investiert, wo wir wieder Chancen für Forschung, für Entwicklung, für zusätzliche Beschäftigung haben, dann muß ich eines sagen, Herr Bundesminister: Sicherlich fördert der ERP-Fonds Betriebe mit ungefähr 5,8 Milliarden Schilling im Jahr. Davon gehen 75 Prozent in die Industrie.

Herr Bundesminister! Jetzt möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen, Sie kennen sie. Da gab es das stolze Werk Brevillier-Urban im Bezirk Neunkirchen. Damals hatte es 1 700 Beschäftigte. Dann hat ein bulgarischer Eigentümer, da Brevillier-Urban in Schwierigkeiten war, den Betrieb übernommen, er hat 30 Millionen Schilling Förderung vom österreichischen Staat erhalten. Nach fünf Jahren hat der bulgarische Eigentümer zugesperrt. Jetzt will der bulgarische Eigentümer für die 60 000 m² Grund 160 Millionen Schilling. Die Maschinen gingen ins Ausland, nach Ungarn oder sonstwohin, die Beschäftigten wurden hinausgeschmissen. Der österreichische Staat war sehr großzügig.

Herr Bundesminister! Sie sind selbst aus diesem Bezirk, und ich sage das deshalb, weil Sie jetzt reklamieren und sagen, Sie wollen alle Förderungen bei Ihnen zusammenfassen. Das sollten wir uns aber in Zukunft überlegen. Wenn wir nämlich bei den Förderungen großzügig sind und die Unternehmen sich an die Förderungsrichtlinien halten, schließen sie ihren Betrieb nach fünf Jahren, schmeißen die Leute hinaus und betreiben dann Grundstückspekulationen. Zuerst aber gibt die öffentliche Hand. Herr Bundesminister! Wenn wir beide das in Bulgarien machen würden, dann wären wir sicher woanders, als hier im Parlament, wir wären irgendwo in einem "Hotel" mit Stäben.

Herr Bundesminister! Daher glaube ich, daß es notwendig ist, daß wir in bezug auf die Wirtschaftsförderungen nach dieser Budgetdebatte entsprechende neue Richtlinien haben. Denn es kann nicht so sein – das betrifft auch teilweise Semperit-Traiskirchen, das trifft die Neunkirchner Schraubenwerke und das betrifft auch die Euroquarz in Ternitz, wo beträchtliche Förderungsmittel gegeben worden sind –, daß dann letztendlich dann die Betriebe ihre Produktionen in nahegelegene andere Länder verlagern.

Zum Schluß kommend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Bei der gesamten Wirtschaftsdebatte freut es mich, daß man quer durch die Parteien der Meinung ist, daß der Lehrling seinen Stellenwert hat, daß der Facharbeiter seinen Stellenwert hat. Die österreichische Wirtschaft lebt von den Facharbeitern. Lassen wir auch die Facharbeiter von der österreichischen Wirtschaft leben! Es ist notwendig, daß wir demnächst über einen gemeinsamen Arbeitnehmerbegriff hier in diesem Parlament diskutieren, daß wir über die neue Lehrlingsausbildung diskutieren. Ich glaube, das ist sinnvoll, denn in den Lehrlingen und in den Facharbeitern liegt auch ein Teil der Zukunft Österreichs. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Koppler. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Meisinger: Privilegienritter! Dienstwagen – und was noch?)

19.45

Abgeordneter Erhard Koppler (SPÖ): Aber nicht vom Steuerzahler! – Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Prinzhorn – er ist


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17. Sitzung / Seite 363

leider Gottes jetzt nicht hier – hat mit der Problematik der Arbeitsplatzsituation begonnen, und Kollege Blünegger hat damit aufgehört, daß er auch die Problematik der Arbeitsplatzsituation dargelegt hat. Ich glaube, das Arbeitsplatzproblem ist zu ernst, als daß man hier polemisch politisches Kapital daraus schlagen sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin stolz darauf – und Sie wissen, daß ich aus dem Bezirk Linz-Stadt komme –, daß wir in den letzten fünf Jahren zwar 10 000 Industriearbeitsplätze verloren, aber in derselben Zeit 20 000 neue Arbeitsplätze geschaffen haben. Die Freiheitlichen haben dazu aber überhaupt keinen Beitrag geleistet! (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Meisinger .)

Lieber Kollege Meisinger! Du bist kein Linzer, du pendelst nur nach Linz ein. Du hast einen sicheren Arbeitsplatz, und ich hoffe, du hast noch lange diesen sicheren Arbeitsplatz, denn du bist ein Mitkonkurrent von mir zur Betriebsratswahl, und seit du mit mir konkurrierst, haben wir die besten Betriebsratswahlergebnisse. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe des Abg. Meisinger .) Ich hoffe, daß du noch sehr lange einen sicheren Arbeitsplatz hast und noch sehr lange bei der Betriebsratswahl kandidierst.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bezüglich des Budgetkapitels Soziales hat bereits letzte Woche mein Kollege Nürnberger im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes auf die Lehrlingsproblematik hingewiesen. Ich bin sehr froh darüber, daß auch in der heutigen Diskussion schon einige Abgeordnete die besondere Problematik der Lehrlinge angesprochen. Angesichts der besonderen wirtschaftlichen Bedeutung beschränke ich mich in meinem Beitrag zum Budgetkapitel Wirtschaft hauptsächlich auf die aktuelle Lehrlingssituation, weil ich auch solidarisch mit meinen Kollegen sein möchte, die noch nach mir sprechen werden.

Es ist erschütternd, daß sich sehr viele Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft in Sonntagsreden immer wieder widersprüchlich zu Lehrlingsfragen äußern. Sehr verehrter Herr Bundesminister! Auch Sie haben heute zur Lehrlingsfrage Stellung genommen. Ich möchte darauf hinweisen, daß seit zwei Jahren im Industrieausschuß ein Antrag der Abgeordneten Koppler, Verzetnitsch, Nürnberger liegt (anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) , der bis heute nicht behandelt wurde, ein Antrag, in dem es darum geht, die Lehrwerkstätten zu unterstützen, die neben der eigentlichen Ausbildung zusätzliche Ausbildungen durchführen.

Ich möchte Sie ersuchen, sehr verehrter Herr Bundesminister, daß Sie uns unterstützen, daß im Industrieausschuß oder wo auch immer – das ist mir ganz egal – diese Probleme behandelt werden. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen, vor allem des Abg. Meisinger .)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich möchte schon um etwas mehr Ruhe bitten!

Abgeordneter Erhard Koppler (fortsetzend): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte an einigen Beispielen hier darlegen, daß es unterschiedliche Meinungen gibt und daß in Sonntagsreden viele zu diesem Problem Stellung nehmen. Landesrat Aichinger aus Oberösterreich appelliert in der Sonntags-"Krone" vom 21. April 1996 an die Unternehmer, sie sollten mehr Lehrlinge ausbilden. Wirtschaftskammerpräsident Nettig präsentiert ein Notprogramm in fünf Punkten und fordert eine finanzielle und soziale Schlechterstellung von Lehrlingen. Ähnlich äußert sich der Bildungschef der Wirtschaftskammer, der eine Reduzierung des Berufsschulunterrichtes fordert. Vor wenigen Wochen starteten die Interessenverbände der Unternehmer eine Imagekampagne zur Werbung von Lehrlingen.

Angesichts dieser Widersprüche ist es kein Wunder, wenn wir in der Lehrlingsfrage keinen Schritt weiterkommen. Mit Sonntagsreden lösen wir, wie ich meine, dieses Problem nicht.

Der Berufsbildungsbericht für das Jahr 1995 – auch darauf wurde schon hingewiesen – enthält eine Fülle von statistischem Datenmaterial. Gleichzeitig verweist er auf eine Reihe von Schwierigkeiten und Problemen im Zusammenhang mit der Berufsausbildung. Außer einigen Feststellungen sind keine Ansätze für Reformen und Verbesserungen der dualen Ausbildung enthalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Für die Ausbildungsbetriebe sollte meiner Ansicht nach gelten, daß keine Gießkannenförderung für Lehrberufe, die mittel


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17. Sitzung / Seite 364

fristig in die Arbeitslosigkeit führen, erfolgt. Daher sind nur jene Ausbildungsbetriebe finanziell zu entlasten, die im Sinne des von mir erwähnten Antrages durch eine ergänzende Ausbildung außerordentliche Leistungen in der Berufsausbildung erbringen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich ersuche Sie, diese Überlegungen zum Wohle unserer Jugend, zur Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit und zur Verbesserung der österreichischen Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen. – Ein herzliches Glückauf! (Beifall bei der SPÖ.)

19.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wallner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.51

Abgeordneter Kurt Wallner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Das gegenständliche Budgetkapitel berücksichtigt auch die sogenannte Bergbauförderung für die Jahre 1996 und 1997. Ich möchte als Vertreter der obersteirischen Industrieregion, in der sich auch der steirische Erzberg befindet, noch einmal herzlich dafür danken, daß die Budgets der kommenden Jahre und des laufenden Jahres auch entsprechende Mittel für die Aufrechterhaltung des Bergbaus in Österreich vorsehen.

Meine Damen und Herren! Diese Bergbauförderung dient vor allen Dingen dazu, den Standortnachteil, den der Bergbau in Eisenerz hat, auszugleichen. Sie fördert natürlich auch andere Bergbaubetriebe, die sich großteils auf dem Rückzug befinden.

Ich bin sehr froh darüber, daß Österreich schon seit 1979 diese Bergbauförderung gewährt. Wie wichtig das ist, zeigt auch die Tatsache, daß bereits im letzten Jahr die Stahlkonjunktur für den Erzabbau besonders gut genutzt werden konnte. So konnte unter anderem 1995 eine Abbaumenge von 1,9 Millionen Jahrestonnen erzielt werden, obwohl lediglich 1,3 Millionen Jahrestonnen mit der VOEST-ALPINE-Stahl vereinbart sind.

Ich komme zum Bereich ... (Abg. Schwarzenberger: Zum Schluß!) Das würdest du dir gerne wünschen, Kollege Schwarzenberger. Das war das letzte Mal schon so. Aber ich habe etwas in den Budgetunterlagen geblättert, und da die Schere so weit auseinandergeht, was die Leistungen des Staates für die Landwirtschaft und die Leistungen des Staates für die Industrie betrifft, darf ich doch bitten, hier einige Zeit im Sinne der Industrie und des Bergbaus sprechen zu dürfen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Auch die Schere zwischen den Einkommen der Bauern und der Einkommen in der Industrie geht weit auseinander!)

Meine Damen und Herren! Die österreichische Stahlindustrie hat sich in den letzten Jahren von einem Sorgenkind zu einem Börsengewinner entwickelt. Die gesamte Stahlindustrie in Österreich, vornehmlich die VOEST-ALPINE-Stahl, hat 1995 ihr bestes Jahr mit einem Rekordgewinn von 3,4 Milliarden Schilling erzielt. Als Vertreter des steirischen Bereiches darf ich anmerken, daß wir einen Gewinn von 250 Millionen Schilling erzielen konnten.

Der Börsegang ist erfolgreich abgewickelt worden, und Donawitz als Herzstück des obersteirischen Bereiches hat das beste Konzernergebnis mit 28 Prozent, was die Mitarbeiterbeteiligung betrifft, erreicht. Ich sehe das als ein großes Zeichen des Vertrauens in den Betrieb in Donawitz, in der Obersteiermark. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Für Donawitz war es aber auch eine richtige Entscheidung – wenn das manche auch nicht hören wollen, so möchte ich es doch immer wieder betonen –, daß wir die Flüssigphase erhalten konnten. Für diejenigen, die sich nicht mit diesem Bereich beschäftigt haben: Die Flüssigphase ist der Hochofen, kombiniert mit dem Stahlwerk. Daher sind wir in der Lage, unsere eigenen Produktionsbetriebe ausreichend zu versorgen. Es wird sogar der Hochofen IV neu zugestellt. Damit ist diese Eigenversorgung auch über die Jahrtausendwende hinaus gesichert.


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Ich darf von dieser Stelle aus ganz besonders unserem Bundeskanzler für seine sehr wichtige Unterstützung danken. Ich bin überzeugt davon: Ohne seine Unterstützung hätten wir diesen Erfolg nicht erringen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte mich jetzt auch ganz kurz der Freiheitlichen Partei widmen. Sie hat keine Redezeit mehr, daher hat sie sich auf kollektive Zwischenrufe geeinigt. Ich möchte Ihnen folgendes sagen: 1987 war ein Jahr, das wir nicht vergessen werden. – Da ist irgendwo der Herr Kollege Blünegger. Wenn du, Herr Kollege Blünegger meinst, daß die Sozialdemokraten und die ÖVP, die Koalitionspartner, diejenigen sind, die die Arbeitsplätze mit der Beschlußfassung dieser Budgets vernichten, dann muß ich dir, lieber Freund, sagen: Ihr seid die Arbeitsplatzvernichter! Unsere Industrieregion wäre schon längst tot, und mehr als 4 000 Menschen wären ohne Beschäftigung! Das ist eure Beschäftigungspolitik, die der Freiheitlichen Partei! Ihr seid einer diesbezüglichen Diskussion überhaupt gar nicht würdig. (Beifall bei der SPÖ. – Heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Liebe Freunde! Ihr habt einen neuen Wirtschaftssprecher. Interessante Thesen habe ich gestern gelesen, Herr Kollege Stadler. Was sagst du dazu? Er ist der Meinung, man könne den Haider auch abwählen. (Abg. Mag. Stadler: Glauben Sie das nicht? Den SPÖ-Vorsitzenden kann man nicht abwählen! Unseren Vorsitzenden kann man abwählen!) Ob das nicht schon eine rote Notiz im Klubbuch der FPÖ bedeutet, möchte ich dahingestellt lassen.

Herr Prinzhorn hat hier des öfteren gemeint, er wäre gegen die Währungsunion. Ich habe ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Herrn Prinzhorn. Er hat nämlich einen Betrieb in meinem Bezirk übernommen, die Firma Brigl und Bergmeister. Wir sind ihm sehr dankbar dafür gewesen, daß er Arbeitsplätze erhalten hat. Aber die erste Maßnahme, die er getroffen hat, war, daß er den Belegschaftsstand gedrittelt und die Entlohnung auf die Kollektivvertragslohnebene zurückgeführt hat.

Als dann die Freunde, die damals ein bisserl verärgert über die SPÖ waren, gehört haben, die Feiertage sollen gestrichen beziehungsweise aufs Wochenende verlegt werden (Abg. Mag. Stadler: Das wäre unkatholisch, da wäre ich dagegen!), und als dann die Arbeitnehmer unserer Regierung, die ein Stück des Weges mit Ihnen gehen sollten, erfahren haben, Herr Prinzhorn sei Kandidat bei den Nationalratswahlen, war das die beste Wahlkampfmunition, die Sie uns bieten konnten. Wir haben auch das beste Ergebnis der Nationalratswahlen, gemeinsam mit dem Bezirk Bruck, erringen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Freiheitliche, die kandidieren, gibt es gar nicht in Donawitz, weil es kein Interesse dafür gibt.

Meine Damen und Herren! Wir können ruhig stolz sein auf unsere Stahlindustrie. Wir haben unter anderem ein High-Tech-Produkt, das ist die Schiene. Wir sind Technologie- und Marktführer in Europa. Wir haben kopfgehärtete Schienen, wir haben ein neues Patent für besonders lärmarme Schienen, und wir haben die längsten Schienen der Welt mit 120 Meter.

Meine Damen und Herren! Jetzt ist es aber genug mit der FPÖ, ich darf mich nun der ÖVP widmen.

Zurzeit haben wir Auftragsprobleme in Donawitz; das muß ich ganz offen sagen. Ich möchte nicht vereinfachen, aber trotzdem kann man etwas feststellen: Aufgrund der Krise, die die Wirtschaftspartei ÖVP in unserem Land mit ihrer Aufkündigung der Koalition im Herbst vergangenen Jahres ausgelöst hat, ist folgendes passiert – das ist meine persönliche Meinung, die deckt sich mit vielen in meiner Fraktion, die deckt sich mit der Meinung der Sozialdemokraten und der Arbeitnehmer meines Bezirks, meine Damen und Herren von der ÖVP (Abg. Dr. Puttinger: Ist das Ihr partnerschaftliches Verhältnis?) –: Der Handlungsspielraum war nicht mehr da. Die Finanzierbarkeit von öffentlichen Aufträgen war auch nicht gegeben, und jetzt stehen wir vor der Situation, daß es große Auftragseinbrüche in Donawitz gibt, im Bereich der Walzstahlproduktion, weil es keine Aufträge der öffentlichen Hand für die Bauwirtschaft gegeben hat und auch weil die ÖBB keine Aufträge im Schienenwalzwerk geordert hat. (Abg. Dr. Puttinger: Waren die Schienen nicht lang genug?)


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17. Sitzung / Seite 366

Meine Damen und Herren! Noch eine persönliche Anmerkung. Herr Kollege Kukacka – das muß ich Ihnen ganz ehrlich sagen – hat große Enttäuschung bei uns hervorgerufen. Ich hoffe, daß das ein einmaliger Ausrutscher war.

Wir brauchen eine Gemeinschaft, wir brauchen diese Sanierungspartnerschaft. Die Arbeiter in Donawitz haben mir folgendes gesagt: Schaut, daß ihr zu einer Lösung kommt mit der ÖVP. Es ist der beste Weg, die Probleme sozialpartnerschaftlich zu lösen. Und jetzt erwarten sie sich, daß wir weiterarbeiten, und zwar vier Jahre lang – und nicht wieder anfangen, in irgendwelchen Wunden zu bohren. (Abg. Dr. Puttinger: Wir haben nicht angefangen!) Ich möchte Ihnen empfehlen, daß Sie Abgeordnete à la Kukacka zurückpfeifen. Wie lange noch?, hat Ihr Klubobmann gestern gesagt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Abschließend: Ich danke unserem Bundeskanzler. Es gibt Hoffnung für Donawitz. Im Herbst dieses Jahres werden sich hoffentlich die Auftragsbücher wieder füllen. Es gibt einen großen Iran-Auftrag, der Donawitz und die nachgelagerten Betriebe für zweieinhalb Jahre auslasten würde. (Abg. Haigermoser: Das ist Optimismus! Das freut uns!) Der Kanzler hat mit der Kontrollbank alle Wege geebnet; es hängt das noch am Iran selbst.

Ich bin zuversichtlich, daß wir auch diese schwierige Situation meistern werden. Ein herzliches steirisches Glückauf! (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

20.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Auf der Rednerliste steht jetzt Herr Abgeordneter Müller. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

20.01

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Bauwirtschaft hat im Rahmen der Gesamtwirtschaft eine besondere Schlüsselfunktion. Wir alle hier kennen die Probleme in diesem Bereich, daher kommt der Ankurbelung der Bautätigkeit durch die öffentliche Hand besondere Bedeutung zu.

Die Wertschöpfung der Bauwirtschaft ist mit 160 Milliarden Schilling anzusetzen, ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt beläuft sich auf 7,6 Prozent, und der Bruttoproduktionswert der Bauwirtschaft inklusive der Vorleistungen beläuft sich auf 300 Milliarden Schilling.

Gerade im Hinblick auf die derzeitige Beschäftigungslage in unserem Land ist der Anteil der Bauwirtschaft an der Gesamtbeschäftigung mit über 8 Prozent von wesentlicher Bedeutung. Da diese Wirtschaftssparte überdurchschnittlich personalintensiv ist und außerdem in ihrem Investitionsbereich eine hohe inländische Wertschöpfung aufweist, ist ihr unsere volle Unterstützung zu gewähren.

Meine Damen und Herren! Jüngste Berechnungen haben ergeben, daß Bauinvestitionen in der Höhe von 1 Milliarde Schilling im Schnitt knapp 1 700 Beschäftigte zur Folge haben. Aufgrund der besorgniserregenden Entwicklung im Bauwesen hat die Bundesregierung sofort reagiert, und es wurde von den betroffenen Ministern eine Investitionsoffensive im Bereich der Infrastruktur gestartet und beschlossen, welche 1996, aber stärker noch 1997 steigende Umsätze bringen wird. Kürzlich erst wurden noch zusätzliche Investitionsmaßnahmen angekündigt, die durch Vorgriffe auf künftige zweckgebundene Einnahmen, wie beispielsweise aus der Maut, finanziert werden. Allein im hochrangigen Straßennetz warten Bauaufträge mit sofortigem Baubeginn in der Höhe von 14 Milliarden Schilling, und mit weiteren fast 12 Milliarden Schilling kann für 1997 bis 1998 gerechnet werden. Insgesamt enthält das Investitionspaket zusätzliche bauwirksame Ausgaben von zirka 35 Milliarden Schilling bis zum Jahr 2000. Vor allem der Verkehrsinfrastruktur, der in Österreich durch eine Sonderstellung besondere Bedeutung zukommt, wird diese Aufstockung zugute kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich hat durch die Ostöffnung eine historische Chance, einen großen zukunftsträchtigen Wirtschaftsraum in seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu erschließen. Daraus entstehen für unsere Republik langfristige Standortvorteile. Nützen wir also diese Gelegenheit! (Beifall bei der SPÖ.)


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Zweifelsohne bedeutet die verkehrsmäßige Anbindung Ost- und Mitteleuropas für Österreich aber auch eine Belastung infolge seiner geographischen Lage als Transitland. Daher fordern wir Sozialdemokraten den Ausbau dieser Netze im Interesse unserer Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ.)

Erwähnenswert ist, daß die Investitionen im Bereich der Infrastruktur fast zur Gänze im Inland wirksam werden und deutliche positive Effekte auf die Beschäftigung haben werden. Es ist das also ein Schritt in Richtung hohe Beschäftigungsrate, die wir alle immer einfordern und dringendst benötigen.

Leider ist in den letzten Jahren generell feststellbar, daß der Bund, aber auch die Länder als Auftraggeber bei Bauten an Bedeutung verlieren. Ebenso ist feststellbar, daß sich in den letzten Jahren das Investitionsklima deutlich gegen den weiteren Ausbau der Infrastruktur gewandt hat. Diese angekündigte Investitionsoffensive signalisiert daher eine Trendumkehr, die sich positiv und nachhaltig auf die wirtschaftliche Stabilität Österreichs auswirken wird. Durch diese Investitionen im öffentlichen Bereich wird die derzeitige schwierige Situation in der Baubranche erheblich entlastet.

Natürlich ist auch zu berücksichtigen, daß nicht nur um des Bauens willen Infrastrukturinvestitionen getätigt werden, sondern sie müssen vielmehr zur Sicherstellung der Ver- und Entsorgung in allen wichtigen Lebensbereichen dienen. Diese Investitionspolitik muß aber auch unabhängig von tagespolitischen Querelen und schwierigen budgetären Maßnahmen jene Infrastrukturen garantieren können, die für die weitere erfolgreiche Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich dringend benötigt werden.

Meine Damen und Herren! Kärnten ist eines der am stärksten betroffenen Bundesländer, das die negativen Auswirkungen der abgeschwächten Baukonjunktur besonders spürt. Deshalb sind für uns Kärntner die großen Bundesbauvorhaben wie der Autobahnlückenschluß Klagenfurt – Völkermarkt, die Errichtung des Sicherheitszentrums und die Erweiterung der Uni Klagenfurt so wichtig. Sie müssen raschest begonnen werden, um damit auch gegen die momentan so hohe Arbeitslosigkeit am Bau erfolgreich sein zu können.

Die benötigten Mittel stehen im Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten bereit. Die geplanten Bauvorhaben können laut Aussage des Wirtschaftsministers unverzüglich in Angriff genommen werden, wenn die Projekte baureif werden. Daher werden wir schon die Frage zu stellen und zu klären haben, ob der zuständige freiheitliche Landesbaureferent Grasser nicht säumig ist und eine Verzögerung zu verantworten hat, denn derzeit wird der Ball hin- und hergeschoben. Für Kärnten und dessen Arbeitsmarkt können wir eine weitere Verzögerung nicht hinnehmen; es muß raschest gehandelt werden.

Von der geplanten Realisierung der Bauvorhaben, die sich in den Budgets 1996 und 1997 widerspiegeln, gehen nicht nur notwendige Beschäftigungsimpulse aus, sondern sie schafft auch den Ausbau der längst überfälligen Infrastruktur und wesentlich bessere Rahmenbedingungen für unser südlichstes Bundesland. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Riepl. Ich erteile es ihm.

20.07

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Im Budgetkapitel Bauten ist der Bereich Straßenbau und Straßenerhaltung eine wichtige Position, und zwar nicht nur deshalb, weil dafür beträchtliche Mittel aufgewendet werden, sondern auch deswegen, weil damit die Attraktivität unseres Landes als Wirtschaftsstandort und Tourismusland zusammenhängt.

Mein Vorredner hat zum Thema Straßenbau einige Bemerkungen gemacht, und ich möchte diese nur mit einigen Zahlen ergänzen, denn ich glaube, es zahlt sich aus, im Rahmen einer solchen Debatte ein bißchen in die Statistik zu schauen und uns selbst bewußt zu machen, welche Bedeutung der Straßenbau und die Straßenerhaltung in unserem Land haben.


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17. Sitzung / Seite 368

Zählt man alle Autobahnen, Schnellstraßen, Bundes- und Landesstraßen, die Gemeindestraßen und die Güterwege zusammen, so haben wir ein Straßennetz, von dem jeder von uns profitiert, egal, ob er Arbeitnehmer, ob er Wirtschaftstreibender ist, ob er Schüler oder Student ist, von insgesamt 205 000 Kilometern. Das entspricht – ein simpler Vergleich sei mir gestattet – rund zwei Drittel der Distanz zwischen Erde und Mond.

Sehr verehrte Damen und Herren! Ein sicheres und leistungsfähiges Straßennetz ist wichtig. Wichtig in diesem Zusammenhang ist aber auch das Schließen der Lücken im Straßennetz und insbesondere im hochrangigen Straßennetz. Aus Wiener Sicht – diese Bemerkung sei mir erlaubt – ist da natürlich die B 301 zu nennen, die als Südostumfahrung für Wien im Zusammenhang mit dem Transitverkehr, der immer stärker wird und der zu einer immer größeren Belastung für die Stadt Wien und für das Stadtgebiet wird, besonders wichtig ist. Ich glaube also, daß gerade die B 301 in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren zügig in eine Bauphase gebracht werden muß, da das ein ganz wichtiges Vorhaben für die Ostregion unseres Landes ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Die Erhaltung unseres Straßennetzes kostet viel Geld, rund 7,5 Milliarden Schilling im Jahr, und es ist auch ganz interessant, zu wissen, was beispielsweise ein Kilometer Autobahn oder Schnellstraße in der Erhaltung kostet, nämlich die namhafte Summe von 1,85 Millionen Schilling – nur für die Erhaltung von einem Kilometer Autobahn oder Schnellstraße!

Ich habe versucht, mit diesen Zahlen ein bißchen darauf hinzuweisen, daß es Sinn macht, in diesem Bereich dafür zu sorgen, daß die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen und daß der Zustand unseres Straßennetzes erhalten beziehungsweise ausgebaut wird.

Erlauben Sie mir, als zweiten Teil meiner Ausführungen nur zwei Bemerkungen zu zwei Vorrednern in dieser Debatte zu machen.

Ich möchte zu den Ausführungen des Abgeordneten Trinkl kurz eine Bemerkung machen. Er hat von der Ausbildung in der Wirtschaft und von den Möglichkeiten der Lehrlingsausbildung gesprochen. Er hat davon gesprochen, daß Reformen notwendig sind. Ich bejahe das. Ich sage auch, es sind Reformen notwendig, und ich glaube, es ist auch ganz gut, darauf hinzuweisen, daß es Bereiche in unserem Land gibt, wo die Unternehmer nicht über zu hohe Kosten klagen, sondern sie genug Lehrplätze zur Verfügung stellen, wie das beispielsweise in Niederösterreich der Fall ist. Im gestrigen "Volksblatt" konnte man lesen: Die Berufsschule ist überfüllt, es gibt genug Lehrlinge, die eine Lehre beginnen wollen, und es gibt genug Arbeitgeber, die Lehrplätze zur Verfügung stellen. Nur als kleines Beispiel, daß es auch anders geht, daß man nicht nur jammern muß über Kosten, sondern daß man, wenn man die Ausbildung ernst nimmt, genügend Plätze zur Verfügung stellen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bin froh, daß jetzt Herr Abgeordneter Blünegger in den Saal hereinkommt, ich bin aber nicht froh, daß Herr Abgeordneter Prinzhorn nicht im Saal ist, ich sehe ihn jedenfalls nicht. (Abg. Haigermoser: Sie sind nicht so interessant, daß er zuhören muß!)

Ich glaube, es ist auch wichtig, auf zwei, drei Sätze, die im Redebeitrag des Herrn Abgeordneten Prinzhorn unterzugehen drohen, noch einmal in der Debatte kurz hinzuweisen.

Er hat die Formulierung verwendet: Neun Jahre Wirtschafts- und Industriepolitik haben in unserem Land nichts weitergebracht. – Diese Aussage war natürlich in Richtung Regierung gemacht. Ich glaube, dem sollte man noch einmal – es ist ja schon mehrmals in der Debatte gemacht worden – entgegenhalten: In diesen neun Jahren kam es zu Veränderungen in der Industrielandschaft, internationale Konzerne siedelten sich an, bauten Standorte aus. Wir haben heute mehr Beschäftigte als vor neun Jahren, es gibt höhere Löhne, und es gibt für alle in diesem Land (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) , ob Sie es jetzt hören wollen oder nicht, etwas mehr Wohlstand. Ein Grund dafür ist auch, daß versucht wird, eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu betreiben, bei allen Gegensätzen, und ich glaube, es ist uns das auch gelungen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Sehr verehrte Damen und Herren! Abgeordneter Prinzhorn ist ein leidenschaftlicher Unternehmer. Und ich bin ein leidenschaftlicher Arbeitnehmervertreter. Ich habe Respekt vor Unternehmern, vor allem vor Unternehmern, die etwas weiterbringen, die Mitbestimmung ernst nehmen, die den Betriebsrat im Betrieb als Partner sehen, die die Mitbestimmung zur Grundlage ihrer Geschäftspolitik machen, die die Förderung der Aus- und Weiterbildung gegenüber ihren Arbeitnehmern anwenden und ausweiten und die eine soziale Grundeinstellung haben.

Ich kenne Herrn Abgeordneten Prinzhorn noch nicht so gut, daß ich sagen kann, er gehört zu dieser Unternehmergruppe, die ich meine und vor der ich Respekt habe. Aber es wird die Zusammenarbeit hier im Haus für mich als einen der Neuen vielleicht Gelegenheit geben, diese Frage etwas später zu beantworten.

Sehr verehrte Damen und Herren! Er hat aber noch einen Satz geprägt, und ich glaube, ich habe ihn richtig verstanden und mitgeschrieben. Er hat gesagt: Sie werden den Reallohnverlust hinnehmen müssen. – Er hat das etwas halblaut gesagt, aber ich gehe davon aus, daß dieser Satz auch im Protokoll nachlesbar ist.

Und ich glaube, wir sollten gerade das nicht tun, Reallohnverluste, egal, wo sie auftreten, bei aktiv Beschäftigten oder bei Pensionisten hinzunehmen, sondern wir sollten uns in diesem Haus vornehmen, alles zu tun, daß es zu keinen Reallohnverlusten, zu keinen Verlusten der Kaufkraft und zu keinen Wohlstandsverlusten in unserer Republik kommt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Feurstein und Blünegger .)

Aber in der Rede von Herrn Prinzhorn ist auch ein Satz vorgekommen, dem ich voll zustimmen muß. Er hat gesagt: Ich höre nämlich ein bissel schlecht. – Und dem stimme ich zu. Ich würde sagen: Entweder braucht er einen Arzt (Abg. Mag. Stadler: Ist das eine Jungfernrede?) , oder er braucht eine geringere Distanz zu dem, der mit ihm redet. Er hat es von diesem Pult gesagt in Richtung hintere Bankreihen, und ich glaube, die nähere Distanz könnte er mit seinem Sitznachbarn, mit dem Kollegen Blünegger herstellen, vor allem zum Thema Reallohnverlust. Ich könnte mir vorstellen, daß das eine interessante Diskussion wäre. (Abg. Blünegger: Machen wir!) Ich bitte dich darum, diese Diskussion mit ihm zu führen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Haigermoser: Das ist auch eine Jungfernrede!)

20.16

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele Angelegenheiten, die Konsumenten betreffen, werden in Ihrem Bundesministerium bearbeitet – bedauerlicherweise oft allein und ohne Koordination. Genauso wie Kollege Riepl ein leidenschaftlicher Arbeitnehmervertreter ist, bin ich persönlich ein leidenschaftlicher Konsumentenschützer. Ich meine daher, daß gerade auf Ebene des Verwaltungsrechtes, des Wirtschaftsrechtes die Rechte der Konsumenten abgesichert werden müssen.

Nun liegen im Budgetentwurf zum Kapitel Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen Zahlen vor, die hinterfragt werden müssen. Ich entnehme diesen Unterlagen, daß 1996 und 1997 bei den Sachausgaben jeweils an die 40 Millionen Schilling eingespart werden sollen. Man muß sich dabei mit der Frage beschäftigen: Welche Aufgaben haben diese Bundesämter für Eich- und Vermessungswesen?

Ich darf Sie vielleicht nur an die Diskussion in den Wirtshäusern erinnern, wenn es darum geht, ob Gefäße verwendet werden, die wirklich geeicht sind. Ich darf Sie an bestimmte Fertigpackungen erinnern, deren Füllmenge von diesem Amt überprüft werden muß.

Ich frage Sie daher, Herr Bundesminister: Sollen durch diese Einsparungen diese eichpolizeilichen Revisionen eingeschränkt werden (Abg. Mag. Stadler: Sind Sie ein Geeichter?), oder werden Sie im personellen Bereich Einschränkungen vornehmen? (Abg. Mag. Stadler: Ein Geeichter!) Oder ist überhaupt daran gedacht, einige Ämter stillzulegen? – Ich darf Sie ersuchen,


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Herr Bundesminister, dazu eine Antwort zu geben, weil wir gerade beim Konsumenten Vertrauen schaffen müssen.

Ich möchte aber auch auf die Ausführungen meiner Vorredner ganz kurz eingehen und vorweg betonen: Einige dieser Aussagen zum Thema Wirtschaft habe ich als sehr legendär und sogar abenteuerlich empfunden. Es ist von der Bürokratie gesprochen worden. Kollege Trinkl hat angesprochen, daß durch bestimmte Gesetzesregelungen wie Gewährleistung und Produkthaftung die Wirtschaft beeinträchtigt wird.

Ich darf Ihnen dazu ein paar Beispiele aus meiner Beratungspraxis erzählen. Ich sehe es nicht als eine Beeinträchtigung, wenn jemand seine Rechte durchsetzt, der mit einem Mountainbike fährt, bei dem sich zufällig die Gabel löst, er schwer stürzt und drei Monate lang im Krankenhaus liegt. Oder: Der Fall eines Lehrlings, der – ebenfalls mit einem fehlerhaften Mountainbike unterwegs – schwer stürzt und dem danach in einer Operation die Milz entfernt werden mußte.

Ich behaupte, daß wir in diesem Bereich einen internationalen Standard aufweisen, den es sich lohnt, auch offensiv in der Öffentlichkeit zu vertreten.

Aber auch zur Kollegin Rossmann, die den Bereich der Gastronomie angesprochen hat, zur Frage der Gastfreundlichkeit. Ich kann Ihnen sagen, es gibt in unseren Beratungsbereichen Hunderte von Beschwerdebriefen – aber nicht nur aus dem Inland, sondern gerade aus dem Ausland –, in denen dieses Thema angesprochen wird. Wenn ich mir allein vor Augen halte, daß gerade in der Gastronomie bei Erhebungen in etwa 30 Prozent der Betriebe bestraft werden müssen, weil sie sich nicht an die geltenden Bestimmungen zur Preisauszeichnung halten, dann glaube ich – und das ist auch im Interesse der Wirtschaft, der Unternehmer, die sich an gesetzliche Bestimmungen halten –, daß diesbezüglich verstärkt kontrolliert werden muß.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für Österreichs Konsumenten geht es um zwei Dinge: zum einen, daß ihre Rechte besser abgesichert werden, insbesondere im wirtschaftsrechtlichen Bereich, und zum anderen auch darum, daß durch öffentliche Organe entsprechend kontrolliert wird.

Aber da sehe ich die Mängel, Herr Bundesminister. Zum Beispiel wurde bei der Novelle zur Reisebürosicherungsverordnung nur die Haftungssumme erhöht. Hier wurde nicht auf die Probleme eingegangen, die in den letzten Jahren aufgrund der nun bekannten Konkurse diskutiert wurden. Man hat überhaupt keine Kreativität gezeigt, beispielsweise auch an Brüssel heranzutreten, um eine Änderung der Pauschalreiserichtlinie zu verlangen. (Abg. Dr. Graf: Meinen Sie Karthago-Reisen?) Unter anderem, Herr Kollege, Karthago-Reisen und Arena-Reisen. Sie kennen das Problem.

Ich möchte aber darauf hinweisen, daß wir auch noch andere Änderungen benötigen. Wir benötigen eine Maklerverordnung. Wir benötigen aber darüber hinaus noch eine Klarstellung für den Bereich der Versicherungsmakler.

Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was nützen aber die Gesetze, wenn sie nicht kontrolliert werden? Ich darf Sie, Herr Bundesminister, daher ersuchen, in allen Bereichen, in denen Ihre Zuständigkeit gegeben ist – sei es im Bereich der Preisauszeichnung oder auch im Bereich der Fertigpackungsverordnung und so weiter –, die entsprechenden Kontrollen vorzunehmen.

Ich komme damit zum Schluß. Frau Kollegin Fekter hat den Herrn Bundesminister ersucht, Prioritäten für die Wirtschaft und für den Wirtschaftsstandort Österreich zu setzen, und ich möchte Sie auffordern, Herr Bundesminister, Prioritäten für die österreichischen Konsumenten zu setzen, und zwar in zweierlei Hinsicht: zum einen, daß die Rechtssicherheit verbessert wird, nämlich durch klarere und eindeutigere Bestimmungen, und zweitens, daß die Einhaltung dieser Bestimmungen durch Ihr Ministerium auch entsprechend kontrolliert wird.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder Wähler ist auch Konsument. Es liegt an Ihnen, die Interessen der Konsumenten hier in diesem Parlament zu vertreten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Da wären Sie ja arbeitslos!)

20.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Mehrere Abgeordnete sprechen mit dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundesminister Dr. Ditz.)

Ich möchte aus gegebenem Anlaß doch darauf hinweisen, was Herr Präsident Neisser bezüglich des Verkehrs hier bei der Regierungsbank gesagt hat. (Beifall bei der SPÖ.) Für kurze Wortmeldungen ist das vielleicht ganz nett, aber auf lange Dauer etwas auffallend.

Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann.

20.23

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich will mich auf drei Punkte konzentrieren.

Erster Punkt: B 301. Die B 301 ist im Bauvorhaben des hochrangigen Netzes beinhaltet. Der Baubeginn ist für die Zeit nach 1998 vorgesehen, das Umweltverträglichkeits-Prüfungsverfahren hat bereits begonnen.

Es ist von einem Vorredner schon auf die Bedeutung der B 301 aufmerksam gemacht worden, aber, Herr Minister, ich glaube, es wird eine B 301 nicht geben, weil die Menschen in der Region diesen Straßenzug ablehnen, wenn nicht bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten werden.

Die B 301 hat den Sinn, den Verkehr, der in der Region Schwechat-Mödling produziert wird, aufzunehmen. Das ist ein Vorteil.

Die B 301 wird aber auch viel neuen Verkehr in diese Region bringen, weil der Ost-West-Transit drüberlaufen wird, weil die B 301 eine gute Verbindung zwischen der Ost und der West Autobahn darstellen wird. Der Süden von Wien, die Bezirke Schwechat, die Bezirke Mödling, wird aber zusätzlichen Verkehr nicht aufnehmen können, weil das eben jetzt schon unmöglich ist.

Die Rahmenbedingungen für die B 301 sind daher: Es muß neben der Südroute um Wien, als Verbindung zwischen der Ost und West Autobahn, auch eine Nordroute geben. Diese Nordroute zeichnet sich ohnehin in einzelnen Teilen ab, nämlich von der Ost Autobahn über die Donauufer Autobahn bis nach Stockerau und dann über die neue Tullner Donaubrücke in die A 1. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Strecke ist um 13 Kilometer länger als die Strecke B 301 – A 21, aber sie weist keine Steigungen auf. Diese Nordroute muß nur als geschlossenes Konzept einmal dargestellt und dann auch in den einzelnen, noch fehlenden Rahmenelementen geplant werden.

Die zweite Rahmenbedingung ist, daß die Qualität von Lärmschutzmaßnahmen auf der A 21 wesentlich gesteigert werden muß. – Das war mein erster Punkt.

Zweiter Punkt, sehr geehrter Herr Minister: die Maut. Ich halte die vielen Einwände, die es zu dieser Straßenmaut gibt, für in hohem Maße überzogen. Der Fremdenverkehr wird deswegen nicht zusammenbrechen. (Abg. Mag. Kukacka: Sehr richtig!) Es wird nicht zu einer Verlagerung des Verkehrs von der Autobahn weg zu den Straßenzügen des niederrangigen Straßennetzes in riesigem Umfang kommen.

Aber, sehr geehrter Herr Minister, ich sehe in einem Punkt ein wesentliches Problem. Dieses eine wesentliche Problem betrifft den Verkehr ungarischer und slowakischer Fahrzeuge nach Wien. Warum? – Der benützte Autobahnstreckenanteil ist relativ kurz, im Extrembeispiel, wenn man von Preßburg nach Wien fährt, weniger als 20 Kilometer, wenn man bei Fischamend auf die Autobahn fährt, und die Kosten für die 2-Monats-Vignette in der Höhe von 350 S sind für


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einen ungarischen oder slowakischen Staatsbürger relativ hoch. Es müssen dafür etwa 20 bis 25 Bruttostundenlöhne herhalten. Und es zeigt sich schon jetzt bei dem Autobahnstück in Ungarn, nämlich von der österreichischen Staatsgrenze bis Györ, dessen Passierung mit einem PKW 77 S kostet, daß 60 Prozent des PKW-Verkehrs und 70 Prozent des LKW-Verkehrs die Autobahn verlassen. Es ist daher die Gefahr in diesem einen Punkt – nicht generell, aber in diesem einen Punkt – sehr, sehr groß, daß viele Gemeinden im östlichen und südlichen Niederösterreich, im nördlichen Burgenland vor einer neuen Belastungswelle stehen.

Sehr geehrter Herr Minister! Das wird kein Grund sein, gegen die Einführung der Vignette aufzutreten. Aber wir haben am Freitag gemeinsam einen Entschließungsantrag beschlossen, und in diesem Entschließungsantrag werden Sie aufgefordert, eine Untersuchung über die Verkehrsauswirkungen auf besonders sensiblen Strecken einzuleiten, um zu erheben, inwieweit es Ausweichverkehr auf das niederrangige Straßenverkehrsnetz gibt.

Sehr geehrter Herr Minister! Ich ersuche Sie, nicht nur, wie geplant, einige westösterreichische Paßstraßen zu untersuchen, sondern insbesondere auch die B 9, die B 10 und die B 16 in diese Untersuchung miteinzubinden, weil es wichtig ist, sofort Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Sehr geehrter Herr Minister! Ein letzter Punkt, nämlich der Benzinpreis: Wir haben in Österreich, wie Sie wissen, einen Benzinpreis, der ohne Steuern um mehr als 1 S über dem deutschen Niveau liegt, aber um noch mehr über dem europäischen Durchschnittsniveau. Und es gibt eigentlich keine hinreichende Begründung und keine hinreichenden Argumente dafür, warum das so ist.

Sie haben nun das System der "gläsernen Taschen", das nicht funktioniert hat, verlassen und aufgegeben. Aber ein solches System sollte nicht aufgegeben, sondern verbessert werden. Ich weiß nicht, warum Sie und andere erwarten, daß der Benzinpreis jetzt sinken wird, denn es hätte auch jetzt schon einen Wettbewerb nach unten geben können. Es wurde keine Benzinfirma daran gehindert, jetzt schon einen Preis unter diesem Höchstpreis anzusetzen.

Ich glaube, daß diese Rechnung nicht aufgehen wird. Wichtig ist nur, festzustellen, daß Sie, sollte sich nach geraumer Zeit herausstellen, daß die Preise nicht sinken und daß sie weiter im Vergleich zu Deutschland und zu anderen europäischen Ländern unzumutbar hoch sind, dann wirklich sehr, sehr rasch und effizient reagieren sollten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Ditz. – Bitte, Herr Bundesminister.

20.31

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! In aller Kürze, weil hier vom Abgeordneten Kaufmann der Benzinpreis angesprochen wurde: Ich glaube, man muß schon ehrlich sagen, daß der höhere Nettopreis in Österreich sehr wohl mit einem dichteren Tankstellennetz begründet wird, mit anderen Umweltauflagen, mit höheren Standards und auch mit größeren Transportwegen.

Ich habe das System der "gläsernen Taschen" aufgehoben, nicht zuletzt deshalb, weil wir überzeugt davon sind, daß jetzt dieser Höchstpreis sehr oft unterschritten wird, das heißt, daß sich in den letzten Jahren die Marktentwicklung verändert hat und der Wettbewerb sehr wohl wirkt. Er wirkt vor allem auch in Richtung Tanktourismus.

Nur eines: Wenn ein Sozialpartner, die Arbeiterkammer, das System selbst nicht mehr glaubwürdig findet, dann hat dieses System eigentlich seinen Sinn verloren, nämlich zur Objektivierung beizutragen. Im Gegenteil: Es führt nur dazu, daß permanent eine politische Diskussion über einen Marktpreis stattfindet, der sich auch auf dem Markt entwickeln muß.

Es ist allerdings der Wunsch vor allem der Arbeiterkammer gewesen, das aufzuheben. Und es wurde als Nebenbedingung vereinbart, daß jetzt ein Jahr lang beobachtet wird und nicht am nächsten Tag sofort kartellrechtliche Maßnahmen verlangt werden. Ich muß ehrlich sagen, es dauert schon ein wenig, bis Marktmechanismen wirken können. Man sollte sich das daher in


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17. Sitzung / Seite 373

Ruhe ansehen, nicht jetzt sofort weiterhin mit politischen Forderungen versehen, sondern nach einem Jahr überlegen, ob es notwendig ist, zusätzliche wettbewerbsstimulierende Maßnahmen zu setzen.

Eines ist meiner Meinung nach aber selbstverständlich: Zu einer Preisregulierung werden und können wir nicht zurückkehren. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

20.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Auf der Rednerliste steht nun niemand mehr.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich unterbreche die Sitzung bis morgen Donnerstag, 25. April 1996, 9 Uhr. Nach der Wiederaufnahme beginnen die Beratungen über den Teil


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17. Sitzung / Seite 374

Unterricht und Kunst.

Die Sitzung ist unterbrochen .

(Die Sitzung wird um 20.34 Uhr unterbrochen und am Donnerstag, den 25. April 1996, um 9 Uhr wiederaufgenommen .)

Fortsetzung der Sitzung: 25. April 1996

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Aus grundsätzlichen Überlegungen nehme ich die gestern unterbrochene 17. Sitzung des Nationalrates wie vereinbart um 9 Uhr wieder auf.

Für den heutigen Tag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Rudolf Nürnberger, Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch, Dr. Walter Schwimmer, Robert Elmecker, Hans Helmut Moser, Dr. Irmtraut Karlsson, Peter Schieder und Dkfm. Holger Bauer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diesen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über Entschließungen des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilungen gemacht:

Bundesminister Dr. Scholten wird in seiner Funktion als Wissenschaftsminister durch Bundesminister Michalek und in seiner Funktion als Verkehrsminister durch Bundesministerin Dr. Konrad vertreten.

Verteidigungsminister Dr. Fasslabend wird durch Innenminister Dr. Einem vertreten.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Schüssel wird durch seine Staatssekretärin Dr. Benita Ferrero-Waldner vertreten.

Bundesminister Bartenstein wird in seiner Funktion als Umweltminister durch Bundesminister Molterer und in seiner Funktion als Bundesminister für Jugend und Familie durch Bundesministerin Dr. Gehrer vertreten.

Ich bitte um Kenntnisnahme.

.

Unterricht und Kunst

Kapitel 12: Unterreicht und kulturelle Angelegenheiten (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Kapitel 13: Kunst (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Kapitel 71: Bundestheater

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir fahren in der Verhandlung des Budgets für 1996 und für 1997 fort. Zur Beratung kommt der Teil Unterricht und Kunst.

Die Redezeiten, die einvernehmlich festgelegt wurden, lauten für den heutigen Tag wie folgt: SPÖ 165 Minuten, ÖVP 154 Minuten, Freiheitliche 143 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 99 Minuten.

Der erste Kontraredner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Er hat das Wort.

9.03

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Tagesordnung will es so, daß die Budgetkapitel Unterricht und Kunst gemeinsam in einer Debatte verhandelt werden. Interfraktionell – wenn ich das so sagen darf – ist vereinbart, daß in den einzelnen Debattenbeiträgen beide Themenbereiche berührt werden können – nämlich einerseits Unterricht, andererseits auch Kunst –, wobei es naturgemäß so sein wird, daß die einzelnen Debattenredner bestimmte Schwerpunkte setzen werden.

Ich bedauere es aufgrund dessen, daß Herr Bundesminister Scholten noch nicht anwesend ist. Ich werfe ihm das keineswegs vor, weil ja auf der Tagesordnung die Kapitel Unterricht und Kunst stehen und er wahrscheinlich davon ausgegangen ist, daß zunächst der Bereich Unterricht drankommt.

Als Kultursprecher meiner Fraktion gilt mein Interesse naturgemäß der Kunst und den Budgetkapiteln, die Herrn Bundesminister Scholten betreffen. Zu Beginn, aufgrund der erwähnten Tatsache, daß lediglich Frau Unterrichtsministerin Gehrer anwesend ist, einige wenige Worte zur Bildungspolitik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines ist ganz klar: Ein guter Schulerfolg – Frau Bundesministerin, da werden Sie mir recht geben – ist noch lange kein Garant für einen Studienerfolg und umso weniger Garant für einen Erfolg in der Praxis. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es kommt tatsächlich immer wieder vor – das sei als Trost für geplagte Schüler, für schlechte Schüler, die keine guten Noten erzielen, gesagt –, daß gerade schlechte Schüler durchaus erfolgreich im Studium sind und oftmals noch erfolgreicher in der beruflichen Praxis, denn in der Schule, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird vor allen Dingen Wissen angelernt. Es ist aber kein Geheimnis, daß dieses Wissen nur sehr bedingt etwas mit der sozialen Intelligenz eines Menschen zu tun hat. Daher geht man auch immer mehr dazu über, nicht von einem IQ im Sinne eines reinen Intelligenzquotienten, sondern von einem sozialen Intelligenzquotienten zu sprechen, und das ist etwas anderes. Das muß sich durchaus nicht mit dem angelernten Wissen decken.

Aus dieser Sicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist naturgemäß auch das Unterrichtswesen und das gesamte Bildungssystem eines Landes zu beurteilen: nämlich daß man den jungen Menschen die Chance gibt, sich im Gymnasium zu bewähren, um dann beschränkungsfrei die Universität besuchen zu können. Ich bin jedenfalls ein Verfechter des freien Zuganges zu den Universitäten, weil ein Maturazeugnis nicht aussagekräftig dafür ist, ob sich ein Absolvent einer allgemeinbildenden höheren Schule auch tatsächlich für das Studium und für den von ihm gewünschten Beruf eignet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Bereich Kunst: Jene dem Hohen Haus Angehörenden, welche die linke Dialektik gewissermaßen mit der Muttermilch eingesogen haben,


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werden den Namen Antonio Gramsci sehr gut kennen. Antonio Gramsci, meine Damen und Herren, ist jener italienische Marxist, Sozialist und Reformkommunist der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der das Dogma von der linken Kulturhegemonie aufgestellt hat. Er sagte damals, daß es der sozialdemokratischen Partei oder der sozialistischen Bewegung insgesamt nichts nütze, wenn man die Straßen erobert, wenn man in den Bereichen der Arbeits- und Sozialpolitik Erfolge erzielt, entscheidend sei vielmehr, daß die bürgerliche kulturelle Hegemonie durch eine Hegemonie sozialistischen Zuschnitts ersetzt wird.

Nach dieser Doktrin, meine Damen und Herren, wird in diesem Land Kulturpolitik betrieben. Es kommt immer wieder vor, daß der freiheitlichen Opposition – auch in Debattenbeiträgen – unterstellt wird, dieses Thema von der sozialdemokratischen Kulturhegemonie, von diesem Absolutheitsanspruch, den die Sozialdemokratie der Kultur gegenüber erhebt, hochzuspielen. Immer wieder wird uns unterstellt, diesbezüglich quasi unter einer fixen Idee, unter Verfolgungswahn zu leiden, weil wir uns diesem Thema immer wieder zuwenden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Staatspolizist Erwin Kemper hat vor kurzem ein Buch unter dem Titel "Verrat an Österreich" herausgegeben. Darin berichtet er über einzelne Aktivitäten von Stasi-Verbindungsoffizieren in Österreich und deren Kontakten zur Sozialdemokratie.

Wenn man jene Kapitel dieses Buches liest, die sich mit dem Bildungssystem, mit dem Unterrichtssystem und mit der Kultur befassen, so wird man als kritischer Bürger sehr rasch erkennen, daß sich der Vorwurf, der von der Freiheitlichen Partei immer wieder erhoben wird, nämlich daß es der Sozialdemokratie um diese Kulturhegemonie geht, bestätigt.

Herr Kemper schreibt in seinem Buch etwa über einen Stasi-Verbindungsoffizier, der in Österreich tief in den sozialdemokratischen Bereich eingesickert ist – seine Berichte sind zum Teil abgedruckt. Da ist von einem führenden Funktionär des BSA die Rede. Meine Damen und Herren, zur Information: Der BSA ist der Bund sozialdemokratischer Akademikerinnen und Akademiker, Intellektueller, Künstlerinnen und Künstler.

Weshalb sage ich das? – Ich sage es deshalb, weil der BSA eine akademische Kaderorganisation der Sozialdemokratie ist, die sich auch der Belange von Künstlerinnen und Künstlern annimmt. (Abg. Sophie Bauer: Richtig!) Und das ist entscheidend für meine Ausführungen, unter Bedachtnahme darauf, Frau Kollegin, was dieser Stasi-Verbindungsoffizier über den BSA und über dessen Führungsfunktionäre zu sagen hat. Ich zitiere wörtlich aus dem Faksimile-Abdruck des Berichtes dieses in die SPÖ infiltrierten Stasi-Verbindungsoffiziers:

Der erwähnte BSA-Funktionär, "Romanist und Funktionär des Sozialistischen Hochschullehrerbundes, zugleich führender Mann im BSA (...)", wird " ... von (...) den BSA-Leuten als ‘gewandter Taktiker’ und ‘Berechnungsgenie’ (...) sehr geschätzt". Dieser hohe BSA-Funktionär – und ich glaube, es wäre notwendig, diesen auch namentlich zu nennen, weil er direkte, engste Kontakte mit dem Stasi-Verbindungsmann hatte – sagt hier – die damalige Ära Kreisky war ihm zu bürgerlich und zu weit rechts –: "... gibt es nur eine Möglichkeit: ‘die Unterwanderung der Partei von links’". Und der Funktionär, der Ihren Reihen angehört, hofft, " in den nächsten Jahren genügend ‘linke Elemente’ im Ministerium für Wissenschaft und Forschung sowie" – und da schließt sich der Kreis zum Unterrichtsministerium – "im Unterrichtsministerium unterbringen zu können, sodaß man in absehbarer Zeit zumindest im Bildungswesen einen Linksruck durchsetzen könne. Zu diesem Zweck wird vor allem die neue Klagenfurter Universität (Hochschule für Bildungswissenschaften) mit Hilfe der sozialistischen Studentenschaft und einer Zuführung linksgerichteter Lehrkräfte (...) als mögliche Einflußzone der linken Kräfte ‘unterlaufen’." – Das sagt ein BSA-Funktionär.

Da findet sich die These bestätigt, daß es Ihnen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, im Unterrichtswesen, im Bildungssystem und in der Kultur nicht um die Vermittlung von Wissen, nicht um die Vermittlung von Kunst, nicht um die Ermöglichung eines freien Kunstklimas geht, sondern einzig allein darum, Ideologie zu betreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Genau das ist es, was wir so heftig ablehnen. Und mit erfrischender Offenheit – das werde ich immer wieder zitieren – hat das ja die Wiener Kulturstadträtin Dr. Ursula Pasterk ausgedrückt. Sie sagte: Das Kunstressort ist ein unverzichtbares Ideologieressort, denn – wie sie sich wörtlich ausgedrückt hat – da kann man bestimmte Dinge transportieren.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das Verwerfliche an der Kulturpolitik der Sozialdemokratie: der Ausschließlichkeitsanspruch, der Absolutheitsanspruch und die Verwendung der Kunst als Vehikel zum Transport der Ideologie. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die linken Künstler machen Sie sich durch Subventionen gefügig!)

Meine Damen und Herren! Es ist ein legistisches Problem in Österreich, daß die Kunstförderung nur sehr spärlich gesetzlich determiniert ist. Man regelt in Österreich zwar alles und jedes, bis hin zur Gurkenkrümmung, aber dort, wo die entscheidenden Mittel vergeben werden, findet sich nur ein sehr dünnes Gesetzesgeflecht.

Aber immerhin, meine Damen und Herren, existiert das Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981. Dieses Kunstförderungsbeitragsgesetz schreibt vor, daß die Inhaber von Rundfunkbewilligungen einen bestimmten Obolus für die Kultur zu leisten haben. Dieser von der Post eingehobene Kunstförderungsbeitrag wird im Verhältnis Bund – Länder 70 zu 30 aufgeteilt.

Dieses Bundesgesetz befaßt sich im Gegensatz zu allen anderen Förderungsgesetzen der Republik Österreich sehr eingehend mit der Besetzung des Beirates. Die Bestimmung in § 2 Abs. 2 des Kunstförderungsbeitragsgesetzes erinnert an die föderalistische Ausrichtung etwa der Besetzung der Hörer- und Sehervertretung im Österreichischen Rundfunk. Es sind 20 Beiratsmitglieder berufen, dem Minister hinsichtlich der Verwendung des Kunstförderungsbeitrages Vorschläge zu erstatten. Die Auswahl der Mitglieder ist ganz genau festgelegt. So sind vier Mitglieder auf Vorschlag der Länder einzuberufen, je ein Mitglied auf Vorschlag der repräsentativen Vereinigungen der Städte und Gemeinden, je ein Mitglied auf Vorschlag der Bundeskammer der Gewerblichen Wirtschaft und so weiter – also ein durchaus demokratisches Organ.

Meine Damen und Herren! Daraus ergibt sich der Vorwurf, den ich dem noch nicht anwesenden Kunstminister mache: Gerade dort, wo legistisch sehr genau geregelt wird, wie dieser Beirat einzusetzen ist, aus welchen Personen er sich zu rekrutieren hat, was dieser Beirat genau zu tun hat, gerade in diesem gesetzlich festgelegten Raum übt der Bundesminister einen sehr fahrlässigen Umgang mit dem Gesetz und mit dem Beiratsystem; einen fahrlässigen Umgang deshalb, meine Damen und Herren, weil nach dem Kunstförderungsbeitragsgesetz dieser Beirat immer wieder einzuberufen ist – mindestens aber einmal jährlich – und dem Minister konkrete Vorschläge über die Verwendung des Kunstförderungsbeitrages zu machen hat. Und in eben diesem Bereich, der legistisch genau geregelt ist – nämlich mit dem Kunstförderungsbeitragsgesetz –, geht der Bundesminister sehr salopp mit dem Gesetz um.

Wie wir aus einer Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers Scholten vom 21. März 1996 wissen, legt er dieses Gesetz entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut und entgegen dem Geist des Gesetzes so aus, daß der Beirat nicht für eine Funktionsperiode, wie es im Gesetz ausdrücklich heißt, bestellt wird, sondern lediglich für einen Berichtszeitraum. Das heißt, der Bundesminister funktioniert diesen Beirat zu einem bloßen Berichtsorgan um, zu einem Organ, das im nachhinein die Kunstförderung zu sanktionieren hat. Das ist das Verwerfliche! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist wirklich verwerflich, daß ein Beirat, der gesetzeskonform eingerichtet ist, in seiner Funktion herabgesetzt wird (Abg. Dr. Partik-Pablé: Frau Minister, das sollten Sie sich auch anhören! Sie sind ja in Vertretung da!) , daß seine Funktion entwertet wird und er lediglich im nachhinein quasi eine Sanktionierung der Verwendung der Kulturförderungsbeiträge durchzuführen hat.

Dieser saloppe, dieser fahrlässige Umgang mit dem Gesetz zeigt sich auch darin, in welcher Form und wie oft dieser Beirat einberufen wird. Nach dem Geist des Gesetzes ist dieser Beirat nämlich so oft einzuberufen, wie es erforderlich ist, um über die Verwendung der Förderungsmittel zu beraten.


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In der Praxis schaut das aber ganz anders aus. Wir wissen aus einer Anfragebeantwortung des Herrn Ministers, daß dieser Beirat lediglich, weil es formal vorgeschrieben ist, nur einmal im Jahr einberufen wird, und dann durchaus nicht zu einer Arbeitssitzung, sondern er wird dazu herangezogen, Kunstförderungsberichte, die längst vorliegen, im nachhinein zu sanktionieren.

Das ist etwa auch im Jahr 1995 so geschehen. In diesem Jahr ist der Kunstförderungsbeirat nur ein einziges Mal zusammengetreten, aber er hat in dieser Sitzung nicht etwa über die Vergabe von immerhin 80 Millionen Schilling jährlich, die aus dem Kunstförderungsbeitrag hereinkommen, entschieden. In der Sitzung vom 20. April 1995, der einzigen Sitzung des Beirates im Jahre 1995, ist nämlich lediglich darüber befunden worden, ob die Beiratsitzung im Jahr 1994 ordnungsgemäß stattgefunden hat. Man ist zu dem Ergebnis gekommen – das hat der Beirat im Jahr 1995 festgestellt –, daß dieser Beirat 1994 beschlußunfähig war.

Das ist genau das, was ich dem Minister vorwerfe: Dieses Gremium, das über die 80 Millionen Schilling, die über den ORF-Kunstschilling hereinkommen, zu befinden hat, dessen Einsetzung und Tätigkeit gesetzlich exakt vorgegeben ist, wird herabgewürdigt zu einem bloßen Berichtsorgan. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich werfe dem Herrn Bundesminister schlicht und ergreifend eines vor: Gesetzesbruch, einen ganz klaren Bruch des Kunstförderungsbeitragsgesetzes.

Wenn man nun das Kunstförderungsgesetz vom 25. Februar 1988, das den übrigen Teil der Kunstförderung betrifft, einer Prüfung unterzieht, so sieht man, daß darin nur sehr vage Bestimmungen enthalten sind. Im § 9 etwa ist davon die Rede, daß der Bundesminister zur Vorbereitung der Förderungen und Schaffung der Förderungsrichtlinien Beiräte einzuberufen hat. Da steht nicht mehr und nicht weniger. Also dort, wo im Gesetz überhaupt nichts ausformuliert ist, wird die gesamte Förderungsmacht monopolisiert, und dort, wo sehr exakt festgelegt ist, womit der Beirat zu befassen ist, nämlich mit der Verwendung des Kulturschillings, wird derselbe entwertet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! In den Kulturdebatten des heurigen und auch des letzten Jahres wurde immer wieder über die Möglichkeit der steuerlichen Begünstigung von Kunstankäufen debattiert. Auch Frau Ministerin Gehrer hat sich aus Anlaß ihrer Einladung in den Kunstausschuß im vergangenen Jahr dieser Idee gegenüber sehr aufgeschlossen gezeigt. Ich habe auch Herrn Bundesminister Scholten am 28. Februar 1996 in diesem Hohen Haus zu meiner Verwunderung sehr anerkennende Worte über diese Idee der steuerlichen Absetzbarkeit von Kunstankäufen sagen gehört.

Er sagte damals: "Ich bin sehr froh, daß wir über steuerliche Möglichkeiten, Kunstschaffen zu fördern, debattieren. Ich bin selbst jemand," sagte Scholten, "der häufig darüber klagt, daß der privatwirtschaftliche Markt in vielen Sparten zu wenig ausgebildet ist." Im Prinzip, sagte er, sei er schon sehr froh darüber, daß die Debatte um die Anerkennung von Begünstigungen für Kunstankäufe geführt wird.

Das ist ja auch etwas sehr Wichtiges. Es geht nicht darum, daß man die Bundeskunstförderung zur Gänze abschafft und durch steuerliche Maßnahmen ersetzt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht nicht um ein Entweder-Oder, sondern es geht um ein Sowohl-Als-auch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine damalige Ungläubigkeit den Worten des Ministers Scholten gegenüber wurde bestätigt durch einen Bericht im "Standard" über eine Debatte des Kunstministers Scholten, der dort eine ganz andere Sprache gesprochen hat. Es handelte sich um eine Diskussion, über die im "Standard" in der Samstag-Ausgabe vom 13. März 1996 berichtet wurde. Dort sagte der Kunstminister exakt das Gegenteil von dem, was er uns hier im Hohen Haus gepredigt hat. Hier hat er gemeint, es sei sinnvoll, darüber zu diskutieren, und es sei sinnvoll, sich mit dem Thema der steuerlichen Anerkennung von Kunstausgaben zu befassen. Einen Monat später sagte er in der Öffentlichkeit genau das Gegenteil.


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Ich zitiere wörtlich: "Den Vorschlägen, steuerliche Begünstigungen für Kunstankäufe einzuführen, erteilte der Minister eine klare Absage. Das Absetzmotiv erscheine ihm als Kaufanreiz zu ‘geheimnisvoll’. Auch berge die Beurteilung durch Beamte des Finanzministeriums, was noch Kunst und was nicht mehr Kunst sei, unüberwindliche Probleme." Abschließend sagt er: "Das Kulturklima leidet an vielem, aber nicht am Steuerrecht."

Das sagt ausgerechnet ein Minister, der selbst zu einer Überschätzung seiner eigenen Urteilskraft, der zu Selbstgerechtigkeit neigt! Er verteilt hier im Hohen Haus gleichsam Beruhigungstabletten, indem er sagt: Alles ist in Ordnung, es ist durchaus positiv, daß wir über die steuerliche Anerkennung von Kunstankäufen diskutieren!, und im Handumdrehen wendet er sich um 180 Grad und erteilt diesen Förderungen eine klare Absage.

Seine Argumentation, daß es nicht angehe, daß jemand darüber entscheidet, was Kunst ist und was nicht, ist doppelbödig, meine Damen und Herren. Denn was macht denn der Beirat, was machen diese Kuratoren? Doch auch nichts anderes, als über Kunst und über Kunstförderungswürdigkeit abzustimmen. Sie machen doch nichts anderes! Das ist eine klassische Scheinargumentation. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Gerade in einer Zeit, in der über die Besteuerung dienstnehmerähnlicher Verhältnisse wie Werkverträge und freie Dienstverträge diskutiert wird und sehr genau unterschieden wird, was von der Sozialversicherungspflicht, von der Quellensteuer erfaßt wird, in der eine Überregulierung stattfindet, Maßnahmen getroffen werden, die einfach nicht mehr administrierbar sind, genau in dieser Zeit sagt Scholten, die steuerliche Anerkennung von Kunstkäufen sei unmöglich, weil das ganz einfach nicht gehe.

Das ist wirklich eine Perfidie!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich bitte Sie, diesen Ausdruck zurückzunehmen.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (fortsetzend): Ich unterwerfe mich selbstverständlich diesem Ordnungsruf, nehme diesen Ausdruck auch zurück, wiederhole aber, daß es sehr wohl eine Doppelbödigkeit und eine Janusköpfigkeit ist, auf der einen Seite sich ins Hohe Haus zu stellen und zu sagen, es sei sehr positiv, daß man über Kunstförderungsbeiträge, über die steuerliche Anerkennung von Kunstkäufen spricht, und auf der anderen Seite genau das Gegenteil zu sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Präsident! Mit welchen Worten soll man denn dieses Verhalten beschreiben, wenn nicht mit Worten wie Janusköpfigkeit, Doppelbödigkeit oder gespaltene Zunge? Auf der einen Seite sagt man A, und auf der anderen Seite sagt man genau das Gegenteil von dem, was man vorher gepredigt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt einen einzigen ideologischen Grund, warum der Herr Bundesminister der Anerkennung der steuerlichen Beträge für Kunstankäufe letztlich eine Absage erteilt hat. Es gibt eine ideologische Ursache dafür, und diese ideologische Ursache liegt darin, daß das Kunstverständnis des Kunstministers, sein politisches Kunstverständnis darin besteht, von oben alles zu dekretieren. Und das sieht man sehr deutlich bei der Förderung der freien Gruppen, der Interessengemeinschaften. Dort ist alles durchorganisiert. Frau Kollegin Schmidt! Sie sind auch in diese sozialistische Falle getappt, Sie setzen sich ja für diese Interessengemeinschaften, für diese Kulturinitiativen so ein.

Es ist richtig, daß die autonomen Kulturinitiativen zu unterstützen sind. Das ist überhaupt keine Frage. Aber ist es richtig, daß man alles monokratisch durchorganisiert, von der Interessengemeinschaft Kultur auf Bundesebene angefangen bis zu den Interessengemeinschaften auf Landesebene – in Oberösterreich ist die Kulturplattform das Bindeglied –, bis zu den einzelnen Kulturinitiativen? – 67 sind es an der Zahl. Das ist dieses Netzwerk, dieses kulturelle Netzwerk, das hier aufgebaut wird, das durchorganisiert wird, das durchgeschaltet wird. Frau Kollegin Schmidt! Aus dieser Sicht ist es unverständlich, daß Sie in diese Sozialismusfalle getappt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Sie wissen ganz genau, welche Funktionäre dort ihr Unwesen treiben. Das ist ein gewisser Mag. Franz Primetzhofer, der Präsident der IG Kultur auf Bundesebene ist. Gleichzeitig war er auch in der Kulturplattform Oberösterreich tätig, er ist auch Obmann des Kanal Schwertberg und ist kommunistischer Studentenführer in diesem Land gewesen. Und dieser Verein Kanal Schwertberg ist nichts anderes als die Vertriebsstelle des "TATblattes". Sie sollten sich überlegen, Frau Kollegin Schmidt, für welche Leute Sie sich einsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist auch der einzige Grund, warum der Kunstminister weiter an einem staatlichen Kultur- und Kunstförderungsmonopol festhalten will. Er hat diese Durchorganisation geschaffen, und er kann sich dieser Durchorganisation beliebig politisch und ideologisch bedienen. Und so war es, meine Damen und Herren, auch nicht verwunderlich, als im Wahlkampf zur Nationalratswahl 1995 der Herr Bundesminister laut dem Wochenmagazin "profil" eine Kettenbriefaktion für Künstlerinnen und Künstler eingerichtet hat, also ein Schneeballsystem, ein System, das immer wieder und zu Recht einer Kritik unterzogen wird. Es wird ja immer wieder darüber diskutiert, ob man diese Kettenbriefaktionen und diese Pyramidenspiele verbieten soll. Genau nach diesem Strickmuster bedient sich der Kunstminister der ihm befreundeten Künstler, die wieder in den Interessengemeinschaften zusammengefaßt sind und über die dann wieder das Füllhorn des Steuerzahlers ausgeschüttet wird. Dieser Künstler bedient er sich, und er sagt: Jeder der angesprochenen zehn Künstler, die alle sehr gut von den Förderungen leben, soll wieder zehn weitere Kunstinteressenten ansprechen, die wiederum zehn weitere Künstler anzuschreiben haben, um parteipolitische Agitation und Propaganda zu betreiben.

Meine Damen und Herren! Das ist in Wahrheit der Hintergrund! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und das ist auch der einzige Hintergrund, weshalb das Interesse des Bundesministers Scholten nach wie vor auf eine Aufrechterhaltung des sozialistischen Kunstmonopols in Österreich gerichtet ist. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Er hat das Wort.

9.36

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute vormittag den Bereich des Budgets "Unterricht und Kunst" diskutieren, dann sollten wir uns vor Augen führen, um welche Dimensionen es eigentlich bei diesem Bereich geht. Ich werde versuchen, mit wenigen Zahlen deutlich zu machen, welch großen Sektor in der Gesellschaft wir mit diesen Budgets behandeln.

Es ist das größte Dienstleistungsunternehmen Österreichs, das im gesamten Bildungsbereich angesprochen wird. Es sind fast rund 1,2 Millionen Menschen, die als Schülerinnen und Schüler im Bereich der Ausbildung, der Bildung integriert sind. Das heißt, dieses größte Dienstleistungsunternehmen Österreichs gestaltet und bestimmt die Zukunft, die Zukunftschancen von derzeit 1,2 Millionen jungen Menschen in Österreich mit. Das heißt, das, worüber wir heute diskutieren, welche Bedingungen wir diesen Menschen geben, entscheidet die Zukunft Österreichs in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte jenen, die dafür die Hauptverantwortung tragen, nämlich den rund 115 000 Pädagogen – in der Volksschule, Hauptschule, AHS, BHS, BMS, in den Berufsschulen – danken, weil die Herausforderungen für diese 115 000 Personen durch die gesellschaftlichen Änderungen jeweils größer werden. Wir wissen, daß die enormen Herausforderungen oft mit Spannungen, die in der Gesellschaft auftreten, verbunden sind.

Wir haben rund 380 000 Personen in den Volksschulen, 270 000 in den Hauptschulen, 176 000 in den AHS, rund 300 000 in den berufsbildenden Schulen. Es sind also große Bereiche, die von diesen 115 000 Pädagogen betreut werden. Und ich glaube, eines sagen zu können: Die Schule hat als größtes Dienstleistungsunternehmen zwar jeweils gleichbleibende Angebote über die Jahre und Jahrzehnte hin zu liefern, andererseits aber hat sich ein immer größerer Bereich dieses gesamten Angebotspotentials ständig an neuen Herausforderungen zu orientieren und


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hat den gesellschaftlichen Herausforderungen zu entsprechen. Eines möchte ich aber auch dezidiert sagen: Die Schule kann nicht jedes Defizit, das in der Gesellschaft neu auftritt, mit solchen Angeboten wettmachen. Die Schule kann nicht das Korrekturzentrum in der Gesellschaft sein, damit wäre sie überfordert. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweiter Bereich – wir sollten uns das angesichts einer sehr intensiven bildungspolitischen Diskussion, die wir in den vergangenen Monaten aufgrund neuer Herausforderungen, auch finanzpolitischer Herausforderungen, erlebt haben, vor Augen führen –: Die österreichische Schule hat im internationalen Vergleich nicht nur gut bestanden, sondern hervorragend abgeschnitten. Und ich glaube, wir sollten das durchaus als Ausgangspunkt der Weiterentwicklung nehmen.

Wir haben also auf einem Fundament aufzubauen, das uns im internationalen Vergleich, im OECD-Vergleich bescheinigt, daß Qualität und Leistungsvermögen von der österreichischen Schule angeboten werden und daß wir unsere Schülerinnen und Schüler besser als viele andere Länder auf die Zukunft vorbereiten, und ich glaube, darauf können wir durchaus stolz sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe gesagt: Selbstverständlich hat jede Einrichtung, so auch dieses größte Dienstleistungsunternehmen Österreichs, den neuen Herausforderungen zu begegnen, und wir wissen, daß im Zuge der Konsolidierung jeder einzelne Bereich seinen Beitrag dazu zu liefern hat. Was ich bei dieser gesamten Diskussion aber herausheben möchte, ist folgendes: Die gesamte Diskussion ist in einer partnerschaftlichen Art und Weise durchgeführt worden, es ist rechtzeitig mit den Betroffenen und deren Vertretern gesprochen worden. Die Lehrer und die Gewerkschaft öffentlicher Dienst sind integriert worden, und das hat letzten Endes dazu geführt, daß diese Reformen partnerschaftlich getragen und durchgeführt werden. Das heißt also, aus dem Geist der Partnerschaft heraus sind auch schwierige Situationen meisterbar. Und ich sage für die ÖVP: Wir bekennen uns zu diesem partnerschaftlichen Stil der Problemlösung, weil wir glauben, daß nur dieser partnerschaftliche Stil für eine demokratisch reife Gesellschaft der richtige Weg zur politischen Vorbereitung und Durchführung ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Fast 2,5 Milliarden Schilling zu konsolidieren, ist nicht wenig, man muß das lobend hervorheben und insbesondere der Frau Bundesministerin für diese Einstellung, für die Art und Weise der direkten Begegnung mit den Betroffenen danken. Ich glaube, es ist sicherlich nicht in allen Bereichen so verlaufen wie im Unterrichtsbereich. Frau Bundesministerin! Ich möchte Ihnen dafür, für diese Art und Weise, für diese ruhige Form und für die Durchführung effizienter Konsolidierungsmaßnahmen, recht herzlich Dank sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme nun zu den Herausforderungen, die neben den finanziellen selbstverständlich auch inhaltliche Änderungen, Verbesserungen zur Folge haben müssen. Wir haben insbesondere in den vergangenen Jahren damit begonnen, in der Schule, wenn Sie so wollen, eine Revolution bezüglich Kompetenzen durchzuführen. Man hat nämlich nicht mehr an vielen Kompetenzen in der Zentrale krampfhaft festgehalten, sondern man hat sie auf jene Ebenen verlagert, auf welchen die Entscheidung notwendig ist. Dieser Prozeß ist unter der Chiffre mehr Autonomie, mehr Dezentralisierung, mehr Regionalisierung gelaufen. Und dieser Prozeß sollte, wie ich meine, überhaupt in dieser Diskussion hervorgehoben werden.

Wir haben im Jahre 1995 – also vor rund einem halben Jahr, im Herbst hat das begonnen – eine Autonomieoffensive, Modellversuche in 24 ausgewählten Schulen Österreichs aller verschiedenen Schultypen gestartet. Es wird versucht, einerseits den einzelnen Schulen mehr Mitsprachemöglichkeiten einzuräumen, auch mehr an finanzieller Autonomie einzuräumen, das heißt, eine Art transparente Zuteilung aller Budgetausmaße zu geben, und andererseits wird ihnen die Möglichkeit gegeben, zu sparen, innerhalb dieses Budgets umzuschichten. Und erstmals wird auch den einzelnen Schulen die Möglichkeit gegeben, Geld dazu zu verdienen. Das heißt, die Kreativität, die Initiative der einzelnen Einheit wird gefördert.

Ich glaube, das ist etwas, was wir insgesamt in unserer Gesellschaft anzustreben haben: mehr Selbstverantwortung für den einzelnen, aber auch für die kleinere Einheit. Das Prinzip der Sub


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sidiarität legt uns als Politikern auf, daß wir Rahmenbedingungen schaffen, damit die Idee der größeren Verantwortung im kleineren Bereich möglich ist. Ich glaube, dieser Schulversuch in den 24 ausgewählten Schulen ist ein klassisches Beispiel dafür, daß dieser Idee zum Durchbruch verholfen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Es soll eine Menge von Verwaltungsvereinfachungen geben, ein Mitspracherecht in den personellen Entscheidungen, einen Abbau bürokratischer Maßnahmen – all diese Modelle sollen rund zwei Jahre erprobt werden. Und ich glaube, daß wir nach diesen zwei Jahren werden sagen können, dieser autonome Gedanke sollte umgesetzt und verbreitet werden und das Schulleben in Österreich charakterisieren.

Nächster Punkt: Wir haben jeweils versucht, die schulpolitischen Weiterentwicklungen nach drei Leitlinien zu gestalten: erstens Qualität zu offerieren und Qualität noch zu verbessern, zweitens die Vielfalt des Angebotes zu erhalten, wenn möglich zu erweitern, und drittens dem Leistungsgedanken zweifellos auch im schulischen Bereich eine besondere Stellung zu verschaffen. Denn eines ist klar: Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, und jene Institution, die für das Leben vorzubereiten hat, kann nicht außerhalb der Gedanken, die ansonsten das Leben prägen, stehen. Das heißt, der Leistungsgedanke hat zweifellos eine wesentliche Form der Prägung in der schulischen Erziehung zu sein. Noch einmal: Qualität, Vielfalt und Leistung – drei Kriterien, nach denen die gesamte Verbesserung unserer schulpolitischen Vorstellungen zu erfolgen hat und die dann in der schulischen Realität Platz zu greifen haben.

Das heißt, neben der Autonomie sollen eine innere Schulreform, eine Internationalisierung, mehr Angebote im Fremdsprachenbereich und eine Neuorientierung im berufsbildenden Schulwesen stattfinden. Wir haben uns auch im Koalitionsabkommen dazu bekannt, daß selbstverständlich eine Verbesserung des Polytechnikums, des gesamten berufsbildenden Bereiches und der Übergänge zu erfolgen hat, mit dem Ziel, daß es keinen Abschluß ohne weitere Bildungsmöglichkeit mehr geben kann. Das ist eine wichtige Frage. Wenn ich mich einmal für einen Bildungsweg entscheide, dann soll mich dieser Weg nicht in eine Sackgasse führen, sondern er soll mir jeweils Möglichkeiten bieten, durch zusätzliche Bildungsschritte dem Bildungsideal, das dem einzelnen vorschwebt, näher zu kommen.

Wir wollen zweifellos noch einem zusätzlichen Bereich entsprechen, nämlich der Idee des lebensbegleitenden Lernens. Es muß endlich Schluß damit gemacht werden, zu glauben, daß man eine Ausbildung, einen Bildungsweg zu durchlaufen braucht und man damit fürs ganze Leben ausgesorgt und sich genug gebildet hätte. Wir müssen wissen, daß andauernd zusätzliche Impulse zu geben und Angebote zu machen sind. Ich glaube, gerade im heurigen Jahr, das ja europaweit das Jahr des lebensbegleitenden Lernens ist, beschäftigen sich viele Enqueten, viele Veranstaltungen mit dem Aspekt des lebensbegleitenden Lernens. Und vielleicht kann man damit das Bewußtsein in Österreich ändern, daß das lebensbegleitende Lernen eine andauernde Herausforderung für die Bildungspolitik ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir nun zu tun haben und was wir heute zu diskutieren haben und am Freitag, also morgen, zu beschließen haben werden, ist, die budgetären Grundlagen für diese Herrausforderungen zu legen.

Das heißt, wir müssen unsere Schulen, unser Bildungssystem für das 21. Jahrhundert fit machen. Wir wollen in einem System agieren und dauernd an Verbesserungen arbeiten, mit dem Ziel, daß sich diejenigen, die in diesem Bildungsprozeß integriert sind, wohl fühlen: die Schüler, die Lehrer, aber auch die Eltern. (Abg. Dr. Frischenschlager: Wohlsein!) Ein Wohlbefinden ist immer ein positiver Ausdruck des gesellschaftlichen Empfindens. Die Schule sollte keine Angst machen, sondern soll einen wesentlichen Beitrag zum Wohlbefinden leisten. Das heißt also, wir müssen die Schule mit inneren Reformen, mit mehr Autonomie, mit mehr Möglichkeiten noch höherer Qualität für das 21. Jahrhundert fit machen. Aber auch das Hinführen an jene Herausforderungen, die dem einzelnen im Leben dann begegnen, wird ein zentraler Stellenwert bildungspolitischer Natur in diesem und in den nächsten Jahren sein.


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Ich glaube, daß mit einem Konsolidierungsprogramm, das die Überschrift "Sparen mit wirtschaftlicher Vernunft" trägt, eine gute Grundlage gegeben ist. Wir von der Volkspartei sagen ja zu diesem Kurs, weil es ein Kurs ist, der die Zukunft der jungen Menschen sichert. (Beifall bei der ÖVP.)

9.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Maria Schaffenrath. Sie hat das Wort.

9.52

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Höchtl hat jetzt abschließend etwas sehr Wichtiges gesagt, nämlich: Wie notwendig wäre es doch, die Schule von einem Ort der Angst zu einem Ort des persönlichen Wohlbefindens zu machen. Ich glaube aber, daß wir dazu die Strukturen leider noch nicht vorfinden, und solange wir an dem Auslesemechanismus und an diesem fehleranfälligen Beurteilungssystem an Österreichs Schulen in der derzeitigen Form festhalten, so lange wird Angst an unseren Schulen allgegenwärtig sein. Und es gibt gerade jetzt an allen Orten und Stellen – auch meine Tochter ist in dieser Situation – viele Maturaklassen. Gehen Sie in die Schulen und sehen Sie sich an, wieviel Angst die Schüler haben.

Sie haben, Herr Abgeordneter Höchtl, auch sehr viel über Bildungsoffensive, über Qualifizierungsoffensive, über lebensbegleitendes Lernen gesprochen. Das sind alles Zielsetzungen, die wir Liberale begrüßen, die wir unterstützen, nur habe ich die Sorge, daß es bei vielen dieser Begriffe bei einem Schlagwort bleibt und daß die realistische Umsetzung auf sich warten lassen wird.

Sehr geehrte Frau Unterrichtsministerin! Sie sind in einer Aussendung am 24. Jänner für eine emanzipierte Schule eingetreten, und Sie haben davon gesprochen, daß Erlässe und offizielle Genehmigungen die Schule nicht unbedingt besser machen und daß Eigenverantwortung an Schulen gefragt sei. Sie erwähnten, daß Sie in einer emanzipierten Schule Lehrer gesehen haben, die sich für das Gesamte verantwortlich sehen, Direktoren mit Managementqualitäten und Schulpartner, die ihre neue Rolle wahrnehmen. Und Sie sagten auch, Sie wollen eine Verbesserung der Lehreraus- und -weiterbildung initiieren. Leider schaut die politische Realität meiner Meinung nach anders aus.

Wenn Sie, Herr Kollege Höchtl, sagen, wir würden jetzt die budgetäre Grundlage für eine neue Schule, für eine Schule, die uns in das 21. Jahrhundert führen wird, schaffen, dann muß ich sagen: Ich sehe in diesem Budget leider nur sehr wenig Ansätze dafür. Es gibt zwar im Koalitionsübereinkommen da und dort einen Hinweis darauf, in der Budgetrede des Finanzministers kam das Wort Bildung aber kein einziges Mal vor.

Meine Damen und Herren! Die Diskussion über Schule, über innere Weiterentwicklung, über Qualität darf nicht nur im Rahmen von Konsolidierungsmaßnahmen ablaufen, sonst passiert nämlich ganz genau das, was letztendlich bei der Kürzung der Schulstunden im Sekundarbereich I passiert ist: Eine grundsätzlich sinnvolle Maßnahme, ein grundsätzlicher Ansatz in Richtung pädagogische Form verkommt deshalb, weil im Rahmen einer Husch-Pfusch-Aktion, im Rahmen des Konsolidierungszwanges die notwendigen Rahmenbedingungen nicht geschaffen wurden und weil letztendlich auch im inhaltlichen Bereich zum Teil die Vernunft fehlt.

Wir haben noch keinen neuen Lehrplan, der wird erst in zwei Jahren zu erwarten sein. Wie wird sich das dann auf die Schule selbst auswirken? Wieviel schulische Arbeit wird bei gleichbleibendem Lehrstoff in die häusliche Arbeit abgedrängt werden? Es wird auch zu einer Überalterung des Lehrkörpers kommen, weil die Flexibilisierung des Dienstrechtes nicht in wünschenswertem Maße mit dieser Maßnahme Schritt hält. Es werden uns die neuen Impulse, die neuen pädagogischen Ansätze junger Kollegen fehlen. Und ich frage mich wirklich, warum nicht im Rahmen dieser Reform überlegt wurde, im Primarbereich letztendlich einen Start in einen neuen Bereich, in den Sekundarbereich, zu wagen und bereits Reformen einzuleiten. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Herr Staatssekretär Schlögl hat Einsicht, berechtigte Einsicht, wie ich glaube, gezeigt, daß sich die Opposition mit Sparmaßnahmen, die letztendlich wieder den Schulbereich betreffen, nicht zufrieden zeigen konnte. Wir haben es in weiten Bereichen wirklich nur mit Alibiaktionen zu tun, mit einem Teilabbau von Privilegien. Herr Kollege Höchtl! Wenn Sie hier in einem solch hohen Maße die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Interessenvertretungen, Lehrern und den Verhandlungspartnern der Regierung loben, dann muß ich Ihnen sagen: Ich glaube schon, daß das partnerschaftlich war, und das Ergebnis schaut auch in etwa so aus, tatsächlich wurden aber primär nur solche Maßnahmen gesetzt, von denen der pragmatisierte Lehrer nur zu einem relativ geringen Teil oder gar nicht betroffen ist – zu einem geringen Teil nur dann, wenn er nach wie vor glaubt, ein Anrecht, einen gesetzlichen Anspruch auf Überstunden zu haben in Zeiten, in denen Tausende junge, engagierte Lehrerkollegen überhaupt ohne Arbeit sind.

Ich frage – auch aus aktuellem Anlaß und weil der Herr Staatssekretär angekündigt hat, daß in Zukunft die Pragmatisierung bei Neueinstellungen nicht mehr zum Tragen kommen wird –, ob auch sichergestellt ist, daß die Pragmatisierung als überholtes, als nicht mehr zeitgemäßes, als leistungsfeindliches Instrument hoffentlich auch in Zukunft von Österreichs Schulen verbannt werden wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

In den Budgetzahlen der einzelnen Bereiche zeigt sich ja leider auch, daß es gar nicht so ernst gemeint sein konnte mit dem Abbau von Überstunden zum Beispiel. Ich finde es bedenklich, wenn wir im Bereich der gewerblichen und technischen Lehranstalten ein Verhältnis von 3 Milliarden Schilling an regulären Personalkosten zu 1 Milliarde Schilling an Kosten für Überstunden haben. Das heißt, im Durchschnitt kommt auf den Lehrer für drei reguläre Unterrichtsstunden eine Überstunde. Zu welchem Zusatzeinkommen es da kommt, obwohl junge Kollegen ohne Arbeit dastehen, das kann sich jeder leicht ausrechnen. Meiner Meinung nach haben Sie sich in diesem Punkt nicht im wünschenswerten Maße durchgesetzt.

Warum ausgerechnet in Sparzeiten die Zuweisungen an Religionsgemeinschaften insgesamt um rund 160 Millionen Schilling erhöht werden müssen, ist genauso zu hinterfragen wie die Tatsache, daß Mittel an Quasi-Eliteschulen, wie das Theresianum und die Internationale Schule, deutlich erhöht werden, während Alternativschulen mit einem eingefrorenen Budget im Ausmaß von 1,1 Millionen Schilling – sie hatten 100 000 S Zuwachs – das Auslangen finden müssen.

Ich glaube, daß man hier – leider – die Handschrift der ÖVP sehr deutlich erkennen kann. Sie spricht zwar von Wettbewerb, will aber Wettbewerb im Schulbereich nicht wirklich zulassen, sonst müßten ja endlich jene Rahmenbedingungen geschaffen werden, die schulisch fairen Wettbewerb gewährleisten und konfessionelle Privatschulen nicht einseitig bevorteilen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Und ich stimme zu, daß die Erwachsenenbildung einen immer höheren Stellenwert einnehmen wird. Sie, Herr Kollege Höchtl, haben für das lebenslange, lebensbegleitende Lernen appelliert. Aber die Erkenntnis allein, daß Erstausbildung nur ein Teil der Gesamtausbildung ist und daß in der Schule selbst eigentlich nur die Basis für lebenslanges Lernen gelegt werden kann, wird nichts bringen. Die Erkenntnis um die Bedeutung des lebenslangen Lernens allein wird nicht ausreichen. Sie müssen auch Willen zur Reform zeigen und Impulse setzen, und das haben Sie nicht getan.

Wenn ich mir den Budgetansatz in diesem Bereich anschaue, stelle ich fest, daß er für das Jahr 1996 nur um 10 Millionen Schilling höher liegt als für das Jahr 1994. Frau Ministerin! Sie haben das auch erkannt, Sie haben bereits jetzt, da das Budget für die kommenden zwei Jahre feststeht, neue Mittel requiriert, Sie wollen einen Anteil an den Privatisierungserlösen. Ich wünsche Ihnen, daß er Ihnen auch von den Verantwortlichen, beispielsweise von jenen, die dafür verantwortlich zeichnen, zur Verfügung gestellt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir über die österreichische Schule sprechen und wenn wir diesbezüglich Zukunftsvisionen entwickeln, dann haben wir es sehr schwer, weil sich die österreichische Schule zu einem großen Teil noch in der Vergangenheit befindet. Und darum ist es halt sehr schwer, die Gegenwart zu übergehen und gleich in die Zukunft zu


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schauen. Wenn die Unterrichtsministerin immer wieder sagt, das österreichische Schulsystem sei eben ein historisch gewachsenes, meine Damen und Herren, dann kann das nicht die Erklärung und darf das nicht die Entschuldigung dafür sein, daß wir sozusagen einen bereits 20 Jahre andauernden Stillstand erleben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich möchte Ihnen aus liberaler Sicht ein paar Kritikpunkte vorbringen: Das österreichische Schulsystem ist nach wie vor, trotz aller Autonomiebeteuerungen, geprägt von Parteipolitik und von politischem Proporz. Es ist der Parteienproporz nach wie vor verfassungsmäßig in den Kollegien der Landesschulräte festgeschrieben. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Die politische Korruption dieses Systems zeigt sich schon anhand der Wiedereinsetzung des ehemaligen Staatssekretärs Schäffer. Die politische Korruption dieses Systems zeigt sich anhand vieler Fälle, die von der Volksanwaltschaft laufend kritisiert werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Ich bitte Sie – auch im Lichte von Reflexionen in der Öffentlichkeit –, die Ausdrucksweise so zu wählen, wie das von allen Fraktionen gewünscht wird.

Abgeordnete Maria Schaffenrath (fortsetzend): Bitte um Entschuldigung, Herr Präsident, ich nehme das zurück. Ich formuliere es um: Die parteipolitische Einflußname bei der Bestellung von Direktoren, von Schulaufsichtsbeamten wurde von der Volksanwaltschaft in den letzten drei Berichten ganz massiv kritisiert. Sie haben diesbezüglich keinerlei Ansätze gezeigt. Sie wünschen natürlich weiterhin – trotz aller Autonomiebezeugungen – Ihren Machtapparat zu den Ländern, und Sie versuchen, diesen mit allen Möglichkeiten zu verteidigen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Schauen Sie sich die Situation an. In Kärnten, so kritisiert die Volksanwaltschaft, stehen mehrere Direktorenposten an Berufsschulen leer, die fehlende Nachbesetzung wurde kritisiert. Vermutlich wurde kein Direktor in der entsprechenden Parteienfarbe gefunden. In Tirol gehen Eltern und Lehrer auf die Straße, um untragbare Zustände in diesem Bereich der Öffentlichkeit deutlich zu machen.

Meine Damen und Herren! Wir glauben, daß Parteipolitik an der Schule nichts verloren haben darf. Wir verstehen unter ehrlicher Autonomie etwas anderes. Wir glauben nicht, daß sich Autonomie auf das Dazu-verdienen-Können an Schulen durch Vermietung von Turnsälen und auf die Chance, über Werbeeinnahmen Bildung finanzieren zu können, beschränken darf.

Wir sehen die Schule als Grundaufgabe des Staates, und es muß auch die Finanzierung über den Staat erfolgen, auf jeden Fall im Bereich der Grundschulausbildung. Ich frage mich: Was ist denn das für eine Autonomie an unseren Schulen, die diesen Lehrern, diesen Schulpartnern, den von Ihnen als eigenständig beschworenen Lehrern nicht einmal die Fähigkeit zutraut, die Schuldirektoren auf Zeit zu wählen, sowie bei der Einstellung von Lehrern, die doch letztendlich in ein Lehrerteam passen sollten, mitzubestimmen und auch auf diese Art und Weise eine gewisse Garantie für Leistung und Leistungskontrolle einbringen zu können? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Kollege Niederwieser! Du hast – für mich sehr erfreulich – ein altes liberales Thema wieder zur Sprache gebracht, und zwar die Abschaffung der Zweidrittelgesetzesmaterie im Schulbereich. Gott sei Dank kam es diesbezüglich zu einer Meinungsänderung. Vor gar nicht langer Zeit wurde das noch abgelehnt. Ich glaube sehr wohl, daß diese Zweidrittelgesetzesmaterie im Schulbereich zur Erstarrung führt und nicht zur Stabilität, daß sich genau aus diesem Grunde Schulreform eigentlich nur auf einer ideologischen Spielwiese abspielen kann und daß wir genau aus diesem Grunde in der Entwicklung einer gemeinsamen Schule – ich meine damit, eines gemeinsamen Lernortes – mit einer individuellen Förderung aller Kinder nach ihren besten Möglichkeiten über das Schulversuchsstadium noch gar nicht hinausgekommen sind.

Es gibt auch einen sehr aktuellen Anlaß, das hier anzubringen, nämlich die anstehende Integration im Bereich der Sekundarstufe I. Hier wird die Absurdität unseres Schulsystems allein


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dadurch deutlich, daß genau zu dem Zeitpunkt, zu dem die Segmentierung beginnt, jetzt ein – unter Anführungszeichen – "artfremdes Element" dazukommt, das sich nicht mehr in das System einfügen will. Das macht es Ihnen so schwer, zur Integration als Menschenrecht zu stehen.

Frau Unterrichtsministerin! Es hat mich persönlich tief betroffen gemacht, daß Sie Integration nicht als Menschenrecht sehen, sondern als unterrichtliche Notwendigkeit. Wir Liberale sehen das naturgemäß anders. Integration ist für uns ein Menschenrecht, und Integration ist für uns nicht teilbar. Wir werden uns vehement dagegen verwahren, daß Integration verwässert wird, daß Integration nur nach Möglichkeit durchgeführt wird und somit allen möglichen Ausreden, sei es in organisatorischen oder in anderen Bereichen, Tür und Tor geöffnet wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Lassen Sie mich jetzt noch einen letzten Kritikpunkt im Zusammenhang mit der Durchlässigkeit unseres Schulsystems anbringen. Kollege Höchtl hat gemeint: Kein Abschluß ohne Anschluß! – Davon sind wir leider noch weit entfernt. Ich glaube, daß von der derzeit bestehenden Undurchlässigkeit das duale Ausbildungssystem in ganz besonders hohem Maße betroffen ist – dieses duale Ausbildungssystem, das bisher Garant dafür war, daß wir Facharbeiter im genügenden Ausmaße zur Verfügung hatten und daß die Jugendarbeitslosigkeit eingedämmt werden konnte.

Ich verstehe, daß die Bereitschaft der Wirtschaft abnimmt, Lehrlinge auszubilden. Ich verstehe auch, daß das Interesse der Lehrlinge abnimmt, weil die Durchlässigkeit noch nicht im wünschenswerten Maße gegeben ist. Es darf aber einfach nicht mehr bei reinen Absichtserklärungen und bei Werbekampagnen wie "Karriere durch Lehre" bleiben.

Aber das Problem ist nicht die Höhe der Lehrlingsentschädigung. Herr Kollege Dolinschek, hat das letzte Mal gesagt, man möge die Anpassung der Lehrlingsentschädigungen garantieren. Das ist eine populistische Aussage. Ich weiß, daß der Anteil der Wähler der Freiheitlichen bei den Lehrlingen gut ist. Nur Lehrplätze wird das sicherlich keine schaffen. Wir haben ein komplexes Problem, und wir müssen umdenken. Das Stichwort heißt Flexibilisierung!

Das ist aber unabhängig davon, daß wir natürlich eine Neuordnung der Lehrberufe brauchen und die Berufsschullehrer- und -lehrerinnenausbildung verbessern müssen. Das Problem der starren Strukturen im gesamten Schulbereich, vor allem aber im Berufschulbereich, ist meiner Meinung nach Grund für die derzeitige Situation. Daher brauchen wir eine Flexibilisierung der Zeit.

Ich glaube, daß mir die Kolleginnen und Kollegen der ÖVP zustimmen werden, daß es Sinn macht, die Berufsschulzeit schon innerhalb der Gesamtzeit branchenspezifisch flexibler aufzuteilen, daß es Sinn macht, branchenspezifisch zu individuellen Regelungen zu greifen, damit nicht alles über einen Kamm geschoren werden kann, daß es nicht Sinn macht, die Berufsschulzeit für den Einzelhandelskaufmann gleich lang festzulegen wie für hochtechnisierte Berufe, daß ein Koch vielleicht einen anderen Zeitraum im Bereich der Schulausbildung braucht als ein Kellner, daß wir aber vor allem – das wird das Wichtigste sein – auch eine individuellere Regelung bezüglich der Dauer der Berufsschulzeit zwischen Lehrberechtigtem und Lehrling brauchen, um diese unterschiedlichen Abschlüsse zu ermöglichen. Dafür bedarf es einer sozialrechtlichen und gehaltsmäßigen Abkoppelung von Schule und praktischer Ausbildung im Betrieb.

Ich glaube, während der Lehrling in der Schule ist, hat er von Gesetzesseite her auch wie ein Schüler behandelt zu werden. Während der Lehrling in der Schule ist, ist er Schüler, ist er bei seinen Eltern mitversichert, und nur auf diese Art und Weise kann mehr Flexibilität in diesem Bereich erreicht werden. – Natürlich müssen wir auch den Berufsschulstoff neu strukturieren, Module schaffen, um dann letztendlich auch unterschiedliche Abschlüsse zu ermöglichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich glaube, daß es grundsätzlich während der letzten Jahre zu einer vermehrten Bewußtseinsbildung gekommen ist. Sie haben sicher auch dazu beigetragen, daß Bildung nicht mehr an der Fähigkeit des


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Reproduzierens von Fakten gemessen wird, sondern daß es um soziale Kompetenzen, um Schlüsselqualifikationen und auch um einen lebenslangen Lernprozeß geht.

Schule und Bildung dürfen einfach nicht nur im Rahmen von Konsolidierungsmaßnahmen diskutiert werden. Es muß noch mehr um Qualitätsverbesserung gehen, es muß um innere Reformen gehen, es muß vor allem um Weiterentwicklungen gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Dafür wird es wohl notwendig sein, in Zukunft weiter über den ideologischen Tellerrand hinauszuschauen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. Er hat das Wort.

10.12

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich muß zunächst doch, weil er sich auch mit Bildungsfragen beschäftigt hat, auf die Ausführungen von Kollegen Krüger eingehen. Sie haben offensichtlich Probleme, mit dem fertigzuwerden, was sich derzeit in Österreich abspielt, weil Sie gezwungen sind, 20 oder noch mehr Jahre zurückzugehen und irgendwelche Phantome aufzubauen, die möglicherweise schon längst gestorben sind. Wir können glücklich sein, wenn Ihnen gegen die Sozialdemokratie kein anderer Vorwurf einfällt als ein Gespräch aus der Kreisky-Ära, das irgend jemand einmal geführt hat. (Abg. Dr. Krüger: Mit einem Stasi-Offizier!) Da können wir uns wirklich beglückwünschen, und vor solchen Vorwürfen brauchen wir auch keine Angst zu haben.

Aber wenn Sie umgekehrt meinen, wir dürften schulpolitisch nur Wissen vermitteln – das haben Sie zum Ausdruck gebracht, indem Sie uns vorgeworfen haben, wir würden die Schule zu unterwandern versuchen, es würde versucht werden, in der Schule auch Werte zu vermitteln, und man würde sich in der Schule nicht nur auf das Wissen beschränken (Abg. Dr. Krüger: Ich habe wortwörtlich zitiert!) –, dann muß ich Ihnen, Kollege Krüger, sagen: Bleiben Sie lieber bei der Kulturpolitik. Lesen Sie zunächst einmal den Grundsatzparagraphen für das österreichische Schulwesen, und überlegen Sie sich einmal, wofür Schule eigentlich da ist. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Du weißt das genau. Die jungen Menschen sollen zu gesunden, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewußten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herausgebildet werden. (Rufe und Gegenrufe bei den Freiheitlichen und der SPÖ.) Sie sollen zu selbständigem Urteil, zu sozialem Verständnis geführt werden, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderen gegenüber aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen. (Abg. Dr. Krüger: Das ist ja unbestritten, Herr Kollege!)

Kollege Krüger! Da können Sie sich nicht herstellen und sagen, die Schulen sollen sich gefälligst auf die Vermittlung von Wissen beschränken! Selbstverständlich hat die Schule die Aufgabe, den jungen Menschen auch Werte zu vermitteln, und sie sind hier festgelegt. (Abg. Dr. Krüger: Die Verfassung kenne ich besser als Sie, Herr Kollege!) Daran werden wir auch festhalten, und ich bitte, solche Vorwürfe nicht mehr zu erheben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Sie hat sie anzuleiten, auch die Werte zu verbreiten!)

Wenn wir heute über das Budget reden, dann sage ich unumwunden: Auch wir könnten uns ein Unterrichtsbudget vorstellen, das wie in den vergangenen Jahren sozialdemokratischer Regierungsverantwortung eine Steigerung von 3 bis 5 Prozent aufweist, anstatt den Stand des Vorjahres beizubehalten. Es gibt aber in der jetzigen Budgetsituation nur zwei Möglichkeiten: entweder zu jammern und zu lamentieren, wie es von vielen Rednern der Opposition seit Tagen praktiziert wird, oder mit einem Kurs des gerechten Sparens und des Sparens durch Reformen das Beste aus dieser Situation zu machen. (Beifall bei der SPÖ.) Wir – damit meine ich die Abgeordneten meiner Fraktion und auch des Koalitionspartners, die heute noch zum Kapitel


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Unterricht sprechen werden – werden Ihnen in dieser Auseinandersetzung nachweisen, daß wir die österreichische Schule in einer Zeit des Sparens von veralteten Strukturen befreien und modernisieren wollen, von Strukturen, die lange Zeit als unantastbar gegolten haben, solange wir sie uns leisten konnten. Sparen durch Reformen heißt die Devise, und niemand braucht um die Qualität der österreichischen Schule in dieser Situation Angst zu haben. (Abg. Mag. Schweitzer: Das wollen wir ja schon lange, Herr Kollege Niederwieser! Aber der Fortschritt ist noch nicht erkennbar!) – Der Fortschritt ist erkennbar, und Sie werden in den folgenden Ausführungen sehr deutlich hören, was wir vorhaben. Ich bitte Sie, einmal zuzuhören. (Abg. Mag. Schweitzer: Ich habe drei Kinder in der Schule! Ich sehe das tagtäglich, daß es keinen Fortschritt gibt!)

Ich möchte aber mit einigen Fakten beginnen, die allgemein eine bessere Bekanntheit verdienen. Zuerst zum Verhältnis von Lehrern zu Schülern und dazu, wie es sich in den letzten 20 Jahren entwickelt hat. (Der Redner zeigt eine Grafik.)

Wir hatten im Schuljahr 1970/71 – Kollege Schweitzer, da könntest du noch etwas lernen, denn diese Grafik kennst du sicher noch nicht – in den Pflichtschulen ungefähr 21 Schüler pro Lehrer, und wir hatten im Schuljahr 1994/95 – das sind die letzten vollständigen Zahlen – 9,2 Schüler pro Lehrer, in den Gymnasien waren es rund 15, jetzt sind es rund neun, und insgesamt waren es vor 25 Jahren rund 18, jetzt sind es rund zehn Schüler pro Lehrer. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer .) Das heißt, das allein ist eine ganz erhebliche Verbesserung in der schulpolitischen Situation der letzten 25 Jahre. Das ist uns aber noch nicht genug. Das sage ich auch ganz offen.

Neue Aufgaben sind also zu lösen, neue Weichenstellungen sind vorzunehmen. Worum es in Zukunft gehen muß, ist, durch einen effizienteren Einsatz des Geldes für neue Aufgaben in der Bildungspolitik entsprechende Mittel zu erreichen. Mit diesem Strukturpaket wird der Prozeß der Umorientierung eingeleitet. Ich nenne einige für die Sozialdemokraten wichtige künftige Felder der Bildungspolitik, die wir in den nächsten Jahren in dieser Koalition gemeinsam verwirklichen wollen.

Da ist zunächst die Facharbeiter-Ausbildung zu nennen. Über sie wurde im Kapitel Soziales schon einiges gesagt. Ich sage nur soviel: Es werden auch höhere Anteile der öffentlichen Hand notwendig sein, verbunden mit dem System einer integrierten Berufsausbildung, in welchem Betrieb, Berufsschule, berufsbildende mittlere und höhere Schule sowie Erwachsenenbildung eingeschlossen sind und wo es letztlich als Abschluß auch eine Berufsmatura geben wird.

Wir haben als zweites Fragen des lebenslangen Lernens zu klären, die Schulen zu Häusern des Lernens auszubauen, in denen nicht nur am Tag, sondern auch am Abend im Bereich der Erwachsenenbildung sehr viel angeboten wird.

Wir brauchen sicherlich echte Integrationsmaßnahmen – da gebe ich dir schon recht, Kollegin Schaffenrath –, was die Weiterführung der Integration im Bereich der Mittelstufe darstellt. Aber ich bin auch sicher, daß das, was dann am Schluß des Begutachtungsverfahrens dem Parlament zugeleitet wird, nämlich diese Schulorganisationsgesetz-Novelle, eine Änderung sein wird, bei der wir durchaus zu einer gemeinsamen Beschlußfassung kommen werden können, denn auch wir legen großen Wert darauf, daß Integration unteilbar ist. Sie ist nicht teilbar zwischen Hauptschule und AHS, und sie darf auch nicht mit der achten Schulstufe aufhören. Darin sind wir selbstverständlich einer Meinung. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Schaffenrath .)

Die Mittel müssen aber nicht nur effizienter, sie müssen auch gerechter verteilt werden. Diese neue Wifo-Studie über die Umverteilung durch die Politik der öffentlichen Haushalte hat eines gezeigt: Ein durchschnittlicher landwirtschaftlicher Haushalt erhält aus dem Titel "Bildung" vom Staat als Transferleistung am meisten, gefolgt von einem gewerblichen Haushalt, den Freiberuflern, den Arbeitern und den Angestellten. Auf das oberste Drittel der Einkommenspyramide entfielen 1991 rund 47 Prozent der öffentlichen Ausgaben für Schule, auf das mittlere Drittel rund 37 Prozent und auf das untere Einkommensdrittel nur mehr 16 Prozent. Und der wesentliche


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Grund dafür, für diese Verteilung, ist die unterschiedliche Bildungsbeteiligung der Kinder je nach Einkommenshöhe. Das ist der Befund.

Jetzt stellt sich die Frage: Wo liegen die Ursachen dafür? – Wir müssen nämlich erkennen, daß es dafür im wesentlichen drei Ursachen gibt.

Das erste ist, daß die Zuweisung der Bildungswege zu früh, nämlich mit dem zehnten Lebensjahr erfolgt und daß die Alternative dazu nur die gemeinsame Mittelstufe sein kann. Zum zweiten sind Übertritte und Brücken noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden, und zum dritten bedarf es noch Verbesserungen, was das Nachholen von Bildung zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich als Erwachsener, anlangt.

Zum ersten Punkt möchte ich nur als Anstoß eine Studie von Fritz Bauer, Ortwin Wingert und Wolf Schlöglmann nennen, die aufgrund einer Analyse der Schülerströme zu dem Ergebnis kommen, daß die Hauptschule eigentlich die Gesamtschule auf dem Land ist und die AHS-Unterstufe bereits eine gemeinsame Gesamtschule in städtischen Ballungszentren darstellt. Worum es in nächster Zeit gehen muß, ist, das in den gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend anzuerkennen, wobei uns die Praxis schon längst überholt hat. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Es war von Effizienz und Gerechtigkeit die Rede. Das führt mich zu einem weiteren Reformbereich, nämlich jenem der Leistungsbeurteilung. Effizienz heißt nämlich auch, anders mit der Zeit von Schülern, mit der Zeit junger Menschen umzugehen. Und das heißt auch umgekehrt, daß wir die Regeln für das Wiederholen von Schulstufen reformieren müssen. Dazu möchte ich ein sehr konkretes Beispiel nennen, aus dem Sie die Situation ableiten können, nämlich das Beispiel unserer eigenen Arbeit als Abgeordnete hier im Haus.

Wir haben beispielsweise im Unterrichtsausschuß vor, im heurigen Jahr das Landeslehrer-Dienstrecht, die Behindertenintegration, die Reform der neunten Schulstufe und, wenn möglich, auch erste Schritte zu einer Lehrplanreform mit einer verstärkten Berufsorientierung zu erledigen. Das ist die Aufgabe, die wir uns für heuer gestellt haben. Nehmen wir an, es gelingt uns alles, nur, die Reform des Polytechnischen Lehrganges spießt sich, das geht leider nicht, wir schaffen keinen Beschluß. Daraufhin sagt dann der Herr Präsident Fischer zu uns: Tut mir leid, liebe Abgeordnete, eine wichtige Aufgabe habt ihr nicht erledigt, Nicht genügend, alles noch einmal zurück an den Start, alle Gesetze noch einmal von vorne, vom Ausschuß bis ins Plenum!

Daran sieht man, wie absurd dieses System ist; Aufgrund einer einzigen nicht gelösten Aufgabe muß auch alles andere noch einmal erledigt werden! Was wir aber für unsere Arbeit selbstverständlich als absurd ansehen, ist in der Schule Realität in Form dieses Beurteilungs- und Wiederholungssystems. Wir sehen daraus, daß Schule das Lernen nicht als einen Prozeß des Voranschreitens begreift, in dem man viele Schritte bewältigen muß, sondern als eine Art Rallye, als ein Etappenrennen. Wer am Abend diese Etappe nicht erreicht hat, fliegt aus dem Rennen hinaus, und das ist in den meisten Fällen auch das, was tatsächlich nach einmal Wiederholen passiert.

Dieses Bild mißfällt einfach vielen, die pädagogisch denken, und ich bin sehr zuversichtlich, daß wir in den nächsten Monaten – gerade nach den Ankündigungen der Frau Ministerin – zu Lösungen kommen werden, um die wir seit Jahren – bisher vergeblich – gerungen haben.

Eine Aufgabe der nächsten Zeit ist auch, Arbeit für jene zu schaffen, die für pädagogische Berufe ausgebildet sind. Die Altersstruktur der Lehrer, die ich im Detail darlegen könnte, zeigt jedenfalls, daß es in den nächsten fünf bis acht Jahren wenig neue Arbeitsplätze geben wird, daß wir aber in etwa acht bis neun Jahren wieder einen erhöhten Bedarf an Lehrern haben werden.

Was kann in dieser Situation getan werden? Erstens müssen die Chancen für die Lehrer im Bereich der EU verbessert werden, indem ihre Ausbildung auch europaweit anerkannt wird. Diesbezüglich sind noch Verhandlungen zu führen. Zweitens muß man alternative Arbeitszeitformen entwickeln beziehungsweise solche zulassen, die die Lehrer wünschen und die ihre


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beruflichen Vertretungen vorgeschlagen haben, und zum dritten muß man einfach davor warnen, jetzt einen Ausbildungsweg zu ergreifen, von dem man zu 95 Prozent sagen muß: Es tut uns leid, aber in den nächsten fünf bis acht Jahren wird es keine Arbeit für euch geben.

Ich möchte mich aber bei dieser Gelegenheit auch dem anschließen, was Kollege Höchtl schon gesagt hat, nämlich dem Dank an die Lehrer und ihre beruflichen Vertretungen für das große Verständnis, das sie bei diesem Konsolidierungspaket aufgebracht haben. Es ist nicht selbstverständlich, daß eine Berufsgruppe in dieser Art und Weise und mit so viel Verständnis sagt: Ja, wir tragen diese Dinge mit! – Dafür wirklich herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte in Schlagworten noch ein paar Dinge anschneiden. Die Auffahrt auf den Bildungshighway bedeutet im wesentlichen, daß wir neuen Kommunikationsformen Rechnung tragen müssen, die zwischen Lehrern und Schülern oder Erwachsenen – je nachdem, wer Bildung in Anspruch nimmt – auch in der Distanz eine direkte Kommunikation ermöglichen. Das wird eine der Lerntechnologien der Zukunft sein, und da haben wir einiges zu tun.

Im übrigen darf ich noch kurz Scholz zitieren, der gestern in einer Aussendung sehr treffend, wie mir scheint, auf erforderliche Reformfelder hingewiesen hat, indem er gesagt hat: "Nötig wären eine sanftere Einschulung der Kinder in der Volksschule, ein Mehr an spielerischer Fremdsprachenförderung ..., ein früherer Erwerb einer zweiten lebenden Fremdsprache, eine rationellere Gestaltung der Schülerströme im Bereich der Mittelstufe, eine Reform der Notengebung ... und der Ausbau begabungsfördernder Elemente ...". – Er hat damit zusammengefaßt, was unsere nächsten Aufgaben sein werden.

Das Programm, das wir zu erledigen haben, zeigt, daß es uns nicht nur um das Sparen geht, sondern daß es uns darum geht, die Schule weiterzuentwickeln. Wie ein solches generelles Programm für Weiterentwicklung ausschauen könnte, dazu lassen Sie mich zum Schluß Helmut Becker zitieren, einen der Größten der europäischen Bildungswissenschaften. Er fragt: "Welche Eigenschaften benötigt der Mensch von heute, um gebildet zu sein? Und er antwortet darauf: "Ich halte vier Eigenschaften für vordringlich: Zuverlässigkeit, Mobilität, Weltverständnis und Solidarität". – Und ich füge hinzu: Zuversicht und Optimismus. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Er hat das Wort.

10.29

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Einen schönen guten Morgen, Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Krügersche Kulturkampf am frühen Morgen ist schon ein ordentlicher Schock für den nüchternen Magen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger .) Ich muß schon sagen, wenn Kollege Krüger Antonio Gramsci erwähnt, dann ist das schwer verdaulich, aber bitte! Er muß ja seine Schwimmübungen am Trockendock für den Parteivorsitzenden machen, damit er zufriedengestellt ist. Es ist schon eigenartig, wenn ausgerechnet Herr Kollege Krüger herauskommt und ausgerechnet der Frau Ministerin Gehrer unterstellt, daß sie in sämtlichen pädagogischen Institutionen im Ministerium bereits von den Linken unterwandert wurde. Das ist etwas starker Tobak, aber bitte.

Auch wenn Kollege Krüger gegen den nicht anwesenden Minister Scholten etwas Schattenboxen betreibt, ist das seine Sache, aber es hilft uns nicht sehr viel weiter. (Abg. Dr. Krüger: Dafür kann ich nichts!) Kollege Krüger, Sie lenken davon ab ... (Abg. Mag. Schweitzer: Was hast du zu sagen?) Sprechen Sie immer von der Seite? Sie können gern herauskommen, Kollege Schweitzer, und Ihre eigene Wortmeldung abgeben.

Kollege Krüger lenkt davon ab, daß er in der Kulturfrage – er hat ja Herrn Primetzhofer zitiert – mit seiner FPÖ-Oberösterreich in den letzten Wochen eine empfindliche Niederlage dadurch einstecken mußte, daß die FPÖ-Oberösterreich wegen übler Nachrede verurteilt wurde. (Abg. Dr. Krüger: Die SPÖ!) Nein, die FPÖ, die Freiheitliche Partei, und zwar wegen übler Nachrede gegenüber genau jenem Verein, den er heute schon wieder beschuldigt hat, daß er irgendwie linksterroristisch oder so ähnlich gestrickt sei. Ich denke, so kann es doch nicht gehen, daß man die Vorwürfe, aufgrund derer man wegen übler Nachrede verurteilt ist, dann in einem anderen


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Gewand neuerlich präsentiert. (Abg. Dr. Krüger: Ich bin nicht wegen übler Nachrede verurteilt!) Herr Kollege Krüger! Aber die FPÖ ist es. Sie sind ja Teil der FPÖ-Oberösterreich, nehme ich doch einmal an, das wird ja wohl noch stimmen. Es kann doch nicht angehen, daß man immer wieder eine Variation des Identischen in einem neuen Gewand bringt. (Abg. Dr. Krüger: Was stimmt nicht, was ich gesagt habe?) Zum Beispiel der Vorwurf von wegen "kommunistisch unterwandert" und "terroristisch" und "TATblatt-Szene"! Das waren ja alles Tatbestände, derentwegen die FPÖ-Oberösterreich wegen übler Nachrede verurteilt worden ist, Herr Kollege Krüger! (Abg. Dr. Krüger: Stimmt das mit dem "TATblatt" oder nicht?) Es gibt eine Verurteilung wegen übler Nachrede genau in diesem Zusammenhang. (Abg. Dr. Krüger: Stimmt es, daß das "TATblatt" durch den "Kanal Schwertberg" vertrieben wird?) Es interessiert mich nicht, ob dort das "TATblatt" aufliegt oder nicht. Sie haben ganz konkrete Vorwürfe in diesem Zusammenhang gegenüber einer Kulturinstitution in Oberösterreich erhoben, und dafür sind Sie beziehungsweise die FPÖ-Oberösterreich, um das richtigzustellen, wegen übler Nachrede verurteilt worden. (Abg. Dr. Krüger: Das stimmt nicht!)

Ich will mich hier aber eigentlich nicht zum Kulturkampf der FPÖ verbreiten. Das ist mir das Thema nicht wert. Ich denke, es geht um Unterricht und Kunst. Natürlich ist es bezeichnend, wie ernst Sie die Frage Unterricht und Bildung nehmen, wenn Sie dieses Thema nur mit ein paar kleinen Bemerkungen angehen und – Gott sei Dank nicht mehr darüber sagen (Abg. Dr. Krüger: Ihnen kann man es nicht recht machen!) , das muß man auch dazusagen – sich dann eigentlich nur in dieser ziemlich eintönigen Debatte über den Kulturkampf in Oberösterreich ergehen. Ich möchte zum Thema Unterricht Stellung nehmen, weil es das ist, was eigentlich Beachtung verdient. (Abg. Dr. Krüger: Kunst nicht?!) Doch, selbstverständlich! Wenn man sich mit ihr auseinandersetzt, dann verdient auch die Kunst Beachtung, aber Sie müssen sich schon tatsächlich damit auseinandersetzen.

Der schwedische Schulforscher Mats Ekholm hat in der Debatte über die Frage, mit welchen Mitteln man die Steuerung eines Bildungssystems betreiben soll, nach langjähriger Forschung festgestellt, daß es eigentlich nicht so wichtig ist, welches Steuerungssystem man benützt, um den Bildungssektor zu regulieren. Er sagt: Entscheidender ist über die Jahrzehnte hinweg das, was in den Schulen tatsächlich passiert, entscheidend ist die Rolle des Lehrers, und entscheidend ist die Auffassung von Lehrerarbeit.

Ich teile diese Auffassung nicht ganz, glaube aber, daß die Debatte über die Rolle des Lehrers tatsächlich entscheidend ist. Wenn wir das aber wirklich auch für wesentlich halten, dann muß ich sagen, daß in den letzten Jahren einiges Negative passiert ist, was nicht dazu beitragen wird, die Qualität der Bildung in Österreich zu erhöhen. Ich werfe das nicht Ihnen vor, Frau Ministerin. Aber die Art und Weise, wie die Debatte über Lehrer, über Privilegien der Lehrer, über die Qualität des Schulunterrichts in Österreich in der Öffentlichkeit geführt wurde, und zwar auch von den politischen Parteien, und auch die Art und Weise, wie das mit einer Diskussion über finanzielle Restriktionen verbunden wurde, die notwendig seien oder es tatsächlich auch sind, deutet darauf hin, daß wir es in diesen Jahren – so wie sich die Lehrergewerkschaft und andere Verbände dazu auch geäußert haben – tatsächlich mit einer massiven Klimaverschlechterung zu tun haben, die auch noch im schulischen Unterricht zu spüren sein wird. Es kann doch nicht so sein, daß wesentliche Fragen, die den Schulunterricht bestimmen, aus der Debatte eigentlich ausgespart bleiben, daß die Reform des Bildungswesens in Österreich kein Thema mehr ist, aber alle Schuld an dem, was schlecht ist im Bildungswesen, einer Gruppe, und zwar denen, die das Bildungswesen im wesentlichen verkörpern, nämlich den Lehrern, zugeschoben wird. Es kann auch nicht so sein, Frau Ministerin, daß Sie beispielsweise die Debatte über das Lehrerleitbild an die Gewerkschaft auslagern und die Gewerkschaft diese Debatte über das Lehrerleitbild völlig unzureichend und unfähig, sie inhaltlich zu organisieren, betreiben lassen. Sie betreibt sie nämlich in einer Art und Weise, daß sie nicht tatsächlich die Lehrer erreichen wird, sondern wie sie meinetwegen bestenfalls dazu geeignet ist, daß sich die Lehrergewerkschaft mit einigen Seiten Papier wird schmücken können. Es ist dies aber kein wesentlicher Beitrag dazu, zu einem neuen Lehrerleitbild zu kommen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Schaffenrath .)

Frau Ministerin! Ein weiterer Punkt neben dieser schlecht begonnenen Debatte über das Lehrerleitbild ist die Schulbuchfrage. Was haben wir in den letzten Jahren nicht alles über das Schul


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buch, über Verbesserungen bei den Schulbüchern, über Einsparungen bei den Schulbüchern diskutiert! Aber im wesentlichen ist nichts weitergegangen – außer einer schlechten Selbstbehaltregelung. Das ist das einzige, was wir bisher erreicht haben: eine schlechte Selbstbehaltregelung, die bürokratisch ist, die mit einem bestimmten administrativen Mehraufwand verbunden ist und die keine Verbesserung der Qualität der Schulbücher beinhaltet. Da ein ganz konkreter Vorwurf, Frau Ministerin: In den polytechnischen Lehrgängen muß man noch mit jahrzehntealten Schulbüchern arbeiten, weil offensichtlich die Reform des Polytechnikums, die immer eine bildungspolitische Notwendigkeit gewesen ist, seit Jahren oder Jahrzehnten keinen Schritt weitergekommen ist. (Abg. Schaffenrath: ... aber approbiert!) Deshalb müssen dort jahrzehntealte Schulbücher verwendet werden, die der Katholische Familienverband in seiner Kritik tatsächlich als völlig unzureichend und antiquiert bezeichnet. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Schaffenrath .)

Nächster Punkt: Frau Ministerin! Sie haben im vorigen Jahr in einem Beitrag für die Zeitschrift "NEWS" meiner Ansicht nach völlig zu Recht die Frage gestellt, ob die Vorsitzenden von Prüfungskommissionen für die Tatsache, daß sie bei diesen Prüfungen anwesend sind, Gebühren verlangen müssen, also Prüfungstaxen erhalten sollen. Und was machen Sie heuer aus dieser Debatte? – In der gleichen Zeitschrift werden Sie wieder mit einer Aussage zum Thema Prüfungsgebühren zitiert, und zwar in der Form, wenn ich das recht verstanden habe, daß Sie insgesamt die Prüfungsgebühren und die Prüfungstaxen für die Lehrer, die beispielsweise Maturaprüfungen durchführen, in Frage stellen. Das ist natürlich nicht die richtige Art, die Debatte zu dieser Frage weiterzuführen. Wie kann man tatsächlich hoffen, so Motivation bei den Lehrern hinsichtlich einer Frage, in der tatsächlich Reform im ursprünglichen Sinn angesagt wäre, zu erreichen, Frau Ministerin?

Nächster Punkt: die Fremdsprachenoffensive an den Schulen. Es geht natürlich nicht nur um diese eine Stunde Englisch beziehungsweise um die Tatsache, daß in der Unterstufe Latein faktisch denselben Stellenwert besitzt wie Englisch. Es geht nicht nur darum! Es geht auch darum, Frau Ministerin – und das ist teilweise schon vor Ihrer Amtszeit geschehen –, daß beispielsweise die Eröffnungsziffern, die Teilungsziffern für den Fremdsprachenunterricht so verändert wurden, daß Fremdsprachenunterricht – im Unterschied zum Anfang der neunziger Jahre oder zu den achtziger Jahren – nur mehr in großen Gruppen stattfinden kann und nicht mehr in kleinen Gruppen, in denen es tatsächlich möglich ist, Fremdsprachen so zu erlernen, daß man sie auch sprechen kann. Es wird auch nicht mehr erwähnt, was noch wesentlicher und durchaus auch ein Anliegen von Ihrer Seite ist, daß das Sprechen in Fremdsprachen mehr in die Volksschulen hineingetragen werden könnte und sollte. Das ist alles kein Thema mehr. Es findet jetzt wieder Fremdsprachenunterricht in großen Gruppen statt, die Fremdsprachen haben weniger Stundenanteil, und das ist natürlich eine qualitative Verschlechterung des Fremdsprachenunterrichts. Das ist kein Fortschritt, sondern eindeutig ein Rückschritt, Frau Ministerin!

Wenn Sie hier immer wieder erklären: Das ist ja alles halb so schlimm, das kann man das ja auch autonom regeln!, dann ist dem entgegenzuhalten, daß durch die Einschränkung der Kontingentierungen für die Schulen die Möglichkeit, tatsächlich da noch irgendwie gegenzusteuern, natürlich entsprechend verringert worden ist.

Nächster Punkt: Lehrerarbeitslosigkeit. Ich halte das, was das Klima an den Schulen und im Bildungssektor generell betrifft, für den gravierendsten Punkt, und die Antworten von seiten der Regierungsparteien sind meiner Ansicht nach völlig unzureichend. Egal, ob es nun 7 000 arbeitslose Lehrer sein werden in diesem Jahr oder "nur" 1 000 sind oder 2 000 Lehrer, Tatsache ist, daß die Antworten fehlen!

Die Antworten könnten zum Beispiel in einem Ausbau des Erwachsenenbildungsbereiches liegen. Dieser findet leider nicht statt, sondern es gibt heuer – und darauf komme ich später noch zurück – höchstens eine Kompensation dessen, was in den letzten Jahren zuwenig an Mitteln dort hineingebuttert worden ist. Die Antworten könnten auch darin liegen, daß man sich moderne Arbeitszeitkonzepte überlegt. Daß das nicht geschieht, ist nicht unbedingt allein Ihre Schuld, das ist auch eine Frage, die die Gewerkschaft angeht. Aber ich meine, im Kampf gegen die Lehrerarbeitslosigkeit hat sich, so wie im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit allgemein, die


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Regierungskoalition bis jetzt nichts Überzeugendes einfallen lassen, und das wird das Klima an den Schulen – das ich versucht habe, als wesentlich dafür zu beschreiben, daß Bildungsentwicklung stattfinden kann – nicht gerade verbessern.

Nächster Punkt – etwas Positives, Frau Ministerin! –: Ich rechne es Ihnen positiv an, daß Sie zum ersten Mal die Frage des Sitzenbleibens thematisiert haben, die ja ein rotes Tuch für die konservative Schulpolitik war! Daran durfte man ja bisher nicht rühren. Sie haben es thematisiert; ich finde das positiv, auch wenn es noch unzureichend ist. Tatsache ist: Wir geben Milliarden für das Sitzenbleiben aus, wir geben Milliarden für die Kompensation der Maßnahmen gegen das Sitzenbleiben aus, und Tatsache ist, daß das bei allen Diskussionen über Einsparungen im Bildungsbereich kein Thema ist. Da wird nicht die Notwendigkeit gesehen, einsparen zu müssen, obwohl es ein wichtiger Punkt ist. Sie haben das jetzt zum ersten Mal thematisiert und einige andere Bildungspolitiker auch. Das ist ein Fortschritt, auch wenn er noch viel zuwenig weit geht. Diese Frage müßte viel stärker und viel deutlicher im Zentrum stehen, weil sie ja auch auf ein riesiges Defizit im Bildungsbereich, das wir zu bewältigen haben, hindeutet. Das hängt natürlich eng mit dem Notensystem zusammen. Da kommen dann wieder die Blockaden der Konservativen.

Inzwischen kann sogar in der Schweiz ernsthaft darüber diskutiert werden, Frau Ministerin, und werden in der Schweiz ernsthafte Schulreformversuche unternommen, bei denen es nicht nur um die Abschaffung des Systems der Ziffernbenotung geht, sondern auch um ganz moderne Konzepte der Selbstbeurteilung! Das finde ich phänomenal, daß das ausgerechnet aus der Schweiz kommt, während in Österreich diese Debatte nicht einmal geführt werden kann, weil da bei etlichen konservativen Bildungspolitikern sofort alle Scheuklappen herunterrasseln würden.

Frau Ministerin! Seien Sie auch in dieser Frage mutig! Gehen Sie einmal einen neuen Weg, und geben Sie einem so konsequenten und engagierten Menschen wie Herrn Vierlinger Gelegenheit, seine Reformvorschläge im Bereich der Benotung zu entwickeln. Das ist positiv, und ich meine, es könnte uns nur weiterbringen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Frau Ministerin! Sie haben in dieser Debatte um die Reform der Schulen in den letzten Wochen davon gesprochen, daß Schule in Zukunft als Unternehmen zu verstehen und aufzufassen sein sollte. Diesen Standpunkt, Frau Ministerin, teile ich nicht. Ich halte ihn für einen extrem problematischen Standpunkt, weil er von der Vorstellung ausgeht, daß der Bildungssektor marktähnlich organisiert werden kann. Wenn man diesen Weg geht, Frau Ministerin, und wenn man das für richtig hält, den Bildungssektor so zu organisieren, dann muß man explizit auch sehen, daß es in einer solchen marktartigen Organisation des Bildungssektors – weil der Markt das verlangt – eben bessere und schlechtere Anbieter geben muß – das ist die Voraussetzung eines Marktes. Ein Markt, der sozusagen gleiche Bedingungen für alle hätte – gleich gute Schulen, gleich gute Lehrer –, würde nicht funktionieren. Markt setzt Bessere und Schlechtere voraus. Ich halte das für ein extrem problematisches Konzept für den Bildungsbereich. Ich glaube nicht, daß das ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Ich glaube auch nicht, daß das, was bisher darunter verstanden und angedeutet wurde, ein Schritt in eine Richtung ist, die Sinn macht. Sie haben ja bisher nur einzelne Teilaspekte vorgestellt, zum Beispiel, daß Werbung an den Schulen und in Schulbüchern erlaubt werden soll. Das schien Ihnen bis jetzt ein wichtiger Punkt zu sein. Ich glaube, man sollte ernsthaft darüber nachdenken, ob das wirklich ein guter und ein richtiger Schritt ist, wenn man beispielsweise weiß, daß in Schweden Schulbücher schon zu 50 Prozent – zu 50 Prozent! – aus bezahlten Einschaltungen von Inserenten bestehen. Na gut, kann man sich denken, was macht das schon? Die Schüler werden ja auch anderweitig mit Werbung konfrontiert, sie sollen lernen, sich damit auseinanderzusetzen. Sie sollen lernen, sich dagegen zu wehren. – Aber, bitte, wo findet diese Auseinandersetzung statt? Wo lernen die Schüler in den Schulen, sich tatsächlich gegen diese Einflüsse zu wehren?

Ich bringe Ihnen ein Beispiel, Frau Ministerin, es steht heute in den Zeitungen. Das hat zwar nichts mit Werbung zu tun, aber sehr wohl mit Beeinflussung an den Schulen. In einer oberösterreichischen Schule, und zwar in Aschach an der Donau, findet seit Jahren die Beeinflussung von Schülern durch Lehrer statt, die einer christlich-fundamentalistischen Sekte angehören –


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Jedidja heißt sie. Und obwohl die Eltern beziehungsweise die Kinder seit Jahren versuchen, diese Situation zu ändern, sind weder der Lehrkörper noch die Eltern, noch die Schulaufsicht bisher imstande gewesen, einer christlich-fundamentalistischen Sekte, die Kinder massenweise damit verschreckt, daß sie ihnen sagt, da sitzen die Teuferl und die Dämonen in der Klasse drinnen, tatsächlich Herr zu werden. – Das sind die Realitäten, mit denen wir an Österreichs Schulen in bestimmten Situationen zu tun haben! Aber auf der anderen Seite geht man her und sagt, mit der Werbung werden die Schüler und die Eltern wohl noch fertigwerden – vor allem die Schüler.

Ich glaube, daß Sie die Realitäten an den Schulen verkennen. Ich will dieses Beispiel der Aschacher Schule jetzt nicht verallgemeinern, Ich weise nur darauf hin, daß es offensichtlich auch nach einer mehrjährigen Auseinandersetzung für engagierte Eltern nicht möglich ist, diesen Spuk, diesen Zauber an einer österreichischen Schule irgendwie abzustellen. Die Schulaufsicht hat den Kopf in den Sand gesteckt und wurde erst tätig, nachdem das mehrfach in den Medien präsentiert wurde, und auch das wahrscheinlich nur gegen einzelne Lehrer, während die Gruppe, die an etlichen Schulen in Oberösterreich aktiv ist, insgesamt bisher unbehelligt geblieben ist.

Ich meine nur, daß es ein guter Beleg dafür ist, daß man das Thema Werbung an den Schulen – Beeinflussung von Schülern im allgemeineren Sinn – etwas ernster nehmen und nicht nur auf die Frage reduzieren sollte, daß dadurch möglicherweise einige hunderttausend Schilling mehr für die Schulen und für die Bildungspolitik zur Verfügung bleiben. Ich halte es ja insgesamt für einen interessanten Aspekt der ganzen Debatte um Einsparungen im öffentlichen Sektor, daß man auf der einen Seite zwar sagt, wir haben kein Geld, wir bekommen kein Geld mehr herein, wir können über Steuern zu wenig einnehmen, wir können uns das nicht mehr leisten, daß man aber auf der anderen Seite sehr wohl weiß, wo das Geld zu holen wäre: nämlich bei Unternehmen, die dann über Werbung, über Sponsoring und ähnliches das Geld den Schulen oder anderen interessanten Werbeträgern zur Verfügung stellen. Ich halte das für den falschen Weg, Frau Ministerin, und zwar nicht nur in der Bildungspolitik. Die Gelder für die öffentliche Bildung – sofern sie vorhanden sind – sollte man auf eine andere Art und Weise zur Verfügung stellen und ausgeben.

Kollegin Schaffenrath! Ich habe Ihnen nicht die ganze Zeit zugehört, aber ich denke, Sie haben wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Bildung eine Ihrer Forderungen wiederholt, die ich auch für wesentlich halte, und zwar, daß endlich einmal ein Bildungsbericht erstellt werden soll, ein jährlich oder alle zwei Jahre wiederkehrender periodischer Bildungsbericht, der uns Auskunft darüber gibt, wie die Mittel im Bildungssektor tatsächlich verwendet werden: wofür sie verwendet werden und für welche Teilbereiche. Ich halte das deswegen für unerläßlich und immens wichtig, weil wir natürlich nicht nur wegen der Einsparungen am Bildungssektor, sondern wegen der dringend vorzunehmenden Umbrüche im Bildungssektor – wenn wir sie vornehmen wollen – entscheidende Kenntnis über die finanziellen Ströme in diesem Bildungssektor erlangen müssen.

Nur einige Beispiele dafür: Die Neuverteilung der Bildungsressourcen wird unter anderem auch deswegen notwendig, weil das lebensbegleitende Lernen, dessen Jahr wir ja heuer abfeiern, wachsende Bedeutung bekommen wird. Die Ressourcen müssen daher von der schulischen Bildung in den Sektor der sekundären Bildung, in den Bereich der außerschulischen beziehungsweise der Erwachsenenbildung umverteilt werden. Wenn dem aber so ist, daß die Ressourcen neu verteilt werden, dann müßte man als Grundlage und als Voraussetzung wissen, wofür diese Ressourcen derzeit verwendet werden. Wie werden beispielsweise innerhalb des Bereichs der schulischen Bildung die Mittel zwischen den staatlichen Schulen und den privaten Schulen verteilt? Wie werden die Mittel zwischen den privaten Schulen, die konfessionell orientiert sind, und den privaten Schulen, die nicht konfessionell orientiert sind, aufgeteilt?

Wie werden innerhalb der privaten Schulen, die nicht konfessionell orientiert sind, die Mittel zwischen den sozusagen anerkannten Schulen – wie den Waldorfschulen – und den Alternativschulen aufgeteilt? Und da, Frau Ministerin, fällt schon eines auf, nämlich daß diese Mittel sehr ungleich verteilt werden! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)


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Daß die konfessionellen Schulen über eine extrem gute Mittelausstattung und über eine extrem gute Förderung von seiten des Bundes und diverser anderer öffentlicher Stellen verfügen und daß es dafür auch gewisse Verpflichtungen gibt, weiß ich. Dennoch: Die Mittelausstattung ist extrem gut. Wenn schauen wir uns die anderen privaten Schulen anschauen, stellen wir fest, daß beispielsweise anerkannte pädagogische Konzepte wie die Waldorfschulen auch relativ gut ausgestattet sind, während die Alternativschulen im engeren Sinn von Ihrem Ministerium schlecht ausgestattet werden und im Vergleich zu den Waldorfschulen beispielsweise nur ein Fünftel bis ein Sechstel der Mittelausstattung pro Schüler, wie sie die Waldorfschulen erhalten, bekommen – von den konfessionell orientierten Schulen ganz zu schweigen! Ich denke es wäre notwendig, im Hinblick auf eine Neuorientierung diese Bewertung der Ressourcen festzulegen, um tatsächlich in einem jährlich oder alle zwei Jahre wiederkehrenden Bildungsbericht die entsprechenden Grundlagen zu haben, um darüber zu urteilen.

Ein Punkt noch: Integration. Ich möchte jetzt nicht im Detail dazu Stellung nehmen. Ich meine aber, daß jener Entwurf, den Sie, Frau Ministerin, einstweilen als Ministerialentwurf handeln, ein schlechter Entwurf ist, und zwar, weil er Integration wieder zurücknimmt. Integration ist ein unteilbares Menschenrecht, das auch durch budgetäre Restriktionen nicht eingeschränkt werden darf, Frau Ministerin! (Beifall bei den Grünen.)

Ich komme zum Abschluß. Ich mache es mir einfach und gebe nur wieder, was der Erziehungswissenschafter und Bildungsexperte Bernhard Rathmayer im Jahr 1994 in einem "NEWS"-Interview gefordert hat, in dem er gesagt hat, was notwendig ist, damit die Schule nicht wie in der DDR zusammenkracht.

Ich halte es trotz dieser Zuspitzung für durchaus denkbar, daß es in wenigen Jahren aufgrund der fehlenden Mittelzuteilung für den Bildungssektor, für eine Förderung im Bildungssektor, für Reformen im Bildungssektor, tatsächlich so kommen wird, daß das öffentliche Bildungswesen nur mehr die Basisversorgung für diejenigen ist, die es sich nicht leisten können, eine Privatschule zu besuchen. Und diese Entwicklung sollten wir in Österreich nicht nehmen.

Ich halte es deshalb für notwendig, daß man diese Kritik ernst nimmt! Ich halte es für notwendig, daß darüber debattiert und daß eingefordert wird, daß mit der größten Bremse im Schul- und Bildungsbereich, nämlich der Zweidrittelmehrheit, die notwendig ist, um im Schulsektor tatsächlich etwas zu verändern, endlich Schluß gemacht wird!

Ich halte es auch für notwendig, Frau Ministerin, daß endlich eine breite Debatte über die Schulautonomie – und zwar auch über die Grenzen der Schulautonomie – geführt wird. Es gibt auch Grenzen der Schulautonomie, aber wir müssen diesen Weg in die Richtung der Schulautonomie gehen, und wir sollten nicht nur darüber reden!

Ich halte es für notwendig, daß wieder eine Schulreformkommission und auch eine Ideenbörse eingerichtet werden, und zwar eine Ideenbörse, an der Lehrer, interessierte Eltern und alle, die an Schulreform und Bildungspolitik teilhaben wollen, teilnehmen können und von der sie sich ihre Grundlagen holen können, in der sozusagen die Erfahrungen von Schulreformen gesammelt werden und aus der man sich bedienen kann. Ich halte es aber auch für notwendig, eine Schulreformkommission zu installieren, damit tatsächlich die Debatte über die Schul- und Bildungspolitik in diesem Land wieder weitergeführt werden kann.

Zum allerletzten Abschluß: Frau Ministerin! Sie haben in der "Kronen-Zeitung" vom 21. April 1996 in einem Artikel mit dem Titel "Pop-Musik statt Turnsaal-Mief" zum Thema Turnunterricht Stellung genommen und da gefordert – und sich auch sehr begeistert davon gezeigt –, daß endlich etwas frischer Wind in die Turnsäle hineinkommen soll. Sie haben dazu gemeint: "Die technischen Anlagen dafür", daß Musik im Turnunterricht stattfinden kann, "sind vorhanden. Aber eines ist mir schon wichtig: Die Schule kann nicht für alle Defizite in der Gesellschaft aufkommen.‘" "Nichtsdestotrotz findet auch sie die Idee Turnen mit Musik ,super. Ich werde das sofort für die Lehrerweiterbildung anregen. Musikgymnastik in der Schule halte ich für wichtiger, als Leistungssport." (Der Redner hält den Zeitungsartikel in die Höhe.)

Da werden dann einige Bilder gezeigt, wie so ein Turnunterricht aussehen könnte. Als diese Bilder Lehrer gesehen haben – zumindest haben mir einige davon berichtet –, haben sie nur ge


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staunt, welche Mittelausstattung nicht in den Turnsälen, sondern in diesen Fitneßstudios vorhanden ist. Frau Ministerin! Die Lehrer, die Turnunterricht an den Schulen betreiben, würden es sich wünschen, daß so viele Medizinbälle, wie sie in den Fitneßstudios auf diesen Bildern gezeigt werden, auch in den öffentlichen Schulen vorhanden wären.

Sie würden sich auch noch manches andere wünschen, Frau Ministerin, was die Ausstattung mit Mitteln für den Turnunterricht betrifft. Ich denke, es ist wichtig, daß die Schule und die Bildung nicht zu kurz kommen. Und ich würde mir wünschen, daß Sie etwas mehr Mut zeigen, um sich gegenüber Ihrem sehr gierigen Kollegen in der Regierung, dem Finanzminister, der diese Mittel nicht gerne aus der Hand gibt, etwas mehr durchzusetzen. Denn die Bildung in diesem Land hat es verdient, gut mit Ressourcen ausgestattet zu werden, aber nicht, in einem Sparpaket oder in mehreren Sparpaketen zu verhungern! (Beifall bei den Grünen.)

10.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich habe sowohl am Beginn der gestrigen Sitzung als auch am Beginn der heutigen Sitzung von einer Entschließung des Herrn Bundespräsidenten Mitteilung gemacht, wonach Bundesminister Dr. Scholten in seiner Funktion als Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst durch Bundesminister Dr. Michalek vertreten wird.

Da Herr Bundesminister Scholten sich jetzt doch entschlossen hat, an der Sitzung teilzunehmen, lasse ich die Rechtsfrage ungelöst, ob die Entschließung des Bundespräsidenten revoziert werden müßte, ehe diese Vertretung beendet ist, oder ob sie faktisch beendet ist, indem der Bundesminister seine Amtstätigkeit wieder aufnimmt. Ich glaube, wir müssen das jetzt nicht lange analysieren. Ich betrachte das als einen Akt der Courtoisie.

Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Franz Morak das Wort.

10.58

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Krüger hat vom BSA geredet und gesagt, daß sich der BSA der Künstler annimmt. Ich bin nicht da, um den BSA zu verteidigen. Ich war einmal dort und habe vor, glaube ich, vier Leuten geredet. Wenn man also meint, daß man sich dort der Künstler annimmt, dann würde ich das so nicht sagen. Aber eines muß ich zugestehen: Sie nehmen sich wenigstens der Künstler nicht so an wie Sie von den Freiheitlichen, daß sie dann am nächsten Tag auf einem Plakat stehen, und zwar durchaus in einer Art und Weise, die Künstler schärfstens ablehnen! (Beifall bei der ÖVP.)

Laßt uns aber diesen Hickhack beenden.

Die gute Nachricht: Das Budget – und zwar alle Budgets im Bereich Kultur – konnte gehalten werden, sowohl im Kapitel Äußeres als auch im Kapitel Unterricht und kulturelle Angelegenheiten sowie in den Kapiteln 13 – Kunst – und 71 – Bundestheater.

Das ist etwas Positives! Als Signal heißt das nämlich, daß Österreich in den Bereichen, in denen es eine große Tradition hat und wo wir auch für die Zukunft etwas beweisen sollen, ein klares, positives Zeichen gesetzt hat: also in der Tradition unserer Kulturarbeit und auch in der Investition in die zeitgenössische Kulturarbeit in die Zukunft. Und es ist mehr als das, wenn man die budgetäre Situation des Landes berücksichtigt, wenn man die Strukturanpassungen und die Konsolidierungsmaßnahmen bedenkt.

Die Investition in Sachen Kultur ist durchaus antizyklisch, und sie ist ein wahres Bekenntnis dieses Staates zur Bereitschaft zur Investition in die Kultur. (Beifall bei der ÖVP.)

Ob das jetzt Investitionen im Bereich des Baulichen sind, wie das New Yorker Kulturinstitut, das Museumsquartier, die Stiftung Leopold, die Sammlung Ludwig, das Museum Moderner Kunst, das Technische Museum, die Sammlung Albertina, die Albertina, die Bundesregierung hat sich dazu entschlossen, der Moderne ihren Platz im Zentrum dieser Stadt zuzuweisen. Was ich grundsätzlich sehr poetisch finde, ist die Gegenüberstellung des beginnenden 20. Jahrhunderts


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und des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Ich finde das einen wunderbaren Ansatz, es ist auch ein positives Bekenntnis. Daß das in einem Land, wo man weiß, daß es gerne hoffnungsvoll in die Vergangenheit schaut, mit einigen Querelen und Problemen verbunden ist, das liegt auf der Hand, denn sonst wären wir nicht die Österreicher, die wir sind. (Abg. Dr. Khol: Da hat er recht!)

Zu loben ist hier auch noch, daß im Bereich für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten sowie im Bereich des Denkmalschutzes und der Museen die Budgetansätze von 1994 wieder hergestellt wurden, nachdem der Einbruch 1995 wirklich besorgniserregend war. In den Bundesmuseen können wieder wichtige Ausstellungen veranstaltet werden – ich denke etwa an die Ausstellung "1000 Jahre Musik" und die Historismusausstellung –, aber auch in der Nationalbibliothek, wo wirklich Feuer am Dach ist – die Zeitungsbestände zerfallen –, geschieht einiges. Es ist dort eine Mikrofilmaktion geplant, die Umwandlung der bestehenden Zettelkataloge wird vorangetrieben, desgleichen erfolgt eine Forcierung der öffentlichen Zugänglichkeit der Bestände durch neue digitalisierte Publikationen.

Zum New Yorker Kulturinstitut möchte ich noch einiges sagen: Wenn Sie sich erinnern, vor der Wahl hat es Kommentare gegeben wie: Was brauch’ ma des, des san ausländische Arbeitsplätze, was geht uns des an? Diese Zeichen kamen von einer Seite, von der man derartiges eigentlich nicht gewohnt ist. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Daß der zuständige Minister für Kunst – jetzt zitiere ich aus dem "Standard" – zum Architekten Raimund Abraham gemeint hat, daß er beim falschen Ministerium gelandet wäre, denn durch ein anderes, nämlich seines, wäre das schon längst gebaut worden, und das, nachdem der damalige Finanzminister kurz vorher die Mittel gestrichen hat, das spricht weniger für einen freundlichen Umgang mit dem Thema Kunst, für das Einsehen in die Notwendigkeit in den Investitionsbereich Kunst als für deren Instrumentalisierung durch Sie, Herr Minister.

Das heißt nämlich soviel wie: Kunst ist Kunst, und Kunst ist frei, nur die Kunstschaffenden läßt man halt immer gerne wissen, woher sie die Kohle kriegen. Nichtsdestotrotz gab es – und das ist nicht genug zu würdigen – immerhin einen Sieg der Vernunft: New York wird gebaut werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Im Bereich der Musikerziehung verwaltet eine Ministerin das Ressort, die aus einem Bundesland kommt, wo es eine sehr große Musikschultradition gibt: Vorarlberg stellt mit einer Musikschuldichte von 3,6 pro 100 Einwohner einen absoluten Spitzenwert in der österreichischen Landschaft dar. In Wien beträgt diese Dichte – vergegenwärtigen Sie sich Vorarlberg mit 3,6 Prozent – 0,3 Prozent; und das ist die Musikstadt.

Hier gehe ich davon aus, daß ein fester Wille von der Diskussion zur Tat vorauszusetzen ist, das heißt Konzentration auf den Schwerpunkt Musik in der Schule, Verankerung des Bereiches Musikerziehung im Lehrplan der pädagogischen Akademien. Es gibt gemäß der regionalen Musiktradition ein Projekt "Ohne Noten" oder "Indoor", also Kinder, hochtalentierte Kinder, gehen in die Schule und musizieren für Kinder.

Herr Minister Scholten! Zu diesem Thema meinten Sie in der letzten Plenarsitzung vom 28. Februar, wo ich leider nicht da war – ich zitiere (Abg. Dr. Khol: Da hat er sich was getraut!) – :

"Buchstäblich bis zu meinem letzten Tag als Unterrichtsminister – im vorvergangenen Jahr; da ist diese Diskussion bereits virulent, auffällig und präsent geworden – lautete die Argumentation der ÖVP ungefähr wie folgt: Die Musikhochschulen sind großartig – ich übertreibe jetzt sprachlich" – das ist Ihre Diktion –, "wenn nur diese verdammten Schulen endlich etwas machen würden! – Es hat nicht einmal eine Woche gedauert, als ich vom Unterrichtsminister zum Wissenschaftsminister gewechselt habe, und auf einmal hat sich das umgekehrt, und man hat gesagt: Also diese Schulen leisten großartige Arbeit, wenn nur diese verdammte Hochschule endlich mehr gefördert würde!"

Dazu möchte ich Ihnen schon einen Rat geben. Sie haben diesbezüglich Studien in Auftrag gegeben, Sie haben sie auch veröffentlicht. Eine heißt "Die musikalische Vorbildung der Studierenden an den Musikschulen in Wien, Salzburg und Graz", und die andere heißt "Die öster


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reichischen Musikhochschulen aus der Sicht von Studenten, Absolventen und Experten". Herr Minister! Wenn Sie die gelesen haben (Bundesminister Dr. Scholten: Wir sind dabei!) , dann sind wir dort, wo Sie gesagt haben. Verschonen Sie uns mit den "sprachlichen Übertreibungen", denn die Realität ist schlimm genug. (Beifall bei der ÖVP .)

Die Problematik stellt sich bei der Verwirklichung – ich meine das jetzt unpolemisch –: Wie fördern wir bei den heranwachsenden Schülern oder in einem Bereich ab drei, vier Jahren die Musikerziehung, die Kreativerziehung? Ich glaube, daß es nicht genug ist, daß dieses Problem in dieser Studie erkannt wurde, sondern daß man auch etwas dagegen unternehmen soll. Das heißt, man sollte hier einen Schwerpunkt setzen. Ich bin der Frau Ministerin Gehrer sehr dankbar, daß diesbezüglich, also im Bereich Schule, jetzt einmal ein Anfang gemacht wird.

In einem APA-Interview vom 8. Jänner, Herr Minister, sprachen Sie von mehr Mitteln für dezentrale Kulturinitiativen. Sie haben – ich habe im Ausschuß darauf hingewiesen – in Ihrer wunderbar eloquenten Art gesagt (Abg. Dr. Mertel: Die Sie leider nicht haben!), 4 Prozent bekommen sie mehr. Stellen Sie sich vor, das ist ein bißchen weniger, als Peter Stein für seine Retouchen an einer Übersetzung kriegt, die Schlegel – Tieck für ihn besorgt haben. Das sind die Beträge, um die es hier geht.

Salzburg, im Gegensatz dazu, hat 1994 und 1995 61,8 Millionen Schilling bei einem Erfolg von 56,7 Millionen gehabt, im Voranschlag für 1996 und 1997 sind 76,3 vorgesehen. Ich gönne ihnen das von Herzen, es geht dort ziemlich viel ab, das ist keine Frage. Nur, das sind am bisherigen Bundesanteil gemessen, in Relation zum Bereich dezentrale Kulturinitiativen, wo Sie vor der Wahl doch einen Schwerpunkt setzen wollten – wir waren diesbezüglich doch einer Meinung, daß da etwas passieren sollte –, immerhin satte 30 Prozent.

Zum Thema Kunstkuratoren und bildende Kunst: Der Kurator Markus Brüderlin ortete zu Beginn seiner Funktionsperiode in Österreich – ich zitiere –:

"Man muß sich darüber klar sein, daß die österreichische Kunst im gebührenden Maße nicht ernst genommen wird, solange es vor Ort keinen funktionierenden, sich selbst tragenden Kunstbetrieb mit einem für die Größe des Landes angemessenen Markt und einer unabhängigen, professionellen Interpretations- und Bewertungskultur gibt, die der Qualität zur Öffentlichkeit verhilft."

Die von ihm betreuten Veranstaltungen im Kunstraum sind durchaus lobenswert, ich finde das ganz in Ordnung. Ob damit allerdings ein Markt geschaffen wird, das darf bezweifelt werden.

Die von Ihnen soeben eingeführte Galerienförderung spricht allerdings eine andere Sprache. Das heißt, eine Galerie muß gefördert werden, damit sie in diesem Markt überleben kann, der laut Markus Brüderlin offensichtlich nicht da ist. Bei meinen Gesprächen – das möchte ich Ihnen als Anregung sagen – mit verschiedenen Galeristen – die Sie durchaus auch pflegen, das muß man auch sagen, das ist schon in Ordnung – habe ich durchaus kontroverse Meinungen dazu erfahren: Einerseits stellt sich die Frage, ob man Galeristen nicht mehr durch Ankäufe fördern sollte oder andererseits durch konkrete Erziehungsarbeit der Galeristen, die sie für die Schulen zu leisten haben. Die Schüler lernen quasi die Galerien kennen, die Galeristen lernen ihre möglichen zukünftigen Käufer kennen, und durch diese Maßnahme würde eine Schwellenangst abgebaut werden und der Galerienbesuch durchaus als eine zum Leben gehörige Angelegenheit erfahren werden.

Jetzt zum Hauptpunkt – wir haben heute schon davon gehört, ich möchte nur noch einmal zusammenfassen –, es dreht sich um diesen Kunstförderungsbeirat. Er ist der einzige Beirat, dessen Zusammensetzung und jährliche Zusammenkunft vom Gesetzgeber verpflichtend vorgeschrieben ist.

Hier sollen Summen von zwischen 80 und 100 Millionen Schilling beraten werden, im Verhältnis 70 zu 30 Bund zu Länder oder 15 zu 85 Ihr Ministerium zu Ministerium Gehrer, das heißt Denkmalschutz beziehungsweise Kunstförderung. Entgegen Ihrer Beantwortung der Anfrage, die die Liberalen an Sie gestellt haben, wurde jetzt dieser Beirat 1991 nicht einberufen. 1992


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und 1993 wurde er zwar zu den Sitzungen einberufen, allerdings war er beschlußunfähig, da er die gesetzlich vorgegebene Teilnehmerzahl nicht erfüllt hat. (Bundesminister Dr. Scholten: Da kann ich aber wirklich nichts dafür!)

Dennoch hat sich der Minister nicht bemüht, für die beiden Jahre rechtskräftige, das heißt, beschlußkräftige Sitzungen zustande zu bringen. Der zuständige Sektionschef hat 1994 in der nächsten beschlußfähigen Sitzung das Protokoll der nicht beschlußfähigen Sitzung 1993 anerkennen lassen. Jetzt kommt es aber wirklich: Die Residenzzeit des vorangegangenen Beirates war 1992, 1993 und 1994, ab 1995 war ein neuer Beirat zu stellen. Ein durchaus fehlerhaftes Protokoll aus dem Jahre 1994 liegt mir vor, und Herr Sektionschef Temnitschka weigert sich seit meiner Kritik an diesem Protokoll beharrlich, die nachfolgenden Protokolle herauszurücken beziehungsweise dem Nationalrat zugänglich zu machen. (Abg. Dr. Khol: Der ist aber kein Demokrat!)

Darüber hinaus ist laut Sektionschef Temnitschka der Beirat am 20. April 1995 zusammengetreten, allerdings der, dessen Funktionsperiode und nicht Berichtsperiode – wie Sie immer so gern behaupten – am 31. Dezember 1994 zu Ende war. Das kommt mir ungefähr so vor, als würde der Nationalratspräsident zu den Verhandlungen für dieses Budget den Nationalrat in der Zusammensetzung von vor der Wahl einberufen. Das kann es also nicht sein.

Ich könnte mir allerdings durchaus vorstellen, da diese Gebühren zusammen mit den ORF-Gebühren eingehoben werden, daß langsam, aber sicher bei dieser – wie soll ich sagen? – chronischen Mißachtung der Gesetzeslage der Argumentationsspielraum des ORF, sich diese 100 Millionen Schilling gleich zu behalten, größer wird.

Kollege Voggenhuber hat schon 1992 von einer Beschlußunfähigkeit des Beirates gesprochen, da dieser nicht vor der Mittelvergabe, sondern nach der Mittelvergabe befragt wurde, daß der Minister 100 Millionen Schilling nach Gutdünken vergibt. Wenn ich mir dann dieses Protokoll anschaue und sehe, daß über eine Summe von 100 Millionen Schilling in einer Zeit von, ich glaube, 50 Minuten entschieden wird, wo dort eigentlich überhaupt nichts außer Kren gerieben wird, dann verstehe ich langsam, aber sicher die Argumentationslinie des ORF, der sagt: Machen wir doch damit anständige Filme. Beweisen wir uns in einem Medium, das dieses Land modern und neu weit über seine Grenzen hinaus darstellen kann, nämlich im Bereich TV und Fernsehfilm. Wenn man weiters sagt, man knüpfe daran, daß das die anspruchsvollen, die künstlerisch wertvollen sein müssen, dann muß ich Ihnen sagen, daß das eine Diskussion ist, die ich gerne führte. (Abg. Dr. Krüger: Das ist ja Gesetzesbruch, Herr Kollege Morak!) Das ist als Vorschlag gemeint. (Abg. Dr. Krüger: Nein, das ist der Gesetzesbruch des Ministers mit dem Kunstförderungsbeirat!)

Trotzdem möchte ich noch sagen: Das zu beschließende Kulturbudget ist grundsätzlich in allen Bereichen sehr positiv zu bewerten, da es in einer sehr angespannten Situation nicht restriktiv, sondern antizyklisch den Status quo der Finanzmittel fortschreibt.

Den verantwortlichen Kulturvermittlern und Kulturmanagern muß ich allerdings sagen: Es gibt keine Atempause, aber es ist ihnen Zeit gegeben worden, die notwendigen infrastrukturellen Maßnahmen – und zwar über einen Zeitraum von zwei Jahren, dieser Vorteil ist nicht zu unterschätzen – zu setzen. Es wäre wünschenswert, daß sie diese Herausforderung annehmen, freudig annehmen, und daß sie sie meistern. – Ich danke Ihnen schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Preisinger. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

11.15

Abgeordnete Dr. Susanne Preisinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch ein paar Worte zu Schule, Unterricht und Bildungswesen.


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Bundeskanzler Vranitzky hat im Wahlkampf 1994 folgenden Spruch in ganz Österreich plakatieren lassen – das konnte wohl niemandem entgangen sein –: Die Jugend ist unser größtes Kapital. Sie verdient die beste Ausbildung. Es folgte die Regierungserklärung Vranitzky 1994: Für den Bildungsbereich gelte für die Regierung die Devise, daß Ausbildung die beste Investition in die Zukunft sei. Gleichzeitig kündigte er eine Bildungsoffensive an.

Zwei Jahre später, in der Regierungserklärung 1996, vernehmen wir ebenfalls schöne Worte: Die Zukunft eines Landes ist die Jugend, und die Zukunft der Jugend ist ihre Ausbildung. Jede Investition in die Ausbildung ist auch eine Investition in die Zukunft.

Jetzt kann man sagen: Jede Menge schöner Worte, Worthülsen ohne Inhalt, aber an sich sind diese Worte grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit. Anders dürfte es nicht sein.

Leider Gottes sieht die Realität aber anders aus. Anstelle der immer wieder angekündigten Bildungsoffensive begeben wir uns mehr oder weniger unaufhaltsam in eine Bildungsdefensive. In der Bildung muß gespart werden, in der Bildung wird gespart. Dies läßt den Schluß zu, daß demnach unserer Regierung die Investition in die Jugend, die ja bekanntlich unsere Zukunft ist, doch nicht so viel wert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

All das, obwohl die damals neu ins Amt getretene Frau Unterrichtsministerin mehrfach eindeutig weitere Einsparungen im Schulwesen für kommende Sparpakete öffentlichkeitswirksam ausgeschlossen hat.

In der APA-Meldung vom 13. 6. 1995 erklärt sie: Es kommt nicht das nächste Sparpaket. Man werde sich die Auswirkungen des jetzigen Sparpakets genau anschauen, bevor weitere Maßnahmen besprochen würden.

Gelungen, und es klingt fast wie ein schlechter Witz, ist die Aussage vom 18. Juni 1995 im "Kurier": Eines will sie – die Frau Bundesministerin – für kommende Sparpakete ausschließen, nämlich daß bei den Lehrern gespart wird. Die haben schon mehrfach gebüßt, als Beamte, als Lehrer und viele als Eltern bei den Kürzungen für die Familien.

Sehr geehrte Damen und Herren! Genau das Gegenteil zu diesen schönen Worten ist jetzt eingetreten. Und es ist recht geschickt gemacht. Unterrichtsstunden werden im Ausmaß von sechs Wochenstunden weggespart. Einfach so, ohne die gleichzeitig von der Frau Ministerin angekündigte Lehrplanreform, das heißt die Entrümpelung der Lehrpläne damit in Verbindung zu bringen. Es werden Unterrichtsgegenstände, wie Deutsch, Mathematik, Geschichte und – nicht zu vergessen – Englisch gekürzt. Gleichzeitig wird eine Fremdsprachenoffensive angekündigt.

Natürlich können die Schulen im Rahmen der Schulautonomie – das wird ihnen ausgerichtet – laut der Frau Bundesministerin selbst entscheiden, wo eingespart werden soll, welche Fächer gekürzt werden. Sollten die Schulen aber auf keinen grünen Zweig kommen, dann hat die Frau Bundesministerin schon ein Patentrezept zur Hand, und sie weiß auch schon, wo eingespart werden kann, nämlich bei der Allgemeinbildung, bei den oben genannten Fächern. – Ein bedenklicher Vorgang.

Geschickt ist es aber auch deshalb gemacht, weil dabei den Schülern und Eltern – als unmittelbar Betroffenen – natürlich eingeredet wird, daß die Schüler entlastet werden, wie das auch die Frau Kollegin Schaffenrath schon angeschnitten hat. Zu befürchten ist aber, daß dieses ersatzlose Streichen von Unterrichtsstunden bei unveränderten Lehrplänen, Lehr- und Lernzielen zwangsweise natürlich auf Kosten der Übungszeit jedes einzelnen Schülers und jeder Schülerin geht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wollen Sie wirklich, Frau Ministerin?) Das heißt, die Übungszeit wird in den privaten Bereich – also in den häuslichen Bereich, zur Hausübung – verlagert, wo dann natürlich kein Lehrer beziehungsweise keine Lehrerin zur Seite steht und hilft, wenn es Probleme gibt. Und das in Zeiten, in denen für Nachhilfeunterricht bereits rund eine Milliarde Schilling pro Jahr umgesetzt wird. Daß sich dieser unerfreuliche Zustand dadurch nicht verändern wird, liegt wohl klar auf der Hand.


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Weiters ist die Rede von der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen – ein beliebtes Wort –, Projektunterricht und moderne Unterrichtsmethoden sind gefragt. Kennern der Szene muß aber wohl auch klar sein, daß all diese Unterrichtsmethoden sehr zeitintensiv und zeitaufwendig sind und daher angesichts dieser Kürzungen wohl kaum mehr durchgeführt werden können. Ob der Rückschritt zum Frontalunterricht – dem zwangsweise auferlegten Frontalunterricht – tatsächlich der Bildung und der Vermittlung von Bildung zuträglich ist, sei dahingestellt.

Aber noch eines zur Kürzung des Deutschunterrichts. Das ist es wert, daß man sich dieser Dinge noch einmal annimmt. Angesichts der zunehmenden Sprachlosigkeit unserer Gesellschaft, die ja anscheinend auch niemandem mehr verborgen geblieben ist, hat die Schule heute in immer stärkerem Ausmaß sämtliche Fehlentwicklungen und Mangelerscheinungen unserer Gesellschaft auszugleichen und zu reparieren. Den Schulen und den Lehrkräften werden immer mehr soziale Aufgaben übertragen, alles wird an die Schule delegiert. Das kann es wohl nicht sein! Drogenaufklärung, Sexkoffer, Verhaltensstörungen der Kinder und so weiter – all das soll in der Schule kompensiert werden.

Zum Deutschunterricht, Frau Bundesministerin, gehört aber nicht nur die Vermittlung von Literaturgeschichte und das Pauken von Grammatik, sondern auch die Vermittlung kommunikativer Fähigkeiten. Und diesbezüglich frage ich mich: Was ist hier schiefgelaufen? In der Sendung "Report" der vergangenen Woche wurde davon gesprochen, daß es in Österreich rund 200 000 Analphabeten gebe. Das ist ein Zustand, der unglaublich erscheint – und das trotz Schulbesuch, trotz gesetzlich verankerter Schulpflicht. Es wurde hier ein erschütterndes Bild gezeigt, und ich frage Sie, Frau Bundesministerin, wie so etwas überhaupt möglich sein kann. Wie kann so etwas möglich sein, da unser Schulsystem angeblich allen Begabungsstufen und Neigungen Rechnung trägt? Ich frage Sie konkret: Was werden Sie unternehmen angesichts dieses erschütternden Bildes, das letztlich eine Bankrotterklärung unseres Schulsystems ist? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber noch kurz ein paar Worte zur Situation der Lehrer, die natürlich mit diesen Maßnahmen in ganz engem Zusammenhang steht. Auch hier haben Sie Aussagen getätigt, Ihre Handlungen waren diesen aber dann zuwiderlaufend. Sie haben immer wieder gesagt, daß auch bei den Lehrern nicht weiter gespart werden soll. Im Zuge dieses neuen Belastungspaketes hat es geheißen, es werde keine Entlassungen geben. Frau Bundesministerin! Es ist relativ schwierig, pragmatisierte Lehrer zu entlassen.

Die Realität für die Junglehrer, die sich fern jeder Pragmatisierung befinden, für die kein Bedarf mehr vorhanden ist, die man offensichtlich jetzt nicht mehr benötigt, sieht allerdings eher traurig aus. Sie sind befristete Vertragslehrer ohne Aussicht auf Weiterverwendung.

Interessant ist aber dabei auch die Rolle der SPÖ. Nach anfänglicher Zustimmung des Herrn Kollegen Niederwieser wurde er offensichtlich von der sozialistischen Lehrergewerkschaft wieder zurückgepfiffen beziehungsweise zurückgerufen, nachdem die Lehrergewerkschaft der SPÖ am 25. Jänner dieses Jahres verkündet hat, daß die Frau Bundesministerin aufgefordert wird, die finanziellen Kürzungen nicht unter einem pädagogischen Deckmantel zu verkaufen. Aber wie das halt dann alles in weiterer Folge so läuft: Man einigt sich, und schließlich ist sowieso alles wieder in Ordnung.

Den Witz des Tages lieferte dazu noch der SPÖ-Stadtschulratspräsident in Wien, Dr. Kurt Scholz, der sich öffentlichkeitswirksam beklagt und die Situation kritisiert, daß es in ganz Österreich in den nächsten zehn Jahren 7 000 arbeitslose Junglehrer geben wird. Allein in Wien sind 1 000 AHS-Junglehrer betroffen.

Schuld daran ist natürlich dieses schreckliche, böse Sparpaket der bösen Regierung. Er verschweigt aber dabei wohlweislich zwei Dinge, nämlich daß seine SPÖ samt Staatssekretär Schlögl zusammen mit der ÖVP für diesen Zustand die Verantwortung trägt. Aber das Spiel der Oppositionsrolle, das wir ja mehrfach bei den Wiener Sozialdemokraten erleben, kennen wir ja schon. Es ist Pharisäertum, wenn er einerseits die Situation beklagt und kritisiert, andererseits aber über Richtlinien den Schulen eindeutig vorschreibt, daß Junglehrer nicht mehr weiter


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eingesetzt werden dürfen, weil man die dafür vorgesehenen Stunden voraussichtlich für die pragmatisierten Lehrer braucht.

Frau Bundesministerin! Sie haben im Ausschuß dazu erklärt, daß Sie damit eigentlich nichts zu tun haben, das entscheiden die Landesschulräte in Eigenverantwortung. Aber Sie, Frau Bundesministerin, sind die übergeordnete Instanz, und Sie können sich hier aus der Verantwortung für diese Misere nicht herausschwindeln und so tun, als hätten Sie damit überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist klar, nach den Boom-Jahren, in denen jede Menge Lehrer gebraucht wurden, sind jetzt die Lehrer natürlich im besten Alter, zwischen 30 und 40, wovon maximal 1 bis 2 Prozent jährlich in Pension gehen. Mit dem Belastungspaket beziehungsweise Sparpaket I wurde bereits der Großteil des Überstundenpolsters in reguläre Planstellen umgewandelt. Das Belastungspaket II wird in diesem Herbst die letzten Reserven und einen Teil der Freifächer wegschmelzen.

Noch ein Wort zu den hohen Personalkosten, die das Budget belasten: Die Regierung tut hierbei so, als wäre das alles etwas völlig Neues, als wäre das eine Situation, vor der man jetzt plötzlich steht. Nach dem Lehrermangel in den siebziger Jahren erschallte der Ruf: Es sollten mehr Jugendliche für das Lehramt studieren, wir brauchen Lehrer. Es war damals schon absehbar, meine Damen und Herren, daß Lehrer mit zunehmendem Alter und mit zunehmenden Dienstjahren natürlich auch teurer werden. Seit über 20 Jahren, meine Damen und Herren, hätte die Regierung Zeit gehabt, strukturelle Änderungen vorzunehmen und ein neues leistungsgerechtes und leistungsorientiertes Besoldungssystem einzuführen. Aber Sie haben 20 Jahre lang zugesehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Höchtl: Auch die Freiheitlichen waren drei Jahre in der Regierung!)

Die Entwicklung ist keine Überraschung. Jeder Unternehmer überlegt sich rechtzeitig, wenn er Maßnahmen setzt, welche Kosten ihm damit in Zukunft erwachsen, und ergreift die geeigneten Gegenmaßnahmen. Alles, was jetzt seitens der Regierung kommt, sind Gehaltskürzungen und eine Reduzierung der Allgemeinbildung.

Ein Wort noch zum lebenslangen begleitenden Lernen, das Sie als Zukunftsvision ausgegeben haben. In den Bundesvoranschlägen, sehr geehrte Frau Bundesministerin, findet man jedoch dafür keine nennenswerten budgetären Vorkehrungen, und es stellt sich auch die Frage, was eigentlich mit den Volkshochschulen ist. Sind diese ihren Aufgaben nicht nachgekommen, braucht man sie jetzt nicht mehr, werden sie ersetzt, kommen sie stärker zum Einsatz, haben sie an sich ihre Aufgabe nicht erfüllen können?

Die Förderung der Erwachsenenbildung sieht letztlich so aus, daß zum ersten einmal die Abgeltung der Abendschullehrer für Berufstätige gekürzt wird und der Gewerkschaft im Gegenzug die gesetzliche Verankerung dieser Schulform im Schulunterrichtsgesetz versprochen wurde, das jetzt im Begutachtungsverfahren ist. Tatsache ist – sieht man sich das genauer an –, daß diese Maßnahme durch bestimmte Stolpersteine, die hier eingebaut wurden, zu einem gewaltigen organisatorischen Mehraufwand und für Berufstätige, die sich weiterbilden wollen und dies ja laut Ihren Aussagen auch tun sollen, zu einer Verschlechterung führt.

Bleiben wir noch kurz bei den Abendschulen. Wenn Sie die Tageszeitung "Die Presse" heute aufmerksam studiert haben, finden Sie darin einen interessanten Beitrag, der auch schon 1994 vom Rechnungshof kritisch aufgenommen wurde. Es handelt sich hierbei – ich formuliere salopp – um sogenannte Freizeitpädagogen; gemeint sind damit Mitglieder des Stadtschulrates und Ministerialbeamte, die aufgrund unbefristeter Verträge an Abendschulen unterrichten und die, da sie unbefristete Verträge haben, aufgrund der nunmehrigen Maßnahmen mehr Stunden halten müssen, wodurch junge Lehrkräfte wiederum arbeitslos werden beziehungsweise sich für sie eine Verschlechterung ergibt.

Da es sich meist um Beamte sehr hoher Gehaltsstufen handelt, ist es natürlich auch klar, daß ihre Bezahlung sehr teuer ist, und oft müssen für sie Stunden suppliert werden, weil sie dienstlich unterwegs sind. Es ist auch – auch das hat der Rechnungshof völlig klar festgestellt – eine Art von Unvereinbarkeit, wenn sich Beamte der vorgesetzten Dienstbehörden an einer Schule


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mit Stunden versorgen lassen, weil sich die Frage stellt, welcher Direktor es ablehnen und sich den Groll eines Vorgesetzten zuziehen würde.

Da gibt es das Berufspädagogische Institut, und auch hier findet sich jede Menge an Ministerialräten und Ministerialbeamten Ihres Ministeriums, Frau Ministerin, die in der Dienstzeit am Vormittag Seminare und Schulungen abhalten und die – das ist das Kuriose dabei –, obwohl sie es in ihrer Dienstzeit machen, dafür noch zusätzlich bezahlt werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das kann doch nur ein Irrtum sein, das gibt es doch gar nicht!) Das ist leider Gottes kein Irrtum, sondern das ist die Realität. Gespart wird nicht "oben", gespart wird nicht dort, wo die größte Rückendeckung durch Lobbies herrscht, sondern gespart wird "unten" bei den Junglehrern, die es sich offensichtlich nicht richten können. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist beibehalten worden?) Das ist beibehalten worden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das kann nicht wahr sein!) Ist aber so. (Abg. Dr. Mertel: Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen, damit Sie sich besser unterhalten können?)

Im Bereich der Lehrerfortbildungen gibt es auch noch ein interessantes Detail, das ich dem Hohen Haus nicht vorenthalten möchte. Natürlich müssen sich auch Lehrer fortbilden, das soll auch so sein und ist auch gut so. Zu diesem Zweck gibt es das Pädagogische Institut des Bundes. Es steht außer Zweifel, daß sich bei genauerem Studium jede Menge interessanter und wichtiger Seminare finden, die dort angeboten werden.

Auffallend ist jedoch, daß ein Mitarbeiter dieses Instituts, der für die Seminargestaltung verantwortlich und für das gesamte Programm in dieser Erwachsenenbildung zuständig ist, ein gewisser Herr Stanzel, mehrfach selbst Seminare anbietet, die er offensichtlich nach eigenen Neigungen zurechtschneidet und in dieser Form dann anbietet. Er veranstaltet sie auch selbst und wird dafür auch noch zusätzlich bezahlt. Das ist ein hübsches Nebeneinkommen.

Was ist das? Was findet sich da, was die Lehrer lernen sollen, damit sie es an die Schüler weitergeben können? – Ich zitiere: "Denn sie wissen nicht, was sie tun. – Über die idealistisch motivierte Zurichtung in der Schule." Ein Seminar, abgehalten von Herrn Stanzel.

Oder: "Erlebnis-Sommer-Workshop: Kreative Lösungen in Organisationen". – Es geht um das Ausloten des eigenen Spielraumes in vernetzten Systemen. Vielleicht könnte Herr Stanzel einmal erklären, was damit gemeint ist.

Interessant ist aber auch ein Seminar, das in nächster Zukunft noch stattfinden wird, mit dem interessanten Titel "Sanfte Verblödung. – Spätkapitalismus und Wassermann-Zeitalter". Veranstalter: Lehrbeauftragter Andreas Stanzel.

Meine Damen und Herren! Es ist wirklich interessant, wofür da Steuermittel ausgegeben werden und welch hübsches Nebeneinkommen sich da offensichtlich jemand verschafft.

Eine besondere Pikanterie findet sich noch in diesem Programm, und zwar werden auch Golfkurse angeboten – quasi als Lehrerfortbildung. Der Lehrer von heute muß Golf spielen können, das gehört dazu. (Ruf bei den Freiheitlichen: Man muß Lehrer werden!) Es werden drei Golfkurse angeboten: ein Schnupperkurs, ein Anfängerkurs und ein Fortgeschrittenenkurs. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Zur Behandlung von Behinderten gibt es zuwenig Kurse!) Das findet sich da nicht.

Böse Zungen könnten natürlich behaupten, daß diese Kurse deshalb notwendig sind, weil sie ein Sprungbrett für eine Karriere sind, weil sie eine Voraussetzung sind, in der SPÖ möglicherweise Karriere zu machen. Bekanntermaßen ist ja unsere Frau Bundeskanzler eine begeisterte Golferin. Ein Sprungbrett für die Zukunft! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf bei der SPÖ.) Nein, Bungee-Jumping wird nicht angeboten, Frau Kollegin, aber Golfspielen, weil das in der SPÖ sehr gefragt ist. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie Sie wissen, gibt es eine Dienstanordnung der Landesschulräte an die betreffenden Lehrer, damit sie an solchen Seminaren teilnehmen können; vielleicht nicht unbedingt an einem Golfkurs. Dafür sind Supplierungen notwendig, wie man weiß, die ja ab dem zweiten Tag bezahlt


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werden. Da aber die meisten Seminare über drei Tage dauern, ist man jetzt auf die Idee gekommen, aus Spargründen – seitens des Landesschulrates Tirol wird das so gehandhabt – Lehrer überhaupt nicht mehr zur Fortbildung zu schicken, weil es nicht mehr bezahlt werden kann und offensichtlich zu teuer ist.

Die Crux an der ganzen Sache ist, daß man sich natürlich – wie in jedem anderen Beruf – weiterbilden und auch am Ball bleiben muß – wenn auch nicht unbedingt am Golfball –, so auch die Pädagogen. Ich halte es wirklich für eine bedenkliche Entwicklung, wenn bei den Lehrern auf die Weiterbildung kein Wert mehr gelegt wird, denn dies geht letztlich zu Lasten der Qualität des Unterrichts und damit natürlich zu Lasten der Kinder und Jugendlichen, die ja bekanntlich unsere Zukunft sind.

Alles in allem, meine Damen und Herren, finden sich in Ihren Aussagen, die Sie sowohl in der Regierungserklärung, aber auch sonst medienträchtig prononciert haben, keine wirklich bildungspolitischen Ansätze, sondern jede Menge hilflos anmutendes Stückwerk in einer bildungspolitischen Suppe, die die Zukunftsträger der Gesellschaft, nämlich unsere Jugend, wie es ja der Herr Bundeskanzler gesagt hat, letztlich auslöffeln muß.

Einer echten Bildungsoffensive, so wie wir sie uns vorstellen könnten, entspricht das nicht. Zu einer echten Bildungsoffensive gehört ein leistungsorientiertes und leistungsfähiges Schul- und Bildungssystem, aber natürlich genauso mehr Wettbewerb statt Proporz und Parteibuchwirtschaft. Es gehören auch eine Entpolitisierung der Schule und Transparenz bei der Postenvergabe dazu. Genauso gehört selbstverständlich dazu, wie es Kollege Öllinger schon gesagt hat, die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit bei der Schulgesetzgebung.

Nun ein Wort zum Herrn Kollegen Höchtl. Es war nicht anders zu erwarten, und es war eigentlich keine Überraschung, daß auch von Ihrer Seite nur schöne Worte gekommen sind – ohne Inhalt und ohne Aussagekraft. Das einzige, wo ich Ihnen zustimmen kann, ist Ihre Aussage, daß sich die Schule allmählich wieder ihren eigentlichen Aufgaben widmen und nicht zur Reparaturwerkstätte für gesellschaftliche Fehlplanungen werden soll. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Höchtl: Immerhin etwas!)

11.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

11.35

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Es gibt natürlich unterschiedliche Ansichten darüber, was die Qualität einer Bildung ausmacht. Es gibt es anscheinend Damen und Herren in diesem Haus, die meinen, Bildung könne nur dann gut sein, wenn immer mehr dazukomme – vom Inhalt her, vom Geld her, vom Umfang der Stunden her.

Meine Damen und Herren! Ich vertrete grundsätzlich eine andere Meinung. Bildung muß ein allgemeines politisches Anliegen sein und muß eine ausreichende Finanzierung haben. Die Qualität der Bildung hängt aber vor allem von der inneren Ausformung der Angebote ab.

Es ist hier behauptet worden, daß ich vor einem Jahr gesagt habe, daß ich mir weitere Einsparungen nicht vorstellen kann. Ich bitte, das genau zu hinterfragen. Ich habe ganz klar gesagt: Weitere lineare Kürzungen sind für unsere Schulen nicht zu verkraften. – Das heißt: Werteinheiten zu kürzen und die bisherigen Strukturen zu belassen, bedeutet, eine Zielvorgabe zu geben, aber die nötigen Mittel dafür nicht zur Verfügung zu stellen. So etwas nenne ich Management by chaos. Und das mache ich nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Öllinger hat gemeint, die Schule sei kein Unternehmen. Ich bitte wiederum, mich genau zu zitieren. Ich habe festgestellt: Die Schule, der gesamte Schulbetrieb, das gesamte Ministerium muß so wie jedes Unternehmen von Zeit zu Zeit seine Strukturen hinterfragen und immer wieder Antworten auf die Fragen geben: Ist das, was wir seit 20 Jahren machen, richtig? Ist das, was da gewachsen ist, richtig? Wo können wir Strukturen ändern?


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Deshalb habe ich mich bemüht, für die Budgets 1996 und 1997 die Strukturen so zu ändern, daß vernünftige Einsparungen möglich sind, daß aber durch die innere Schulreform und gemeinsame Maßnahmen die Qualität der Schule gesichert bleibt.

Es wurden die Werteinheiten nicht mehr weiter gekürzt. Zu jeder Schule, die sagt, sie müsse wieder kürzen: Das stimmt, bitte, nicht! Die Werteinheiten werden nach einem Normkostenmodell vergleichbar und transparent für die Bundesschulen, für die Pflichtschulen in Österreich zugeteilt.

Ich möchte auch ganz klar festhalten, daß die Maßnahmen, das Ziel, das ich mir vorgenommen habe, im Budget auch erreicht werden. Es ist gelungen, das Personal gleichzuhalten – trotz der Steigerungen durch die jährlichen Gehaltsvorrückungen, durch die jährlichen Strukturmaßnahmen. Es ist andererseits gelungen, im Bereich Sachaufwand, im Bereich Schulbaubudget, im Bereich kulturelle Angelegenheiten, im Bereich Denkmalschutz die notwendigen Mittel für eine positive Entwicklung sicherzustellen.

Als kleines Beispiel dafür möchte ich nennen, daß es mir gelungen ist, im Erwachsenenbildungsbereich eine Aufstockung der Mittel von 130 Millionen Schilling 1995 auf 213 Millionen Schilling 1996 zu erreichen. Damit können in diesem Bereich sicher neue Akzente gesetzt werden.

Wenn man sich den Anteil des Bildungsbudgets am Gesamtbudget anschaut, dann sieht man sehr wohl, daß diese Regierung der Bildung, der Ausbildung unserer Jugend einen großen Stellenwert beimißt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Im Jahre 1995 hatte der Bereich Bildung, Kapitel 12 und 14, einen Anteil von 9,9 Prozent am Budget, für 1996 sind es 10,3 Prozent, für 1997 sind es 10,5 Prozent. Damit liegen wir auch im europäischen Vergleich gut. Der Anteil der Bildung in Österreich am Bruttoinlandsprodukt beträgt 5,4 Prozent; in England sind es 5,3 Prozent, in Deutschland sind es 5,4 Prozent. Wir befinden uns also in sehr guter Gesellschaft.

Meine Damen und Herren! Nun zu einigen Bereichen, die von meinen Vorrednern angesprochen wurden. Es wurde gesagt, daß Kürzungen bei den Lehrplänen und bei den Stunden vorgenommen wurden und daß den Eltern vorgegaukelt wird, das sei eine Erleichterung.

Meine Damen und Herren! Das wird den Eltern nicht vorgegaukelt. Es gibt eine wissenschaftliche Untersuchung, wonach Schüler an den Schnittstellen von der Volksschule zur Hauptschule oder zur Unterstufe des Gymnasiums besonders belastet sind, und Eltern und Wissenschaftler haben diese Entlastung gefordert. Wir müssen doch bedenken, daß in den Stundentafeln ja immer etwas dazugekommen ist! Immer kommt neues Wichtiges dazu!

Ich darf daran erinnern, daß vor 20 Jahren von einem meiner Vorgänger, nämlich von Herrn Kollegen Piffl Per#evi%, alle Stundenpläne um zwei Stunden gekürzt wurden, und es ist kein Bildungsnotstand ausgebrochen, denn die Qualität liegt im Inhalt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn gesagt wird, daß die Kinder jetzt in – ach! – den wenigen Stunden den Stoff derselben Lehrpläne erlernen müssen, dann darf ich dazu bemerken: Das muß von jemandem gesagt worden sein, der noch nie mit Lehrern oder Lehrerinnen gesprochen hat, denn diese versichern mir alle, daß die Lehrpläne Rahmenlehrpläne sind und daß aus diesen Lehrplänen ausgewählt werden kann.

Die Vorarbeiten für die Einteilung der Lehrpläne in Kernbereich und Erweiterungsbereiche sind so weit gediehen, daß wir im kommenden Herbst mit der Diskussion mit den Lehrerinnen und Lehrern beginnen, sodaß wir dann im Schuljahr 1997/98 – aufsteigend mit der ersten Klasse Hauptschule und mit der ersten Klasse Gymnasium – in Erprobung gehen.

Nun auch ein Wort zum Thema "Autonomie – emanzipierte Schule". Meine Damen und Herren, ich erlebe eine ganz interessante Entwicklung: Zuerst haben alle nach Autonomie gerufen, und


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jetzt, wo man Entscheidungen in verschiedenen Bereichen selber fällen soll, kommt plötzlich die große Angst davor. Es kommt die Frage der Politiker: Ja können denn die Schulen das? – Ich bitte Sie, trauen wir doch unseren Schulen ein bißchen mehr zu! Es wird nicht auf einmal gehen, die erweiterte Autonomie wird ein Prozeß sein, aber dieser Prozeß ist wichtig und richtig.

Jahrelang wurde gefordert, daß wir doch das Werbeverbot etwas lockern sollten. Tatsächlich sponsern kleine Sportgeschäfte die eine oder andere Schule beim Fußballspiel oder sponsert irgendein Unternehmen die eine oder andere Fahrt der Schule. Da hat man immer gesagt: Das ist unehrlich, lockern Sie doch dieses Werbeverbot etwas, damit das nicht ein Graubereich ist. Jetzt machen wir es. Aber jetzt fürchten sich anscheinend auf einmal viele Politiker von der Opposition vor der Beeinflussung und was weiß ich was allem.

Meine Damen und Herren! Es ist doch gut und vernünftig, wenn die Schulen in Zusammenarbeit mit einigen Wirtschaftsbetrieben im Ort besondere Akzente setzen können. Es geht doch überhaupt nicht darum, das Schulbudget von der Wirtschaft finanzieren zu lassen. Wenn Sie sich dieses Budget anschauen, dann werden Sie sehen, daß für den Sachaufwand – für die Heizung der Schulen, für die Reinigung der Schulen, für den Betrieb der Schulen – die notwendigen Mittel vorgesehen sind. Aber ermöglichen wir es doch den Schulen, daß sie vor Ort noch weitere Akzente setzen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nun zu einem Bereich, den ich für sehr wichtig halte, zum Bereich der Lehrerbeschäftigung, zum Bereich der arbeitslosen Lehrer. Zwei Vorbemerkungen dazu.

Wir leben in einem freien Land, in dem jeder Bürger seine Berufswahl frei treffen kann. Ich wehre mich dagegen, die Bewirtschaftung der Lebenschancen der Menschen durch den Staat vorzunehmen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich wehre mich dagegen, Planwirtschaft zu betreiben und zu sagen: Du darfst nur mehr das studieren, und du darfst nur mehr das studieren! Ich möchte aber, weil es mir auch ein Anliegen ist, verschiedene Maßnahmen ergreifen, die auf dem Wege der Information laufen: verstärkte Information der Maturanten und Maturantinnen über die Situation im Anstellungsbereich. Aber ich möchte trotzdem den jungen Menschen frei wählen lassen, was er zu seinem Berufsziel macht.

Ich möchte eine verstärkte Flexibilisierung der Arbeitszeit im Schulbereich, damit junge Lehrer auch in die Berufswelt einsteigen können, und eine Zusammenarbeit mit den Arbeitsmarktservicestellen. Es gibt in der Steiermark ein sehr schönes Projekt, in dessen Rahmen mit Hilfe des Arbeitsmarktservices Lehrer in die Wirtschaft vermittelt werden, wo dies auch gefördert wird. Dazu wurde vom dortigen Landesschulrat festgestellt: Diese Tätigkeit in der Wirtschaft ist für den Lehrer ein Bonus, weil er sich zusätzliche Qualifikationen erworben hat.

Wir brauchen also flexible Modelle in diesem Bereich. Wir müssen uns alle miteinander anstrengen, die Lehrerarbeitslosigkeit wirklich in den Griff zu bekommen – aber bitte nicht durch Verbote und nicht durch Planwirtschaft, indem den Jugendlichen vorgeschrieben wird, welche Berufe sie ergreifen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zu einem weiteren Bereich in meinem Ministerium, der mir auch ein besonderes Anliegen ist, nämlich zu den kulturellen Angelegenheiten. Ich meine, daß Kulturpolitik und Schule etwas sehr Wichtiges sind, etwas, was miteinander vernetzt werden soll, und ich meine, daß ich in meinem Bereich die Aufgabe habe, ein breites Spektrum zu fördern. Ich möchte eine breite Förderung der kulturellen Angelegenheiten, denn ich meine, einseitige Förderungspolitik kann sich sehr rasch als Einfalt gegenüber der notwendigen Vielfalt herausstellen.

Ich war deshalb auch sehr bemüht, für den kulturellen Bereich die notwendigen finanziellen Mittel zu sichern; die finanziellen Mittel für eine Schwerpunktsetzung in der musisch-kreativen Bildung, denn ich halte diesen Bereich in der gesamten Persönlichkeitsausbildung für einen besonders wichtigen Bereich. Persönlichkeitsausbildung darf nicht nur rational erfolgen, also einseitig sein. Es gibt heuer Millenniumsaktivitäten, wo wir die Jugend im besonderen Maße mit einbinden. Ich erwähne als Beispiel "1 000 Jahre, 1 000 Noten, 1 000 Schüler", – ein Open-air-


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Konzert mit Jugendlichen aus allen Bundesländern, das wir vor dem Schloß Schönbrunn machen werden.

Ich erwähne den Bereich Erwachsenenbildung und Volkskultur. Bei der Erwachsenenbildung ist es mir ein besonderes Anliegen, mit den Institutionen zusammen das lebensbegleitende Lernen in die Köpfe der Menschen zu tragen und die Angebote in einem breiten Spektrum zu verankern.

Ich erwähne ganz besonders den Denkmalschutz. Ich meine, daß es unsere Pflicht als Kulturnation ist, unsere Denkmäler als Zeugen unserer Vergangenheit zu erhalten, denn: Zukunft braucht Herkunft!

Ich erwähne im besonderen Maße die Österreichische Nationalbibliothek, die wir weiten Kreisen, besonders auch Schülern, zugänglich machen wollen Und ich erwähne die Aktivitäten der Museen, besonders im Zusammenhang mit der Museumspädagogik, mit der Einladung von Schülerinnen und Schülern in die Museen.

Ich erwähne auch das gesamte Ausstellungswesen, das eine Qualität hat, die sich in Europa sehen lassen kann. Wenn bei der Monet-Ausstellung an diesem Wochenende, zur Halbzeit der Ausstellung, der hundertzwanzigtausendste Besucher erwartet wird, dann zeigt es sich, daß die Ausstellungen, die von unseren Museen veranstaltet werden, Ausstellungen sind, die sich in Europa sehen lassen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich meine, Bildung, Bildungspolitik und Politik überhaupt müssen sich langfristige Ziele setzen. Bei den vielen Bereichen, die wir in der Schule, im Kulturbereich begonnen haben zusammen mit den engagierten Lehrer und Lehrerinnen umzusetzen, denen ich hier auch herzlich für ihre wertvolle Arbeit für unsere Jugend danken möchte, braucht Politik langfristige Ziele, langfristige Zielsetzungen.

Ich möchte fünf Punkte besonders herausheben: Erstens: Kultur als Auftrag, als Basis für unser Zusammenleben, für unsere Identität und im Zusammenhang damit eine Garantie für die Vielfalt der Kultur.

Ich möchte zweitens ein Bündnis für die duale Ausbildung verwirklichen, ein Bündnis, wo Sozialpartner, Wirtschaft, Unterricht, Sozialministerium und auch das Wirtschaftsministerium zusammenarbeiten. Es darf da keine Insellösungen geben. Derzeit machen 40 Prozent der Jugendlichen der betreffenden Altersgruppe eine Lehre. Wir müssen uns also fragen: Wie viele Facharbeiter brauchen wir in Zukunft noch? In welchen Bereichen brauchen wir Facharbeiter? Welche Unterstützungen müssen von der Wirtschaft gegeben werden, damit die Ausbildungsbereitschaft bestehen bleibt? – Das darf keine punktuelle Maßnahme sein, sondern das muß ein schönes Maßnahmenpaket sein, wo meine Rolle dabei jene ist, die Durchlässigkeit von der Lehre zu weiterführender Bildung durch eine Berufsmatura zu garantieren. (Abg. Dr. Stummvoll: Eine Paketlösung! – Ruf bei der SPÖ: Könnten wir schon haben!)

Das dritte große Ziel, das ich mir gesetzt habe, ist, eine Bildungsplattform für alle Angebote der Erwachsenenbildung zu schaffen, eine Übersicht über die berufliche Aus- und Weiterbildung und die innovative Weiterentwicklung im Bereich des lebensbegleitenden Lernens zu erarbeiten.

Der vierte und sehr wichtige Punkt für mich ist eine Initiative zum Einsatz der modernen Medien in den Schulen und im Bereich des lebensbegleitenden Lernens. Ich glaube, daß den modernen Medien eine ganz bedeutende Rolle zukommen wird, und wir müssen diesen Einsatz sichern.

Die fünfte Anregung, die ich jetzt machen möchte, ist eine verstärkte Darstellung, welche Berufe in Zukunft gebraucht werden, eine Berufsfeldforschung, damit wir uns in der Ausbildung auf die richtigen Ziele konzentrieren können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Sie sagen: Ja da werden Ziele vorgestellt, aber wie werden die Mittel dafür gesichert? – Wenn Sie ganz genau die Budgetbegleitgesetze lesen, dann werden Sie sehen, daß ich mit dem Herrn Finanzminister übereingekommen bin, daß Erlöse aus Privatisierungen in meinem Bereich, sobald sie getätigt sind, für Unterricht und für kulturelle Angele


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genheiten verwendet werden können. Ich glaube, das ist etwas Wichtiges: Die gesamte Regierung zeigt damit: Bildung ist uns wichtig! Es werden auch Erlöse aus Privatisierungen für Bildung, für Unterricht und für Weiterbildung verwendet. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend stelle ich fest: In einem Land ohne wesentliche Rohstoffressourcen kommt es vor allem auf das Wissen und Können der Menschen an. Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft des kommenden Jahrhunderts gilt: Wissen und Kompetenz sind Trumpf in Österreich!

Die positive Entwicklung der Gesellschaft und der Wirtschaft basieren auf dem Können, auf dem Wissen der Menschen, auf den Qualifikationen der Menschen, auf der Kreativität der Menschen und auf dem Erfindergeist der Menschen.

Deshalb meine ich, daß wir gut beraten sind, positiv in die Zukunft zu blicken und eine Bildungsoffensive, eine Zukunftsoffensive gemeinsam zu tragen, die der jungen Generation die Chance zur Bewältigung der Zukunft gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Frau Abgeordnete Dr. Preisinger hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete. Sie kennen die Geschäftsordnung.

11.52

Abgeordnete Dr. Susanne Preisinger (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben erklärt, daß Sie zum Sparpaket die von mir zitierten Aussagen in dieser Form nicht getätigt haben. Das ist unrichtig!

Ich berichtige wie folgt: Sie haben gesagt: Es kommt nicht das nächste Sparpaket. Man werde sich die Auswirkungen des jetzigen Sparpakets genau anschauen, bevor weitere Maßnahmen besprochen würden. – APA-Meldung vom 13. Juni 1995. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Frau Bundesministerin hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.53

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Wir haben Strukturmaßnahmen getroffen. Es gab ein erstes Sparpaket, und es gab in der Folge Strukturmaßnahmen, die den Betrieb Schule hinterfragt haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Sie reden sich immer heraus!)

11.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.53

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Man hätte fast Lust, sich aufgrund der wirklich interessanten Stellungnahme der Frau Minister über den bloßen Kulturbereich ihres Ressorts hinaus zu einzelnen anderen Punkten zu Wort zu melden, weil Sie doch sehr wichtige Fragen angeschnitten haben, wo es sich lohnen würde, im Detail darauf einzugehen und die Debatte zu vertiefen. Aber ich denke, wir werden das sicherlich bei der einen oder anderen Diskussion hier im Haus und in der Öffentlichkeit noch machen können.

Ich möchte mich auf die kulturpolitischen Aspekte der Debatte, die wir heute zu führen haben, konzentrieren. Das Budget ist die in Zahlen gegossene Politik, und das sagt sehr viel darüber aus, was wir an programmatischer Umsetzung vorhaben.

Aber es ist auch wichtig, daß man sich neben Detailfragen auch über die grundsätzliche Linie unterhält, darüber, in welchem Rahmen sich das alles abspielen soll.


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17. Sitzung / Seite 408

Es hat mich etwas überrascht, daß der Abgeordnete Krüger in seiner ersten Stellungnahme heute versucht hat, sich als marxistischer Theoretiker zu profilieren beziehungsweise die marxistische Diskussion um Antonio Gramsci wieder neu zu erleben. Vielleicht will er einen marxistischen Denkerflügel in der FPÖ aufbauen. Zumindest wäre das überhaupt einmal ein Denkerflügel. Das wäre schon ein Fortschritt. (Beifall bei der SPÖ.) Er muß ja nicht gleich marxistisch sein, aber immerhin könnte er ein wenig zur geistigen Belebung dieser Gruppe beitragen, die hier hängen wie die Lachse, anstatt daß sie jetzt begeistert und freudig meiner Rede zuhören. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Jetzt kommt ein bißchen Stimmung auf, das ist richtig.

Man muß jetzt auch im Detail ein bißchen darauf eingehen. Ich glaube, daß sich der Abgeordnete Krüger in der Tat mit Gramsci auseinandergesetzt hat. Nur zieht er die falschen Schlüsse und will daraus eine Machteroberungsstrategie der FPÖ entwickeln. Daher lohnt es sich, darauf einzugehen.

Gramsci: "Die repressive Hegemonie", "Die geistige Hegemonie". – "Die geistige Hegemonie", das ist weit schwieriger für Sie. Sie haben nämlich da Ansatzpunkte entwickelt, die man nicht unterschätzen soll (Abg. Mag. Trattner: Wann haben Sie eigentlich studiert?) und wo ich glaube, daß Sie wirklich hineingestoßen sind. Wenn man jetzt die geistige Hegemonie betrachtet, und das betrifft Kirche, Schule, Familie, Kultur, Medien, all diese Bereiche: Es ist richtig, daß jene sozialen Gruppen, die Macht ausüben und die Macht aufgrund ökonomischer, politischer und sonstiger Strukturen und geschichtlicher Entwicklungen erobert haben, in diesen Bereichen geistige Hegemonie ausüben.

Es ist aber in einer Demokratie durchaus legitim und üblich, daß es einen demokratischen Wettstreit im Rahmen der geistigen Hegemonie gibt. Aber da verweigern Sie sich, und da machen Sie das Ganze bereits zum Instrument Ihrer Machtergreifungsstrategie, indem Sie sagen: Alle diejenigen, die an der Macht sind, sind prinzipiell a priori einmal Machtmißbrauchmenschen, die die Macht nur mißbrauchen. Da wird mit Kriminalisierungsstrategien gearbeitet, und da versuchen Sie zu denunzieren, da versuchen Sie alles einzusetzen, um die Würde der Repräsentanten zu untergraben. Sie versuchen, alles einzusetzen, um die Glaubwürdigkeit zu zerstören – auch um den Preis, daß das Auswirkungen auf die demokratischen Institutionen und auf die demokratischen Organe dieser Gesellschaft hat.

Ich weiß nicht, ob Ihnen das recht ist, denn dann, wenn es überhaupt nichts mehr gibt, gibt es nichts mehr zu erobern. Daher wäre diese Strategie unlogisch. Aber trotzdem scheinen Sie das zu verfolgen. Aber vielleicht ist es ein Denkfehler, oder Sie haben es nicht zu Ende gedacht; es ist immer schwierig, etwas zu Ende zu denken. Im Endeffekt könnte das natürlich auch eine der Folgewirkungen sein.

Was die repressiven Organe betrifft: Das Verhalten der AUF in der Polizei ist schlicht und einfach das, was Sie den Linken seit Jahrzehnten vorwerfen, nämlich Unterwanderungsstrategie, sonst gar nichts: Hinein in die Wachstuben wie die grauen Mäuse, überall hinein und dort für Unruhe sorgen in den sogenannten – in seiner Diktion jetzt, in seinem Gramscinismus – repressiven Organen des Staates. Man sollte und muß, glaube ich, einmal aufzeigen, was letztendlich dahintersteckt.

Sie reden ständig von linker Kulturhegemonie. Was verstehen Sie eigentlich unter linker Kulturhegemonie? Was verstehen Sie unter – ich sage es jetzt so – sozialdemokratischer Kulturhegemonie? Was ist das? Sagen Sie es, Sie oder irgend jemand anderer Ihrer Epigonen und Nachfahren, die da noch herkommen werden! Was ist das? Welches Menschenbild trennt uns voneinander? Erklären Sie und endlich einmal Ihr "blaues" Menschenbild! Wir wollen das einmal kennenlernen. Wenn man nur den Haider plakatiert oder vielleicht künftig den Schweitzer, der gestern einen intellektuellen Aufschwung gemacht und sich mit Haider auf eine Ebene gestellt hat, dann genügt das nicht. Ich weiß nicht, ob das allein befriedigen wird. Wir wollen wissen, wie Ihr Menschenbild ausschaut!


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Ich vermute, daß es ein autoritäres Menschenbild ist. Ich glaube, daß es ein Menschenbild ist, wo Sie eine Gesellschaftsstruktur anstreben, wo einer bestimmt und die anderen das machen, was der eine sagt. Das ist – um es auf den Punkt zu bringen – im wesentlichen wahrscheinlich das Menschenbild, das Sie haben. (Abg. Dr. Graf: Das ist Vranitzky! In der SPÖ ist das so!)

Wir stehen für den emanzipierten, für den sozialen, für den demokratischen Menschen, für ein Menschenbild, wo eine solidarische Gesellschaftsordnung möglich ist. (Abg. Ing. Reichhold, lachend: Das glaubst selber nicht!) Darüber sollten wir einmal diskutieren. (Abg. Ing. Reichhold: Einem fragen ...!) Es ist doch klar, daß sie für Solidarität nur ein Lachen übrighaben. Das sollte man wirklich in den Stenographischen Protokollen vermerken: Die lachen bei dem Wort Solidarität. Das sollte man wirklich vermerken. (Abg. Ing. Reichhold: Einem fragen, was er mit Weisung in seinem Ministerium ...!) Danke, daß Sie das jetzt auch unterstrichen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist doch wohl bezeichnend, und von daher rühren auch bei Ihnen diese Begriffe wie Staatskünstler und monokratische Vergabe von Subventionen. Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Sie es in Wirklichkeit nicht lieber hätten, wenn Sie der Vergeber dieser Subventionen wären? Es kommen Ihnen die autoritären Stielaugen heraus, wenn Sie daran denken, Sie könnten monokratisch Subventionen vergeben. Natürlich wollen Sie das! Dann schaue ich mir an, welchen Spielraum dann die Künstler haben und wie dann Ihre Freiheitsdefinition, wie die Freiheit, die Sie meinen, dann in Wirklichkeit aussieht.

Seien Sie vorsichtig! Die Gängelbandideologen sitzen bei Ihnen. Das haben wir anhand der denunziatorischen Plakate, wo Sie einzelne Künstler an den Pranger der Plakatwände gestellt haben, mehr als deutlich erkennen können. Das ist Ihr Selbstverständnis! Stellen Sie sich einmal da her und bekennen Sie sich endlich einmal dazu! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Vielleicht sagst du zum Budget auch etwas – oder fällt dir da nichts ein?)

Überschlagen Sie sich nicht bei den Zwischenrufen, es wird dann noch unverständlicher – nämlich auch in der Form, im Inhalt ist es sowieso unverständlich. (Abg. Ing. Reichhold: Herr Präsident! Zur Sache muß ja da niemand mehr reden! Man kann eine Partei beschimpfen, aber zum Budget braucht man nichts mehr zu sagen! – Abg. Grabner: Bitte, Herr Lehrer!)

Zum zweiten Bereich: Was wäre dann Ihre Alternative? Was wäre dann Ihre Alternative, wenn Sie immer den Markt hochleben lassen? Wer übt dann die Selektion aus? Wer ist es dann? – Der Sponsor ist es! (Abg. Ing. Reichhold: Zum Budget braucht man nichts mehr zu sagen!) Ich bin zutiefst in der Kulturpolitik, im wahrsten Sinn des Wortes, und wenn ich mich mit Ihnen noch näher beschäftige, bin ich noch tiefer drinnen in der Selektion, die der Sponsor auszuüben hat, wenn man Förderungen im Kulturbereich durchzuführen hat.

Und daher bin ich zutiefst davon überzeugt, daß der Staat natürlich Förderungsaufgaben zu erfüllen hat und die entsprechenden Freiräume zur Verfügung zu stellen hat, damit Kunst und Kultur sich frei entwickeln können. Und dem Kollegen Morak muß ich schon sagen, daß er uns nicht unterstellen soll, daß wir immer daran erinnern, woher die "Kohle" kommt. Das ist absurd! Im Gegenteil! Es geht darum, daß sie sich frei entwickeln können, daß sie den Zwängen des Marktes entzogen sind.

Es soll eben nicht so sein, daß der Generaldirektor X oder der Leiter der Werbeabteilung Y das entscheidet. Irgendwer wird es immer entscheiden. Oder sind Sie ein Verfechter dessen, daß der Künstler, wenn er irgendwo die Mariahilferstraße hinaufgeht und ihm zufällig ein "Patzerl" hingeworfen wird, dort das Geld aufheben soll? Irgendwer wird es vergeben müssen, und irgendwer wird entscheiden müssen, daß es vergeben wird. Und irgendwer wird entscheiden müssen, wieviel das ist. Sie drücken sich ja um diese Tatsache herum! Sie wollen ja auf diesen Aspekt gar nicht eingehen. Und Sie sagen nicht ehrlich, nach welchen Kriterien Sie das dann vergeben würden, und Sie sagen auch nicht, daß Sie in Wirklichkeit am liebsten noch monokratischere Strukturen hätten, damit Sie dann vergeben könnten, wie Sie sich das vorstellen. (Abg. Dr. Graf: Sie wollen nicht zuhören! Das haben wir schon oft genug gesagt, aber Sie hören nicht zu!)


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So harmlos können Sie sich gar nicht geben, daß es nicht durchschaut wird. Denken Sie an das Schicksal des "Marzipan-Haider" in Italien, des Gianfranco Fini – eine weit harmlosere Ausgabe des Jörg Haider –, der bei den Wahlen jetzt einen Schmarrn gewonnen hat. Die Bevölkerung hat durchschaut, was für ein Konzept dahinter steht. Auch er ist ein Anhänger des autoritären Gesellschaftsmodells mit all den Folgewirkungen, die letztlich für die Bevölkerung damit verbunden sind.

Und da, denke ich, sollten Sie sich einmal Gedanken machen, ob Ihre Strategie wirklich sinnvoll ist, ob die wirklich das erbringen wird, was der Kollege Krüger vorhin versucht hat, hier auch anzuschneiden. (Abg. Dr. Graf: Was dürfen wir denn Ihrer Meinung nach? Was ist noch zulässig nach Ihrer Interpretation?) Das wäre interessant, das Thema, das könnten wir lang diskutieren.

Aber ich komme zu einem weiteren wichtigen Aspekt, nämlich zum Aspekt des Spannungsfeldes "Markt – Staat – Förderung – Verteilung". Über die innere Verteilung eines Kunstbudgets könnte der Herr Minister wahrscheinlich stundenlang sprechen, und zwar darüber, wie da die Verteilungsverhältnisse sind. Es ist irgendwo auch eine subjektive Entscheidung. (Abg. Dr. Graf: Die Frage ist, ob er uns alles erzählt, wenn er stundenlang spricht!)

Es wird versucht, das mit der Unterstützung von Beiräten irgendwie zu objektivieren. Man versucht, wirklich Konstruktionen zu finden und größtmögliche Freiräume zu schaffen und so wenig Interventionsverdächtigungen wie möglich zuzulassen, damit das möglich ist. Und trotzdem sage ich Ihnen: Sie müssen sich immer wieder dessen bewußt sein, daß es dieses Spannungsfeld der Nachfrage, des Marktes, der großen Namen gibt.

Ich möchte mir den ansehen, der da den Dompteur spielt – sei es im Theater, in der Musikwelt oder sonst irgendwo –, wenn einer, der so einen Marktwert hat, einen großen Namen hat, bei der Türe hereinkommt und sagt: Mein Marktwert ist x Millionen. Entweder ich kriege die – oder ich komme nicht. – Den Intendanten schaue ich mir an, der dann sagt: Dann komm’ halt nicht, dann nehme ich halt lieber die Tante Wetti! Den Intendanten möchte ich mir anschauen, der das dann wirklich vertreten kann!

Ich bin aber dafür, Kollege Morak, daß man das offen und ehrlich ausspricht und diskutiert, von mir aus auch kritisiert. Aber man soll nicht immer Handlungsspielräume vom Ressortverantwortlichen einfordern, die er nicht erfüllen kann, ohne durch das Stahlbad von einem Dutzend berühmter Namen zu gehen. Dann heißt es nämlich: Da ist einer, der will ja gar nicht die Aufwertung des Kunstbetriebes, der will ja gar nicht, daß die und die Aufführung "top" besetzt ist, mit Top-Namen – was übrigens ein Großteil derer, die zu den Aufführungen gehen, auch tatsächlich erwartet. Der Großteil will eine Top-Besetzung.

Daher bin ich der Meinung, da sollte man wirklich vorsichtig sein und sollte versuchen, in Bereichen, die wirklich schwer regelbar und schwer einschätzbar sind, nicht einfach Forderungen aufzustellen, die meiner Auffassung nach nicht perfekt und ideal lösbar sind; und dessen sollte man sich auch in der Diskussion bewußt sein. (Abg. Dr. Graf: Aber eine eigene Meinung dürfen wir schon noch haben?)

Sie sind ja ein Meister der Zahlenargumentation, Kollege Morak. Sie machen das ja ganz anders als der Krüger. Der Krüger macht das nämlich mit dem Holzhammer. Der haut zuerst den Ideologiehammer hin und läßt nachher ein paar Zahlen nachpäppeln. Sie machen das aber viel schlauer: Sie hauen nicht mit dem Ideologiehammer hin, sondern Sie verpacken die Ideologie in Zahlen und bauen damit natürlich Sachzwangszenarien auf. Und jeder, der nur halbwegs rechnen kann, sagt dazu: Um Gottes willen, es geht wirklich nicht anders! Mein Gott, der Morak hat recht, wir müssen das so machen, wie er es gerade vorgetragen hat. – Wobei ich jetzt wirklich nicht unterstelle, daß Sie sich da nicht kompetent vorbereitet und damit auseinandergesetzt haben.

Kritik muß sein, auch wenn man sich gemeinsam in einer Regierung befindet. Aber ich glaube, daß Zahlen nicht alles sind, sondern daß man wirklich stärker herausschälen muß, welchen Impetus, welche Perspektive man hat und was man damit will. Was wir wollen, ist eine freie, solidarische Gesellschaft, in der sich Kunst und Kultur entwickeln können und wo nicht


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ununterbrochen die Geister der Vergangenheit wie Schatten an den Wänden dahertanzen und dort Angst und Schrecken verbreiten. Das wollen wir nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Genau das wollen wir auch!)

Da, finde ich, ist viel Positives geschehen. Ich bin froh darüber, daß die Galerienförderung – obwohl man über Förderung natürlich immer diskutieren kann: Trifft sie richtig, trifft sie falsch, trifft sie die Richtigen richtiger, trifft sie die Falschen falscher? Das ist mir schon klar. Es ist nicht möglich, daß alle, die gefördert werden, zufrieden sind, daß alle herumrennen wie am 24. Dezember. Das gibt es nicht! Es gibt die, die unzufrieden sind, weil sie nichts gekriegt haben, und die, die was gekriegt haben, aber zuwenig gekriegt haben. Ich habe noch keinen gesehen, der unglücklich war, weil er zuviel gekriegt hat.

Das ist ein schwieriger Bereich, auch psychologisch ein schwieriger Bereich. Daher bin ich der Meinung, prinzipiell ist das positiv: Filmförderung "100 Jahre Kino", Ausbau der Kinoinfrastruktur. Ich weiß, man müßte da noch viel mehr machen, und ich weiß auch, daß die wirklichen Machtstrukturen ganz woanders liegen. Es wäre einen eigenen Abend wert, darüber zu debattieren. Aber ich halte es für positiv, daß man da einmal Schritte gesetzt hat, wie etwa 3 Millionen Schilling mehr für die Kulturinitiativen.

Auch da kann man jetzt wieder Zusammenhänge herstellen mit der inneren Verteilung: Wieviel hat der Peymann? Wieviel haben die Kulturinitiativen? Darüber könnten wir auch debattieren, und ich bin sicher, daß man da noch einiges einbringen könnte, um das einmal in ein anderes Verhältnis zu bringen. Aber trotzdem: Es ist positiv, daß das gemacht wird. Gerade unter Minister Scholten ist im Bereich der Kulturinitiativen wirklich sehr viel geschehen.

Ich finde es positiv, daß man in New York ein Kulturinstitut errichtet. Ich finde es positiv, daß im Museumsquartier-Bereich etwas weitergeht. Und ich teile auch die Bedenken, die kürzlich Direktor Seipel geäußert hat, was die Folgewirkungen bei der Regelung der Werkverträge betrifft. Das wird man sich wirklich noch genau – auch von den Auswirkungen her – anschauen müssen. (Abg. Dr. Schmidt: Jetzt ist es zu spät! Das hätte man früher tun müssen!)

Man wird sich das anschauen müssen. Ich habe immer Bedenken diesbezüglich gehabt. Man wird sich das eben noch genau anschauen müssen. Man wird vielleicht über budgetäre Kompensationen nachdenken müssen. Die müssen dort nämlich jetzt auf Dienstverträge umsteigen. Das sind Dinge, wo meiner Meinung nach ein Nachdenkprozeß durchaus angebracht ist. (Abg. Dr. Graf: Man sollte halt immer zuerst denken und dann handeln, und nicht umgekehrt!)

Aber ich frage auch: Wo bleibt die soziale Absicherung für einen, der nur diese Werkverträge hat? Alles ist auch irgendwie die Beschreibung eines Zustandes, bei dem man halt die budgetären Gegebenheiten der betreffenden Institution vielleicht anders gestionieren müßte. Da, denke ich, muß man noch nachdenken, um letztlich noch einige Verbesserungen vorzunehmen.

Abschließend – ceterum censeo, um dem Thema etwas mehr Gehalt zu geben – bin ich der Meinung, daß die Wiener Philharmoniker Frauen aufnehmen sollen, damit schlicht und einfach der Klang sauberer wird! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP, der Grünen und des Liberalen Forums.)

12.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

12.10

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): So schafft man es, parteiübergreifenden Applaus zu bekommen. – Herr Präsident! Herr Minister! Frau Ministerin! Hohes Haus! In mir sträubt es sich, Sie, Herr Minister Scholten, mit Ihrem funktionalen Titel anzusprechen: Herr Minister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst. Und das deshalb, weil ich es für zutiefst bedauerlich halte, daß Sie bei dieser Kompetenzänderung mitgespielt haben, und zwar bei einer Kompetenzänderung, die mit Sachpolitik und Sachzusammenhang absolut nichts zu


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17. Sitzung / Seite 412

tun hat, da ja nicht einmal eine Diskussion darüber begonnen hat, wie man in Ihrem Ressort – beim Kunst- und Kulturminister – Agenden zusammenfassen könnte, die auch tatsächlich zusammengehören.

Es ist heute schon einmal darüber gesprochen worden, daß das New Yorker Kulturinstitut nicht im Kulturausschuß sondern im Bautenausschuß verhandelt wurde. Ob das jetzt der richtige oder der falsche Minister ad personam ist, tut für mich nichts zur Sache. Mir geht es darum, wo die Agenden ressortmäßig hingehören. Daß beispielsweise die Architekten das Wirtschaftsministerium als Aufsichtsbehörde haben, zeigt einfach ein Fehlverständnis für die Kulturschaffenden, und es hat sich noch keiner – von Ihrer Seite jedenfalls höre ich nichts davon – dafür eingesetzt, diese Agenden einmal in einem Ressort zusammenzufassen, weil meiner Meinung nach nur dann eine wirkliche Schwerpunktförderung möglich wäre.

Das sage ich jetzt nur einmal gleich zu Eingang, denn jedes Mal, wenn man Sie anspricht, wird es für mich augenscheinlich, daß da etwas dazugekommen ist, was überhaupt nichts mit Ihrem Ressort zu tun hat, während andere Dinge auf der Strecke bleiben.

Was das Budget an sich betrifft: Kollege Morak hat vorhin gesagt, es sei bemerkenswert und erfreulich, daß die Zahlen in etwa gehalten werden konnten. Da ist ein bißchen was dran. Allerdings muß man hinterfragen – weil die Zahl alleine sagt ja diesbezüglich nichts aus; es hat sogar eine Steigerung gegeben –, was die Inflationsrate ausmacht. Und wenn ich vor allem ... (Abg. Dr. Cap: Werkverträge!) Kollege Cap, du redest jetzt viel zu spät von den Werkverträgen! Vorher, bevor man damit ins Parlament gekommen ist, hätte man darüber reden müssen. Normalerweise ist das so: Es ist ja das Wesen der Gesetzwerdung, daß man vorher darüber nachdenkt und nicht nachher. Kollege Öllinger hat, wie ich glaube, zu Recht gesagt, es sei ja schon etwas, wenn man wenigstens nachher darüber nachdenkt.

Wenn ich mir etwa vorstelle, daß die Produktionskosten im Kunstbetrieb um 30 Prozent steigen, dann freut mich das Halten der Zahlen auch nicht, denn ich weiß ja, daß insgesamt ganz andere Herausforderungen gestellt werden. Daher können wir es meiner Meinung nach gar nicht so sehr bejubeln, daß etwas gleich belassen wurde.

Ein zweiter Punkt, der auch dazugehört: Sie, Herr Minister, sagen, jetzt fällt immerhin ein Punkt im Budget weg, nämlich der Posten für die Frankfurter Buchmesse, dadurch kann man sich schon ein bißchen mehr rühren. So viel rühren werden Sie sich nicht können. Da brauche ich mir auf der anderen Seite nur das Budget für die Salzburger Festspiele anzuschauen, das allein von 56,6 Millionen auf 76,3 Millionen steigt und Ihnen so von dem gewonnenen Spielraum fast alles wegnimmt.

Und wenn wir schon bei diesen genauen Zahlen sind – und es ist schon symptomatisch, wofür was ausgegeben wird –, möchte ich eine Anmerkung machen, die ich auch schon im Kulturausschuß gemacht habe, weil mir das ein Anliegen ist und weil ich – in der Hoffnung, Ihnen damit auch den Rücken zu stärken – auf diese Weise etwas in Bewegung bringen will: Ich meine die Subvention, die Sie dem Raimund-Theater geben. Mir geht es nicht um das Raimund-Theater an sich, aber es gibt eine Übereinkunft aus dem Jahre 1986 oder 1989, das weiß ich jetzt nicht (Bundesminister Dr. Scholten: 1986!) – 1986! –, daß der Bund auch die Wiener Privattheater unterstützt. Das ist durchaus vernünftig, nur ist das Raimund-Theater eben kein Privattheater mehr, denn es gehört zu den Vereinigten Bühnen, es gehört zur Wiener Holding. Das heißt, es gehört der Stadt Wien, und ich sehe überhaupt nicht ein, daß der Bund von seinem Kulturbudget, das weit besser ausgegeben werden könnte, da eine Subvention für eine – noch dazu! – Musical-Bühne ausgibt, von der ich sagen muß, das sie sowieso ein Unikat in Österreich ist, und sie soll sich gefälligst auf eine andere Weise finanzieren.

Daß gerade Musical-Bühnen einen besonderen Wert für den Fremdenverkehr, für die Wirtschaft und all das haben – gut; soll sein. Aber dann soll auch die Finanzierung von dieser Seite kommen; damit hätte der Kulturminister viel mehr Spielraum! (Beifall beim Liberalen Forum.) Das gehört nur einmal in die Wege geleitet!


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Ich rede deswegen immer wieder davon, weil allein schon diese Summe einen ganz anderen Spielraum – und gerade für die Werkverträge – ermöglicht hätte. Die Werkverträge betreffen ja die Kulturschaffenden ganz besonders. Ich komme noch einmal auf diese Werkverträge – weil das mit der Kunst- und Kulturszene zusammenhängt. Und da muß ich auf die Verschwörungstheorie des Herrn Kollegen Krüger kommen, der das ja immer wieder bringt: Also ich glaube nicht, daß ich in irgendeine Falle gehe. Ich glaube, Sie lesen zuviel im "Grenzland-Jahrbuch" – ich weiß nicht, ob es das noch gibt, aber die Verschwörungstheorien kommen immer aus dem "Grenzland-Jahrbuch". (Abg. Dr. Krüger: Das haben Sie gelesen, nicht ich!)

Ja, leider habe ich es damals nicht genau genug gelesen, sonst hätte ich damals schon ganz andere Dinge veranlaßt. (Abg. Dr. Ofner: Ich habe es nicht gelesen!) Aber ich gebe zu, daß ich es seinerzeit quergelesen habe. Das war schlimm genug und daher auch ein Baustein in meinem Entfremdungsprozeß.

Aber: Diese Verschwörungstheorie, die jetzt umgewandelt und auf die "Freie Szene" angewandt wird, ist ja an Skurrilität wirklich nicht zu überbieten! Denen vorzuwerfen, daß sie sich organisieren – also bitte, gibt es etwas Skurrileres und etwas Abwegigeres? – Das ist nicht nur ein freier Theaterverein ohne irgendeine Zwangsverpflichtung oder Mitgliedschaft, sondern eine freiwillige Angelegenheit. Die kriegen 2 Millionen Jahresbudget, und dann muß man sich anschauen – und das ist wirklich bemerkenswert! –, wie sie agieren: Im Gegensatz zu staatlichen Stellen, wo dann das Geld immer in Personal, in den Büroaufwand und in all diese Dinge hineinfließt, geht nämlich dort das Geld tatsächlich in die Kulturförderung und in die Kunstszene. Der Sitz ist in Wien. Da gibt es zwei Mitarbeiter, die aus einer Geschäftsführerin und einer Sekretärin bestehen; das Gehalt liegt bei der einen bei 25 000 S, bei der anderen bei 17 000 S – das sind, bitte, Größenordnungen, die wir bei Beamten nie erleben würden. Die Kosten sind die Büromiete und ähnliche Dinge.

Das heißt also, da geschieht wirklich etwas für die Kulturszene! Aber daß Sie die angreifen, wundert mich ja nicht, zumal Sie ja gerade in Oberösterreich erst jetzt einen Prozeß gegen Herrn Primetzhofer, den Sie von dieser Stelle aus wieder einmal als – wie haben Sie ihn bezeichnet?; ich verdränge die Wortwahl, weil sonst käme man damit auf Dauer gar nicht zurecht. Jedenfalls einen Prozeß gegen ihn haben Sie verloren. (Abg. Dr. Krüger: Pflichtverteidigerin!)

Das ist richtig. Diffamierte brauchen ein Sprachrohr im Parlament, und ich sehe mich als ein Sprachrohr,  um die von Ihnen Diffamierten hier tatsächlich zu verteidigen – da haben Sie recht –, wer immer das auch ist! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nur – das zur Information des Hohen Hauses –: Da hat nämlich die FPÖ – und zwar das FPÖ-Organ "Neue Freie Zeitung" – erst kürzlich einen Prozeß verloren und muß eine Entschädigungszahlung von 40 000 S an Herrn Primetzhofer leisten, und zwar deswegen, weil das Gericht die üble Nachrede in Verbindung mit dem Mediengesetz als besonders schwer beurteilt hat. Aus diesem Grund hat das Gericht die bei solchen Straftatbeständen übliche Entschädigung von 30 000 auf 40 000 S angehoben. Daß Sie das ärgert, das verstehe ich schon (Abg. Dr. Ofner: Das wissen wir gar nicht! Ich weiß das gar nicht! Warum soll mich das ärgern?), nur verstehe ich nicht, daß Sie dann dieses Pult dazu benützen, Ihre Diffamierungen weiter fortzusetzen und damit auch einen Geist in die Kulturszene hineinzubringen, der mit Offenheit nicht nur nichts zu tun hat, sondern der auch wieder Zwietracht sät und zu einer Polarisierung führt, aber nicht zu einer Polarisierung im Wesen einer Streitkultur, sondern zu einer Polarisierung mit dem Wesen des Gegeneinander und der Aggression. Ich halte das deswegen für so gefährlich, weil unser Kulturklima – ich werde nachher noch darauf zurückkommen – tatsächlich eines ist, das sich zuspitzt, und daher sind eben solche Wortmeldungen auch einschlägig einzuordnen.

Aber ich möchte jetzt auf das zurückkommen, was die "Freie Szene" an sich und was die Kulturszene braucht; in diesem Zusammenhang sind die Werkverträge ja eine besonders schwerwiegende Weichenstellung gewesen. Daß eine Media-Print, die einen Reingewinn von 500 Millionen Schilling macht, sich trotzdem darum kümmert, daß sie keine Mehrbelastung von rund 70 Millionen hat, verstehe ich völlig, aber daß Sie dort in die Knie gehen, das mache ich jetzt


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17. Sitzung / Seite 414

Ihnen zum Vorwurf, Herr Bundesminister. Ich verstehe nicht, daß Sie sich nicht genauso für die Kulturschaffenden auf die Schienen legen. Offenbar war Ihr Überzeugungsvermögen Ihrem Parteikollegen Hums gegenüber geringer als das Überzeugungsvermögen des Herrn Dichand. Das spricht leider Gottes nicht gerade für Sie – vielleicht auch nicht für Herrn Hums, das mag schon sein. (Abg. Dr. Krüger: Kunstschaffende sind ja ausgenommen! Haben Sie das Gesetz jemals gelesen?) Das Ergebnis ist jedenfalls ein solches, daß die Produktionskosten – er hat keine Ahnung, aber das macht nichts – tatsächlich um etwa 30 Prozent steigen werden.

Und wenn ich die heutigen Zeitungen – ich weiß jetzt nicht, welche Zeitung – aufschlage, lese ich, daß das Kunsthistorische Museum – irgend jemand hat vorhin Direktor Seipel zitiert –, Direktor Seipel also bereits Veranlassung getroffen hat, sämtliche Werkverträge, die jene haben, die mit der Vorbereitung von Großveranstaltungen beauftragt sind, auslaufen zu lassen. Da muß man sich jetzt einmal vorstellen, was das heißt!

Ein anderes Thema, zum Beispiel die Filmschaffenden, an denen kann man es ganz besonders klar ablesen. Die Filmschaffenden sind ja deswegen ein besonderes Beispiel, weil sie natürlich immer projektbezogene Dienstverträge haben, weil sie ein völlig asymmetrisches Einkommen haben. Die können eben einmal irrsinnig viel verdienen, aber dann sind sie wieder monatelang arbeitslos. Daher hat es für sie die Sondervereinbarung gegeben, daß sie neben der Arbeitslosenunterstützung 16 700 S dazuverdienen können, ohne aus der Arbeitslosenversicherung herauszufallen. Das habe ich für wirklich sinnvoll gehalten – obwohl ich sonst Ausnahmeregelungen nicht begrüße –, nur: Wenn ich ein völlig asymmetrisches Berufsbild habe, dann hat auch die Gesetzgebung auf diese Asymmetrie zu reagieren. Daher habe ich diese Sondervereinbarung für eine vernünftige Reaktion gehalten.

Sie haben dann die Möglichkeit gehabt, sich in dieser Zeit selbst zu versichern; diese Selbstversicherung betrug 195 S pro Tag, das ist sich gerade ausgegangen. Auf diese Weise war eine gewisse Sicherheit gegeben – eine gewisse. Auch ich bin der Meinung, eine absolute Sicherheit muß der Staat einem Kulturschaffenden nicht zur Verfügung stellen.

Jetzt ist aber diese Regelung weggefallen, daß die Filmschaffenden die gleiche Geringfügigkeitsgrenze haben, nämlich 3 600 S, und da, bitte, muß ich sagen, ist überhaupt keine Chance mehr drinnen, daß sie bei dieser Art der Tätigkeit jetzt noch einen sozialversicherungsrechtlichen oder krankenversicherungsrechtlichen Schutz hätten. Und ich halte es für bedenklich, wenn man auf der einen Seite eine Ausnahme macht, weil hier eben eine andere Personengruppe betroffen ist und wo man glaubt, daß man diesbezüglich vielleicht durch die Zeitungen gezogen werden könnte (Abg. Dr. Feurstein: Sie sind krankenversichert! – Abg. Dr. Krüger: Das ist ja auch eine Ausnahme! Sie haben überhaupt keine Ahnung, wovon Sie reden! Haben Sie einmal in das Strukturanpassungsgesetz hineingeschaut?) – Sie können ja nachlesen, dann kennen Sie sich vielleicht aus –, auf der anderen Seite aber, weil das eben Kunstschaffende sind, die keine Lobby haben, nicht einmal einen Ansatz macht, um sie über Wasser zu halten. Das bedaure ich zutiefst! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Was das Filmwesen betrifft, frage ich mich allerdings – und vielleicht können Sie mir das in Ihren Ausführungen sagen –, woher Sie Ihren Optimismus nehmen, zu glauben, daß in den Jahren 1996 und 1997 150 000 S hereinkommen werden, wo doch im Jahre 1995, wie ich den Unterlagen entnommen habe, der Eingang 3 248 S betragen hat. Das ist eine Kleinigkeit, aber sie ist einfach symptomatisch.

Übrigens, was auch nur symptomatisch ist: Es gibt eine unterschiedliche Beurteilung der Tätigkeit der Austrian Film Commission. Wenn ich mich an Ihren Beitrag im Kulturausschuß erinnere: Dort wurde sie von Ihnen gelobt. Die Filmszene selber aber empfindet sie als höchst ineffizient. Ich sehe jetzt, daß sie für 1996 und 1997 keine Mittel bekommen wird. Mich würde interessieren, ob Sie sich der Qualifizierung der Filmszene angeschlossen haben oder was sonst dahinter steht, beziehungsweise wenn ersteres der Fall ist, würde es mich auch interessieren – obwohl ich jetzt nicht auf die Ebene der Diskussion um die Abfertigungen gehen will; aber es ist trotzdem interessant –, ob der Geschäftsführer seine 2 Millionen Abfertigung bekommt oder nicht.


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17. Sitzung / Seite 415

Wenn ich Ihren Optimismus auf der einen Seite betrachte, frage ich mich doch – und das wüßte ich wirklich ganz gerne –, was dieser kulturpolitische Maßnahmenkatalog, den Sie mit 31,2 Millionen Schilling veranschlagen, eigentlich bringen soll. Ich würde mir schon wünschen, daß darin entweder auf jene Dinge reagiert wird, die sowieso schon in Auftrag gegeben sind und wo es Grundlagen gibt, auf die man aufbauen könnte, oder aber andererseits, daß man eben selber Diskussionen über Dinge in Gang bringt, die in anderen Ländern bereits funktionieren.

Ich glaube, daß das Kuratorenmodell, das wir in Österreich haben, ein durchaus positiver Schritt und ein zu befürwortendes Modell ist. Ich glaube auch, daß das Beiratsmodell ein positives Modell und zu befürworten ist. Nur – und das ärgert mich dann –: Wenn wir uns damit begnügen, daß das halt ein an sich positives Modell ist, aber es dann anders funktionieren lassen und zumachen und jede Transparenz verhindern, dann werde auch ich skeptisch. Wir haben daher eine Anfrage an Sie, Herr Minister, gestellt, und die Antwort ist gestern gekommen. Aber über diese Antwort ärgere ich mich schon sehr, muß ich sagen. Wir fragen nämlich: Wissen die Beiratsmitglieder, wie hoch die finanziellen Mittel sind, für deren Vergabe sie das Vorschlagsrecht haben?, und Sie antworten lapidar darauf: Der Budgetrahmen gemäß den jeweils in Betracht kommenden finanzgesetzlichen Ansätzen ist den Mitgliedern der jeweiligen Beiräte bekannt.

Nicht böse sein, aber die Antwort ist eigentlich ein Frechheit, denn das weiß ich auch, daß sie die Ansätze aus dem Budget kennen. Aber Sie wissen ganz genau, was wir damit gemeint haben – sonst hätten wir Sie ja nicht fragen müssen –, nämlich daß es durchaus einen Budgetansatz für das Ministerium, für eine Sektion gibt, aber daß der Beirat selber nicht weiß, über wieviel er wirklich verfügen kann. Das ist das eine Mal alles, das ist ein anderes Mal nur ein bisserl was, weil man ja nicht weiß, ob sich der Beamte selber, der Sektionschef, vielleicht schon die eine oder andere Ausgabe vorgenommen hat.

Das heißt, Sie lassen die Leute durchaus irgendwas empfehlen, ohne ihnen überhaupt die Grundlage zu geben, aufgrund derer sie dann werten könnten. Das ist für mich eine Entmündigung, und das kommt auch ganz deutlich aus Ihrer Antwort zu unserer Frage 5 hervor. Dort fragen wir nämlich: Gibt es einen Vergabeschlüssel, nach dem zum Beispiel ein Teil des Budgets durch Beamte und ein anderer Teil durch einen Beschluß eines Beirates vergeben wird? – Wenn nein, warum nicht?

Sie wissen genau, in welche Richtung diese Frage gegangen ist. Und was geben Sie uns zur Antwort? – Im Sinne der Bestimmungen des Kunstförderungsgesetzes erstatten die Beiräte Vorschläge. Vergeben werden die Kunstförderungsmittel von mir beziehungsweise in meinem Auftrag von Beamten in den Ressorts.

Das ist eine Nichtantwort! Das halte ich wirklich für eine Zumutung, wo Sie doch eigentlich auch schon aus unserer bisherigen Tätigkeit sehen sollten, daß es uns nicht darum geht, irgendwo etwas polemisch herauszukratzen, wo man dann halt einen mißliebigen Minister durch die Öffentlichkeit treibt, sondern daß es uns wirklich darum geht, dieses System so transparent zu machen, daß es auch solchen untergriffigen und inferioren Angriffen gewachsen ist.

Aber wenn Sie natürlich auf der anderen Seite zumachen und überhaupt nichts durchschauen lassen, dann bereiten Sie ja den Boden auf, weil wir es dann natürlich viel leichter haben, Ihnen Vorwürfe zu machen und Ihnen irgendwelche parteipolitischen Motivationen zu unterstellen. Und genau das möchte ich verhindern! Daher: Behandeln Sie uns bitte nicht so, wenn wir Anfragen stellen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daß kulturpolitische Entscheidungen grundsätzlich von Fachleuten getroffen werden sollen, glaube ich. Das trennt uns gar nicht so sehr. Wir sollten uns daher auch endlich um ein System kümmern, das das auch sicherstellt.

Nun gibt es in anderen Ländern das Stiftungssystem. Es funktioniert dort auch bereits, während es in Österreich nicht einmal eine qualifizierte Debatte dazu gibt. Das ist der Grund, warum ich jedes Mal davon anfange: weil ich hoffe, daß auf diese Weise irgendwann einmal auch etwas in Bewegung kommt.


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Ich glaube, daß wir auf der einen Seite bei diesen Stiftungen mehrere Fliegen auf einen Schlag haben könnten. Wir hätten ein duales Finanzierungssystem, und zwar auf eine Weise, daß wir auf der einen Seite eine Intendanz bestimmen – selbstverständlich mit einer öffentlichen Ausschreibung – und auf der anderen Seite Fachbeiräte, die ein von den Intendanzen unabhängiges Budget haben sollten. Was wir dann noch erreichen könnten, wäre – und das scheint mir das allerwichtigste gerade in der Kulturszene zu sein –, eine mehrjährige Budgetierung möglich zu machen, eine, die auch eine Planung ermöglicht, und zwar eine Planung, die natürlich über das eine Jahr hinausgeht. Denn das ist gerade in der Kulturszene notwendig.

Und da komme ich jetzt auch wieder bei den Werkverträgen zum Beispiel auf etwas, was überhaupt noch nicht bedacht worden ist, daß es da nämlich sehr viele Vereine gibt, in denen aufgrund ihrer rechtlichen Konstruktion die Geschäftsführer mit ihrem persönlichen Vermögen haften. Nun haben sich die schon – im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage – einiges vorgenommen. Die Änderungen werfen diese Leute natürlich irrsinnig zurück, sie kommen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, die gar nicht absehbar sind. Auch das ist ein Gedankengang, den man hätte berücksichtigen müssen.

Aber zurück zu den Stiftungen. Das ist meiner Meinung nach eines der wenigen Instrumentarien, durch die eben eine weitergerichtete, zukunftsorientierte Planung möglich würde, die uns eine zusätzliche Chance bieten würde, aus der Parteipolitik herauszukommen.

Ich unterstelle Ihnen gar nicht, was ständig unterstellt wird, obwohl ich auch einige Beispiele kenne, nur glaube ich nicht, daß das sozusagen das Profil schlechthin ist. Das passiert hin und wieder, das glaube ich aufs Wort, und oftmals schmerzt es tief.

Daher sollten wir eben jene Strukturen suchen, die genau eine solche Verpolitisierung verunmöglichen oder jedenfalls soweit minimieren, daß es wirklich zu einer kulturpolitischen Planung kommt, die von anderen, und zwar von objektiveren Gesichtspunkten getragen ist. Wenn wir soweit sind, daß wir solche Stiftungen einrichten, dann brauchen wir auch einen nächsten Schritt, und auch das muß ich bei jeder Debatte – obwohl wir über den Bundestheaterbericht noch gesondert diskutieren werden – anmerken, nämlich eine andere Verteilung der Gelder innerhalb des Kunstbudgets. Es ist für mich und es bleibt für mich inakzeptabel, daß von den 5 Milliarden Schilling 3 Milliarden Schilling an den Bundestheaterverband gehen. Das ist einfach eine falsche Gewichtung. Nachdem man es aber offensichtlich braucht, muß man sich eben Gedanken machen, wie dieses Instrumentarium zu verändern ist. Ich sage es von diesem Pult aus nicht zum ersten Mal: Es wäre eine Chance, diesen Bundestheaterverband in eine GesmbH umzuwandeln und das Generalsekretariat in eine Holding, die durchaus die Werkstätten gemeinsam verwalten könnte, ebenso wie das Marketing, den Kartenverkauf und so weiter. Dadurch käme mehr Eigenverantwortung auch in die Theater. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich komme nun zu einer Studie, die die Schweizer Unternehmensberatung ROI schon im Jahre 1989 gemacht hat. Die hängt durchaus damit zusammen. Man muß sich nämlich eines vorstellen, wenn man das Budget des Bundestheaterverbandes anschaut: Der Pensionsaufwand betrug im Jahre 1995 772 Millionen Schilling. Im Jahre 1996 steigt er auf 806 Millionen Schilling, im Jahre 1997 auf 837 Millionen Schilling. Das heißt, in zwei Jahren steigt er um 66 Millionen, das sind 8,5 Prozent. Das wiederum hängt damit zusammen, daß das alles nach dem Beamten-Dienstrecht geht. Das Verrückte an der ganzen Geschichte ist, daß nahezu ein Drittel des Budgets des Bundestheaterverbandes allein in die Pensionssicherung geht. Das kann ja keinen Sinn machen!

Die ROI-Studie hat unter anderem – wie gesagt, schon im Jahre 1989 – folgende Vorschläge gemacht:

Die Verselbständigung der Bühnen in selbständige Budgeteinheiten bei freier Wahl des Dienstleistungszukaufs, die Verselbständigung der Technik, die nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden und ihre Leistungen auch an Dritte anbieten sollte, die Einführung eines professionellen Marketings, die direkte Verrechnung der Produktionskosten unter Einschluß von


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Werkstattleistung, Transportleistung, Lagerkosten, Veranstaltungs- und Bühnenkosten, die Einführung einer Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung.

Nichts von dem ist wirklich berücksichtigt worden, Herr Minister, und das ist das Furchtbare, denn allein im Bereich der Technik, so hat die ROI errechnet, wäre ein Einsparungspotential von 15 bis 20 Prozent vorhanden. Und das sind zwischen 100 und 140 Millionen Schilling. Das heißt, wenn diese Umstrukturierung nach 1989 begonnen worden wäre, dann müßte der Generalsekretär Springer sich nicht immer wieder darüber beklagen, daß er Kürzungen hinnehmen muß – heuer sind es 60 Millionen.

Ich habe volles Verständnis für ihn, weil nämlich diese Kürzungen zu Lasten des operativen Budgets gehen, und genau das ist das Furchtbare, weil sich dann die Kürzungen im Spielplanbudget niederschlagen. Das sind manchmal 20 Prozent des Gesamtbudgets, und das kann der Beginn des Endes eines Theaters sein.

Das sind alles Dinge, die man durch eine andere Struktur verändern und hintanhalten könnte. Daß hier nichts passiert und daß hier überhaupt keine Bereitschaft besteht, über die Konstruktion des Bundestheater-Verbandes zu diskutieren, das halte ich für höchst bedauerlich.

Zur Kulturvermittlung. Wenn für mich eine wesentliche Weichenstellung das Stiftungswesen wäre, die zweite wesentliche Weichenstellung die Änderung des Bundestheater-Verbandes, so ist der dritte Schwerpunkt der Kulturpolitik für mich die Kulturvermittlung. Nun sehe ich, daß es an das Kultur-Service eine bemerkenswerte Zusage von Geldern gibt, allerdings – das ist es, was ich so bedauere – fehlt mir dabei eine Zielvorgabe, wofür diese Gelder eigentlich eingesetzt werden sollen. 27 Millionen Schilling sind es – damit bin ich wieder beim Ronacher, das ist ungefähr die gleiche Größenordnung. Das zieht sich wie ein roter Faden durch.

Ich glaube deswegen, daß diese Kulturvermittlung so wichtig ist, weil – und das habe ich vorher eben angesprochen – das Kulturverständnis, das sich in diesem Lande breitmacht, ein beunruhigendes ist. Es hat – die Frau Ministerin Gehrer ist jetzt nicht da – in Tirol zwei Ereignisse gegeben, die zwar überwiegend nur in den Tiroler Zeitungen transportiert wurden, die aber auch symptomatisch sind und von denen ich daher glaube, daß sie hier Erwähnung finden sollen.

Das eine war ein Brandanschlag am 9. April auf die "Villgrater Kulturwiese". Die "Villgrater Kulturwiese" ist ein Verein, der die eigenen Traditionen hinterfragen will – angefangen von der Marschmusik über die Malerei von Egger-Lienz und ähnliches mehr. Das gefällt natürlich manchen nicht und hat in dieser Gegend zu einer Polarisierung geführt, deren Spitze sich dann in diesem Brandanschlag niedergeschlagen hat.

Ich halte das für mehr als nachdenkenswert, weil man es auch als ein Symptom sehen soll, daß es – und das ist erst jetzt passiert, in der Nacht von Samstag auf Sonntag in Tirol – jetzt wieder einen Akt der Zerstörung gegeben hat. Es wurde nämlich eine Installation des Installationskünstlers Franz West zerstört. Jetzt wird man dieses Werk in eine Halle übersiedeln, weil man es offensichtlich im Freien nicht sichern kann.

Dadurch wird ganz deutlich, welche Aggressivität gegen moderne Kunst, gegen das Hinterfragen von Traditionen aufgestaut ist, sich entwickelt, was letztlich einen Schneeballeffekt auslösen kann in unserer Gesellschaft, was auf den Kulturbereich – und das ist schlimm genug – nicht beschränkt bleibt. Gerade deswegen halte ich es für so wichtig, daß wir der Kulturvermittlung mehr Augenmerk schenken, auch mehr Mittel zur Verfügung stellen, denn die braucht man dafür, und daß in den Schulen damit begonnen wird und von Ihrem Ressort, Herr Minister, eine entsprechende Unterstützung geleistet wird.

Ich halte bestimmte Ausdrucksformen der Kultur für unglaublich wichtig. Ich habe allerdings noch einen Satz der Frau Ministerin Gehrer im Ohr, den sie uns im Kulturausschuß gesagt hat, nämlich im Zusammenhang mit der Bedeutung des Lesens für die Persönlichkeitsbildung eines Menschen. Da hat sie doch glatt gesagt, auch für sie seien die Grundprinzipien Lesen, Rechnen und Schreiben das wichtigste Handwerkzeug für die Entwicklung eines Kindes.


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Also wenn sie wirklich Lesen, Rechnen und Schreiben gleichsetzt und nicht erkennt, daß Lesen eine eigene Dimension für die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen ist und daß Lesen beziehungsweise das Buch eine eigene Dimension für die Entwicklung einer Gesellschaft ist, dann ist das sowieso schon ein beredtes Zeichen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Das war sowieso der Anlaßfall. Es ist damals darum gegangen, daß es einen Landeshauptmann in diesem Lande gibt, der stolz darauf ist, daß er nur ein Buch in seinem Leben gelesen hat. Das muß man wirklich einmal von hier aus sagen, damit es auch in einem Protokoll festgehalten wird. Das ist ja wirklich ein starkes Stück. (Abg. Dr. Haselsteiner: Und das nur zur Hälfte! – Abg. Dr. Fuhrmann: Es war immerhin "Der Schatz im Silbersee", ein Karl May!) Ich weiß nicht, was Sie darunter verstehen, wenn Sie "immerhin" sagen, aber darauf will ich mich jetzt nicht einlassen (Abg. Dr. Fuhrmann: Ich habe es ironisch gemeint!), weil ich wirklich glaube, daß das ein viel zu ernstes Problem ist, weil es wirklich eine bornierte Geisteshaltung zum Ausdruck bringt, die auch weichenstellend für eine Gesellschaft sein kann, wenn das dann jene Menschen sind, die in der Politik in solchen Positionen sitzen.

Aber man sollte wirklich – und deswegen wäre ich froh, wenn das auch in die Unterrichtsdebatte einflösse – Grundlagen dafür schaffen, daß zum Beispiel bildende Künstler, ohne daß sie Lehrer sein müssen, auch als Zeichenlehrer auftreten können. Wir müssen diesen Formalismus, den wir bei uns haben, daß man für alles eben seine Zeugnisse braucht – anders geht es nicht –, überwinden und wirklich viel mehr Kulturschaffende in die Schulen holen. Das halte ich für notwendig, weil auf diese Weise ein ganz anderer Diskurs entsteht und auch ein anderes Ambiente erzeugt wird, aber auch eine andere Geisteshaltung vermittelt wird, wenn das nicht nur vom Lehrer kommt, der halt irgend etwas gelernt hat, sondern wenn das auch von jenen kommt, die damit leben und deren Lebensinhalt das ist. Das hätte auch eine Vorbildwirkung und wäre ein Anreiz für junge Menschen, sich damit auseinanderzusetzen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das war das Vorletzte, das ich anmerken wollte, denn mein Letztes setzt sich mit etwas auseinander, wo es auch einen Anlaßfall gibt, der, wenn mich nicht alles täuscht, keine Woche alt ist.

Es geht um ein Thema, das ich hier auch schon angesprochen habe. Ich halte es für falsch, wenn ein Richter oder ein Beamter, wer auch immer, darüber entscheidet, was Kunst ist und was nicht. Und genau das passiert, wenn der § 188 "Herabwürdigung religiöser Lehren" zur Anwendung kommt. Das ist jetzt kürzlich dem Regisseur Hubsi Kramar mit seinem Stück "Dracula" passiert, wo in der Generalprobe ein Beamter der Polizeibehörden gesessen ist ... (Abg. Dr. Fischer: Ist das der 188er? Ist das nicht der 110er?) – Das ist der 188er! – Wenn ein Beamter sich etwas anhört und auf einmal das Gefühl hat, daß der § 188 betroffen ist – es war in diesem Fall die Adaption des Vaterunser –, wird eine Anzeige erstattet, und der Regisseur mußte dann diese Passage aus seinem Stück streichen.

Das ist einfach der falsche Weg, und daher müssen wir sehr wohl darüber diskutieren, ob diese strafgesetzliche Bestimmung noch aufrechterhalten werden kann. Ich halte sie für überholt, ich halte sie für falsch. Es ist nicht Sache des Staates, darüber zu urteilen.

Es ist mir ganz wichtig, daß wir auch zu einer privaten Kunstförderung kommen. Allerdings halte ich die Gegenargumente, die Ihnen von dieser Seite (in Richtung Freiheitliche) unterstellt werden, für wirklich bizarr und skurril. Daß der Herr Minister deswegen dagegen ist, damit er alles in der Hand hat, ist wirklich ein bizarrer Gedankengang – das unterstelle ich Ihnen nicht. Aber etwas anderes stört mich schon auch an Ihnen, nämlich daß Sie hier nicht aktiv werden, um Modelle zu entwickeln, die bewirken könnten, daß es auch private Sponsoren gibt, und die darüber hinausgehen, ob irgend etwas werbliche Zwecke hat oder nicht.

Aber da kommen wir eben genau zu dem Problem – das ist mir klar, und deswegen müssen wir darüber diskutieren –, daß ein Finanzbeamter oder der Richter entscheidet, was Kunst ist und was nicht. Und da müssen wir in der Abwägung wissen, wofür wir uns entscheiden, nämlich für


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die Freiheit der Kunst oder für die Regel. Und ich entscheide mich eindeutig für die Freiheit der Kunst. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn ich schon bei der Freiheit bin und dabei, was vom Staat gefördert werden soll und was nicht, schließe ich mich dem ceterum censeo meines Vorredners Cap und dem ceterum censeo meiner Kollegin Ablinger, die das auch in ihrer Jungfernrede angebracht hat, an und sage: Die Wiener Philharmoniker sollen so lange keine staatlichen Förderungen bekommen, solange sie der Diskriminierung der Frauen Vorschub leisten, indem sie keine Frauen einstellen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und den Grünen sowie Beifall der Abg. Ablinger. )

12.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Scholten. – Bitte, Herr Minister.

12.40

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte am Beginn auf ein paar praktische Fragen, die in den Debattenbeiträgen aufgeworfen wurden, antworten.

Zuerst zu den Werkverträgen: Es gilt einerseits, daß ein großer Teil der Künstler von dieser Bestimmung ausgenommen ist, nämlich jene, deren lebensbestimmendes Einkommen nicht aus Werkverträgen resultiert, zum anderen bin ich tatsächlich sehr gespalten in meiner Position. Als budgetverwaltendes Organ ist es mir natürlich unrecht, daß das, was von uns zu disponieren ist, durch zusätzliche Belastungen erschwert wurde und daß dadurch eben budgetäre Spielräume enger werden.

Für die Künstler gesprochen, muß man allerdings schon dazusagen – und das halte ich für ein Argument, das in der Debatte hier zu kurz gekommen ist –, daß man eigentlich darüber froh sein müßte, wenn es einen gesetzlichen Druck gibt, der es unmöglich macht, das zu tun oder fortzusetzen, was in der Vergangenheit in vielen Fällen Regelfall war, nämlich daß man aus den finanziellen Engen heraus oder einfach aus der Tatsache, daß man mit dem Budget, das man für ein Projekt zur Verfügung hatte, möglichst viel umsetzen wollte, die sozialrechtlichen Schutznormen oder die sozialrechtlichen Bestimmungen für die sich an diesem Projekt Beteiligenden in Wahrheit hintangestellt hat.

Das heißt, ganz praktisch gesprochen: Es ist natürlich aus Sicht eines Projektdisponierers angenehmer, jemanden zu engagieren, für den er keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlen muß. Für diesen allerdings, wenn er dann einmal in die Situation kommt, Ansprüche bei der Sozialversicherung geltend machen zu wollen, ist es wiederum ganz angenehm, wenn er in seiner früheren Zeit Beiträge bezahlt hat. Das heißt, einfacher gesagt: Ich halte im Grunde diese Maßnahme für richtig, wenngleich gilt, daß wir darauf achten müssen, daß sie uns budgetär nicht diesen engen, aber bestehenden Spielraum über die Maßen einengt.

Der zweite Punkt war, glaube ich, eine dieser Netzphantasien. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was sind "Netzphantasien"?) Es gibt diese IG Freie Theater, und die hat tatsächlich bereits vor dieser Bestimmung ein Netz gegründet, und zwar ein Netz, das möglichst viele der freien Gruppen, mit entsprechenden öffentlichen Mitteln auch unterstützt oder mit finanziert, motivieren soll, den mitwirkenden Künstlern und Künstlerinnen Werkverträge mit Sozialversicherungsbeiträgen zu bezahlen, um damit genau aus dieser potentiellen Falle herauszukommen. Unterm Strich, denke ich, müßten wir mit dieser Enge im Interesse der Künstler eigentlich gut umgehen können und diesem Argument, das immer wieder, manchmal mit sehr viel Berechtigung, gebracht wird, nämlich daß dort jene berühmte Selbstausbeutung passiert, doch in einem deutlichen Ausmaß werden widersprechen können, und zwar durch die Sozialversicherungspflicht.

Was die Beiräte betrifft: Kollege Cap hat es ja schon beschrieben. Das ist schon ein bißchen ein Ringelspiel oder ein Kreislauf, um es ernsthafter zu sagen. Sie können sich aus der endlichen Zahl möglicher Organisationsformen, die für eine korrekte, anspruchsvolle, engagierte Disponierung von Kunstförderungsmitteln zur Verfügung stehen, aussuchen, welche Sie wollen, Sie werden immer wieder mit dem Argument konfrontiert werden, daß es eine gewisse Kette


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von Entscheidungen gibt, die letztendlich auf Personalentscheidungen zurückführbar sind. Irgendwer muß irgendwann entscheiden, wer was macht. Und das führt – das halte ich jetzt abseits meiner Person, aber aus Sicht eines demokratischen und auch verfassungsrechtlich geregelten Systems für richtig – letztendlich zu einer politischen Verantwortung für Personalentscheidungen und dann in letzter Konsequenz für die Sachentscheidungen, die von diesen Personen vorbereitet, beraten, selber getroffen, auf jeden Fall gestaltet werden.

Ich denke, daß wir aus diesem System zwar in der Argumentation der öffentlichen Diskussion immer wieder sozusagen neue Facetten herauslesen können, daß es aber eigentlich kein klügeres gibt, als sich darauf zurückzuziehen, zu sagen, wir treffen Personalentscheidungen, und diejenigen, die wir eingesetzt haben, sollen mit möglichst viel Spielraum, mit möglichst viel – und da bin ich dann gleich auch bei der Beantwortung – Einsicht in das Thema die De-facto-Entscheidungen der täglichen Disposition entweder selber treffen oder so beraten, daß das einem Selber-Treffen nahekommt.

Nun, was diese Beantwortung betrifft. Ich habe das schon, glaube ich, im Kulturausschuß gesagt: Die Beiräte kennen – und das ist jetzt keine Unfreundlichkeit – die Ansätze. So wie Sie gesagt haben: Die kennt jeder, weil man sich die aus dem Teilheft herauslesen kann. Die Beiräte kennen in manchen Fällen eng gezogene Grenzen, innerhalb derer sie – innerhalb dieser Ansätze – arbeiten können. Das ist das, worauf Ihre Frage abgezielt hat. Das ist aber nicht allgemein anwendbar, weil es zu den großen Vorzügen dieses Systems oder zumindest der Art und Weise, wie es derzeit gehandhabt wird, zählt, daß es kein Geld verlorengehen läßt. Das heißt, daß wir diese innere Aufteilung so flexibel halten, daß, wenn in einem Beirat das Budget nicht voll ausgeschöpft wird, diese Mittel innerhalb dieses Ansatzes einem anderen Beirat – zwischen Theater und Tanz beispielsweise oder zwischen kleineren und größeren Produktionen oder umgekehrt – zur Verfügung stehen. Und ich hielte es für schlecht, wenn wir das unmöglich machen würden. (Abg. Dr. Schmidt: Das muß man ja deswegen nicht unmöglich machen!)

Na ja, aber es gilt für Beiräte genauso wie für Minister: Wenn sie einmal ein Budget haben, dann schöpfen sie es aus. Es gibt schon auch gewissermaßen den Anspruch darauf, daß das keine fix zugewiesenen Mittel an einen Beirat sind, sondern daß der Beirat sich mit bestimmten Projekten auseinandersetzen soll. Unser Job ist es letztendlich, dafür zu sorgen, daß man diesen Beiratsempfehlungen finanziell auch nachkommen kann.

Wir sind auf dem Weg, möchte ich einmal sagen. Die Zahl der Beiräte, deren Budget klarer definiert ist, nimmt zu, und die Zahl, wo es nach innen offengehalten ist, nimmt ab. In manchen Bereichen, gerade im Bereich der darstellenden Kunst, halte ich das für wichtig.

Zum Herrn Abgeordneten Morak nur zwei Sätze. Das, was Sie da zur Musikförderung gesagt haben, ist natürlich schon toll. Also auf der einen Seite steht – und ich finde das großartig, wenn es in Vorarlberg so viele Musikschulen gibt – die Bemerkung: Das, was jetzt in den Schulen, im Unterrichtsministerium geschieht, ist großartig, denn in Vorarlberg gibt es so viele Musikschulen, und auf der anderen Seite ist das, was an den Musikhochschulen passiert, höchst bedenkenswert, denn da gibt es eine Studie, die Fragen aufwirft. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Zwei Studien, drei Studien, wahrscheinlich noch viel mehr! (Abg. Tichy-Schreder: Nein, so hat er es nicht gesagt!)

Ich bleibe bei meiner Formulierung, die Sie ja selber hier zitiert haben: Ihre Haltung – ich will jetzt gar nicht parteipolitisch werden –, was das Engagement in Sachen Musikerziehung betrifft, das im Grunde, glaube ich, von niemandem bestritten wird, ist auf die jeweiligen Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung gemünzt. Das heißt, wenn jemand von der SPÖ Unterrichtsminister ist, dann sind die Schulen schuld – Sie haben es vorher selbst gesagt, und ich habe es selber hier auch schon gesagt –, und die Musikhochschulen leisten Großartiges. Ist es umgekehrt, sind die Schulen großartig, und die Musikhochschulen sind plötzlich fragwürdige Einrichtungen.


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Ich sage Ihnen eines – ich nehme dieses Thema sehr ernst –: Wir werden zu diesem Thema überhaupt nichts schaffen, wenn wir diese Haltungen nicht verlassen und nicht zu einer gemeinsamen Position kommen, die heißt, daß wir im gesamten Bereich der Musikerziehung und auch im Bereich weiterer Kunstvermittlung gemeinsam agieren und nicht aus den momentanen Zuständigkeiten für einzelne Institutionen sozusagen Lob und Tadel ableiten. Das halte ich dem Ernst der Sache für nicht entsprechend.

Was das Honorar des Herrn Stein in Salzburg betrifft: Sie wissen, daß das kein Honorar ist, über das ich disponiere, entscheide – wie immer. Und da muß sich dieses Haus, müssen sich einzelne Fraktionen, wie auch immer, einmal entscheiden: Entweder wollen wir autonome kulturelle Organisationen, die für ihre Entscheidungen gelobt oder kritisiert werden können, aber dafür auch geradezustehen haben – oder wir wollen das nicht. Auf der einen Seite wird bei jeder politischen Entscheidung aufgeschrien und gesagt, das sei ein politischer Eingriff und die Autonomie der Kunst sei gestört, und auf der anderen Seite wird dann, wenn ein System tatsächlich autonom funktioniert – und der Salzburger Festspielfonds ist nun einmal eine unabhängige Einrichtung –, gesagt: Was sagen Sie denn eigentlich dazu, daß dort solche Honorare ausbezahlt werden?

Meine Antwort darauf ist erstens die Autonomie der Einrichtung, zweitens der Markt, auf den schon hingewiesen wurde, und drittens halte ich es übrigens für falsch, daß solche Honorare bezahlt werden, das möchte ich hier auch nicht verschweigen. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum sowie Beifall der Abg. Dr. Petrovic. )

Nur müssen wir uns dann aber auch im klaren sein, daß wir generell diese Frage zu stellen haben: In welchem Ausmaß – und da bin ich wieder bei dem, was Herr Kollege Cap gesagt hat – nehmen wir eigentlich am internationalen Markt teil? (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Vieles spricht dafür. – Gibt es da vielleicht einen Punkt, wo wir sagen: In bestimmten, sehr kostspieligen Fragen wollen wir daran nicht teilnehmen, weil wir glauben, daß der Aufwand gegenüber dem momentanen qualitativen Ertrag zu groß ist? – Dann ist das aber nicht auf einen Regisseur oder auf einen Schauspieldirektor oder Verantwortlichen reduzierbar, der wieder einmal politisch ins Fadenkreuz geraten ist, sondern dann ist das eine generelle Diskussion. Dann geht es nicht darum, daß der Herr Stein Interviews gibt, die einen ärgern können, und daraufhin zieht man sozusagen seinen Fall exemplarisch heraus, sondern dann geht es um die generelle Diskussion: In welchem Ausmaß nehmen wir an einem internationalen Gagenspiel teil, dessen Auswüchse wahrscheinlich gerade gegenüber jenen, die Sie erwähnt haben, nämlich freien Kulturinitiativen, nicht gut darstellbar sind? Sie kennen diese Debatte.

Was ich nur für falsch halte, ist, daß jeweils sozusagen das Schmankerl aus dem Hut gezogen wird. Nach diesem Motto laufen diese Diskussionen, und das ist, wie ich meine, falsch.

Die ROI-Studie habe ja ich selber, als ich bei den Bundestheatern war, Frau Abgeordnete Schmidt, in Auftrag gegeben. (Abg. Dr. Schmidt unterhält sich mit Abg. Dr. Frischenschlager. ) Ich muß mir Ihre Aufmerksamkeit wieder erkämpfen. Frau Abgeordnete Schmidt! Darf ich nur auf Ihren Punkt ROI-Studie zurückkommen? Die habe ich selber in Auftrag gegeben. Davon haben wir einen großen Teil umgesetzt, und wenn Sie sie ganz zitieren, dann werden Sie darin die Tatsache finden, daß ROI sagt, die gegenwärtige Organisationsform des Bundestheaterverbandes halten sie aus ökonomischen Gründen anderen vergleichbaren Organisationsformen für überlegen. Ich kann Ihnen auch die Seite schicken, auf der das draufsteht. Glauben Sie mir, ich finde sie schnell.

Das ändert aber nichts daran, daß man in vielen Details, was nicht Kleinigkeiten bedeutet, Korrekturen anzubringen hatte, hat und auch haben wird. Und gerade ein Teil von dem, was Sie vorgelesen haben, betrifft Dinge, die sehr wohl in Angriff genommen wurden. Das hat im übrigen dieses De-facto-Stagnieren des Budgets auch möglich gemacht, weil man Einsparungen realisiert hat. Sie werden wohl nicht die Rechnung ausstellen können, daß wir in den letzten Jahren in den künstlerischen Budgets zurückgewichen sind, sondern natürlich ist das Stagnieren darauf zurückzuführen, daß wir in den technischen Bereichen sehr viel an Reorganisation vorgenommen haben.


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Was das Beispiel mit dem Lesen betrifft, kann ich Ihnen nur recht geben. Manchmal gewinne ich den Eindruck, daß Rechnen die einzige Kulturtechnik ist, die allen anderen überlegen ist, wobei das nicht ein Mißtrauen gegenüber dem Rechnen an sich, sondern nur speziellen Formen von Rechnungen gegenüber sein soll.

Bezüglich Sponsoren möchte ich sagen, daß mir das überhaupt nicht widerstrebt. Ich habe mich absichtlich in all dem, was ich heute hier gesagt habe, mit diesen ganzen Verschwörungstheorien nicht beschäftigt. Ich halte sie für unsinnig. Ich halte sie übrigens mittlerweile auch für in einem Ausmaß langweilig, daß sie die Debatte, die wir zu führen haben, nicht nur behindern, sondern völlig unnotwendigerweise aufhalten würden. Mein Appell geht dahin, daß wir den Innenstrukturen der verschiedenen Sparten mehr Aufmerksamkeit widmen. Es wurde auf den Film hingewiesen. Debattieren wir auch hier im Kulturausschuß die Strukturfragen des österreichischen Films, der österreichischen Literatur, des Theaterschaffens, kleinerer, größerer Bühnen! Und befreien wir nicht nur uns, sondern auch diejenigen, die aus diesen Debatten Beiträge zur Diskussion entnehmen wollen, davon, daß wir an diesen sich sehr an der Polemik der Überschrift orientierenden Formulierungen hängenbleiben.

Wenn die Frau Abgeordnete Schmidt vorhin gesagt hat, daß sie die Sinnhaftigkeit des Raimund-Theaters im Rahmen der Theaterfinanzierung bezweifelt, so kann ich ihr nur recht geben. Wir sind jedoch vertraglich gebunden, und ich wäre selbst froh, wenn wir durch eine Vereinbarung mit der Stadt Wien aus dieser Enge herauskommen könnten, wobei Wien diese Mittel gar nicht verlorengehen müßten, aber sie könnten sozusagen kunstspezifischer eingesetzt werden. Ich biete Ihnen folgende Vereinbarung an: Sie helfen mir, daß wir das Raimund-Theater herausbringen, und ich helfe Ihnen, daß auch Frauen zu den Wiener Philharmonikern gehen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Schmidt. )

12.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Abgeordneter Neugebauer. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

12.55

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer sich heute in der Diskussion zu Bildungs- und Schulfragen mit Äußerungen mancher Kolleginnen und Kollegen der Oppositionsparteien beschäftigt hat, und vielleicht nur ausschließlich mit diesen, müßte den Eindruck gewinnen, die Republik stünde unmittelbar vor einer verödeten Bildungslandschaft. Wenn Sie dieses Bild zeichnen, ist das Ihre Verantwortung – mein Zugang ist das nicht.

Wenn wir aktuelle Fragen und Herausforderungen des Schul- und Bildungswesens diskutieren, dann sollte man sich durchaus auch der Stärken dessen bewußt sein, und es gehört unbestritten mit zu den Stärken des österreichischen Schul- und Bildungswesens, daß die Allgemeinbildung, wie wir sie an den Pflichtschulen und den höheren Schulen erarbeiten, auch international gesehen eine hervorragende Position einnimmt. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gehört mit zu den Stärken des österreichischen Schul- und Bildungswesens, daß wir ein gut ausgebautes, für 46 Prozent der Sechzehn- bis Neunzehnjährigen gut funktionierendes duales Berufsausbildungssystem mit einer sehr anspruchsvollen Fachschul- und höheren Berufsausbildung mit Maturaabschluß in Vollzeitschulen kombinieren. Diese Kombination, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist OECD-weit einmalig!

Liebe Freunde! Meine Damen und Herren! Mit einer Maturantenquote von 17 Prozent haben die berufsbildenden höheren Schulen die AHS diesbezüglich überholt. Das Ergebnis sind eine vergleichbar geringe Jugendarbeitslosigkeit sowie eine kontinuierliche Steigerung des Qualifikationsniveaus in der Ausbildung. Während vor 25 Jahren noch über 50 Prozent der berufstätigen Bevölkerung lediglich einen Pflichtschulabschluß aufgewiesen haben, hat sich dieser Prozentsatz unter ein Drittel gesenkt. In Frankreich liegt er etwa bei 50, in Italien bei 74 Prozent.


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17. Sitzung / Seite 423

Und es gehört auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu den Stärken des österreichischen Schul- und Bildungssystems, daß sich unsere Republik trotz mancher Vorurteile auf eine engagierte Lehrerschaft verlassen kann.

Meine Damen und Herren! Diskussionen in diesen Tagen gerade mit den Kolleginnen und Kollegen des Lehrerbereiches aktualisieren einige Schwerpunkte. Aufgrund der Tatsache, daß wir in Österreich traditionsgemäß ein sehr zentralistisches Schul- und Bildungssystem aufweisen, sind in den letzten Jahren signifikante Ansätze zur Dezentralisierung gemacht worden. Viele Beiträge haben sich heute mit Autonomie beschäftigt: Schulautonomie bietet die Möglichkeit, pädagogische Angebote zu erweitern. Schulautonomie ist ein wichtiger Beitrag, Verwaltungskosten im Schulsystem zu senken. Autonomie fördert das Engagement und die Einsatzbereitschaft der Lehrerinnen und Lehrer, auch des Nicht-Lehrerpersonals an den Schulen. Autonomie aktiviert auch Eltern und SchülerInnen, gemeinsame Ziele für die Schulen mit zu erarbeiten und mit umzusetzen. Sie nützt die deutlich steigende Führungskompetenz, und die Qualität unserer Schulleitungen verstärkt den Wettbewerb zwischen den Schulen und führt letztendlich zu verbesserten Berufschancen und entlastet administrative Vorgänge.

Autonomie ausschließlich, Frau Kollegin Schaffenrath, auf die Nutzbarkeit und Vermietbarkeit von Schulliegenschaften und Turnsälen zu reduzieren, halte ich für eine unzulässige Verkürzung dieser Thematik. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Schwerpunkte der aktuellen Diskussion unserer Pädagoginnen und Pädagogen zielen ab auf eine Neustrukturierung der Lehrplanarchitektur, auf eine Gliederung in Kern- und Erweiterungsstoffe unserer Lehrpläne, auf eine Komplettierung von Kulturtechniken im Hinblick auf Kommunikations- und Unterhaltungselektronik. Eine Diskussion läuft natürlich auch in Fragen der Leistungsbeurteilung. Selbstverständlich wird in unseren Lehrerkollegien auch die Frage einer gerechten Bewertung der Schülerleistungen auf der Basis einer laufenden Beobachtung der Entwicklung des Schülers diskutiert, ebenso die Fragen der Schaffung von Rahmenbedingungen zur Erweiterung der Integration auf der Sekundarstufe I. Es geht darum, Integration zu ermöglichen, aber auch die emotionale Bereitschaft zu wecken, sich auch tatsächlich dieser Herausforderung zu stellen.

Weiters stehen Fragen der Nahtstellenproblematik, der Schuleingangsphase, des neunten Schuljahres, des Polytechnischen Lehrganges 2000 in Diskussion.

Kollege Öllinger hat offensichtlich aus einem Mißverständnis des gewerkschaftlichen Selbstverständnisses heraus gemeint, daß das Lehrerleitbild nicht gelingen kann und die Frau Bundesministerin hätte diese Aufgabe der Gewerkschaft delegiert. Wahr ist das Gegenteil. Eben weil wir auch als Lehrergewerkschafter nicht ausschließlich die soziale Stellung beurteilen, sondern insgesamt am Arbeitsumfeld interessiert sind, haben wir dieses Lehrerleitbild initiiert, das gerade jetzt erst anläuft, und wir haben das Bundeskanzleramt und das Unterrichtsministerium eingeladen, sich daran zu beteiligen. Die entsprechenden Zusagen liegen auch vor.

Vor dem Hintergrund, daß der Lehrerschaft in der letzten Zeit mehr erzieherische Aufgaben übertragen wurden, die natürlich das berufliche Belastungsbild verändern, wollen wir ganz einfach konkrete Vorschläge zur Bewältigung des Problems des Umgangs mit verhaltensauffälligen Kindern ernst nehmen. Wir wollen darüber hinaus, weil es nicht genügt, daß Schulpartnerschaft institutionalisiert ist, Eltern für eine gelebte Schulpartnerschaft gewinnen. Dazu kann natürlich auch ein solches Lehrerleitbild beitragen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Wenn die Lehrerschaft in zunehmendem Maße Unterricht als themenzentrierte Interaktion versteht, dann muß das seine Reflexion auch in der Lehrerbildung haben, und die hinzukommenden Aufgaben müssen Fragen der Lehrerausbildung und -fortbildung in einem neuen Licht sehen lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Verständnis, wenn zur Herausstreichung mancher Themen im Schul- und Bildungsbereich schwarzweißgemalt wird, zu einer Schwarzmalerei besteht allerdings kein Grund. Ich denke, daß die Anliegen der Bildung bei Frau Bundesministerin Gehrer in besten Händen sind. (Beifall bei der ÖVP.)


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17. Sitzung / Seite 424

Wenn wir alle – und dazu haben sich alle Redner heute verstanden – Bildung als den Parameter für eine gute Zukunft verstehen, dann habe ich auch die Hoffnung, daß wir Schul- und Bildungsfragen in Zukunft objektiv und vorurteilsfrei beurteilen. Dazu lade ich Sie alle sehr herzlich ein. (Beifall bei der ÖVP.)

13.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.03

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Vielleicht haben Sie noch zwei oder drei Minuten Zeit und warten, weil ich auch das Wort an Sie richten wollte; ohnehin nur ganz kurz, knapp und präzise, weil Frau Dr. Schmidt sehr vieles von dem, was mir und uns ein Anliegen ist, schon vorweggenommen hat. (Abg. Dr. Khol: Das wird Sie nicht daran hindern, es zu wiederholen!) Genau, Herr Dr. Khol! Sie haben recht, es wird mich nicht daran hindern, die wichtigen Dingen noch einmal zu betonen und auch dem Herrn Bundesminister einen Hinweis zu geben, damit er ein umfassendes, abgerundetes Bild darüber hat, was die Fraktionen dieses Hauses meinen. (Abg. Dr. Khol: Repetitio est mater studiorum!)

Herr Bundesminister! Ich habe in den Zeitungen und überall immer wieder dasselbe gelesen, nämlich daß das Kunstbudget auf den ersten Blick den Eindruck erweckt, als würde es in diesem Jahr nicht gekürzt werden, das heißt, vom sogenannten Konsolidierungs- oder Sparpaket verschont bleiben. Auf den ersten Blick mag das wohl so scheinen – Kollege Morak hat das hier auch so dargestellt, und Frau Dr. Schmidt hat diesen Eindruck ebenfalls bestätigt –, aber das, meine Damen und Herren, ist wirklich lediglich der erste Blick.

Wenn man sich erlaubt, einen zweiten Blick auf das Budget zu werfen oder es einzuschätzen, dann ist vollkommen klar – und da wiederhole ich, was meine Vorrednerin gesagt hat –, daß eine De-facto-Kürzung des Kunstbudgets vorliegt, wenn es gegenüber dem Vorjahr gleichbleibt, denn die Inflation frißt Geld. Gerade im Kunst- und im Kulturbudget ist es jedoch so, daß diese Kosten der Inflation ganz eindeutig auf die Künstler und Künstlerinnen und auf die Kulturinstitutionen abgewälzt werden. Das bedeutet schlicht und einfach weniger Geld, das letztendlich für Kunst- und Kulturproduktion zur Verfügung steht. Und das ist eine Kürzung.

Der zweite Gesichtspunkt, warum das Kunst- und Kulturbudget gekürzt ist, ist halt die Geschichte – das wiederhole ich jetzt nur kurz und knapp – mit der Sozialversicherungspflicht für Werkverträge.

Meine Damen und Herren! Ich halte diese Vorgangsweise, die Herr Sozialminister Hums gewählt hat, grundsätzlich für richtig. Und das, was der Herr Bundesminister soeben gesagt hat, muß ich nicht wiederholen, weil er im Kern recht hat.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, gerade im Kunst- und Kulturbereich bedeutet diese Sozialversicherungspflicht auf der einen Seite zwar den positiven Aspekt der sozialen Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern, aber auf der anderen Seite eindeutig auch eine Belastung der künstlerischen Produktion, weil dieses Geld dort fehlt. Darum wird das in realiter das Budget, nämlich das Geld, das für Kultur- und Kunstproduktion zur Verfügung steht, schmälern und einschränken. Das ist eine Kürzung des Kunstbudgets, so leid mir das tut und sosehr ich weiß, Herr Bundesminister, daß Sie sich das nicht wünschen.

Ein dritter Aspekt, wodurch den Künstlerinnen und Künstlern in der Realität auch weniger Geld zur Verfügung steht, das ist etwas, was Sie vielleicht nicht wahrhaben wollen, was aber leider durch eine Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen Mag. Klima an die Grünen erst kürzlich bestätigt wurde, nämlich die konkrete Umsatzsteuerpflicht für Künstler und Künstlerinnen, wenn es um Stipendien, Preise und Prämien geht.

Sie haben – soweit ich mir das habe berichten lassen, weil ich nicht im Kulturausschuß war – hier im Parlament das Gegenteil gesagt, leider ist aber das, was der Herr Bundesminister für


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Finanzen in der Anfragebeantwortung geschrieben hat, wahr. "Leider" sage ich deshalb, weil es den Künstlern weniger Mittel läßt.

Der Herr Finanzminister schreibt, daß etwa Stipendien, Preise oder Prämien, die aufgrund einer Ausschreibung und für eine konkrete Leistung, zum Beispiel für ein konkretes literarisches Projekt, gewährt werden, umsatzsteuerpflichtig sind. Von der Umsatzsteuerpflicht ausgenommen sind lediglich Preise, die ein Künstler für sein bisheriges Wirken oder für sein Lebenswerk oder für sein Gesamtwerk zugestanden bekommt. Das heißt, wenn ein Künstler 100 000 S oder 200 000 S in Form eines Preises oder einer Auszeichnung für sein Lebenswerk bekommt, so ist das nicht umsatzsteuerpflichtig. Nur: Wie viele sind das, die Preise für ihr Lebenswerk bekommen? Wie viele sind das in Relation zu denen, die für eine konkrete Leistung ein Stipendium, einen Preis oder eine Prämie zuerkannt bekommen?

Es ist bedauerlich, aber es ist eine Realität, Herr Bundesminister, daß Kunst- und Kulturschaffende in Österreich von diesen Stipendien, Preisen und Prämien abhängig sind und davon leben müssen, weil eben der Kunst- und Kulturmarkt in Österreich auch ein so kleiner ist. Das bedeutet in der Realität, daß zwischen 10 und 20 Prozent dieser Summe sozusagen an den Fiskus zurückfließen und das Einkommen und die Lebensgrundlage der Künstler und Künstlerinnen einschränken. Und das ist auch eine Senkung des Kunst- und Kulturbudgets.

Darum – so bedauerlich das für Sie und für uns alle ist –: Das Kunstbudget in diesem Jahr und im nächsten Jahr ist wesentlich schmäler und kleiner als in den vergangenen Jahren. Wir waren es nämlich gewöhnt – ich beobachte das seit dem Zeitraum, da ich noch im Unterrichtsministerium gearbeitet habe –, daß dieser Nachholbedarf in der Budgetierung für den Kunstbereich schrittweise tatsächlich auch umgesetzt worden ist, aber damit ist jetzt Schluß.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluß noch zwei Bemerkungen, die ich nicht ausbreiten muß, weil sie hier schon erwähnt wurden.

Das eine ist die Geschichte mit der Zensur in Österreich und mit diesem von Heide Schmidt bereits erwähnten neuerlichen Zensurakt, das heißt möglicher strafrechtlicher Verfolgung von Künstlern und Kulturschaffenden in Österreich. Ich meine den Vorwurf der Blasphemie an Hubsi Kramar, den Autor oder Regisseur eines Auftragwerkes am Theater der Jugend. Ich weiß jetzt nicht, ob Frau Dr. Schmidt vorgelesen hat, um welche Passage es dabei geht. (Abg. Dr. Schmidt: Ich habe nicht genug Zeit gehabt!)

Es sind nur zwei Sätze: Das Gebet der Vampire an Graf Dracula: "Dracula unser, der du bei Tageslicht im Sarge schläfst, geheiligt sei dein Name und Haß."

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, was ist daran blasphemisch? Was ist daran blasphemisch? (Abg. Dr. Brader: So etwas zu fragen, ist blöd!) Ich teile die Auffassung von Frau Dr. Schmidt, daß dieser § 188 des Strafgesetzbuches eine Zensur- und Vorzensurmaßnahme für Menschen ist, die denken. Das hat nichts mit Wertschätzung zu tun, das hat nichts damit zu tun, was vielleicht einmal die ursprüngliche Intention dieses Paragraphen gewesen ist, nämlich die Herabwürdigung religiöser Lehren unter strafrechtlichen Schutz zu stellen.

Das, was in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem § 188 in Österreich passiert ist, ist Zensur geistiger Produkte. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) Das trifft nicht nur Schriftsteller, das trifft Karikaturisten, das trifft Maler, und das ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Schande für Österreich, wo wir uns doch in dem Bewußtsein wähnen, in einem Land zu leben, in dem die Freiheit von Kunst und Kultur hochgehalten wird. Das Staatsgrundgesetz verbietet Zensur, doch dieser Fall von Hubsi Kramar ist ganz eindeutig ein Zensurfall und damit eine Handlung wider die Grundrechte in Österreich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe nicht vernommen oder gelesen oder gehört, daß der Herr Bundesminister für Kunst irgend etwas dazu gesagt hätte. Er hätte heute hier die Gelegenheit gehabt, doch er hat diese Gelegenheit auch vorbeigehen lassen. Ich muß sagen, ich bin maßlos enttäuscht von ihm, weil ich nämlich im Zusammenhang mit seiner in den letzten Jahren geleisteten Arbeit, was den Kunst- und Kulturbetrieb in Österreich angeht, eine große


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Wertschätzung für seinen Einsatz und oft auch für seinen Mut hatte. Aber hier läßt er wirklich jeden Mut vermissen.

Ich halte es jedoch für die Verpflichtung eines Kunstministers in Österreich, sich hier zu Wort zu melden, genauso wie ich es für seine Verpflichtung hielte, ein klares Wort gegen die kunst- und kulturfeindlichen Aktionen, die in den letzten Wochen und Tagen in Tirol passiert sind, zu sprechen. Das gilt auch für Frau Bundesministerin Gehrer, von der ich mir klare Worte erwarten würde, denn es ist auch ihr Ressortbereich.

Wenn in diesem Land sich die Signale verdichten, die in Richtung Kulturfeindlichkeit gehen, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir das ernst nehmen. Denn wenn Häuser brennen, dann ist es nicht weit, bis auch Menschen Leid angetan wird, dann ist das eine Situation, in der ein Funke im wahrsten Sinn des Wortes überspringen kann. Und wenn der Haß oder vielleicht auch die Hilflosigkeit von Menschen so weit geht, daß sie Symbole der Verständigung und der Auseinandersetzung mit Unbekanntem abbrennen und vernichten, dann ist das für mich ein sehr bedrohliches Zeichen für den Zustand dieser Republik. (Beifall bei den Grünen und der Abg. Dr. Schmidt .)

Die IG Kultur Österreich hat in der ersten Stellungnahme einen Satz geschrieben, den ich hier für wesentlich und bedeutungsvoll halte. Sie hat nämlich geschrieben: "Es hat begonnen mit besoffener Wortkriminalität im Wirtshaus, dann wurden Kunstwerke zerstört. Jetzt wird ein Hoffnungsraum für lebendige Kultur symbolisch gemordet."

Das sollte uns zu denken geben, meine sehr geehrten Damen und Herren, das sollte uns betroffen machen und zu Handlungen Anlaß geben.

Und als letztes, meine sehr geehrten Damen und Herren: Na selbstverständlich kann ich das ceterum censeo meiner Vorrednerinnen und die Bestätigung durch den Herrn Bundesminister nur wiederholen, daß wir Frauen die Wiener Philharmoniker so lange boykottieren, bis dort auch Frauen drinnen sitzen. Der Herr Bundesminister hätte die wirkungsvollste Waffe: Geben Sie ihnen doch kein Geld mehr, Herr Bundesminister! Geld regiert die Welt, und Geld regiert auch die Wiener Philharmoniker. Es ist nicht ein Gefallen, Herr Bundesminister – vielleicht richten ihm das seine Mitarbeiter aus –, den er uns Frauen damit tut. Wenn das sein Verständnis ist, so wie er repliziert hat auf Frau Dr. Schmidt, kann ich ihm nur sagen: Ich will keine Gnade, keine milde Tat von ihm, die er da vielleicht setzt. Ich möchte vielmehr, daß er als Kultur- und Kunstminister handelt. Das ist von ihm gefragt. Das wünsche ich mir nicht von ihm, das fordere ich von ihm ein, denn das ist seine Verpflichtung. (Beifall bei den Grünen.)

13.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.15

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Es ist offenbar ein unglücklicher Zufall, offenbar sogar eine Pikanterie, daß das Konsolidierungsjahr, getragen von einem Sparpaket, mit dem "Jahr der Bildung", zu dem das Jahr 1996 erklärt wurde, zusammenfällt. Ich kann den Unmut von Lehrern und pädagogisch Verantwortlichen durchaus verstehen; ich weiß und bedaure es auch, daß kaum ein Tag vergeht, an dem nicht von Einsparungen auch im Bildungsbereich, von Einsparungen bei Lehrern und Lehrerinnen die Rede ist.

Wenn Kollegin Preisinger in ihrer Wortmeldung gemeint hat, die SPÖ – im besonderen hat sie den Herrn Bundeskanzler erwähnt – habe gesagt, die Jugend braucht die beste Ausbildung, die Ausbildung der Jugend ist das Kapital der Zukunft, dann hat sie völlig recht, und zu diesen Aussagen stehen wir auch. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Aber, sehr geschätzte Damen und Herren, ich erlaube mir schon auch die Feststellung, daß mehr oder weniger Geld nicht automatisch eine bessere oder eine schlechtere Schule bedingt. Diese Erfahrung konnten wir in der Vergangenheit nur zu deutlich machen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich darf auch festhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß wir in Österreich nach wie vor und sicherlich auch in der Zukunft in der Lage sein werden, allen unseren Schülerinnen und Schülern nahezu kostenfreie Schulbücher auf den Tisch zu legen, daß wir weiterhin die nahezu kostenfreien Schulfahrten garantieren können, daß wir Klassenschülerzahlen haben, die einen europäischen Vergleich nicht zu scheuen brauchen. Es ist nicht die Zeit, hier wehzuklagen und zu jammern, vielmehr wäre es richtiger, eben diese Herausforderung anzunehmen und zu versuchen, ihr zu begegnen.

Meine Damen und Herren! Bei ehrlicher und kritischer Überprüfung der heute gegebenen Situation im gesellschaftlichen Bereich muß man erkennen und wahrnehmen, daß die sehr starren Strukturen unseres Schulwesens den Gegebenheiten der Zeit – ich meine damit die Dynamik, die gesellschaftliche und politische Veränderung, sei es EU-Beitritt, sei es Ostöffnung – nicht mehr entsprechen. Es geht meines Erachtens daher darum, diese verkrusteten Strukturen auch in den Schulen zu hinterfragen, auch in den Schulen aufzubrechen.

Daß das im Ministerium bereits geschieht, hat die Frau Bundesminister erwähnt. Wenn es darüber hinaus möglich wäre, dafür mehr Geld zu haben, wäre das schön, aber es ist nun einmal nicht so, und ich hoffe aber dennoch, daß wir alle mit gutem Willen auch mit den vorhandenen Mitteln diese Ziele erreichen.

Aber zurück zur gesellschaftlichen Situation, meine Damen und Herren! Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß Kinder und Jugendliche heute eine andere Welt erleben, heute in anderen Verhältnissen aufwachsen, als das noch vor 10 oder 15 Jahren der Fall war. Die Berufstätigkeit der Eltern ist permanent im Steigen begriffen. Das wollen wir. Das will diese Gesellschaft. Das läßt sich auch nicht eindämmen. Eine traurige Tatsache ist, daß ein Drittel der Ehen in Österreich geschieden wird, eine Tatsache, die sich ganz dramatisch auf das Befinden der Kinder auswirkt. Viele Kinder sind Einzelkinder oder Kinder von Alleinerziehern. Die bewährte Kultur des Miteinanders in der Familie oder in anderen Lebensgemeinschaften ist dadurch seltener geworden, das Alleinsein ist häufiger geworden. (Abg. Schwarzenberger: Das ist die Regel geworden!) Bedauerlicherweise.

Ich entnehme einer aktuellen Studie des Sozialpsychologen Hurrelmann, daß es immer mehr Kindern schlecht geht beziehungsweise daß sich immer mehr Kinder schlecht fühlen. Lassen Sie mich nur drei relativ wichtige Daten aus dieser Studie ansprechen: Etwas mehr als ein Drittel der Kinder und Jugendlichen eines Jahrganges leiden permanent an Kopfschmerzen, an Magenschmerzen, an Schwindelgefühlen oder Schlafstörungen. Mindestens 10 Prozent aller Kinder sind chronisch krank. Allergien wie Asthma, Neurodermitis verbreiten sich epidemieartig.

Ich höre aber auch, sehr geehrte Damen und Herren, daß in unseren Schulen geklagt wird über Aggression, über Verweigerung und nicht selten über Mißerfolge seitens der Schüler. Dazu kommt noch, daß wir Politiker, aber auch die Gesellschaft und in besonderer Weise die Eltern verlangen oder zumindest erwarten, daß die Schule noch viel, viel mehr tut, als Unterricht zu erteilen, als Bildung zu vermitteln. Es ist selbstverständlich geworden, in die Schulen zu integrieren, die ganztägige Betreuung ist eine alltägliche Forderung, die Anwendung modernster Lehr- und Lernformen wird erwartet, desgleichen die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen, Interventionen bei Problemen mit Alkohol oder Suchtgift, Interventionen bei Jugendkriminalität. – Ich möchte das nicht weiter fortführen, weil das ohnedies jeder weiß.

Tritt also ein gesellschaftliches Problem an den Tag, so ist der Ruf sehr rasch zu vernehmen, die Schule solle sich darum kümmern, und man muß in der Tat zur Kenntnis nehmen, daß die Schule heute schon Teil einer Reparaturwerkstatt von gesellschaftlichen Problemen wird. Wir müssen daher sehr gut und sehr intensiv aufpassen, daß es nicht zu einer Überforderung unseres Bildungswesens kommt, daß unsere Lehrer nicht tatsächlich resignieren. Ich stehe nicht an, mich den Dankesworten, die schon einige Vorredner anläßlich der Unterrichtsdebatte hier ausgesprochen haben, den Lehrern gegenüber für ihre geleistete Arbeit ebenfalls anzuschließen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich komme schon zum Schluß. Wenn ich zu Beginn meiner Ausführungen von erforderlichen Strukturveränderungen gesprochen habe, so meine ich damit, daß schulische Strukturen in Hinkunft noch demokratischer, weniger hierarchisch und daher noch autonomer gestaltet werden sollten. Die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses überlegt und diskutiert mit großer Intensität derartige Strukturverbesserungen, seien es Strukturverbesserungen im Schuleingangsbereich, wo ja wirklich die Entscheidung für lebenslanges Lernen grundgelegt wird, wo der Zugang zur Bildung, der Zugang zur Informationsbeschaffung grundgelegt wird, wo Leistungsverhalten aufgebaut werden kann, oder seien es Strukturveränderungen im Bereich der Schulbuchaktion, der Unterrichtsmaterialien, im Bereich der Leistungsbeurteilung – das ist auch schon angesprochen worden – oder im Bereich der Lehreraus- und -weiterbildung, der Lehrlingsausbildung, um nur einige besondere Maßnahmen anzusprechen.

Ich erlaube mir zum Schluß, die Einladung an alle Fraktionen im Hause auszusprechen, mit uns diese Strukturveränderungen zu diskutieren und – wie ich schon gesagt habe – die Herausforderung, auch mit den vorhandenen Mitteln die Schule so zu gestalten, daß sie weiterhin eine gute Schule für unsere Kinder ist, anzunehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

13.23

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Verehrte Frau Bundesminister! Wenn man der Gerüchtebörse im Haus folgt, dann gelten Sie, verehrte Frau Bundesminister, als eine fleißige und auch gehorsame Sparzielerreicherin, die mit Tiroler Konsequenz samt alemannischem Einschlag und weitreichender Sachkompetenz ans Werk geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Vorgaben, die Sie nach einem Pensionistenwahlkampf hatten, wo Jugend und Bildungsaspekte nicht einmal sekundäre Bedeutung erlangten, waren und sind nicht einfach. Samt dem, im internationalen Vergleich gesehen, zur Bedeutungslosigkeit abgerutschten einstigen vorbildhaften österreichischen Schulsystem, verbunden mit einem Imagetiefstand der Lehrerschaft und einer nicht länger zu leugnenden gähnenden Leere im Staatssäckel, ergibt sich für die bildungspolitischen Aspekte der Zukunft – und für Sie natürlich – eine sehr schlechte Ausgangslage.

Die attestierte Sachkompetenz, die Ihre Lehrer und in der Folge einmal der Wähler beurteilen mögen, hat für mich in den Gesprächen im Budgetausschuß jedenfalls eine Schwachstelle, verehrte Frau Bundesministerin, und das ist die Leibesübung. Sie ahnen weitgehend nicht, wie sich das Sparpaket auf den Schulsportunterricht auswirken wird. Sie haben auch wenig Vorstellungen von der Turnunterrichtrealität und dem katastrophalen Zustand unserer Schuljugend in körperlicher Hinsicht. Sie haben, wie ich mich überzeugen konnte, wenig Informationen bezüglich der Auswirkung der Schulautonomie, was die Schulsportanlagen betrifft, wobei hier eine existentielle Situation für viele Vereine gegeben ist, wie ich noch ausführen darf.

Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! "In den Ländern der dritten und vierten Welt hängt das Überleben von der Versorgung mit Nahrung ab. In den Industriestaaten hängt ein menschenwürdiges Überleben von der Bewältigung der Freizeit ab." – Das wissen uns Vordenker des Club of Rome zu berichten.

Im jüngsten Bericht des Institutes für Familienforschung vom Boltzmann-Institut erfahren wir: "Die Freizeit ist den Jungen wichtiger als die Familiengründung. 58 Prozent der 18- bis 29jährigen Männer geben Sport, Hobbys und Urlaubsreisen zu mehr als 60 Prozent als ihre Priorität an, und erst an dritter Stelle folgt Familiengründung."

Ein weiterer Aspekt: Von "Sicher leben" erfahren wir, daß die Freizeitunfallkosten im Jahr 50 Milliarden Schilling betragen sollen. Der Sport hat einen hohen Anteil an diesem Bereich, der Hauptgrund hiefür ist das unvorbereitete Zugehen auf sportliches Tun. Die fehlende


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Bewegungserfahrung, die fehlende positive Grundlegung für ein kontinuierliches Sporttreiben ein Leben lang hat die Ursache bei Mängeln im Schulunterricht.

Blättern wir kurz zurück: Ich durfte ja gestern über das Hickhack im Kompetenzdschungel des Sportwesens Österreichs berichten. (Abg. Grabner: Hast du eine Ahnung!) Am 16. Oktober 1992 meldet der Herr Bundesminister Ausserwinkler: "Wir werden dafür sorgen, daß durch die Trennung der Ressorts Unterricht und Sport der wichtige Bereich Schulsport nicht vernachlässigt wird" (Beifall bei den Freiheitlichen) – jetzt kommt die Pikanterie! –, "damit nicht weiterhin gesunde Kinder in die Schulen und viele mit Bewegungsunlust geschädigte Erwachsene aus den Schulen herauskommen." – Das hat sich der Herr Ausserwinkler im Jahre 1992 vorgenommen. Wie sein Debut am Sportsektor ausgegangen ist, wissen wir ja zur Genüge.

Verehrte Frau Bundesministerin! Es kann Ihnen natürlich noch nicht gelungen sein, und es ist Ihnen auch noch nicht gelungen, diese Bedenken Ihres Vor-Vor-Vorgängers auszuräumen, was die Kompetenz im Bereich des Schulsportwesens betrifft.

Aus dem jüngsten Bericht des Instituts für Familienforschung durfte ich zitieren, daß die Interessenlage unserer jungen Menschen ganz woanders liegt, und wenn wir uns die heute bereits erwähnte "Kronen-Zeitung" vom letzten Sonntag mit der Überschrift "Popmusik statt Turnsaalmief" hernehmen, dann hat hier Herr Professor Weiß angedeutet, wie es um den Sport, wie es um den Schulsport in Österreich steht. "Österreich haßt den Sport" übertitelt er provokant, aber im Detail meint er, durchaus nachvollziehbar: "Trotz einer reichen Tradition ist der Sport in Österreich lange Zeit ein Randphänomen geblieben und hat nach wie vor gegen Mißtrauen und Vorurteile anzukämpfen. Ganz schlecht steht es um die Eingliederung in das österreichische Bildungswesen, in dem der Sport über eine Kümmerexistenz nicht hinauskommt." Das sagt der Sportwissenschaftler Otmar Weiß, mit dem Sie sich ja in der "Kronen-Zeitung" vom Sonntag auf derselben Seite haben abbilden lassen. (Zwischenruf des Abg. Wabl. – Abg. Dr. Graf: Wegen Ihnen geht niemand zum Sport! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Dafür gehen dann alle in Frühpension wegen Wirbelsäulenschäden!)

Die Wirbelsäulenschäden, die die Zwischenruferin hier aufs Tapet bringt, sind natürlich der eigentliche Grund, warum sich Sportmediziner und Sportwissenschafter des Problems überhaupt annehmen. Es ist ja eine bedrohliche Situation entstanden: Man stellte – im selben Artikel übrigens auch in Zahlen benannt – an 35 und mehr Prozent der 12- und 13jährigen Schulkinder in Österreich Haltungsschäden und Wirbelsäulenverkrümmungen fest.

Wir haben ein freiheitliches Sportkonzept erarbeitet, das zum Thema Schulsport vermerkt: Der Schulsport erfüllt seinen Beitrag zur Volksgesundheit in einer unbefriedigenden Form. Die alarmierenden Berichte über den eben erwähnten allgemeinen Körperzustand von Österreichs Schuljugend haben mehrere Ursachen:

Erstens – hier schwerpunktartig aufgeführt –: die ungenützte Vorschulzeit. Dies kann man der Frau Bundesminister natürlich nicht anlasten. Die Sportwissenschafter wissen, daß der Bewegungserfahrungsschatz in der Frühkindheit – der Drei- bis Fünfjährigen – determinativ für das gesamte Leben ist und die günstigste Ansatzmöglichkeit bietet.

Zweitens: der fehlende Fachsportunterricht in der Volksschule. Wie schaut es da aus? Tausende teuer ausgebildete Sportlehrer stehen auf der Straße oder sind im Fremdeinsatz, und die Frau Oberschulrat macht in der Volksschule Ringelreihen. In den Bereichen der Vollkindheit, der Neun- bis Zwölfjährigen, schaut es ähnlich aus. Der Bewegungsbedarf, in dieser Altersstufe besonders stark ausgeprägt, ist völlig unerfüllt. Es wird die tägliche Sportstunde benötigt, das wissen wir. Sie haben natürlich nicht unrecht, daß man Bildungspolitik nicht immer nur mit Aufpappen und Dazunehmen machen kann, aber es gibt neben den von Ihnen erwähnten Qualitätsaspekten auch so etwas wie einen Quantitätsaspekt.

Es gibt überkommene Organisationsmodelle im Schulsport, das ist ein weiterer Schwerpunkt in unserem Konzept, und der erwähnte Turnsaalmief-Aspekt, der von den Massenmedien aufgegriffen wurde, spricht eine eindeutige Sprache.


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Ausgehend von der Schulunterrichtsrealität sollten Sie wissen, daß in den Oberstufen der AHS längst nicht mehr auch nur ein Drittel der SchülerInnen aktiv am Turnunterricht teilnimmt. Und das ist eine Tatsache, die übersehen wird, die abgedeckt wird – wer sollte sie auch transparent machen? Der Lehrer selbst wird es kaum tun, der Elternverein hat zuwenig einschlägiges Interesse. Also wie sollen diese Zahlen an die Oberfläche kommen?

Im freiheitlichen Sportkonzept wurde ein Modell angedacht, das eine völlige Wende weg vom benoteten Pflicht-Sportunterricht hin zum täglichen Schulsport auf Neigungsgruppenbasis bedeutet. Stellen Sie sich vor: drei Unterrichtsstunden, dann etwa 40 Minuten Pause zum Sportbetreiben, dann weitere zwei bis drei Unterrichtsstunden. In der Sporteinheit soll koedukativ und ohne Klassenverband an verschiedenen Orten ein breitgestreutes Programm zur freien Auswahl zur Verfügung gestellt werden. Vereinstrainer, Spartenexperten wären zu den Schulturnlehrern hinzuzuziehen.

Es gibt viele vergleichbare Modelle im internationalen Raum. Das Umsetzen erfordert natürlich eine gewisse Flexibilität seitens der Schulverwaltung, aber auch Flexibilität seitens der Schulleitung, um den Schulen überhaupt diese Möglichkeit einzuräumen. Die Pro-Schulsport-Initiative der Sportlehrer hat diese von uns vorgebrachten Ideen zumindest in einem Modellversuch aufgegriffen, nachdem der Modellversuch der Kurzzeit-Unterrichtsstunde von Ihrem Vorgänger im Ministerium den Schulen zwar angeboten, von diesen jedoch nicht übernommen wurde.

Es gab also bereits ein Kurzzeitmodell, das, wie gesagt, nicht umsetzbar war. Dieses hier nur mit zwei Sätzen erwähnte Modell eines Neigungsgruppenunterrichtes, eines Neigungtsturnunterrichtes für eine zukünftige Schule hat eigentlich nur den Nachteil, daß es aus freiheitlicher Feder stammt und daher die Umsetzung behindert bis unmöglich gemacht wird.

Nicht aus freiheitlicher Feder stammt ein Schreiben vom steirischen Landesrat Gerhard Hirschmann, der Ihnen am 28. Februar mitteilte: "In den letzten Jahren, insbesondere in den letzten Monaten, wurden seitens Deines" – Ihres – "Ministeriums Überlegungen angestellt, für die Benützung von Bundesturnsälen Entgelte von Sportvereinen und Sportorganisationen einzuheben. Das Schulorganisationsgesetz in der derzeitigen Fassung läßt die Einhebung derartiger Mehrkosten durch autonome Bundesschulen nach unserer Ansicht nicht zu."

Ich habe die Frau Bundesminister im Ausschuß mit dieser Frage konfrontiert. Sie hat mir geantwortet, daß es im autonomen Bereich der Schulen liegt, Entgelte zu fordern. Ich möchte Ihnen nur sagen: Ist dem so und werden also die Vereine und Sportorganisationen zur Kasse gebeten, dann bedeutet das für viele Sportvereine, für viele Sportorganisationen den Ruin.

Die vorgeschrittene Zeit und auch die Abwesenheit der Anzusprechenden verbieten es mir, mich noch eingehend mit der Ziehmutter eines linksextremen Verbalradikalismus, Frau Stoisits, und ihrem männlichen Pendant, dem am Haider-Syndrom leidenden Herrn Cap, zu befassen (Abg. Mag. Posch: Hoppla!) – vielleicht hören sie mich an ihren jeweiligen Mittagsplätzen –, aber es wird sich wieder eine Gelegenheit ergeben, sich mit diesen Herrschaften auseinanderzusetzen. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dkfm. Mag. Mühlbachler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.37

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vorerst einmal zu dem Stellung nehmen, was Herr Dr. Grollitsch gerade gesagt hat. Ich glaube, man muß schon eines eingestehen: Die Schule kann nicht für alle Bereiche des Lebens eines Jugendlichen verantwortlich gemacht werden.


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Wenn Sie das hohe Ausmaß an Körperschäden bei den Jugendlichen auf der einen Seite aufzeigen, zugleich aber auch mit dem Finger auf die Schule zeigen, dann möchte ich Ihnen dazu folgendes sagen:

Zum ersten: Es gibt, so meine ich, im Bereich des Unterrichtsministeriums eine wirklich gut arbeitende Schulsportabteilung.

Zum zweiten: Wir haben über ganz Österreich verteilt wirklich gut ausgestattete Sportstätten und Turnsäle. Allerdings muß man dazusagen: Sie müssen auch dementsprechend genutzt werden. Herr Dr. Grollitsch, damit komme ich auf eine immer wiederkehrende Marotte der FPÖ zurück.

Ihr besonderes Anliegen ist es, daß die Förderungen – die freiwilligen Förderungen – auf jeden Fall halbiert werden. Wissen Sie nicht, daß beispielsweise auch die vielen Sportvereine von diesen Förderungen profitieren, daß diese damit ausgehungert würden? – Ich glaube eines: Wir müssen gerade die vielen Sportvereine noch wesentlich mehr fördern, um im außerschulischen Bereich das abzudecken, was die Schule nicht abdecken kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Als Bürgermeister habe ich eine leidvolle Erfahrung gemacht. Man verlangt vom Schulerhalter, daß er Klassenzimmer bestausstattet. Wir sind auch bereit dazu. Aber was, glauben Sie, nützt beispielsweise ein teurer Wackelstuhl, der zur Unterstützung der Rückenmuskulatur dient, tatsächlich, wenn dem ein drei- bis vierstündiges Lümmeln auf einer Couch vor dem Fernseher gegenübersteht? Da sind wir machtlos! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Völlig richtig! Das ist ein Praktiker!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch auf den Redebeitrag der Frau Kollegin Schaffenrath ganz kurz eingehen. Sie hat kritisiert, daß das Schulsystem von politischem Proporz geprägt wäre. In der Schule spiegeln sich die österreichische Demokratie und die Vertretung der Parteien in der Gesellschaft ganz sicher wider, keine Frage. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Schule unpolitisch geführt werden könnte. Ich kann mir schon gar nicht vorstellen, daß es nur Liberale in den verantwortlichen Stellen der Schule gäbe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben beispielsweise in Oberösterreich – wie auch in anderen Bundesländern – bei der Bestellung von leitenden Stellen eine Objektivierung ... (Abg. Mag. Firlinger: Beispiel Mistelbach: 57 Schulen, 57 schwarze!) Herr Kollege, wenn 57 Prozent schwarze Direktoren sind ... (Abg. Mag. Firlinger: 57 Direktoren, 57 schwarze!) Bitte, wir haben halt in den ländlichen Bereichen so viel Schwarze. Sollen wir uns künstlich zurückhalten? (Beifall bei der ÖVP.) Und wenn wir gute Leute haben, dann kommen die eben zum Zug. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und dem Liberalen Forum.)

Aber ich kann Ihnen auch sagen, Herr Kollege, daß ich mit dem Beispiel Freistadt in dieser Angelegenheit den Gegenbeweis antreten kann. Die jüngste Bestellung eines Hauptschuldirektors dokumentiert dieses: Ein Grüner wurde zum Hauptschuldirektor bestellt, weil die Objektivierungsdaten eben für ihn gesprochen haben. (Abg. Mag. Firlinger: Warum nicht?) Da gab es für die Vertreter im Bezirksschulrat überhaupt kein Zucken: Er ist bestellt und gewählt worden. Selbstverständlich werden auch Blaue bei uns zu Direktoren bestellt, das ist auch richtig so. (Abg. Mag. Firlinger: Ich habe ja kein Problem mit schwarzen Direktoren, aber nicht nur schwarze!) Voraussetzung ist allerdings – und das müssen Sie bitte auch einbekennen –, daß die entsprechenden Qualifikationen vorliegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch eines sagen. Wir wissen, daß die Schule im Rahmen des Sparpaketes ihren Beitrag zu leisten hat. Ich glaube aber, daß gerade die Lehrer als betroffene Gruppe besondere Disziplin gezeigt haben, nicht zuletzt auch deswegen, weil Frau Bundesminister Gehrer ein sachliches Gespräch, ja viele sachliche Gespräche mit den Lehrern geführt hat. Und das hat Wirkung gezeigt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich würde mir wünschen, daß mehr Regierungsmitglieder Gespräche mit jenen führen, die tatsächlich von Einschneidungen des Sparpaketes betroffen sind. Wäre dieses beispielsweise


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auch im Bereich des Justizministeriums geschehen, dann hätte die ganze Geschichte rund um die Bezirksgerichte nicht derartige Wogen geschlagen. Diese Gespräche haben bis dato noch nicht stattgefunden, es sind auch bis heute noch keine vereinbart. Nimmt es da wunder, daß es dann Empörung gibt?

Frau Bundesminister! Sie haben in bravouröser und wirklich hervorragender Art und Weise dokumentiert, wie man mit den Betroffenen des Sparpaketes menschlich umgeht. Danke dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

13.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Motter. – Bitte.

13.45

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! – Herr Kollege Mühlbachler! Ich kann mir zum Unterschied von Ihnen schon vorstellen, daß die Parteipolitik aus den Schulen herausgehalten werden kann. Aber in der Praxis ist es doch immer noch so, daß Posten nach dem Proporz (Abg. Großruck: Das hat er nicht gesagt!) – ich habe nicht gesagt, die Politik, sondern die Parteipolitik, bitte verstehen Sie mich nicht falsch! – vergeben werden und nicht immer nach den Fähigkeiten.

Sie bringen hier heraußen als Gegenbeispiel, daß ein Grüner eingestellt worden ist. Warum nicht? Warum nicht ein Liberaler, warum nicht ein Freiheitlicher? Aber es ist nicht so. Es wird in vielen Bundesländern immer noch nach Parteibuch eingestellt. Ich muß jedoch zur Ehrenrettung der Frau Ministerin sagen: In Vorarlberg ist bereits ein Umdenken feststellbar. (Beifall beim Liberalen Forum und Beifall des Abg. Dr. Feurstein .)

Meine Damen und Herren! Als Familiensprecherin möchte ich mich kurz mit jenen bildungspolitischen Fragen beschäftigen, die Schule und Familie gleichermaßen betreffen. Ich gehe davon aus, Frau Ministerin, daß Sie unser derzeitiges Schulsystem genau kennen und daher auch Kenntnis von jenen Problemen haben, die die Schüler und Schülerinnen, aber auch die Eltern mit diesem haben. (Abg. Dr. Khol: Die größten Postenjäger der Republik waren Steger und Frischenschlager! – Abg. Mag. Trattner: Jäger ohne Jagderfolg!) Ich respektiere Ihre Ankündigungen, die Sie wiederholt getätigt haben – auch heute –, daß Sie sich vorstellen können, daß Strukturänderungen Platz greifen werden. Allerdings sind diese Änderungen im Budget nicht erkennbar, denn die Bundesvorlagen 1996 und 1997 befassen sich nur mit Zahlen.

Der derzeitige Zustand ist, was Verquickung von Familienbeihilfe und Ausbildung anlangt, jedenfalls ein völlig unbefriedigender. Denn die Auszahlung der Familienbeihilfe an die Eltern von schulpflichtigen Kindern sowie die Schülerfreifahrt und der Kinderabsetzbetrag sind derzeit an die Schulleistungen und somit an die Schuldauer gebunden, und das ist wohl eine von jenen, ich möchte sagen, Husch-Pfusch-Aktionen, die wahrscheinlich sehr schnell wieder korrigiert werden müssen.

Frau Ministerin! Haben Sie sich überhaupt überlegt, wie dies bei einem Schulwechsel oder bei einer Klassenwiederholung geregelt werden soll? Frau Ministerin! Warum haben Sie nicht rechtzeitig auf den Schulsprecher Ihres Regierungspartners, Dr. Niederwieser, gehört, der rechtzeitig – in der diesem Sparpaket vorhergegangenen Diskussion – ganz deutlich zum Ausdruck gebracht hat, daß eine Verknüpfung von Familienbeihilfe und Schuldauer nicht möglich ist und er sich dezidiert dagegen ausspricht?

Haben Sie sich auch überlegt, wie sinnvoll beispielsweise die Regelung ist, daß Handelsschüler ... (Abg. Dr. Feurstein: Frau Motter, das war ein SPÖ-Vorschlag!) Ja, ein SPÖ-Vorschlag! Haben Sie sich den nicht angehört? Die SPÖ ist doch Ihr Regierungspartner! Warum gehen Sie auf schlechte Vorschläge ein? (Abg. Dr. Feurstein: Da kann nicht Niederwieser etwas anderes sagen!) Sie haben es nicht respektiert, Sie haben sich durchgesetzt, und das finde ich in diesem Fall schlecht.


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Haben Sie sich auch überlegt, wie sinnvoll beispielsweise die Regelung ist, daß Handelsschüler innerhalb von drei Jahren zweimal eine Klasse wiederholen dürfen, ohne die Familienbeihilfe zu verlieren, Handelsakademieschüler dagegen innerhalb von fünf Jahren nur einmal? Und was passiert, wenn ein Schüler von der sechsten Klasse AHS in die Handelsakademie wechselt und sich die Schuldauer somit um zwei Jahre verlängert? Wie wird es bewertet, wenn zum Beispiel eine Schülerin nach acht Jahren Schulzeit in die erste Klasse Handelsakademie umsteigt und diese Klasse wiederholen muß? Fällt das noch in die allgemeine Schulpflicht? Und darf diese Schülerin dann in der weiteren Schulzeit nicht mehr wiederholen? – Diese ungeklärten Fragen hoffe ich heute von Ihnen beantwortet zu bekommen und auch, wie Sie sie lösen werden.

Es ist auch zu befürchten, daß gerade sozial schwächere Schüler das Nachsehen haben. Bekanntlich sind es die sozial Schwachen in unserer Gesellschaft, die es ihren Kindern nicht ermöglichen können, mit Nachhilfestunden die eine oder andere Schulstufe noch zu schaffen.

Es ist bekannt, was eine Nachhilfestunde kostet, und es ist auch ein Faktum, daß jährlich zirka eine Milliarde Schilling auf dem Nachhilfesektor umgesetzt wird. Meine Frage dazu: Ist das eine zielführende Schulpolitik? Abgesehen von den Kosten, die auf diesem Gebiet für die Eltern entstehen, sind es doch die Kinder, die unter dem Druck unseres derzeitigen Schulsystems zu leiden haben.

Weiters sprechen die Zunahme der Nachhilfestunden und die Wiederholungsquoten eine allzu deutliche Sprache. Es wäre allerdings vermessen, die Schuld bei den Schülerinnen und Schülern zu suchen. Es ist zweifellos unser derzeitiges Schulsystem, das dafür verantwortlich gemacht werden muß. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Frau Ministerin! Ich kann Ihnen leider auch den Vorwurf nicht ersparen, daß Einsparungen auf diesem Gebiet auf dem Rücken der Kinder und der Eltern vorgenommen wurden. Sie sind völlig ungerechtfertigt, und ich hoffe, daß diese Ungerechtigkeiten ehestens behoben werden.

Frau Ministerin! Geben Sie unseren Schulen die von Ihnen oftmals angekündigte Autonomie, und lassen Sie unsere Schulen in Selbstverantwortung zum Wohle unserer Schülerinnen und Schüler arbeiten! Wir Liberalen sind davon überzeugt, daß die Lehrenden an den Schulen durch Eigenverantwortung und durch die Möglichkeit zur Eigeninitiative viel mehr zur Verbesserung des gesamten Schulwesens beitragen würden, wenn sie nicht wie bisher im althergebrachten Korsett agieren müssen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie nun, daß ich mich kurz den kulturellen Angelegenheiten zuwende. Wie aus den Aufstellungen im Bundesbudget 1995 und 1996 der Bundesmuseen, der Nationalbibliothek und des Bundesdenkmalamtes hervorgeht, stieg das Budget von 1,426 Milliarden Schilling auf 1,631 Milliarden, das entspricht einer Erhöhung um 14 Prozent. Das finden wir Liberalen bemerkenswert, und wir sind auch sehr froh darüber.

Besonders bemerkenswert ist auch der Umstand, daß das operative Budget des Bundesdenkmalamtes nach der letztjährigen eklatanten Kürzung von 204 auf 109 Millionen Schilling wieder fast auf die Höhe des Jahres 1994 geklettert ist, nämlich genau auf 197,4 Millionen Schilling.

Letztes Jahr gehörten auch die Bundesmuseen zu den großen Verlierern. Alle zehn Museen – also das Kunsthistorische und das Naturhistorische Museum, das Museum für Völkerkunde, die Österreichische Galerie, die Albertina, das Museum für Angewandte Kunst, das Museum Moderner Kunst, das Technische Museum, das Pathologisch-Anatomische Bundesmuseum und das Österreichische Theatermuseum – können heuer wieder mit einem höheren Budget rechnen.

Frau Ministerin! Sie haben in einem "Standard"-Interview angekündigt, ab Ende dieses Jahres ein Rubbellos einzuführen, dessen Erträge ausschließlich den Museen zugute kommen sollen. Ich möchte Sie fragen: Wie sieht die konkrete Vorgangsweise aus? Haben Sie zum Beispiel auch schon Verhandlungen – mit der Lotto-Toto-Gesellschaft, nehme ich an – geführt? Ich würde erfolgreiche Verhandlungen begrüßen, denn unsere Museen brauchen noch mehr


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finanzielle Mittel, um ihre Funktion in der Kulturlandschaft Österreich weiterhin erfüllen zu können.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Gestatten Sie mir kurz noch einige Fragen. Wann wird endlich entschieden, was mit der Albertina passiert? Wird nun das Altgebäude renoviert oder doch der Tiefspeicher gebaut? Wie mir bekannt ist, fehlt noch immer die Unterschrift des Wirtschaftsministers. Alle anderen Vorbereitungen sind, wie bekannt ist, schon seit über einem Jahr abgeschlossen.

Wann wird beziehungsweise wird überhaupt eine Klimaanlage im Naturhistorischen Museum eingebaut? Wann werden die Fassaden des Kunst- und des Naturhistorischen Museums renoviert? Warum wird die Nationalbibliothek, die immerhin die größte Bibliothek Österreichs ist, jedes Jahr im September für drei Wochen geschlossen? Ist das urlaubsbedingt? Wenn ja, müssen die Angestellten alle gleichzeitig Urlaub nehmen?

Meine Damen und Herren! Ein besonderes Anliegen ist mir die Teilrechtsfähigkeit der Bundesmuseen. Wir wissen, daß die Einnahmen der Museumshops in den entsprechenden Häusern bleiben dürfen. Alles andere, wie zum Beispiel die Erlöse der verkauften Eintrittskarten, geht an das Finanzamt. Auch hier meine Frage: Wäre es nicht sinnvoll, die Teilrechtsfähigkeit auch auf weitere Komponenten auszudehnen? Ich denke da an Schenkungen, Sponsoring-Verträge, Vermietung, Kataloge und Einnahmen aus Leihgebühren.

Mittelfristig wäre allerdings der Vorschlag des Liberalen Forums, noch einen Riesenschritt weiterzugehen. Wir könnten uns vorstellen, daß die Bundesmuseen in Anstalten mit öffentlichem Recht umgewandelt werden. Dadurch könnte die Museumsführung wie ein Privatunternehmer agieren, das Verfügungsrecht über die Objekte und die Gebäude würde aber beim Bund bleiben. Das heißt, der Bund bleibt Eigentümer und Rechtsinhaber des Vermögens, die operativen Geschäfte stehen in der privaten Führung der Anstalt, die Museumsleitung wäre berichtspflichtig, und die Aufsichtspflicht würde weiterhin beim Bund liegen.

Durch den Status einer Anstalt öffentlichen Rechts hätten die Museumsleiter weiters die Möglichkeit, Leihgebühren und Einnahmen zu behalten, und könnten, wenn notwendig, eine Fremdmittelakquirierung durchführen. Das heißt, sie könnten Kredite aufnehmen, Belehnungen beziehungsweise Beleihungen vornehmen und die Sponsorengelder direkt dem Betrieb zuführen.

Derzeit ist es so, daß 70 Prozent aller Entscheidungen, die das Museum betreffen, an die Zustimmung des Finanzministeriums gebunden sind. Durch die Gründung von Anstalten öffentlichen Rechts würden, Frau Ministerin, die Ministerien ihren Einfluß behalten, da eine Zusammenarbeit unerläßlich ist. Die Beamten wären nur für folgende Punkte weiterhin zuständig: nämlich für die Fixierung der Rahmenbedingungen, für das Erkämpfen des Budgets und für die Erfolgskontrolle. Durch diese Reform würden Betriebsstrukturen eingeführt werden, die beim geringsten Aufwand die größten Erfolge erzielen.

Abschließend noch kurz zum Museumsquartier. Meine Damen und Herren! Was ist vom ehemaligen Projekt von Ortner & Ortner eigentlich noch geblieben? Vor kurzem hat der "profil"-Journalist Horst Christoph die Entwicklungsgeschichte des Museumsquartiers als "Österreichs mittlerweile größtes Unterhaltungstheater" bezeichnet. Ich selbst habe in einem Zeitungsartikel in diesem Zusammenhang von "Abwürgen" gesprochen – und es ist ein Abwürgen.

Tatsache ist, daß dieses Wettbewerbsprojekt laufend reduziert wurde. Niemand spricht heute mehr vom Turm, und den Architekten wurde inzwischen der Denkmalschutz-Spezialist Manfred Wehdorn als Kontrolleur zugeteilt.

Meine Damen und Herren! Das Museumsquartier ist das traurige Produkt einer österreichischen Verhinderungspolitik (Beifall beim Liberalen Forum), denn laufend verließen und verlassen Fachleute das sinkende Schiff. Noch vor der Wettbewerbsentscheidung warf 1989 der Direktor des Museums Moderner Kunst, Dieter Ronte, das Handtuch und ging nach Deutschland. Er sah schon damals keine Chance, in absehbarer Zeit in den Museumspalast einzuziehen.


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1994 resignierte dann Dieter Bogner, der Projektleiter des Museumsquartiers. Zu diesem Zeitpunkt war von seinem Konzept, ein Museum für das 21. Jahrhundert zu gestalten, bereits nur noch am Rande die Rede.

Mit dem Ankauf der über zwei Milliarden Schilling teuren Sammlung von Klimt, Schiele und Gerstl ist der Augenarzt Rudolf Leopold zum wichtigsten Mann im Messepalast geworden, dessen Forderung nach mehr Raum Hans Dichand unter dem Pseudonym "Aurelius" bekräftigte.

Auch zu dieser Materie eine Frage, Frau Ministerin: Haben Sie schon eine definitive Entscheidung des Denkmalschutz-Chefs Seiler, der sich an den positiven Entscheid seines Beirates nicht gebunden fühlt? Wenn nicht, bis wann soll mit dem Entscheid noch gewartet werden?

Es wundert mich auch, warum sich der Direktor des Museums Moderner Kunst, Lóránd Hegy, in diesem Zusammenhang nicht mehr zu Wort meldet. Soll das wirklich alles gewesen sein? Soll die zeitgenössische Kunst Österreichs weiterhin weitgehend auf der Strecke bleiben? – Alles Fragen, die zu lösen sind, und ich hoffe in dieser Angelegenheit auf Ihre Unterstützung, Frau Ministerin, denn ich würde mir wirklich wünschen, daß aus diesem Museums-Verhinderungsprojekt doch noch ein international anerkanntes Stück österreichisches Kulturbewußtsein wird.

Frau Ministerin! Zum Schluß: Auch ich habe eine Bitte an Sie: Unterstützen Sie die Forderung, keine öffentlichen Mittel mehr für die Philharmoniker zu gewähren, solange sie nicht bereit sind, Musikerinnen aufzunehmen. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei den Grünen.)

13.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.00

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Frau Ministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! In konjunkturell schwierigen Zeiten ist es nicht leicht, Verständnis für Kunst und Kultur zu finden. Es gibt nur geringe Akzeptanz für steigende Kulturbudgets. Trotzdem ist es in der Vergangenheit gelungen, eine Reihe von beachtlichen Erfolgen zu erringen. Ich erinnere an die Novelle zum Filmförderungsgesetz, an die Verlagsförderung, an die Urheberrechtsgesetz-Novelle, an die Förderung von Kulturinitiativen, an den Österreichischen Kulturservice und so weiter.

Die Kulturinitiativen haben sich in den letzten zehn Jahren zu einem belebenden Teil der österreichischen Gegenwartskultur entwickelt. Es gibt eine sehr große Bandbreite – von regionaler Bedeutung bis zu experimenteller Kunst- und Kulturvermittlung. Es haben sich vielfältige Initiativen entwickelt, was sich auch in der Förderung entsprechend zu Buche schlägt. Die Kulturinitiativen haben eine ganz beträchtliche Ausweitung erfahren.

Weiters möchte ich den Österreichischen Kulturservice positiv erwähnen, der sich als wichtige Institution entpuppt hat: für die Schule als Zentrum für Bildung und Kultur, für die Vermittlung von zeitgenössischer Kunst, für die Begegnung mit Kulturschaffenden und nicht zuletzt für den Abbau regionaler Disparitäten.

Der Österreichische Kulturservice hat eine umfangreiche Servicetätigkeit entwickelt, und das bei einem Minimum von bürokratischem Aufwand, sodaß ich meine, daß er kontinuierlich ausgebaut werden müßte, vor allem die Dialogveranstaltungen, die angeboten werden.

Der größte Teil der österreichischen Kulturpolitik, der Löwenanteil der Kunst- und Kulturförderung in Österreich ist den Bereichen Musik und darstellende Kunst gewidmet, und zwar mehr als die Hälfte des gesamten Budgets. Der Großteil davon entfällt auf die Groß- und Mittelbühnen, gefolgt von den Festspielen, den Orchestern und den Konzertveranstaltern sowie auf die Kleinbühnen. Das heißt, der Schwerpunkt der öffentlichen Kulturausgaben liegt eindeutig bei der Förderung von Theatern, von reproduzierender Musik und von großen Festivals.


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Sosehr es zu begrüßen ist, daß die Kultur zu einem Faktor geworden ist – sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch –, sosehr es erfreulich ist, daß sich die Zahl der Kulturveranstaltungen, der Theateraufführungen, der Konzerte, der Theatergruppen vervielfacht hat, muß doch auch kritisch vermerkt werden, daß bei den Förderungen und den jährlichen Zuwendungen an Institutionen die Finanzierung der Reproduktion jene der Produktion bei weitem überwiegt. Es sollte aber auch der positive Aspekt, daß die Kulturbudgets rasch ansteigen, vermerkt werden, und die Tatsache, daß Österreich zum Niveau vergleichbarer europäischer Kulturnationen aufgeschlossen hat, zumindest was den öffentlichen Sektor anlangt. Denn im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern fehlt bei uns fast völlig der private Impuls, fehlt fast völlig privates Mäzenatentum – von Ausnahmen abgesehen –, das die öffentlichen Budgets ergänzen könnte.

Gestatten Sie mir, Frau Ministerin, einige Worte zur Kinder- und Jugendliteratur zu sagen. Weil die Möglichkeiten zur künstlerischen Produktion und Rezeption für Kinder gering sind und weil es fast keine Möglichkeiten zur Aneignung künstlerischer Fähigkeiten und von Wissen über Kunst außerhalb der Schule gibt, möchte ich ein Plädoyer für eine Reform der ästhetischen Erziehung in den Schulen halten. Damit meine ich nicht nur die Erhöhung der Stundenzahl für bildnerische Erziehung oder Werkerziehung, sondern grundlegende inhaltliche Veränderungen angesichts der Herausforderungen durch Videos, Videospiele und die übrigen Angebote der elektronischen Unterhaltungsindustrie. Mehr denn je müssen sich die Kulturpolitik und auch die Schule der Ästhetik der Videospiele und der neuen Kommunikation von elektronischen Medien zuwenden.

Erfreulich haben sich nach meinem Dafürhalten die Literatur und das Verlagswesen entwickelt. Es ist gelungen, die Personenförderung ganz beträchtlich zu erhöhen, weil sie zahlenmäßig einen wesentlich größeren Kreis von Personen erreicht und weil es eine große Vielfalt von Förderungsmaßnahmen gibt, wie zum Beispiel Dramatikerstipendien, Staatsstipendien, Nachwuchsstipendien, Projektstipendien, Arbeitsstipendien und so weiter. Das heißt, es wurde in den letzten Jahren eine gute Infrastruktur für Kunst und Kultur geschaffen. Kulturförderung präsentiert sich wirklich als ein ausdifferenziertes System von Förderungen und Preisen. Und ökonomisch wurde für die Existenz der österreichischen Künstler, insbesondere der Schriftsteller, Enormes erreicht.

Insgesamt hat sich also in der österreichischen Kulturpolitik vieles zum Positiven verändert, wenn es auch nur die Einstellung gegenüber österreichischen Künstlern sei. Ich denke da etwa an Thomas Bernhard oder an Hermann Nitsch, beide Kulturschaffende, die in der Vergangenheit einiges an Aufregung verursacht haben. Diese Aufregung ist zumindest jetzt einer gewissen Gleichgültigkeit gewichen, was man vielleicht als Fortschritt sehen mag.

Gestatten Sie mir abschließend noch ein paar Worte zur jetzt stattfindenden Debatte über das Stalingrad-Denkmal beziehungsweise über das Wolgograd-Denkmal. Einige von Ihnen werden fragen: Was hat das mit Kulturpolitik zu tun? Was hat diese Debatte mit Kultur zu tun? Was hat diese Debatte mit Kunst und Kultur zu tun? (Abg. Schwarzenberger: ... unserer Gefallenen hat schon etwas mit Kultur zu tun!) Ja, da haben Sie vollkommen recht, Herr Schwarzenberger! Aber ich möchte es noch ein bißchen differenzieren.

Die Debatte über den Ort halte ich für irrelevant. Wichtig ist, daß das Denkmal zu keiner Pilgerstätte wird. Damit meine ich nicht Ewiggestrige. Das Verklären der Vergangenheit wäre schon schlimm genug, denn Heldendenkmälern haftet oft ein Sinn an, der falsches Heldentum suggeriert, obwohl es nur noch um den Respekt vor den Toten gehen sollte. Und da gehe ich mit Ihnen konform: Respekt vor Toten, die einer verbrecherischen Ideologie geopfert wurden.

Das heißt, es geht in der Kulturarbeit und in der Kulturpolitik auch um den Kampf gegen das Vergessen. Es geht um Trauerarbeit. Theodor Adorno hat gesagt: Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen, ihr Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz sich nicht wiederhole, nichts Ähnliches geschehe. Kultur wird barbarisch, wenn sie nach Auschwitz eine heile Welt suggeriert. Und die Kultur, vor allem das Theater, kann helfen, daß den Menschen unglückliches Bewußtsein erhalten bleibt. –


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Erinnerungsarbeit – das meine ich jetzt darauf bezogen –, die den Gedanken an den Holocaust aufrechterhält, ist Kulturarbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Die unselige Geschichte – vor allem Auschwitz, ein realer Ort – markiert eine weltgeschichtliche Katastrophe. Sie ist eine weltgeschichtliche Katastrophe. Auschwitz steht nicht nur für die vielen Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten oder für die Kriegsverbrechen der nachfolgenden Zeit – ob in Vietnam, Kambodscha, Afghanistan oder sonst irgendwo –, es geht auch gar nicht um die Relativierung der furchtbaren Genozide dieses Jahrhunderts, weil man die Einmaligkeit dieses perfekt und industriell organisierten Massenmordes auch nicht relativieren kann, des Massenmordes an Millionen jüdischer Mitbürger, sondern Auschwitz steht auch ein wenig dafür, daß den Menschen der Grund für den Glauben an den Sinn der Geschichte abhanden gekommen ist, daß der Mensch lernfähig sei, daß die Geschichte irgend etwas lehren solle oder könne, daß Menschen nicht zur Unmenschlichkeit verführt werden, sondern daß in der Unmenschlichkeit manchmal der Sinn liegt.

Daher kann und muß Kulturpolitik stets dafür sorgen, daß der Mensch aus seiner geistig-seelischen Beliebigkeit, seiner Gleichgültigkeit und seiner Lethargie aufgerüttelt wird. Daher ist es Aufgabe der Kulturpolitik, Widerstand zu leisten – es ist schade, daß Herr Abgeordneter Krüger nicht hier ist – gegen das Vergessen, weil es Reflexion und Selbstreflexion braucht, weil es vor allem Aufklärung braucht und weil uns nichts zur Annahme berechtigt, daß nicht wieder kommen könne, was einmal gewesen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

14.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

14.11

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Aus dem Sparpaket beziehungsweise dem Belastungspaket geht eindeutig hervor, daß die Einsparungen im Schulbereich zur Gänze auf die behinderten Menschen und auf deren schulische Integration abgewälzt werden. Hatten wir es in den letzten Jahren schon geschafft, die schulische Integration in den Regelschulen und schrittweise in der Sekundarstufe einzuführen, so wird uns dieser Erfolg mit diesem Belastungspaket wieder zunichte gemacht.

Es ist klar ersichtlich, daß es jetzt in den Volksschulen nur mehr Restplätze für behinderte Menschen geben soll. Behinderte Kinder haben nur mehr dann das Recht auf einen Platz in einer Regelschule, wenn dieser Platz von niemand anderem eingenommen wird. Unser Recht auf schulische Integration wird uns Schritt für Schritt wieder abgesprochen. Unser Recht auf Bildung, unser Recht auf Gesellschaft und unser Recht darauf, mitgestalten zu können, wird uns auch in diesem Bereich wieder Schritt für Schritt entzogen.

Frau Ministerin! Ich weiß nicht, ob Sie die Salamancer-Erklärung aus dem Jahr 1994 kennen. In dieser Erklärung, die von der UNESCO erstellt wurde, steht ganz eindeutig, wohin der Weg gehen soll, was schulische Integration bedeutet, und welche Rahmenbedingungen man für schulische Integration braucht. Österreich distanziert sich mit dem Belastungspaket von diesem Papier. Österreich ist nicht bereit, nur ein wenig im Bereich der Schule umzudenken. Für Österreich wird es weiterhin ein Fremdwort bleiben, neue Wege in der Pädagogik für besondere Bedürfnisse einzuschlagen, obwohl auch Österreich dieses Papier unterschrieben hat. Österreich hat aber in den letzten Jahrzehnten viele Papiere und Chartas für behinderte Menschen unterschrieben und niemals eingehalten.

Das Jahr der Behinderten – in Österreich wurden die Behinderten auf vielfältigste, manchmal sogar auf sehr unschöne Art und Weise vermarktet – hat auch in Österreich nichts gebracht. Das Jahr der Behinderten war vergangen, und alle Ziele und Bekenntnisse, die man sich in diesem Jahr für behinderte Menschen gesetzt hat, waren nach diesem Jahr vergessen. Nie wieder ist irgendeine Forderung, die in diesem Papier gestanden hat, auch nur ansatzweise von der Bundesregierung angesprochen worden. Jetzt stehen wir vor dem Dilemma.


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Ich glaube, wenn die Integration nicht spätestens in der Volksschule stattfindet, dann kann sie in der Arbeitswelt überhaupt nicht mehr funktionieren. Das bedeutet, die Integration wird wieder rückgängig gemacht.

Frau Ministerin! Ich kann gut verstehen, daß Sie in den letzten Monaten für behinderte Menschen oder für Eltern behinderter Kinder, die einen Termin bei Ihnen wollten, nie da waren. Sie waren nie da! (Bundesministerin Gehrer: Das stimmt doch gar nicht!) Das stimmt. Ich kann Ihnen das auch belegen, Frau Ministerin.

Im "profil" ist von Ihnen, Herrn Höchtl und Herrn Helm ein Bild, und im Artikel haben Sie sich eindeutig für die Rücknahme der schulischen Integration ausgesprochen. Ich glaube, das können Sie nicht von der Hand weisen. Herr Helm hat ganz deutlich gesagt, was die Intention der ÖVP ist. Herr Helm hat gesagt: Integration ist etwas, das aus der Hüfte geschossen ist, Schule ist kein Experimentierfeld, Schule muß klare Rahmen, klare Forderungen und klare Ziele haben, Schule darf niemanden behindern. Sie haben damit aber nicht gemeint, daß die Schule niemanden aufgrund seiner Behinderung behindern darf, sondern Sie und Herr Helm haben damit ganz klar gemeint, daß die Schule durch behinderte Kinder nicht behindert werden darf! Man hat also immer noch Angst davor, daß, wenn in einer Klasse behinderte Kinder integriert werden, das Lernniveau der ganzen Klasse sinkt. Sie haben sich niemals die Studien und die Schriften angeschaut, die es zur schulischen Integration gibt. All diese Unterlagen zeigen nämlich ganz deutlich auf, daß die Integration für alle Kinder ein riesiger Fortschritt war und daß sie allen Kindern etwas gebracht hat. (Beifall bei den Grünen.)

In den Integrationsklassen war es zum ersten Mal möglich, die Bedürfnisse aller Schüler abzudecken, sowohl die Bedürfnisse von behinderten Kindern als auch die Bedürfnisse von sogenannten hochbegabten Kindern. Die individuellen Begabungen aller Kinder konnten gefördert und auch Leistungen konnten gefordert werden. Das wird jetzt aber wieder zurückgenommen.

Es zeigt sich in den Bundesländern, wie es hinsichtlich der schulischen Integration ausschaut. Herr Guggenberger! In Außerfern – ich glaube, ich brauche Ihnen das nicht zu erzählen – gibt es engagierte Eltern, engagierte Lehrer und einen engagierten Bezirksschulrat. Da funktioniert die schulische Integration, dort gibt es keine Aussonderung mehr. Aber im Nachbarbezirk, in Landeck, wo Sie zuständig sind, wird eine Sonderschule um 50 Millionen Schilling gebaut. (Abg. Mag. Guggenberger: Ich bin aber nicht Bezirksschulrat!) Wissen Sie, wieviel Integration mit diesem Geld möglich wäre? (Beifall bei den Grünen.)

Haben Sie sich schon überlegt, Herr Guggenberger, wieviel Sonderschullehrer, wieviel Begleitpersonal Sie um dieses Geld beschäftigen könnten? – Diese Kinder haben ein Recht auf Regelschule, aber das wird verhindert. Ich möchte es noch einmal ganz kurz in Erinnerung rufen: Das Recht auf Regelschule und das Recht auf Bildung stehen behinderten Menschen zu! (Beifall bei den Grünen.)

Ich fordere Sie auf, Rahmenbedingungen zu schaffen, daß Eltern behinderter Kinder nicht mehr als Bettler hausieren gehen müssen, um eine Schule zu finden, die ihrem Kind das Recht auf Regelschule zugesteht. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.19

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Brader. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.19

Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Zu den Ausführungen der Frau Kollegin Haidlmayr sage ich später etwas.

Ich denke, daß im vorgelegten Budgetentwurf sehr vieles sehr gut ist und daß die Entstehung dieses Entwurfes, nämlich in Abstimmung mit den Betroffenen, ein sehr wichtiger Schritt und ein richtiger Weg ist.


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Der Vorteil liegt darin – damit bin ich schon im Widerspruch zu Kollegin Haidlmayr –, daß trotz Strukturmaßnahmen noch genug Platz für weitere Reformen ist.

Einer dieser Bereiche ist die Fortführung der Integration von Kindern mit besonderem Förderbedarf auf der Sekundarstufe. Heute stehen zwar nicht die Novellen zur Diskussion, ich möchte aber dennoch diese Gelegenheit ergreifen, ein paar wichtige und grundsätzliche Überlegungen dazu anzustellen.

Erstens steht für uns außer Zweifel, daß die integrative Betreuung für all jene Kinder möglich bleiben muß, bei denen sich diese Form des Unterrichts bewährt hat. Da geht es nicht so sehr um eine Automatik, sondern einzig und allein um die Frage, wo und in welcher Form die Bildung des Kindes am besten gefördert werden kann. Das heißt, im Mittelpunkt steht nicht irgendein System, sondern im Mittelpunkt kann nur das Kind allein stehen, das Kind als Person mit seiner einmaligen Individuallage und seinem unantastbaren Bildungsanspruch. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Anerkennung des Bildungsanspruches wird wohl niemand anzweifeln, sehr wohl gibt es aber Diskussionen darüber, in welcher institutionellen Form das jeweilige Kind seine beste Betreuung empfangen kann.

Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung folgendes sagen – ich habe zehn Jahre lang integrative Projekte für hörbehinderte Kinder initiiert, betreut und auch wissenschaftlich begleitet –: Es ist nicht so, daß jede Betreuungsform für jedes Kind gut ist, sie muß auf das jeweilige Kind abgestimmt sein, und nur dann, wenn der Förderbedarf gut abgedeckt wird, kann man auch Fortschritte erkennen.

Die Fördermöglichkeiten müssen vorhanden sein. Kompetente Leute müssen diese Fördermöglichkeiten durchführen, und es darf zu keinen Alibihandlungen kommen. Die pädagogische Praxis in manchen Städten zeigt aber, daß die Förderung durch Personen wahrgenommen wird, die weder eine entsprechende Ausbildung noch die entsprechende Kompetenz haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist Beschäftigungstherapie für diese Personen, aber keine Hilfe für die Kinder. Für solche Alibihandlungen fehlt mir jedes Verständnis. Das ist keine Lösung!

Wir brauchen Investitionen in die Ausbildung, wir brauchen Leute, die dafür Sorge tragen, daß der Unterrichtsstoff so aufbereitet wird, daß er auch von den behinderten Kindern aufgenommen, verarbeitet und behalten werden kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein nur räumliches Beisammensein ist noch keine Integration. Der Mensch entwickelt sich ja nicht nur im Sog von anderen, sondern er hat ein Recht auf eine seinen individuellen Gegebenheiten angepaßte Unterstützung. Wer für Integration eintritt, aber den Förderbedarf negiert, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß ihm die Kinder egal sind. Oder noch schlimmer: Er muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß er die Kinder für gesellschaftspolitische Zwecke instrumentalisiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte schon heute an Sie alle appellieren, bei den kommenden Diskussionen über die Integration in der Sekundarstufe auf ideologische Grabenkämpfe zu verzichten. Denken Sie an das Wohl der Kinder und an jene Maßnahmen, die dem Kind und seiner Bildung am besten helfen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich selbst werde sicher keiner Maßnahme zustimmen, bei der ich den Bildungserfolg für die Kinder nicht ersehen kann. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fuchs. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.25

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir alle wissen, daß gerade jetzt der Endspurt in


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17. Sitzung / Seite 440

Richtung Zeugnis beginnt. Die letzten Schularbeiten stehen vor der Tür, und das Zittern um ein positives Abschlußzeugnis hat begonnen.

Zeugnisse sind immer noch Gradmesser des Könnens und der Leistung der einzelnen Schüler und können auch eine motivierende Wirkung haben. Aber immer ist es nicht so, für sehr viele Kinder und Jugendliche steht nämlich die Angst vor einem schlechten Zeugnis, mit einem oder mehreren Nichtgenügend, im Vordergrund und nicht die Motivation. Wie heute schon mehrmals von Vorrednern der Oppositionsparteien erwähnt wurde, bin auch ich der Meinung, daß es eine Ressourcen- und Zeitverschwendung ist, daß bei der Regelung des Aufsteigens in die nächsthöhere Klasse immer noch nach dem Faßdaubenprinzip vorgegangen wird. Wenn auch nur ein einziger Fünfer im Zeugnis steht, dann ist unter Umständen das Wiederholen des gesamten Schuljahres notwendig – auch wenn alle anderen Abschlüsse positiv sind. Wir alle wissen auch, daß mit dem Wiederholen einer Klasse eine Entwurzelung aus dem gewohnten sozialen Umfeld der Klassengemeinschaft einhergeht. Das ist ein Umstand, der sicher nicht leistungsfördernd wirkt.

Daher halte auch ich den ersten Vorstoß von Frau Bundesministerin Gehrer für sehr begrüßenswert, die Möglichkeit des Aufsteigens mit einem Nichtgenügend nicht mehr vom Beschluß der Klassenkonferenz abhängig zu machen, sondern eine gewisse Automatik in diese Regelung zu bringen. Dadurch würde die Berechtigung zum Aufsteigen wohl auch objektiver und vor allem transparenter werden.

Ich mache einen noch weiter gehenden Vorschlag, und zwar denke ich, daß es gerechtfertigt ist, Schülerinnen und Schüler mit einem oder zwei Nichtgenügend aufsteigen zu lassen.

Genauso wichtig wie diese gesetzlichen Neuregelungen wären meiner Meinung nach auch begleitende pädagogische Maßnahmen, wenn ein Nichtgenügend droht oder bereits im Zeugnis steht. Es wäre möglich, daß die Schule über den Sommer Stütz- und Förderkurse anbietet, im Hinblick auf eine eventuelle Nachprüfung im September. Es könnte für gefährdete Schülerinnen und Schüler beispielsweise die Schule schon früher beginnen. Diese Maßnahme hätte den Vorteil, daß vom gewohnten Klassenlehrer unterrichtet werden und die Vorbereitung für die Nachprüfung viel zielgenauer sein könnte. Außerdem würde das Nachhilfeunwesen eingeschränkt werden, und es müßten nicht so wie jeden Sommer Millionen Schilling in Nachhilfestunden fließen. (Beifall bei der SPÖ.)

Als ein zukunftsweisendes Leistungsbeurteilungsmodell erscheint mir die sogenannte kommentierte direkte Leistungsvorlage, die momentan in 13 Wiener Volksschulen als Schulversuch läuft. Dabei bekommen die Kinder kein Zeugnis, sondern die Leistungen werden in einer Sammelmappe dokumentiert. Die Eltern können diese Mappe mit Arbeitsblättern, Texten, Werkstücken, Zeichnungen, Hausaufgaben jederzeit einsehen. Mindestens einmal pro Semester müssen sie diese Dokumentation, die der Lehrer zusammenstellt, unterschreiben. Das heißt aber auch, daß es dabei zu einem Gespräch kommen muß, zu einem Gespräch zwischen Eltern, Lehrern und Schülern.

Das Einbeziehen der Eltern in die Modalitäten der Leistungsbeurteilung halte ich für einen sehr wichtigen Schritt. Ich glaube, daß damit eine realistische Sicht der Leistungen der eigenen Sprößlinge ermöglicht wird. Ein mindestens einmal pro Semester stattfindendes Gespräch zwischen Schülern, Lehrern und Eltern über den Stand der Leistungsbeurteilung bezieht alle am Schulleben Beteiligten ein. Schülerinnen und Schüler sind so nicht mehr mit dem Vorwurf des Versagens im Falle einer schlechten Beurteilung alleingelassen.

Ich glaube, es ist sehr wichtig, daß die Eltern von vornherein oder zu einem möglichst frühen Zeitpunkt sehen, wo es eine Teilleistungsschwäche gibt, und rechtzeitig etwas dagegen unternehmen können.

Daher denke ich, daß dieses Modell – freilich in adaptierter und altersgerechter Form – auch für die Mittelstufe anzuwenden wäre. Eine Überprüfung verschiedener Feinziele in jedem Unterrichtsgegenstand, die gemeinsam vorgenommen wird, nämlich wieder von Eltern, Lehrern und Schülern, erhöht zwar den pädagogischen Anspruch an die Unterrichtenden, schafft aber sicher


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17. Sitzung / Seite 441

mehr Transparenz und Objektivität und könnte so zu einem Instrument der Motivation unserer Schülerinnen und Schüler werden. Und das sollte ja unser aller Ziel sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ganz kurz zur Behindertenintegration, weil Kollegin Haidlmayr und auch mein Vorredner dieses Thema angesprochen haben. Ich sehe die Situation nicht so negativ. Ich meine, daß wir sehr engagierte Lehrer haben, daß wir sehr engagierte Eltern und auch sehr engagierte Schüler haben und daß alle davon profitieren, daß die Gescheiten – dazu gibt es genug Untersuchungen – immer gescheit sind, daß sie nie an Intelligenz verlieren, wenn kurzfristig für etwas Schwächere mehr Zeit aufgewendet werden muß.

Also ich wäre dafür, daß wir diese Integration nicht nur in der Grundschule umsetzen, sondern in allen Schultypen Möglichkeiten dafür schaffen. Und daß dies möglich ist, zeigen sehr positive Beispiele. Ich kann als Beispiele die HTL und die HAK im 3. Wiener Gemeindebezirk nennen. Dort werden seit Jahren sowohl im technischen als auch im kaufmännischen Zweig behinderte und nichtbehinderte Jugendliche gemeinsam unterrichtet.

Ich denke, daß wir die Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Betreuungs- und Förderbedarf in der Grundschule und in Fortsetzung in der Sekundarstufe 1, also in der Hauptschule und in der AHS-Unterstufe, fördern und alle Begleitmaßnahmen zur Verfügung stellen müssen. Das muß unser Ziel sein. Unser Bildungssystem muß allen jungen Menschen eine optimistische Zukunftsperspektive bieten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stampler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.33

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Vorerst eine Entschuldigung meinerseits: Es tut mir leid, daß ich bei meiner ersten Rede hier im Hohen Haus verschnupft bin und die Stimme angeschlagen ist, aber man kann sich den Zeitpunkt einer Grippe leider nicht aussuchen. Ich werde aber versuchen, trotzdem das Beste zu geben. (Abg. Ing. Meischberger: Das paßt schon! – Abg. Dr. Fuhrmann: Kollege, kein Problem! Man versteht Sie sehr gut! – Abg. Schwarzenberger: Frisch – saftig – steirisch!) – Richtig, ja!

Die Jugendlichen von heute sind die Erwachsenen von morgen. Die Kinder sind die Zukunft unseres Landes. – Sprüche, die wir heute schon gehört haben. Sind das wirklich nur Sprüche? – Nein, ich glaube nicht, denn die Kinder von heute werden morgen für uns Verantwortung tragen. Daher ist es für uns Politiker, Eltern, Lehrer und Vorgesetzte Aufgabe und Verpflichtung, ihnen die nötige Ausbildung zukommen zu lassen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Dieses Budget soll mit dazu beitragen, daß wir die Zukunft unserer Kinder sichern können.

Die Schule hat sicher die zweitwichtigste Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung jedes heranwachsenden Menschen. Nach dem Elternhaus fällt deshalb der Lehrerschaft und der Schule die größte Verantwortung für junge Menschen zu. Bildung in der Schule ist damit gleichzeitig Grundlage für das Wissen von morgen. In der Schule wird der Grundstein für die Zukunft unseres Landes gelegt.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben viel dazu beigetragen, den Ruf der Schule zu verbessern. Kollege Neugebauer hat in der Ausschußsitzung erwähnt, daß Sie während der gesamten Verhandlungen in dieser schwierigen Zeit eine entsprechende Diskussionskultur gepflegt haben, und die Kollegen Mühlbachler und Höchtl haben heute die partnerschaftliche Diskussion und Verhandlung hervorgestrichen.

Wir Lehrer wissen, daß die Ausbildung unserer Schüler durch dieses Sparpaket nicht zu kurz kommen darf. Wir wissen aber auch, daß wir in Ihnen, Frau Minister, eine Vorgesetzte haben,


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die hinter uns Lehrern steht und die uns auch stets mit dem nötigen Motivationsschub dazu bringt, daß wir wieder mit Freude in die Schule gehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Sicher haben die Lehrerinnen und Lehrer bisher ihren Beitrag geleistet und werden dies auch in Zukunft tun.

Neue Lehr- und Lernformen wurden in den Volksschulen eingeführt. Sie haben sich bewährt und sollen nun in weiterführenden Schulen ihre Fortsetzung erfahren. Im Bereich der Integration haben die Lehrer bisher hervorragende Arbeit geleistet. Ich habe aus einem Bericht des Steirischen Landesschulrates einige Daten herausgesucht, die ich heute nennen will.

Es stieg die Zahl der Integrationsklassen in der Steiermark von 104 im Schuljahr 1993/94 auf 200 im Schuljahr 1995/96. Ebenfalls in dieser Zeit stieg die Zahl der Stützklassen von 119 auf 291. Aber auch die Zahl der Klassen ohne Zweitlehrer stieg gewaltig an: von vier im Schuljahr 1993/94 auf 58 im Schuljahr 1995/96. Das zeigt, daß die Lehrer Verantwortung tragen und sie ernst nehmen – auch bei entsprechender Mehrarbeit.

Im Schuljahr 1995/96 werden in der Steiermark 10 699 Schüler sozial integrativ unterrichtet. Davon sind 9 297 nicht behindert, und 1 402 haben einen sonderpädagogischen Förderbedarf. Die Zahl der Schüler mit Förderbedarf gliedert sich auf in 888 Lernbehinderte, 223 geistig Behinderte, 67 Sehgeschädigte, 66 Körperbehinderte, 38 Hörbehinderte und 27 Verhaltensauffällige. – Das zeigt, es wird bei uns in der Steiermark sehr viel für die Integration getan, und ich bin sicher, daß dies auch in den nächsten Schuljahren so sein wird. Ziel muß es sein, diese Integration eben auch im Sekundarschulbereich weiterzuführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch sei erwähnt, daß in der Steiermark im Beobachtungszeitraum von 1980 bis 1990 zwei markante, aber gegenläufige Entwicklungen festgestellt werden konnten: Während sich der Schülerstand in der Oberstufe der AHS um 18 Prozent senkte, stieg er in den berufsbildenden höheren Schulen um fast 53 Prozent. Diese Entwicklung ist sicher Spiegelbild der immer stärker vertretenen Geisteshaltung, daß einer spezifischen Fachausbildung mit entsprechenden Berufsaussichten gegenüber der Allgemeinbildung der Vorzug zu geben ist.

Aber auch die Schwerpunktschulen bieten ein immer größeres Angebot an, das von vielen Schülern genützt werden sollte. Gemeinden und Schulen müssen und werden daher in Zukunft immer mehr als Partner auftreten können.

Im Arbeitsübereinkommen der Regierungsparteien wurden wesentliche Ziele für die zukünftige Bildungspolitik festgelegt: zielstrebiger Ausbau der Fremdsprachenkompetenz; Anrechnung von Schulbesuchen im Ausland; die Erstausbildung soll zu lebensbegleitendem Lernen motivieren; Fernlernangebote sollen die Zahl der Lernwilligen steigern; die Zusammenarbeit zwischen berufsbildenden Schulen und Polytechnischen Lehrgängen soll vergrößert werden; verbesserte Schullaufbahnberatung, Berufsorientierung, Verringerung der Klassenwiederholungen sowie Beschäftigungen mit neuen Technologien sind unbedingt notwendig, ebenso wie die Weiterführung im Sekundarschulbereich – diese ist sicherzustellen.

Die Schulstundenkürzung soll dazu beitragen, daß die Schüler entlastet werden. Dies entspricht einer alten Forderung von Eltern. Es wird in der Verantwortung der Lehrer liegen, die Kern- und Erweiterungsbereiche umzusetzen und auch vermehrt dazu Stellung zu nehmen. Qualität kann nicht durch ständiges Hinzukommen erhöht, sondern nur durch Vertiefen gefestigt werden.

Bildungsoffensive muß nicht Ausweitung bedeuten, sondern inhaltliche Qualifizierung. Das Ziel der Bildungspolitik muß meiner Meinung nach sein: erstens Qualität zu sichern und zweitens Lehrerarbeitslosigkeit zu vermeiden.

Wenn man sich die Budgets 1996 und 1997 ansieht – ich nenne daraus nur zwei Daten –, kann man erfreulicherweise feststellen, daß der Ausgabenbereich in der Zeit von 1992 bis 1997 eine Steigerung von 19,87 Prozent erfährt. Allein die Ausgaben im Bereich der Lehrer- und Erzieherausbildung steigen um 20,42 Prozent.


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Der Zeitschrift des Lehrerbundes in der Steiermark konnte ich folgendes entnehmen – unter dem Titel "Ehrlich gesagt" –: Es gibt parteitaktisch Zumutbares und Unzumutbares. Es gibt diplomatisch Ausgedrücktes und Verschwiegenes. Es gibt strategisch Geschicktes und Ungeschicktes. Es gibt Information und Verheimlichung. Es gibt Politik und Wahrheit. – An uns Politikern hier im Hohen Hause wird und soll es liegen, daß Politik und Wahrheit gleichberechtigt nebeneinander stehen können und auch sollen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Onodi. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.42

Abgeordnete Heidemaria Onodi (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Kultur und auch Lernen sind der Drang, welcher in allen Menschen liegt, seine Gedanken und Begriffe auf einer der drei Ebenen darzustellen: erstens sprachlich, zweitens musikalisch und drittens in Formen oder bildlich. Alle drei Ebenen sind in Österreich hervorragend repräsentiert.

Kunst als geistige Fähigkeit soll Freude und Aufmerksamkeit für andere Menschen bringen. Da aber die Menschen in der Entwicklung ihrer geistigen Fähigkeiten sehr verschieden sind, wird es auch in der Kunst immer wieder zu verschiedenen Anschauungen kommen. Freude an der Kunst ist wohl die höchste dieser geistigen Eigenschaften, da Kunst nichts anderes ist als der Ausdruck des Menschen, ein Zeugnis seiner schon mehr oder weniger entwickelten geistigen Fähigkeiten.

Kunsterzeugnisse geben nach außen ein Bild vom Empfinden, vom Denken und vom Handeln. Je mehr diese im Losringen vom rein materiellen Genuß fortschreiten, desto vollendetere Kunstwerke wird man schaffen können. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher ist diesbezüglich eine finanzielle Unterstützung unbedingt notwendig! (Beifall bei der SPÖ.)

Selbstverständlich ist es auch möglich, die Kunstprodukte mit jeder Art von Sinnlichkeit zu benützen. Dann aber werden diese auf den Besucher keinen erhebenden Eindruck, sondern vielmehr einen abstoßenden hervorbringen. Nie aber werden Kunstprodukte vom Standpunkt des künstlerischen Wertes aus erreicht werden können, wenn nicht im Künstler selbst die Fähigkeit vorliegt, sich in geistige Sphären aufzuschwingen, das heißt, mit geistigem Auge zu schauen, um selbst etwas schaffen zu können. Wie er das Geschaute dann verwertet, liegt in seinem eigenen freien Willen. Jemand kann allerdings nur etwas schaffen, was er vor seinem geistigen Auge sieht. Wo sich ein Abbild befindet, muß ein geistiges Original vorhanden sein, ebenso muß dort, wo ein Schatten ist, ein Gegenstand sein, der den Schatten wirft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Österreich haben wir zur Förderung der Kunst und Kultur nur einen bestimmten, begrenzten Geldtopf zur Verfügung. Selbstverständlich kann man es nicht allen Künstlern recht machen, da eben nicht alle 100prozentig nach ihren Vorstellungen gefördert werden können, auch wenn dies sehr wünschenswert wäre. Daß es bezüglich der Vergabe von Förderungen immer und ewig Diskussionen geben wird, liegt wohl in der Natur der Sache, weil alle Diskussionen nur dann ein Ende finden würden, wenn alle Menschen den höchsten Grad ihrer geistigen Fähigkeiten entwickeln könnten. Alle Kultureinrichtungen haben ihre Daseinsberechtigung, auch die marginalen Gruppen, die meistens von den Medien und anderen Stellen heftigst kritisiert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kultur ist aber weit mehr als diese angefeindeten Gruppen. Die Sprache wird gepflegt in der Literatur, im Theater, in den Zeitungen, in den Büchern und in den Schulen. Die Musik findet ihren Ausdruck in der Oper, in Konzertsälen, im Radio und im Fernsehen, natürlich auch in den Musikschulen, auf allen möglichen Festen und Veranstaltungen. Und die bildende Kunst zeigt sich nicht nur in den Skulpturen und Plastiken, sondern auch in den hervorragenden Bauten unseres Landes, in der Architektur, in der


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Errichtung öffentlicher Bauten aller Art und so weiter. (Abgeordnete der ÖVP sprechen in den Bankreihen miteinander.)

Kultur schließt aber auch ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Entschuldigen Sie, ich darf darauf aufmerksam machen, daß die Frau Abgeordnete sehr tapfer gegen den hohen Lärmpegel ankämpft! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

Abgeordnete Heidemaria Onodi (fortsetzend): Sehr geehrte Damen und Herren! Kultur schließt aber auch die Gesprächskultur mit ein. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Jetzt bitte ich um Entschuldigung, daß ich unterbrochen habe. (Heiterkeit. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Haben Sie das mit dem Präsidenten abgesprochen?)

Abgeordnete Heidemaria Onodi (fortsetzend): Sie sehen, meine Damen und Herren, Hohes Haus, daß wir uns im Kulturbegriff viel zu sehr begrenzen ließen. Kultur ist mehr als bösartige Kritik. Lassen wir uns nicht davon anstecken! Haben wir die Großartigkeit unserer Kultur im allgemeinen und im besonderen immer im Auge, sonst verlieren wir sie! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.47

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Nach der Kultur, Frau Abgeordnete Onodi, komme ich zu einem anderen Bereich, und zwar zur Lehrausbildung, die uns schon einige Tage in mehreren Beiträgen beschäftigt hat.

Was mich am Koalitionsabkommen für den Bildungsbereich besonders freut, ist der Umstand, daß die Förderung der Lehrausbildung darin ausdrücklich festgeschrieben wurde. In den kommenden Jahren ist es höchst an der Zeit, dieses verbale Bekenntnis mit Inhalten, mit entsprechenden Maßnahmen zu füllen (Abg. Haigermoser: Wie schauen die aus?) , denn die aktuelle Entwicklung im Bereich der dualen Ausbildung, um die uns sehr viele Länder beneiden, gibt Anlaß zur Sorge.

So ist in den letzten zehn Jahren die Zahl der Lehrlinge wie auch die Zahl der Lehrbetriebe rasant, und zwar um ein Viertel, zurückgegangen. 1995 standen nur noch 123 377 junge Menschen in 40 359 Betrieben in Ausbildung. (Abg. Haigermoser: Sind Sie nicht Obmann des Wirtschaftsausschusses?)

Das Lehrstellenangebot weist zwar grundsätzlich eine ausgeglichene Bilanz auf, jedoch mit starken regionalen und lehrberufsbezogenen Disparitäten. In Wien etwa – so wird vom Arbeitsmarktservice bekundet – steuere man auf eine mittlere Katastrophe zu. Auf 104 offene Lehrstellen kamen in der Bundeshauptstadt Ende März 452 Lehrstellensuchende. Man merkt, daß jetzt in Wien eine Aktion gestartet worden ist, in deren Rahmen man die Lehrausbildung besonders fördert. Man muß diese Entwicklung beobachten – ich freue mich, daß diese gemeinsame Aktion zustande gekommen ist –, und man muß außerdem beobachten, was bei einer Förderaktion dieser Art herauskommt.

Die Zahl der beim Arbeitsmarktservice gemeldeten offenen Lehrstellen in Österreich hat sich binnen der letzten fünf Jahre mehr als halbiert, etwa von 28 116 angebotenen Stellen im Juni 1990 auf 12 498 Stellen im Vergleichsmonat 1995.

Aber wo liegen nun die Probleme? – Zum einen gewiß in der bildungspolitischen Entwicklung, die die Lehre in Konkurrenz zu den anderen Ausbildungswegen – oft genug auch kundgetan in der veröffentlichten Meinung – fälschlicherweise als nachrangig einstuft. Zum anderen sind aber vielen Betrieben der finanzielle Aufwand – Österreichs Unternehmen geben jährlich immerhin


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6 Milliarden Schilling für die Ausbildung ihrer Lehrlinge aus – sowie die administrative Mühsal – sprich: die Bürokratiebelastung – zuviel geworden. (Abg. Haigermoser: Wer ist dafür verantwortlich?)

Nur ein kleines Beispiel, Herr Abgeordneter Haigermoser: Für den auf dem Markt sehr erfolgreichen Elektronikkonzern ABB war die ständige Ausweitung der Berufsschulzeiten, meine Damen und Herren, mit ein Grund, die Ausbildung von Lehrlingen mittlerweile einzustellen. Die Kosten der Lehrausbildung – auch in den verstaatlichten Lehrwerkstätten – haben dazu beigetragen, daß Lehrwerkstätten jetzt verödet sind.

Bevor ich zu meinen Wünschen für eine Aufwertung der Lehrlingsausbildung komme, möchte ich noch kurz auf die Gründe eingehen, warum mir die Förderung des dualen Ausbildungssystems so wichtig erscheint.

Erstens: Wenn zuletzt von einer Gründerwelle, und zwar von 50 000 neuen Unternehmen mit neuen Jobs die Rede war, so sei darauf hingewiesen, daß Lehrabsolventen die Hauptquelle für frisch entstehendes Selbständigen-Dasein darstellen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

52 Prozent aller Selbständigen in der gewerblichen Wirtschaft sind nämlich Lehrabsolventen. Vergleichsweise bescheidene 5 Prozent kommen von den Universitäten, von denen in letzter Zeit soviel die Rede war. 88 Prozent aller Facharbeiter und 73 Prozent der Vorarbeiter und Meister sind ehemalige Lehrlinge. 87 Prozent der Lehrabsolventen sind zudem in der Privatwirtschaft tätig. Sie sind auf dem Arbeitsmarkt auch gefragt. Ihre Verweildauer in der Arbeitslosigkeit liegt weit unter dem allgemeinen Durchschnitt.

Zweitens: Ein funktionierendes duales Ausbildungssystem hat Österreich bislang auch von der Geißel der Jugendarbeitslosigkeit verschont. Die Arbeitslosenquote bei den Unter-25jährigen lag im Vorjahr bei 5,9 Prozent, im EU-Durchschnitt war sie knapp viermal so hoch. – Und doch ist es notwendig, auch in diesem Bereich Alarm zu schlagen. Im ersten Quartal 1996 waren um 12,9 Prozent mehr Jugendliche ohne Job als noch vor einem Jahr. Ein Wert von gut 8 Prozent sollte uns kräftig auf- und wachrütteln.

Drittens: Man sollte nicht unterschätzen, daß die Lehrlingsausbildung marktkonform erfolgt. Sie basiert auf dem höchsten Effizienzlevel, und das Lehrlingswesen ist im Bereich des Arbeitsmarktes selbstregulierend. Dort, wo Mitarbeiter gebraucht werden, werden sie ausgebildet.

Wir sehen auch, daß die Qualität der österreichischen Lehrlingsausbildung Weltspitze ist: Bei der letzten Lehrlingsolympiade 1995 im französischen Lyon errangen 10 von 17 rot-weiß-roten Vertretern Medaillen. In der Relation Teilnehmer und Auszeichnungen bedeutet dies unangefochtene Weltspitze: Wir sind erste! – Und ich warne davor, dieses System zu zerschlagen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Viertens – das erscheint mir besonders wichtig –: Junge Menschen haben unterschiedliche Begabungen. Wir legen immer weniger Wert auf die praktische Intelligenz. Ich glaube, die praktische Intelligenz, die vorhanden ist, das handwerkliche Können, das Europa in seiner Qualität auszeichnet, soll gefördert und nicht abgewürgt werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Was schwebt der Wirtschaft und uns für ein Maßnahmenbündel vor?

Erstens: Es ist ganz wichtig, daß wir im Betrieb eine Mindestausbildungszeit haben.

Zweitens soll die Berufsschulzeit branchenorientiert und flexibler gestaltet werden, und es ist von einer Verlängerung der Berufsschulzeit dringend abzuraten. Das ist einer der Punkte, warum Betriebe nicht mehr Lehrlinge ausbilden. Es soll außerdem auch – weil wir von einem lebensbegleitenden Lernen sprechen – Möglichkeiten geben, später etwas nachzuholen und das Wissen zu erweitern.

Drittens: Ein sehr wichtiger Punkt ist die Kreation einer Fach- und Berufsmatura. Es darf nämlich nicht sein, daß eine Lehrlingsausbildung zu einer Bildungssackgasse wird und daß gegenüber


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den AHS- und BHS-Absolventen ein Nachteil entsteht. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) – Dafür sind Bildungsschecks oder Bildungsgutscheine gut geeignet.

Ein vierter Punkt ist – den soll man auch beachten –, daß die finanzielle Entlastung von Lehrbetrieben voranzutreiben ist, wobei ich dazusagen möchte, das ist nicht der ausschließliche Grund. Es ist ein Punkt, daß man Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, auch finanziell entlastet, daß man ihre Bildungsbereitschaft vielleicht steuerlich abgilt.

Fünfter Punkt: Entbürokratisierung bei der Beschäftigung von Lehrlingen. Wir haben die Probezeit von drei auf zwei Monate verkürzt; ich würde sie wieder auf drei Monate verlängern. In manchen Bereichen sieht man in zwei Monaten nicht immer, was ein Lehrling kann, man erkennt das Talent des Lehrlings nicht. Man schadet einem jungen Menschen, wenn er in einem Beruf fälschlich ausgebildet wird, wenn man ihn dann drei Jahre behalten muß, obwohl er kein Talent dazu hat. Ich glaube, das ist ein Verbrechen an der Jugend. Wir sollten schauen, daß wir diese Flexibilität auch in diesem Bereich haben, nämlich daß die jungen Menschen nicht an einen falschen Beruf gebunden sind. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

All diese Maßnahmen ergeben eine Initiative, die der Wirtschaft respektive den Betrieben helfen würde, den Slogan "Karriere mit Lehre" weiterhin mit Ausbildungsinhalten von höchster Qualität zu füllen. (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.57

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Es heißt im Volksmund: Aller guten Dinge sind drei. Vermutlich hat Frau Abgeordnete Preisinger das auch gedacht, denn sie hat heute zum dritten Mal annähernd die gleiche Rede gehalten. Ihre Argumente wurden aber deshalb nicht besser. Die Qualität der Schule hat mit Quantität überhaupt nichts zu tun. Und wenn sie heute zum dritten Mal bejammert, daß im Sekundarbereich sechs Stunden eingespart werden müssen, dadurch nur gespart wird und die Qualität leidet, so muß ich sagen: Das stimmt ganz einfach nicht!

Ich bin auch diesbezüglich ganz Ihrer Meinung, Frau Bundesministerin, daß nämlich, wie Sie festgestellt haben, nicht jeder Anforderung der Gesellschaft an die Schule mit einem Mehr an Stunden zu begegnen ist, ein Mehr an Stunden zu folgen hat. Und mehr Geld bedeutet, wie Abgeordneter Antoni gesagt hat, nicht automatisch eine bessere Schule.

Wenn wir heute feststellen, daß unsere Buben nicht mehr Fußball spielen, weil sie andere Interessen haben, dann können wir nicht reagieren, indem wir einfach mehr Turnstunden auf den Stundenplan setzen. Und wenn ein Kind Legastheniker ist, dann werden die Probleme nicht dadurch behoben, daß es mehr Deutschstunden gibt. Ganz im Gegenteil: Es müssen gezielte Methoden eingesetzt werden – und das zeichnet Schule aus, das ist Qualität der Schule! (Beifall bei der SPÖ.)

Entscheidend ist die Rolle der Lehrer, hat Abgeordneter Öllinger heute gesagt. Dem kann ich voll zustimmen. Ob die Schule gut ist, wird davon abhängen, wie die Lehrer vorbereitet sind, welcher Lehr- und Lernmethoden sie sich bedienen, welche Lehr- und Unterrichtsmittel den Schülern zur Verfügung gestellt werden. Ob eine Schule Qualität hat oder nicht, wird auch davon abhängen, wie das Schulmanagement – Schulaufsicht, Schulleitung – funktioniert. Die Zahl der Unterrichtseinheiten ist aber mit Sicherheit kein Gradmesser. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ich stimme mit Ihren Ausführungen im Ausschuß und auch von heute überein. Nur: Mit einem bin ich nicht einverstanden: nämlich daß Schulen geschlossen werden, wobei ausschließlich Schülerinnen und Schüler die Leidtragenden sind. Die Medien haben berichtet – das Echo war ein geringes. Auch der Ombudsmann der kleinformatigen Tageszeitung hat nicht mehr zusammengebracht als die Feststellung: Hick-


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hack. – Konkret geht es um die Schließung der Höheren Lehranstalt für Gesundheits- und Krankenpflege der Caritas.

Nach meiner persönlichen Recherche scheinen da einige Ungereimtheiten vorzuliegen, und ich bitte um Aufklärung. Noch im Jänner 1995 wurde diese Schulform vom Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten beworben, und zwar als eine innovative Schulform, und dem kann ich auch zustimmen. Denn die Schülerinnen und Schüler erwerben dort nicht nur gleichzeitig Maturaabschluß und Studienzugang, sie haben auch eine solide berufliche Ausbildung.

Es haben sich daher auch sehr viele SchülerInnen angemeldet, 30 davon wurden schlußendlich aufgenommen. Die Schule ging im September ordnungsgemäß in Betrieb. Die Werteinheiten wurden den Lehrern zugeteilt, die Lehrer wurden bezahlt, die Schüler hatten Schülerfreifahrt und Schulbücher. Es kam dann im September einige Beunruhigung darüber auf, daß der Schulversuch noch nicht bescheidmäßig genehmigt war. – Das wundert einen gestandenen Lehrer nicht, denn sehr oft kommen diese bescheidmäßigen Genehmigungen erst viel später.

Es kam aber eine beruhigende Stellungnahme, in der vorgeschlagen wurde, diese Schule nicht mehr als Schulversuch zu führen, sondern ganz einfach als Privatschule mit einem eigenen Organisationsstatut. Eltern, Lehrer und Schulleitung haben, wie mir ein Vater erzählte, mit Sekt darauf angestoßen. Die Schule wurde dann also in Ruhe weitergeführt, sie wurde kontrolliert und für in Ordnung befunden. Und dann, am 19. März, hört man, daß Sie, geschätzte Frau Ministerin, die Führung dieser Schule zunächst einmal mündlich untersagt haben, vermutlich mittlerweile auch schriftlich.

Dafür habe ich insofern aus Ihrer Sicht Verständnis, als Sie vielleicht dahintergekommen sind, daß Ministerialbeamte möglicherweise eigenmächtig gehandelt, Versprechungen abgegeben haben, die Sie nicht mittragen wollten. Es könnte aber auch sein, daß die Caritas als Schulerhalter anders kalkuliert hat, vielleicht hoch gepokert hat, so nach dem Motto: Errichten wir einmal eine Schule und warten wir ab. Wenn sie ein halbes Jahr läuft, wird es keinen mehr geben, der diese Schule unter dem Druck der Eltern wird schließen können. – Sie wurde geschlossen.

Mein mangelndes Verständnis gilt vielmehr dem Umstand, daß die Schüler ab Juni eine Schließung ihrer Schule einfach hinnehmen müssen. Es wird ihnen zwar zugesagt, man wird alles tun, daß sie in andere HLAs, höhere Lehranstalten, umsteigen können. Nur scheint mir das einigermaßen naiv zu sein, denn es wird kaum im September genügend Plätze geben, sodaß diese Schülerinnen und Schüler in eine andere, ähnlich gelagerte Schulform umsteigen werden können. Daher befürchte ich, daß die meisten von ihnen ein Schuljahr verlieren werden und wieder mit der ersten Klasse einer berufsbildenden Schule beginnen werden müssen.

Ich sehe darin einen beträchtlichen volkswirtschaftlichen Schaden. Ich frage mich auch, warum man – vielleicht ist es Beschäftigungstherapie –, wenn die Schule mit März untersagt wird, aber noch bis Juni die Lehrer weiterbezahlt werden, nicht sofort nach einer Alternative sucht.

Sehr geschätzte Frau Ministerin! Ich ersuche Sie um Aufklärung dieser Ungereimtheiten, die möglicherweise in Ihrem Ministerium passiert sind. Ich habe eine Reihe von Unterlagen, die dies vermuten lassen. Aber viel wichtiger scheint es mir zu sein, Ihre Ankündigung wahrzumachen, ernsthaft eine Lösung zu überlegen, und im Interesse der Schülerinnen und Schüler so zu entscheiden, daß sie nicht ein Jahr verlieren! Und vielleicht könnte man auch die Denkvariante ins Auge fassen, diese Schulform im Interesse dieser Schülerinnen und Schüler auslaufen zu lassen, aber nicht im Juni 1996, sondern im Juni 2000, wenn dieser Jahrgang normalerweise mit Matura abschließen würde! (Beifall bei der SPÖ.)

15.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Verena Dunst. Ich erteile ihr das Wort.

15.06

Abgeordnete Verena Dunst (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Die Vorbereitung junger Menschen auf Bildungs- und Berufswege in der Wirtschafts- und


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Arbeitswelt von heute und morgen ist eine wichtige Aufgabe unseres Bildungswesen. Die Vielzahl der Berufs- und Bildungsmöglichkeiten sowie die zunehmende Differenzierung der Bildungs- und Ausbildungswege und die sich rasch verändernden wirtschaftlichen Gegebenheiten verlangen intensive und effiziente Orientierungs- und Beratungshilfen.

Die Aufgabe der Schule, die Jugendlichen auf das Berufs- und Arbeitsleben vorzubereiten, ist im Schulorganisationsgesetz beziehungsweise in den Lehrplänen durch die unverbindliche Übung "Berufsorientierung und Berufsinformation" in der 7. und 8. Schulstufe, durch den Gegenstand "Berufskunde und praktische Berufsorientierung" am Polytechnischen Lehrgang, weiters durch die Schulveranstaltung "Berufspraktische Tage" in der 8. Schulstufe und am Polytechnischen Lehrgang durch das Unterrichtsprinzip "Vorbereitung auf die Berufs- und Arbeitswelt" verankert. Der Prozeß der beruflichen Orientierung leistet also damit von der 1. bis zur 4. Klasse der Pflichtschule insgesamt einen wertvollen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung beziehungsweise überhaupt zur Entwicklung der Vorstellungen über die Zukunft.

Es soll daher im Unterricht vorwiegend von den Interessen, Neigungen, Fähigkeiten, Eignungen, Bedürfnissen und Werthaltungen der Schüler ausgegangen und somit Hilfe bei der Planung des zukünftigen Lebensweges angeboten werden. Persönliche Erfahrungen und Erlebnisse der Jugendlichen mit Arbeit stehen im Vordergrund und bilden Anknüpfungspunkte.

Dem Koalitionsabkommen ist dazu folgendes zu entnehmen – ich zitiere –:

"Bei der Neugestaltung der Lehrpläne sind die Schwerpunktbildung in inhaltlichen Bereichen, die Schlüsselqualifikationen sowie der verstärkte Bezug zu den Lebens- und Handlungsfeldern zu berücksichtigen. Verbesserte Schullaufbahnberatung, Berufsorientierung, sowie die Beschäftigung mit neuen Technologien sind notwendig."

Seit Ende 1994 gibt es nun eine Arbeitsgruppe im Ministerium, wie Sie, Frau Ministerin, sicherlich wissen, die ein Konzept für die Verankerung einer neuen Berufsorientierung im Bereich der 10- bis 14jährigen erarbeitet, welches natürlich auch mit der AHS akkordiert werden muß. Im Interesse der Schüler wäre es daher wünschenswert, daß dieses Konzept so bald wie möglich Eingang in die Praxis findet.

Gestatten Sie mir dazu ein paar sehr persönliche Bemerkungen: Meiner Meinung nach ist es zu spät, erst in den letzten Hauptschulklassen mit der Berufsorientierung zu beginnen, wie es derzeitige Praxis ist. Es müßte spätestens ab der 2. Hauptschul- beziehungsweise 2. AHS-Klasse ausreichende Beschäftigung mit Berufsfeldern geben, und zwar deutlich mehr als bisher.

Vor allem wäre dabei die Chance groß, Mädchen frühzeitig für nichttypische Frauenberufe zu interessieren. Gerade jetzt, wo man merkt, daß es auf dem Arbeitsmarkt vor allem für Frauen Probleme gibt, gerade diese Situation zeigt uns, daß es Frauen nur dann möglich ist, einen Arbeitsplatz zu finden und diesen auch zu behalten, wenn sie die notwendigen Qualifikationen mitbringen.

Wenn Mädchen bereit sind, von den traditionell weiblichen Berufen abzugehen, dann haben sie auch mehr Chancen bei ihrer Lehrstellensuche. Ein von mir initiiertes Berufsorientierungsprojekt an allen Hauptschulen meines Bezirkes zeigte dies sehr deutlich. Gestatten Sie mir, Frau Kollegin Tichy-Schreder, Ihnen zu sagen, es hat mir sehr gefallen – daß Ihre Intentionen von der Wirtschaftsseite kommen, ist mir klar –, daß Sie unter anderem gesagt haben: Karriere mit Lehre – da muß mehr geschehen!

"Karriere mit Lehre", das beinhaltet natürlich auch das Problem des mangelnden Prestiges. Sie wissen das genau so wie ich. Derjenige, der eine öffentliche Anerkennung seines Berufsweges vor sich sieht, wird diesen Berufsweg natürlich lieber ansteuern. Wir wissen aber leider, daß der Facharbeiter, daß die Lehre an sich nicht unbedingt hohes Prestige genießt. Nur kann ich nicht umhin, mich diesbezüglich auch ein bißchen kritisch in Richtung Wirtschaft zu äußern.

Ich habe mich in den letzten 15 Jahren sehr stark mit der Verbindung Schule und Berufsorientierung, sprich Wirtschaft, beschäftigt. Manchmal war ich davon überzeugt, daß die


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17. Sitzung / Seite 449

Lehrlingsausbildung den Unternehmern wirklich wichtig ist. Es passiert da wirklich sehr viel in der Wirtschaft. Viele Unternehmer bemühen sich bis zum Äußersten, aus den Lehrlingen sozusagen etwas zu machen. Aber manchmal war ich schon auch enttäuscht, wenn ich gesehen habe, daß manche Wirtschaftstreibende meines Erachtens zu wenig in die Ausbildung investiert haben, und ich immer wieder, wenn es darum gegangen ist, Lehrstellensuchende unterzubringen, auf Aussagen gestoßen bin wie: Ein Lehrling kostet zu viel, er ist zu teuer, das leiste ich mir nicht, er ist zu lange in der Berufsschule und so weiter. In solchen Momenten, muß ich sagen, war mir nicht gerade sehr warm ums Herz in Richtung "Karriere mit Lehre". Auch da würde ich Sie bitten, aus Ihrer momentanen Situation heraus ... (Abg. Tichy-Schreder: Die Arbeiterkammer verlangt eine Verlängerung der Ausbildung! Die Wirtschaft nimmt es aber nicht mehr hin! – Wir müssen miteinander reden!) – Genau das, Frau Abgeordnete!

Ich habe es vorher schon betont: Prestige ist gut, wenn gut bezahlt wird und man gut ausgebildet ist. Nur dann werden Sie von der Wirtschaft auch bereit sein, gut zu zahlen. Aber die Ausbildung erfordert immer mehr, Sie wissen es. Neue Technologien fordern der Wirtschaft sicher genug ab in der Ausbildung. Aber gerade neue Technologien bringen es halt auch mit sich, daß die Ausbildung länger dauern muß. – Aber mir ist schon klar, daß wir das jetzt nicht ausdiskutieren können.

Frau Ministerin! Ein Wort auch zu Ihnen persönlich; wir haben im Budgetausschuß schon darüber diskutiert. Ich war ein bißchen enttäuscht über Ihre Aussage auf meine Anfrage hin, was die Vorhaben in der Sache Berufsorientierung betrifft. Sie haben gemeint: Bitte nicht so, daß wieder etwas Zusätzliches kommt! Mir ist völlig klar, daß das gerade in diesem Moment nicht drinnen ist. Aber Unterrichtsprinzipien gibt es genug, und Sie wissen sicher genauso wie ich, als eine, die aus diesem Bereich kommt, daß in der Praxis diese Unterrichtsprinzipien aber auch mehr Eingang finden müssen. Und da habe ich das Gefühl – das ist meine persönliche Meinung dazu –, daß in der Pflichtschule zu wenig über Berufsorientierung gesprochen wird.

Dem Polytechnischen Lehrgang – und "Karriere mit Lehre" und Berufsorientierung bringen mich zu diesem Thema – kommt natürlich bei dieser Aufgabenstellung besondere Bedeutung zu. Ich möchte es nicht verabsäumen, von dieser Stelle aus jenen engagierten Lehrerinnen und Lehrern an den Polytechnischen Lehrgängen, die dasselbe Problem wie die Lehrlinge haben – auch sie haben nicht unbedingt das große Prestige, das hängt mit der Fachausbildung zusammen –, zu sagen: Es war ganz toll, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Jahren geschafft haben!

Diese Lehrer trugen selbst das meiste zur Reform dieses Schultyps bei, sie haben viel von ihrer Freizeit dafür geopfert. Entsprechend dem Koalitionsabkommen soll da noch viel geschehen. Die Reform "PL 2000" steht ja an.

Auch in den Ländern wurden bereits qualitätsfördernde Strategien entwickelt. Mit einem Wort, ganz einfach praktisch umgelegt: Es muß etwas für die Aufwertung des Polytechnischen Lehrgangs geschehen. (Beifall bei der SPÖ.) Ich nehme diesen Applaus nicht für mich selbst entgegen, sondern für anwesende Schüler und Schülerinnen, aber vor allem für die Lehrlinge, die vorher den Polytechnischen Lehrgang besuchen. (Beifall eines jugendlichen Besuchers auf der Galerie.)

In ganz Österreich finden zurzeit an 163 Orten mit 410 Klassen unter dem Titel "PL 2000" Schulversuche statt. Auch diese Schulversuche muß man weiter ausbauen. Nicht außer acht lassen sollte man aber auch das Konzept der Sozialpartner zur Neugestaltung der Berufs- und Bildungsorientierung. Ich möchte hier nur einige Schwerpunkte aus dem Papier der Sozialpartner herausgreifen.

Die Sozialpartner sagen – und dieser Gedanke gefällt mir persönlich sehr gut –, daß Werkerziehung sozusagen zum Leitfaden werden sollte, mit phasenweisem Austausch der Fachlehrer. Die unverbindliche Übung "Berufsorientierung und Bildungsinformation" sollte weiter ausgebaut werden, meinen die Sozialpartner. Im Rahmen der Schulautonomie, Frau Ministerin, sollte laut Sozialpartnern die Möglichkeit geschaffen werden, dabei noch mehr Wert auf praxisnahen


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Unterricht zu legen. Zusätzliche drei bis fünf Projekttage pro Schulstufe wären zum Beispiel ein Wunsch der Sozialpartner, und ich kann mich dem durchaus anschließen. Aber es wird auch notwendig sein, die Ausbildung der praxisorientierten Lehrer noch effizienter zu machen.

Frau Ministerin! Sie sehen, in diesem Bereich gibt es noch viel zu tun. Ich bin der Meinung, daß nur eine rechtzeitige Berufsorientierung, Hand in Hand gehend mit einer Aufwertung des Polytechnischen Lehrganges als berufsvorbereitender Abschlußklasse, gewährleistet, daß die jungen Menschen eine gute Entscheidung für den richtigen Beruf treffen, für eine qualifizierte Ausbildung und somit für eine Chance auf einen adäquaten Arbeitsplatz! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. Er hat das Wort.

15.16

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Aus vielen Gründen ist die Lehrlingsausbildung derzeit in aktueller Diskussion. Die Wirtschaft verlangt ein Sofortprogramm – wir haben gerade den Diskussionsbeitrag der Kollegin Tichy-Schreder gehört – mit einer Reihe von Forderungen, die für Lehrbetriebe vielleicht attraktiver, für die Lehrlinge aber sicherlich unattraktiv sind. Ich denke, es wird zum gegebenen Zeitpunkt die Möglichkeit geben, die Forderungen der Wirtschaft den Forderungen der Arbeitnehmer gegenüberzustellen und gemeinsam nach sinnvollen Lösungen zu suchen.

Ich möchte aber Ihren Diskussionsbeitrag, Frau Kollegin Tichy-Schreder, doch nicht so einfach vorbeigehen lassen. Sie haben nämlich ein Beispiel aus der Metallindustrie mit einer Lehrwerkstätte gebracht. Ich gehe davon aus, daß Sie wissen, daß ich einige Jahre lang im Bereich der Metallindustrie fast alle großen Betriebe im Zuge meiner beruflichen Tätigkeit betreut und mich jahrelang um Lehrlingsfragen gekümmert habe.

Gerade das Beispiel ABB zeigt, daß nicht die Dauer der Berufsschule und die Berufsschulzeit ausschlaggebend für das Reduzieren der Zahl der Lehrlinge in diesem Unternehmen und das Schließen der Lehrwerkstätte waren, sondern in diesem Betrieb war vor allem ausschlaggebend, daß ein gewisser Wertewandel, was die Stellung des Lehrlings anlangt, eingetreten ist.

Ich möchte Ihnen das auch begründen. Ich kann mich noch gut an Diskussionen mit dem jahrelangen Ausbildungsleiter dieses Unternehmens erinnern, der immer gesagt hat: Für uns ist wichtig, daß wir auch über den betrieblichen Bereich hinaus ausbilden, denn derjenige, der bei uns mit guter Ausbildung später einmal aus dem Betrieb ausscheidet, wird wahrscheinlich sein ganzes Berufsleben lang an die ABB zurückdenken und da oder dort auch indirekt Werbung für unser Unternehmen machen.

Heute hat diese Einstellung leider ihre Bedeutung verloren. Heute wird nur mehr für den Betrieb und für den Eigenbedarf ausgebildet und nicht, weil die Berufsschulzeit verlängert wurde, sondern weil man eben nur mehr Kosten und Zahlen in den Vordergrund stellt.

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich glaube, daß man in einer solchen Unterrichtsdebatte auch eine grundsätzliche Bemerkung zur Bildungspolitik im Bereich der Berufsschule machen sollte. Durch die 16. Novelle des Schulorganisationsgesetzes 1994 wurden die Berufsschulen mit höheren Schulen gleichgestellt. Bisher haben aber die Berufsschulen keine neuen Aufgaben dazubekommen. Was dazugekommen ist, ist, daß man da oder dort sehr erfolgreiche Pilotversuche gestartet hat, beispielsweise in Vorarlberg. Frau Ministerin! Ich gehe davon aus, daß Ihnen von diesem Versuch berichtet wurde. Es ist im vergangenen Jahr von der Bludenzer Berufsschule ein Vorbereitungslehrgang mit dem Ziel veranstaltet worden, ehemalige Lehrlinge zur Matura zu motivieren. In Wien haben wir im Berufsschulbereich der Fertigungstechniker einen Lehrgang für Qualitätssicherung geschaffen, also auch einen zusätzlichen Bildungsinhalt für die Lehrlinge angeboten.

In der Elektro-Berufsschule in Wien kam es zur Ausbildung im Bereich Photovoltaik, und zwar auf einer Anlage, die die Lehrlinge selbst unter Anleitung ihrer Lehrer gebaut, in Betrieb genom


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men und gleichzeitig von der Konstruktion bis zur Inbetriebnahme dieses Themenfeld ihrer Ausbildung entsprechend bearbeitet haben.

Diese Beispiele beweisen, daß die Berufsschulen von den Räumlichkeiten, von der Lehrerkapazität und von den Wissensressourcen her verstärkt nutzbar gemacht werden könnten. Sie könnten eigentlich mehr tun, als sie derzeit dürfen. Ich meine, wir sollten daher alles daransetzen, den Berufsschulen die Möglichkeiten zu geben, über ihre ureigensten Aufgaben hinaus, weiterführende Bildung anbieten zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Man kann das auch mit einem Satz sagen: Sie sollten das Recht haben, ihre Kapazitäten in allen Bereichen möglichst optimal zu nützen. Berufsschulen sollten in unserer heutigen Zeit, in diesem Jahrhundert, das bald zu Ende geht, Bildungszentren sein, so wie andere Schulen, wie es auch die Universitäten in unserem Land bereits sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zu den Schulen zählen aber auch die Lehrer. Und ich glaube, es ist ganz gut, sich auch mit der Situation der Lehrer ein bißchen auseinanderzusetzen. Wir stellen immer wieder fest, daß es Schwierigkeiten hinsichtlich der Rechte und der Möglichkeiten gibt, die Berufsschullehrer haben, etwa auch in Zusammenarbeit mit HTL-Lehrern. Beispielsweise dürfen Berufsschullehrer auf der Berufspädagogischen Akademie zwar selbst Lehrer unterrichten, auf einer Höheren Technischen Lehranstalt jedoch keine Schüler unterrichten. Es gibt also einige Unstimmigkeiten, die man vielleicht auch in dieser Gesetzgebungsperiode sachlich prüfen und versuchen könnte, diesbezüglich zu mehr Synergien, zu mehr Zusammenarbeit zu kommen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Eine Mitverwendung in diesem Bereich kann nur fruchtbar sein und letztlich nur der Jugend dienen.

Ein ganz anderer Punkt: Bei einer Veranstaltung der Sektion Gewerbe und Handwerk in Niederösterreich beispielsweise wurde vor wenigen Tagen verlangt – ich zitiere wörtlich aus einem Papier, das dort den Veranstaltungsteilnehmern übergeben wurde –: ... eine Auslagerung der Allgemeinbildung aus der Berufsschule, denn das ist doch Pflichtschulsache. – Ich glaube, mit Ihnen einer Meinung zu sein, Frau Kollegin Tichy-Schreder, daß unsere Überlegungen nicht so weit gehen sollten! Ich meine, wir haben doch einen breiten Konsens darüber, daß auch die Berufsschule die Aufgabe hat, neben der Vermittlung von beruflichen Fertigkeiten und Kenntnissen auch allgemeinbildende Fertigkeiten und Kenntnisse zu übermitteln. Daher sage ich, das ist nicht meine oder unsere Position, wenn Wirtschaftsbereiche so extreme Forderungen aufstellen, nämlich die Forderung, Allgemeinbildung aus den Berufsschulen sozusagen zu entfernen. (Abg. Dr. Fuhrmann: Das ist auch kurzsichtig!)

Liebe Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte bei dieser Gelegenheit ausdrücklich Frau Bundesministerin Gehrer für Ihre Ausführungen danken, die sie bei einer Enquete diese Woche zum Thema "Neue Wege in der beruflichen Aus- und Weiterbildung" gemacht hat. Frau Bundesministerin! Sie haben sich dort sehr engagiert zum Thema "Berufsmatura" gemeldet, so wurde mir jedenfalls berichtet, und haben sich dafür ausgesprochen und das als wichtiges Thema tituliert. Ich glaube, das soll man auch erwähnen. Das ist auch ein wichtiges Thema, das wir in den nächsten Monaten entsprechend behandeln sollten. (Beifall bei der SPÖ und der Abg. Tichy-Schreder. )

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich habe hier die Broschüre "Wege in die Zukunft – Das technisch-gewerbliche Schulwesen in Österreich". Das ist eine Broschüre, die Jugendliche vor Eintritt in diese Schulen bekommen. Es wird darin ganz interessant ein allgemeines Bildungsziel dieses Schultyps beschrieben. Dieses Bildungsziel wird beispielsweise wie folgt beschrieben – ich zitiere –: Der Schüler soll Vorgänge und Zustände nach vorgegebenen Gesichtspunkten präzise beobachten, Wesentliches erkennen und Sachverhalte in gesprochenem und geschriebenem Deutsch und in mindestens einer Fremdsprache, in mathematisch-naturwissenschaftlicher Symbolik sowie durch graphische Darstellungen ausdrücken können. – Ich glaube, dieses eine Bildungsziel – und ich könnte noch weitere zitieren – macht klar und deutlich eines sichtbar: Dieses Bildungsziel, das für 14-, 15jährige in unserer Republik formuliert ist, das in einer Broschüre Ihres Ministeriums niedergeschrieben ist, sollte eigentlich auch unser Bildungsziel für


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jene Gruppe von jungen Menschen sein, die nicht diesen Schultyp besuchen, sondern die eine Lehre absolvieren und als begleitenden Unterricht eine Berufsschule besuchen müssen.

Ich frage mich aber: Wenn dies auch die Ziele der Berufsschule sein sollen, wie wird die Berufsschule diesen Zielen auch nur annähernd gerecht? – Ich glaube, sie kann es derzeit nicht, weil die Lehrpläne, und vor allem die Möglichkeiten, allgemeinbildende Fächer zu unterrichten, nicht ausreichend sind; da gibt es entsprechenden Handlungsbedarf. Anders ausgedrückt: 120 Stunden Englisch, Politische Bildung nur 80 Stunden, aufgeteilt auf bis zu vier Lehrjahre, reicht nicht aus, den Lehrlingen eine ausreichende Allgemeinbildung zukommen zu lassen. Ich glaube, wir hätten guten Grund, alles zu tun, damit auch die Lehrlinge ein ausreichendes Angebot an Allgemeinbildung in der Berufsschule erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Im letzten Aspekt dieses Redebeitrags, sehr verehrte Damen und Herren, möchte ich mich noch einmal der Situation der Berufsschullehrer zuwenden. Ich bitte um Entschuldigung dafür, wenn ich einige Jahre zurückgehe, um die Situation zu beleuchten. In den ausklingenden achtziger Jahren fanden insbesondere die Wiener Berufsschullehrer plötzlich Arbeitsbedingungen vor, die als ausgesprochen positiv zu bezeichnen sind. Wir hatten im größten österreichischen Berufsschulzentrum, nämlich in der Mollardgasse, zu diesem Zeitpunkt 5 000 Schüler pro Woche, und es stieg der Anteil der ausländischen Schüler mit 25 Prozent schlagartig. Es tauchten die Probleme der Sprache, der Integration und die Notwendigkeit der Begleitlehrer auf. Ich denke, man sollte bei dieser Gelegenheit einmal den Lehrern dafür danken, daß sie das damals ohne wesentliche Probleme konfliktfrei bewältigt haben, und ich möchte von dieser Stelle aus einmal insbesondere den Wiener Berufsschullehrern recht herzlich dafür danken, daß sie damals nicht gefragt haben: Wie mache ich das?, sondern daß sie diese Herausforderungen angenommen haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Das war in den zu Ende gehenden achtziger Jahren. – Im Herbst 1991 kam es plötzlich – insbesondere auch in dieser Berufsschule, die ich sehr gut kenne, weil ich selbst Absolvent dieser Berufsschule bin – zu einer schlagartigen Verschlechterung der Situation. Schülerkonflikte nahmen zu, insbesondere zwischen Inländern und Ausländern. Es gab Schmieraktionen auf den Toiletten mit Hakenkreuzen und verschiedenen Parolen. Und es ist vielleicht ein Zufall – oder auch nicht –: Diese veränderten Verhaltensweisen fielen mit dem Wahlkampf in Wien zusammen, der damals von einer gewissen Polarisierung im Zusammenhang mit der Ausländerbeschäftigung und mit den Ausländern in unserem Land geprägt war.

Trauriger Höhepunkt dieser Auseinandersetzung und dieser Situation war der Oktober 1994. Im Oktober 1994 kam es zur Suspendierung eines Berufsschullehrers wegen Vorstößen gegen den Paragraph 3 des Verbotsgesetzes. Damals wurde dieser Umstand in einigen Zeitungen registriert. Im "Kurier" vom 6. Oktober 1994 fand sich etwa die Überschrift "Lehrer im Verdacht der Nazi-Propaganda". "Laut Aussagen" – ich zitiere aus diesem "Kurier"-Artikel – "mehrerer Schüler soll Richard R., der in einem Naheverhältnis zur FPÖ stehen soll, folgende Äußerungen getätigt haben: Die Gaskammern im KZ Dachau wurden erst nach 1945 eingebaut. Der Film ,Schindlers Liste‘ ist ein Spielfilm, er entspricht nicht der Realität."

Der "Standard" schrieb am 6. Oktober: Der rechte Pädagoge hatte seine skandalösen Thesen den Elektrotechnik-Schülern der ersten Klasse mehrmals im Laborunterricht dargelegt. Für die Massenvernichtung der Juden im Dritten Reich gäbe es keine Beweise, so meinte er.

Der "Standard" schrieb in diesen Tagen neuerlich über die Suspendierung dieses Lehrers beziehungsweise über die von Schülern gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Inzwischen stellte auch der Pressesprecher der Freiheitlichen Partei, Westenthaler, fest, daß dieser Lehrer R. nicht FPÖ-Mitglied ist, wie es in diesen Zeitungsmeldungen dokumentiert worden war. (Abg. Mag. Stadler: In Zeitungen können Sie nichts "dokumentieren", das sollten Sie wissen!)

Der "Standard" am 7. Oktober 1994 – und ich glaube, es ist nicht schlecht, das auch alles einmal zu dokumentieren, und ich werde auch sagen, warum das gerade jetzt aktuell ist – schrieb: "Ganz so ferne, wie Westenthaler meint, dürfte R. der FPÖ nicht stehen. Immerhin beehrt der suspendierte Pädagoge regelmäßig die Stammtische der FPÖ Guntramsdorf. Mit am Tisch Otto


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Rosskopf, dessen ,Kameradschaft Prinz Eugen‘ einst das Kunststück zuwege brachte, aus dem Kameradschaftsbund wegen Rechtslastigkeit ausgeschlossen zu werden."

Warum erzähle ich das? Warum erinnere ich an diese Presseaussendungen und Pressemitteilungen, sehr verehrte Damen und Herren? – Weil in einer Einvernahme am 4. Oktober 1994 dieser Berufsschullehrer dem Stadtschulrat für Wien deutlich gemacht hat – und das ist auch dokumentiert –, er sei Parteigänger von Dr. Haider, und er habe über das Schweizer Modell der Demokratie im Sinne der Aussagen seines Parteiobmannes Dr. Haider gesprochen.

Ich glaube, es ist damit klar dokumentiert, daß da ein Zusammenhang besteht, der bedauerlich ist. In wenigen Tagen, nämlich am 21. Mai 1996, ist nun die Hauptverhandlung gegen diesen Lehrer, Herrn R. R., vor dem Landesgericht in Wien angesetzt. Sehr verehrte Damen und Herren! Ich hoffe, daß wir solche Verfahren wie dieses, das ich jetzt zitiert habe, in unserem Land nie mehr erleben müssen, daß solche Verfahren in unserem Land nie mehr angestrengt werden müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Beratungsteil Unterricht und Kunst liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe daher diese Debatte ab.

Gesundheit

Kapitel 17: Gesundheit und Konsumentenschutz

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Verhandlung des Verhandlungsteiles Gesundheit.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pumberger als Kontraredner. Ich erteile es ihm.

15.31

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Frauen Bundesministerinnen! Hohes Haus! In den vergangenen Tagen haben wir ja sehr viel darüber gehört, wie gut es um die Situation in Österreich bestellt ist. Da haben uns die Abgeordneten der Sozialdemokraten erzählt, daß der Wirtschaftsstandort Österreich gefestigt ist, und wir konnten auch vernehmen, daß die Arbeitsplätze gesichert sind. Herr Abgeordneter Koppler – heute ist er wahrscheinlich in der schönen Sonne draußen – hat uns mitgeteilt, daß er 80 000 Arbeitsplätze neu geschaffen hat und nur 10 000 in der verstaatlichten Industrie abgebaut hat. Also lauter Erfolgsmeldungen konnten wir in den vergangenen Tagen vernehmen. Eine ähnliche, aber nicht minder wichtige Erfolgsmeldung konnten wir von der Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz vernehmen, nämlich jene, daß es sich bei der Reform der Finanzierung des Krankenanstaltenwesens um eine Jahrhundertreform handle, um eine Reform, die epochal und im Gesundheitswesen noch nie dagewesen sei.

Frau Bundesministerin! Sie haben selbst gesagt, daß diese Einführung der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung keinen einzigen Schilling einsparen wird. Sie haben es nämlich verabsäumt, die begleitenden Strukturreformen durchzuziehen, und daher sage ich Ihnen hier vom Rednerpult aus ganz klipp und klar: Diese Reform ist unwirksam, ehe sie beschlossen wurde! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Reform ist nichts anderes als ein Etikettenschwindel, denn wir haben immer davon gesprochen, daß wir die leistungsorientierte – und ich betone hier das Wort "Leistung" – Spitalsfinanzierung einführen wollen. Was jetzt kommt, ist eine rein diagnoseorientierte Finanzierung. Es werden etwa 1 400 Diagnosen in einem ICD-Code zusammengefaßt. Das Modell in Vorarlberg hat uns schon gezeigt, daß es bis zu 60 Prozent Fehlkodierungen geben wird beziehungsweise bereits gibt. Da werden Männern die Eierstöcke entfernt, da wird Frauen die Prostata herausoperiert. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Das alles sieht man in den Arztbriefen, weil Fehlkodierungen an der Tagesordnung sind.


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Diese 1 400 Diagnosen sind für die Turnusärzte, die diese Kodierungen vornehmen, völlig unübersichtlich, und wir werden da ein Tohuwabohu erleben, das seinesgleichen suchen wird. Wir fordern daher schon lange, diese Diagnosen zusammenzustutzen, zu sammeln, auf etwa 250 zu reduzieren, und daß die Finanzierung nicht in erster Linie nach der Diagnose erfolgen soll, sondern nach der Leistung, die im Krankenhaus erbracht wird.

Wenn Sie, Frau Bundesministerin, in einer Anfragebeantwortung sagen, daß die Einführung der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung selbst die Kosteneinsparung im Krankenanstaltenbereich nicht bringt, dann haben Sie vollkommen recht, das muß ich Ihnen zubilligen. Aber dann frage ich Sie auch: Warum haben Sie die seit 17 Jahren propagierten und versprochenen begleitenden Strukturveränderungen – vor allem im extramuralen Bereich – nicht durchgeführt, ja ganz im Gegenteil, sie bis zum heutigen Tage – und, wie ich weiß, wird es auch in den kommenden so sein – blockiert?

Frau Bundesministerin! Das Modell Vorarlberg wird ja immer wieder genannt. Es ist schon erkennbar, daß keine weitere zusätzliche Steigerung der Spitalskosten eingetreten ist, ja es ist sogar eine Senkung der Steigerung – nicht die Senkung der Spitalskosten, wohlgemerkt! –, also eine Senkung der Steigerung der Spitalskosten um 2 Prozent festgestellt worden, was ich auch in Vorarlberg nicht zuletzt darauf zurückführe, daß man sehr viele Patienten in das Landeskrankenhaus Innsbruck transferiert hat: Teure, aufwendige Behandlungen läßt man jetzt im Bundesland Tirol durchführen. Das spart für Vorarlberg einiges ein, und das könnte sich genau um diese 2 Prozent handeln.

Auch in Vorarlberg haben die strukturellen Veränderungen noch nicht gegriffen. Daher glaube ich, daß man auch in Vorarlberg – obwohl ich es begrüße, daß Vorarlberg da Vorreiter war – noch nicht gezeigt, noch nicht bewiesen hat, daß es wirklich zu Einsparungen kommen wird.

Einsparungen gibt es nur durch Strukturmaßnahmen, durch strukturelle Reformen – aber wo sind denn die geblieben? – Ich kann keine einzige Maßnahme erkennen, die dazu beiträgt, daß der ungebremste Zuzug der österreichischen Patienten ins Spital eingebremst wird. Ganz im Gegenteil: Es werden den niedergelassenen Ärzten Ökonomierichtlinien aufgebrummt, Richtlinien, die ihnen die Arbeit mit dem Patienten und die Behandlung des Patienten in der freien Praxis immer schwerer machen.

Da werden die chefärztlichen Bewilligungen und Genehmigungen schwerstens ausgeweitet, werden Limitierungen und Strafandrohungen eingeführt. Da wird sich so mancher Arzt denken: Warum tue ich mir das an? Es ist doch gescheiter, ich schicke einen etwas schwierigeren Fall ins Krankenhaus, dann habe ich keine Sanktionen von der Krankenkasse zu erwarten! Das geht jetzt so weit, daß die österreichische Ärztekammer in einem Rundschreiben an alle niedergelassenen Ärzte zum offenen Boykott dieser Ökonomierichtlinien aufruft, Frau Bundesministerin. (Bundesministerin Dr. Krammer spricht mit einer Beamtin.) Frau Doktor, wenn auch Sie mir vielleicht kurz Ihre Aufmerksamkeit schenken, Sie sind ja auch direkt im Ministerium von der Materie betroffen und können manchmal vielleicht einen positiven Einfluß auf die Frau Bundesministerin ausüben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Vielleicht leihen Sie beide mir das Ohr (Bundesministerin Dr. Krammer: Vier Ohren sind zu viel für den Pumberger, zwei sind genug!) , das würde die künftige Arbeit im österreichischen Gesundheitswesen auch für Sie wesentlich erleichtern.

Die österreichische Ärztekammer ruft also zum offenen Boykott auf. Sie schreibt an die Ärzte: Sehr geehrter Herr Kollege! Sehr geehrte Frau Kollegin! Behandeln Sie Ihre Patienten wie bisher: primär zu deren Wohl und selbstverständlich auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Sollten die Krankenkassen versuchen, obwohl über die Grundsatzfrage der Rechtswirksamkeit dieser Richtlinien ein Rechtsstreit geführt wird, aus der Nichtbeachtung der Richtlinien einzelnen Ärzten rechtliche oder finanzielle Nachteile zu bereiten, wird diesen durch die Ärztekammer Rechtshilfe gewährt.

Also die Ärztekammer geht so weit, daß sie die Ärzte aufruft, die Richtlinien nicht zu beachten und die Behandlung der Patienten so wie bisher fortzusetzen. Ich begrüße diesen Aufruf an die


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Ärzte, denn das Wohl und die Genesung unserer Patienten hat Vorrang – nicht die Genesung der Finanzen, der maroden, verwaltungsmäßig aufgeblähten Pflichtkrankenkassen. Die sollen bei sich selbst einmal reformieren, bevor sie auf dem Rücken der Patienten ihr Budget sanieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei dieser Regelung, die da jetzt getroffen wurde und die in einigen Teilen verfassungswidrig ist – denn die verfassungsmäßigen Vorraussetzungen dazu sind ja noch nicht geschaffen –, gibt es ja schon großen Widerstand. Statt einem KRAZAF werden neun KRAZAFs neu gegründet, ein neunfacher Verwaltungsaufwand, neunfache Bürokratie, und es gibt neun autonome Länderfonds. Die Länder sollen also ihre Spitäler – unbeeinflußt vom Bund – frei finanzieren, mit den Mitteln, die ihnen aus diesem Fonds zur Verfügung stehen. Aber – und jetzt kommt das Aber, das verfassungswidrige Aber –: Nach einer Regelung ohne verfassungsrechtlichen Hintergrund hat der Bund jetzt die Möglichkeit, durch den bundeseinheitlich verpflichtenden Krankenanstaltenplan und Großgeräteplan den Ländern vorzuschreiben, in welchen peripheren Krankenhäusern sie welche Abteilungen schließen müssen, welche Spitäler sie überhaupt schließen müssen und welche Großgeräte wohin kommen.

Das ist insofern verfassungswidrig, als es im Artikel 12 Bundes-Verfassungsgesetz ganz klar heißt, daß die Gesetzgebung über die Grundsätze Bundessache ist; Landessache ist die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung in diesen Angelegenheiten. – Daher ist dieser Widerspruch ganz klar gegeben.

Auch die 3 Milliarden Schilling, die Finanzminister Klima den Bundesländern versprochen hat, werden keinen Landespolitiker dazu veranlassen, in ihrem Bundesland auf Befehl des Bundes eine Abteilung oder ein Krankenhaus in der Peripherie zu schließen, denn die infrastrukturelle Änderung, die Belastung und die Arbeitssituation, die Versorgung der Patienten vor Ort wird ihm wesentlich wichtiger sein als die paar Millionen Schilling, die er vom Finanzministerium als Ausgleich dafür bekommen wird. Daher ist diese Regelung, die da getroffen wurde, ohne Verfassungsänderung von vornherein nicht praktizierbar. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Verbindungsstelle der Bundesländer hat ja schon darauf hingewiesen. Als Sie, Frau Bundesministerin, im Krankenanstaltengesetz vor einem Jahr den § 10a einfügen wollten – nämlich den, der besagt, daß der Bundes-Krankenanstaltenplan Priorität vor dem LänderKrankenanstaltenplan haben solle –, hat man Ihnen das sofort herausgestrichen, da konnten Sie sich nicht durchsetzen. Sie hätten damals schon merken müssen, wie stark der Widerstand der Bundesländer werden wird, wenn ihnen von Bundesseite – wo man oft keine Ahnung hat, wie Ort die Versorgung von Patienten vonstatten geht – Vorschreibungen macht, wo und welche Behandlung in welchem Krankenhaus gemacht wird.

Viel gescheiter wäre es – und das ist eine langjährige Forderung der Freiheitlichen –, daß wir einen bundeseinheitlichen Fonds gründen, einen Fonds, in dem alle Gelder zusammenlaufen, die für die Finanzierung der Spitäler notwendig sind, und aus diesem Fond werden dann die Länderfonds gespeist.

Wir Freiheitlichen stehen mit dieser Forderung nicht allein da. Ich habe hier ein neues Modell der Krankenanstaltenfinanzierung, herausgegeben vom Abgeordneten Dr. Erwin Rasinger (Abg. Dr. Khol: Ein guter Mann! Ein sehr guter Mann! Das ist nämlich wirklich ein Experte!), 8. Mai 1995, noch nicht einmal ein Jahr alt. Da heißt es: Es soll ein Bundesfonds zur Abgeltung und zur Strukturverbesserung des Spitalswesens eingerichtet werden. Mittel sind hiefür Bundesgelder und Sozialversicherungsbeiträge.

Lieber Kollege Rasinger! Auch da sind wir wieder einer Meinung – wie in vielen anderen Punkten –, aber leider fallen, wenn es um die Umsetzung, um die Beschlußfassung geht, die Gesundheitspolitiker der ÖVP geschlossen um. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Rasinger. ) – Rasinger, spar dir deine Zwischenrufe, du kommst dann ohnehin noch zum Rednerpult. Umgefallen bist du auch schon wieder beim Gruppenpraxengesetz. Ich habe heute vor, einen Entschließungsantrag bezüglich Gruppenpraxengesetz einzubringen. Der Verfassungsgerichtshof hat ja jetzt im Ärztegesetz die Bestimmung aufgehoben, daß die Ärzte


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als einzige Berufsgruppe der freien Berufe keine Erwerbsgesellschaften gründen dürfen, und es würde für die Umsetzung durch den Gesetzgeber eine Frist bis 1. April 1997 eingeräumt.

Jetzt ist aber die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung schon am 1. Jänner zu erwarten beziehungsweise schon fix. Daher brauchen wir vorher diese strukturelle Maßnahme. Wir brauchen schon vorher die Möglichkeit, daß sich die Ärzte in Gemeinschaftspraxen zusammenschließen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dein Präsident Neumann, Kollege Rasinger, der dir ja auch parteipolitisch sehr nahe steht (Abg. Dr. Leiner: Er ist deiner auch!) – parteipolitisch ist er nicht meiner, er ist euer Präsident, parteipolitisch gesehen –, fordert euch auf: Jetzt darf bei Gruppenpraxen nicht mehr verzögert werden!

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein, damit bereits bei der Sitzung des Gesundheitsausschusses am 30. Mai, im Nationalrat am 14. Juni und im Bundesrat am 25. Juni dieses Gesetz beschlossen werden kann, dieses Gesetz, das eine Einführung von Gruppenpraxen endlich – nach vielen, vielen Jahren – ermöglicht.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil und Kollegen betreffend grünes Licht für Gruppenpraxen und Erwerbsgesellschaften für Angehörige von Gesundheitsberufen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, den in der XIX. Gesetzgebungsperiode vom Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz erstellten Ministerialentwurf nach rascher Überarbeitung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs über die Zulässigkeit von Gruppenpraxen und Erwerbsgesellschaften umgehend dem Nationalrat als Regierungsvorlage zu übermitteln, sodaß ein Inkrafttreten mit 1. 7. 1996 möglich ist."

*****

Ich bitte auch meine lieben Kollegen, auf einen marionettenhaften Abgeordneten der Regierungsparteien Einfluß auszuüben, daß dieses Gesetz, das in unser aller Interesse ist, endlich Wirklichkeit wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Sie wissen, daß Sie Ihre Kollegen nicht als "marionettenhafte Abgeordnete" bezeichnen können! (Abg. Dr. Haider: Können schon!)

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (fortsetzend): Ich habe absichtlich nicht "Marionetten" gesagt, sondern "marionettenhaft", und ich glaube, das ist angesichts der Situation, die wir heute haben, gerade noch vertretbar.

Meine sehr verehrten Ärzte der Großkoalition – Frau Kollegin Pittermann, Kollege Rasinger, Kollege Leiner, und wie Sie alle heißen –: Wenn Ihnen an Ihrer ärztlichen Tätigkeit etwas liegt, wenn Sie Ihren hippokratischen Eid, den wir alle geleistet haben, nicht an der Garderobe bei dieses Parlaments abgegeben haben, dann, glaube ich, ist es für Sie unumgänglich, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.

Weitere Strukturmaßnahmen, Frau Bundesministerin! Was ist denn mit den Tageschirurgien, was ist denn mit den Tageskliniken? Jetzt flattert mir die Nachricht ins Haus, daß die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung nur die KRAZAF-Spitäler betrifft und die Tageskliniken, die Tageschirurgien und die Sanatorien davon ausgenommen werden. – Ja wie stellen Sie sich denn das vor?

Da wird ein ganzer Zweig, nämlich der Privatzweig, der zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung beiträgt und der auch zum Einsparen im öffentlichen Gesundheitswesen wesentlich


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beiträgt, im sozialistischen Sinne von dieser Neuerung ausgenommen. Das ist wirklich skandalös! – Herr Kollege Guggenberger, da brauchen Sie gar nicht den Kopf zu schütteln! Das ist skandalös! Wir wissen heute schon: Wenn zum Beispiel eine Blinddarmoperation im LKF mit 23 000 S eingestuft wird, so bieten heute schon Privatsanatorien diese Operation um 15 000 S an, weil sie leistungsorientiert abrechnen können. Sie sparen also 25 Prozent bei ein und derselben Operation, bei ein und derselben Krankheit, wenn Sie sie in Privatsanatorien, Tageschirurgien, Tageskliniken durchführen lassen!

Diese klammern Sie aber ganz einfach aus, denn mit der Privatmedizin wollen Sie ja nichts zu tun haben! Sie verfolgen den Weg Bruno Kreiskys, dessen Ziel es immer war, eine absolute, totale Verstaatlichung des Gesundheitswesens herbeizuführen. Aber da werden Sie auf unseren ganz erbitterten Widerstand stoßen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang bringe ich einen zweiten Entschließungsantrag ein, in dem wir fordern, daß die Tageschirurgien, Tageskliniken und Sanatorien genauso wie die KRAZAF-Spitäler oder wie die öffentlichen Spitäler die Möglichkeit haben sollen, leistungsorientiert abzurechnen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Povysil, Dr. Pumberger, Dr. Salzl, Mag. Dr. Grollitsch und Kollegen betreffend LKF-Anwendung auch auf Tageskliniken und Sanatorien

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz wird dringend ersucht, in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales die Anwendung des LKF auch auf Tageskliniken und Sanatorien in privater Hand mittels Ausarbeitung entsprechender Gesetzentwürfe zum KAG und ASVG zur rechtzeitigen Beschlußfassung noch in diesem Jahr vorzubereiten."

*****

Ich hoffe auch da auf die Unterstützung zumindest der Kollegen aus der ÖVP, die mir gesagt haben, sämtlichen fünf Entschließungsanträgen – Kollege Rasinger und auch Kollege Leiner –, kann inhaltlich zugestimmt werden.

Aber leider sind Sie ja mit der SPÖ im Korsett. Ihr könnt nicht aus, ihr seid gefesselt, eingegipst, Rasinger! So wie du die falsche Hand eines Kindes eingegipst hast, hast du dich hier eingipsen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ihr könnt nicht aus, ihr müßt gegen besseres Wissen und Gewissen handeln! Euer hippokratischer Eid hängt wirklich draußen an der Garderobe! (Abg. Dr. Leiner: Das haben wir ja schon gemacht!)

Aber vielleicht erlebe ich heute noch eine Überraschung. Vielleicht habt ihr eure Klubkollegen noch überzeugt, weil sie sind ja – laut Präsident Fischer – keine Marionetten, und daher sind sie sicher bereit, dieses wichtige Anliegen der Gesundheitspolitik mitzutragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein weiterer Punkt, Frau Bundesministerin, unser Gesundheitssystem wirklich in den Griff zu bekommen, ist der Ausbau der Vorsorgemedizin. Alle fünf Fraktionen sind sich immer darin einig gewesen – in allen Ausschußsitzungen, bei persönlichen Gesprächen –, daß die Vorsorgemedizin, die Präventivmedizin, besonders wichtig sei, da kann man einsparen in der kurativen Betreuung unserer Patienten, hat es immer geheißen. Und was ist dann wirklich der Fall?

Frau Bundesministerin! Sie haben im Budget 1995 nicht einmal die wenigen, ganz kargen Mittel für die Vorsorge aufgebraucht! Sie haben 49 Millionen Schilling für die Vorsorgemedizin überhaupt nicht einmal genutzt! Das haben Sie im Budget belassen und gesagt: Die Leute in Österreich brauchen ohnehin keine Vorsorge.


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Jetzt haben Sie auch noch eingewilligt, daß die Geburtenbeihilfe gestrichen wird, weil Ihnen der Mutter-Kind-Paß und die Aufrechterhaltung der lückenlosen Betreuung der Kleinkinder und Säuglinge offensichtlich gar nicht wichtig ist. Da haben Sie auch zugestimmt, und vieles andere mehr.

Sie sind auch nicht bestrebt, die Vorsorgeuntersuchungen auszubauen. Sie sind nicht bestrebt, das Impfwesen in Österreich auszubauen. Bei der Masernimpfung beispielsweise liegt unsere Durchimpfungsrate unter der von Uganda. Stellen sie sich das einmal vor! (Abg. Dr. Haider: Der Idi Amin hat alle impfen lassen, bevor er sie umgebracht hat!)

Kollege Rasinger! Da bist du erstaunt, was? Unsere Durchimpfungsrate bei Masern liegt unter der von Uganda! So weit sind wir schon mit unserer "Vorsorgemedizin".

Beim Budget für 1996 hat man wieder 50 Millionen Schilling eingespart. 50 Millionen Schilling! Der Herr Rasinger sitzt da ganz hinten und hört wahrscheinlich vieles gar nicht so deutlich, glaube ich. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Sonst würde er seine Depressionen – die er, wie er gemeint hat, bei der Politik der Frau Bundesministerin Krammer kriegt – sicher in einer noch viel stärkeren Form bekommen, wenn er das alles ganz deutlich hören würde, was hier vom Rednerpult aus an Vorwürfen kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Budget sind für Vorsorge für das Jahr 1996, Frau Bundesministerin, sage und schreibe 25 Prozent Kürzungen zu verzeichnen. Ein Viertel weniger für das Budget "Vorsorge", und Sie sprechen von Ausbau von Vorsorge! Im Fernsehen, im Radio, in den Zeitungen glaube ich immer eine ganz andere Person vor mir zu haben. Die Wirklichkeit schaut aber ganz anders aus. Sie sind ja sehr nett, und ich komme auch ganz gut mit Ihnen aus, aber gesundheitspolitisch haben Sie einfach nicht den Durchblick und auch nicht die Kraft, sich durchzusetzen. (Bundesministerin Dr. Krammer: Ich bin zu schüchtern!) Ich glaube, es wäre doch g’scheiter, wenn Sie als Landesrätin ins Burgenland zurückgingen, aber ich habe gehört, der Landeshauptmann will Sie gar nicht mehr so gerne haben. Darum bleiben Sie uns auf Wunsch von Vranitzky und seiner Gattin, deren beste Freundin Sie sind, als Gesundheitsministerin erhalten. – Ein Pech für die österreichische Gesundheitspolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler – zu Bundesministerin Dr. Krammer –: Spielen Sie auch Golf?)

Mit der Vorsorge schaut es wirklich ganz schlimm aus. Und wenn ich hier ein bißchen ein Schmunzeln in den Reihen entdecke, habe ich es geschafft, ein so ernstes Thema so zu bringen, daß man auch da noch einen gewissen Sarkasmus damit verbinden kann.

Aber das Thema Vorsorge ist ja ein ganz eminent wichtiges. Was haben denn Sie, Frau Bundesministerin, bezüglich Vorsorge in den vergangenen Wochen getan, als es darum gegangen ist, daß ganz Europa, die Bevölkerung nicht nur Großbritanniens, sondern ganz Europas befürchtete, eine Krankheit zu bekommen, die man bisher kaum kannte? Eine Erkrankung, bezüglich derer sich jetzt alle namhaften Wissenschafter – von Herrn Professor Roberts, dem namhaftestem Neuropathologen in Großbritannien angefangen, bis hin zum Mikrobiologen Professor Lacy aus Großbritannien und zum Neuropathologen Tomlinson in Berlin – einig sind, daß sie, nämlich die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, beim Menschen jetzt vermehrt auftritt, und zwar wesentlich stärker als vor Auftreten der Rinderseuche BSE. Diese Krankheit ist mit höchster Wahrscheinlichkeit in einen direkten Zusammenhang zu bringen mit dem Auftreten des Rinderwahnsinns.

Und es ist auch äußerst wahrscheinlich ... (Abg. Mag. Firlinger steht bei der Regierungsbank und spricht mit Bundesministerin Dr. Krammer. ) – Haben Sie vielleicht die Möglichkeit, ein bißchen später das Gespräch mit der Frau Bundesministerin zu suchen, Kollege Firlinger? Das ist auch ein Anliegen des Herrn Präsidenten Neisser, der schon gesagt hat, man möge während der Debatten die Minister nicht blockieren. Wenn Sie im Sinne von Professor Neisser handeln würden, würden Sie ... (Abg. Mag. Stadler: Wieso drängt sich der Firlinger beim Rinderwahn so vor?) Sie kommen auch nicht so bald heim heute, weil ich noch ein bißchen länger brauche, wenn Sie da noch weiter ... (Abg. Mag. Firlinger – auf dem Weg zu seinem Platz –: Das ist eine schwere Drohung!)


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17. Sitzung / Seite 459

Zu dieser Creutzfeldt-Jakob-Krankheit haben Sie überhaupt nichts gesagt, Frau Minister. Sie haben sich – ganz im Gegenteil – vor laufende Kameras hingestellt und haben Rindfleisch verzehrt ... (Bundesministerin Dr. Krammer: Das war gut! Gute österreichische Qualität!) Ja, da sind auch Teile von Rückenmark drauf gewesen, soweit ich das erkennen konnte, und Hirnbestandteile von Rindern. (Bundesministerin Dr. Krammer: Hab’ ich auch gegessen!) Ich weiß nicht, ob das eindeutig österreichisches Rind war. Auf die Produktion der österreichischen Bauern vertraue ich, aber bei dem, was Sie alles hereinlassen, bin ich mir nicht ganz sicher. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber um den Konnex zur Medizin herzustellen: Was haben Sie – zum Unterschied von Ihrem Vorgänger Ausserwinkler – gemacht, der schon darauf hingewiesen hat, daß in gewissen Arzneimitteln Substanzen von Rindern enthalten sind, Arzneimittel, die auch in Großbritannien produziert werden? (Abg. Mag. Stadler: Aber der küßt auch keine Ochsen – wie die Frau Minister!) Na ja, der Speichelfluß ist eben so. (Zwischenbemerkung der Bundesministerin Dr. Krammer. ) Da gibt es Medikamente, Insulin, CR-Insuline vom Rind, "R" für Rind, da ist zum Beispiel das Novo-Lente noch auf dem Markt. Da gibt es Salben, die aus Kälberblut hergestellt werden, die auf offene Wunden aufgetragen werden. Da gibt es Heparin, das aus Rinderlunge hergestellt wird.

Es hat bereits 1994 den Erlaß gegeben, daß in Österreich Teile dieser Substanzen verboten werden. Die Frau Bundesministerin hat meines Erachtens bisher diese brisante Situation einer eventuellen Infektion durch kontaminierte Arzneimittel überhaupt noch nicht thematisiert. Sie hat meines Wissens überhaupt noch nicht nachgefragt bei der Pharmaindustrie, welche Präparate welche Substanzen enthalten. Das ist ihr offensichtlich völlig gleichgültig. Ihre Aufgabe, Frau Bundesministerin, ist es einzig und allein, vor laufender Fernsehkamera – wenn möglich – britisches Rindfleisch zu essen – wie Ihr ehemaliger Kollege Fischler. Der sagt, seine Lieblingsspeise sei das britische Steak und nicht das österreichische, und Sie stoßen in dasselbe Horn. Sie tragen dazu bei, daß die Absatzmärkte für die österreichischen Rinderbauern, die hochqualitative, gute Produkte erzeugen, noch weiter zurückgehen.

Es ist mir auch unverständlich, daß gestern im Hauptausschuß die ÖVP-Bauernvertreter einem Ausgleich für den Schaden, den die Bauern jetzt durch diesen Einbruch auf dem Rindermarkt leiden, einem Ausgleich, der von der Frau Abgeordneten Aumayr beantragt wurde, nicht zugestimmt haben. Ihnen ist es auch ganz egal, ob die Bauern die Tiere noch füttern können, weil sie sie ohnehin nicht verkaufen können. Es ist ihnen das offensichtlich völlig egal, aber sie werden die Rechnung dafür schon noch präsentiert bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber zurück zur Vorsorge; die ist mir wirklich ein Anliegen.

Meine Kollegen Rasinger und Leiner haben es auch schon gesagt: endlich eine Zweckbindung eines Teiles der Tabaksteuer! Heute habe ich eine Aussendung des Pressedienstes bekommen, und zwar von Sozialminister Hums: Zweckbindung der Tabaksteuer. – Ganz wichtig! Wir Freiheitlichen haben das schon lang gefordert, da haben Sie es immer abgelehnt. Tabak schädigt die Gesundheit. Die Raucher sollen vermehrt herangezogen werden, aber nicht durch zusätzliche Abgaben, nicht durch zusätzliche Erhöhung der Zigarettenpreise, sondern von der bestehenden Tabaksteuer, die dem Fiskus durch das neue Belastungspaket zusätzliche 2,5 Milliarden Schilling einbringt, soll ein Teil, sollen zumindest 1 bis 2 Milliarden Schilling für die Gesundheit zweckgebunden werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesministerin Dr. Krammer: Bravo!)

Ich freue mich ganz besonders, daß ich auch hier auf die Zustimmung der Frau Bundesministerin stoße. – Allein, mir fehlt der Glaube. Wenn es um die Durchsetzung im Ausschuß geht, werde ich wieder ganz anderes erleben.

Es freut mich auch, daß das Suchtgiftgesetz im Gesundheitsausschuß und nicht im Justizausschuß behandelt werden soll, denn diesbezüglich finde ich ja ganz horrende Zahlen im Budget.

 


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17. Sitzung / Seite 460

Ich finde horrende Zahlen im Budget betreffend die Bekämpfung des Suchtgiftmißbrauchs, wo wir doch alle wissen, daß der Drogenkonsum eminent steigt – 20, 30, 40 Prozent Steigerung pro Jahr! –, daß immer mehr Jugendliche an den Folgen des Drogenkonsums sterben, daß 13-, 14jährige des Drogentodes sterben, daß die Eltern verzweifelt sind, weil schon vor den Schulen Rauschgift verteilt wird. Wir brauchen Mittel, mehr Mittel zur Bekämpfung des Suchtgiftmißbrauchs! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Budget ist statt dessen eine Reduzierung der Mittel vorgesehen. Das ist ja ein Paradoxon sondergleichen, Frau Bundesministerin! Man kann doch nicht auf der einen Seite immer von der großen Gefahr reden – jeden Tag lesen wir in der Zeitung von neuen Heroindealern, die erwischt werden, von der Drogenmafia, die Milliardengeschäfte in Österreich macht, und wie viele Jugendliche bei uns schon mit Ecstasy und mit harten Drogen vergiftet sind und davon abhängig sind – und andererseits die Mittel kürzen. Da brauchen wir doch mehr Mittel! Aber Sie wehren sich nicht einmal.

Der Finanzminister sagt, wir müssen unser Budget sanieren, und nimmt von den Mitteln für die Suchtgiftmißbrauchbekämpfung einfach etwas weg, denn das ist ohnehin nicht so wichtig, das soll die EU machen. Jetzt sind ja die Grenzen offen, jetzt können Dealer ohne Kontrolle die Grenzen passieren.

Und dann steht in diesem Gesetz drinnen – das ist wirklich ganz arg –, daß jene Dealer, die so schwer gegen das Gesetz verstoßen – und fast alle Süchtigen sind auch Dealer, weil sie sich durch das Dealen das Geld verdienen, daß sie sich selber Drogen kaufen können –, daß sie eine unbedingte Haftstrafe bis zu drei Jahren ausfassen, nur zu sagen brauchen: Ich gehe jetzt zu einer psychologischen Betreuung zu einem Psychologen, der soll mir ein paar Stunden geben!, und dann wandelt man selbst ein rechtskräftiges Urteil von drei Jahren unbedingter Haftstrafe in eine bedingte um.

Das kann doch nicht im Sinne der ÖVP sein! Wenn Sie dem zustimmen, dann haben Sie sämtliche Glaubwürdigkeit verloren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auf der anderen Seite werden hunderttausend, ja vielleicht sogar zwei bis drei Millionen Österreicher, die psychotrope Substanzen für ihre Gesundung brauchen, Patienten, die psychotrope Substanzen auf ärztliche Anordnung ganz korrekt einnehmen, zu Suchtmittelkonsumenten abgestempelt und stigmatisiert, indem man diese psychotropen Substanzen zu Suchtmitteln erklärt. Das ist doch eine Ungeheuerlichkeit! Das kann doch nicht im Sinn des Gesetzgebers sein! Was denken sich die Leute im Ministerium, wenn sie solche Gesetzesvorlagen ausarbeiten? Es gibt 45 000 Ministerialbeamte, und wenn so viele zusammenarbeiten, kommt sicher nichts Gescheites heraus! 45 000 Ministerialbeamte für unsere Ministerien, die dafür sorgen, daß solche unsinnigen Gesetze hier vorgelegt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein altes Thema von mir – ich kann es nicht oft genug sagen! – ist die Misere um unsere maroden und kranken Krankenkassen. Wir haben für 1996 einen Einbruch von 3,6 Milliarden Schilling zu erwarten. So hoch ist das neuerliche Defizit unserer sozialen Pflichtkrankenversicherung! Wahrscheinlich werden es 4 Milliarden Schilling werden. Die Krankenkassen jammern. Sie haben zwei Möglichkeiten: Weil sie keine Konkurrenz zu fürchten haben – es gibt ja keine Konkurrenz für die gesetzliche Krankenversicherung, die haben es ganz leicht –, sagen sie sich: Wenn ich mit dem Geld, das ich zur Verfügung habe, nicht auskomme, dann erhöhe ich entweder die Beiträge oder ich kürze die Leistung für die Patienten, für die Zwangsversicherten.

Diese beiden Möglichkeiten haben die Pflichtkrankenversicherungen immer offen, und damit sanieren sie ihr Budget. Sie sind nicht angehalten, ihren Verwaltungsapparat abzubauen oder vielleicht einmal in ihren Marmorpalästen – in Oberösterreich hat die Gebietskrankenkasse um 290 Millionen Schilling einen neuen Marmorpalast errichten lassen – ihren Standard, ihren persönlichen Komfort zu reduzieren, in ihren Büros auf etwas zu verzichten. Das wäre einmal eine sinnvolle Sache! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Wenn die gesetzlichen Sozialversicherungen sagen, sie seien das effektivste System, das es in Österreich überhaupt gibt, sie seien der privaten Krankenversicherung bei weitem überlegen, sie arbeiten wirtschaftlich und hätten einen schlanken Verwaltungsapparat, dann muß ich sagen: Dann brauchen sie doch den Konkurrenzkampf nicht zu fürchten! Gerade dann müßten sie doch froh sein, daß sie auf dem freien Markt – und der wird es ihnen dann bestätigen – endlich unter Beweis stellen können, wie effektiv und wirtschaftlich sie arbeiten. Sie müßten geradezu auf den freien Markt drängen und darauf, daß die österreichischen Patienten die Möglichkeit erhalten, sich privat krankversichern, sich privat sozialversichern zu lassen, denn dann haben sie auf dem freien Markt den Beweise: So gut sind wir! Die anderen haben überhaupt keine Chance! Die privaten Versicherungen müssen alle wieder zusperren, weil die gesetzliche so gut ist. – Aber es wird, glaube ich, anders sein! (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Aber geh, Herr Kollege!

Christian Ortner schreibt in der "WirtschaftsWoche" folgendes: "Daß ein staatliches Versicherungsmonopol besser und billiger funktioniert als der Markt, wäre eine weltweit einzigartige Erscheinung." – Na, da sehen wir es! Er schreibt weiter: "In planwirtschaftlich" – und des handelt sich hierbei um ein planwirtschaftliches System – "verfaßten Systemen ist am Ende immer der Kunde der Dumme. Das war schon in der DDR so und ist im österreichischen Gesundheitswesen" – Frau Bundesministerin – "nicht anders." (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Die Vergleiche mit der DDR sind widerlich! – Abg. Mag. Guggenberger quittiert den Zwischenruf des Abg. Dr. Khol mit Beifall. – Abg. Haigermoser: Zitieren wird man doch noch dürfen!)

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, was die ÖVP von der Gesundheitspolitik der Sozialisten und ihrer Spitze, der sozialistischen Gesundheitsministerin, hält. (Abg. Dr. Khol: Das Thema kennen wir!) Am 13. Oktober, am Tag des Bruchs der großen Koalition, sagte Kollege Rasinger in einem Anfall von ... (Abg. Dr. Nowotny: Anfall?!) Das war ein Anflug von neuen Erkenntnissen vielleicht. Damals hat Kollege Rasinger erkannt, wie die sozialistische Gesundheitspolitik wirklich ist. Der Frau Bundesministerin hat er vorgeworfen, daß sie wie das Unwesen von Loch Ness agiere: Sie tauche auf und verschwinde gleich wieder, ohne etwas zu sagen oder zu tun. Er meinte, daß sie von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen trete. – Nachzulesen, Frau Bundesministerin, im Stenographischen Protokoll. Ihr Koalitionspartner sagt von Ihnen: Sie treten von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen. Ihren Plan, Frau Bundesministerin, würde ein Rasinger, der immerhin der oberste Gesundheitspolitiker Ihres Koalitionspartners ist, nie und nimmer unterschreiben. Eher würde er sich im Grab umdrehen, hat er gesagt. Das ist die Meinung Ihres Koalitionspartners! (Abg. Mag. Stadler: Gesundheitspolitischer Fettnapf!)

Aber einige Wochen später, als es sich abgezeichnet hat, daß er sich wieder in der großen Koalition eingipst, hat er ihr schon wieder die Hand geküßt. Er lehnt die sinnvollen Anträge der Freiheitlichen ab, mit denen er inhaltlich völlig konform geht. Das ist wirklich eine Politik, die der Österreicher und die Österreicherin nicht mehr verstehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich verstehe das völlig, Kollege Rasinger – ich kenne mich auch in der Psychiatrie sehr gut aus –, daß du ob dieser Gesundheitspolitik gesagt hast, daß du in tiefe, schwere Depressionen verfielest. Ich hoffe, ich habe dich heute ein bißchen aufgemuntert. Ich habe dir ein bißchen geholfen, über diese schwierige Phase hinwegzukommen. Ich biete Ihnen von der ÖVP an: Gehen Sie in der Gesundheitspolitik ein Stück des Weges mit den Freiheitlichen! Unterstützen Sie unsere Anträge, unterstützen Sie unsere Intentionen! Nützen Sie den Ihnen zugesagten spärlichen koalitionsfreien Raum! Nützen Sie den koalitionsfreien Raum nicht nur bei der Denkmalpflege, wie es Ihnen Bundeskanzler Vranitzky zugestanden hat, sondern auch in der Gesundheitspolitik. Da wäre es noch viel wichtiger!

Gehen Sie mit uns ein Stück des Weges! Wir haben gemeinsam eine Mandatsmehrheit hier herinnen. Wir werden dazu beitragen, daß auch in Zukunft die Österreicherinnen und Österreicher medizinisch ordentlich versorgt sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die beiden Entschließungsanträge sind geschäftsordnungsgemäß eingebracht und stehen mit in Verhandlung.


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17. Sitzung / Seite 462

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Guggenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.10

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich habe den Ausführungen des Kollegen "Arzt 1" sehr aufmerksam zugehört, und ich glaube, allen anderen hier ist es so ergangen wir mir, und ich muß sagen: Bei solch einer Stellungnahme müßte man als Parlamentarier eigentlich Anspruch auf eine Erschwerniszulage haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Kollege! Mir ist dabei ein Zitat Balzacs eingefallen, das ich dieser Tage gelesen habe. Sie treiben mit Ihren Phrasen Handel und leben von diesem Geschäft. (Beifall bei der SPÖ.) Was aber tröstlich ist: Sie leben nicht mehr so gut von diesem Geschäft, wie die letzten Wahlen am 17. Dezember gezeigt haben. Wir sehen daher sehr hoffnungsvoll den Wiener Wahlen am 13. Oktober entgegen. Immer mehr werden draufkommen, daß Sie Phrasen dreschen und wirkliche Konzepte nicht vorzulegen haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Weil Sie von Mehrheitsverhältnissen in diesem Haus und von der letzten Diskussion um den KRAZAF von 13. Oktober in diesem Haus gesprochen haben – ich habe mir das Protokoll angesehen –: Damals haben Sie schon sehr prophetisch in die Zukunft geblickt und haben gesagt, die große Koalition, die es wahrscheinlich nach den Wahlen wieder geben wird, werde in Wirklichkeit keine mehr sein, weil sie gar nicht mehr über 50 Prozent verfügen wird. (Abg. Dr. Khol: Haha!)

Lieber Kollege Pumberger! Ich hoffe, daß Ihre Diagnosefähigkeiten als Arzt besser ausgebildet sind als Ihre Fähigkeit zur politischen Prognose – im Interesse Ihrer Patienten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nicht 50 Prozent, sondern 66 Prozent sind wir in diesem Haus, und wir haben eine große Koalition gebildet.

Sie haben damals, am 13. Oktober, auch gesagt, die neuerliche Verlängerung des KRAZAF sei der Beweis dafür, daß diese beiden Parteien nicht in der Lage wären, die politischen Probleme dieses Landes zu lösen. (Abg. Mag. Stadler: Da hat er recht gehabt!) Seien Sie fair genug, auch den Umkehrschluß zuzugeben: Wir haben mittlerweile die Krankenhausreform unter Dach und Fach gebracht, und – in Ihrer Diktion – wir haben damit den Beweis erbracht, daß wir die Probleme dieses Landes lösen können! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es war eine gute Reform, und es ist eine Reform, zu der wir alle stehen können. Der Erfolg dieser Krankenhausreform – ich habe es schon im Ausschuß gesagt – hat viele Väter: Der Reformsog, der diese Republik (Zwischenruf des Abg. Schwemlein ) – ich komme schon noch dazu, lieber Freund – in den letzten Monaten erfaßt hat, ist ein Vater, die Kompromißbereitschaft auf allen Seiten ist ein Vater, ein Vater war zweifelsohne Viktor Klima, der mit seiner Zusage, für die österreichischen Krankenanstalten in den nächsten vier Jahren alljährlich 3 Milliarden Schilling zusätzlich zur Verfügung zu stellen, dieser Kompromißbereitschaft sehr stark auf die Sprünge geholfen hat. Aber dieser Erfolg – und das ist das Stichwort – hat nicht nur mehrere Väter, dieser Erfolg hat auch eine Mutter, und diese Mutter des Erfolges ist unsere Bundesministerin Dr. Christa Krammer. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Abg. Auer. ) Wir sollten die Größe und das Format haben – das kann man auch von einem Oppositionspolitiker verlangen –, das anzuerkennen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Guggenberger! Die Kompromißbereitschaft ist auch eine Mutter, bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (fortsetzend): Jawohl, danke sehr. – So werden wir also nach dieser Einigung in Zukunft etwas haben, was ja auch Sie von der Opposition immer wieder eingemahnt haben: Wir werden in Zukunft in den österreichischen Krankenanstalten die medizinischen Leistungen nach ihrem Inhalt, nach ihrer Qualität abrechnen und nicht mehr nach der Zahl der Tage, die ein Patient in den Betten gelegen hat.


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17. Sitzung / Seite 463

Wir werden eine Strukturkommission ins Leben rufen, eine Strukturkommission auf Bundes- und Länderebene, die steuernd und koordinierend eingreifen kann. Wir werden die Ausgaben in den Spitälern mit der volkswirtschaftlichen Entwicklung in Einklang bringen. Noch einiges mehr ist auf der Haben-Seite zu verbuchen. All das haben Sie jahrelang eingemahnt. Nun ist es unter Dach und Fach. Anerkennen Sie das bitte, Herr Dr. Pumberger!

Wir wissen aber, daß wir nur die Mühen der Gebirge mit dieser Einigung hinter uns gebracht haben; vor uns liegen noch die Mühen der Ebene. Die Frau Bundesministerin hat es schon im Ausschuß gesagt – ich glaube ihr das auch, und es erfüllt mich mit sehr viel Zuversicht –: Als Burgenländerin ist sie in der Lage, sich in den Mühen der Ebenen zurechtzufinden. So werden wir die Probleme, die in diesem Zusammenhang noch offen sind, in den kommenden Monaten gemeinsam auch noch lösen. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Auer. )

Wir gestehen offen ein: Nicht alles ist so geregelt worden, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir hätten uns anstelle der Ländertöpfe einen Bundestopf gewünscht. Es wird sich herausstellen, ob die Ländertöpfe tatsächlich der gesundheitspolitische Stein der Weisen sind. Es wird sich in der Praxis herauszustellen haben, ob dieser Machtzuwachs, dieser Einflußzuwachs der Länder dazu führt, daß in Zukunft regionaler Lobbyismus, regionaler Egoismus stärker als bisher zurückgedrängt werden kann.

Wir werden Maßnahmen setzen, die verhindern, daß, so wie bisher, die Österreicher allzuoft und allzufrüh ins Spital kommen und dort zu lange bleiben. Wir werden eine Reihe von Maßnahmen setzen, um dieses Ziel zu erreichen. Ich bin sehr zuversichtlich und sehr optimistisch, daß uns all dies gelingen wird.

Wir jedenfalls sind gerne bereit, da mitzuarbeiten, und sagen Ihnen gerne unsere Unterstützung zu. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Gute Rede!)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Klara Motter. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Khol: Jetzt kommt die liberale Moral!)

16.17

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Klubobmann! Was verstehen Sie unter "liberaler Moral"? – Ich glaube, "Moral" ist ein Begriff, den wir alle haben sollten! Die Liberalen haben ihn. Bei Ihnen weiß ich es nicht. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Graf: Weil es Ihnen niemand glaubt, haben Sie sie im "Firmennamen"!)

Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Guggenberger, bleiben Sie noch kurz hier! Ich bewundere Ihren Optimismus! Sie sagten, daß Sie beziehungsweise die Koalition die Probleme lösen werden. Ich wäre da nicht so voreilig, denn wir stehen am Anfang einer Reise, und wir wissen, daß eine Reise über Ebenen, aber auch über Hügel gehen kann. (Zwischenruf des Abg. Mag. Guggenberger. ) Sie haben von der Ebene gesprochen. Aber ich weiß, daß wir noch sehr viele Hügel vor uns haben, was die Gesundheitspolitik betrifft.

Frau Bundesministerin! Ich muß Ihnen leider am Beginn meiner Ausführungen mein Mißfallen ausdrücken, ich tue es nicht sehr gerne, aber ich muß es heute tun. Ich kann Sie nämlich nicht verstehen, warum Sie sich in einer hochaktuellen Frage in der derzeitigen Diskussion so verhalten: Ihr Zögern, eine klare Meinung zu dem beantragten Freisetzungsversuch von Herbizid-Mais abzugeben, ist für mich unverständlich. Frau Bundesministerin! Unsere Bevölkerung erwartet von einer Gesundheitsministerin auch in dieser Problematik eine klare Antwort und hat für die Verzögerungstaktik kein Verständnis. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Erfreulich war für mich die klare Antwort von Landwirtschaftsminister Molterer, daß solche gentechnisch manipulierten Produkte in der biologischen Landwirtschaft nichts zu suchen haben.


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17. Sitzung / Seite 464

Frau Bundesministerin, es dürfte Ihnen doch nicht unbekannt sein, daß über die Freisetzung von Genen in der Natur bisher nur Nachteiliges bekannt ist. Das heißt, man probiert es an Nutzpflanzen aus, will sie unempfindlich machen und muß feststellen, daß das Gen auch zum Unkraut übergeht. Das heißt auch, daß in weiterer Folge das Unkraut immer unempfindlicher, zum Beispiel gegenüber Unkrautvertilgungsmitteln, wird. Frau Ministerin, ich erwarte mir heute von Ihnen eine klare Antwort zu dieser Problematik!

Frau Ministerin! Ich darf Sie daran erinnern – meine Damen und Herren, auch Sie –, daß nach einer langen Diskussion der Gen-Enquetekommission von allen Fraktionen hier im Haus einstimmig die Forderung nach einem Umwelthaftungsgesetz, insbesondere für die Gentechnik, erhoben wurde. Heute müssen wir leider feststellen, daß die Bundesregierung über zwei Gesetzgebungsperioden in diesem Punkt säumig ist. Dieses Versäumnis ist umso bedauerlicher, als dies jetzt bei der Forderung der drei Anträge auf Freisetzung transgener Pflanzen nicht zur Anwendung kommen kann.

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber jetzt zum Gesundheitswesen übergehen und stelle fest: Unser gesamtes Gesundheitswesen bedarf, wie wir alle wissen, einer völligen Neustrukturierung. Seit Jahren wird debattiert, diskutiert, es werden Vorschläge aus den verschiedensten Richtungen zur Diskussion gestellt, aber leider nur vordergründig. Die Hauptverantwortlichen waren bis heute nicht bereit, die notwendigen Reformen einzuleiten.

Als Lichtblick ist deshalb auch die Einigung auf einen bundesweit verbindlichen Krankenanstaltenplan zu sehen. Allerdings sehe ich da bereits einen ersten Haken, denn der Bund hat laut Bundes-Verfassungsgesetz Artikel 10 Abs. 1 lediglich folgende Kompetenzen – ich zitiere –: "Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten: ... Gesundheitswesen mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens sowie des Gemeindesanitätsdienstes und des Rettungswesens, hinsichtlich der Heil- und Pflegeanstalten, des Kurortewesens und der natürlichen Heilvorkommen jedoch nur die sanitäre Aufsicht ..."

Laut Bundesministeriengesetz hat das Ministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz folgende Angelegenheiten zu besorgen: Angelegenheiten der Kurorte, der natürlichen Heilvorkommen, der Heil- und Pflegeanstalten und der Volkspflegestätten.

Meine Damen und Herren! Warum habe ich diese Kompetenzsituation so ausführlich dargelegt? – Damit soll aufgezeigt werden, warum unter diesen unklaren Voraussetzungen bisher keine Reform des Gesundheitswesens möglich war. Ob sie in Zukunft möglich sein wird, steht immer noch – zumindest für uns Liberale – in den Sternen. Auch wenn die Einigung über eine leistungsorientierte Abrechnung der Spitalskosten im Gespräch ist, die ja begrüßenswert wäre, fürchte ich, daß in diesem Zusammenhang das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Wir kennen die Proteste, die bereits gegen den österreichischen Krankenanstaltenplan 1994 laut wurden. Wir kennen auch die in den vergangenen Tagen geführte Spitalsdebatte – vor allen Dingen im Hinblick auf die angesprochene unklare Kompetenz.

Frau Ministerin! Diese Umstände lassen nur wenig Hoffnung zu. Meine vordringliche Frage dazu, Frau Bundesministerin: Auf welcher Basis, auf welcher gesetzlichen Grundlage soll denn der bundesweit verbindliche Krankenanstaltenplan umgesetzt werden?

In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Politiker der beiden Regierungsparteien darauf hinweisen – ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Dr. Rasinger –, daß die sogenannte Einigung nur dann etwas brächte, wenn man auch die rekordverdächtigen Spitalseinweisungen in den Griff bekäme. – Ende des Zitats.

Aber auch der Abgeordnete Dr. Leiner vermeldete immer wieder, daß er es für besonders wichtig erachtet, im extramuralen Bereich Strukturen zu schaffen, um die Krankenhäuser zu entlasten.

Frau Ministerin! Ich weiß und gehe daher mit Ihrer Feststellung konform, daß diese Forderung Ländersache ist.


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17. Sitzung / Seite 465

Ebenso plädierte der Gesundheitssprecher der Sozialdemokraten, Mag. Guggenberger, für den Ausbau der Hauskrankenpflege. Herr Kollege Guggenberger! Sie wissen genausogut wie ich, daß die Hauskrankenpflege gesetzlich überreglementiert ist und daß sie in der Praxis nicht zur Anwendung kommt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daran ist einerseits der Hauptverband der Sozialversicherungsträger mit seiner Starrheit schuld, andererseits müssen dafür aber auch das Sozialministerium des Sozialministers Hums und die Länder verantwortlich gemacht werden.

Beim Kapitel Hauskrankenpflege sehen wir das wahre Problem in der Kompetenzlosigkeit des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz. – Diese Liste, meine Damen und Herren, ließe sich beliebig fortsetzen.

Was die Gruppenpraxen – eine wesentliche Voraussetzung für die Stärkung des extramuralen Bereiches – betrifft, wissen wir bereits, was wir zu erwarten haben. Wenn auch der Verfassungsgerichtshof erst vor kurzem jene Stelle des Ärztegesetzes als verfassungswidrig aufgehoben hat, die als Hindernis dafür galt, daß die Mediziner nicht wie die anderen freien Berufe Erwerbsgesellschaften bilden dürfen, befürchte ich trotzdem, daß ein Gruppenpraxengesetz nicht so schnell Wirklichkeit werden wird, denn es hat – ich erinnere – bereits einen Entwurf zu einem Gruppenpraxengesetz in der letzten Legislaturperiode gegeben, der eine durchaus brauchbare Diskussionsgrundlage war. Er wurde allerdings durch eine neuerliche ASVG-Novelle frühzeitig zunichte gemacht.

Außerdem, meine Damen und Herren, ist der Aussage der Frau Bundesministerin im Budgetausschuß folgendes zu entnehmen – gestatten Sie mir, daß auch ich Sie zitiere –:  Wenn nichts Gravierendes passiert, ist mit der Vorlage eines neuen Entwurfes noch in dieser Legislaturperiode zu rechnen. – Das heißt, nicht in diesem Jahr, sondern wir haben Zeit bis zum Jahr 2000.

Meine Damen und Herren! Ich erinnere daran: Bereits 1991 gab es zu dieser Materie entsprechende Vorgespräche, ja es gab sogar einen eigenen parlamentarischen Unterausschuß, dessen Ergebnisse in die Entschließung vom 16. Juli 1994 eingeflossen sind.

Frau Ministerin! Ich weiß, das war vor Ihrer Zeit, trotzdem bedauere ich, daß diese Willensbekundung seitens Ihres Ministeriums zwar gut gemeint war, aber nicht umgesetzt wurde. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Kollege Pumberger! Ich glaube zumindest, daß Sie hier von der Opposition Zustimmung zu Ihrem Entschließungsantrag bekommen werden. Wir Liberalen werden jedenfalls Ihrem Antrag zustimmen. (Beifall der Abg. Dr. Graf , Schöll und Dr. Pumberger. )

In diesem Zusammenhang möchte ich noch folgendes erwähnen: Wir konnten einem Briefwechsel zwischen Ihrem Ministerium und dem Berufsverband der Heilmasseure – wir konnten das bis ins Jahr 1986 zurückverfolgen – entnehmen, daß diesem Berufsstand seit 1986 eine entsprechende Ausbildungsadaptierung versprochen wird. Bis zum heutigen Tag ist nichts geschehen. Wir Liberalen haben uns aus diesem Grund erlaubt – auch im Hinblick auf die Feststellung der Europäischen Kommission –, in dieser Angelegenheit einen Entschließungsantrag einzubringen, und zwar mit der Aufforderung, bis spätestens März 1997 einen Entwurf auszuarbeiten, der eine einheitliche Ausbildung für alle Masseure im medizinischen Bereich und damit ein einheitliches Berufsbild für die Zukunft sicherstellt.

Ein weiteres Versäumnis, das seit langem auf eine Regelung wartet, ist die gemeinsame Basisausbildung bei den Krankenpflegeberufen. Auch dazu haben wir gestern einen Entschließungsantrag eingebracht, der die Aufforderung beinhaltet, bis Jahresende 1996 einen Entwurf betreffend die Regelung der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe vorzulegen.

Meine Damen und Herren! Es ist allseits bekannt, daß noch eine Reihe von Gesetzesänderungen und von Verträgen zwischen Bund und Ländern notwendig wären, um einer Verbesserung im Gesundheitswesen näherzukommen. Die Vereinbarung zwischen den Regierungs


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17. Sitzung / Seite 466

partnern einerseits und dem Österreichischen Städtebund, dem Österreichischen Gemeindebund und den Landeshauptleuten andererseits über die finanziellen Auswirkungen von Gesetzen sind gerade deswegen besonders unerfreulich, weil dabei festgehalten wird, daß kostenwirksame Änderungen nur im gegenseitigen Einvernehmen vorzunehmen sind. Das heißt, daß bei Gesetzen, die finanzielle Auswirkungen haben, nicht damit zu rechnen ist, daß kein Einspruch erfolgt. Doch nahezu alle Gesetze von Relevanz haben in irgendeiner Weise finanzielle Auswirkungen.

Es ist also absehbar, daß wiederum nichts passiert, daß notwendige Entscheidungen wiederum auf die lange Bank geschoben werden und daß – etwas, was für die parlamentarischen Gesundheitspolitiker besonders bedauerlich sein wird – der Gesundheitsausschuß wie bisher völlig entmündigt beziehungsweise bevormundet sein wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich muß leider zum Schluß kommen, obwohl auch aus liberaler Sicht noch viel zu unserem Gesundheitswesen zu sagen wäre. Ich möchte festhalten: Willensbekundungen seitens des Gesundheitsministeriums kennen wir. Diese reichen jedoch nicht aus, um wirkliche Reformen in die Wege zu leiten, denn die wahre Crux ist nach wie vor die Kompetenzlosigkeit des Gesundheitsministeriums und die von mir aufgezeigte Diskrepanz zwischen den Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes und der prinzipiellen Einigung auf einen Bundeskrankenanstaltenplan.

Daß vor diesem Hintergrund ein bundeseinheitlicher Krankenanstaltenplan einerseits und die Finanzierung über neun Ländertöpfe andererseits zustande kommen, bleibt nur zu hoffen. Damit diese Hoffnung erfüllt wird, bedarf es allerdings großer Einsicht aller Beteiligten wie Bund, Länder, Gemeinden, Sozialhilfeträger und Sozialversicherungen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. – Bitte.

16.30

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuhörer auf der Galerie! Ich möchte gleich dem Kollegen Pumberger etwas sagen und etwas klarstellen: Wir in der Koalition haben vor, bereits in den nächsten Monaten das Erwerbsgesellschaftenrecht hier einzubringen. (Abg. Böhacker: Wieder einmal!) Daher war es nicht notwendig, auf euren Antrag draufzugehen. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Aber jetzt ist es soweit. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Böhacker: Das freut mich!) Wir brauchen dazu die Freiheitlichen eigentlich wirklich nicht, aber das weiß er nicht. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Unser Gesundheitsministerium hat eigentlich ein verhältnismäßig sehr kleines Budget zur Verfügung, es sind 7,6 Milliarden Schilling, wenn ich richtig sehe, während unser Gesundheitswesen in Österreich 240 Milliarden Schilling braucht. Trotzdem bin ich nicht der Meinung unseres oberösterreichischen Landesrates, daß wir kein Gesundheitsministerium brauchen. Warum? – Weil die Rahmenbedingungen und die strukturellen Bedingungen, die vom Ministerium vorgegeben werden müssen, unbedingt notwendig sind, um diese leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung durchzuziehen und durchzuführen.

Diese Strukturen und diese Rahmenbedingungen sind für uns von der ÖVP von einer gewissen Ideologie getragen; diese Strukturen beinhalten gewisse Grundsätze: Mehr Vorsorge, weniger Reparatur. Mehr ambulant, weniger stationär. Mehr Privatinitiativen, weniger Staatsmedizin. Mehr Leistungen, weniger Defizitwirtschaft. (Beifall bei der ÖVP.) Und gerade diese leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung bewirkt diese Leistung und bekämpft diese Defizitwirtschaft.

Natürlich gehört dazu – ich sage das noch einmal, ich habe nämlich den Eindruck, Kollege Pumberger hat das überhaupt nicht begriffen; ich glaube, er hat das ganze System noch nicht verarbeitet – die entsprechende Infrastruktur. Daran arbeiten wir, und diesbezüglich sind die Länder aufgerufen, sonst wird das ein Kind, das eine sehr lange Schwangerschaft hinter sich


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hat. (Abg. Rauch-Kallat: Ein Elefantenbaby!) Normalerweise – und das wissen sogar Nichtmediziner – dauert eine Schwangerschaft neun Monate, diese hat aber 20 Jahre gedauert. Eigentlich hätte bereits Bundesminister Ausserwinkler 1994 die entsprechenden Maßnahmen und Rahmenbedingungen auf den Tisch legen sollen. Er hat auch immer gesagt, daß sie in der Schublade bereitliegen. Hat er sie verlegt, Frau Ministerin? Finden Sie sie nicht mehr? (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Ich glaube, wir müssen schon zugeben, daß es sich hier um eine gewisse Verschlampung beziehungsweise Versäumnisse handelt.

Wir benötigen diese Rahmenbedingungen, unter denen sich unsere Spätgeburt LKF wirklich entwickeln kann, jetzt sehr rasch. Wenn wir jetzt noch eine schlampige österreichische Lösung wählen und nicht darauf achten, daß dieses System bis zum letzten Patienten, bis ins letzte Tal durchdacht, durchstrukturiert, durchorganisiert wird, werden wir bald keine Freude an unserem Kind haben. Davon bin ich überzeugt.

Was wollen wir eigentlich erreichen? – Auf einen einfachen Nenner gebracht: Weniger Patienten sollen bei gleicher medizinischer Versorgungsqualität kürzer im teuren Spital behandelt werden.

Was steht jetzt eigentlich noch dagegen? – Was die Ländertöpfe betrifft, so befürworte ich persönlich diese sehr. Ich bin Föderalist, und ich glaube, daß den Ländern damit Verantwortung übertragen wird, und die sollen sie auch wahrnehmen. Das war eine alte ÖVP-Forderung, und ich bin eigentlich sehr froh darüber, daß sie jetzt verwirklicht wurde.

Was dagegen steht, ist eigentlich dieses Loch in der Sozialversicherung, es sind dies 4 Milliarden Schilling, die abgehen. Und wie versucht man jetzt, diese hereinzubringen? – Durch Leistungskürzungen! Das ist der falsche Weg. Denn wenn man die Leistungen an der Peripherie kürzt, dann wird man die Patienten wieder vermehrt ins Krankenhaus schicken. Man wird zwar im Krankenhaus verkürzte Aufenthalte, dafür aber vermehrte Aufnahmen haben.

Wir wissen, daß wir heute schon den europäischen Durchschnitt der Aufenthaltsdauer von 9,6 Tagen erreicht haben, aber hinsichtlich der Aufnahmezahl liegen wir gegenüber dem europäischen Durchschnitt von 16 bis 17 Prozent bei 22 Prozent, und das bedeutet eine Mehrbelastung von 25 Milliarden Schilling. Wenn wir diese Summe reduzieren könnten, dann könnten wir eigentlich auch dieses Problem, das uns hier ins Haus steht, über die Krankenkassen finanzieren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger .)

Wir müssen im Gegenteil noch mehr in diesen Bereich hineinstecken, wir müssen schauen, daß die Infrastruktur draußen verbessert wird, daß die Ärzte, auch Fachärzte, bereit sind, Samstag-, Sonntag-, Nachtdienste zu machen. Wir müssen vor den Krankenhäusern eine Barriere aufbauen, die Patienten sollen nur über Fachärzte eingewiesen werden. Wir sollten eine Ambulanzgebühr verlangen, damit nicht jeder sofort in die Ambulanz rennt und dann von dort sofort stationär aufgenommen wird. Zurzeit ist das die Realität, die unser Krankensystem beziehungsweise unser Gesundheitssystem wirklich belastet.

Angesichts der vorliegenden Budgets für 1996 und 1997 sehe ich erstens keine Möglichkeit, die nötigen Strukturmittel zu lukrieren, zweitens erlaubt es unser Wirtschaftsstandort Österreich nicht, die Lohnkosten noch zu erhöhen, daher können wir auch die Beiträge nicht erhöhen.

Bereits 1992 wurde der Minister – damals war es Ausserwinkler – aufgerufen, entsprechende Finanzierungsquellen zu finden. Es bleibt Ihnen jetzt nicht erspart, solche Finanzierungsquellen aufzuschließen. Sie müssen nun Ideen haben, gemeinsam mit dem Sozialminister Geld aufzubringen, damit wir dieses System auch finanzieren können. Die Länder werden aufgerufen sein – auch wenn man im Krankenhausbereich etwas einsparen kann –, entsprechend Geld zur Verfügung zu stellen. Ob sie das dann tun, das wird sich noch zeigen. (Zwischenruf des Abg. Böhacker .) – Der tut’s, das weiß ich. Wir haben in Salzburg bereits einen Gesundheitsgipfel einberufen. Wir bereiten für nächstes Jahr schon ganz klar vor, wie wir das durchorganisieren.

Bezüglich der Gruppenpraxen gebe ich dem Herrn Pumberger völlig recht. Das ist ein ganz wesentlicher Strukturbeitrag. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Dr. Pumberger .) Es ist eigentlich tragisch – das muß ich schon sagen –, daß wieder der Verfassungsgerichtshof Gesund


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heitspolitik gemacht hat, daß eine ideologische Barriere der Sozialdemokraten das wirklich jahrelang verhindert hat.

Daß die Tageskliniken aufgebaut werden, finde ich unendlich wichtig. Es müssen die Gesetze geändert werden – das hat Herr Pumberger auch nicht mit einkalkuliert –, wir wissen, daß das ASVG verändert werden muß, daß das Ärztegesetz geändert werden muß, daß das Krankenanstaltengesetz geändert werden muß, damit diese Dinge vor Ort extramural wirklich greifen können.

Ich glaube auch, daß es wichtig ist, eine Ausbildungsinitiative und eine Leistungsinitiative zu organisieren und durchzuführen. 200 000 Menschen in Österreich – darüber spricht man nie – sind in den Gesundheitsberufen tätig, und die Demographie besagt, daß diese Zahl sich noch verdoppeln wird. Da wäre noch unheimlich viel an Potenz enthalten. In diesen Bereich sollten wir wirklich investieren, damit wir Menschen Arbeitsplätze verschaffen, und zwar hochqualifizierte Arbeitsplätze zum Beispiel in Pflegeberufen, als Altenhelfer, als Ordinationshilfen, als Rettungssanitäter und so weiter. (Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich abschließend noch etwas zur Eigenverantwortung für die Gesundheit klarstellen: Das Anspruchsdenken in den letzten 25 Jahren hat uns manches Mal wirklich völlig das verantwortliche Handeln genommen. Einer WHO-Untersuchung in Kanada zufolge können nur 10 Prozent der Gesundheit durch die medizinische Versorgung erfolgen, 24 Prozent aber durch den Lebensstil. Also 24 Prozent können wir selbst organisieren, den größten Teil für unsere Gesundheit können wir selbst machen.

Wir überlegen immer noch, was wir, wenn wir den Menschen Vorsorgeeinrichtungen anbieten und dies sogar mit finanziellen Zuckerln versehen, noch zusätzlich anbieten sollten, damit die Menschen ihre Eigenverantwortung wahrnehmen. Da verstehe ich nicht, Frau Primaria Povysil – eine sehr liebe Kollegin –, daß Sie sich hier beschwert haben, daß man die Geburtenbeihilfe abschafft. Ist das nicht von der Logik her falsch? Man gibt noch etwas dazu, damit etwas in Anspruch genommen wird. Man muß umdenken! Ich glaube, das ist fast ein bißchen sozialistisches Denken, das hier nicht hineinpaßt. Das möchte ich schon sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Also wir müssen den einzelnen selbst für seine Gesundheit verantwortlich machen. Es genügt, wenn man ihm die Möglichkeiten und die Einrichtungen von Staats wegen zur Verfügung stellt.

Glauben Sie nicht, daß das unsozial ist. Das unsozialste Gesundheitssystem ist jenes, das wir uns nicht mehr leisten können. Wir müssen – jeder nach seinen Möglichkeiten – dazu beitragen, daß die hohe Qualität der Versorgung gewährleistet werden kann. Jeder einzelne kann und soll durch seine Lebensweise und seinen Lebensstil dazu beitragen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte sehr.

16.42

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt eine große Menge wichtiger Probleme im Gesundheitswesen, deren Lösung ansteht. Die Änderung in der Krankenhausfinanzierung, Arbeitszeitregelungen für die in den Gesundheitsberufen, insbesondere in den Spitälern tätigen Menschen, eine Ausbildungsreform, die Stärkung und Ausweitung der PatientInnenrechte, die Verbindung von Schulmedizin mit anderen Ansätzen der Heilkunde, alternativen Lehren – all das sind große Probleme, vor denen Sie, Frau Bundesministerin, und Ihr Ressort stehen.

Obwohl diese Probleme groß und drängend sind, möchte ich dazu heute nichts sagen, denn das, was mir momentan als die zentrale Frage im österreichischen Gesundheitswesen erscheint, ist die Frage, ob Österreich in eine neue, eine sehr gefährliche Technologie, nämlich die Gentechnik, soweit sie Freisetzungen betrifft, einsteigt oder nicht.


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Das ist die zentrale Frage, eine Frage, die mindestens von der gleichen Bedeutung ist wie damals die Frage, ob Österreich ein atomenergiefreier Staat bleibt oder ob wir in diese Technologie einsteigen, von der wir heute wissen, daß sie verhängnisvoll war und ist. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Frau Bundesministerin! Diese Frage ist keine naturwissenschaftliche Frage, es ist eine zutiefst politische Frage, und Sie, Frau Bundesministerin, sind gefordert. Sie, Frau Bundesministerin, sind der österreichischen Bevölkerung eine Antwort schuldig auf die Frage: Wie halten Sie es mit gentechnischen Freisetzungsexperimenten?

Es geht nicht um die Frage, was naturwissenschaftlich machbar ist und wie die Einschätzung der in diesem Bereich tätigen Wissenschafterinnen und Wissenschafter lautet, sondern es geht um die Frage: Wo soll Österreich politisch hinsteuern? – Frau Bundesministerin! Das heißt, Sie können sich in dieser Frage nicht länger einer längst ausständigen Antwort enthalten.

Frau Bundesministerin! Die Frage der Gentechnik, vor allem die Frage von Freisetzungen, hat mindestens die Brisanz der Frage der Atomenergie und des Einstieges in diese Technologie, ja oder nein. Längst schon wissen wir, daß auch in vielen anderen Bereichen naturwissenschaftlich vieles machbar ist, aber wir wissen nicht, ob wir dorthin steuern sollen.

Auch die Medizin kann heute viel mehr als das, was vielleicht moralisch-ethisch vertretbar ist. Wir können hirntote Menschen am Leben erhalten – wenn man es Leben nennen kann –, wir können ihre Lebensfunktionen erhalten. Es ist eine politische Frage: Wie weit kann das gehen? Wie lang kann das gehen? Können solche Frauen Kinder zur Welt bringen? Das ist eine politisch zu beantwortende Frage.

Wir haben hier in diesem Haus auch über In-vitro-Fertilisation gesprochen, und wir haben dazu den Standpunkt vertreten, daß wir politisch darüber entscheiden müssen, was die Naturwissenschaft darf und was sie nicht mehr darf. Es kann nicht so sein, daß die Naturwissenschaft für sich selbst entscheidet, wo ihre Grenzen sind, denn dann wissen wir, daß wir politisch hinterherlaufen und daß wir diese Grenzziehung nicht mehr vornehmen können.

Politische Entscheidungen sind gefragt, und Sie, Frau Bundesministerin, haben heute die Chance, vor diesem Hause Ihre Meinung zu sagen. Sie sollten diese Chance nicht ungenützt verstreichen lassen!

Es ist nicht die Frage von wissenschaftlichen Ausschüssen, denn wenn Sie diesen Ausschüssen die Antwort überlassen, dann kann ich Ihnen heute schon sagen, wie sie ausfallen wird. Sie wissen doch genausogut wie ich, wie diese Ausschüsse zusammengesetzt sind. Dort sitzen in großer, großer Mehrheit leidenschaftliche Vertreter der Gentechnik. (Abg. Dr. Nowotny: Das sind keine "leidenschaftlichen Vertreter"! Das sind Experten, Wissenschafter! Das wollen Sie nicht hören!) Herr Abgeordneter Nowotny! Das mögen Experten sein, aber Sie wissen so gut wie ich, daß es sowohl in Fragen der Atomenergie, daß es in Fragen der Toxikologie, daß es in Fragen der Gentechnik genau um diese Beurteilung geht: Welches Risiko muten wir den Bürgerinnen und Bürgern zu, in ökologischer Hinsicht und in naturwissenschaftlicher Hinsicht?

Ich kann mich natürlich auf den Standpunkt zurückziehen: Hoffentlich wird nichts passieren. Ich habe diese Hoffnung auch, aber das ist politisch keine Antwort. Politisch geht es um die Frage: Wollen wir das Risiko auf ein absolutes Minimum begrenzen, so wie das Österreich damals mit der Entscheidung um Zwentendorf getan hat, oder wollen wir das nicht? Wir haben immer noch ein Risiko, etwa der grenznahen Atomkraftwerke, aber im eigenen Bereich haben wir das Risiko auf Null gestellt, und das war damals eine gute Entscheidung. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Tichy-Schreder: Warum sind Sie so aggressiv?)

Wir haben diese Risikodiskussion nicht geführt. Wir haben sie vor allem politisch nicht geführt. (Abg. Dr. Nowotny: Wir haben sie geführt!) Nein, Herr Abgeordneter Nowotny! Ich erinnere Sie daran, was damals im Ausschuß passiert ist. In diesem Unterausschuß des Gesundheitsausschusses waren damals so lange Vertreter aus dem Bereich Wissenschaft, aus dem Bereich Gesundheit dabei, solange es nicht wirklich um die Entscheidung gegangen ist. Und dann gab


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es auf einmal die Rochade, dann sind auf einmal die sogenannten Wirtschaftsexperten gekommen. (Abg. Dr. Nowotny: Ist das etwas Negatives?) Dann waren Sie im Ausschuß, dann war der Abgeordnete Stummvoll im Ausschuß, dann haben die Gesundheitsexperten nichts mehr zu sagen gehabt, dann sind auf einmal die Leute aus diesen Bereichen aus den Ausschüssen hinausgegangen. (Abg. Tichy-Schreder: Warum sind Sie so aggressiv?)

Frau Abgeordnete Tichy-Schreder! Es geht um die Frage: Welches ökologische, welches gesundheitspolitische Risiko muten wir der österreichischen Bevölkerung zu?, und es geht zweitens auch um die Frage – und die ist vor allem für die ÖVP eine wichtige –: Welche Landwirtschaft von morgen wollen wir denn? Wo sehen wir die Zukunft unserer Landwirtschaft? Sehen wir sie im Wettlauf mit den Agroindustrien in Europa oder sehen wir sie im "Feinkostladen" Europas, in einer biologisch orientierten Landwirtschaft, wie sie etwa in dieser Frage von Minister Molterer, von Minister Bartenstein vertreten wird.

Ich bin sehr froh über diese Statements, und ich teile ihre Meinung in dieser Frage. Ich bin froh, daß hier zwei ÖVP-Minister den Mut gefunden haben, an die Öffentlichkeit zu gehen und ihre Meinung zu sagen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube auch, daß das der Erfolgsweg für die österreichische Landwirtschaft und damit für einen wichtigen Zweig der österreichischen Wirtschaft ist. Nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die Nahrungs- und Genußmittelindustrie ist das der richtige Weg: biologische, naturnahe Lebensmittel zu produzieren und eben auf gentechnische Freisetzungen zu verzichten. Das bedeutet nicht ein komplettes Verbot oder die Abschaffung der Gentechnik, sondern eine politische Diskussion, unter welchen Bedingungen sie stattfinden darf. (Abg. Dr. Nowotny: Da sind wir uns ja schon einig!)

Nein, ich fürchte, wir sind uns nicht einig, Herr Abgeordneter Nowotny! Es macht einen großen Unterschied, ob ich etwa in einem Labor, ob ich in einer pharmazeutischen Fertigung unter sehr streng kontrollierten Bedingungen, die unserer Meinung nach noch strenger sein müßten, die insbesondere noch einer demokratischen Kontrolle, einer Transparenz, eines Einblicks der Öffentlichkeit bedürfen, oder ob ich mit Freisetzungen agiere.

Und, Herr Abgeordneter Nowotny – so wie damals bei der Atomenergie –, es zeigt sich schon heute, daß die Kritikerinnen und Kritiker recht behalten. Bisher waren die Prognosen hinsichtlich der Freisetzungsexperimente falsch. Wir wissen etwa vom Raps, daß die Annahmen über den Pollenflug falsch waren. Wir wissen heute – und das belegt mit naturwissenschaftlichen Studien –, daß die Pollen weiter fliegen, und wir wissen, daß die Annahmen, daß diese gentechnisch veränderten Pflanzen unfruchtbar seien, falsch waren. Es haben Auskreuzungsprozesse stattgefunden, und wir können für die Zukunft annehmen, daß die verschiedenen Firmen, die mit verschiedenen Herbizid- und Pestizidresistenzen agieren, Kreuzresistenzen produzieren werden, deren ökologische Gefahren wir überhaupt nicht abschätzen können.

Es geht, wie gesagt, um die Frage der Einschränkung der ökologischen Risken, und es geht auch noch um die Frage: Was ist eine sozial und eine ökologisch vertretbare Forschung und Produktion? Und da, Herr Abgeordneter Nowotny und Frau Bundesministerin, geht es um die Frage: Brauchen wir Konsumentinnen und Konsumenten, braucht die österreichische Landwirtschaft herbizidresistente Pflanzen? Die Antwort ist ein klares Nein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diese Pflanzen werden sich verheerend auswirken. Sie werden die Landwirtinnen und Landwirte in verstärkte Abhängigkeiten bringen, und sie werden vor allem die ökonomischen Interessen der Dritten Welt noch weiter schmälern.

Derzeit erleben wir Gott sei Dank einen Boom der biologischen Landwirtschaft in Österreich. Wenn Österreich in diese gentechnischen Freisetzungsexperimente einsteigt, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieser Boom beendet ist und bis ein Rückschlag kommt in die andere, die industrielle, die denaturierte Seite der Landwirtschaft und der agrarischen Produktion. Das ist eine Seite, in der die österreichischen Produzentinnen und Produzenten chancenlos sein


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werden und in der die Konsumentinnen und Konsumenten schlechtere Produkte bekommen werden.

Es geht, wie gesagt, um eine politische Antwort. Es geht nicht um die Frage: Was ist naturwissenschaftlich machbar? Wie gesagt: Auch was die Naturwissenschaft selbst betrifft, waren die bisherigen Annahmen falsch. Und was ist von den Prognosen derer zu halten, die sich bisher oftmals geirrt haben?

Es geht um ökologische Verantwortung. Es geht um die soziale Verträglichkeit. Wir brauchen eine biologische, eine naturnahe Landwirtschaft. Wir können nicht Schritt halten mit agroindustriellen Produktionen, das hieße, unsere Landwirtinnen und Landwirte in ein chancenloses Rennen zu schicken. Darüber hinaus müssen wir als europäischer Kleinstaat, als EU-Mitglied auch eine internationale Verantwortung wahren, eine Verantwortung für die Staaten der Dritten Welt, die durch den Einstieg in die Gentechnik in immer größere Abhängigkeit gebracht werden.

Frau Bundesministerin! Es geht schließlich um noch eine Frage – und auch das ist eine zutiefst politische und keine naturwissenschaftliche Frage –: Es geht um die Verteilung knapper Mittel. Sie wissen so gut wie ich, Frau Bundesministerin, daß auch Ihr Ressort bereit ist, die ersten Freisetzungsexperimente mit Millionenbeträgen zu fördern; Millionenbeträge in einer Zeit von Sparpaketen, von Belastungspaketen, Millionenbeträge in einer Zeit, in der die biologisch arbeitenden Betriebe wirklich um jeden Schilling raufen müssen und wir wissen, daß sogar versprochene, zugesagte Förderungsprogramme für ökologische Umstellungen nicht eingehalten werden können!

Frau Bundesministerin! In einer Zeit knapper Mittel müssen politische Entscheidungen getroffen werden: Was wollen Sie fördern? Wollen Sie herbizidresistenten Mais fördern mit all den ökologischen und sozialen Risken und mit den Risken für die Dritte Welt? Oder wollen Sie nicht lieber die Vorsorge im Gesundheitsbereich fördern und damit – damit sind Sie auf Nummer Sicher – die Produktion, die Verbreitung, das Populärmachen von biologischen Lebensmitteln, vernünftiger Ernährung? Dort gehören Ihre Mittel eingesetzt und nicht für Förderungsanträge, ob sie jetzt von Seibersdorf oder von anderen Betrieben kommen, die nur Pflanzen gegen Herbizide resistent machen wollen.

Diese Förderungsanträge bringen dann eine doppelte Abhängigkeit. Denn dieser Pharma-, dieser Chemiemulti verdient dann, wenn er einmal sein Produkt auf dem Markt hat, doppelt: einerseits am gentechnisch veränderten Saatgut und andererseits – gleich im Kombipack – am Pestizid, am Herbizid, gegen das diese Pflanze immun ist und das er gleich dazuliefert. Die Konsumenten bekommen dann dieses Produkt, das nicht einmal offen und ehrlich auf seine Beschaffenheit hin deklariert sein wird.

Frau Bundesministerin! Einmal mehr: Sie müssen eine politische Entscheidung treffen. Sie dürfen nicht länger schweigen. Es geht nicht um den wissenschaftlichen Ausschuß, es geht nicht um naturwissenschaftliche Machbarkeit, sondern es geht um die Frage: Wie geht es weiter mit Österreichs Landwirtschaft? Wie geht es weiter mit Österreichs Konsumentenschutz? Wie geht es weiter in Fragen der Ökologie und der Abwendung ökologischer Risken?

Frau Bundesministerin! Das ist ein Erdapfel aus einer biologischen Produktion. (Die Rednerin zeigt einen Erdapfel. – Bundesministerin Dr. Krammer: Welche Sorte?) Das weiß ich nicht genau (Bundesministerin Dr. Krammer: Na sowas!), aber es ist ein Erdapfel, der jedenfalls – und das ist das wichtigste – erzeugt ist ohne den Einsatz ... (Bundesministerin Dr. Krammer: Da gibt es viele Sorten! Da gibt es viele Unterschiede!) Diese Unterschiede sind vor allem für die Gentechniker wichtig, denn sie schleusen dort Gene ein, und es hat sich gezeigt, daß dieses Einschleusen von Genen für manche Menschen lebensgefährlich ist. Die biologischen Erdäpfel, Frau Bundesministerin, ob das jetzt Bintje oder sonst welche sind, die sind jedenfalls für die Gesundheit unbedenklich. Und das ist das Wichtige, worauf es ankommt. (Beifall bei den Grünen.)


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Frau Bundesministerin! Dieser Erdapfel ist frei von Rückständen, von Pestiziden, von Herbiziden, er ist auch ohne den Einsatz von künstlichen Düngemitteln erzeugt worden. Ich gebe Ihnen jetzt diesen Erdapfel, und ich hoffe, Sie werden sich dann daran erinnern, daß Sie der österreichischen Bevölkerung die Entscheidung schuldig sind, in welche Richtung wir weitergehen. Und ich würde mir wünschen, daß wir solche Erdäpfel, von welcher Sorte auch immer, aber frei von Pestiziden, von Herbiziden und sicher zuträglich für unsere Gesundheit, haben werden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Petrovic übergibt Bundesministerin Dr. Krammer einen Erdapfel. – Bundesministerin Dr. Krammer: Ich werde ihn braten und essen!)

16.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Onodi. – Sie hat das Wort.

16.59

Abgeordnete Heidemaria Onodi (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ein billiges Gesundheitswesen ist gefordert – aber wie? Gesundheitskosten entstehen dort – und nur dort –, wo es Kranke gibt. Kranke wird es immer geben, doch die Frage ist: Wie viele? Es gibt Unfallkranke, erbbedingte Kranke und Kranke, die durch schlechte Gewohnheiten in mißliche Situationen kommen.

In den Fällen von Erbkrankheiten haben wir als Gesellschaft alles zu unternehmen, um das Leid dieser Menschen, die unverschuldet zu diesen Krankheiten gekommen sind, zu lindern beziehungsweise durch Forschung und Wissenschaft Mittel und Wege zu suchen und zu finden, Heilung herbeizuführen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Gestatten Sie eine Frage! – Abg. Ing. Tychtl: Fragestunde ist morgen! – Weiterer Zwischenruf des Abg. Haigermoser .) Das kostet Geld, und zwar viel Geld, das hoffentlich zur Verfügung steht, weil es jeden von uns treffen könnte, und nur der Betroffene selbst weiß, wie wichtig dann die Unterstützung durch die Gesellschaft ist.

Völlig anders ist es aber bei den Menschen mit selbstverursachten Krankheiten – hören Sie gut zu! Durch Selbstvergiftung, schlechte Ernährung, Bewegungsmangel und so weiter werden im Körper Veränderungen hervorgerufen, die, wenn sie dann behandelt werden müssen, unsere Gesundheitskosten zur Explosion bringen. Ich als Krankenschwester bin selbst täglich damit konfrontiert, die durch die Unwissenheit und Sorglosigkeit wissentlich herbeigeführten Krankheiten der Menschen mit kostenintensivster Medizin und Pflege auszumerzen. Doch sind damit auch Unwissenheit und Sorglosigkeit ausgemerzt? Müßten wir nicht wesentlich intensiver in der Aufklärung, in der Schulung, in der Vorsorge tätig werden, sodaß diese vom Menschen selbst herbeigeführten Krankheiten minimiert werden?

Sollte nicht bei der Ausbildung in den medizinischen Berufen – egal, ob Ärzte oder Krankenpflegepersonal – wesentlich mehr auf die Ausbildung der Patienten zu gesundheitsbewußten und selbstverantwortlichen Mitmenschen geachtet werden? Es erfordert eine große Allgemeinbildung von seiten des Aufklärung leistenden Personals, um diese Patienten von der Richtigkeit und Notwendigkeit einer gesunden Lebensführung zu überzeugen. (Beifall bei der SPÖ. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Um das zu können, benötigt man das richtige Rüstzeug, nicht nur eine profunde Ausbildung in fachspezifischen, in allgemeinbildenden Fächern, sondern vorwiegend auch menschlich-ethische, charakterliche Eigenschaften. Nur gute Vorbilder, lebendige Vorbilder und Vorbilder, die das, was Sie sagen und lehren, selbst leben, können diesen Kranken eine Stütze sein, aus ihrer leidvollen Situation herauszukommen. Nur dann können wir die allgemeinen Kosten senken, Kosten, die aufgrund einer blendenden Gesundheit unserer Bevölkerung nicht mehr entstehen können. Darum mein Aufruf: Bilden wir unser medizinisches Personal zu Vorbildern! Schulen wir den Menschen, und wir bekommen alles! Gesundheit selbst kostet nicht viel.

Wenn wir schon von Vorbildern gesprochen haben, Kollege Haigermoser, so fordere ich als Krankenschwester Sie wieder auf, Hohes Haus, liebe Kollegen und Kolleginnen, selbst alles zu


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unternehmen, um für unsere Bevölkerung ein lebendes Vorbild an Gesundheit und Vitalität zu sein. (Beifall bei der SPÖ.)

17.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.

17.03

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz vor meiner Rede noch direkt dem Primarius Leiner antworten, der mich ja auch direkt angesprochen hat. Es geht mir bei der Geburtenbeihilfe nicht um die Prämierung, es geht mir darum, daß es Tatsache ist ... (Abg. Mag. Stadler: Das hat der Leiner gesagt? Das ist eine alte ÖVP-Forderung! Und Sie von der ÖVP sagen Prämierung dazu? Das ist ja unglaublich! Das werde ich Ihren Familienleuten sagen!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete! Lassen Sie sich nicht irritieren! Sie sind am Wort und sonst niemand. – Bitte. (Beifall bei der ÖVP.)

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (fortsetzend) : Herr Primarius! Wir können halt in der Politik nicht immer nur von einem Idealfall ausgehen, sondern es ist Tatsache, daß seit Einführung der Geburtenbeihilfe die Überwachung durch den Mutter-Kind-Paß eine lückenlose ist. Und über den Wert dieser Mutter-Kind-Paß-Untersuchung habe ich ja schon ausführlich geredet, darauf möchte ich jetzt gar nicht näher eingehen. Es ist mit dem Wegfall der Geburtenbeihilfe zu befürchten, daß ein massiver Einbruch in der Vorsorge zustande kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Das ist es! – Abg. Dr. Leiner: Schauen wir es uns an!)

Daß die Regierungsparteien auf die Vorsorge wenig Wert legen, darauf gehe ich dann in meiner Rede noch ein. Wir diskutieren das, wenn es Ihnen recht ist, später draußen noch aus. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ein Verbrechen an den Kindern – und das von einer Familien-Partei! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist dies meine erste Rede zum Gesundheitsbudget hier im Hohen Haus. Daher habe ich meine Hausaufgaben gemacht, daher habe ich mir Zeit genommen und daher habe ich in den Stenographischen Protokollen des Vorjahres geblättert. Dabei bin ich auf eine Passage gestoßen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Leider ist der sozialdemokratische Gesundheitspolitiker Mag. Guggenberger gerade nicht anwesend, denn diese Passage betrifft ihn. Er hat letztes Jahr seine Rede nach der Begrüßung mit folgenden Worten eröffnet – ich zitiere –:

"Es gibt einen jungen intellektuellen Praktiker des Gesundheitswesens namens Dr. Hannes Schmidl, und dieser verwendet, wenn er über unser Gesundheits- und Sozialsystem schreibt, gern folgendes Gleichnis: Nehmen wir an, es gäbe in diesem Land kein Sozial- und Gesundheitssystem, die Regierung würde eine Kommission einsetzen, mit dem Auftrag, ein derartiges zu entwerfen. Nach einiger Zeit des Nachdenkens kommen die klugen Damen und Herren zurück und präsentieren folgendes Modell:

Erstens: Es sollen alle Einrichtungen des Gesundheitswesens, Ärztepraxen, Krankenanstalten, Beratungsstellen und ähnliches, möglichst nebeneinander und isoliert und ohne miteinander verbunden zu sein neben sich her agieren.

Zweitens: Es sollen möglichst viele Gesetze auf Bundes- und Landesebene, vielleicht auch noch im Verfassungsrang, erlassen werden, damit jeder, der diese Situation ändern will, scheitert.

Drittens: Es soll die Finanzierung auf möglichst viele verteilt werden – Sozialversicherungsträger, Bund, Länder, Gemeinden –, sodaß bei allen Finanzierungsträgern ständig das Gefühl des Benachteiligtwerdens entsteht."

Guggenberger – es war der 6. April 1995 – stellt für seinen Herrn Schmidl konkludent fest:

"Würde eine Kommission mit derartigen Vorschlägen an die Regierung zurückkommen", so schreibt Schmidl weiter, "würde sie wahrscheinlich in die Wüste geschickt werden.


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Das Problem ist nur: Unser System funktioniert weitgehend nach diesen Grundsätzen". – Zitatende. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

So also sprach Guggenberger vor knapp einem Jahr. Der Fairneß halber füge ich hinzu, daß er – Schmidl, nicht Guggenberger – die Fehler im System als gewachsene sieht, mit denen man halt leben müsse. (Abg. Mag. Stadler: Der Guggenberger ist ein gesundheitspolitischer Schmidl!)

Nachdem ich mich in die gesundheitspolitische Thematik, wie ich meine, doch mit einigem Engagement eingelesen habe, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Kollege Guggenberger nicht von einer fiktiven Kommission gesprochen hat, sondern daß Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, vielleicht doch einen Beratervertrag mit dieser Kommission abgeschlossen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Kollege Dr. Pumberger hat Ihnen bereits die Leviten gelesen – und er hat recht. Er hat recht, wenn er eine Rückläufigkeit bei den vorsorgemedizinischen Maßnahmen kritisiert. Er hat recht, wenn er Sie auf den zu erwartenden Crash anspricht; es muß crashen zwischen Föderalismus und Zentralismus, zwischen dem geplanten ÖKAP und zwischen der sich verlagernden Autonomie hin zu den Ländern. Er hat recht, wenn er die Einführung der LKF ohne begleitende Strukturmaßnahmen kritisiert. Er hat recht, wenn er im Namen unserer Jugend davor warnt, daß in Zukunft Kleindealer im Drogenmilieu praktisch straffrei ausgehen. Und er hat vollkommen recht, wenn er sich für die Förderung privatmedizinischer Einrichtungen stark macht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nicht recht hätte er, würde er Ihnen die Leviten nicht lesen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da ich, wie ich glaube, bei meiner Rede hier auch etwas Raum für grundsätzliche Erwägungen zur Gesundheitspolitik ganz allgemein beziehungsweise zu Ihrer Budgetierung habe, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß wir vor lauter Zahlen und vor lauter Vergleichen im Budgetwald uns der Gefahr aussetzen, den Blick für das Grundsätzliche, für das Wesentliche, aber auch den Blick für die Zukunft zu verlieren.

Ich glaube, daß man, bevor man überhaupt ein Budgetkapitel Gesundheit erstellen kann, sich über den Wert der Gesundheit subjektiv und objektiv erst einmal im klaren sein muß. Man muß sich darüber im klaren sein – Frau Gesundheitsminister, darf ich Sie jetzt auch als Bundesgesundheitsmutter ansprechen? (Bundesministerin Dr. Krammer: Großmutter geht auch! Das bin ich auch schon!) Ich danke. – Man muß sich also darüber im klaren sein, meine Damen und Herren ... (Abg. Mag. Stadler: Sie haben viele Väter für Ihre Kinder, was? – Bundesministerin Dr. Krammer: Das geht zu weit, Herr Doktor! Darauf bestehe ich, daß Sie das zurücknehmen! – Abg. Mag. Stadler: Auf der Gesundheitsschiene gibt es die vielen Väter! – Bundesministerin Dr. Krammer: Nein, die Reform hat viele Väter, nicht ich für meine Kinder! – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe.) Frau Minister, darf ich wieder weiterreden? (Bundesministerin Dr. Krammer: Das müssen Sie dem Herrn Stadler sagen, nicht mir) Sie waren am Wort! (Heiterkeit. – Abg. Dr. Pumberger: Soll ich Ihnen ein Beruhigungsmittel geben? – Bundesministerin Dr. Krammer: Nein, ich bin ja nicht aufgeregt! Ihr regt euch ja so auf! – Weitere Zwischenrufe und Unruhe.)

Man muß sich im klaren sein darüber, Frau Minister, ob man ein Ministerium ohne Kompetenzen führt oder ob man Gesundheitspolitik aus einem Guß mit einer transparenten und sinnvollen Kompetenzbereinigung betreibt.

Man muß sich darüber im klaren sein, ob man in einer Massenabfertigung einem anonymen Patienten ein Pflaster und ein Rezept für ein Medikament in die Hand drückt oder ob man die Wichtigkeit eines persönlichen Arzt-Menschen-Verhältnisses in seiner ganz einheitlichen Dimension erkennt und die Politik darauf ausrichtet.

Und man muß sich, meine Damen und Herren, darüber im klaren sein, ob wir unseren älteren Mitbürgern die beste medizinische Hilfe zukommen lassen oder ob wir aus kurzfristigen Kostenerwägungen heraus wichtige geriatrische Rehabilitationsmaßnahmen dem Rotstift irgendeines


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kassenärztlichen Chefarztes zum Opfer fallen lassen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein Gradmesser für die soziale Entwicklung unserer Gesellschaft, wie wir mit unseren alten und kranken Menschen umgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Zahl dieser alten Menschen wird steigen. In 50 Jahren hat sich die Zahl der 60jährigen verdoppelt, die Zahl der 85jährigen verdreifacht. Wenn wir nicht heute schon eine Bewußtseinsänderung im Umgang mit alten Menschen vollziehen, dann sind wir auf dem besten Weg zu einem Generationenkonflikt, und den werden Sie alle unmittelbar und direkt spüren. (Abg. Dr. Leiner: Sie auch, Frau Kollegin!)

Man muß sich als Regierung auch darüber klar werden, ob man eine medizinische Fakultät dazu zwingt, ihre Pforten zu schließen, keine Studenten mehr aufzunehmen und keine Pflichtpraktika mehr abhalten zu können, oder ob man nicht vielleicht sogar mehr Mittel für eine international vorbildliche und vor allem praxisorientiertere Ausbildung zur Verfügung stellt.

Und man muß sich darüber im klaren sein, ob man in der Gesundheitspolitik seinen Kopf von einem Notbudget zum anderen gerade noch über Wasser hält oder man den notwendigen geistigen Sprung für eine Bewußtseinsänderung wagt.

Man muß sich schließlich darüber im klaren sein, daß für jeden einzelnen von uns allen alle anderen Werte in den Hintergrund treten, wenn unsere Gesundheit einmal deutlich angegriffen ist. Dann würden wir nämlich alle nicht da sitzen.

Wer so wie ich einige Jahre in der Radiologie tätig ist, der hat zumindest berufsbedingt den medizinischen Durchblick, wie viele Schäden aufgrund mangelnden Vorsorgebewußtseins und auch aufgrund mangelnder vorsorgepolitischer Maßnahmen entstanden sind. Daher glaube ich doch, daß ich mir die Freiheit nehmen darf, auf die Bedeutung und immer wieder auf die Bedeutung von Präventivmaßnahmen und Präventivpolitik hinzuweisen. Während es in der Regierungserklärung noch hieß – ich zitiere –, daß ein verstärktes Augenmerk auf Gesundheits-, Förderungs- und Vorsorgeprogramme gelegt wird, wird das Budget für diese Maßnahmen von 205 Millionen auf 155 Millionen, also um 50 Millionen gekürzt. (Abg. Mag. Stadler – aufgrund der Tatsache, daß Abg. Motter bei Bundesministerin Dr. Krammer steht –: Herr Präsident! Den Tratsch da hinten sollte man abstellen!)

Nicht, indem wir reduzieren, sondern indem wir mehr ausgeben, sparen wir in der Folge, so zitiert Dr. Leiner. Ich hoffe, daß meine Berufskollegen Dr. Leiner und der jetzt auch wieder anwesende Dr. Rasinger (Abg. Dr. Rasinger: Immer anwesend!) heute nicht ihre mir bekannten Ansichten zur Vorsorgepolitik dem Koalitionszwang opfern, sondern entsprechend ihrem Gewissen als Ärzte und Politiker unseren nachfolgenden Antrag, den ich hiermit einbringe, unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil, Dr. Alois Pumberger, Dr. Stefan Salzl und Kollegen betreffend Gesundheitsvorsorge als vordringliches Anliegen der Gesundheitspolitik des Bundes

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird dringend aufgefordert, für die vom Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz zu treffenden Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge noch heuer zusätzliche Mittel bereitzustellen, wobei die Bedeckung durch Einsparungen in Kapiteln 50: Finanzverwaltung und 51: Kassenverwaltung zu erfolgen hat."

*****

(Abg. Dr. Graf: Bravo! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es sind aber heute noch viel mehr Punkte, auf die ich Sie aufmerksam machen möchte. Wir stehen, so glaube ich, am Beginn einer gewaltigen Revolution in der Medizin, und schon bald


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wird es möglich sein, daß sich jeder Arzt eine Universitätsklinik zu sich nach Hause in die Praxis holen wird. Es wird möglich sein, daß ich als Radiologin aus Linz mit einem Kollegen aus Boston Diagnose und Therapiemöglichkeiten im virtuellen Raum online diskutiere.

Was ich Ihnen damit sagen möchte, ist, daß wir zukunftsorientiert denken müssen, daß wir es uns nicht nehmen lassen dürfen, auch in der Politik Visionen zu entwickeln, daß wir offensiv auf neue Entwicklungen in Technik und Gesellschaft zuzugehen und rechtzeitig die Antwort der Politik darauf zu geben und steuernd, fördernd oder korrigierend einzugreifen haben. Unsere Gesundheitspolitik ist von einem genauso reaktiven Geist geprägt wie die österreichische Politik schlechthin.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich mir aber jetzt einen "Ruf zur Sache" vom Präsidium einhandle, möchte ich mich verbal noch einmal zum österreichischen Gesundheitsbudget hinbewegen. Das von Ihnen heute zu beschließende Budget trägt die Handschrift der vom Kollegen Guggenberger ins Spiel gebrachten Kommission, die er, wie ich eingangs zitierte – Sie waren leider nicht anwesend – eigentlich in die Wüste schicken wollte.

Dieses Budget zum Kapitel Gesundheit ist logische Konsequenz einer über Jahre in vielen Bereichen verschlafenen und kompetenzarmen österreichischen Gesundheitspolitik (Beifall bei den Freiheitlichen) , aber es ist auch das Ergebnis einer Koalition aus Parteien, die aus kurzfristigen Budgetnöten ein Zahlenwerk zusammengezimmert hat, das weder den Anforderungen einer zukunftsorientierten Gesundheitspolitik gerecht wird noch den Menschen in seinen elementaren Bedürfnissen beachtet. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. (Rufe bei der SPÖ: Der berühmte Dr. Rasinger!)

17.17

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute schon oft vom "Megathema" geredet worden. Ich werde Ihnen sagen, was das wirkliche Megathema ist. Das wirkliche Megathema der Gesundheitspolitik ist nicht, wie Frau Abgeordnete Petrovic meint, die Gentechnologie, da ist der Zug schon längst abgefahren (Abg. Ing. Langthaler: In Welche Richtung?) , und was die Medizin anlangt, sind wir sogar sehr dankbar, daß es sie gibt – wenn Sie eine Erbkrankheit hätten, wären auch Sie dankbar, wenn da weiter geforscht würde, und das geschieht auch –, sondern das Megathema ist die Frage der Rationierung der Medizin.

Wir alle nehmen das als so selbstverständlich hin. Ich habe in meiner letzten Rede darauf hingewiesen, daß in Amerika statt 40 Millionen Amerikaner in fünf bis acht Jahren etwa 60 Millionen Amerikaner keinen Versicherungsschutz haben werden.

Wissen Sie, was das bedeutet? – Das heißt, wenn Sie ins Spital gehen und Krebs oder ein schwerkrankes Kind haben, sagt man im Spital: zuerst Kreditkarte, dann Behandlung. Gott sei Dank, sind wir in Österreich nicht so weit, und das ist ein Wert. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich sage Ihnen gleich, wen es treffen wird. Ich sage Ihnen gleich, warum ich auf diesem Thema herumreite und wen es treffen wird: Treffen wird es Behinderte, möglicherweise Mindestrentner, Mehrkinderfamilien, Menschen mit Mindesteinkommen und Arbeitslose. Ich sage Ihnen als Arzt und Insider: Wir stehen, wenn wir nicht gegensteuern, an der Stufe zu einem System, das nicht finanzierbar sein wird und bei dem vor allem etliche Leute in Richtung Zwei-Klassen-Medizin hineinrutschen werden. Und das will ich verhindern!

Nehmen Sie nur einmal die Zahl der Ärzte, die keinen Kassenvertrag haben. Mittlerweile hat die Hälfte aller Ärzte, die niedergelassen sind, überhaupt keinen Kassenvertrag. Das heißt, sie sind für einen normalen Bürger, der finanziell nicht drauflegt, gar nicht zugänglich. (Abg. Dr. Graf: Wer ist dafür zuständig? Das ist die Gesundheitspolitik!)


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Ich glaube, das Thema sind hier die Kosten. Und wenn Sie die Kosten allein betrachten, dann müssen Sie sich fragen: Können wir uns das leisten – oder können wir uns das nicht leisten? Das ist die entscheidende Frage.

In der ganzen Diskussion, die in den letzten Wochen geführt wurde, hatte ich immer den Eindruck, es gibt ein Wort nicht, und dieses Wort heißt "Patient". Das zweite, was man beachten sollte, ist die Frage: Was wollen Patienten? – Ich kann Ihnen sagen, ich sehe relativ viele Patienten und habe noch nie von einem Patienten gehört, er will schlecht behandelt werden, also gehe ich davon aus, daß es in Zukunft der Patienten- und der überwiegenden Bürgerwunsch sein wird, optimal und gut versorgt zu werden.

Wie schaut es jetzt aus mit den Reformen, die wir seitens der Regierung gesetzt haben? Erfüllen die diese Anspruch? Im Spitalswesen hat vor einigen Wochen eine Reform stattgefunden. Lieber Kollege Pumberger, weil du gesagt hast, das sei keine Reform – also ich würde sagen, das ist sicher eine Megareform. Die Frage ist: Was wird aus der Reform einmal werden? Jede Reform hat eine Chance oder birgt auch eine Gefahr in sich. Ich hoffe, daß das Positive bei weitem überwiegen wird, nur müssen wir abwarten, wie sich das entwickeln wird.

In Deutschland gibt es etliche kritische Stimmen. Zum Beispiel ist für die Herzchirurgie jetzt eine Studie veröffentlicht worden, daß ein Patiententourismus stattfinde. Weil die Leistungen in der Herzchirurgie schlecht bewertet wurden, hat man zum Beispiel kinderherzchirurgische Eingriffe von manchen Chirurgien auf Uni-Kliniken transferiert, die dann die ganzen Kosten schlucken müssen. Ich halte es für unethisch, wenn man Patienten hin- und herschickt, ohne daß sie das wissen, nur weil sie kein Geld bringen. Ich glaube, da wird man in Österreich – wir haben ja ein halbes Jahr Zeit – sehr genau aufpassen müssen.

Auch die Frage der sogenannten Fremdpatienten – ein Thema, das Stadtrat Rieder immer gern im Mund führt – sollte mit dieser Reform zumindest für weitere vier Jahre begraben sein. Ich glaube, Rieder sollte sich bei Stadtrat Edlinger erkundigen, denn das trifft ja Ihre Burgenländer, Frau Ministerin, und die Niederösterreicher. Das ist nämlich dezidiert behandelt worden.

Die Kernfrage nach der Frage, ob wir rationieren sollen oder nicht – die ich klar mit einem Nein beantworte, was gar nicht so leicht sein wird –, ist: Welches System wollen wir uns überhaupt leisten? Vor drei Tagen hat im AKH ein Symposium "Spitzenleistungen in der Medizin" stattgefunden, und da wurde festgestellt, daß sich in den letzten drei Jahren die Zahl der Spitzeneingriffe im AKH verdoppelt hat.

Ich werde Ihnen jetzt ein bißchen aus ärztlicher Sicht erzählen, was Spitzeneingriffe sind und was sie kosten, denn wir reden ja immer von Kosten, und keiner weiß, was mit dem Geld geschieht.

Wenn Sie zum Beispiel an einer Ausweitung der Körperschlagader leiden – das betrifft immerhin 2 bis 5 Prozent der Bevölkerung über 50 Jahre –, dann kostet die Operation, die mit der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt werden muß, mit der Nachbetreuung etwa 500 000 S. Wir leisten uns das. Die Alternative dazu wäre, daß der Patient an irgendeinem Tag schlicht und einfach plötzlich verblutet.

Zweites Beispiel: Es gibt Menschen, die fallen auf der Straße bewußtlos zusammen, werden reanimiert. Im Spital stellt man fest, daß sie zu Herzrhythmusstörungen neigen, zu sogenanntem Kammerflimmern. Für diese Menschen kann man heute mit einer Sonde und einem speziellen Gerät, einem sogenannten automatischen Defibrillator, das Risiko eines zweiten Kammerflimmerns, also eines sicheren Todes, verhindern. Kostenpunkt nur dieses Gerätes, nicht des Eingriffes: 350 000 S.

Wenn Sie das Pech haben, Raucher zu sein, zu viel Streß in der Politik zu haben, und wenn Sie in der Folge eine Herzkranzgefäßverengung – immerhin Todesursache bei jedem zweiten Österreicher – bekommen, dann haben sie theoretisch zwei Möglichkeiten, wenn sie den Herzinfarkt überleben oder noch nicht haben, er aber vorher diagnostiziert wird: Entweder Sie bekommen eine Bypassoperation – Kostenpunkt: 150 000 S – oder eine Aufdehnung der


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Gefäße – Kosten etwa 80 000 S, allerdings mit dem Risiko, daß sich in den nächsten fünf Jahren etwa 50 Prozent der Gefäße wieder verschließen.

Da gibt es wieder eine neue Entwicklung. Sie können mit einem Edelmetallgerüst praktisch das aufgedehnte Gefäß schienen. Die Verschlußrate sinkt auf die Hälfte, auf 25 Prozent, allerdings kostet allein dieses kleine Edelmetallstückchen 20 000 S, den Eingriff gar nicht eingerechnet. Dann sind es, so schätzte ich 70 000, 80 000 S.

Wenn Sie eine Herztransplantation brauchen, dann kostet das 400 000 S. Konkreter Fall: Ein junger Niederösterreicher erkrankt an einer Virusgrippe, bekommt eine Herzmuskelentzündung und hat praktisch ein funktionsloses Herz. Im AKH wird ihm eine mechanische Pumpe eingesetzt, weil kein geeigneter Herzspender da war. Nach zirka vier Monaten bekommt er ein Herz transplantiert – übrigens das AKH ist das Zentrum in Europa, das die meisten Herzen transplantiert –: Kostenpunkt der Herztransplantation 400 000 S, des ganzen Eingriffes inklusive mechanischer Punkte 1 Million Schilling. Ich glaube, darauf sollten wir stolz sein. Das war ein ganz einfacher Bauarbeiter. In Amerika wäre es undenkbar, daß das geschieht. Dort wäre er gnadenlos gestorben.

Ich will nicht immer wieder das Beispiel von Bruno Kreisky bringen. Bruno Kreisky wäre im billigen englischen Gesundheitssystem nie dialysiert und auch nie transplantiert worden, denn dort war die Altersgrenze 50 Jahre, und er war damals, glaube ich, 65 oder 70 sogar. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ein geschmackloses Beispiel!)

Die letzten zwei Beispiele im medikamentösen Bereich. Es gibt jetzt Studien, daß man mit neuen cholesteriensenkenden Medikamenten die Herzinfarktrate um ein Drittel senken kann. Wissen Sie, was es im Jahr kostet, diese Medikamente zu nehmen? – 6 000 S! Wissen Sie, was jemand im Durchschnitt an Krankenversicherungsbeiträgen im Jahr zahlt? Etwa 13 000 S. Das heißt, Sie würden nur durch ein einziges Medikament die Hälfte der Kassenbeiträge "auffressen". (Abg. Ing. Langthaler: Was ist die Lösung?) Ich will Ihnen etwas erzählen (Abg. Ing. Langthaler: Aber was soll man tun? Ich will ja Lösungen hören!) , denn nur durch Erzählen, durch konkrete Beispiele kann man dann darüber reden, was man tun kann. Ich will nicht nur von Kosten reden, ich will sagen, was damit geleistet wird. Das ist nämlich auch entscheidend.

Es gibt ein neues Medikament, das in wenigen Monaten auf den Markt kommen wird – das heißt Acamprosat –, das theoretisch bei 250 000 Alkoholikern eingesetzt werden kann und die Rückfallsrate bei chronischem Alkoholismus von 80 Prozent auf 60 Prozent reduziert. Das heißt, statt 20 Prozent Heilungserfolg könnten Sie den Erfolg beim Alkoholiker auf 40 Prozent verdoppeln. Und jeder, der einen Alkoholiker in der Familie hat, weiß, was das für Tragödien sind. Die Kosten hiefür gehen sicher in die Zigtausende, denn man muß das praktisch über mehrere Jahre hindurch geben.

Das heißt, wir kommen sehr wohl zu einem Punkt, wo wir uns fragen müssen: Können wir das mit dem bestehenden System zahlen? Ich sage Ihnen: Wir können das zahlen, aber nur, wenn wir neue Wege gehen.

Erstens: indem wir das Spital entlasten, denn das ist die teuerste Form der Versorgung. Da wurde ja ein Schritt gesetzt. Wir werden sehen, wie sich das auswirkt.

Zweitens: indem wir möglichst viele Leistungen nach außen verlagern. Hier kommen wir zu unserem Lieblingsthema Gruppenpraxen. Da hat ja der Verfassungsgerichtshof ein klares Wort gesprochen, und wir werden natürlich darauf drängen, daß man da Gas gibt.

Drittens: Förderung der Vorsorge. Es gibt jetzt eine neue Studie aus Amerika, die besagt: Allein durch mehr Bewegung, allein durch Blutdrucksenkung, allein durch fettarme Ernährung konnte in Amerika das Risiko von Herzinfarkt um 25 Prozent gesenkt werden. Das hat keinen Groschen gekostet. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Was nützt das, wenn die Leute nicht versichert sind! Wenn die amerikanischen Beispiele für Sie brauchbar sind, dann nehmen Sie sie immer heraus!) Nein, nein. Ich möchte Ihnen ja nur eine gesundheitspolitische Lehrstunde erteilen,


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damit Sie nicht glauben, ich schlafe den ganzen Tag oder, wie Pumberger sagt, der Dr. Rasinger, der kennt sich nicht aus und traut sich nicht, sich durchzusetzen.

Zuckerkrank: Wir haben in Österreich etwa 300 000 Zuckerkranke. Kostenpunkt etwa 10 Milliarden Schilling; häufigste Erblindungsursache, häufigste Amputationsursache, häufigste Dialyseursache. Da gibt es zum Beispiel im Burgenland ein Modell der Diabetesbetreuung beim Hausarzt. Das wird dort bezahlt. In Wien gibt es das nicht, in Wien geschieht nichts.

Das heißt, wenn wir nicht in die Vorsorge investieren – und da bin ich bei meinem wichtigsten Punkt –, werden wir bestraft durch sehr hohe Kosten, denn alle Beispiele, die ich Ihnen vorher aufgezählt habe, wären bei guter Lebensführung und bei mehr Eigenverantwortung in hohem Maße vermeidbar gewesen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Da müssen die Leute auch etwas dazu tun! Da müssen die gesunden Leute auch etwas tun!) Ja, ja, ganz genau, Frau Abgeordnete Partik-Pablé.

Das Entscheidende in der Gesundheitspolitik wird sein, daß wir nicht schauen, daß die Leute im Spital oder im Pflegeheim liegen, sondern daß wir gesund älter werden. Das ist die entscheidende Frage. Und da kann nur die Eigenverantwortung und die Vorsorgemedizin helfen. (Abg. Dr. Khol: Und der Dr. Rasinger!) Nein, nicht der Dr. Rasinger.

Bei allem Sparwillen, der sicher möglich ist, sage ich eines seitens der ÖVP: Wir werden uns sicher dagegen wehren, daß wir auf Kosten der Patienten sparen, indem wir ihnen die Leistungen kürzen, denn Leistungen zu kürzen, bedeutet erstens Rationieren der Medizin und führt zweitens zu hohen Folgekosten. Und das ist wirtschaftlich unvernünftig. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden, wenn wir über die Kosten diskutieren, in Zukunft natürlich auch sagen müssen, woher das Geld kommt. Bei allem Sparen werden wir sagen müssen, bei den Beiträgen, bei den Lohnnebenkosten sind wir am Limit. Deutschland, Frankreich und Österreich sind die einzigen drei Länder in der westlichen Welt mit Systemen, die überwiegend über Lohnnebenkosten finanzieren. Das ist geschichtlich, aber in Zukunft wird das sicher so nicht gehen. Was können die armen alten Menschen dafür, daß vielleicht die Wirtschaft einmal mehr Arbeitslose hat dann wieder weniger? Das ist genauso unlogisch, als wenn man sagte, wir koppeln den Autobahnbau an die Arbeitslosenzahlen. Ich glaube, in Zukunft wird man da andere Wege gehen müssen. Kollege Leiner hat ja schon gesagt, daß 1992 der damalige Gesundheitsminister aufgefordert wurde, Vorschläge vorzulegen. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß man sich in Zukunft in bezug auf Tabak-, Mineralöl- oder Alkoholsteuer überlegt, Teile davon für das Gesundheitswesen zu widmen.

Ich komme zum Schluß: Ich möchte mit dem Satz enden, mit dem das AKH-Symposium zur Hochqualität geendet hat. Die entscheidende Frage wird sein, haben dort die Professoren gefragt: Wollen wir alle Leistungen für die Erhaltung der Gesundheit oder sind wir bereit, dafür Verzicht zu leisten? Ich kann für die ÖVP jedenfalls sagen: Wir werden seitens der ÖVP erstens gegen eine Zwei-Klassen-Medizin kämpfen und zweitens für ein hohes Niveau. Sie können uns diesbezüglich sicher beim Wort nehmen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

17.32

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich habe mit Interesse den Ausführungen des Kollegen Rasinger zugehört. Er ist sicher ein Experte auf diesem Sektor, und ich glaube ihm auch vieles, nur, Herr Kollege Rasinger, das mit dem Bruno Kreisky, muß ich Ihnen sagen, ist zwar auch ganz interessant, aber ein bißchen geschmacklos empfinde ich es schon! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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17. Sitzung / Seite 480

Aber nun zu etwas anderem. Gesundheitspolitik, Frau Bundesministerin, ist sicher eine typische Querschnittsmaterie. Sie umfaßt viele Bereiche, sie hat viele Nachbarbereiche, und es ist ein hohes Maß an Steuerungswirkung und an Koordinationstätigkeit gefragt und auch gefordert. Sie sehen das, glaube ich, auch richtig in Ihrer Aufgabe, nur haben Sie leider nicht das notwendige Ausmaß an Kompetenzen, diese Steuerungsfunktionen auch wirklich so auszuüben, wie wir es uns vorstellen würden.

Meine Damen und Herren! Angesichts der europaweiten Diskussion um die BSE-Rinderseuche halte ich es für notwendig, einzelne Aspekte im Bereich der Fleischhygiene kritisch zu hinterfragen. Ich möchte aber nicht die Diskussion fortführen, die wir vergangenen Freitag hier hatten und bei der BSE ein zentraler Punkt war (Abg. Wabl: Kein blindwütiger Zynismus!) – das ist kein Zynismus, Kollege Wabl, das ist wichtig –, sondern ich möchte hier auf ganz bestimmte Bereiche eingehen, wo es mir um Grundsatzpositionen geht.

Meine Damen und Herren! Wir hatten nicht nur, sondern wir haben in Österreich wahrscheinlich das beste Futtermittelgesetz, das beste Arzneimittelgesetz, wahrscheinlich auch die bestausgebildeten Tierärzte in Europa. Wir haben eine Reihe von Maßnahmen, wo wir zweifellos einen sehr hohen Standard aufweisen können. Dennoch – es erscheint mir wichtig, das zu sagen – riskieren wir, daß wir auch in Österreich von Tierseuchen erfaßt werden, dennoch sind wir der Gefahr ausgesetzt, daß der Konsum von Fleisch zu Gesundheitsschäden führt.

Warum werden Sie fragen? – Weil – und die Antwort erfolgt in dreierlei Hinsicht – auch wir in der Legislative, aber auch in der Exekutive manchmal zu einäugig auf dem Sektor Fleisch- und Lebensmittelhygiene agieren, weil es, Frau Bundesministerin, Vollzugsdefizite gibt, weil wir uns auch auf mangelhafte Richtlinien der Europäischen Union verlassen haben – auch das muß ich einmal sagen – und weil wir auch auf dem Sektor Fleischhygiene ausgesprochene Sicherheitslücken vorfinden, weil wir sozusagen das Sicherheitsnetz nicht engmaschig genug gestrickt haben.

Manchmal wird leider auch etwas totgeschwiegen. Frau Bundesministerin, Sie selbst haben vor einigen Wochen erklärt, Ajeski sei in Österreich kein Thema. Nun, so ganz sicher würde ich mir da nicht sein. Es hat zwei Ajeski-Fälle gegeben, sie wurden auch im amtlichen Anzeiger der Veterinärbehörden publiziert, diese Fälle wurden wahrscheinlich – sage ich – rechtzeitig erfaßt, die Tiere jener Betriebe, in denen die Vorkommen konstatiert worden sind, wurden zur Gänze gekeult. Dennoch wäre ich mir nicht so sicher, daß wir dieses Problem wirklich zur Gänze erfaßt haben und eine aufkeimende Seuche sozusagen im Keim erstickt hätten. Ich wäre mir da nicht so ganz sicher und würde Sie bitten, in Ihrem Bereich nochmals dafür Sorge zu tragen, damit wirklich alles unternommen wird, um hier kein neues Problem entstehen zu lassen.

Mich hat gestört, daß Sie, sozusagen bevor noch die Maßnahmen ergriffen wurden, gesagt haben, "ist kein Thema in Österreich". Also hier möchte ich Sie nur warnen, denn es gibt schon Beispiele, bei denen man auch immer wieder sagt, es sei kein Thema, und dann kommt man drauf, daß eigenartige Vorfälle sehr wohl ein Thema sind.

Wir haben zum Beispiel das Problem der illegalen, in Österreich nicht zugelassenen Tiermedikamente. Diese werden in großem Stil, vornehmlich aus Bayern, über die Grenze gebracht. Warum? – Weil diese Medikamente in Bayern nur halb so teuer sind wie vergleichbare – allerdings nur oberflächlich vergleichbare – Medikamente in Österreich. Da ist natürlich schon ein Unterschied.

Frau Bundesministerin! Sie wissen sicherlich auch, daß es da diesen neuen Berufstyp von "landwirtschaftlichen Beratern" aus Bayern gibt – man nennt sie auch manchmal "Autobahn-Tierärzte" –, die eben in großem Stil solche Geschäfte machen. Auch die Landesveterinärbehörden in der Steiermark und in Oberösterreich wissen da recht gut Bescheid. Ich muß an Sie die Frage richten und an uns alle hier in diesem Hohen Haus: Warum treiben diese Leute immer noch ihr Unwesen in Österreich? Warum gab es keine Anzeigen? Warum wird man dieser Herrschaften nicht habhaft? (Ruf: Weil keiner aufpaßt!) Ja, weil keiner aufpaßt. (Bundesministerin Dr. Krammer: Wenn man sie anzeigt!) Es gibt aber Landesveterinärbehörden, die sozusagen


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17. Sitzung / Seite 481

eine Art "Schutzfunktion" ausüben. Ich stelle das nur in den Raum. Es ist das ein Problem. Wir müssen uns damit auseinandersetzen.

Meine Damen und Herren! Was den Medikamentenmißbrauch in der Veterinärmedizin betrifft, so gibt es eine Reihe von interessanten Publikationen. Frau Bundesministerin! Ich nehme an, Sie werden sie lesen, ich nehme auch an, daß Ihr Ressortkollege, Herr Bundesminister Molterer, diese liest, und wenn er sie nicht liest, dann sollte er das doch tun.

Ich habe hier einige Beispiele mitgebracht, die interessant sind: "Überdosierung im Bereich von Florphenicol bei der Bekämpfung der Rindergrippe; eine Publikation von Schering-Plough auch zum Thema Rindergrippe sowie zum Thema Verabreichung illegaler Medikationen; eine Publikation von Diplomtierarzt Holger Uhlig, veröffentlicht in der Zeitung "Deine UNI" mit dem Titel "Da graust der Sau", Untertitel: "Wirklich lebensgefährlich wird es aber, wenn billige Pharmaka-Nachbauten aus obskuren Ostlabors Verwendung finden", oder einen "Kurier"-Artikel vom 21. Dezember 1995, in dem genau beschrieben wird, was beispielsweise in der Steiermark und in Oberösterreich mit diesen "Autobahn-Tierärzten" passiert. Weiters ein Artikel, ebenfalls erschienen in "Deine UNI", mit dem Titel "Schweinischer Stoff" von Herbert Uniewski: "Ein illegales Medikament in der Tiermast führt beim Menschen zu Lymph- und Knochenmarksschäden".

Meine Damen und Herren! All das sollte nicht zu Panik veranlassen, aber auf der anderen Seite darf dieses Haus nicht zulassen, daß bagatellisiert wird, daß man sich leichtfertig darüber hinwegsetzt. Und ich habe schon manchmal den Eindruck, daß wir da zu großzügig agieren.

Ich möchte einen weiteren Themenkreis ansprechen, und zwar die Fleischhygiene, jenen Bereich, wo ich eine Gesetzeslücke, eine Sicherheitslücke orte, wo mir das Sicherheitsnetz nicht engmaschig genug ist.

Frau Bundesministerin! Es ist Ihnen bekannt, daß vor zwei Jahren ... (Bundesministerin Dr. Krammer spricht mit dem freiheitlichen Klubdirektor.) Jetzt muß ich aber den Kollegen von der FPÖ auch ermahnen, daß er Ruhe gibt und die Ministerin nicht belästigt (Bundesministerin Dr. Krammer: Ich habe mich nicht belästigt gefühlt!), wenn mir schon Kollege Pumberger einige Frechheiten gesagt hat, nur weil ich einen Termin vereinbaren wollte. Also bitte gleiches Recht für alle hier!

Ich komme zurück auf das, was ich eigentlich sagen wollte. Vor zwei Jahren wurde in diesem Haus einstimmig eine Novelle zum Fleischuntersuchungsgesetz 1992 verabschiedet. Alle Parteien – auch meine – haben mitgestimmt. Ich glaube jedoch, daß man in diesem Bereich über eben dieses Sicherheitsnetz gestolpert ist und daß sich diese Novellierung heute weder für den Fleischkonsumenten noch für den betrieblichen, den bäuerlichen Direktvermarkter als besonders günstig erweist.

Was ist da beschlossen worden? – Die tatsächlichen Kontrollmöglichkeiten der Fleischtierärzte wurden auf Schlachthöfe und Fleischhauereibetriebe eingeengt. Das hat in logischer Konsequenz dazu geführt, daß im Bereich der Supermärkte und Handelsketten, in dem früher – also bis 1994 – reguläre Fleischkontrolluntersuchungen durchgeführt wurden, diese durch per Dekret der Landesregierung verordnete Betriebshygienekontrollen ersetzt wurde. Wenn man weiter in die Tiefe geht, dann sieht man, daß der Tierarzt, der diese Betriebshygienekontrolle durchführt, eigentlich nicht mehr die Qualität des Fleisches kontrolliert, sondern nur mehr die Hygienebedingungen in der Umgebung. (Bundesministerin Dr. Krammer: Das machen die Lebensmittelinspektoren!) Aber auch die Fleischuntersuchungstierärzte, Frau Bundesministerin! Erkundigen Sie sich! Lebensmittelinspektoren, aber sehr wohl auch Fleischuntersuchungstierärzte. Das können Sie genau prüfen, ich habe das gecheckt. (Bundesministerin Dr. Krammer: Ich glaube es Ihnen!)

Der Tierarzt führt keine sensorische Überprüfung des Fleisches mehr durch, und wenn er tatsächlich untaugliches Fleisch entdeckt, dann bleibt ihm eigentlich nur mehr die Möglichkeit der Anzeige bei der Lebensmittelinspektion. Er kann nicht mehr selbständig agieren, er kann selbst keine Beschlagnahme mehr durchführen.


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17. Sitzung / Seite 482

Ich glaube, das ist nicht den ursprünglichen Intentionen entsprechend; da ist Korrekturbedarf angesagt. Denn auf der anderen Seite werden die Tierärzte über Verordnung der Landesregierung sehr wohl aufgefordert, nachzuweisen oder den Stempel dafür zu geben, daß taugliches Fleisch angeliefert wurde, und das, obwohl sie es gar nicht überprüfen können.

Da müßte meines Erachtens bald gehandelt werden. Wir haben uns daher erlaubt, einen Entschließungsantrag einzubringen, den ich gerne zur Verlesung bringen möchte, damit diese Lücke möglichst bald geschlossen wird.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger, Klara Motter und weiterer Abgeordneter betreffend Fleischuntersuchungsgesetz 1982

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, eine Änderung des Fleischuntersuchungsgesetzes 1982 vorzubereiten, um jenen Qualitätssicherungsstandard wiederherzustellen, der mit der Novelle 1994, durch Streichung der §§ 40 und 41, entfallen ist."

*****

Frau Bundesministerin! Sie sehen, es ist doch in einigen Fällen akuter Handlungsbedarf gegeben. Zögern Sie nicht, sondern setzen Sie diesbezüglich rasch Abhilfemaßnahmen! Wir Liberalen werden Ihnen dabei gerne mit konstruktiven Vorschlägen zur Seite stehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Abgeordnetem Mag. Firlinger vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt. Er wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Buder. – Bitte, Sie haben das Wort.

17.47

Abgeordnete Hannelore Buder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ein Sprichwort sagt: Der Gesunde hat tausend Wünsche, der Kranke nur einen: nämlich gesund zu werden. Und zu Ihrem Ministerium sagt man landläufig Gesundheitsministerium, obwohl es, wie wir alle wissen, Ministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz heißt und natürlich auch der Konsumentenschutz sehr wichtig ist.

Es ist heute schon angesprochen worden, daß die Vorsorge sehr wichtig ist. Es ist auch gesagt worden, daß die Lebenserwartung gestiegen ist, daß wir in Österreich Gott sei Dank viele 65jährige und 80jährige Menschen haben. Und ich glaube, daß dies nicht nur auf die Verbesserung der Medizin und der Medikamente, sondern auch auf das verbesserte soziale Umfeld und auf das gesteigerte Gesundheitsbewußtsein vieler Österreicherinnen und Österreicher zurückzuführen ist.

Jetzt, wo wieder schönes Wetter ist, zieht es viele von uns – wenn man kann und wenn es die Zeit erlaubt – hinaus ins Freie, und damit bin ich schon beim ersten Thema, das mir ein Anliegen ist, nämlich bei der Zeckenimpfung. In meinem Bundesland, der Steiermark, gab es im Jahr 1994 86 FSME-Fälle und im Jahr 1995 nur mehr 38, also weniger als die Hälfte. Ich finde, daß sich jeder gegen diese Zeckenkrankheit schützen und die Impfmöglichkeit in Anspruch nehmen sollte. Die Steiermärkische Gebietskrankenkasse kann auf diesem Gebiet heuer schon auf eine Erfolgsbilanz verweisen, denn es haben sich bis jetzt schon 23 000 Steirer impfen lassen, das sind 50 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. (Beifall bei der SPÖ.)


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Für die Zeckenhochburg Steiermark ist eine hohe Durchimpfungsrate besonders ratsam, da ja 40 Prozent der gesamten FSME-Fälle in der Steiermark auftreten.

Wenn wir schon beim Impfen sind, dann möchte ich auch die Wichtigkeit der Durchimpfungsrate bei Erwachsenen betonen. Gerade in Zeiten, in denen Seuchen überwunden scheinen, ist es äußerst ratsam, sich gegen Diphtherie, Tetanus, Tuberkulose, aber auch gegen Grippe impfen zu lassen (Beifall des Abg. Anschober ), da diese Krankheiten, wenn wir sie nicht wahrhaben wollen, sonst wieder im Vormarsch sind. Die Tuberkulose zum Beispiel ist wieder im Kommen: Im ersten Halbjahr 1995 waren bei den unter 15jährigen 22 Fälle zu verzeichnen.

Gesundheitsexperten der WHO riefen in Genf anläßlich des Welttuberkolosetages am 24. März Staaten und Hilfseinrichtungen auf, gegen die Tuberkolose und gegen die Immunschwächekrankheit AIDS, über die meine Kollegin Verena Dunst noch sprechen wird, weltweit gemeinsame Strategien zu erarbeiten.

Sehr beunruhigend erscheint mir auch die Tatsache, daß die Erreger der Tuberkulose immer resistenter werden und daher schwieriger zu bekämpfen sind. Und in diesem Zusammenhang möchte ich auch den ehemaligen Wiener Finanzstadtrat Hugo Breitner erwähnen, denn dieser hat durch eine vorbildliche Form des Wohnungsbaues seinerzeit geholfen, die Brutstätte der Tuberkulose zu vernichten, indem er Kinder und Jugendlichen ermöglicht hat, in gesunden Wohnungen heranzuwachsen.

Natürlich übt man bei schönem Wetter verschiedene Sportarten aus, zum Beispiel das Radfahren, und da könnte man sich durch das Tragen von geeigneten Helmen sehr wohl vor gefährlichen Kopfverletzungen schützen. Ich komme aus einem Gebiet, wo vorwiegend Wintersport betrieben wird, und ich weiß, daß zum Beispiel beim Snowboarden auf entsprechende Schuhe zu achten ist und daß beim Schifahren die richtige Einstellung der Bindung zu beachten ist, denn 45 Prozent der Schibindungen sind nicht korrekt eingestellt. Und es erleiden auch beim Rodeln vor allem viele Kinder schwere Kopfverletzungen.

In einer Zeit, in der es als "toll" angesehen wird, sich nach sportlicher Betätigung ein wenig im geselligen Kreis zusammenzusetzen und auch Alkohol zu konsumieren, möchte ich schon darauf hinweisen, wie gefährlich gerade Alkohol am Steuer ist, denn von den Folgen hören wir täglich in den Nachrichten.

Ich meine, wir im Parlament sollten wirklich alles daransetzen, das bewußt zu machen. Wir wissen, wie schlecht es ist, Alkohol im Übermaß zu sich zu nehmen. Es ist erwiesen, daß Alkohol die Reaktionsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt. Ich trete daher für die Herabsetzung der 0,8-Promille-Grenze auf 0,5 Promille ein, und ich hoffe, daß das Parlament dies ehebaldigst beschließen wird. (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen. – Abg. Dr. Mertel: Die Frau Ministerin kann leider nicht zuhören!) Ich habe nur eine begrenzte Redezeit. (Zwischenruf des Abg. Dr. Fuhrmann .)

Ich bin der Meinung, sehr geehrte Damen und Herren, daß man der da und dort getroffenen Aussage, daß sich viele Mütter den notwendigen Untersuchungen des Mutter-Kind-Passes hauptsächlich wegen der finanziellen Anreize unterzogen hätten, entschieden entgegentreten muß. Gerade in der heutigen Zeit, in der wir das Ziel der Gleichberechtigung der Frauen, der Stärkung ihres Selbstbewußtseins und ihrer Rolle in der Gesellschaft verfolgen, halte ich eine derart negative Aussage für geradezu kontraproduktiv.

Ebenso muß ich der immer wieder getroffenen Aussage betreffend gefürchteter Entwertung des Mutter-Kind-Passes durch Wegfall einer finanziellen Belohnung entschieden entgegentreten, da die Belohnung nicht in Geldleistungen, sondern in der Freude an einem gesunden Kind gesehen werden muß. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich vertraue jedenfalls darauf, daß Eltern, natürlich insbesondere Frauen, sich durchaus ihrer Verantwortung bewußt sind und die zu ihrem und zum Wohle ihrer Kinder empfohlenen Vorsorgemaßnahmen, die ihnen unentgeltlich zur Verfügung stehen, auch weiterhin in Anspruch nehmen werden.


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17. Sitzung / Seite 484

Natürlich ist es auch wesentlich, den Kindern nicht nur eine gesunde Umwelt zu geben, sondern auch Ziele und Wertvorstellungen zu vermitteln, denn nur dann, wenn Kinder und Jugendliche konkrete Pläne haben, kann verhindert werden, daß sie zu Suchtmitteln greifen. Wir haben in Österreich schließlich 10 000 Drogensüchtige, 100 000 Medikamentenabhängige, 300 000 Alkoholabhängige und 1,6 Millionen Nikotinabhängige.

Ich glaube – und auch das ist wichtig –, daß auch am Arbeitsplatz Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden müssen. Ich weiß, es gibt Sicherheitsvertrauenspersonen, die vorbildlich in diesem Sinn wirken, da diese unter Umständen Gefahren von Streß, aber natürlich auch von Unfallgefahren vorbeugend ausschalten können. Ich meine, daß ein gesunder Arbeitsplatz und ein angenehmes Arbeitsklima entscheidende Auswirkungen darauf haben können, ob jemand Invaliditätspension beziehen muß oder gesund in Pension gehen kann.

Wichtig ist natürlich auch eine ausgewogene Ernährung. Es ist heute schon gesagt worden: Wir sollten unserem Körper die notwendigen Vitamine in Form von Obst und Gemüse zuführen. Ich fürchte nur eines – und auch das möchte ich hier erwähnen, Frau Bundesministerin –: Im Jahr 1995 wurden 8 700 Fälle von bakteriellen Lebensmittelvergiftungen gemeldet. Das zeigt wieder einmal, daß man besser darauf achten sollte, was man zu sich nimmt und wo man es zu sich nimmt.

Herr Abgeordneter Rasinger hat es schon gesagt: Man muß in die Vorsorge investieren, das ist die beste Vorsorge. Ich bin davon überzeugt, daß die Frau Bundesministerin das auch in Zukunft tun wird.

Es wurde auch über die Notwendigkeit von ein bißchen mehr Bewegung gesprochen: Ich bin überzeugt davon, daß die Frau Bundesministerin auch für Parlamentarier ein neues Bewegungungsprogramm verordnen wird. (Bundesministerin Dr. Krammer: Neue Sesseln!) Wenn man 12 bis 16 Stunden hier sitzt, ist das sicher auch nicht das Beste. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Das Wort hat nunmehr Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.56

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Das Thema Gesundheitspolitik ist für Ökologen natürlich dann ganz besonders interessant, wenn es zu einer Zeit behandelt wird, in der es um die Frage der Gentechnologie in diesem Land geht. Auch ich möchte zu diesem Bereich einige Worte sagen.

Vorweg: Was die klassische Gesundheitspolitik betrifft, bin ich mit großem Interesse der Rede des Herrn Abgeordneten Rasinger gefolgt, und ich stehe auch nicht an, als Oppositionsabgeordnete einem Abgeordneten einer Regierungspartei meine eigentlich fast vollständige Zustimmung hier mitzuteilen.

Ich kenne das System in Amerika und in Großbritannien auch ein bißchen, und es ist tatsächlich erschreckend, in welche Richtung der Trend nach wie vor geht und wie viele Menschen durch dieses System durchfallen. Jemand, der dort in die Lage kommt, sich einer banalen Operation wie beispielsweise einer Blinddarmoperation unterziehen zu müssen, muß mit Kosten von 100 000 S bis 150 000 S rechnen. Und ich habe selbst Fälle erlebt, wo aus diesem Grund eine Operation nicht stattfinden konnte und aufgrund einer in der heutigen Zeit sozusagen einfachen Erkrankung Leute beinahe gestorben sind.

Das ist eine katastrophale Entwicklung. Und deshalb ist es gerade, wenn man über Strukturanpassungen oder strukturelle Veränderungen spricht, sehr wichtig, das notwendige soziale Netz, das es hier in Österreich gibt, und die notwendige Grundversorgung für alle, vor allem aber für Menschen mit niedrigem Einkommen auch in Zukunft sicherzustellen. (Beifall bei den Grünen.)


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17. Sitzung / Seite 485

Ein ganz besonders wichtiger Bereich, der von Ihnen zitiert wurde, ist natürlich der Bereich der Vorsorge – wir haben das ja auch bei jeder gesundheitspolitischen Debatte hier angeführt –, der Bereich Prävention. Ich würde mir wünschen, daß das, was Sie hier gesagt haben, nicht nur einer der vielen Beiträge zum Kapitel Budget insgesamt wäre, sondern daß gerade der Bereich der Vorsorge, der Prävention einer der zentralen Bestandteile der Gesundheitspolitik wird.

Damit kann ich nahtlos zum Bereich der Gentechnologie überleiten. Sie, Frau Bundesministerin, haben mich in den letzten Wochen hinsichtlich Ihrer Aktivitäten beziehungsweise Nichtaktivitäten extrem enttäuscht. Ich kann von mir sagen, daß ich alles andere als ein Technologiefeind bin. Ganz im Gegenteil: Ich halte die Entwicklung von vernünftigen und risikoarmen Technologien für eine absolute Notwendigkeit. (Beifall des Abg. Dr. Mock .) Gerade im Bereich der Umwelttechnologie ist das wichtig, aber auch überall anders.

Ich meine, daß man bezüglich Gentechnik tatsächlich zwischen dem Bereich der Medizin und dem Bereich der Landwirtschaft unterscheiden muß. Und ich glaube auch, wie Kollege Rasinger vorhin gemeint hat, daß es im Bereich Medizin absolut Anwendungsbereiche für die Gentechnologie gibt. Ich habe selber im Bereich der angewandten Mikrobiologie in Genprojekten, beispielsweise beim Insulin, gearbeitet. Das ist heute überhaupt keine Frage mehr. Natürlich stelle ich auch die Krebstherapie hier nicht in Frage. Da besteht tatsächlich die Notwendigkeit, gentechnisch zu forschen.

Völlig anders stellt sich das für mich im Bereich der Landwirtschaft dar, vor allem das, was sich derzeit hier in Österreich abspielt. Da ist der Vergleich zur Atomtechnologie, gerade was die Diskussion angeht, tatsächlich zutreffend. Auch damals wurde gesagt: Es gibt kein Risiko, wir haben alles im Griff. Und so wie damals wird auch heute von den Befürwortern eine für mich absurde altruistische Haltung eingenommen. Heute hören wir von vielen Befürwortern der Gentechnik für die Produktion von Lebensmitteln, daß das ja ein großes Instrument gegen den Welthunger wäre.

Das ist so absurd! Jeder, der sich die Studien über die konkreten Mengen an Nahrungsmitteln, die produziert werden, ansieht, erkennt, daß das Problem nicht darin liegt, daß nicht genügend Anbauflächen vorhanden wären, sondern es ist ausschließlich eine Frage der Verteilung. Es geht nicht darum, eine neue Technik zu entwickeln, um den Welthunger zu stillen, sondern es geht darum, endlich wirklich an der Verteilung von den reichen Ländern hin zu den armen Ländern zu arbeiten. (Beifall bei den Grünen.)

Dieses vorgeschobene Argument, die Gentechniker wollen zum Wohle der Menschen etwas im Bereich des Anbaus von gentechnisch manipulierten Lebensmitteln tun, ist tatsächlich perfid. Schon bei den Diskussionen in den achtziger Jahren, als es um die Green revolution in den Entwicklungsländern ging, wurde uns weisgemacht, das sei nun das Instrument gerade für die Länder der Dritten Welt, einen Quantensprung im Bereich der Ernährungspolitik zu machen. Von vielem, was wir damals gehört haben, wissen wir heute, daß es in die völlig falsche Richtung gegangen ist: Die Böden dort sind kaputt, und aufgrund unglaublicher Pestizidmengen ist es natürlich zu einem unglaublichen Schadstoffeintrag gekommen.

Und jetzt kommen dieselben Produzenten, die damals diesen Blödsinn aufgrund zu geringen Widerspruchs leider nicht nur sagen, sondern auch durchführen konnten, und erzählen uns, daß es notwendig ist, pestizidresistente Pflanzen zu entwickeln, und daß wir deshalb auch in Österreich Freisetzungsversuche brauchen – wobei ich es besonders interessant finde, daß dieser Versuch in Österreich zehn Jahre lang dauern soll.

Es ist doch eine Absurdität, Frau Ministerin – und ich verstehe nicht, warum Sie nicht wenigstens zu diesem Bereich Stellung beziehen –, daß eine Firma, wenn es sich tatsächlich ausschließlich um einen begrenzten Versuch zum Sammeln von Daten handeln soll, diesen gleich für zehn Jahre bewilligt haben will. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, daß diese Firmen natürlich auch die Pestizide, gegen die sie die Pflanzen jetzt resistent machen wollen, selber nach wie vor vermarkten. Es ist ein riesiges Geschäft, um das es hier geht. Es werden in Europa gerade die Weichen gestellt, und man wird sehen, wer den längeren Atem hat.


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17. Sitzung / Seite 486

Bisher – und das wundert mich ja so, Frau Ministerin – hat Österreich eine fortschrittliche Rolle gegenüber der Europäischen Union eingenommen. Wenn man sich die Stellungnahmen Ihres Ressorts zu den Freisetzungsversuchen genmanipulierter Pflanzen in anderen europäischen Ländern durchliest, erkennt man, daß Sie sich weitgehend dagegen aussprechen. Mich verwundert es deshalb, daß Sie in Österreich nicht den Mut dazu haben. Ich meine, daß Sie als Politikerin Ihre Position – weil es ja in Ihrer Verantwortung, bei Ihrem Ressort liegt – auch uns, dem Hohen Haus, mitteilen müssen, da es – ich nehme an, mit Ihrem Einverständnis – bisher, was andere europäische Länder betrifft, negative Stellungnahmen zu solchen Freisetzungsversuchen gegeben hat. Es ist mir daher unerklärlich, weshalb Sie da nicht auch unser Land betreffend eine ganz klare Sprache finden und sich, so wie die Minister Molterer und Bartenstein, eindeutig gegen diesen Versuch aussprechen und in Ihrem Ressort die entsprechenden Maßnahmen einleiten.

Ich möchte ein Beispiel, was die Risken und Gefahren der Gentechnik im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion betrifft, herausgreifen, weil es mich persönlich sehr betrifft und ich sozusagen selbst ein Opfer wäre. Ich habe eine schwere Apfel-Nuß-Allergie. Also jeder, der mir etwas Böses tun will, braucht mir nur einmal, ohne daß ich es sehe, ein solches Nahrungsmittel zu verabreichen. Ich bekomme dann schwerste Probleme; das geht von Erstickungsanfällen bis hin zur totalen Atemnot.

Nun habe aber nicht nur ich eine solche Allergie, sondern mittlerweile an die 10 Prozent der Bevölkerung, und die Zahl ist weiter steigend. Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit Allergien, eben weil es mich relativ stark selbst betrifft. Und da kann man sehen, daß die Frage der Allergien natürlich auch mit vielen Umwelteinflüssen zusammenhängt (Abg. Dr. Khol: Völlig richtig!), aber daß sich jetzt für uns Allergiker eine völlig neue Dimension auftut, weil nämlich viele Lebensmittel gentechnisch manipuliert werden sollen. Konkret soll beispielsweise eine Sojabohne mit einer Nußart aus dem brasilianischen Urwald gekreuzt werden beziehungsweise wurde bereits gentechnisch manipuliert, was für Leute wie mich, die dann eine solche Sojabohne essen, tatsächlich lebensbedrohend sein kann.

Das ist kein fiktives Beispiel, sondern das hat vor wenigen Monaten in Amerika stattgefunden. Der Pioneer-Konzern in Amerika hat eine Sojabohne mit einer brasilianischen Paranuß gentechnisch manipulieren lassen, und es ist dann bei den Testpersonen festgestellt worden – da waren tatsächlich auch Menschen mit einer solchen Nußallergie darunter –, daß diese plötzlich unglaubliche Beschwerden hatten und es zu einem echten Allergieschock kam, zu den auch mir bekannten Symptomen wie Atemnot bis hin zur Bewußtlosigkeit.

Es kommt aber etwas noch hinzu: Nicht nur, daß diese Versuche laufen und diese Lebensmittel produziert werden, ist es auch nicht gelungen, diese wenigstens zu kennzeichnen. (Bundesministerin Dr. Krammer: Genau das ist es!) Ich weiß schon, daß Österreich gegenüber der Europäischen Union eine fortschrittlichere Position eingenommen hat, aber was nützt das jetzt jemandem wie mir und meinen Leidensgenossen, wenn wir mit Lebensmitteln konfrontiert werden, auf denen nicht einmal gekennzeichnet ist, welche Gene aus anderen Pflanzen, gegen die man allergisch sein kann, enthalten sind? Dabei kann es gerade im Bereich der Nahrungsmittel für Menschen, die gegen bestimmte Nahrungsmittel allergisch sind, zu noch relativ unbekannten und ungeahnten Gefahren kommen.

Ich meine, daß das eines der vielen Beispiele ist, um aufzuzeigen, wie absurd und wie schlecht es ist, das Instrument der Gentechnologie im Bereich der Produktion der Nahrungsmittel heranzuziehen, und deshalb nicht nur von uns Grünen, sondern ich denke, österreichweit von vielen Menschen die Hoffnung, die Forderung gerade an Sie, Frau Ministerin, sich ganz klar gegen diesen Freisetzungsversuch auszusprechen, da das tatsächlich der Beginn einer fürchterlichen Entwicklung ist. (Beifall bei den Grünen.) – Soviel zur Gentechnologie.

Ich möchte ein Kapitel, das auch Sie betrifft, ganz kurz ansprechen, und zwar eine aktuelle Trinkwassernitratverordnung von Ihnen. Ich bin fast vom Sessel gefallen, als ich diesen Entwurf gesehen habe.


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17. Sitzung / Seite 487

Sie wissen wahrscheinlich, daß wir alle, auch die Landwirtschaftsleute hier, sehr viel über Nitrat im Trinkwasser diskutiert haben. Und Sie alle wissen, daß es gerade für Säuglinge, für Kleinkinder zum Problem wird, wenn im Trinkwasser Nitratmengen von mehr als 50 Milligramm pro Liter enthalten sind. Wir haben uns alle jahrelang dafür eingesetzt, daß auch in Österreich ein niedrigerer Grenzwert eingeführt wird, nämlich 30 Milligramm pro Liter. Wir haben lange für diesen gekämpft, und er wäre 1999 in Kraft getreten.

Jetzt aber liegt ein Entwurf der Frau Gesundheitsministerin vor, und in dieser Novelle ist vorgesehen, daß der niedrige Grenzwert fällt und bis in alle Zukunft der Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter festgeschrieben wird.

Ich möchte Ihnen einen Paragraphen vorlesen, der auch herausfällt und der in der 1989 erlassenen Verordnung enthalten ist. § 3 hat gelautet: Wer Trinkwasser in Verkehr bringt, das mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter aufweist, hat den Verbraucher unverzüglich und in der Folge mindestens einmal jährlich über die Höhe des Nitratgehaltes des Trinkwassers und über den Umstand, daß dieses Trinkwasser für die Ernährung von Säuglingen bis zum Ablauf des sechsten Lebensmonats nicht geeignet ist, zu informieren. – Das war eine fortschrittliche und richtige Verordnung und eine wichtige Maßnahme. Dieser Absatz aber entfällt völlig.

Und die zweite Verschlechterung ist, daß auch der niedrige Grenzwert von 30 Milligramm pro Liter komplett fällt und wir hier in Österreich offensichtlich bis auf alle Zeit mit den höheren Grenzwerten leben müssen. Frau Ministerin, das wirft uns mindestens um zehn Jahre zurück! Das ist mir unverständlich! Wir haben in diesem Land doch so viel diskutiert über Nitrat im Trinkwasser, über die Belastung gerade von Kleinkindern in den besonders betroffenen Regionen.

Es gibt einen WHO-Gesundheitsgrenzwert von 25 Milligramm pro Liter, und in der EU – das weiß ich – ist der Grenzwert 50 Milligramm pro Liter. Es gibt aber noch einzelne Länder mit niedrigeren Grenzwerten. Es verbietet uns überhaupt niemand, den der Gesundheit adäquaten Grenzwert zu belassen. Der einzige Grund dafür ist, daß Sie es in den letzten Jahren nicht geschafft haben, beim Input etwas zu verändern, und deshalb ist es kein Wunder, daß es beim Output, in diesem Fall beim Trinkwasser, nach wie vor höhere Mengen gibt. Jetzt, nachdem man sieht, daß man es nicht schafft, auch nicht bis zum Jahr 1999, wird der Grenzwert ganz einfach sanft "entsorgt", und zwar nicht nur der, sondern auch die Information über das Trinkwasser, das mit mehr als 50 Milligramm pro Liter Nitrat belastet ist.

Frau Ministerin! Ich hoffe, daß Sie sowohl über den Bereich Gentechnologie als auch über die für uns wichtigen Bereiche wie Trinkwasser, Lebensmittel, die uns alle massiv betreffen und mit denen wir in Österreich weiterleben wollen, heute eine Stellungnahme abgeben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Johann Schuster. – Herr Abgeordneter! Sie haben das Wort.

18.11

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es steht den Rednerinnen und Rednern der Oppositionsparteien zu – sie sollen dies auch nützen –, zu kritisieren, zu analysieren und bessere Vorschläge zu machen. Ich bin aber doch einigermaßen verwundert darüber, daß die beiden praktizierenden Ärzte in der Freiheitlichen Partei, Frau Kollegin Povysil und Herr Abgeordneter Pumberger, in ihren Ausführungen vom Beginn bis zum Schluß über Etikettenschwindel, Chaos, Wahnsinn, Marmorpalais der Sozialversicherungen, davon, daß die Ministerin von einem Fettnäpfchen ins andere tritt, gesprochen haben und die Gesundheitspolitik in Österreich nur negativ gesehen haben. Mich wundert es nur, daß Sie nicht aus Österreich ausgewandert sind, wenn alles so negativ ist, Frau Kollegin! Das wundert mich wirklich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kiss: Vom Parlament sind sie schon ausgewandert!)

Die Sorge, meine Damen und Herren, um unsere Gesundheit und der Wunsch, gesund zu bleiben und gesund alt zu werden, hat mit Parteipolitik nichts zu tun, steht aber bei allen


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17. Sitzung / Seite 488

Parteien im Vordergrund. Meine Damen und Herren! Saint-Exupéry meinte, man muß von jedem fordern, was er leisten kann. Und hier stellt sich die Frage: Was können wir den Damen und Herren im Krankenpflegefachdienst, was können wir den Ärztinnen und Ärzten, was können wir den Apothekern zumuten, was können sie leisten?

Hohes Haus! Wir wissen, wenn jemand – und ich nehme an, daß es ein Patient ist – eine Apotheke besucht, so hat das – zumindest aus meiner Sicht – drei verschiedene Gründe. Erstens: Der Patient hat ein Rezept vom Arzt und löst dieses Rezept ein. Zweitens: Man fühlt sich nicht ganz wohl und möchte etwas gegen eine sich ankündigende Krankheit tun. Drittens: Man hat gehört, es kommt eine Grippe, es kommt eine Infektionskrankheit in der betreffenden Region, und man möchte vorbeugen.

Hohes Haus! Es liegt nun in der Aufgabe des Apothekers, daß er da die Möglichkeiten, die Chancen, aber auch die Grenzen des Erlaubten in einem ausführlichen Gespräch aufzeigt und Lösungen anbietet. Und es ist interessant, daß zirka zwei Drittel aller praktizierenden Apotheker bestausgebildete Frauen sind. Das heißt, Frauen haben da die Vorherrschaft, und wir sind stolz darauf. (Beifall bei der ÖVP.)

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es wäre aber falsch, würden wir die Frau Ministerin, würden wir unsere Ärzte, würden wir die Damen und Herren, die in den Gesundheitsberufen tätig sind, die Apotheker allein für unsere Gesundheit verantwortlich machen. Ich meine, wir dürfen die Sorge um unsere Gesundheit nicht delegieren, sondern wir selbst sind – jeder einzelne! – für unsere Gesundheit verantwortlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir aber von Kostenreduzierung reden – man mag zum leistungsorientierten Spitalsfinanzierungsmodell stehen wie man will –, bin ich der Meinung des Abgeordneten Dr. Leiner, daß es an uns liegen muß, daß wir, wenn es geht, nicht alle ins Krankenhaus bringen, sondern vorher gesundpflegen können, und hier kommt meiner Meinung nach dem Hausarzt ein höherer Stellenwert zu – dem Hausarzt als Vertrauensperson, als Mensch, der die ganze Familie kennt. Und wenn er die gesamte Familie kennt, Mutter und Vater, dann ist es ihm oftmals leicht möglich, die Krankheit des Kindes sofort zu erkennen, weil er weiß, diese Familie ist für verschiedene Krankheiten leichter anfällig.

Ich meine daher, daß der Hausarzt nicht zum Krankenscheinsammler abgestempelt werden soll. Leider hängt die Honorierung von der Anzahl der Krankenscheine ab. Wir müßten also ein anderes Honorierungssystem finden. Die niedergelassenen Ärzte haben eine schwierige, lange Ausbildung hinter sich, und sie verdienen es, anständig honoriert zu werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Bundesministerin! Seit diese Koalitionsregierung bemüht ist, für die nächsten Jahre eine richtige Gesundheitspolitik zu machen, seit es bei der leistungsorientierten Spitalsfinanzierung eine Einigung gegeben hat, gibt es viele Artikel in den Medien und viele Berichte in Rundfunk- und Fernsehsendungen. Eine Mitteilung lautet zum Beispiel: Wir brauchen keine Gesundheitsministerin nicht mehr, sie hat keine Kompetenzen, denn alles ist an die Länder gegangen. (Bundesministerin Dr. Krammer: Eine doppelte Verneinung ist eine Bejahung!)

Nächste Überschrift: Gesetz erzwingt Krankenhaus-Tourismus. In Österreich gibt es zwar Heilpraktikerschulen, doch die Absolventen dürfen nicht arbeiten. (Abg. Dr. Leiner: Gott sei Dank!) Wir wissen, daß das Gesundheitsministerium und die Ärztekammer eine deutliche Aussage getroffen haben. Man meint, die in Österreich ausgebildeten Ärzte decken diesen Bereich bereits ab, man brauche die Regelungen nicht von Deutschland zu übernehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich die letzten 25 Jahre Gesundheitspolitik kurz personell analysieren, weil sie sehr interessant sind. Hohes Haus! Es gibt seit dem Jahre 1970 elf verschiedene Minister, die für Gesundheit zuständig waren. (Bundesministerin Dr. Krammer: Aber nicht alle auf einmal!) Es waren dies: Leodolter, Firnberg, Salcher, Steyrer, Kreuzer, Ferrari-Brunnenfeld, Flemming, Löschnak, Ettl, Ausserwinkler und Krammer. Die jetzt dieser Bundesregierung angehörende Frau Gesundheitsministerin Dr. Krammer ist seit dieser Woche


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17. Sitzung / Seite 489

zwei Jahre lang Ministerin. Frau Ministerin, herzlichen Glückwunsch zu diesem "Geburtstag"! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist bei uns im Hohen Hause gute Tradition, wenn Rechnungshofberichte diskutiert werden – oder auch andere Berichte, zum Beispiel der Grüne Bericht –, die den Beamten viel Arbeit gemacht haben, daß sich alle Redner für die Leistung dieser Mitarbeiter im Ministerium und in den Büros bedanken.

Ich möchte heute bei dieser Gesundheitsdebatte auch einen Dank aussprechen, einen Dank an alle, die in den Humanberufen, in den Gesundheitsberufen, bei den Apothekern, bei den Ärzten tätig sind, denn ich meine, sie leisten in Österreich gute Arbeit für uns, und so soll es auch in Zukunft sein. (Beifall bei der ÖVP.)

18.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Haller. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

18.21

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Seit meiner Zeit im Gesundheitsausschuß dieses Hohen Hauses habe ich mich immer für eine bessere Vorsorgemedizin eingesetzt. Ich muß aber mit Bedauern feststellen, daß sich gerade im Bereich der Vorsorgemedizin in den letzten Jahren nichts zum Besseren gewendet hat. Der Pro-Kopf-Aufwand beträgt immer noch 2 S, und wenn man bedenkt, welche Folgekosten man verhindern könnte, dann, muß man sagen, ist das einfach eine schlechte Rechnung, die man in Österreich anstellt. Man betreibt lieber Krankenpolitik als Gesundheitspolitik, und ich glaube, da auch in Ihrem Sinne, Frau Bundesministerin, zu sprechen.

Es sind vor allem zwei Bereiche, die mir momentan aus aktuellem Anlaß am Herzen liegen. Der eine ist die Sache mit dem Mutter-Kind-Paß. Bereits bisher hat eine Lücke zwischen Mutter-Kind-Paß und den Gesundenuntersuchungen für Erwachsene bestanden. Und heute ist beim Kapitel Unterricht bereits mehrere Male darauf hingewiesen worden, daß man diese Lücke verstärkt durch den Schulsport schließen sollte.

Jetzt ist folgendes passiert: Das Sparpaket der Regierung hat bewirkt, daß die Geburtenbeihilfe, die praktisch die Voraussetzung für die termingerechte Abwicklung dieser Vorsorgeuntersuchungen war, zur Gänze gestrichen wird. Die Befürchtung, daß dieser Mutter-Kind-Paß in Zukunft durch die Streichung der Geburtenbeihilfe nur mehr einen rein formalen Wert haben wird, die, glaube ich, muß man uns als oppositionelle Politiker wohl zugestehen. Es ist sicher keine Unterstellung den Müttern gegenüber, wenn man befürchtet, daß in Zukunft diese Termine nicht mehr eingehalten werden, daß die Motivation der Mütter für diese Untersuchungen und für das volle Präventionsprogramm nicht mehr die gleiche sei, ja sogar sinken wird.

Diese Sparmaßnahme hat bewirkt, daß der Mutter-Kind-Paß abgewertet worden ist. Und gerade in diesem Mutter-Kind-Paß sehe nicht nur ich, sondern so glaube ich, die Gesundheitspolitiker insgesamt, die Ursache für den relativ hohen Standard der derzeitigen Pädiatrie in Österreich. Das heißt, es ist wohl sehr kurzsichtig, daß man gerade diese Maßnahme getroffen hat, und es ist zu befürchten, daß sich diese Maßnahme doch als eine Art Anti-Gesundheitspaket auszuwirken beginnt.

Ich habe bisher, Frau Gesundheitsministerin, Ihre Stimme in diesem Bereich vermißt, aber auch die Stimmen der Gesundheitspolitiker von SPÖ und ÖVP. Herr Familienminister Bartenstein hat ein Malus-System für den Bereich der Kinderbeihilfe vorgeschlagen, um hier vielleicht noch etwas reparieren zu können. Dazu muß ich sagen: Dafür kann ich nicht sein. Wir Freiheitliche würden viel eher ein Bonus-System befürworten. Zum Beispiel hat meine Kollegin Landauer aus Wien gemeint, man sollte sich vielleicht überlegen, im Bereich der Sozialversicherungsbeiträge einen Bonus einzuführen. Ich möchte einen anderen Vorschlag dazu machen. Vielleicht könnte man diesen Bonus – vielleicht kann man Überlegungen in diese Richtung anstellen, Frau Bundesminister – sozusagen in Naturalien auszahlen, einen Bonus für zusätzliche Untersuchungen, die man in diesen Mutter-Kind-Paß einbindet.


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17. Sitzung / Seite 490

Wir Freiheitliche haben bereits vor Jahren den Vorschlag gemacht, das Neuroblastom-Screening in den Mutter-Kind-Paß aufzunehmen. Es ist mir zwar gesagt worden, daß auch durch dieses Screening nicht alle Fälle erkannt werden würden, wenn man das flächendeckend durchführen würde, aber allein wenn man bedenkt, daß durch jene Fälle, die man dann frühzeitig erkennen würde, auch finanzielle Vorteile entstehen würden – beispielsweise durch den Wegfall der Chemotherapie und so weiter –, dann, so glaube ich, wäre dieser Ansatz überlegenswert.

Zum Bereich der Mukoviszidose: Ich habe vor einiger Zeit einmal an Sie eine Anfrage gestellt, was das Gesundheitsministerium in diesem Bereich bisher getan hat. Sie haben mir darauf geantwortet, es wurde einmal der Betrag von 20 000 S für Forschungstätigkeit aufgewendet. Das ist schon sehr, sehr spärlich. Vielleicht könnte man sich überlegen, die Mukoviszidose in den Mutter-Kind-Paß aufzunehmen. Die Kosten in diesem Bereich würden sich absolut im Rahmen halten. Sie würden flächendeckend für Österreich 17 Millionen Schilling betragen. Es gibt bereits derzeit in drei Bundesländern ein Angebot dafür. Gerade durch die Früherkennung der Mukoviszidose – ich weiß das, weil ich in der eigenen Familie einen solchen Fall habe – besteht für das betroffene Kind wirklich die Chance, ein möglichst lebenswertes Leben führen zu können, man kann die Krankheit zumindest so eindämmen, daß das Kind eine gewisse Lebenserwartung hat.

Ich würde Sie – ich werde diesbezüglich auch an Herrn Bundesminister Bartenstein herantreten – ersuchen, Überlegungen in dieser Richtung anzustellen, weil ich glaube, daß diese Zusatzangebote finanzierbar wären, daß man sie als Ausgleich für die Nachteile, die die Streichung der Geburtenbeihilfe gebracht haben, positiv verkaufen könnte.

Ich habe noch ein weiteres Anliegen im Bereich der Prävention, und zwar bei der Suchtgiftprävention. Frau Bundesministerin! In Ihrem Budget wurde der Ansatz aus dem Jahr 1995 von 30,5 Millionen Schilling auf 26,8 Millionen Schilling, also um fast 4 Millionen Schilling, verkürzt. Wir alle wissen, daß die Suchtgiftabhängigen, die Suchtgifttoten, immer jünger werden, daß eine neue Suchtgiftwelle Österreich bereits überschwemmt hat und daß es bereits derzeit für Therapiewillige lange Wartezeiten gibt. Nun hat man am Dienstag dieser Woche im Ministerrat die Suchtgiftgesetz-Novelle beschlossen, die eine Verschärfung in diesem Bereich bringen wird. Man hat also vor, nur bei der Bereitschaft eines abhängigen Täters die vorgesehene unbedingte Strafe von drei Jahren in eine bedingte umzuwandeln. Man muß dabei bedenken, daß das Strafausmaß von drei Jahren nur für schwere Dealer in Betracht kommt, und dieser muß ja nur seine Bereitschaft bekunden. Ich frage mich schon: Wo ist da die begleitende Maßnahme? Man muß doch zumindest Therapieplätze zur Verfügung stellen, aber das Ministerium hat weniger Geld als bisher zur Verfügung. Das kann es doch nicht sein, Frau Bundesministerin! (Zwischenbemerkung der Bundesministerin Dr. Krammer .)

Wir Freiheitlichen haben uns dazu einen Entschließungsantrag überlegt, den ich jetzt einbringen werde und der folgendermaßen lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Povysil, Dr. Pumberger, Dr. Salzl und Kollegen betreffend Suchtgiftprävention

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird dringend aufgefordert, dem Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz zusätzliche Mittel im Rahmen der Bundesfinanzgesetze 1996 und 1997 zur Verfügung zu stellen, um rasche und wirkungsvolle Maßnahmen im Bereich der Suchtgiftprävention und des Suchtgiftentzuges setzen zu können. Die Bedeckung dieser Mehrausgaben hat aus den Kapiteln 50: Finanzverwaltung und 51: Kassenverwaltung zu erfolgen."

*****


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17. Sitzung / Seite 491

Ich habe aber noch einen Entschließungsantrag einzubringen zu einem Thema, mit dem ich mich auch bereits in der Vergangenheit befaßt habe und das auch mein Vorredner, Herr Abgeordneter Schuster, angesprochen hat.

Gerade im Grenzbereich, in Kufstein, woher ich komme, gibt es nach wie vor – es hat sie immer gegeben – Menschen, die Heilpraktiker im benachbarten Deutschland aufsuchen. Bei unserem EU-Beitritt ist kolportiert worden, daß in Zukunft Heilpraktiker auch in Österreich zugelassen werden. Nach wie vor ist die Ausübung dieses Berufes aber in Österreich verboten, und ich hoffe meinerseits, daß dieses Verbot auch nicht aufgehoben wird. Sie selbst haben ja auch schon einmal dokumentiert, daß das auch nicht in Ihrem Sinn wäre. Aber jetzt passiert folgendes: Die Ausbildungsschulen in Österreich haben eine starke Werbetätigkeit für diese Ausbildung entfaltet, und man verlangt für diese Ausbildungskurse sogar bis zu 80 000 S.

Ich darf deshalb folgenden Entschließungsantrag – ich hoffe auch im Namen der ÖVP, zumindest die Wortmeldung des Kollegen Schuster ging ja in diese Richtung – einbringen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil, Dr. Salzl und Kollegen betreffend Konsumentenschutz anhand von Heilpraktikerschulen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz wird ersucht, im Interesse des Konsumentenschutzes die Werbe- und Lehrtätigkeit ausländischer Heilpraktikerschulen und -Institute in Österreich zu verbieten sowie Bewerber und Schüler über die nicht vorhandenen rechtlichen Grundlagen einer Berufstätigkeit als Heilpraktiker aufzuklären."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die beiden von der Frau Abgeordneten Haller soeben vorgetragenen Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte, Sie haben das Wort.

18.30

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der "Arzt 1" aus Ried, der jahrelang gegen den KRAZAF kämpfte (Abg. Dr. Pumberger: "Arzt 3"!) und für die – "1" und der blaue Phallus am Autodach war drauf – LKF eintrat (Beifall bei der SPÖ), muß natürlich jetzt gegen die leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung sein, denn er ist der Geist, der stets verneint, obwohl ich den Geist in seiner Rede intensiv suchen mußte und wenig fand. Er wäre es nicht, würde er nicht ewig die gleichen Gedanken bringen; neue Ideen und Gesichtspunkte vermisse ich.

Seine Behauptungen bekommen auch nicht mehr Wahrheitsgehalt, je öfter sie wiederholt werden. Was mehr privat und weniger Staat bringt, sehen wir jetzt auch bei der Wiener Milchversorgung. Die Leidtragenden sind überwiegend Kinder, Kranke und Alte.

Genauso werden diese Gruppen bei der Versicherungspflicht statt bei der Pflichtversicherung die Leidtragenden sein, denn Privatversicherungen versuchen immer, die Gewinne zu maximieren, sie sind kundenunfreundlich, tragen geringe Risken und haben hohe Prämien; genauso ist es bei der Pensionsversicherung. Daher sage ich ein für allemal ein klares Ja zur Sozialversicherung! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wenn Sie sich von der Sozialversicherung so übervorteilt fühlen, dann steht es Ihnen ja frei, die Kassenverträge zurückzulegen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger .)


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17. Sitzung / Seite 492

Kollegin Petrovic hat angesprochen, daß man regeln sollte, wieweit lebensverlängernde Maßnahmen ergriffen werden müssen. Das ist an sich eine gute Idee, nur kann man als Politiker halt sehr leicht sagen, wann die lebenserhaltenden Maschinen abgedreht werden müssen, solange man nicht selbst gezwungen ist, das zu tun. Und es ist für einen Arzt nicht leicht, wenn er der Überzeugung ist, daß dort noch Leben ist, wie zum Beispiel bei einem Fötus, zu sagen: Du mußt jetzt diese Maschine abdrehen. Das halte ich für nicht ganz einfach und nicht sehr leicht regelbar.

Beim Studium der Budgetvoranschläge erschütterte mich, daß an Bundesmitteln für das Gesundheitswesen ungefähr ein Drittel des Budgets für die Landesverteidigung veranschlagt wurde. Die Gesundheit ist nach wie vor das höchste Gut der Menschen! (Beifall bei der SPÖ.)

Im "Kurier" vom 12. April 1996 war zu lesen, daß für den Generalsekretär der Wirtschaftskammer die österreichische Pharmaindustrie ein Edelstein in der industriepolitischen Landschaft ist, eine Hoffnungsbranche, eine sehr stark steigende Branche. Ich frage mich, ob sich der Herr Generalsekretär auch dessen bewußt ist, daß steigende Gewinne in der Pharmaindustrie zwangsläufig zu höheren Ausgaben im Gesundheitswesen führen müssen – oder will er diese dann durch Personalreduktionen im Gesundheitswesen ausgleichen? Seine Stellungnahme bezüglich des Arbeitszeitgesetzes für Ärzte war negativ, da er mehr Kosten befürchtete. Medizin human zu betreiben, dabei Kosten bei steigenden Gewinnen der Pharmaindustrie durch Personaleinsparungen im Gesundheitsbereich zu verringern, ist die Quadratur des Kreises. Dem Herrn Generalsekretär dürfte auch nicht bekannt sein, daß das österreichische Arbeitszeitgesetz im Bereich der privaten Spitäler längst Gültigkeit hat, allerdings ständig gebrochen wird.

Von verschiedenen Seiten hört man jetzt die Empfehlung, bei Bagatellerkrankungen aus Einsparungsgründen nicht den Arzt, sondern den Apotheker aufzusuchen, sich von ihm beraten und therapieren zu lassen. Was ist bitte eine "Bagatellerkrankung"? – Als Bagatellerkrankung beginnt die Meningokokkensepsis, beginnt die Leukämie, beginnen viele schwere Erkrankungen. Die Verantwortung, den Patienten aus Kostenersparnis statt zum Arzt zum Apotheker zu schicken, übernimmt die sozialdemokratische Fraktion sicher nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind stolz auf unser Gesundheitssystem, das selbst dem Ärmsten ärztliche Versorgung ermöglicht. Daher waren wir Sozialdemokraten – das weiß ich auch noch von meinem Vater –immer für die Beibehaltung dieses Kurpfuscherparagraphen, nur in den unseligen "Ostmark"-Zeiten des "Tausendjährigen Reiches" waren Heilpraktiker zugelassen. Mein großer Dank gilt daher der Frau Bundesministerin, daß sie so vehement gegen das Heilpraktikerunwesen und die Heilpraktikerschulen auftritt. Wie kann man in zwei Jahren erlernen, wozu andere mindestens neun, zwölf oder noch mehr Jahre benötigen, um über ein solides Grundwissen zu verfügen? (Abg. Dr. Pumberger: Stimmen Sie unserem Antrag zu!) Wozu benötigen wir Heilpraktiker in Österreich? Ich verstehe, daß China Barfuß-Ärzte braucht. Die riesige Bevölkerung dort ist derzeit noch nicht ausreichend mit Ärzten versorgt, in Österreich aber gibt es genügend Ärzte. Sich für Heilpraktiker einzusetzen, um deutschen Heilpraktikerschulen Einnahmequellen zu verschaffen, spricht nicht von Verantwortungsgefühl. Nochmals herzlichen Dank, Frau Bundesministerin, daß Sie sich dem so entschieden dagegenstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Vor kurzem war den Medien zu entnehmen, daß ein Bundesland Ärztestellen abbauen will, Turnusärzte müssen im Nachtdienst an mehreren Abteilungen den Dienst versehen, Facharztstellen sollen in den Spitälern verringert werden. Das widerspricht dem Ärztegesetz. In letzter Zeit häufen sich Berichte über Kunstfehler, welche in erster Linie Folgen der zeitlichen und fachlichen Überforderung der Ärzte sind. Es ist eine katastrophale Entwicklung in einem Dienstleistungsberuf, der zunehmend schwerer erkrankte Patienten in den Spitälern versorgen muß, beim Personal einzusparen. Daß sich die Kosten verringern, ist möglich. Der billigste Patient ist derjenige, der rasch stirbt – aber niemals kann das politisches Ziel sein.

Während Lehrerkosten nach einem Bericht der heutigen "Wiener Zeitung" mehr als 90 Prozent der Kosten des Unterrichtsbudgets verschlingen, betragen die Gesamtpersonalkosten im Spitalsbereich nicht ganz 60 Prozent. Mein Wunsch, vor allem als Ärztin, die um die fatalen Folgen der mangelnden Fachärztepräsenz Bescheid weiß, ist es, Spitäler zu belohnen, die


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gesetzeskonform arbeiten. Bei unserer Angelobung als Abgeordnete haben wir unverbrüchliche Treue der Republik und deren Gesetzen geschworen, daher können wir Gesetzesbrüche nicht dulden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Sozialdemokraten wollen eine humane medizinische Betreuung für alle Staatsbürger. Wir wollen nicht, daß der Ärmere vom Heilpraktiker oder vom unausgebildeten Turnusarzt in der 60. Dienststunde behandelt wird, während sich der Privilegierte einen ausreichend ausgebildeten und ausgeruhten Arzt für seine Behandlung aussuchen kann. Die Sicherheit und die Gesundheit jedes Patienten hat Vorrang.

Aus diesem Grunde möchte ich der Frau Bundesministerin auch für ihre Gesetzesvorlage über die Arzneimittelsicherheit und die Verordnung für die Transfusionsmedizin danken. Es ist wichtig, Schäden durch Arzneimittel rasch zu erfassen, um eine weitere Anwendung zu überprüfen oder zu verhindern. Laut Goethe ist Blut "ein ganz besonderer Saft" – es ist sogar mehr, es ist ein Organ. Wie wir in letzter Zeit erfuhren, gibt es immer noch tödliche Transfusionszwischenfälle, daher müssen wir die Risken der Transfusion verringern. Aus Gründen der Patientensicherheit und der Sparsamkeit ist die Gabe von Fremdblut zu minimieren.

Die postpartale Transfusion, das heißt die Bluttransfusion für anämische Frauen nach der Geburt, darf nur mehr Medizingeschichte sein. Leider wird sie nach dem Prinzip "Gott erhalte uns ein langes Leben und die Arbeitskraft der Frauen" den Frauen immer noch verabreicht, damit sie schon im Wochenbett ihre volle Arbeitskraft erlangen und ihre Haushaltspflichten sofort nach der Spitalsentlassung wieder erfüllen können.

Die Einführung der LKF ist ein Quantensprung in der Gesundheitspolitik. Begleitende Kontrollen, die eine Benachteiligung von Patienten mit schlechten Risken verhindern, sowie laufende Qualitätskontrollen sind unbedingt angezeigt.

Ich bin überzeugt davon, daß diese Kontrollen durch das Gesundheitsministerium in hervorragender Weise durchgeführt werden und unser Gesundheitssystem weltweit weiterhin zu den besten zählen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

18.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Pumberger hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, bitte beginnen Sie die Berichtigung mit der Darstellung des Sachverhalts, den Sie berichtigen wollen.

18.42

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Abgeordnete Pittermann hat behauptet, der Ried-"Arzt 1" sei jetzt plötzlich gegen die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung.

Dies ist unwahr. Ich stelle tatsächlich richtig, daß ich mich in der Vergangenheit immer für die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung ausgesprochen habe, es auch jetzt tue und auch in Zukunft tun werde, habe jedoch die Skepsis geäußert (Abg. Dr. Mertel: Wo ist die Berichtigung?) , daß jetzt nicht vorwiegend eine leistungsorientierte, sondern eine diagnoseorientierte Finanzierung eingeführt wird. Dabei habe ich meine begründete Skepsis (Abg. Dr. Mertel: Wo ist die Berichtigung, Herr Präsident?) , denn die diagnoseorientierte Finanzierung der Krankenanstalten wird noch große Ungereimtheiten nach sich ziehen, sie wird unsere Spitäler vielleicht nicht sanieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Sie haben das Wort.

18.43

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! So gut gesonnen wie Frau Pittermann, kann ich, wenn ich mir das Budget im Gesundheitsbereich anschaue, absolut nicht sein. Frau Abgeordnete Pitter


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mann hat anscheinend übersehen, welche drastischen Einsparungsmaßnahmen es im Gesundheitsbereich gibt, und das ganz speziell im Bereich der Vorsorge.

Ich glaube, es müßte doch allen bekannt sein, daß, wenn heute die Vorsorge nicht mehr gewährleistet ist und man in diesem Bereich einspart, die Folgekosten niemals abschätzbar sein werden. Aber eines ist sicher: Die Folgekosten werden um ein Immenses höher sein, als hätte man ordentlich in die Vorsorge investiert.

Ich kann Ihnen dazu einige Beispiele bringen. – Sie sprechen seit Jahren von der Bekämpfung des Suchtgiftmißbrauches, und das ist seit Jahren in Ihrem Budget im Bereich der Aufgaben festgeschrieben.

Ich frage mich, wie Sie die Bekämpfung des Suchtgiftmißbrauches für 1996 und 1997 bewältigen wollen, wenn Sie das Budget in diesem Bereich um 5 Millionen Schilling gekürzt haben. Es wird nicht möglich sein, in diesem Bereich einen Ausbau voranzubringen, ganz im Gegenteil: Die Bekämpfung von Suchtgiftmißbrauch wird sich in nächster Zeit drastisch reduzieren.

Die größte Gefahr sehe ich im Bereich der Mutter-Kind-Paß-Versorgung, die es ja jetzt nicht mehr gibt. Frau Ministerin, ich weiß nicht, wieweit Sie die Studien gelesen haben, aber seit Einführung der Mutter-Kind-Paß-Untersuchung und der Geburtenbeihilfe ist die Sterblichkeitsrate bei Kindern bis zum 12. Monat erheblich zurückgegangen. Ich glaube, daß jetzt, wo Sie diesen Anreiz der Geburtenbeihilfe in Verbindung mit dem Mutter-Kind-Paß nicht mehr geben, die Säuglingssterblichkeit in Österreich wieder zunehmen wird.

Sie wurden einmal gefragt, wie Sie das sehen, und Sie haben gesagt: Es wird schon nichts passieren. (Bundesministerin Dr. Krammer: Das habe ich nicht gesagt!) Ich gebe es Ihnen dann, ich habe es hier.

Frau Ministerin, ich sage Ihnen, es wird sehr wohl etwas passieren, gerade im Bereich der Untersuchungen in der Schwangerschaft. Das ist nämlich ein ganz wesentlicher Bereich. Ich glaube, nur so war es möglich oder vor allem da war es möglich. (Bundesminister Dr. Krammer: Das bleibt ja gratis!) Aber es gibt diesen Anreiz nicht mehr, er ist damit gefallen. Und wenn der Anreiz fehlt, dann wird auch die Zahl der Untersuchungen zurückgehen.

Frau Ministerin, Sie werden es sehen. Wir werden in einem Jahr hoffentlich wieder darüber reden können, und dann werden Sie sehen, daß die Inanspruchnahme der Vorsorgeuntersuchung im Rahmen des Mutter-Kind-Passes zurückgegangen ist. Ich garantiere es Ihnen. Und ich garantiere Ihnen auch, daß die Säuglingssterblichkeit wieder ansteigen wird.

Ich befürchte, daß es so weit kommen wird, daß auch die Vorsorge und die Früherkennung von behinderten Kindern wieder zurückgehen wird. Denn daß es jetzt in diesem Bereich zu massiven Verschlechterungen gekommen ist, ist unbestritten.

Sie haben es geschafft, daß Sie den KRAZAF irgendwie regeln. Aber nur eines, Frau Ministerin: Sie haben es auch geschafft, daß Sie sich Ihrer Verantwortung im Gesundheitsbereich entzogen haben. Sie haben Ihre Kompetenzen zur Gänze an die Länder abgegeben. Sie haben sich des Bereiches des KRAZAF, der Krankenanstaltenfinanzierung, und damit auch der Tatsache, wie es in den Krankenhäusern zugeht, entledigt. Das haben Sie zur Gänze an die Länder weitergegeben. Das halte ich schlicht und einfach nicht für richtig. (Bundesministerin Dr. Krammer: Das ist schlicht und ergreifend falsch!)

Ich weiß, daß Sie in den nächsten Jahren mit diesem System der neuen Krankenhausfinanzierung nicht den Erfolg erreichen werden, den Sie geplant haben, denn es wurden zu dieser neuen leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung keine Qualitätskontrollen und Qualitätssicherungsmaßnahmen abgeschlossen. Es gibt keine Artikel-15a-Verträge mit den Ländern, die regeln, welche Kompetenzen Sie noch haben. Sie haben diesen Bereich schlicht und einfach für sich und das Gesundheitsministerium "entsorgt" und haben das zu 100 Prozent den Ländern überlassen.


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Deshalb stelle ich zum leistungsorientierten Krankenfinanzierungsgesetz den

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde betreffend Einführung von Kontroll- und Qualitätssicherungsmaßnahmen im Rahmen der LKF

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, im Rahmen der Strukturreformkommission verpflichtende und kontrollierbare Qualitätssicherungsmaßnahmen für die leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung auszuarbeiten und darüber mit den Ländern Artikel-15a-Verträge abzuschließen."

*****

Ich glaube, diese Maßnahme ist ein Minimum, um nur irgendwie kontrollieren zu können, wie sich das neue Leistungssystem entwickeln wird.

Ein Bereich noch, der mir auch sehr wichtig ist und der meiner Aussicht nach in den letzten Wochen im Zusammenhang mit den BSE-Fällen bedrohliche Ausmaße angenommen hat. Ich habe gerade in den letzten Wochen einige Studien gelesen und bin draufgekommen, daß es durch Medikamente mit Rinderbestandteilen zum Beispiel zu Behinderungen, wie etwa dem Zwergwuchs, gekommen ist. Da habe ich sehr gestaunt, denn ich bin zum Beispiel seit 1960 im Alter von sieben, acht Jahren mit Medikamenten aus geriebenen Kalbs- und Rindsknochen versorgt worden, und ich bin ein Zwergwuchs geblieben.

Und, Frau Ministerin, ich möchte Ihnen nur sagen: Mir ist jetzt in den letzten Wochen und Monaten noch viel, viel klarer geworden, warum gerade im Bereich von Behinderungen in den letzten Jahrzehnten eigentlich nichts im Forschungsbereich getan wurde. Ich glaube – und das ist berechtigt –, daß sich die große Angst bewahrheiten wird, daß sehr viele Behinderungen, die schon da sind und die in den nächsten Jahren noch auftreten werden, genau aus dem Bereich der Gentechnologie, aus dem Umgang mit Medikamenten, die schlecht bis gar nicht überprüfbar sind, gekommen sind. Ich bitte Sie, Frau Ministerin, in bezug auf bestehende Behinderungen einmal Forschungen anzustellen, um die Ursachen diverser Behinderungen zu erforschen. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist zu befürchten, daß in den nächsten Jahren durch BSE Behinderungen und Krankheiten noch viel, viel häufiger auftreten und noch vielfältiger sein werden.

Deshalb stelle ich einen zweiten Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde betreffend Einführung von verbindlichen Herkunftsbezeichnungen für Fleisch und Fleischprodukte

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat bis 31. Mai 1996 einen Gesetzentwurf für eine Produktkennzeichnung von Fleisch und Fleischprodukten vorzulegen, der eine verpflichtende und kontrollierbare Herkunftsbezeichnung sowie Angaben über die Art der Haltung der Tiere enthält."

*****


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Ich glaube, daß auch diese Maßnahme eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, damit sich die Konsumenten und Konsumentinnen in Österreich endlich einmal ein bißchen besser orientieren können, was sie essen und was sie einkaufen können. Die derzeitigen Bezeichnungen auf Lebensmitteln sind unzureichend und schlecht und stellen für die Konsumenten eine Kennzeichnung dar, die sie nicht entziffern können, sodaß sie nie wissen, was sie einkaufen.

Frau Ministerin! Sie haben noch eine gravierende Einsparung gemacht, die sich in den nächsten Jahren wahrscheinlich ganz, ganz schlimm auswirken wird. Sie haben auch im Bereich der Selbsthilfe, also der Selbsthilfeorganisationen, wie dem Diabetikerverein, der Frauenselbsthilfe nach Krebs et cetera, die Mittel für die Ausübung ihrer Tätigkeit reduziert. Ich glaube, das muß uns doch schon langsam bewußt sein, daß gerade diese Selbsthilfeorganisationen sehr notwendig sind und daß dieser Bereich durch Physikotherapeuten und ähnliches auch nicht annähernd abgedeckt werden kann, denn diese Personen unterstützen sich in ihren Selbsthilfegruppen gegenseitig und können gegenseitig Lösungen anbieten.

Wenn Sie jetzt wieder Selbsthilfegruppen finanziell beschneiden und ihnen nicht mehr die Möglichkeit geben, über ihre Probleme und über ihre Ängste zu sprechen, dann wird sich der Zulauf zu Psychologen wahrscheinlich entsprechend häufen. Denn es kann doch nicht so sein, daß Sie Menschen, die von Krebs betroffen sind, daß Sie Menschen, die Diabetiker sind, allein lassen. Sie können doch nicht wollen, daß diese Menschen, indem sie keine AnsprechpartnerInnen haben, niemanden haben, mit dem sie über ihre Probleme sprechen können.

Im Jahr 1996 könnte ich ja noch verstehen, daß auch für Selbsthilfegruppen et cetera die Mittel gekürzt werden. Aber für mich ist es unvorstellbar, wie es dazu kommt, daß Sie 1997, wo es den KRAZAF in dem Sinne nicht mehr gibt, die Mittel aus den Kürzungen, die Sie 1996 gerade für den Selbsthilfebereich vorgenommen haben, nicht wieder den Selbsthilfevereinen zukommen lassen. Es wäre wieder mehr Geld da, weil Sie eben die Mittel aus dem KRAZAF haben. Aber Sie sind nicht bereit, das, was Sie heuer zurücknehmen, nächstes Jahr wieder an diese Organisationen auszuschütten.

Es gäbe noch einiges, was im Rahmen der Gesundheitsvorsorge zu sagen wäre. Frau Ministerin, Sie wissen es, und wir haben es auch im Ausschuß sehr genau besprochen, woran es in Österreich krankt. Sollten Sie in irgendwelchen Bereichen, die Sie noch nicht kennen und die die behinderten Menschen betreffen, ergänzende Unterstützung brauchen, so kann ich Ihnen auf jeden Fall meine Erfahrung anbieten.

Für mich wäre es wichtig, daß wir es schaffen, soweit eine Gemeinsamkeit zu finden, daß die Gruppe der Betroffenen – wobei es völlig egal ist, ob es sich um behinderte, um alte oder um kranke Menschen handelt – so abgesichert wird, daß sie wirklich die Chance hat, menschenwürdig zu leben – und auch menschenwürdig zu sterben. Und dafür haben Sie meine Bereitschaft zur Zusammenarbeit. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die beiden von Frau Abgeordneter Haidlmayr vorgetragenen Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt. Sie werden in die Verhandlung miteinbezogen.

Als nächster Redner ist Abgeordneter Sauer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.57

Abgeordneter Willi Sauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Gesundheit und Konsumentenschutz lautet das Thema, das heute hier zu behandeln ist. Ich möchte mich hier ganz kurz mit dem Bundeskrankenanstaltenplan befassen, und zwar aus der Sicht meiner engeren Heimat, dem Waldviertel.

Hohes Haus! Bei uns in Waidhofen/Thaya wird ein neues Krankenhaus – das heißt, es handelt sich um die dritte Ausbaustufe eines Krankenhauses – errichtet, wobei zwei Abteilungen, die


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interne Abteilung und die Urologie, in Bau befindlich sind. Ich höre nun – und das macht mich etwas betroffen –, daß, selbst wenn ein Krankenhaus neu gebaut wird, gleich wieder von der Verlegung einer Station geredet wird. Frau Bundesminister! Ich darf Sie herzlich ersuchen, daß man in Anbetracht der Ausbaukosten in Höhe von 350 Millionen Schilling, die ja bereits vom Land für die Durchführung dieses Baues genehmigt sind, diese Verlegung nochmals überdenkt.

Ein Zweites: Bezüglich dieses Krankenhauses wurde vom Land Niederösterreich eine Firma beauftragt, die die Kosten in den niederösterreichischen Krankenanstalten berechnet. Sie hat aufgezeigt, daß in diesem Krankenhaus in Waidhofen äußerst kostengünstig gearbeitet wird, eben im Sinne der neuen Kosten-Nutzen-Rechnung für diese Krankenanstalten. Auch die Urologie ist eine der besten in Niederösterreich. Das ist nicht Eigenlob, sondern das ist das Ergebnis dieser Berechnung. Ich bin auf die Entwicklung in diesem Krankenhaus als Waidhofner natürlich sehr stolz, das können Sie mir glauben.

Wir brauchen zwei, drei Dinge, meine sehr verehrten Damen und Herren, oder eigentlich vier – das ist heute schon angeklungen –: die Vorsorgemedizin, die Akutbehandlung und die Nachbehandlung. Bei der Nachbehandlung ist natürlich auch sehr viel von Rehabilitation die Rede. Die Rehabilitation ist sehr wesentlich für jene, die wieder ins normale Leben eingegliedert werden können und sollen. Sie haben natürlich das Recht – und wir von der Gesetzgebung her die Pflicht – auf Wiedereingliederung.

Bei diesen Rehabilitationsvorhaben geht es gerade in diesem Zusammenhang um ein spezielles Thema von mir: um die Nachversorgung von Schlaganfällen. Es ist diesbezüglich einiges im Gespräch, und ich hoffe, daß diese Pläne, die bereits einer Verwirklichung zugeführt werden können, tagespolitisch rasch abgeschlossen werden.

Das nächste sind Tageskliniken: In Gänserndorf ist eine Tagesklinik in Planung. Ich bin froh darüber, daß man auch diese Möglichkeit in Erwägung zieht und die Tageskliniken ausbaut. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Neben all diesen Einrichtungen ist aber die ärztliche Versorgung – gerade bei uns auf dem Land – ein sehr wesentlicher Faktor. Bei dieser ärztlichen Versorgung kommt es aber auch darauf an, daß der Arzt, der zu uns aufs Land geht, auch etwas verdienen kann, denn nur wenn er etwas verdienen kann, wird er auch zu uns kommen.

Diesbezüglich möchte ich ganz besonders auf die zusätzliche Verdienstmöglichkeit durch die Hausapotheken verweisen, die die Ärzte bei uns am Land haben und die eine echte Nahversorgung im gesundheitlichen Bereich darstellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Das Thema Konsumentenschutz liegt mir als Bauer in verschiedenen Richtungen am Herzen. Wir haben einen sehr hohen Gesundheitsstatus bei unseren Tieren, und ich möchte darauf verweisen, daß es österreichische Qualität, österreichisch erzeugte Produkte in keiner Weise verdienen, daß man die österreichischen Konsumenten verunsichert. (Bundesministerin Dr. Krammer: Ja! Stimmt!) Das ist meiner Ansicht nach wirklich wesentlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn Abgeordnete-Kollegen, die noch dazu Tierärzte sind, hier beim Rednerpult immer wieder darauf verweisen, daß man in Österreich erzeugtes Fleisch mit Vorsicht genießen soll, weil diese BSE-Geschichte immer wieder auftritt, dann frage ich mich, ob diese Tierärzte schon lange nicht mehr in der Praxis waren (Bundesministerin Dr. Krammer: Vermutlich!) , denn sonst müßten sie wissen, daß der Gesundheitsstatus der österreichischen Rinder – gerade auf dem Zuchtviehsektor – ein sehr hoher ist und daß Österreich auf diesem Gebiet vorbildlich gearbeitet hat und diese Dinge erst gar nicht hat aufkommen lassen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Konsumentenschutz ist in meinen Augen etwas, was nichts mit Verunsicherung zu tun haben darf. Wenn sich jemand hier herausstellt und jammert, daß die österreichischen Bauern ihre Tiere nicht vermarkten können, daß die österreichischen Bauern ihr Vieh nicht an den Mann, nicht an den Konsumenten bringen, aber gleichzeitig davon reden, wie gesundheitsschädlich


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dieses Fleisch ist, dann muß ich schon fragen, ob sie den Bauern damit einen guten Dienst erweisen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Aumayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.04

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Um gleich auf die Ausführungen meiner Vorredner einzugehen: Herr Kollege Sauer! Ich bin völlig einer Meinung mit Ihnen, daß österreichische Produkte, österreichisches Fleisch hundertprozentig in Ordnung ist. Aber Sie können es einfach nicht ausschließen, daß, seit wir Mitglied der Europäischen Union sind, verseuchtes oder krankes Fleisch nach Österreich importiert worden ist.

Und es ist doch leider Gottes bitte bis zur Stunde so, Herr Kollege Sauer – das haben ja die Freiheitlichen schon oft genug angekreidet –, daß Lebendtiertransporte, woher aus dem EU-Raum sie auch immer kommen, täglich über Österreichs Grenzen rollen. Die Tiere werden dann in österreichischen Schlachthöfen geschlachtet, Herr Kollege Kaiser, und dann haben sie den A-Stempel drauf. Das ist Faktum, Herr Kollege Kaiser! Sie können sich davor nicht drücken! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Kaiser und Herr Kollege Sauer! Sie können es auch nicht ausschließen, daß Lebendtiertransporte aus Großbritannien, die noch bis vor kurzem nach Belgien, nach Frankreich, nach Deutschland exportiert worden sind, von dort dann zu uns hereingekommen sind, umdeklariert als deutsches oder französisches Rind.

Uns muß klar sein, daß wir an die Grenzen der freien Marktwirtschaft gestoßen sind. Die Gesundheit unserer Bevölkerung, Herr Kollege Kaiser, ist dem Profit einiger weniger geopfert worden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann die Reden vom "mündigen Konsumenten", Frau Ministerin, und da meine ich auch Sie damit, wirklich nicht mehr hören! (Abg. Dr. Leiner: Warum nicht?) Warum? – Jetzt sage ich es Ihnen: Sie reden ja auch ständig vom mündigen Konsumenten. (Abg. Dr. Leiner: Freilich!) Kennen Sie die Codenummern für das Herkunftsland, die sogenannten E-Nummern, Herr Kollege? Kennen Sie sie? Wie ist die Codenummer zum Beispiel für Deutschland? Frau Ministerin! Das Herkunftsland am Code, die ersten drei Ziffern. (Abg. Dr. Leiner: 5663!) Nein! 400 bis 440, Herr Doktor! (Abg. Dr. Leiner: 5663!)

Nein! Wie ist sie von Griechenland? – 520. Oder wie ist sie von Großbritannien, Frau Ministerin, wo Sie ja wirklich beschwören, daß keine Fleischprodukte aus Großbritannien nach Österreich kommen? (Abg. Ing. Reichhold: Keine Chance!) Woher erkennt der Konsument am Code das Herkunftsland, Frau Ministerin? (Bundesministerin Dr. Krammer: Da gibt es Listen!) Nein, nein, Frau Ministerin! Sie kennen die Codenummern nicht, und auch die Kollegen von der ÖVP und von der SPÖ nicht, aber Sie reden die ganze Zeit vom mündigen Konsumenten! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Keine Ahnung! Aber vom mündigen Konsumenten reden, Herr Doktor, gelt? (Zwischenrufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Zusatzstoffe, bestrahlte Produkte, gentechnisch veränderte Produkte: Wir bekommen alles herein.

Oder zum Beispiel die Kennzeichnung für bestrahlte Produkte. Frau Ministerin! Sie sind zuständig für die Gesundheit und für den Konsumentenschutz. Aber Sie haben sich bis heute nicht dafür eingesetzt, daß es zumindest in der Europäischen Union eine Kennzeichnungspflicht für bestrahlte Produkte gibt. Wir bekommen bestrahlte Produkte, zum Beispiel Kartoffeln – ich zähle jetzt nur die EU-Länder auf –, aus Belgien, aus Dänemark, aus Frankreich, aus Italien, aus den Niederlanden und aus Spanien. Und der Konsument hat beim Kauf einfach keine Ahnung, ob diese Produkte bestrahlt worden sind oder nicht.


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Frau Bundesministerin! Es dauert heute nicht mehr lange, bleiben Sie noch ein paar Minuten. (Bundesministerin Dr. Krammer: Aber Ihnen höre ich doch gerne zu!) Ja, aber Sie werden ständig gestört dabei. (Bundesministerin Dr. Krammer: Macht ja nichts!)

Frau Bundesministerin! Ihr Vorgänger, Minister Ausserwinkler, hat eine Menge von Zusatzstoffen und Farbstoffen, die bis 1993 in Österreich verboten waren, zugelassen, und zwar im Rahmen des EWR-Beitritts Österreichs. (Abg. Dipl.-Ing. Kaiser: Das ist die G’schicht!) Nein, nein, nicht: "Das ist die G’schicht!" Das ist der Punkt, Herr Kollege Kaiser! Sie mit Ihrem A-Pickerl, das können Sie sich schön langsam ... na ja! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Steindl: Was? – Abg. Ing. Reichhold: Auf die Haare schmieren!)

Frau Bundesministerin! Minister Ausserwinkler hat mir auf die Frage, wieso er bisher verbotene Zusatzstoffe erlaubt, folgende Antwort gegeben – und das ist interessant –: Der EWR-Vertrag verpflichtet Österreich, folgende bisher in einschlägigen Verordnungen nicht enthaltene und durch Bescheide nicht zugelassene Zusatzstoffe in die entsprechende Verordnung aufzunehmen. – Das heißt: Nur der EWR-Vertrag war der Grund, bisher verbotene Zusatzstoffe zuzulassen, Frau Ministerin!

Da muß ich schon sagen, dem Diktat der Nahrungsmittelindustrie oder des Marktes wird einfach Stück für Stück die Gesundheit geopfert. Wer braucht diese Haltbarmachung unserer Produkte? Wer braucht diese Farbstoffe? Wer braucht diese Geschmacksverstärker? – Nur die Nahrungsmittelindustrie, denn sie nützen dem Konsumenten absolut nichts! Die Nahrungsmittelkonzerne brauchen diese Manipulationen bei unseren Nahrungsmitteln – "Lebensmittel" kann man zu diesen Produkten kaum mehr sagen. Sie brauchen diese Zusatzstoffe, damit die Nahrungsmittel lange Transportwege aushalten, damit sie lange halten, und die fehlende Geschmacksintensität – aufgrund der Produktion mit viel Chemie – wird mit Geschmacksverstärkern ausgeglichen, und damit wird der Konsument einfach getäuscht.

Es ist wirklich viel zuwenig, daß bei Krisen, zum Beispiel beim Rinderwahn, die Politiker mediengerecht genau jene Produkte verspeisen, die gerade in Verruf sind. Vor Ihnen, Frau Bundesministerin, haben auch englische Minister und Politiker bereits vor laufenden Kameras mit ihren Kindern englisches Rindfleisch – englisches Rindfleisch! – gegessen, um so den Konsumenten zu beweisen, daß es ungefährlich ist. Und während Sie, Frau Ministerin, mit Herrn Landwirtschaftsminister Molterer – auch vor laufender Kamera – Tafelspitz verzehrt haben, hat Herr Kommissar – euer "guter" Kommissar! – Fischler in den Tiroler Bergen sein Lieblingsfleisch verkündet: englisches Rindfleisch. – Und da soll sich noch einmal ein Konsument auskennen! Das ist ein totales Chaos! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenbemerkung der Bundesministerin Dr. Krammer. )

Frau Ministerin! Sie können nichts dafür, das stimmt. Ich frage Sie nur: Wie soll sich der Konsument da noch auskennen? Und wie reagiert der Konsument, Frau Kollegin Bauer? Wie reagiert der Konsument in Österreich? Wie reagiert er? – Er kauft kein Rindfleisch! (Abg. Sophie Bauer: Das haben wir schon dreimal gehört!) Ja, das haben wir schon dreimal gehört! Sie interessiert es ja auch gar nicht, welche Auswirkungen eine solche Politik für den österreichischen Rinderbauern hat. (Bundesministerin Dr. Krammer: Zeigen Sie nicht auf mich! Sie meinen jemand anderen!) – Ich meine jemanden anderen. Mich wundert nur, daß sich die Kollegin von der SPÖ so vehement dagegen wehrt, aber vielleicht hat sie nicht mitgedacht.

Sie haben gestern im Hauptausschuß einen Antrag der Freiheitlichen abgelehnt, daß die österreichischen Rinderbauern, die tatsächlich kein Stück Rind mehr verkaufen können, die wirklich vor dem Bankrott stehen – da werden Existenzen vernichtet! –, entschädigt werden. Sie haben den Antrag abgelehnt, daß die österreichischen Rinderbauern auch aus der EU-Marktordnung entschädigt werden sollen! (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Aber die englischen Rinderbauern bekommen im Gegenzug für die Schlachtung eines kranken Rindes über 4 000 S (Abg. Dr. Partik-Pablé: Und wieso die österreichischen Bauern nicht?) und die österreichischen Bauern – gelt, Kollege Freund, da haben Sie gestern im Hauptausschuß


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dagegengestimmt, so wie auch Schwarzenberger und Co. – keinen einzigen Schilling! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Was sagen da die ÖVP-Bauern?)

Noch kurz zur Gentechnik: Frau Ministerin! Sie werden in der nächsten Zeit eine der schwerwiegendsten und wichtigsten politischen Entscheidungen, die jemals ein Gesundheitsminister in diesem Land treffen mußte, treffen müssen, und zwar meine ich die Gentechnik. Ich ersuche Sie, im Sinne der Gesundheit unserer Bevölkerung und der Zukunft unserer Kinder: Gehen Sie ganz sorgfältig mit Ihrem Amt um, und versuchen Sie, sich freizuspielen von jenen Chemiekonzernen, die Milliardengeschäfte damit machen wollen, die Milliarden damit verdienen wollen (Rufe bei der ÖVP: Welche? Welche?), während den Schaden die gesamte Bevölkerung zu tragen hätte! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.15

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren! Wenn der Erstredner der FPÖ, Kollege Pumberger, mit seinem Beitrag zur Krankenanstaltenfinanzierung den Beweis von Unwissenheit und Inkompetenz erbringen wollte, so ist ihm dies auf sehr eindrucksvolle Art und Weise gelungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ohne die nötigen Hausarbeiten zu machen, redet er über Krankenhausökonomie im gewohnten Stile der "F" ... (Abg. Haigermoser: Geben Sie die Hände aus dem Hosensack, wenn Sie mit uns reden!) – Herr Haigermoser, schauen Sie, Sie haben überhaupt keine Ahnung! Sie wissen ja nicht einmal, wie man "Krankenhaus" schreibt! Infolge dessen halten Sie sich bitte da heraus, das wäre viel besser! (Beifall bei der SPÖ. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Ich werde jetzt versuchen, Kollegen Pumberger zumindest einige Details in der Kürze zu vermitteln, damit er überhaupt weiß, worum es in dem Modellversuch gegangen ist und was damit überhaupt erreicht werden sollte. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Herr Dr. Pumberger! Lauschen Sie nun andächtig meinen Worten, damit Sie nicht als Unwissender von hinnen nach dannen gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was waren jetzt die Voraussetzungen für das Modellprojekt in Vorarlberg? – Eine Überschaubarkeit der Region, kaum Patientenfluktuationen in andere Bundesländer. Auch da haben Sie einen Blödsinn behauptet. (Abg. Haigermoser: Ich habe den Verdacht, die Rede haben Sie selbst geschrieben!) – Ich habe sie selbst geschrieben. Wissen Sie, im Gegensatz zu Ihnen schreibe ich das nämlich selbst, weil ich halt etwas davon verstehe, und Sie haben eben einen Frust, weil Sie nichts davon verstehen. Das ist das Problem! (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Haigermoser! Es gibt ein altes Sprichwort, das heißt: "Haigermoser, bleib bei deinen Leisten!" – Ihre Leisten sind Inkompetenz, Haß, Zynismus, Hohn und Spott. Das ist eben einfach so. Sie können nicht, wenn jemand hier heraußen steht, einmal andächtig diesen Worten lauschen. (Abg. Ing. Reichhold: Wo bleibt der Beifall?) Ich gebe schon zu, daß Sie nicht alles verstehen können – das ist auch noch nichts Schlechtes, Herr Haigermoser –, aber so kindisch und äffig, wie Sie tun, das zeigt einmal mehr auf, daß es gar nicht mit der Würde dieses Hauses vereinbar ist, daß Sie hier herinnen sitzen. So einfach ist das! (Beifall bei der SPÖ. – Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich fortsetzen: Es gab ausgezeichnete Krankenhausstrukturen mit einem Schwerpunkt und vier Standortkrankenhäusern, ein dichtes Netz niedergelassener Ärzte mit Sprengelbereitschaftsdienst und eine vorbildliche Infrastruktur im ambulanten und stationären Pflegebereich. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Unter diesen Voraussetzungen, Herr Dr. Pumberger, haben sich alle Beteiligten mit der Gesundheitsministerin zusammengesetzt und


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haben, wie gesagt, ein Pilotprojekt formuliert, in dem sozusagen davon auszugehen war, daß die Krankenhausfinanzierung, das neue Modell, funktionieren soll.

Wir gehen auch davon aus, daß es nicht jene Kosteneinsparungen bringen wird, wie viele geglaubt haben, da bin ich mit Ihnen noch d’accord. (Abg. Kiss: Ich würde mich von Haigermoser nicht so beleidigen lassen!) – Es ist nicht so schlimm! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Aber mit der alten Methode wäre die Finanzierung noch weniger gewährleistet.

Was waren nun die Ziele dieses Pilotprojektes? – Keine Einschränkung von Qualität und Quantität in der Patientenbetreuung, die Reduktion der Zahl stationärer Aufnahmen, die Verkürzung der Verweildauer, Abbau der Zahl an Akutbetten, Vorantreiben von Strukturmaßnahmen und Eindämmung der Kostensteigerungen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Pumberger: Da lacht der eigene Koalitionspartner!) – Das macht nichts, er kann ruhig lachen.

Was sind die vorläufigen Ergebnisse aus dem Jahre 1995? – Abnahme der Zahl stationärer Aufnahmen, seit einigen Jahren oder seit Jahren erstmalig eine Trendumkehr bei den Hospitationen; Rückgang der Zahl der Belegs- und Pflegetage – dies führt automatisch zur Freisetzung von Bettenkapazitäten, die teils abgebaut oder neuen Bestimmungszwecken zugeführt werden können; Verkürzung der Verweildauer bei im Vergleich zu anderen Bundesländern sowieso niedrigen Ausgangswerten; Zunahme der von Ihnen gewünschten tagesklinischen und tageschirurgischen Leistungen um 13 Prozent – das ist auch sehr wichtig, das ist auch in Ordnung – und ein Anstieg der Zahl von Entlassungen am Freitag. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Die ersten Ergebnisse sind natürlich positiv zu bewerten. Durch diese Entwicklung ergeben sich die Grundlagen für notwendige strukturelle Veränderungen. Tiefgreifende Umstrukturierungen, die zu wesentlichen Kostenveränderungen führen, können aber nur dann vollzogen werden, wenn eben dieses leistungsorientierte Modell sozusagen abgesichert und über ganz Österreich verbreitet wird. Das ist es, was wir wollen! (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) – Ja, ist in Ordnung! Warum haben Sie es dann so kritisiert? (Abg. Dr. Pumberger: Ich habe nur darauf hingewiesen, daß die Einsparung bei der Einführung des LKF null sein wird – laut Minister Krammer!)

Das hat ja niemand in Abrede gestellt, das ist natürlich klar, das haben wir auch immer gesagt. Das war ja das Ziel dieses Pilotprojektes. (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Dr. Pumberger! Natürlich hat es am Anfang auch Fehlcodierungen gegeben! Das ist doch klar, wenn man ein System total umstellt, und das hat kurzfristig zu großen Problemen geführt. Man hat das dann Mitte des Jahres bereinigt, und dann hat es eigentlich nur mehr relativ wenig Fehlcodierungen gegeben. Die größten Probleme waren dann ausgeräumt. (Abg. Ing. Reichhold: Sie reden so Kärntnerisch!) – Richtig! Das bin ich auch! Ist ja nichts Schlechtes! Das müßten Sie ja wissen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) So ist es, Herr Stadler. (Abg. Ing. Reichhold: Das hätten Sie gleich sagen sollen!)

Herr Dr. Pumberger! Im ersten Jahr bereits finanzielle Auswirkungen zu erwarten, zeugt auch nicht gerade unbedingt von großem ökonomischen Sachverstand. Darauf muß ich auch noch verweisen. Sie haben auch behauptet, daß Private alles besser machen können. Ich darf das vielleicht aufklären, weil ich das nicht mehr hören möchte: Die Gesundheitsausgaben, meine Damen und Herren von der "F", betragen in Österreich insgesamt knapp über 9 Prozent, gemessen am BIP, und wir liegen damit durchaus im Durchschnitt der Industriestaaten. (Abg. Dr. Graf: Das haben wir von Ihren Rednern schon oft gehört!)

Echt? – Das macht nichts, dann wiederhole ich das noch einmal, damit Sie es endlich begreifen. Das ist doch immerhin etwas, nicht? (Beifall bei der SPÖ.)

Im Vergleich mit Ländern ohne Sozialversicherungssysteme schneidet Österreich durchaus günstig ab. (Abg. Mag. Stadler: Nicht beleidigt sein, wenn dann die Retourkutsche kommt!) –


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Das macht nichts. Ich weiß ohnehin, daß das kommt, Herr Mag. Stadler! (Abg. Dr. Graf: Wissen Sie überhaupt, was BIP heißt?)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Entschuldigung, aber wir haben keine Aktuelle Stunde sozusagen unter den Abgeordneten. (Abg. Schwemlein: Es ist schön, daß alle unseren Kollegen Lackner fragen!)

Abgeordneter Manfred Lackner (fortsetzend) : Das zeigt doch, daß eine gewisse Kompetenz einfach da sein muß. (Beifall bei der SPÖ.)

Zurück zum Thema: So liegen zum Beispiel die Kosten des US-Gesundheitssystems – und dieses wird überwiegend aus Privatversicherung und Selbstbeteiligung finanziert – um ganze 3 Prozentpunkte über dem des österreichischen. Und das trotz der Tatsache – das hat heute Herr Dr. Rasinger schon gesagt –, daß 40 Millionen Amerikaner ohne Krankenversicherung sind. Das heißt, daß Länder, die keine Sozialversicherungssysteme haben, noch keineswegs schlank, effizient, produktiv und sparsam im Gesundheitswesen sind – und natürlich keineswegs gerechter und menschenwürdiger, und darauf kommt es an. (Abg. Dr. Graf: Kollege Rasinger hat schon viel anderes auch gesagt!) Daher gilt für uns nach wie vor, meine Damen und Herren von der "F", ein klares Bekenntnis zu den tragenden Säulen der sozialen Krankenversicherung: Sachleistungsprinzip und Solidarausgleich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Können Sie die Passage mit den 40 Millionen krankenversicherungslosen Amerikanern in Österreich noch einmal vorlesen?) – Später komm ich noch einmal dazu. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ein derartiger Schmarrn! Denn wenn Österreich nur 8 Millionen Einwohner hat, kann das nicht ganz stimmen!)

Ich habe ja gesagt: in Amerika. Sie haben meinen Worten wieder nicht andächtig genug gelauscht, Herr Stadler! Das ist Ihr Problem.

Abschließend: Das Modellprojekt in Vorarlberg zeigt uns deutlich, daß das LKF-Modell der erste notwendige Schritt in die richtige Richtung war. Durch diese Entwicklung ergeben sich eben diese von Ihnen geforderten Grundlagen für notwendige strukturelle Veränderungen, die zu Kostenveränderungen führen werden.

Unser Ziel, meine Damen und Herren, muß daher die Erhaltung des hohen Standards der medizinischen Versorgung in Österreich sein, was ich als Grundrecht für alle Österreicher betrachte. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dunst. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.24

Abgeordnete Verena Dunst (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Damen und Herren! Ich möchte zum Thema Gesundheit zwei Schwerpunkte herausgreifen. Das eine Thema ist die Drogenproblematik, und das zweite Thema – leider eng damit zusammenhängend – ist AIDS. Die Zahlen der Drogenstatistik geben sicher keinen Anlaß zu Jubelmeldungen. Das Drogenproblem ist in den letzten Jahren zu einer bedrohlichen Größe angewachsen.

Damit einher geht aber glücklicherweise auch die effiziente Bekämpfung von Drogenbanden durch die Exekutive, und in den letzten Jahren ist es so gelungen, zahlreiche Drogenringe zu zerschlagen. Doch es genügt natürlich nicht, die Dealer hinter Schloß und Riegel zu bringen, denn die Drogenproblematik muß auf mehreren Ebenen einsetzen.

Auf der kriminalistischen Ebene sind die beiden Knackpunkte die Kontrolle und die Unterbindung des Handels mit Vorläufersubstanzen einerseits und die rigorose Bekämpfung der Geldwäsche andererseits. Diesen Kampf kann man meiner Meinung nach nur auf internationaler Ebene gewinnen, und dafür bietet uns die EU Gott sei Dank die besten Voraussetzungen.


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Auf nationaler Ebene muß die Gesundheitspolitik wirken. Wichtig ist dabei auch, daß der Kampf gegen das Suchtgift nicht zum Kampf gegen den Süchtigen wird. Es ist wichtig, die gesellschaftliche Akzeptanz von Drogenpatienten zu erhöhen. Drogenmißbrauch ist wie eine Krankheit zu behandeln und der diskriminierte Patient muß zum normalen erhoben werden. In diese Richtung soll auch das neue Suchtmittelgesetz gehen. Ein erster Schritt ist bereits mit der Verabschiedung einer Regierungsvorlage am 23. April durch den Ministerrat und mit den Regelungen über Suchtgifte und Vorläuferstoffe gesetzt worden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird eine Reihe gesundheitspolitisch relevanter Verbesserungen geben, etwa die Verbesserung der Behandlung und Betreuung von suchtkranken Personen unter dem Begriff "gesundheitsbezogene Maßnahmen". Neben der ärztlichen Behandlung und Überwachung des Gesundheitszustandes sollen aber künftig auch andere Maßnahmen wie die Psychotherapie oder die sozialtherapeutische Betreuung an Bedeutung gewinnen.

Ebenso soll der Grundsatz "Behandlung statt Strafe" weiter ausgebaut werden. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit freiwilligen Entwöhnungsbehandlungen bei gleichzeitigem Aufschub einer Freiheitsstrafe soll dieser Grundsatz zum Tragen kommen.

Verurteilungen im Zusammenhang mit der sogenannten Begleitkriminalität sollen einer Therapie nicht mehr entgegenstehen. Vor allem aber will man auch die sogenannte Pulverszene in den Griff bekommen, denn bisher bewegten sich psychotrope Substanzen im rechtsfreien Raum. Nun will man auch diese Szene in den Griff bekommen. Mit dem neuen Suchtmittelgesetz soll aber auch die rechtliche Verankerung von Schmerztherapien verbessert werden. Mit all diesen Maßnahmen wird es möglich sein, die Situation von Suchtkranken, aber auch von Schmerzpatienten entscheidend zu verbessern.

Neben dieser sozusagen theoretischen Ebene der Schaffung besserer rechtlicher Grundlagen wirkt beispielsweise das Gesundheitsministerium vor Ort, etwa in der Förderung von sogenannten § 22-Einrichtungen. Es werden in Österreich an die 50 solcher Initiativen gefördert. Herzlichen Dank, Frau Ministerin, im Namen aller, die diese Initiativen brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Beispielhaft möchte ich einige dieser Initiativen nennen: Etwa die Dialog-, Hilfs- und Beratungsstelle für Suchtgiftgefährdete – aber auch für ihre Angehörigen, die Beratung brauchen – in Wien, oder die Werkstatt für Suchtprophylaxe in Götzis sind zwei Beispiele von vielen. Im Rahmen dieser Initiativen wird versucht, sowohl den schon Erkrankten zu helfen, als auch Gesunden vor Augen zu führen, wie leicht es ist, in diese Krankheit zu schlittern.

Unmittelbar zusammenhängend mit dem Drogenproblem ist natürlich die Erkrankung an AIDS zu sehen. Bei den 1 500 in Österreich bekannten AIDS-Fällen sind die Drogenabhängigen mit 12 Prozent – wahnsinnig hoch – an dritter Stelle. Überholt wurden sie in dieser traurigen Statistik von Homosexuellen, während sich bei den Neuinfektionen die Heterosexuellen an der Spitze befinden. Die Zunahme der heterosexuellen Übertragung bringt mit sich, daß mittlerweile jede vierte HIV-Neuinfektion eine Frau betrifft. Dadurch ist natürlich mit einer verstärkten Übertragung von der Mutter auf das Kind zu rechnen.

Ebenso wie bei der Drogenpolitik ist es auch da wichtig, auf mehreren Ebenen zu arbeiten, zu wirken, einerseits durch vermehrte Aufklärung und andererseits durch die konkrete Hilfe für AIDS-Opfern. Besonders wichtig ist in dieser Hinsicht auch der Unterstützungsfonds für Patienten, und zwar für Personen, die durch medizinische Behandlung – Frau Kollegin Pittermann hat das schon angesprochen – oder durch ihre berufliche Tätigkeit HIV-infiziert worden sind, und auch für deren Angehörige.

Auch für die Zukunft bleibt die Förderung dieses Fonds ein wichtiges Anliegen des Gesundheitsministeriums, wie die Frau Minister im Budgetausschuß sagte. Auch dafür herzlichen Dank! (Beifall bei der SPÖ.)

So ist es gelungen, durch intensive Bemühungen neben der pharmazeutischen Industrie auch die Länder in die Unterstützung der Betroffenen einzubinden. 1995 konnte etwa auch eine Be


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teiligung des Österreichischen Roten Kreuzes erreicht werden. Die Zuwendungen des Roten Kreuzes werden dazu verwendet, Hilfeleistungen an Personen zu gewähren, die durch Transfusion von kontaminierten Blutprodukten – Kollegin Pittermann hat das auch angesprochen – des Roten Kreuzes infiziert wurden.

In den nächsten beiden Jahren ist eine Unterstützung des Fonds in der Höhe von 10 Millionen Schilling von seiten des Gesundheitsministeriums vorgesehen. Hohes Haus! Alle Geldmittel dieses Fonds und die besten Beratungsstellen können natürlich die Erkrankung und die Probleme dieser beiden Gruppen nicht ungeschehen machen. Deswegen sollte es uns aller Ziel sein, vermehrt Aufklärung zu betreiben. Wir alle, die wir in der Öffentlichkeit stehen, sind diesbezüglich besonders gefordert, und da möchte ich niemanden ausschließen.

Dieser Anforderung nicht dienlich ist ein Ansinnen der Freiheitlichen. Herr Abgeordneter Pumberger! Ich komme nicht umhin, das zu sagen. Ich habe lange überlegt, ob ich das sagen soll oder nicht. Aber ich war wirklich zutiefst enttäuscht, als ich hörte, daß Sie, Herr Abgeordneter Pumberger, im Dezember vorigen Jahres sagten, die AIDS-Hilfe sollte abgeschafft werden, als es hieß, sie müßte forciert werden.

Unglaublich! Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie das gesagt haben. Ich habe recherchiert, ich habe nachgelesen und festgestellt, es stimmt. Ich glaube, darauf sollten Sie nicht unbedingt stolz sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hoffe, daß wir nicht viele Abgeordnete in diesem Haus antreffen, die dieses Ansinnen auch vertreten, denn sonst könnte eine gezielte Prophylaxe nicht greifen. Drogenkrankheit und AIDS müssen einfach so verstanden werden, daß dies jeden von uns treffen kann. Niemand ist davor gefeit. Nur so kann auch die breite Masse der Bevölkerung für diese Problematik sensibel gemacht werden. Und nur so kann Vorsorge sinnvoll sein, besonders bei einer Krankheit wie AIDS.

Ich bin am Ende meiner Ausführungen, aber ich möchte beispielhaft für das schlechte Verhalten der Freiheitlichen noch etwas sagen, was Kollegin Onodi heute schon ausgeführt hat. Man spricht von Kultur, auch von Kommunikation miteinander. Ich möchte Ihnen noch etwas zu Gehör bringen. Ich habe geschaut, Abgeordneter Stadler ist jetzt nicht da. Es hat mir weh getan – ich möchte das Wort nicht sagen, ich habe es leider gehört, und viele Abgeordnete meiner Fraktion auch –, daß Herr Abgeordneter Stadler das in Richtung der Kollegin Onodi, die heraußen sprach, gesagt hat. Ich bitte Sie von den Freiheitlichen als seine Kollegen, richten Sie ihm das aus. Wenn er ein bißchen Moral hat, dann wird er sich bei ihr entschuldigen. – Ich warte darauf. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.33

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Viele Beiträge haben sich heute mit einem leistungsorientierten Finanzierungssystem beschäftigt. Ich darf mich noch mit zwei Gedanken dazu beschäftigen.

Mit der Einführung des KRAZAF wurde die Finanzierung der Krankenanstalten, zeitlich befristet durch Bund und Länder, in der Vergangenheit geregelt. Diese Praxis soll ab 1997 durch die Einführung der leistungsorientierten Finanzierung eine andere werden. Damit soll auch die Kostensteigerung möglichst eine Eindämmung erfahren.

Dieses Ziel soll insbesondere durch die Reduktion der Zahl der Patienten und durch die Verkürzung der Verweildauer erreicht werden. Das heißt einerseits Verlagerung der ärztlichen Tätigkeit aus dem Krankenhaus in den extramuralen Bereich, und andererseits haben die Länder für sozial- und gesundheitspolitische Mindeststandards zu sorgen. Beides sind, wie ich meine, notwendige Maßnahmen, die uns aber noch sehr beschäftigen werden.


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Die Verlagerung der Tätigkeit aus den Krankenhäusern setzt voraus, daß zum einen Klarheit darüber besteht, was wo gemacht wird, daß der Grundsatz: "Soviel ambulant wie möglich, und soviel stationär wie nötig!" nicht zur einkommenspolitischen Umverteilung mißbraucht wird und daß eine flächendeckende Versorgung mit Praktikern und vor allem Fachärzten gegeben ist.

Da sehe ich doch einige Probleme, weil das gegenwärtige monopolistische Ritual einer notwendigen Niederlassungsfreiheit entgegensteht. Viele Gemeinden bemühen sich – nicht zuletzt wegen immer wieder vorgebrachter Beschwerden wegen schlechter Erreichbarkeiten von Ärzten, langer Wartezeiten auf Termine, langer Wartezeiten in Ordinationen – Fachärzte anzusiedeln.

Die Grundhaltung der Krankenkassen und der Ärztekammer verhindert eine derartige Ansiedlung beziehungsweise macht sie zumindest sehr schwierig. Die Grundhaltung der Krankenkassen lautet, daß mehr Ärzte mehr Krankenscheine und damit mehr Kosten bedeuten, und die Grundhaltung der Ärztekammer bringt zum Ausdruck, daß es genug Ärzte gibt und daß diese von der Ärztekammer zu vertreten sind.

Ich darf Ihnen an dieser Stelle ein Beispiel nennen, das ich selbst erlebt habe. Meine Gemeinde bemüht sich, einen Facharzt, es geht um einen Zahnarzt, anzusiedeln. Die Krankenkasse unterstützt unser Begehren, die Ärztekammer sagt dazu ein grundsätzliches Nein – mit allen möglichen und unmöglichen Ausreden: Es gebe genug Ärzte, die Lebensfähigkeit der Praxis sei nicht gegeben, und schon angesiedelte Ärzte seien gefährdet. – Ich möchte in diesem Zusammenhang gar nicht über Ordinationszeiten, Villen oder Hobbies dieser "gefährdeten" Ärzte reden. Die Vertreter der Zahnärzte sind dagegen – mit der Begründung, daß sich alle umliegenden niedergelassenen Zahnärzte dagegen aussprechen und die Ärztevertretung, da sie eben die Vertretung dieser Ärzte ist, daher auch nicht dafür sein kann.

Ich habe mir erlaubt, in der Folge das Problem mit niedergelassenen Ärzten zu besprechen. Es gibt etwa fünf Kilometer entfernt ein Zahnarztehepaar. Er arbeitet mit einem Vertrag, sie will einen Vertrag, aber die Krankenkasse ist dagegen. Diese Zahnärztin hat sich dagegen ausgesprochen – mit der Begründung, daß dies so lange gilt, bis die hohen Investitionen durch Hausankauf und Einrichtung der Ordination zurückgezahlt sind. Allen anderen Ärzten aus der Umgebung, mit denen gesprochen wurde, war es egal, mit der Begründung, daß sie genug Arbeit hätten, aber auch mit dem Zusatz, daß sie, wenn einer dagegen ist, solidarisch sind. Und somit waren sie alle dagegen.

Ich habe damit den Vertreter der Zahnärzte konfrontiert. Es wurde damit abgetan, daß überall anders gesprochen wird und daß sie vor ihm anders reden. Er hat aber dann nach längerer Besprechung eine Lösung des Problems gesehen. Er meinte, wenn die erwähnte Zahnärztin in unserer Gemeinde ordiniert, dann könnten wir rasch den Vertrag haben. – So läuft es, meine Damen und Herren, und ich kann mir nicht vorstellen, daß das neue System mit dieser alten Praxis funktionieren wird. Daher werden wir uns einen Weg in Richtung tatsächlicher Niederlassungsfreiheit zu überlegen haben.

Ein paar Sätze noch zur kürzeren Verweildauer. Diese wird zweifellos den Bedarf an häuslicher und kommunaler Pflege steigern. Um diesem Bedarf zu entsprechen, haben die Länder bereits im Jahre 1993 im Zusammenhang mit dem Pflegegeldgesetz eine Artikel-15a-Vereinbarung abgeschlossen, und zwar mit der Verpflichtung, für einen Mindeststandard an ambulanten, teilstationären und stationären Diensten zu sorgen.

Ich bin davon überzeugt, daß dieses Pflegesystem nur innerhalb der und mit den Gemeinden funktionieren wird. Ich weiß auch, daß die Gemeinden bereit sind, mit aller Kraft, Möglichkeit und Erfahrung mitzuwirken. Die Finanzierung darf man ihnen jedoch, wie ich meine, nicht mehr zumuten. Ich weiß, daß Art. 10 dieser 15a-Vereinbarung besagt, daß der Aufwand durch die Länder zu tragen ist. Wir kennen jedoch die Praxis aus dem Bereich der Abfallwirtschaft aus jüngster Zeit, wo den Gemeinden per Gesetz die Anschaffung teurer Einrichtungen auferlegt wurde. Die Zusage, die Kosten für Errichtung, Erhaltung und Betrieb zu ersetzen, hat sich in der


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Tat dann so gestaltet, daß lange Stundungen durch die Gemeinden hinzunehmen waren oder schleppende Zahlungen in nicht kostendeckender Höhe erfolgt sind.

Ich weiß schon, daß es nicht unbedingt überall so passiert sein muß, aber ich wollte trotzdem darauf hinweisen.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß Sie mit mir übereinstimmen, daß die Sicherung und Finanzierung der Gesundheitsvorsorge der österreichischen Bevölkerung nicht nur Aufgabe der zuständigen Ministerin ist, sondern Herausforderung und Pflicht für uns alle sein muß. Daher werden wir, geschätzte Frau Ministerin, den sicher nicht einfachen Weg gemeinsam gehen und diesen auch gerne unterstützen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

19.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.41

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich heute zum Kapitel Gesundheit mit einem zwar kleinen, aber, wie ich meine, sehr wichtigen Kapitel, nämlich der Gentechnik und da insbesondere mit der Lebensmittelkennzeichnung auseinandersetzen.

Immer schneller und in zunehmendem Maße werden neue Lebensmittel und neue Verfahren zu ihrer Herstellung erfunden; letztere werden teilweise auch schon benutzt. Diese Erzeugnisse gelangen binnen kürzester Zeit vom Entwicklungsstadium zur Marktreife und können die Lebensmittellandschaft total verändern. Die Veränderung von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen mit Hilfe der Gentechnik geschieht nur in den seltensten Fällen zu dem Zweck, einen größeren Nutzen für den Verbraucher zu erreichen. Das eigentliche Motiv für den gentechnischen Eingriff, meine Damen und Herren, ist nicht das bessere Lebensmittelprodukt, sondern meist nur die schnellere, billigere und umfangreichere Herstellung. Gleichzeitig besteht jedoch auf der Verbraucherseite wegen der buchstäblichen "Neuartigkeit" ein hohes Sicherheitsbedürfnis, dem unbedingt Rechnung getragen werden muß.

Dort, wo gentechnisch veränderte Organismen eingesetzt werden, muß sehr sensibel mit den Anliegen der Verbraucher umgegangen werden. So führt zum einen das gestiegene Umwelt- und Gesundheitsbewußtsein zu einer erhöhten Nachfrage nach natürlichen und reinen Produkten.

Österreich war sich schon vor dem EU-Beitritt dieser Problematik bewußt, und die EU-Abgeordneten unserer sozialdemokratischen Fraktion haben sich daher besonders intensiv in die Verhandlung um die Novel-Food-Verordnung eingebracht. Der gemeinsame Standpunkt des Rates ist als völlig unzureichend zu bezeichnen. Aus Sicht der europäischen Konsumentenorganisationen gibt es eine Reihe erforderlicher Änderungen hinsichtlich der Kennzeichnung. Aus Konsumentensicht ist es wichtig, daß eine umfassende Kennzeichnung nicht nur für lebende, gentechnisch veränderte Organismen, sondern auch für Lebensmittel und Zutaten, die aus solchen Organismen hergestellt oder gewonnen werden, beschlossen wird, damit der vielzitierte mündige Verbraucher frei entscheiden kann, ob er Gentech-Lebensmittel kaufen will oder nicht.

Meine Damen und Herren! Rückfragen haben ergeben, daß 94 Prozent der Österreicher Gentech-Lebensmittel gekennzeichnet sehen wollen. Auch die Bestimmung, daß eine Positivkennzeichnung wie zum Beispiel "hergestellt ohne Verwendung von Gentechnik" zulässig sein soll, ist aus der Sicht der Konsumenten essentiell. Für eine umfassende Kennzeichnung ist auch eine entsprechende Erweiterung des Geltungsbereiches der Verordnung auf Zusatzstoffe, Aromen, Extraktionsmittel et cetera erforderlich, soweit diese mit gentechnischen Methoden hergestellt werden.

Eine weitere Forderung ist die einheitliche wissenschaftliche Prüfung für alle Gentech-Lebensmittel. Nach dem Entwurf des Rates reicht für die Markteinführung beinahe aller gentechnisch


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erzeugten Lebensmittel, nämlich all jener, von denen behauptet wird, daß sie herkömmlichen Lebensmitteln im wesentlichen gleichwertig seien, eine bloße Bekanntgabe des Inverkehrbringens aus. Dies ist aus Konsumentensicht unzureichend. Die Konsumenten fordern eine Klarstellung, daß Gentechnik und biologische Landwirtschaft unvereinbar sind.

Meine Damen und Herren! Verbraucher, die Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft kaufen, gehen von einer weitgehenden Naturbelassenheit dieser Produkte aus. Gentechnische Eingriffe entsprechen nicht ihrer berechtigten Käufererwartung.

Die Konsumentenorganisationen fordern weiters die Festlegung eines Verfahrens zur Überwachung zugelassener Gentech-Lebensmittel. Gentechnik ist ein völlig neues Verfahren in der Lebensmittelproduktion, für das naturgemäß noch keine Langzeiterfahrungen vorliegen. Ein Verfahren zur Kontrolle der Langzeitfolgen und zur Sicherstellung, daß zugelassene Gentech-Lebensmittel die Zulassungskriterien auch künftig erfüllen, ist meiner Meinung nach unverzichtbar, damit die Konsumenten auf die Sicherheit gentechnischer Lebensmittel vertrauen können.

Wie war das jetzt im Europäischen Parlament? – Tatsächlich behandelte am 27. Februar 1996 der Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments 80 Abänderungsanträge (Abg. Ing. Reichhold: Da war die ÖVP dagegen!), von denen 48 – warten Sie, Herr Kollege Reichhold, das kommt schon noch! – angenommen wurden. Diese fanden jedoch in der Sitzung im Plenum am 12. März 1996 nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit. Lediglich fünf dieser Abänderungsanträge wurden angenommen. Der Lobbyismus von seiten der Lebensmittelindustrie, den diese nachweislich betrieben hat, ist also doch noch auf fruchtbaren Boden gefallen – was ich äußerst bedauerlich finde.

Meine Damen und Herren! Besonders enttäuschend aber war der Umstand, daß es bei den österreichischen EU-Abgeordneten einer Fraktion offensichtlich in Vergessenheit geraten ist, daß sie einen Eid auf die Verfassung der Republik Österreich geschworen haben. Das sei hier in aller Kürze angemerkt. (Abg. Ing. Reichhold: Welche Fraktion ist denn das?)

Herr Kollege Reichhold! Sie wissen es, ich weiß es auch (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann sagen Sie es doch!) , in den Zeitungen ist es gestanden. Ich habe es mehr als deutlich gesagt. Sie müssen eben aufpassen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold – in Richtung ÖVP deutend –: Sitzt sie da drüben auf dem "Verfassungsbogen"? Das war ein schwerer Vorwurf!) Das überlasse ich Ihrer Interpretation.

Die wichtigste Veränderung ist folgende: Nach dem Vorschlag des Rates wären Lebensmittel nur dann zu kennzeichnen gewesen, wenn sie in signifikanter Weise von herkömmlichen Lebensmitteln abweichen. Diese Passage wurde gestrichen. Die Formulierung lautet nun: ... "alle einschlägigen Ernährungsmerkmale oder Eigenschaften wie Zusammensetzung, Nährwert oder nutritive Wirkungen, Verwendungszweck des Lebensmittels, wenn sich ein neuartiges Lebensmittel oder eine neuartige Lebensmittelzutat durch sie von bestehenden, gleichwertigen Lebensmitteln oder Lebensmittelzutaten unterscheidet".

Meine Damen und Herren! Es ist noch ganz unklar, wie sich diese Regelung in der Praxis auswirken wird. Nach einer ersten Analyse erwartet man aber immerhin eine weitergehende Kennzeichnungspflicht als im Ratsentwurf. So wäre bei agronomischen Veränderungen wie Herbizidresistenz eine Kennzeichnung erforderlich, was im Entwurf vorher ausgenommen war.

Das Sicherheitsniveau bei Aromen und Zusatzstoffen wird angehoben. Jede Veränderung von Zusammensetzung und Nährwert ist zu kennzeichnen, und zwar ist auch das Verfahren anzugeben, mit dem diese Veränderung erzielt wurde. Alle übrigen Konsumentenwünsche blieben bedauerlicherweise unerfüllt.

Meine Damen und Herren! Was kann jetzt die weitere Vorgangsweise sein? – Aus dem Maastricht-Vertrag ergeben sich – übrigens im Gegensatz zu österreichischen Pressemeldungen, ich sagte das schon im Ausschuß – folgende Möglichkeiten für die weitere Entwicklung:


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Erstens:Stimmt der Rat dem Änderungsvorschlag des Parlaments mit qualifizierter Mehrheit zu, so tritt die Verordnung in der geänderten – wenn auch nur in einer minimal geänderten – Form in Kraft.

Zweitens: Die Verordnung in der vom Rat ursprünglich vorgeschlagenen Fassung tritt dann in Kraft, wenn der Rat einstimmig auf seinem Standpunkt beharrt und die Vorschläge des Parlaments ablehnt.

Meine Damen und Herren! Jeder Mitgliedstaat, auch Österreich, hat aber die Möglichkeit, allein mit seiner Stimme einen solchen Beschluß des Rates zu verhindern. (Abg. Ing. Reichhold: Das wäre eine Möglichkeit!) Herr Abgeordneter Reichhold! Sie können mich nicht irritieren, und Sie würden wesentlich mehr mitkriegen, wenn Sie zuhören würden, denn sonst versäumen Sie wieder irgendein Argument. Das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Mir gefällt das ohnehin, was Sie sagen!)

Gut, dann lassen Sie mich doch ausreden! Das wäre doch wesentlich einfacher, würde ich meinen. (Abg. Ing. Reichhold: Ein Austritt wäre eine Möglichkeit!) – Das wäre wohl überhaupt der größte Blödsinn.

Meine Damen und Herren! Wir tragen also große Verantwortung. Ich bin zuversichtlich, daß von den Sozialdemokraten aus Schweden, Dänemark und Deutschland Unterstützung zu erwarten ist.

Der letzte Lösungsansatz, den Maastricht vorsieht, ist folgender: Kann die Verordnung weder im Parlament noch in der ursprünglich vom Rat vorgeschlagenen Fassung realisiert werden, wird ein Ausschuß aus Vertretern des Parlaments und des Rates eingesetzt. Dieser soll dann versuchen, eine Fassung auszuarbeiten, die von beiden Institutionen akzeptiert werden kann. Gelingt dies nicht, so beginnt ein weiteres kompliziertes Verfahren.

Es könnte zu einer dritten Lesung im Parlament kommen – oder auch zu einem endgültigen Scheitern. Das würde bedeuten, daß der derzeitige – ungeregelte – Zustand aufrecht bleibt. Das wäre allerdings das Schlechteste, denn die Entwicklung würde uns in einem ganz rasanten Tempo überholen.

Daß die Österreicher berechtigterweise sehr sensibel darauf reagieren, zeigen auch die vielen Einsprüche – insgesamt 3 000 – gegen die Freisetzung von genmanipulierten Kartoffeln und herbizidresistentem Mais – da sollen es 5 000 sein –, worüber im Gesundheitsministerium nach Anhörung eines wissenschaftlichen Ausschusses entschieden werden soll.

Meine Damen und Herren! Österreichs Landwirtschaft befindet sich an einem Scheideweg. Dabei dürfen wir nicht vergessen, daß zirka 10 Prozent unserer landwirtschaftlichen Betriebe biologischen Landbau betreiben. Daß das mit Gentechnik nicht vereinbar ist, habe ich schon erwähnt. Aber ich gebe zu bedenken: Gentechnik in der Medizin ist anders zu beurteilen als in der Lebensmittelwirtschaft. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesministerin Dr. Krammer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

19.52

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit 1. Jänner 1997 wird nun in Österreich das leistungsorientierte Krankenanstalten-Finanzierungssystem eingeführt. Ich hoffe, daß sich niemand der Vorstellung hingibt, daß das auf Knopfdruck realisiert werden kann. Dem muß noch sehr viel Arbeit vorausgehen.

Sehr viele organisatorische und legistische Maßnahmen werden notwendig sein. Der verbindliche Krankenanstaltenplan und der Großgeräteplan muß mit den Ländern abgesprochen werden. Es muß einvernehmlich zu einer Lösung kommen. Ein Gesundheitsplan mit Teilplänen


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muß erstellt werden, und neun Ländertöpfe werden eingerichtet. Eine zentrale Dokumentation wird es im Gesundheitswesen geben, um eine einheitliche Auswertung zu ermöglichen. Eine Strukturkommission soll eingerichtet werden und neun Länderkommissionen werden eingerichtet. In der Bundeskommission werden die Länder vertreten sein, in den Länderkommissionen der Bund, und außerdem – und das ist festgeschrieben, Herr Kollege Rasinger hat in seiner Rede schon darauf hingewiesen – wurde für inländische und ausländische Gastpatienten eine Lösung vereinbart. Und als zusätzliches Instrumentarium wurde ein Konsultationsmechanismus zwischen der Sozialversicherung und den Ländern installiert. – Das in aller Kürze zur Reform, die zwischen dem Bund und den Ländern ausgehandelt wurde.

Ich möchte jetzt auf einige wenige Punkte eingehen, die fast von jeder Rednerin oder jedem Redner angesprochen worden sind, zum Beispiel auf die BSE-Affäre, die nicht nur Österreich, sondern ganz Europa bewegt. Meine Damen und Herren Abgeordneten! Österreich ist deswegen in der glücklichen Lage, sagen zu können, daß es bei uns keinen BSE-Fall gibt, weil in Österreich das Importverbot für britisches Rindfleisch schon im Jahre 1990 ausgesprochen wurde. Und ich sage Ihnen den Status quo, was die Gesetze anlangt. Der derzeitige Stand betreffend BSE ist folgender: Es besteht ein Importverbot für aus Großbritannien stammendes Fleisch, für Rinder und für Fleischprodukte. Es besteht ein Importverbot im Hinblick auf die Schweiz.

Zusätzlich verlangt Österreich beim Import von frischem Fleisch von Rindern aus anderen Mitgliedstaaten der EU oder aus Drittstaaten eine Zusatzerklärung des dortigen amtlichen Tierarztes, daß das Fleisch von Rindern stammt, die nicht im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, nicht in der Schweiz und nicht in einem Bestand gehalten worden sind, in dem BSE vorgekommen ist. Wir können also wirklich sagen – schade, daß Frau Abgeordnete Aumayr jetzt da draußen parliert und nicht zuhört –, Frau Abgeordnete, das österreichische Rindfleisch ist einwandfrei. Wenn man österreichische Qualität kauft, dann kann man als Konsument beruhigt sein. Ich habe mich immer nur zu österreichischem Rindfleisch und zur Qualität des österreichischen Rindfleisches geäußert. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich habe am Dienstag in Luxemburg beim Verbraucher-Ministerrat vorgeschlagen, man möge ein System installieren beziehungsweise über ein System nachdenken, das es möglich machen würde, daß der Weg des Fleisches nachvollziehbar gemacht wird, damit man weiß, aus welcher Region und aus welchem Stall, wenn Sie so wollen, dieses Fleisch stammt. Aber ich sage das, was ich auch im Hauptausschuß gesagt habe: Man soll das bitte nur so weit und nur in dem Ausmaß verlangen, als man es auch tatsächlich garantieren kann. Niemand, meine Damen und Herren, kann derzeit sagen oder garantieren, welches Fleisch zum Beispiel in den Ravioli drinnen ist. Das kann niemand! Und wenn jemand das trotzdem dem Konsumenten sagt, dann lügt er ihn schlicht und ergreifend an. Ich würde mich nie dazu hergeben, so etwas zu sagen. Aber wo man es sagen kann – das habe ich auch in der EU vorgeschlagen –, soll man es tun. Ich habe sowohl bei Deutschland als auch bei Frankreich ein offenes Ohr dafür gefunden, und ich werde mich auch beim Gesundheits-Ministerrat, der am 14. Mai in Brüssel stattfindet, in dieser Richtung äußern und die Gesundheitsminister dazu befragen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Und jetzt zu einer Frage, die uns, wie ich vernommen habe und wie wir ja wissen, alle sehr bewegt, und zwar zur Frage der Gentechnik. Es hat Übereinstimmung geherrscht, daß man die Gentechnik in der Medizin anders betrachten muß als die Gentechnik bei den Lebensmitteln. Ich sehe mich immer dem Vorwurf ausgesetzt, daß ich mich nicht dazu äußere.

Ich ersuche Sie, meine Damen und Herren von der gesetzgebenden Körperschaft Österreichs, meinen Standpunkt zu verstehen. Das ist ein laufendes Verfahren. Ich kann mich dazu nicht äußern. Das ist ungefähr so, als ob ein Minister ein Gesetz einbrächte und in die Öffentlichkeit ginge und sagte: Dieses und jenes Gesetz ist jetzt beschlossen. Und dieses und jenes Gesetz ist da. – Die ersten, die sich darüber aufregen würden, wären Sie, denn Sie würden sagen: Die gesetzgebende Körperschaft ist das Parlament und nicht der Minister. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Es ist so, daß ein Antrag beim Ministerium eingebracht wurde. Es läuft jetzt der im Gesetz vorgeschriebene Mechanismus ab, und ich halte mich so lange zurück, bis diese Dinge von den entsprechenden Gremien abgehandelt worden sind und bis sie bei mir auf dem Schreibtisch liegen. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Herr Abgeordneter Wabl! So weit werden Sie mich ja kennen, daß Sie annehmen können, daß ich zu dieser Sache eine Meinung habe. Aber ich kann sie nicht sagen, und ich bitte um Verständnis dafür. Ich möchte mich gesetzeskonform verhalten. Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Sie könnten ja mit einer Weisung arbeiten! Der Herr Einem macht das auch!) Ich habe Ihnen gerade gesagt, daß ich es so mache, wie das Gesetz es vorschreibt, und Sie werden mich nicht dazu veranlassen, mich nicht gesetzeskonform zu verhalten. (Abg. Ing. Reichhold: Der Herr Einem macht das ja auch!) Ich heiße Krammer, bitte. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Am Wort ist die Frau Bundesministerin! – Bitte, setzen Sie fort.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer (fortsetzend) : Frau Abgeordnete! Es ist mir ein paar Mal jetzt gesagt worden, zwei Minister hätten sich dahin gehend geäußert, sie seien dagegen und sie würden das nicht tun. – Diese Minister sagen das sehr leicht und sehr schön. Sie haben das nicht zu verantworten, es liegt nicht in ihrem Ressort. Ich meine, sie können gerne als Staatsbürger ihre Meinung sagen. In Klammern sage ich dazu: Wenn es umgekehrt wäre, und die anderen Minister hätten das zu entscheiden, dann würde ich Zurückhaltung üben und warten, bis die Kollegen entschieden haben. Ich hätte mir dieses Verhalten auch gewünscht. Es ist leider nicht so – ich muß damit leben. – Aber es ist sehr leicht, über etwas zu reden, was man nicht verantworten muß. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben sich auch zur Sojabohne in Amerika geäußert. Ich teile diese Bedenken. Ich gehöre auch zu jener Gruppe, von der Sie gesprochen haben. Mir hat das in der Seele weh getan! Ich habe einmal mit Leuten aus den USA gesprochen, die bei mir waren und gefragt haben, warum ich nicht dafür bin, daß Sojabohnen nach Österreich hereinkommen. Ich habe gesagt, daß ich für die Kennzeichnung bin. Darauf sagten sie: In Amerika ist das nicht üblich. Man weiß gar nicht, welche Sojabohnen gentechnisch verändert sind und welche nicht. – Da habe ich gesagt: So lange das in Amerika nicht klargestellt ist, bin ich dagegen, daß Sojabohnen aus Amerika zu uns kommen, und zwar aus den Gründen, die Sie genannt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt möchte ich noch zur Trinkwassernitratverordnung etwas sagen. Es stimmt, es war vorgesehen, bis zum Jahre 1999 den Nitratgehalt des Trinkwassers auf 30 Milligramm zu senken. Ich habe aber, Frau Abgeordnete, Angst vor einer bestimmten Entwicklung. Ich habe nämlich festgestellt, daß viele Gemeinden, die weit davon entfernt sind, 50 zu erreichen, bereits darüber nachdenken, was sie tun werden, weil sie ja die 30 dann schon gar nicht erreichen. Und diese Gemeinden sind dabei, bitte, Wasseraufbereitungsanlagen zu installieren. Die haben sich schon erkundigt, sie haben auch uns gefragt – Gott sei Dank, denn auf diese Weise habe ich es erfahren – und gesagt, daß sie das Trinkwasser aufbereiten wollen. Und das, Frau Abgeordnete, halte ich für die schlechteste Entwicklung überhaupt, denn dann ist dem Mißbrauch ja Tür und Tor geöffnet, dann pfeift sich doch keiner mehr, was in den Boden hineinkommt. Nach dem Motto: Das wird ja ohnehin aufbereitet, der Österreicher kriegt ja dann ohnehin ein schön aufbereitetes Wasser.

Was wir tun sollten, ist, einer Entwicklung das Wort reden, die es verhindert, daß die giftigen Pflanzenschutzmittel in den Boden kommen und auf diese Weise das Trinkwasser zerstören. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wabl: Wer macht denn das Pflanzenschutzmittelgesetz?) Nicht die Frau Dr. Krammer! Punkt! (Abg. Wabl: Ja, weiß ich!)

Ich bin von folgender Überlegung ausgegangen: Wir sollten einmal alles daran setzen, daß alle Gemeinden den Nitratwert 50 erreichen, und dann, Frau Abgeordnete – wenn es uns beide dann noch gibt –, bin ich gerne bereit, den nächsten Schritt zu tun und alles daranzusetzen, daß die Gemeinden den Nitratwert 30 erreichen. (Beifall bei der SPÖ.) Aber wenn der Nitratwert 30 eine Illusion ist, Frau Abgeordnete – warum soll man denn eine Illusion in einer Verordnung festhalten? Das bringt doch nichts! Die Bürgermeister beeilen sich, weil sie ja mit einem Fuß im


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Kriminal stehen, dieser Verordnung Folge zu leisten, tätigen Investitionen in Millionenhöhe, nur damit sie beim Wasser einen Nitratgehalt von 30 erreichen. Das ist doch für die Jetti-Tant’! Das ist doch nicht ehrlich! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist noch Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Oje-Rufe und scherzhafte Unmutsäußerungen bei SPÖ und ÖVP.)

20.04

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Frau Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke für den Antrittsapplaus (demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Haselsteiner ) , aber einige der letzten Redner haben mich doch bewogen, zu der heutigen Debatte noch in einigen kurzen Punkten Stellung zu nehmen.

Erstens, Frau Bundesminister, danke ich Ihnen, daß Sie doch erkannt haben, daß der Gesetzgeber das Parlament ist und nicht Sie sind (Bundesministerin Dr. Krammer: Ich hab’ das immer gewußt! Das ist keine neue Erkenntnis für mich!) , und daher, Frau Bundesminister, weiß ich, daß Sie eine Haltung zur Gentechnik in der Lebensmittelproduktion haben – wir haben auch mehrere Gespräche in dieser Hinsicht geführt –, die in weiten Bereichen durchaus auch mit meiner konform geht. Aber ich finde es immerhin beachtenswert, daß im Rahmen dieser Debatte dem Parlament von der Regierungsbank aus wenigstens wieder zugebilligt wurde, daß der Gesetzgeber wir sind und nicht die Personen auf der Regierungsbank. Das ist etwas, das sich in der heutigen Debatte meiner Ansicht nach erfreulich von dem abhebt, was uns Kollege Lackner aus Vorarlberg vorgeführt hat.

Herr Kollege Lackner! Ihnen möchte ich auch etwas mit auf den Weg geben. Es gibt auch ein Sprichwort, das für Sie gilt: Hochmut kommt vor dem Fall! Und Ihre Ausführungen heute hier am Rednerpult waren eindeutig in dieser Richtung einzuordnen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Dabei sollte der Lackner wissen, wie das Bludenzer Spital einmal ausgeschaut hat!)

Ich kann mich aus dem Studium der Unterlagen, die uns aufgrund der Vorarlberger Umsetzungen zugegangen sind, immerhin auf zwei positive Ergebnisse beziehen. Das erste ist, daß die Zahl der Entlassungen am Freitag deutlich zugenommen hat. Auf deutsch gesagt: Das "Hotel Krankenhaus" wurde nach Einführung der leistungsorientierten Abrechnung in Vorarlberg zwei Tage weniger in Anspruch genommen als vorher. Ich betrachte das als gut, weil das Krankenhaus nicht als Hotel dienen sollte, sondern dazu, kranke Menschen gesund zu machen, um sie dann möglichst schnell wieder an den häuslichen Herd zu entlassen.

Zum zweiten haben Sie angeführt, daß bei diesem Modell auch der begrenzte Patientenkreis und die Fremdpatienten ein Kriterium der Auswahl waren. Es ist allerdings bedenklich, wenn man berücksichtigt, daß bei den teuren Operationen im Landeskrankenhaus Innsbruck und in der Universitätsklinik Innsbruck in diesem Zeitraum eine 2,4prozentige Zunahme der Zahl Vorarlberger Fremdpatienten festzustellen war. Wenn Sie diese Kosten umrechnen, werden Sie draufkommen, daß die 0,25 Prozent an Einsparungen somit deutlich zu relativieren sind und daß daher die Meinung des Kollegen Pumberger, daß das erzielte Einsparungspotential – Kollege Rasinger nickt mir dankenswerterweise zu und gibt mir damit auch indirekt recht – nicht den Erwartungen entspricht und daß dieses nicht in vollem Umfange eingetreten ist.

Und zum dritten sei Ihnen als Sozialdemokrat noch eines ins Stammbuch geschrieben: Die privaten Leistungen der niedergelassenen Ärzte wären deutlich besser und günstiger, wenn wir es hier im Parlament endlich erreichen könnten, daß auch für die Privaten endlich jene Regelungen gelten würden, die der Verfassungsgerichtshof ihnen in seinen letzten Erkenntnissen nunmehr auch zubilligt, nämlich die Bildung von entsprechenden Einkommensmöglichkeiten durch die Zusammenführung von Praxen nach modernen und auch ökonomischen Gesichtspunkten.

Wir haben schon vor Jahren, nämlich schon 1988, den ersten Schritt hier im Parlament eingeleitet, und ich hoffe, daß in dieser Legislaturperiode mit dem Verabschieden eines entsprechen


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den Gesetzes endlich eine Möglichkeit für die Bildung von Erwerbsgesellschaften für niedergelassene Ärzte geschaffen wird, denn dann wird der Anteil der extramuralen Versorgung sicherlich stärker zunehmen, als er nach dem Vorarlberger Modell mit den gegenwärtigen Zunahmen im ambulanten Bereich von 13 Prozent ausgewiesen ist.

Ich glaube daher, daß die Hoffnung, die man von seiten der Regierungsparteien in die jetzige Umstellung setzt, eine trügerische ist. Es ist das sicherlich eine Umstellung, aber keine grundlegende Reform. Das wird mit Sicherheit nicht die erwarteten Einsparungen bringen, wenn man nicht den Schritt macht, auch die niedergelassenen Ärzte in entsprechender Form in das leistungshonorierte System miteinzubeziehen.

Ein Beispiel: Wenn ein Augenarzt in der niedergelassenen Praxis einem Patienten etwa einen Fremdkörper aus der Hornhaut entfernt, ausfräst, dann erhält er in einem Bundesland für diese Leistung – das ist eine Arbeit von etwa einer Dreiviertelstunde – zirka 240 S, während im Krankenhaus, wenn man alles rechnet, also mit Krankentransport und Aufenthaltskosten, dafür etwa 2 600 S zu leisten sind. (Zwischenruf des Abg. Dr. Rasinger .) Im Mindestfall, Kollege Rasinger, das gebe ich zu.

Bei der Gleichstellung des niedergelassenen und privaten Bereiches sind also mit Sicherheit Einsparungspotentiale vorzufinden, sodaß dieser Bereich auch bei den Ländertöpfen in entsprechender Form gemäß jenem Anteil der Grundversorgung, den er für die österreichische Krankenversicherung leistet, verpflichtend mitberücksichtigt werden muß – noch dazu, wenn man bedenkt, daß ab 1997 die Mehrwertsteuer den niedergelassenen Bereich voll trifft, während sich die ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte!

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): ... Krankenanstalten dann im entsprechenden Ausgleichsverfahren zwischen Bund, Ländern und Gemeinden die Mehrwertsteuer wieder zurückholen.

Das sei nur zum Grundsätzlichen gesagt, und ich würde dem Kollegen Lackner empfehlen: vielleicht weniger Hochmut und mehr Zuhören! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Bundesministerin! Wollen Sie jetzt das Wort oder am Schluß? – Bitte.

20.10

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Danke, Herr Präsident! – Die Tatsache, daß sich Herr Abgeordneter Haupt gemeldet hat, hat dazu geführt, daß ich mich besonnen habe, daß ich etwas nicht getan habe, was ich mir vorgenommen hatte, zu tun und was man als guterzogener Mensch eigentlich tut – und ich hoffe, daß ich das bin –, ich habe nämlich vergessen, mich zu bedanken.

Herr Abgeordneter Guggenberger hat in seiner Rede hier gesagt, diese Spitalsreform habe viele Väter und sie habe eine Mutter. Darauf ist ein präsidentliches Wort gekommen. Herr Präsident Fischer hat gesagt, die Kompromißfähigkeit sei auch eine Mutter. Herr Präsident! Das ist richtig, und diese hohe Kompromißfähigkeit war es, die dazu geführt hat, daß die Reform des österreichischen Gesundheitswesens nun endlich mit einem ersten und sehr wichtigen Schritt in die richtige Richtung gegangen werden kann. (Abg. Dr. Pumberger: 17 Jahre!)

Ich möchte mich daher bei all denen bedanken, die wesentlich dazu beigetragen haben, dieses Reformvorhaben voranzutreiben und zu verwirklichen, und dazu gehört selbstverständlich der Gesundheitssprecher unserer Partei, Abgeordneter Guggenberger, es gehören Herr Abgeordneter Rasinger und Herr Abgeordneter Leiner dazu. Diese Koalition, deren Arbeit, deren gute Zusammenarbeit hat es zuwege gebracht, daß das Reformvorhaben verwirklicht werden konnte. Aber wir müssen alle ehrlich sein und auch zugeben: Wir hätten es nicht geschafft, gäbe es nicht eine Anzahl von äußerst effizient arbeitenden Beamtinnen und Beamten, die wirklich


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manchmal bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und ihrer Leistungskapazität herangezogen wurden, weil von ihnen oft gefordert wurde, daß sie wirklich buchstäblich von heute auf morgen neue Berechnungen anzustellen hatten. Und das ist wirklich über Nacht und mit äußerster Anstrengung und Anspannung geschehen. Ich stehe nicht an, ihnen danke zu sagen, und ich würde mich freuen, wenn Sie das auch täten, meine Damen und Herren! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist jetzt noch Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.11

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Keine Angst, meine Redezeit ist nur mehr sehr kurz, aber die vielen Emotionen der Frau Ministerin haben mich doch dazu bewegt, noch einmal auf dieses Thema, das wir am Nachmittag besprochen haben, nämlich die Frage des für uns doch wichtigsten Lebensmittels, nämlich des Trinkwassers, hier einzugehen.

Frau Ministerin! Ich kann Ihrer Argumentation überhaupt nicht folgen. (Bundesministerin Dr. Krammer : Das habe ich auch nicht erwartet!) Das glaube ich, daß Sie sich das nicht erwartet haben. Ich könnte jetzt genauso boshaft antworten und sagen, ich habe mir auch nicht erwartet, daß Sie hier eine logische Argumentationslinie verfolgen, denn wäre sie logisch ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Na ja gut, wenn hier Polemik von der Regierungsbank kommt, muß ich zurückpolemisieren. (Abg. Mag. Stadler: Da hat sie recht, denn die Ministerin polemisiert dauernd von der Regierungsbank! Da muß ich die Kollegin Langthaler einmal in Schutz nehmen!)

Es gibt nämlich, wie Sie wissen – das hat nämlich Ihr Vorgänger in Ihrem Ressort erlassen, und Sie müssen es vollziehen –, für das Trinkwasser für die Landeshauptstädte und besonders belastete Regionen eine Trinkwasserausnahmeverordnung.

Das heißt, wenn ich Ihnen folgen würde, hieße das ja die völlige Aufgabe jeder Form von Grenzwertpolitik in diesem Land. Wir setzen doch Grenzwerte nicht nach dem, was jetzt gerade technisch irgendwie machbar ist, sondern danach, was gesundheitlich zumutbar ist. Wir wissen aus allen Untersuchungen der vielen Jahre, was das Trinkwasser und die Nitratbelastung betrifft, daß es einfach ab einem Wert von rund 25 bis 30 Milligramm pro Liter für Babies und Kleinkinder Probleme gibt, und nicht umsonst hat es deshalb in der Vergangenheit auch immer entsprechende Aufklärungsmaßnahmen gegeben.

Ziel war es, sich über Jahre hindurch diesem Wert endlich zu nähern. Deshalb war geplant, mit Übergangsfristen ab dem Jahr 1999 einen Grenzwert von 30 Milligramm im Liter durchzusetzen. Was so bedauerlich und so ärgerlich ist, ist, daß sich auf der einen Seite tatsächlich eine bestimmte Bauernlobby durchsetzt, die nach wie vor auch einen großen Einfluß im Landwirtschaftsministerium hat, sodaß sich im Bereich der Düngung und im Bereich der Auftragung nichts ändert.

Sie und Ihre Vorgänger haben diese Verordnung vor nunmehr sieben Jahren beschlossen. Jetzt ist so lange nichts passiert, sieben Jahre ist nichts passiert. Man hätte zehn Jahre lang Zeit gehabt, was die Grenzwerte betrifft, um endlich zu niedrigeren Belastungen für das Trinkwasser zu kommen. Jetzt kommen Sie daher und sagen: Gut, jetzt ist sieben Jahre nichts passiert – und ich gehe auch davon aus, daß in den nächsten drei Jahren ebenfalls nichts passiert –, also lassen wir den höheren Grenzwert. Es war zwar ursprünglich unser Ziel, herunterzukommen, aber wir geben das auf. (Abg. Mag. Stadler: Dann ist sie in Pension, die Frau Minister!)

Der WHO-Grenzwert liegt bei 25 Milligramm pro Liter. Die Weltgesundheitsorganisation und alle Mediziner, mit denen man über diesen Bereich spricht, sagen, daß es ab 30 Milligramm im Liter zu einer Belastung für Kleinkinder und Babies kommt und daß man solches Trinkwasser für sie nicht mehr verwenden darf.


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Was so ärgerlich ist: Sie nehmen nun jeden Druck weg, jeden Druck in Richtung Landwirtschaft, Sie nehmen jeden Druck zu einer Reform und zu einer Verbesserung des Trinkwassers weg. Sie als Gesundheitsministerin ... (Zwischenbemerkung der Bundesministerin Dr. Kammer .) Daß das vom Landwirtschaftsminister betrieben wird, ist klar, aber daß Sie als Gesundheitsministerin hier nachgegeben haben und nicht wenigstens bezüglich 1999 Alarm rufen und sagen: Schaut euch an, zehn Jahre lang ist nichts passiert!, das ist schlimm. Und jetzt müssen wir eben so reagieren, daß wir das Ganze letztlich hinschmeißen und kapitulieren!

Was Sie bezüglich der Aufbereitungsanlagen gesagt haben, Frau Ministerin, ist mir aus folgendem Grund nicht nachvollziehbar: Wenn Sie sich nämlich die Pestizide in diesem Land anschauen würden beziehungsweise wenn es tatsächlich um die Einhaltung der Grenzwerte und der Qualität ginge, müßten Sie sich das wahrscheinlich weit eher überlegen. Ich glaube nicht, daß wir Aufbereitungsanlagen bräuchten (Bundesministerin Dr. Krammer: Die Gemeinden machen es aber!) , sondern was wir tatsächlich bräuchten, wäre der entsprechende Druck seitens der Politik, damit wir wirklich endlich zu diesen Grenzwerten kommen.

Was Sie in der Umweltpolitik seit Jahrzehnten machen, sind Versprechungen, und wenn es soweit ist, daß man Versprechen umsetzen, daß man Taten setzen muß, dann kapitulieren Sie.

Frau Ministerin, was Sie heute hier zum Thema Trinkwasser geboten haben, war die absolute Kapitulation der Politik vor der Landwirtschaftslobby. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich unterbreche die Sitzung bis morgen, Freitag, 26. April 1996, 9 Uhr. Wir setzen dann fort mit der Verhandlung der übrigen Teile der Entwürfe der Bundesfinanzgesetze 1996 und 1997.

Die Sitzung ist unterbrochen .

(Die Sitzung wird um 20.16 Uhr unterbrochen und am Freitag, den 26. April 1996, 9.02 Uhr wiederaufgenommen .)

Fortsetzung der Sitzung: 26. April 1996

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße Sie, meine Damen und Herren, und nehme die unterbrochene 17. Sitzung des Nationalrates wieder auf.

Ich bitte Sie, Platz zu nehmen, weil wir in zwei Minuten eine Angelobung vornehmen werden.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Nürnberger, Dipl.-Ing. Hofmann, Dr. Karlsson, Hans Helmut Moser, Dkfm. Holger Bauer und Dr. Schwimmer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diesen Sitzungstag ist Mitteilung gemacht worden über Entschließungen des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Regierungsmitgliedern wie folgt:

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Fasslabend wird durch den Bundesminister für Inneres Dr. Einem vertreten.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Schüssel wird durch Frau Staatssekretärin Frau Benita Ferrero-Waldner vertreten.


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Bundesminister Dr. Bartenstein wird in seiner Funktion als Umweltminister durch Minister Molterer und in seiner Funktion als Jugend- und Familienminister durch Frau Bundesministerin Gehrer vertreten.

Schließlich wird der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Ditz durch Herrn Finanzminister Mag. Klima vertreten.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, daß die Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Hans Schöll auf ihre Mandate verzichtet haben und daß an ihrer Stelle Dr. Franz Linser und Wolfgang Jung in den Nationalrat berufen wurden.

Da die Wahlscheine vorliegen und die Genannten im Hause anwesend sind, werden wir sogleich die Angelobung vornehmen.

Ich ersuche die Frau Schriftführerin um Verlesung der Gelöbnisformel und den Namensaufruf.

Schriftführerin Ute Apfelbeck: " Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Ich gelobe.

Abgeordneter Dr. Franz Linser (Freiheitliche): Ich gelobe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße die neuen Abgeordneten herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Übrige Kapitel

Kapitel 11: Inneres (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Kapitel 14: Wissenschaft und Forschung (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Kapitel 15: Soziales

Kapitel 16: Sozialversicherung

Kapitel 18: Umwelt

Kapitel 19: Jugend und Familie

Kapitel 30: Justiz (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Kapitel 50: Finanzverwaltung

Kapitel 51: Kassenverwaltung

Kapitel 52: Öffentliche Abgaben

Kapitel 53: Finanzausgleich

Kapitel 54: Bundesvermögen

Kapitel 55: Pensionen (Hoheitsverwaltung)

Kapitel 59: Finanzschuld, Währungstauschverträge

Kapitel 60: Land- und Forstwirtschaft (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)


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Kapitel 65: Öffentliche Wirtschaft und Verkehr (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Kapitel 75: Alkohol (Monopol)

Kapitel 77: Österreichische Bundesforste (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Kapitel 78: Post- und Telegraphenverwaltung (Post- und Telegraphenverwaltung im Budget 1997 ausgegliedert)

sowie Text des Bundesfinanzgesetzes, Stellenplan, Fahrzeugplan und Plan für Datenverarbeitungsanlagen für die Jahre 1996 und 1997

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir fahren nunmehr in der Verhandlung der Budgets für 1996 und 1997 fort.

Zur Beratung kommen die übrigen Teile des Bundesfinanzgesetzes 1996 und 1997 samt Anlagen.

Für den heutigen Sitzungstag wurden folgende Redezeiten festgelegt: SPÖ 165 Minuten, ÖVP 154 Minuten, Freiheitliche 143 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 99 Minuten.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Ich erteile ihm das Wort. Redezeit: maximal 40 Minuten.

9.06

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben nun zwei Wochen lange Beratungen hier im Plenum fast hinter uns gebracht. Wir haben die Strukturanpassungsgesetze beraten, und Sie haben gegen den Willen der Oppositionsparteien diese Strukturanpassungsgesetze beschlossen.

Sie werden heute ein Budget für zwei Jahre beschließen, nämlich für die Jahre 1996 und 1997, ein Budget, das es ermöglichen sollte, daß Österreich Ende 1997 die Konvergenzkriterien für eine Währungsunion erfüllt.

Sie haben immer vorgegeben, Strukturänderungen vornehmen zu wollen. Tatsächlich aber haben Sie nur ein Notprogramm zustande gebracht, das es Ihnen ermöglicht, bis zum Jahr 1997 die Konvergenzkriterien zu erreichen. Sie haben keine Vorkehrungen struktureller Art getroffen, wie es nach 1997 beziehungsweise 1998 bis zum Jahr 2000 aussehen soll.

Die Frage, warum wir Freiheitlichen diesem Budget unsere Zustimmung verweigern werden, ist leicht zu beantworten: weil darin keine Zukunftsperspektiven enthalten sind, keine Zukunftsperspektiven für die Jahre nach 1997 bis über die Jahrtausendwende hinaus. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie lange diskutieren wir nun schon über eine gemeinsame Währung? – Gehen wir ein bißchen zurück. Im Jahre 1990 schon war die Phase 1 eingeleitet worden, und zwar in Form einer engen Bindung eines europäischen Währungssystems.

In dieser engen Bindung eines europäischen Währungssystems befinden sich heute noch lediglich vier Länder: das kleinste Land davon ist Luxemburg, weiters Österreich, Deutschland und die Niederlande. Alle anderen sind bereits ausgeschieden beziehungsweise nehmen daran gar nicht mehr teil.


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17. Sitzung / Seite 517

Es gibt heute nur noch ein einziges Land in der Europäischen Union, das alle Konvergenzkriterien von Maastricht erfüllt, und das ist das kleinste Land, nämlich Luxemburg. Es gibt eine Anzahl von Ländern in der Europäischen Union, die keines der Konvergenzkriterien erfüllen, Länder wie Griechenland, Spanien, Portugal, Schweden und natürlich Italien. Und da bin ich schon sehr gespannt darauf, wie weit der Bogen gespannt werden soll im Rahmen einer Europäischen Währungsunion, wenn nicht einmal das Gründungsmitglied Italien in der Lage ist, die Konvergenzkriterien zu erfüllen. Ich bin gespannt darauf, ob es dann wirklich finanzpolitische Überlegungen geben wird, eine Währungsunion zu erreichen, oder ob es diesbezüglich nur mehr politische Überlegungen gibt. Denn es wird sicherlich nicht angehen, daß ein Gründungsland wie Italien nicht an einer gemeinsamen Währung teilnimmt. Wie will man das machen?

Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sie hatten die Möglichkeit, durch strukturelle Änderungen Maßnahmen zu setzen, um auch für die Jahre danach ein Budget zu erstellen, das den Kriterien gerecht wird. Sie haben diese Möglichkeit nicht wahrgenommen. Die Bevölkerung hat in der Größenordnung von 75 Prozent die Bereitschaft gezeigt, daß sie bereit wäre, Sparmaßnahmen hinzunehmen, sie hat gezeigt, daß man bereit ist, sich einzuschränken, aber die Bevölkerung ist nicht bereit, daß nur sie zur Kasse gebeten wird, während alle anderen, diejenigen nämlich, die in den geschützten Bereichen sitzen, ungeschoren davonkommen. Das geht einfach nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister! Es ist mir schon klar: Wenn der Herr Bundeskanzler oder Sie an die Interessenvertretungen Briefe schreiben mit dem Inhalt, man solle auch dort strukturelle Maßnahmen setzen – Briefe an die Bundeswirtschaftskammer oder Briefe an die Oesterreichische Nationalbank beispielsweise –, dann erhalten Sie geharnischte Rückantworten dergestalt, daß man dort gar nicht bereit ist, irgend etwas zu tun. Aber Sie hätten auch die Möglichkeit gehabt, von sich aus Maßnahmen zu setzen, die die anderen in Zugzwang gebracht hätten. Das hätte beispielsweise in der Form geschehen können, daß man die Pensionsrücklagen bei der Nationalbank in de Größenordnung von 23 Milliarden Schilling auflöst und diesen Betrag dem allgemeinen Pensionskassensystem zuführt. Das wäre eine Möglichkeit gewesen.

Man kann sicherlich nicht alles von heute auf morgen machen, aber Sie hätten die Möglichkeit gehabt, strukturelle Maßnahmen zu setzen; Sie haben es aber nicht getan.

Mit dieser Budgetpolitik werden Sie die Maastricht-Kriterien nicht erreichen. Sie werden sie deshalb nicht erreichen, weil Österreich zum Unterschied von Italien bei den Konvergenzkriterien gerade im Bereich der Staatsverschuldung genau den umgekehrten Weg geht. Italien erreicht zwar die Konvergenzkriterien von der Staatsverschuldung her nicht, aber Italien ist auf dem besten Weg, die Konvergenzkriterien zu erreichen, das heißt, die Kurve Staatsverschuldung geht nach unten. Herr Finanzminister! Die Kurve unserer Staatsverschuldung geht leider genau den entgegengesetzten Weg, sie geht nämlich nach oben.

Auch Deutschland kann heute diesbezüglich nichts mehr tun. Früher hat sie noch offene Briefe an die italienische Regierung geschickt, man solle doch die Budgetpolitik so ansetzen, daß die Maastricht-Kriterien erreicht werden. Deutschland kämpft heute bereits selbst mit einem Maßnahmenpaket in der Größenordnung von 350 Milliarden Schilling. Auch dort wird also die Bevölkerung belastet, um die Maastricht-Kriterien zu erreichen, aber auch dort ist die gesamte Finanz- und Steuerpolitik mittlerweile nur mehr ein Stückwerk. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber es geht ja nicht darum, daß Sie dann dann einfach sagen: Naja, wir sind auch kein Land der Seligen, wir können keine autonome Finanz- und Wirtschaftspolitik machen. – Herr Finanzminister! Grundsätzlich haben Sie einen Fehler gemacht bei dieser Budgeterstellung, und zwar den Fehler, daß Sie abgegangen sind von dem, was Sie vor den Wahlen versprochen haben, nämlich eine ausgabenseitige Budgetpolitik durchzuführen. Sie haben es sich nämlich leichter gemacht und haben keine ausgabenseitige Budgetpolitik gemacht, sondern wollen eine einnahmenseitige Budgetsanierung durchführen. Und wenn wir uns die Zahlen anschauen: Das Verhältnis zwischen einnahmen- und ausgabenseitiger Budgetsanierung ist nicht 1 : 2, sondern genau umgekehrt: 2 : 1 – leider zugunsten einer einnahmenseitigen Budgetsanierung.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
17. Sitzung / Seite 518

Was das in den europäischen Ländern bewirkt, welche langfristigen Auswirkungen eine einnahmenseitige Budgetsanierung hat, zeigte eine Studie zweier Universitätsprofessoren aus Amerika: Eine einnahmenseitige Budgetsanierung hat eine Erhöhung der direkten und indirekten Steuern zur Folge. Das heißt, das geht auf Kosten des Wettbewerbs, und das ist genau das, was die österreichische Wirtschaft derzeit nicht braucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir kämpfen derzeit nämlich ohnedies mit wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen, da die Bundesregierung in mehreren Bereichen untätig war.

Aber nicht nur die Freiheitlichen bringen Kritik am Konsolidierungspaket an, Herr Finanzminister. Sogar Gerhard Lehner vom Wifo stellt fest, daß es sich heuer noch ausgehen wird, 1997 wird es wesentlich unsicherer sein, und 1998 wird es ein echtes Problem werden.

Professor Felderer legt noch nach und stellt fest: Es hat zwar sehr viele Absichtserklärungen im Budget gegeben, aber es ist nichts Konkretes geschehen.

Professor Schneider von der Universität Linz sagt: Es wird immer unwahrscheinlicher, daß die Kriterien von Maastricht erreicht werden können.

Das sind also nicht schwarze Bilder, die die Oppositionsparteien hier zeichnen, sondern das sind Aussagen von der Wirtschaftsforschern beziehungsweise Wirtschaftsprofessoren.

Schneider geht noch weiter und sagt, allein der Verlust von einem Triple-A-Prozentpunkt macht in etwa 17 Milliarden Schilling aus. Eine 10prozentige Abwertung des Schillings erhöht die Rückzahlungsverpflichtungen für unsere Fremdwährungskredite in der Größenordnung von 26 Milliarden Schilling.

Herr Finanzminister! Das sind eben die Dinge, die in Ihrer Budgetpolitik für die Jahre 1996 und 1997 nicht in Angriff genommen wurden.

Sie haben auch gesagt – und da war auch der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung federführend –: Es muß auch die Möglichkeit geschaffen werden, der österreichischen Wirtschaft Risikokapital zur Verfügung zu stellen, Risikokapital nicht nur über günstige Kredite, sondern in Form von Aktien, über den Aktienhandel, über die Wiener Börse.

Aber wie schaut denn die Wiener Börse aus? – Da ist wirklich etwas zu reformieren, nämlich die Börsenaufsicht und die Bankenaufsicht. Es kann ja nicht so sein, daß die Bankenaufsicht rein politisch motiviert ist, daß die Bankenaufsicht nur politische Interpretationen zuläßt, und zwar in der Art und Weise, daß die geplante Privatisierung der CA bereits in das sechste Jahr geht, und dies nur deshalb weil es dem sozialistischen Finanzminister nicht paßt, daß sich im bürgerlichen Bereich auch eine Großbank installieren kann.

Durch diese Politik, die Sie da betrieben haben – nicht Sie als Person, Herr Finanzminister, aber die sozialistische Bundesregierung –, ist der CA beziehungsweise der Republik Österreich riesengroßer Schaden zugefügt worden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Was sagt denn die ÖVP dazu?)

Die ÖVP hat überhaupt nichts dazu gesagt, und das ist bedauerlich: Die ÖVP hat sogar noch zugeschaut, als die Bank Austria die Übernahme der Anteile der österreichischen Landessparkassen an der Girocredit in einer kurzfristigen Nacht- und Nebelaktion durchgeführt hat, sodaß auch der Bereich der Girocredit, der eigentlich immer dem bürgerlichen Lager zugeordnet wird, heute einen Haupteigner in Form der Bank Austria hat. Die Österreichische Volkspartei als selbsternannte Vertreter der Bürgerlichen in Österreich – mittlerweile haben diese Vertretung ohnedies schon die Freiheitlichen übernommen – hat da einfach geschlafen.

Sie haben geschlafen, und Sie haben einfach zugeschaut, daß auf der einen Seite ein Bereich der verstaatlichten Industrie mit x-tausend Arbeitsplätzen verloren gegangen ist, andererseits aber die Sozialdemokraten über die Anteilsverwaltung in Wien einen Bereich mit 40 000 Arbeitsplätzen aufgebaut haben, der rein von sozialistischen Gruppierungen dominiert wird. Ich bin


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gespannt darauf, wie sich die Österreichische Volkspartei dafür einmal vor dem Wähler rechtfertigen wird.

Aber es geht nicht darum, hier Kleingeld zu wechseln, sondern es geht darum, welche Perspektiven Sie haben, Herr Finanzminister. Welche Reformen wollen Sie im Bereich der Bankenaufsicht durchführen? Wir haben in den letzten Jahren eine Reihe von Bankenskandalen gehabt. Es hat einen Skandal bei der Österreichischen Länderbank gegeben, wo der Bund mit eigenen Gesetzen eingreifen mußte. Wir hatten den Skandal bezüglich BHI-Bank, es gab den BAWAG-Skandal aufgrund von Spekulationsgeschäften in der Karibik. Wir haben immerhin einmal ... (Abg. Verzetnitsch: Was für einen Skandal?) Es wurde mit Derivaten gehandelt, und das geht natürlich nicht ohne weiters. Das kann nämlich zu einem großen Risiko für die Bank führen, und wenn diese Derivatgeschäfte schiefgegangen wären, wie es bei anderen Großbanken der Fall war, dann hätte diese Bank sehr wohl in Schwierigkeiten kommen können.

Wie die Verflechtung zwischen dem Eigentümer und dem Kreditnehmer bei der Bank ausschaut, hat man ja auch in Zusammenhang mit dem "Konsum" gesehen. Auf der einen Seite war der "Konsum" Teilhaber der BAWAG, auf der anderen Seite sitzen in der BAWAG Organe, die sich selbst die Kredite gewähren. Da hat die Revision nicht funktioniert, was zu einem Schaden für die österreichische Volkswirtschaft in einer Größenordnung von 26 Milliarden Schilling geführt hat.

Es ist nämlich nicht so, daß der "Konsum" saniert worden ist, sondern der "Konsum" ist zerschlagen worden. Das heißt, dieses Unternehmen wurde liquidiert, es ist heute nicht mehr existent. Das hätte rechtzeitig verhindert werden können, wenn zum damaligen Zeitpunkt die internen Revisionen funktioniert hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber, Herr Finanzminister, es haben ja nicht nur die Oppositionsparteien – in erster Linie die Freiheitlichen – immer wieder darauf aufmerksam gemacht, daß es gerade bei der Börsenaufsicht beziehungsweise bei der Bankenaufsicht zu einer Entpolitisierung kommen muß. Bereits im Jahre 1993 hat der Rechnungshof ganz massiv darauf hingewiesen und hat festgestellt, daß die eingehenden Kontrollschritte meistens viel zu spät und erst nach Eintritt einer Gefährdung erfolgen und Prüfungsschritte an Ort und Stelle effizienter wären.

Der Rechnungshof hat weiters festgestellt, daß der Kreis der Prüfer über die Staatskommissäre erweitert werden sollte und Doppelfunktionen als Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde und gleichzeitig Staatskommissär der Objektivität nicht förderlich sind.

Und was ist geschehen? – Gar nichts! Man hat das im Zusammenhang mit den Ereignissen bei der BHI-Bank gesehen: Man hat erst im Zuge dieser Ereignisse bei der BHI-Bank die Einlagensicherung für die Kleinanleger erhöht, damit man auch die EU-Richtlinie erfüllt, aber man hat in diesem Zusammenhang mit der BHI-Insolvenz erst aufgrund massiver Proteste seitens der Freiheitlichen hier im Hohen Haus in Form einer dringlichen Anfrage an den Finanzminister reagiert, einer dringlichen Anfrage, in der es vor allem um die kleinen Sparer gegangen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie gut es ist, daß die Freiheitlichen hier im Hohen Haus ihre Oppositionsrolle in dieser Form wahrnehmen, zeigt auch, daß sich BHI-Kunden in sehr vielen Schreiben bei der Freiheitlichen Partei bedankt haben. Hätten wir diesbezüglich nichts getan, wäre überhaupt nichts geschehen, hätte man gar nicht reagiert.

Sie sagen immer wieder, die Freiheitlichen gehen irgendwohin, demonstrieren, rühren die Leute auf, und dann gehen sie weg und tun nichts. (Rufe bei der ÖVP: So ist es!) Aber: Wären die Freiheitlichen damals nicht tätig geworden und hätten auf diese Mißstände aufmerksam gemacht – nicht nur bei der BHI-Bank, sondern auch bei der Nationalbank und bei den sonstigen Interessenvertretungen –, wäre bis jetzt überhaupt nichts geschehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Durch diese Oppositionspolitik der Freiheitlichen Partei hier im Hohen Haus sind also doch sehr viele Dinge zumindest in Bewegung geraten.


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Die Umsetzungsunwilligkeit der Bundesregierung hat ja einen tieferen Sinn: Man will sich natürlich die Bonifikationen, die man sich da erworben hat, nicht so einfach wegnehmen lassen. Ich verstehe das ja auch, aber die Bevölkerung hat dafür kein Verständnis mehr (Beifall bei den Freiheitlichen), daß Sie auf der einen Seite eine Belastungswelle auf die Bevölkerung loslassen, auf der anderen Seite aber selbst überhaupt keine Belastungen hinnehmen wollen. Sie hätten jetzt die große Chance gehabt, Herr Finanzminister, haben diese aber nicht wahrgenommen!

Es geht jetzt um zwei Dinge: Es geht einmal um das Vertrauen der Unternehmer beziehungsweise der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Wirtschafts- und Finanzpolitik der österreichischen Bundesregierung. Was Sie in den letzten Jahren hier gemacht haben – nicht Sie als Person, Herr Finanzminister, aber die Bundesregierung –, war ein ständiger Wechsel in unserem Steuersystem. Da sind einmal Begünstigungen eingeführt worden, im nächsten halben Jahr sind sie wieder abgeschafft worden. Es gibt daher kein Vertrauen mehr in die Rahmenbedingungen der österreichischen Steuer- und Finanzpolitik. Und das ist auch die Ursache dafür, daß Österreich bei der sogenannten Globalisierung – wie es der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung so schön gesagt hat – der Außenhandelsbeziehungen beziehungsweise der Globalisierung bei Investitionen im Ausland, was immerhin eine Größenordnung von 2 200 Milliarden Schilling erreicht – das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt der österreichischen Wirtschaft –, vielleicht mit 10 Milliarden Schilling teilnimmt. Man muß aber auch sagen, daß 12 Milliarden an Erträgen aus Investitionen von ausländischen Unternehmen in der österreichischen Wirtschaft ins Ausland gehen und nur 2 Milliarden von österreichischen Unternehmen, die im Ausland investiert haben, wieder nach Österreich zurückfließen; ein ständiges Abwandern also.

Wenn Sie heute ankündigen, Sie wollen eine Gründeroffensive starten, Sie wollen Erleichterungen für die mittlere und kleinere Wirtschaft gerade im Bereich der Exporte schaffen, und zwar in Form der Bereitstellung von Risikokapital beziehungsweise Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Bereitstellung von Risikokapital, dann müssen Sie vor allem eines machen: Sie müssen einmal Vertrauen herstellen, und zwar Vertrauen insofern, als die Bankenaufsicht und die Börsenaufsicht entpolitisiert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es kann nicht so weitergehen, daß die österreichische Börse von den Banken selbst kontrolliert wird, daß die österreichische Börse als Mini-Finanzplatz nur von sogenannten Spekulanten verwendet wird, um kurzfristige Gewinnmitnahmen zu lukrieren. So kann es nicht sein!

Solange Sie nicht in der Lage sind, die Börsenaufsicht zu entpolitisieren, wird sich natürlich an der Bereitstellung von Risikokapital in Österreich nichts ändern. Wie wir bezüglich der Bereitstellung von Risikokapital in Österreich liegen, wissen Sie ja: Da liegen wir nämlich weit hinter Indien, und Indien ist in diesem Bereich wirklich keine Großmacht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister! Sie wehren sich zwar derzeit noch dagegen, daß die Anonymität der Spareinlagen seitens der Europäischen Union dermaßen kritisiert wird. Ich bin auch ein Anhänger der Anonymität, aus einem ganz einfachen Grund: Die Anonymität hat nichts mit Geldwaschen zu tun, sondern die Anonymität ist für die österreichische Finanzwirtschaft ein entscheidendes Instrumentarium. Wenn die Anonymität bei uns wegfällt und das Bankwesengesetz gerade im Hinblick auf das Bankgeheimnis nicht geändert wird, wird es bei uns zu einem Kapitalabfluß besonderer Art kommen: Die Liquidität sinkt, die Zinsen steigen an, und das hat Auswirkungen auf das Budget: Sie wissen genau, was 1 Prozent Zinssatzerhöhung für das Budget bedeutet.

Herr Finanzminister! Da besteht für Sie Handlungsbedarf! Man darf man nicht nur Schönwetterreden von der Regierungsbank aus halten, sondern, Herr Finanzminister, jetzt sind Taten für die österreichische Wirtschaft, für die Bevölkerung, für die Zukunft gefragt, damit wir beruhigt ins nächste Jahrtausend gehen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Koppler. Er hat das Wort.


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17. Sitzung / Seite 521

Ich stelle die freiwillige Redezeitbeschränkung auf 20 Minuten fest; die geschäftsordnungsmäßige ist ja bekannt.

9.26

Abgeordneter Erhard Koppler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bis vor wenigen Monaten gab es in diesem Hohen Haus einen Ausschuß für verstaatlichte Betriebe, dem eine gesonderte Behandlung zuteil wurde. Nach der erfolgreichen Privatisierung von ÖIAG-Betrieben wurde dieser Ausschuß in den Industrieausschuß umgewandelt. Es zeugt von einer bestimmten industriepolitischen Gesinnung, wenn wir heute die budgetären Ansätze für die Industrie unter der Position "Sonstiges" behandeln; ich habe das schon im Budgetausschuß mit Bedauern zum Ausdruck gebracht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte – und ich beschränke mich in meinem Redebeitrag auf dieses Budgetkapitel – auf die Privatisierungserfolge der ÖIAG in den letzten Jahren eingehen. Mit der ÖIAG-Gesetz-Novelle 1993 erhielt die ÖIAG neue Aufgabenstellungen, nämlich die Vorbereitung von Maßnahmen zur Herstellung möglichst günstiger Voraussetzungen für Privatisierung und Erhaltung österreichischer Industriebetriebe und industrieller Wertschöpfung, soweit wirtschaftlich vertretbar und bei mehrheitlicher Beteiligungsaufgabe an ihren Unternehmen in angemessener Frist.

In der Zwischenzeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, wurde in Erfüllung des Gesetzes der Großteil der vorgesehenen Privatisierungen erfolgreich erledigt. Dazu haben alle besonnenen Kräfte – ich betone: die besonnenen Kräfte! – in der Politik beigetragen, und ich danke allen Mitwirkenden in den Ministerien, in den Kammern, in den Gewerkschaften, ich danke den Politikern und nicht zuletzt den Betriebsräten in unserer Arbeitsgemeinschaft, die diese schrittweise Privatisierung zentraler österreichischer Industriebetriebe ermöglichten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Durch diese besonnene Privatisierung konnten Tausende Arbeitsplätze, wie ich meine, gesichert beziehungsweise neu geschaffen werden. Angesichts der aktuellen Arbeitsmarktlage ist die Bedeutung dessen nicht zu unterschätzen.

Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, zurückblicken auf die großen Privatisierungsschritte; ich möchte sie nur kurz in Erinnerung rufen. (Zwischenruf des Abg. Blünegger. )

Lieber Freund Blünegger, du bist ganz woanders, du kennst dich da überhaupt nicht aus! Schau einmal in unsere Betriebe hinein – ich lade dich gerne ein! –, und dann wirst du feststellen, wie erfolgreich Gewerkschaften, Betriebsräte und besonnene Politiker waren. Das waren wirklich besonnene Politiker, etwas, was man eure Seite betreffend eigentlich nie feststellen konnte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte also, wie bereits gesagt, diese Privatisierungsschritte kurz in Erinnerung rufen: VA Eisenbahnsysteme AG und AMS wurden inzwischen zu 100 Prozent privatisiert. Schöller Bleckmann und VA-Steinöl wurden an private Unternehmen verkauft; die SGP-Verkehrstechnik wurde bis auf 26 Prozent an Siemens veräußert.

Es gab eine weitere Abgabe von OMV-Anteilen: Die ÖIAG hält nur noch 49,9 Prozent. 51 Prozent der VA-Technologie-Anteile wurden 1994 an der Börse plaziert, und die ÖIAG hält nur mehr 24 Prozent. Auch die VA Stahl AG wurde mehrheitlich privatisiert. Die ÖIAG hält in der Zwischenzeit nur mehr 38,8 Prozent.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich erwähnen – und ich habe es schon einmal gesagt –, daß sich jeder vierte Mitarbeiter in der VA Stahl am Unternehmen beteiligt hat und bereit war, Aktien zu kaufen. Das heißt, daß er an dieses Unternehmen und auch an die Zukunft dieses Unternehmens glaubt. Dafür möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich danken. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Privatisierungen der Böhler-Uddeholm AG in zwei Etappen: Seit März 1996 hält die ÖIAG nur mehr 25 Prozent, und durch die erfolgreiche schrittweise Privatisierung seit der ÖIAG-Gesetz-Novelle erzielte die ÖIAG einen Verkaufserlös von rund 20 Milliarden Schilling. Weitere 5 Milliarden Schilling wurden durch die Abgabe junger Aktien erzielt. In den Privatisierungserlösen von rund 25 Milliarden Schilling sind die für 1996 noch zu erwartenden Erlöse, beispielsweise jene der OMV, nicht enthalten. Mit den Privatisierungen haben sich die Nettoverschuldung und die Nettoschulden von 23 Milliarden Schilling Ende 1993 auf 7 Milliarden Schilling Ende 1995 reduziert, und noch im Jahr 1996 kann der Schuldenstand gänzlich abgebaut werden. Ich glaube, das ist ein großer Erfolg! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Auer. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist besonders erfreulich, daß sich angesichts der schwierigen nationalen und internationalen Wirtschaftssituation die Ertragslage der Betriebe mit ÖIAG-Beteiligung im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen positiv darstellt. Aus den Gewinnen werden zukunftsweisende Investitionen finanziert, allein die VA Stahl AG investiert in den nächsten vier Jahren 11 Milliarden Schilling in neue Großanlagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch diese Großinvestitionen kommen der heimischen Wirtschaft zugute und sichern beziehungsweise schaffen neue Arbeitsplätze.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Helfen wir durch industriepolitische Maßnahmen, den wirtschaftlichen Erfolg dieses für Österreichs so wichtigen Industriebetriebes abzusichern! Ihre Wertschöpfung, ihre Arbeitsplätze, ihr Know-how und ihre Exporterfolge sind, wie ich glaube, für unser Land, unverzichtbar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich die "Kronen-Zeitung" zitieren, ich habe im meinen Reden noch nie eine Zeitung zitiert, im Unterschied zu den Abgeordneten der Freiheitlichen Partei, die in der Budgetdebatte laufend Zeitungsmeldungen zitieren, dabei aber andere Abgeordnete, die hier zitieren, kritisieren.

Am Samstag, dem 20. April 1996 gab es einen Beitrag von Georg Wailand in der "Kronen Zeitung". Ich möchte daraus nur einen kleinen Ausschnitt zitieren, aber dieser ist so typisch, daß ich ihn bringen muß.

Es heißt hier: "Blick nach vorne, statt raunzen. Kredite sind so billig wie noch nie zu haben. Die Inflationsrate ist mit 1,5 Prozent sensationell niedrig. Die Exporte entwickeln sich erfreulich. Die größten Unternehmen an der Börse legen eine Prachtbilanz nach der anderen. Die Perspektiven für die Wirtschaft haben sich deutlich verbessert. Dennoch grassiert hierzulande noch immer das Raunzen als besonders ansteckende Krankheit. Jammern sei zwar, meinen böse Zungen, der Gruß der Kaffeeleute, aber ich meine, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, um wieder den Blick nach vorne zu richten."

In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, stimmen wir diesem Budget zu. – Ein herzliches Glückauf! (Beifall bei der SPÖ.)

9.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster hat Herr Abgeordneter Dr. Kier das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.35

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der heutige letzte Tag der Debatte zu den Bundesfinanzgesetzen bietet aus meiner Sicht nochmals die Gelegenheit, sich mit ein paar besonders bemerkenswerten Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, von denen ich einen unter die Überschrift "Budgetwahrheit" stellen möchte.

Wie verhält es sich zum Beispiel mit den Bundeshaushalten in Ansehung der erwarteten Einnahmen durch die Sozialversicherungspflicht für Kolporteure. – Wie Sie alle wissen, wurde von unserer Fraktion in diesem Hohen Haus die Ausnahme, die im Prinzip für die Kolporteure –


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ich verkürze das bewußt – der Media-Print beschlossen wurde, heftig kritisiert. Ich habe noch den Brief des Herausgebers, Chefredakteurs und Verlegers Dichand vor Augen, in welchem er den Sozialsprechern der Fraktionen dieses Hauses mitgeteilt hat, es sei deswegen ein so großes Anliegen, das er da vertritt, weil es sich um mehrere hundert Millionen Schilling handelt, die auf dem Spiel stehen und die Pressefreiheit gefährden.

Wir waren nicht der Meinung, daß diese Maßnahme die Pressefreiheit gefährden würde, wir waren auch nicht der Meinung, daß es sich da um eine berechtigte Ausnahme handelt, die dann doch beschlossen wurde, sondern daß es sich um einen gleichheitswidrigen Vorgang handelt, noch dazu mit dem Gesichtspunkt, daß dabei eine Personengruppe, die jetzt schon rechtlos ist, weiterhin rechtlos bleibt. Aber ich frage mich unter dem Gesichtspunkt der Budgetwahrheit: Wo sind diese sicher nicht wenigen Millionen geblieben?

Die Ausnahme wurde beschlossen, im Budget wurde jedoch nicht darauf reagiert. Das ist, glaube ich, ein deutlicher Hinweis darauf, daß man es mit der Budgetwahrheit im eigentlichen Sinn des Wortes nicht ganz ernst nimmt, denn wenn jemand solch eine Ausnahme beantragt, dann muß er in den Budgetansätzen die Mittel dafür vorsehen und letztlich dann auch in einem entsprechenden Abänderungsantrag einbauen. Dieser liegt jedoch nicht vor. Also war entweder das Budget, bevor die Ausnahme beschlossen wurde, in dieser Dimension nicht richtig, oder es ist jetzt nicht richtig. Ich fürchte, wenn solch ein Widerspruch vorliegt, ist man gut beraten, anzunehmen, daß das Budget an und für sich nicht richtig ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wie steht es mit den Bundeszuschüssen bei den Pensionen? – Es wird eine sinkende Tendenz vorausgesagt. Man hört die Botschaft, aber es fehlt der Glaube! Eine sinkende Tendenz bei den Bundeszuschüssen für die Pensionen ist nur dann argumentierbar, wenn man sich ausschließlich auf jene Positionen bezieht, die überschrieben sind mit dem Titel: Bundeszuschuß für Pensionen. Wenn man sich die zahlreichen Quersubventionierungen, die sich zu genau demselben Zweck im Budget finden, nämlich zu dem Zweck, eben Zuschüsse für die Pensionen im Bereich des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger zu leisten, anschaut, dann erkennt man eine deutlich steigende Tendenz. Man sieht, daß wir im Jahr 1997 damit werden rechnen müssen, daß im Bereich des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger bereits annähernd 50 Prozent der unter diesem Titel geleisteten Auszahlungen aus direkten oder indirekten Bundeszuschüssen kommen.

Ich frage mich also: Wie halten Sie es da mit der Budgetwahrheit beziehungsweise in diesem Fall mit der Budgettransparenz? – Ich meine, daß Transparenz auch ein Element von Aufrichtigkeit ist, denn es nützt nichts, wenn zwar alles irgendwo steht, aber selbst die Fachleute kaum noch erkennen können, welche Beträge eigentlich verdichtet, zusammengezählt und als eine Gesamtausfallsposition zumindest erläuternd dargestellt werden müßten.

Wie verhält es sich zum Beispiel mit den erwarteten Mehreinnahmen, wenn dadurch, daß die Möglichkeiten im Baubereich, insbesondere im Wohnbaubereich zu investieren – die sogenannten Hausherren-Modelle –, nicht mehr gegeben sein werden? – Uns allen – ich nehme es zumindest an; ich glaube nicht, daß der Wiener Landtag gerade bei mir eine persönliche Ausnahme gemacht hat und das nur mir geschickt hat –, mir jedenfalls liegt der einstimmige Beschluß des Wiener Landtages vor, in welchem wir alle dringend ersucht werden, diese Maßnahme noch einmal zu überdenken, weil allein die Stadt Wien durch das Streichen der sogenannten Hausherren-Modelle, also durch das Streichen der Möglichkeit, private Mittel in Bauten wirtschaftlich vernünftig zu investieren, zum Beispiel im Bereich der Sanierung des Gürtels 130 Millionen Schilling an EU-Förderungsmitteln verliert, weil die EU, offenbar von liberalen Gedanken angekränkelt, solche Projekte nur dann fördert, wenn sich daran auch private Investoren beteiligen und nicht nur die öffentlichen Hände. Die Stadt Wien hat jetzt zu erwarten, daß sich im Bereich der Sanierung des Gürtels die privaten Investoren, die ihre Investments dort nicht mehr abschreiben können, zurückziehen werden.

Ergebnis: Die EU fördert nicht mehr. Ergebnis: 130 Millionen Schilling fallen für die Gemeinde Wien aus, und zwar Gelder, die wir alle gemeinsam zuerst nach Brüssel geschickt haben und


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die wir jetzt nicht mehr zurückbekommen, obwohl es sich um ein sinnvolles Projekt handelt. Das ist ein Gesichtspunkt.

Der zweite Gesichtspunkt ist: Ich höre und habe Gespräche geführt, daß inzwischen die Nachrechnung der Effekte der Streichung der Hausherren-Modelle ergeben hat, daß mit Steuerausfällen durch unterbliebene Investitionen in der Größenordnung von 1 Milliarde Schilling zu rechnen sei. Das heißt, im Budget wird eine mögliche Mehreinnahme dargestellt, die in Wirklichkeit eine bedeutende Mindereinnahme sein wird. Da frage ich mich: Wie steht es da mit der Budgetwahrheit? Sind die Saldi, die im Budget angeführt werden, mit anderen Worten das Defizit, nur annähernd glaubwürdig oder richtig, wenn allein aus der Mechanik der gestrichenen Möglichkeiten, im Bereich der Bauten zu investieren, ein Minussaldo von annähernd 1 Milliarde Schilling zu erwarten ist? Wenn Sie sich diese drei Beispiele, die ich hier genannt habe, vergegenwärtigen, dann werden Sie verstehen, daß wir vom Standpunkt der liberalen Fraktion aus in keiner Weise diesen Bundesvoranschlägen werden zustimmen können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn nicht einmal die einfachsten Regeln eingehalten werden, wie eben zum Beispiel die Veränderung der Ansätze aufgrund der Ausnahme für die Kolporteure, oder die Transparenz im Bereich der Bundeszuschüsse für die Pensionen oder die korrekte Wiedergabe der einnahmen- und ausgabenseitigen Effekte, wenn nicht einmal eine Maßnahme wie die gestrichenen Abschreibemöglichkeiten für Bauinvestments richtig dargestellt werden, wie soll man dann auch nur annähernd Vertrauen zu den anderen Positionen haben?

Ich hatte gestern Gelegenheit, kurz an einer Veranstaltung teilzunehmen, die sich mit dem Thema Althaussanierung beschäftigt hat, mit den Erfordernissen, durch flächendeckende Sanierungsprogramme Energieeinsparung zu ermöglichen, was wiederum Ausgabenvermeidung, CO2-Reduktion und letztlich für die Menschen eine höhere Lebensqualität bedeutet. Dort waren alle Anwesenden – quer durch alle Fraktionen, aber das war keine fraktionelle Veranstaltung, sondern eine Fachveranstaltung – derselben Meinung, nämlich: Wenn keine steuerlichen Anreize im System vorhanden sind, dann unterbleiben Sanierungsinvestitionen, dann wird nichts investiert werden (Bundesminister Mag. Klima: Das sagt ein Liberaler!), um den Energieverbrauch zu senken, dann findet die Substitution von Bausubstanz gegen überflüssigen Verbrauch nicht statt. Das einzige, was in diesem Feld übrigbleibt, ist die Hoffnung, daß das manche trotzdem machen, obwohl es sich für sie eigentlich nicht mehr rechnet. Was bedeutet das? – Das können nur mehr diejenigen tun, die sich das auf jeden Fall leisten können. Aus der Sicht eines Sozialsprechers ist das eine vernichtende Aussage! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn wir nämlich bei der Politik, um um jeden Preis Liquidität zu beschaffen, nicht bedenken, daß viele Hunderte, ja Tausende Menschen jetzt – im eigentlichen Sinne des Wortes – auf der Strecke bleiben, dann machen wir einen großen Fehler, weil wir in diesem Fall auch noch arbeitsplatzwirksame Maßnahmen de facto unterbinden, weil jeder weiß, daß Investments in Althaussanierung außerordentlich arbeitsplatzwirksam sind, weil viele Menschen auf den Baustellen tätig sein müssen, weil Großmaschinen dort nicht zum Einsatz kommen können, weil auch die kleineren Handwerksbetriebe und die kleineren Unternehmen – im Unterschied zu Großbaustellen – dort eben sinnvolle Aufträge vorfinden, wobei ich sagen möchte, daß ich mich nicht gegen Großbaustellen ausspreche, man darf nicht das eine gegen das andere ausspielen, es muß in diesem Falle ein Sowohl-Als-auch sein. Da es sich hierbei um Investitionen in die Substanz, in das volkswirtschaftliche Gesamtvermögen handelt, wäre eine Vorwärtsstrategie angesagt, denn es ist keine Verschuldung, wenn man so etwas tut, sondern das ist ein Investment für die Zukunft, das im übrigen auch dadurch, daß zum Beispiel in der Folge Heizen weniger kosten würde für die Menschen, die dort wohnen, sie auf der Einkommensseite entlastet, was im übrigen auch die Voraussetzung dafür wäre, daß man ihnen eine Energiesteuer zumuten kann. Man darf Menschen nicht eine Energiesteuer zumuten und sie gleichzeitig von der Möglichkeit abschneiden, durch Investitionen den Energieverbrauch zu senken. Doch das tun Sie, und zwar gerade dort, wo es sozialpolitisch unverträglich ist! (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Klima. )


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Denkmalschutz. – Ja, Herr Bundesminister, die Botschaft hör’ ich wohl, aber erstens schwebt über dem Ganzen der Schutzengel des Denkmalschutzes, zweitens heißt Sanierung unter Umständen auch teilweiser Abbruch. Solche Steuergesetze sind Lenkungsgesetze. Es gibt in der Geschichte ein sehr interessantes Beispiel, Herr Bundesminister: Als man sich eines Tages um eine neue Steuerfindung bemüht hat, ist man draufgekommen, die Dachflächen wären ein ideales, gerechtes Maß für das Einheben von Steuern auf Gebäude. Die Folge davon war, daß alle Gebäude, die nicht mehr wirklich in Betrieb waren, wie beispielsweise unsere mittelalterlichen Burgen, seinerzeit abgedeckt wurden und heute Ruinen sind und verfallen. Nur ein paar hartnäckige "Querulanten" haben ihre Burgen nicht abgedeckt, und diese stehen heute noch.

Wir sind heute aus kulturhistorischen Gründen teilweise betrübt darüber, daß viel alte Bausubstanz durch eine Dachsteuer, die eben einen unerwarteten Lenkungseffekt hatte, verschwunden ist. Wenn Sie sagen: Althaussanierung: ja!, Abreißen und Neubauten: nein!, dann muß ich sagen: Das ist nicht mein Zugang zur Wohnbaupolitik. Ich bin zwar der Meinung, Herr Bundesminister, daß es richtig ist, daß man möglichst viel alte Substanz erhält, zumal sie häufig bauphysikalisch viel besser ist als das, was heute neu gebaut wird, das ist richtig, nur: Wenn teilweise etwas abgerissen und neu gebaut werden muß, heißt das ja noch nicht, daß das sozial unverträglich ist. Das würde in Ihrer Welt bedeuten: Neubau ist auf jeden Fall sozial unverträglich! Das ist nicht unser Zugang zum Wohnbau! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sind nämlich der Meinung, daß dann, wenn es gelingen würde, mehr Dynamik in den Wohnungsbereich hineinzubringen, wenn es gelingen würde, in einer zehnjährigen Übergangsperiode von einer Überregulierung des Wohnungsmarktes zu einem marktmäßigen Mechanismus zu kommen, plötzlich Wohnraum in Neubauten auch für sozial Schwächere erschwinglich wäre, wenn Sie das mit einer individuellen Stützung, die Wohnbaubeihilfe heißt, also mit Subjekt- und nicht Objektförderung kombinieren. Aber das ist eine längere Geschichte, und es wäre notwendig, uns einmal darüber zu unterhalten, welche Struktrurreformen wirklich notwendig sind. Ich habe aber nicht das Gefühl, daß die heutige Debatte am letzten Tag der Behandlung der Bundesvoranschläge geeignet ist, die in den letzten zehn Jahren versäumte Strukturdiskussion jetzt nachzuholen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Aber ich würde mich freuen, wenn der Schock, unter dem jetzt offenbar viele stehen, vielleicht ein heilsamer ist und auslöst, daß wir wenigstens von Montag an mit einer Strukturdiskussion beginnen. Daß aller Voraussicht nach heute am Abend diese Bundesvoranschläge beschlossen sein werden, heißt ja nicht, daß wir wirklich über den Berg sind. Nicht einmal Sie, die Sie das vorgelegt haben und der Meinung sind, das sei eine gute Vorlage, können irgend jemandem einreden wollen, daß das jetzt alles war. Das ist bestenfalls der Beginn. Wir sagen: ein mißlungener Beginn! Sie sagen: ein gelungener Beginn! Aber das heißt in beiden Fällen: Jetzt geht die Arbeit erst los, jetzt fängt es erst an! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Dabei wird es darauf ankommen, einen breiten Konsens zu finden, dabei wird es darauf ankommen, uns bewußt zu machen, daß wir darauf achtgeben müssen, daß die Solidarität in dieser Gesellschaft nicht zerbricht, das heißt, daß die Leute das Vertrauen in die Maßnahmen, die getroffen werden, nicht verlieren, daß sie nicht verzagen, daß sie optimistisch bleiben. Das ist eine gemeinsame Aufgabe, die ich weit über die Fraktionsgrenzen hinaus sehe. Aber das bedeutet, daß wir uns aufrichtig damit auseinandersetzen. Da sind zum Beispiel die vielen rückwirkenden Elemente, die in den letzten Tagen schon mehrmals kritisiert wurden, keine Hilfe. Rückwirkende Gesetze bedeuten immer Vertrauensverlust bei den Rechtsunterworfenen.

Zur Frage, ob das jetzt dann verfassungsmäßig hält. – Sie haben es abgesichert durch Zweidrittelbestimmungen, aber ob das ohne solche gehalten hätte oder nicht, das ist interessant für Juristen und für uns Liberale ein wichtiger Aspekt. Aber für jene Menschen, die sich nicht im Detail mit solchen Dingen beschäftigen, die nur die Effekte erleben, ist es eine schwere Erschütterung ihres Vertrauens in die Rechtsordnung. Das Funktionieren einer Rechtsordnung ist aber darauf angewiesen, daß die Menschen in sie Vertrauen haben (Beifall beim Liberalen Forum), daß sie sozusagen freiwillig und eben aus dem Gefühl heraus, es ist sinnvoll, dieser Rechtsordnung folgen und nicht nur deswegen, weil sie sonst bestraft würden. Wenn eine


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17. Sitzung / Seite 526

Gesellschaft einmal so weit ist, daß sie das, was sie umsetzen will, nur mehr durch Strafen erzwingen kann, dann bricht sie auseinander. Dann ist der soziale Friede gefährdet, dann ist die innere Sicherheit gefährdet, und dann ist auch ein demokratiepolitisches Problem auf dem Tisch, denn dann sind schnell diejenigen da, die einfache Antworten geben, die auf den ersten Blick glaubwürdig sind, die nicht so kompliziert sind wie das, was wir hier machen, und die daher sozusagen absahnen, wenn etwas zerbricht. Das ist nicht das, was wir uns für eine ruhige, friedliche und harmonische Entwicklung der Gesellschaft wünschen, wobei ruhig, friedlich und harmonisch nicht heißt, mühelos, nicht heißt, ohne Plage, das heißt es nicht. Aber man muß einen Sinn erkennen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Weil in diesem Haus in den letzten zwei Wochen von der Opposition mit unterschiedlichen Positionierungen vielfach schwer beklagt wurde, daß man mit den großen Mehrheiten der Regierungsparteien einfach stark über sie drübergefahren ist, daß man ihr fast das Gesicht genommen hat, habe ich Ihnen etwas mitgebracht, und ich bitte Sie, das vielleicht in den nächsten Tagen einmal internen Gesprächen in Ihrem Haus in aller Ruhe abzuklären. Mir liegt hier ein sehr interessantes Schreiben vor – es ist ein gedrucktes Schreiben, daher ist es auch in keiner Weise vertraulich –, und zwar vom Finanzamt für Körperschaften in Wien, Arbeitgeberreferat. In diesem Schreiben werden die Unternehmen, die angeschrieben wurden – es handelt sich dabei in der Regel um Kapitalgesellschaften –, auf die wichtigen Änderungen bei der Lohnverrechnung aufgrund des Strukturanpassungsgesetzes ab Juni 1996 aufmerksam gemacht. Es wird genau mitgeteilt, wie man mit den Freibeträgen umzugehen habe, was hinsichtlich der Bestimmungen mit den Überstundenzuschlägen von über 190 S und so weiter zu geschehen hat. Ich lese das alles nicht vor. Das Schreiben ist als Hilfe für Arbeitgeber gedacht. Nur: Es hat einen ganz schweren Schönheitsfehler: Es trägt das Datum 16. April 1996. Doch die dazugehörenden Gesetze wurden erst am 19. April 1996 in diesem Haus und eine Woche darauf vom Bundesrat beschlossen. Da frage ich mich: Wie weit sind wir in diesem Parlament gekommen, wenn nachgeordnete Dienststellen des Finanzministeriums am 16. April eine geltende Rechtslage verkünden, die erst am 19. beschlossen wird? (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das ist in diesem Fall ein überschießender Eifer, die Steuerpflichtigen belehren zu wollen, und dieser überflüssige Eifer ist entlarvend: Er zeigt nämlich deutlich, daß die nachgeordneten Dienststellen des Herrn Bundesministers für Finanzen der Meinung sind, der Nationalrat kann beschließen, was er will, sie wissen ohnehin, was herauskommt, und zwar schon drei Tage vorher. Der Bundesrat interessiert sie schon überhaupt nicht, der erst eine Woche darauf die Strukturanpassungsgesetze beschlossen hat. Sie lassen einmal drucken. Das ist im Bundesrechenzentrum nicht erst am 16. April gedruckt worden, sondern das muß schon vorher gedruckt worden sein, denn sonst kann man das Schreiben nicht mit 16. April datieren.

Das heißt also, deutlich eine Woche vor der Sitzung, in der wir hier den diesbezüglichen Beschluß gefaßt haben, ist diese Aussendung schon hinausgegangen. Das war eine Bestimmung, nämlich das Aussetzen der Freibeträge, die offenbar in der Koalition völlig außer Streit gestanden ist, sodaß das Risiko, daß das vielleicht plötzlich aufgrund eines redaktionellen Abänderungsantrages nicht gestimmt hätte, klein war. Aber theoretisch war es vorhanden.

Wenn man aber eine Aussendung zum Beispiel bezüglich der Werkverträge auch mit solch einem ungeschickten Datum, nämlich dem 16. April gemacht hätte, dann hätte man übersehen, daß am 19. April eine Ausnahme für die Kolporteure beschlossen worden ist. Aber vielleicht hat man das schon gewußt. Ich nehme nicht an, daß sich der Herr Dichand erst fünf vor zwölf bemüht hat, das zu ändern, sondern schon ein bisserl früher. Daher hat man schon früher erkannt, daß sich das wahrscheinlich ohnehin ändern wird. Nur: Dafür war kein Rundschreiben notwendig, da hat man noch einmal Glück gehabt, denn sonst wären mehrere Mitspieler in diesem Szenario schwer blamiert gewesen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es hätte mich nicht gestört, wenn sich da die nachgeordnete Dienststelle des Herr Bundesministers blamiert hätte, denn das hätte vielleicht noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf diesen Vorgang gerichtet. Mich aber stört diese Vorgangsweise, ich halte sie geradezu für unerträglich. Wenn sich ein oberstes Organ wie der Nationalrat so etwas nachhaltig gefallen


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läßt, dann frage ich mich, warum wir uns überhaupt noch darüber beschweren, daß die Bundesregierung mit ihren Fraktionsmehrheiten über die Opposition drüberfährt. Die Bundesregierung fährt jetzt mit ihren nachgeordneten Dienststellen über den ganzen Nationalrat drüber! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Vor diesem Hintergrund wundert es einen dann eigentlich nicht mehr besonders, daß im Rahmen der Strukturanpassungsgesetze, die ihren Niederschlag in den Bundesfinanzgesetzen finden, im Bereich der sogenannten Harmonisierung der Sozial- und Fremdenrechte die Sache höchst mißverständlich aufgelöst wurde. Man hat überhaupt den Wunsch, daß die Sozial- und die Fremdengesetze zu harmonisieren wären, grob mißverstanden, indem man hier mit der Regierungsmehrheiten lauter Maßnahmen hat beschließen lassen, die dazu führen, daß Menschen nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft, die in unserer Gesellschaft leben, in unsrer Gesellschaft arbeiten, in unserer Gesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig sind, in unserer Gesellschaft Sozialversicherungsbeiträge zahlen, dann, wenn sie Ansprüche aus den von ihnen geleisteten Zahlungen zu erheben hätten, diese Ansprüche nicht mehr erheben können, weil ihnen der Zugang zu den sozialen Leistungen, für die sie eingezahlt haben, abgeschnitten wurde – ausschließlich um Kassa zu machen. Das ist ein Umgang mit Menschen anhand von Merkmalen – in diesem Fall ist es das Merkmal Staatsbürgerschaft –, der völlig gleichheitswidrig ist, denn Gleichheit kann nicht ausschließlich an der Staatsbürgerschaft festgemacht werden, wenn es um solch fundamentalen Ansprüche geht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Da wird völlig verkannt, daß so etwas auch Reziprozität auslösen kann, daß so etwas die guten Sitten in der Völkergemeinschaft verderben kann, wenn man anfängt, Versicherungsleistungen und erworbene Rechte plötzlich von der Staatsbürgerschaft abhängig zu machen. Das erinnert an Zeiten, in denen sich der Grundherr ausschließlich um seine Hintersassen gekümmert und gesagt hat: Das sind meine Leute!, und das hat er aber besitzend gemeint.

In diese Position begeben wir uns, wenn wir plötzlich solche soziale Rechte an der Staatsbürgerschaft festmachen, bei der Steuerpflicht aber ganz genau darauf achten, daß die unbeschränkte Steuerpflicht nicht an der Staatsbürgerschaft festmacht, sondern an anderen Kriterien, und zwar an durchaus vergleichbaren Kriterien. Das heißt, wenn es darum geht, im größtmöglichen Umfang zu kassieren, gelten alle Merkmale, die nützlich sind, aber wenn es gilt, die gegebenen Versprechen einzulösen, das heißt, auch Zahlungen aus diesem Titel zu leisten, dann wird ein Teil dieser Merkmale zurückgenommen, damit man das Versprechen nicht einhalten muß.

Das erinnert mich an einen, der einen Eid schwört und ihn hinter dem Rücken mit gekreuzten Fingern in die Erde ableitet. Das ist nicht gut – auch wenn in diesem Fall die Stimmbürger dieser Republik, die Wahlberechtigten, die Staatsbürger nicht betroffen sind. Das ist vertrauenserschütternd! Glauben Sie mir: Viel mehr Menschen, als Sie meinen, wohnen ohne Streit Tür an Tür, und zwar mit nicht-österreichischen Staatsbürgern, die in diesem Lande leben; und diese wissen, was denen angetan wird, und das gefällt ihnen nicht. Auch dadurch wird das Vertrauen erschüttert!

Es ist aber eine alte liberale Forderung, daß man nicht-österreichischen Mitbewohnern in diesem Lande auch politische Mitwirkungsrechte geben muß. Ich wage die Prognose – sie ist nicht kühn –: Wenn wir politische Mitspracherechte für diese Personen hätten, dann würde mit ihnen nicht so umgegangen werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

In diesem Sinne möchte ich jetzt zum Ende meiner Ausführungen kommen und Ihnen sagen: Es ließe sich die Liste der Beispiele, die ich gebracht habe, unendlich fortsetzen: in Richtung Budgetwahrheit, in Richtung Intransparenz, in Richtung asymmetrische Rechte, mehr kassieren als Versprechen einhalten, unvernünftige Lenkungsmaßnahmen, wie zum Beispiel im Bereich Wohnbausanierung. Das ist das Gegenteil von dem, was angesagt wäre, um eine echte Arbeitsmarktoffensive zu machen, von der hier gesprochen wird. Niemand weiß, wie Unternehmensgründungen erfolgen sollen, wenn gleichzeitig eine Mindestkörperschaftsteuer von 50 000 S eingeführt wird, die gerade bei in Gründung stehenden Unternehmen katastrophale Cash-Wirksamkeiten entfalten wird, und bei den Unternehmen, die ohnedies florieren, keinen


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Effekt hat, weil deren Zahlungen ohnedies deutlich mehr als 50 000 S im Monat an Körperschaftsteuer betragen. Es sollte Ihnen auf diese Unternehmen ankommen, die erfolgreich wirtschaften, gute Gewinne erzielen können und dann selbstverständlich auch gerne die in Österreich durchaus – das anerkenne ich im unternehmerischen Bereich – moderaten Steuern abführen werden. Diese Betriebe zahlen Steuern aus Erträgen, während jene, bei denen Sie die Mindest-KÖSt einheben, Steuern aus der Substanz zahlen müssen! Diese Betriebe müssen auf ihr Stammkapital zurückgreifen, um die Steuern zahlen zu können. Das heißt, Sie beschleunigen bereits das Ende von Unternehmensgründungen, bevor diese überhaupt noch erfolgreich werden konnten.

Daher sage ich Ihnen: Wenn Ihnen nicht ab Montag mehr einfällt, als Sie heute durch Ihre Mehrheiten beschließen lassen werden – ich sage bewußt nicht: die Mehrheiten, die hier beschließen werden, sondern: Sie durch Ihre Mehrheiten beschließen lassen! –, dann wird das nicht gut ausgehen, dann werden die Bürger ab 1. Juli merken, was es wirklich bedeutet hat, daß Sie mit dem Rasenmäher über die sozialen Felder drübergefahren sind und die Klingen sehr tief eingestellt haben – sehr tief! Und überall dort, wo der Boden nicht ganz eben war, haben Sie auch schon die Wurzeln wegradiert.

Die Leute werden das merken und zunächst resignativ sein, aber spätestens bei der nächsten Gelegenheit, bei den nächsten Wahlen werden sie Ihnen sagen, was sie davon gehalten haben, denn einen Aufschwung für die nächsten Jahre lösen Sie mit diesen Maßnahmen nicht aus!

Sie geben sich einer trügerischen Hoffnung hin, wenn Sie meinen, jetzt fahren wir eben irgendwie durch das Wellental durch, dann wird der Aufschwung schon eintreten, und wenn der Aufschwung sichtbar geworden ist, kommt die nächste Wahl. – Ich sage Ihnen: Mit diesen Maßnahmen wird der Aufschwung nicht eintreten, wohl aber wird die nächste Wahl kommen. Ich freue mich darauf, daß Sie spätestens dann merken werden, daß wir recht gehabt haben. Lieber wäre es mir, Sie merken es früher, denn wenn einem an dieser Republik gelegen ist, dann ist Schadenfreude nur ein Ersatz für gemeinsames Arbeiten und sich Freuen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

10.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Mühlbachler. Ich erteile ihm das Wort.

10.03

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die beiden Regierungsparteien sind mit einem großen Auftrag an ein Reformpaket herangegangen, und ich meine, daß sie in den letzten vier Wochen auch unter Beweis gestellt haben, daß sie diesem Auftrag, den sie von der österreichischen Bevölkerung bekommen haben, nachgekommen sind. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Grabner. )

Glauben Sie, meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien, bitte nicht, daß es uns sehr leicht gefallen ist, die Gesetze, die im Rahmen der Strukturanpassungsgesetze – die immerhin 98 Veränderungen von Materien bewirkt haben – beschlossen wurden, einfach so hinzunehmen. Auch wir hatten Probleme damit, all das, was in diesen Materien verpackt ist, zumindest in großen Zügen zu erkennen und entsprechende Beschlüsse herbeizuführen.

Ohne Zweifel hatten wir Ihnen gegenüber den Vorteil, uns auf die Regierungsmitglieder verlassen zu können. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. ) Aber – und das möchte ich schon auch sagen – wir haben es uns zum Ziel gesetzt, diese Gesetzesmaterien zumindest unter dem Gesichtspunkt zu behandeln: Was kann zum Positiven der österreichischen Bevölkerung und der österreichischen Volkswirtschaft verändert werden? – Das war unsere Zielsetzung, und daher haben wir mit großer Ausdauer an den vielen Beratungen, die mit 25. März begonnen haben, teilgenommen und uns bemüht, in diesen Beratungen aktiv mitzugestalten. (Beifall bei der ÖVP.)


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Herr Dr. Kier! Ich gebe schon zu, daß es mit der heutigen Beschlußfassung nicht abgetan sein wird, daß wir mit der heutigen Beschlußfassung nicht bereits Arbeit für die nächsten zwei Jahre – wir beschließen ja die Budgets für zwei Jahre – geleistet haben. Ich bin auch überzeugt davon, daß wir – ausgehend von dem großen Reformschub, den wir mit der heutigen Beschlußfassung herbeiführen – diese Reformen ständig korrigieren und auch der jeweiligen Situation anpassen werden müssen.

Bereits heute werden wir durch Abänderungsanträge, die durch mich und Herrn Ing. Gartlehner eingebracht werden und von uns unterzeichnet sind, dokumentieren und signalisieren, daß diese ständige Anpassung für uns etwas ganz Selbstverständliches ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aufgrund eines persönlichen Erlebnisses folgendes darlegen: In den Strukturanpassungsgesetzen war enthalten, daß es zu einer großen Neuorganisation des Gerichtswesens in den Bundesländern Oberösterreich, Steiermark und Salzburg kommen soll. In den Erklärungen und Erläuterungen zur Regierungsvorlage, wo das Interesse der rechtschutzsuchenden Bevölkerung im Vordergrund stand, habe ich keinen Grund gesehen, diese Gesetzesmaterie nicht als Antragsteller einzubringen.

Ich mußte dann aber erfahren, daß die Bevölkerung zu dieser Gesetzesmaterie eine ganz andere Stellung einnimmt, daß es gerade im ländlichen Bereich als äußerst schmerzhaft und als Auszehrung der Strukturen empfunden wird, wenn die Bezirksgerichte abgesiedelt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich werden wir darauf reagieren! Natürlich werden wir dies einer neuerlichen Diskussion unterziehen und gerade diese Argumentation auch mit hineinnehmen! (Abg. Aumayr: Herr Kollege! Wer hat denn den Antrag gestellt? – Sie haben den Antrag gestellt!)

Ich habe den Antrag gestellt, selbstverständlich, weil ich als Obmann des Budgetausschusses alle Anträge zu den Strukturanpassungsgesetzen und zu den Bundeshaushaltsgesetzen einzubringen hatte. (Abg. Aumayr: Das ist keine Entschuldigung!)

Frau Kollegin Aumayr! Wenn Sie es so wollen, muß ich es sagen: Ich bin natürlich für alle Grauslichkeiten und Einschnitte, die durch diese Sparbudgets hervorgerufen werden, schlußendlich verantwortlich, weil ich der Antragsteller bin. Glauben Sie wirklich, daß man alles innerhalb Österreichs an zwei Leuten dingfest machen kann? (Abg. Aumayr: Aber Sie haben den Antrag gestellt!)

Frau Kollegin Aumayr! Ich habe zumindest selbst Recherchen durchgeführt, und aufgrund dieser Recherchen habe ich erkannt, daß es tatsächlich einen Änderungsbedarf gibt. (Abg. Ing. Reichhold: Sie stellen den Antrag, und dann drücken Sie sich!)

Das zeigt auch, daß wir durchaus in der Lage sind (Abg. Ing. Reichhold: Das ist eine Umeinanderbastlerei!), Strukturen zu verändern, sie nicht als Absolutum hinzustellen, sondern uns tatsächlich mit den Bedürfnissen der Bevölkerung auseinanderzusetzen. (Beifall bei der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe der Abg. Aumayr und Ing. Reichhold. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Ing. Reichhold: Das ist eine Peinlichkeit!) Ich glaube, die Budgetdiskussion der letzten zwei Wochen hat gezeigt, daß es eigentlich nur darum ging, daß die einzelnen Parteien politische Positionen an die Öffentlichkeit herangetragen haben. Die eigentliche Kritik an den Bundesfinanzgesetzen war eher spärlich.

Was mich persönlich gestört hat, war die mangelnde Sprachkultur. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten uns schon ins Bewußtsein rufen: Wir dürfen nicht erwarten, daß dieses Parlament in der Öffentlichkeit hohes Ansehen genießt, wenn wir ständig mit Verbalinjurien um uns schlagen. Das kann so nicht weitergehen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen als Bürgermeister: Viele der hier in diesen Sprachverwahrlosungsprozeß Involvierten sollten einmal an Gemeinderatssitzungen teilnehmen. Ich habe wirklich oftmals festgestellt, daß die Leute, die dort ehrenamtlich tätig sind, ihr Amt so verstehen, daß Sie vorbildlich


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für die Bevölkerung wirken wollen und dies auch in ihrem Sprachgebrauch zum Ausdruck bringen. Das sollte uns als Beispiel dienen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir von der Österreichischen Volkspartei sind uns dessen bewußt, daß wir mit der Beschlußfassung der Bundesfinanzgesetze für 1996 und 1997 der österreichischen Bevölkerung doch eine große Bürde auflasten. Allerdings wissen wir auch, daß wir mit dem Verständnis der österreichischen Bevölkerung rechnen können. (Abg. Wabl: Woher wissen Sie das?) Das wissen wir aus Umfragen. Wir werden alles daransetzen, der österreichischen Bevölkerung die Sinnhaftigkeit dieser Reformmaßnahmen auch darzulegen, und wir werden versuchen, für diese Reformmaßnahmen Akzeptanz auf breitester Basis zu finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Aufgrund veränderter Prognosen und daraus resultierender Veränderungen in den Bundeshaushalten 1996 und 1997 habe ich die Aufgabe, Abänderungsanträge dazu einzubringen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler, Ing. Gartlehner zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996 samt Anlagen (70 und Zu 70 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (96 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. In der Anlage I der im Titel bezeichneten Regierungsvorlage ist beim Voranschlagsansatz 2/54854 der Aufgabenbereich auf "33" zu ändern.

2. Die Änderung ist auch in der Anlage Ic entsprechend zu berücksichtigen.

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler, Ing. Gartlehner zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1997 samt Anlagen (71 und Zu 71 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (97 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. In der Anlage I der im Titel bezeichneten Regierungsvorlage ist beim Voranschlagsansatz 2/54854 der Aufgabenbereich auf "33" zu ändern.

2. Die Änderung ist auch in der Anlage Ic entsprechend zu berücksichtigen.

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler, Ing. Gartlehner zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996 samt Anlagen (70 und Zu 70 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (96 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:


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Im Artikel III Abs. 2 ist im letzten Satz die vH-Angabe "3,8" durch die vH-Angabe "2,7" zu ersetzen.

Die Begründung liegt in der Anpassung an die Revision der Wirtschaftsprognose.

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler, Ing. Gartlehner zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1997 samt Anlagen (71 und Zu 71 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (97 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. Im Artikel III Abs. 2 ist im letzten Satz die vH-Angabe "2,7" durch die vH-Angabe "2,6" zu ersetzen.

2. Im Artikel VII Z 12 lautet der Voranschlagsansatz "1/17208", und im Artikel VII Z 13 lautet der Voranschlagsansatz "1/18608".

3. Im Artikel X Abs. 1 Z 2 ist der Klammerausdruck nach dem Voranschlagsansatz 1/17218 zu streichen und nach dem Voranschlagsansatz 1/20508 der Voranschlagsansatz "1/53297" einzufügen.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich als Obmann des Budgetausschusses nach diesen vier Wochen intensiver Beratungen, die von den Abgeordneten, aber auch von Vertretern der Ministerien geführt worden sind, für die enorme Arbeit, die in diesen Beratungen geleistet wurde, bei allen Beteiligten recht herzlich bedanken (Beifall bei ÖVP und SPÖ): bei allen Parteien, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien und selbstverständlich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hohen Hauses.

Ich hoffe, daß durch diese beiden Budgets in Österreich Impulse gesetzt werden, die uns tatsächlich dem Ziel, daß der Staat in Hinkunft schlanker und effizienter wird und wir aufgrund dessen unsere hervorragende Stellung im Konzert der Europäischen Union beibehalten, näherbringen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Diese vier Anträge sind ordnungsgemäß unterfertigt und eingebracht und stehen daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Justiz. Ich erteile es ihm.

10.19

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Vorredner ist sehr ausführlich auf eine Strukturverbesserungsmaßnahme eingegangen, nämlich auf die befriedigende Organisationsstruktur auf Bezirksgerichtsebene.

Dieses Thema stellt derzeit auch in der Öffentlichkeit einen wichtigen Diskussionspunkt dar, und ich finde es daher sinnvoll, wenn ich diesbezüglich meine grundsätzliche Haltung einmal hier offiziell zum Ausdruck bringe: Es war mir stets ein Anliegen, die Rahmenbedingungen für eine unabhängige, funktionstüchtige, bevölkerungsbedarfsgerechte und vor allem auch rasch arbeitende Rechtspflege zu verbessern. Für die optimale Leistungskraft jedes Unternehmens, jedes Betriebes – auch ein Bezirksgericht ist ein Betrieb –, ist heute eine gewisse Mindestgröße unabdingbar. Nur eine Mindestgröße ermöglicht eine heute auch für die Juristerei unverzicht


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bare, zumindest im Ansatz vorgenommene Spezialisierung, bietet die Möglichkeit für eine unkomplizierte wechselseitige Vertretung bei Verhinderung und gewährleistet die ständige Präsenz eines Richters bei Gericht.

Kleinstgerichte, wo nicht einmal richterlich zu erledigende Geschäftsfälle anfallen, die die Arbeitskraft eines Richters auslasten würden, weisen Richterüberkapazitäten auf, die zum Teil – naturgemäß unwirtschaftlich – durch anderweitige Tätigkeiten ausgeglichen werden, zum Teil aber auch durch Ernennung an einer zweiten Amtsstelle, was dazu führt, daß der Richter nur einzelne Tage in der Woche bei dem einen beziehungsweise bei dem anderen Gericht anzutreffen ist.

Es liegt auf der Hand, daß es für die betroffene rechtssuchende Bevölkerung von Nachteil ist, wenn der Richter nur einzelne Tage in der Woche, die nicht einmal voraussehbar sind, an ihrem Gericht präsent ist.

Meine Damen und Herren! Begrenzte Ressourcen erfordern es, besonderes Augenmerk auch auf eine bundesweit möglichst große Gleichmäßigkeit zu legen: sowohl im städtischen Ballungsgebiet als auch im ländlichen Raum, sowohl bei der Auslastung der Richter als auch bei der Rechtsgewährung, für die Bevölkerung. Auch der Rechnungshof hat schon mehrfach auf die Möglichkeit und die Notwendigkeit betriebswirtschaftlicher Rationalisierungs- und Einsparungsmaßnahmen bei kleineren Bezirksgerichten hingewiesen.

Die Justiz weist im Vergleich zu anderen Behördenstrukturen eine sehr hohe Dezentralisierung auf. Es gibt mehr als doppelt so viele Bezirksgerichte als Bezirkshauptmannschaften, obwohl der Bürger im Laufe seines Lebens ungleich häufiger die weiter entfernt gelegene Bezirkshauptmannschaft aufsucht, als, wenn überhaupt jemals, das näher gelegene Bezirksgericht. Denken Sie etwa an die Zuständigkeiten der Bezirkshauptmannschaften für Führerscheine, Reisedokumente, Jugendwohlfahrtsangelegenheiten, Gewerbeanmeldungen, Kraftfahrzeugzulassungen und vieles andere mehr.

Zur Aufrechterhaltung der dezentralen Struktur der Justiz sowie als Gegenmaßnahme zu den Konzentrationstendenzen in die Ballungsräume hat die Justiz eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die in keinem anderen Bereich zu finden sind. Insbesondere haben massive, bis an die Grenze des Vertretbaren normierte Kompetenzverlagerungen von den Gerichtshöfen zu den Bezirksgerichten stattgefunden: etwa alle Familienrechtssachen, einschließlich der Ehescheidungen, alle Zivilprozesse bis zu einem Streitwert von 100 000 S gegenüber früher 30 000 S, fast alle Strafsachen, die höchstens mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bedroht sind.

Diese Kompetenzverlagerungen haben sich aber – naturgemäß, möchte ich sagen – bei den kleinsten und Kleingerichten nur marginal ausgewirkt. Eine weitere Kompetenzaufstockung bei den Bezirksgerichten, von Geldwertanpassungen des Streitwertes abgesehen, sehe ich wirklich nicht.

Eine Verbesserung der Leistungskraft der Justiz auf der Bezirksgerichtsebene durch Vergrößerung der Betriebseinheit Bezirksgericht ist daher nur durch eine Änderung der im großen und ganzen noch aus dem vorigen Jahrhundert stammenden Bezirksgerichtsstruktur, also durch eine Zusammenlegung von Klein- und Kleinstgerichten, möglich.

Dies wird dadurch erleichtert, daß sich die Verkehrsverhältnisse in den letzten Jahrzehnten außerordentlich verbessert haben, daß ganz allgemein die Mobilität der Bevölkerung – denken Sie an den regelmäßigen Einkauf in den Einkaufszentren! – eine ungleich höhere als früher ist, und daß schließlich vor allem auch das Grundbuch von überall her abgefragt werden kann.

Im Hinblick auf die derzeitige Rechtslage, wonach Verordnungen der Bundesregierung zur Änderung der Bezirksgerichtsstruktur der Zustimmung der Landesregierung bedürfen, hat das Bundesministerium für Justiz nach erfolgreichem Abschluß der Zusammenlegung von 14 Bezirksgerichten in Niederösterreich vor einigen Jahren nunmehr schon seit mehreren Jahren anhand von konkreten Vorschlägen, in denen alle Details enthalten sind, Gespräche mit den von


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den weiteren von uns in Aussicht genommenen Zusammenlegungen betroffenen Landesregierungen der Steiermark, Oberösterreichs und Salzburgs – die übrigen Bundesländer kommen dabei ohnehin nicht in Frage – geführt, ohne daß es bisher zu einem befriedigenden Ergebnis gekommen wäre. Im Gegenteil: Ich habe den Eindruck, daß sich die betroffenen Landesregierungen unter Rücksichtnahme auf örtliche Wünsche und immer wieder bevorstehende Wahlen et cetera zu einer ausdrücklichen Zustimmung immer weniger imstande sehen.

Meine Damen und Herren! Auch bei einer veränderten Verfassungsrechtslage, wonach für Verordnungen der Bundesregierung – nicht nur des Justizministers – betreffend Bezirksgerichtsstrukturmaßnahmen innerhalb eines Bezirkshauptmannschaftssprengels – und nur solche sollen von dieser Regelung erfaßt werden – nur mehr die Anhörung anstatt der Zustimmung der Landesregierung erforderlich ist, ist es nicht mein Ziel, pro Bezirkshauptmannschaft nur ein Bezirksgericht einzurichten, und schon gar nicht wollen wir eine mindestens fünf Richter beschäftigende Bezirksgerichtsgröße. Solche in der Öffentlichkeit gemachten Äußerungen sind reine Stimmungsmache.

Auch bei geänderter Verfassungsrechtslage bleibe ich bei den schon bisher in Niederösterreich angewandten und mit den Landesregierungen der genannten drei Länder debattierten Parametern für die Zusammenlegung, nämlich daß der richterlich zu erledigende Geschäftsanfall des Bezirksgerichtes nicht wenigstens einen Richter auslastet oder dieser Geschäftsanfall zwar etwas höher ist, etwa eineinhalb Richter auslastet, aber der Standort dieses Gerichtes nahe dem aufnehmenden Gericht ist.

Ich habe dies sowohl gegenüber allen Landeshauptleuten als auch gegenüber dem Nationalrat mündlich und in Beantwortung schriftlicher Anfragen und zuletzt auch gestern dezidiert im Bundesrat erklärt. Selbstverständlich würde ich hinsichtlich der danach konkret in Frage kommenden Gerichte wie bisher auch weitere sachbezogene Gespräche mit den betroffenen Landesregierungen suchen, deren Meinungen anhören und ihnen einmal mehr unsere Argumente vortragen, um zu möglichst einvernehmlichen Regelungen zu kommen.

Ebenso habe ich stets betont – und versichere das auch hier –, daß Zusammenlegungsmaßnahmen im Interesse der Bevölkerung durch Begleitmaßnahmen, wie dies etwa auch in Niederösterreich geschehen ist, durch regelmäßige Gerichtstage am Standort des früheren Gerichtes abgefedert werden, sodaß die Bevölkerung die Möglichkeit hat, entweder am Gerichtstag am alten Standort oder an allen anderen Tagen am neuen Standort einen Richter anzutreffen. Weiters setzen wir uns für die Beibehaltung des örtlichen Notariats und die Überlassung des Grundbuchabfragegerätes an die Gemeinde ein.

Darüber hinaus werden wir im Interesse der Richter und der Gerichtsbediensteten mit deren Standesvertretungen Lösungskonzepte erarbeiten, ähnlich wie das auch in Niederösterreich geschehen ist, sodaß es zu keinen dienstrechtlichen Verschlechterungen kommt.

Wenn auch im wohlverstandenen Interesse der Bevölkerung die Stärkung der Leistungskraft der Bezirksgerichte im Vordergrund unserer Überlegungen zu den Zusammenlegungen steht, so ergeben sich daraus natürlich auch mannigfache Einsparungspotentiale – Einsparungen von Ressourcen, die wirkungsvoll anderwärtig eingesetzt werden und zu einem gewissen Ausgleich in der unterschiedlichen Anfallsituation führen können. In Niederösterreich ergibt dies – abgesehen von den beträchtlichen Einmaleffekten durch Aufgabe der Standorte – dauernde Einsparungen in steigender Höhe, derzeit schon zirka 9 bis 10 Millionen Schilling jährlich. Es stimmt daher nicht – wie ebenfalls stimmungsmachend behauptet wurde –, daß Zusammenlegungen keine Einsparungen, sondern Verteuerungen mit sich bringen.

Es wurden aufgrund der jüngsten Zusammenlegungen in Niederösterreich, so wie auch seinerzeit in Kärnten und bei der ersten Tranche in der Steiermark – und dies wird auch vom Landeshauptmann von Niederösterreich abwärts und, wie ich hoffe, auch von den niederösterreichischen Abgeordneten bestätigt –, weder von seiten der Bevölkerung noch von seiten der Landesbehörden Klagen über negative Auswirkungen erhoben. Vielmehr wurden diese Zusammenlegungen allseits als eine Stärkung der Justiz im Interesse der rechtsuchenden


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Bevölkerung empfunden und gewürdigt. Ich bin sicher, daß dies auch bei den von mir geplanten weiteren Zusammenlegungen von Bezirksgerichten so sein wird. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

10.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Herr Professor, Sie haben das Wort.

10.33

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit einigen Zitaten aus einer Presseaussendung der Bundesgeschäftsführerin der SPÖ, Brigitte Ederer, die auch unsere Kollegin hier im Hohen Haus ist. In dieser Aussendung wurden verschiedene Ermahnungen – oder soll ich sagen: Abmahnungen? – gegenüber den Grünen ausgesprochen, und darauf möchte ich kurz replizieren. Verteilungspolitik stehe ebenso wie Vollbeschäftigung im Mittelpunkt sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik, denn Einkommensverlust hängt eng mit Arbeitsplatzverlust zusammen, sagt Gitti Ederer. – Dem zweiten Teil dieser Satzkombination stimme ich durchaus zu: Einkommensverlust hängt eng mit Arbeitsplatzverlust zusammen, das heißt, Beschäftigungspolitik ist mit eines der wichtigsten Instrumente jeder Verteilungspolitik beziehungsweise einer Politik, die Armut bekämpft.

Den ersten Teil darf man, glaube ich, schon ein bißchen in Zweifel ziehen. Wie schaut es wirklich mit der Vollbeschäftigungspolitik aus, soweit sie sich jetzt in diesem Budgetprogramm widerspiegelt?

Ich habe ungefähr vor einer Woche hier von diesem Pult aus gesagt, daß ich glaube, daß die Achillesferse, das wirkliche Problem dieses Budgets im Arbeitsmarkt liegt, in den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, und zwar aus zumindest drei Gründen: aufgrund der naheliegenden makroökonomischen Effekte – Steuererhöhungen, Ausgabenkürzungen können sich nicht per se beschäftigungserhöhend auswirken –, der restriktiven Politik im Bereich des öffentlichen Dienstes, so zweckmäßig diese aus anderen Gründen sein mag, und der dritte Grund ist die Erschwernis der Frühpensionierung, was sich bis zu einem gewissen Grad zu Lasten der jüngeren Arbeitsuchenden auswirken wird. Für jede dieser Maßnahmen – ich habe es schon gesagt – gibt es gute Gründe, aber in Summe gesehen kann das kein expansives Beschäftigungsprogramm ergeben.

Es gibt einige gegensteuernde Maßnahmen im Budget, das bestreiten wir nicht. Das Problem ist allerdings, daß Sie aus Sicht von uns Grünen die falschen Prioritäten setzen, nämlich vor allem in der Bauwirtschaft. Es kann nicht sein, daß die industrielle Zukunft Österreichs auf Dauer in einem Bereich liegt, der ohnedies im internationalen Vergleich sehr stark ausgeprägt ist. Und dazu kommt noch – aus Sicht der Grünen besonders ärgerlich – das große Förderungsprogramm im Bereich des Straßenbaus.

Dieses ist aus zwei Gründen ärgerlich: Erstens gibt es andere Bereiche, wo 1 Milliarde Schilling an Förderungen größere Beschäftigungseffekte hätte, zum Beispiel – Kollege Kier hat es schon erwähnt – im Bereich der Althaussanierung, im Bereich der Wärmedämmung. Das hätte aus Sicht der Grünen zweitens noch den Vorteil gehabt, daß die CO2-Emissionen drastisch reduziert würden. Und wenn wir das Toronto-Ziel auch nur einigermaßen ernst nehmen, kommen wir sowieso um Maßnahmen in diesem ganz entscheidenden Bereich, nämlich der Heizung in Wohnbauten, nicht herum. Mit dem Straßenbau wird jedoch genau jener Bereich gefördert, der jetzt schon die höchsten CO2-Emissionen hat und außerdem die höchste Dynamik, also den raschesten Anstieg an CO2-Emissionen.

Ich habe schon am 16. April von hier aus verschiedene Maßnahmen angedeutet, die im Rahmen einer Beschäftigungspolitik gesetzt werden könnten. Diese finden sich – leider – noch nicht im Budget. Sie reichen von einer anderen Arbeitsverteilung, beispielsweise durch die


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Einführung halbjähriger oder ganzjähriger Sabbaticals, bis hin zu Maßnahmen, die Arbeitskosten vom Arbeitgeber aus gesehen zu senken.

Im übrigen: Was die Umverteilung der Arbeit beispielsweise durch die Einführung von Sabbaticals betrifft, so ist das ja nicht unbedingt nur eine Idee der Grünen. Ich kann mich gut daran erinnern, daß in der Zeitschrift "Wirtschaft und Gesellschaft", die von der Arbeiterkammer publiziert wird, gerade dazu ein Aufsatz von einem Mitarbeiter der Wiener Arbeiterkammer, nämlich Michael Tölle, erschienen ist. Dort können Sie nachlesen, wie zum Beispiel in Dänemark diese Sabbaticals durchgeführt werden und inwieweit sie den Arbeitsmarkt entlasten.

Fest steht jedenfalls – schauen Sie sich die letzte Wifo-Prognose noch einmal an –, daß die Prognose der Arbeitslosenraten nach der Erstellung der Budgets für 1996 und 1997 drastisch nach oben korrigiert werden mußte, die, so bedauerlich das ist, 1996 und 1997 ein Niveau erreichen werden, das wir seit den fünfziger Jahren nicht mehr kennen. Das ist nicht die Schuld der Grünen. Ich meine, da steht noch etwas an sozialdemokratischer Politik aus. Es genügt nicht, Vollbeschäftigung plakativ zu beschwören.

Brigitte Ederer hat außerdem gemeint, es sei schon richtig, daß das Steuersystem nicht stark genug von oben nach unten umverteile, daß aber das Konsolidierungsprogramm diesem Umstand dadurch begegne, daß Steuermaßnahmen primär mittlere und obere Einkommensschichten betreffen. Sie nennt als Beispiele unter anderem die neue Regelung bei den Überstunden, die Einschleifung des allgemeinen Absetzbetrages und die Einschleifung der Sonderausgaben für höhere Einkommen.

Ich kann mich nicht erinnern, daß ich hier von diesem Rednerpult aus oder sonstwo diese drei Maßnahmen kritisiert hätte oder irgendein anderer Grüner dies getan hätte. In der Tat: Sie stellen eine Maßnahme im Bereich der Beibehaltung der Progression dar und sind so gesehen ein kleines Gegengewicht zu anderen Maßnahmen. Ich werde sie auch in Zukunft nicht kritisieren, obwohl sie zum Beispiel mich persönlich rund 20 000 S netto im Jahr kosten werden. Aber ich empfinde das innerhalb des gesamten Steuersystems als vertretbar.

Zu verlangen, daß die Grünen aus solchen isolierten Erwägungen den Steuererhöhungen im Bereich der Einkommensbesteuerung zustimmen sollen, ist aber ein bißchen viel verlangt. Das finde ich etwas naiv, um nicht zu sagen scheinheilig. (Beifall bei den Grünen.)

Man muß das ja im Paket sehen, und wenn das Paket zum Beispiel Kürzungen im Bereich der Universitäten umfaßt und gleichzeitig Erhöhungen im Bereich von Straßenbau und Wohnbauförderung, dann werden Sie wohl verstehen, daß diese Art von Paket aus Sicht von uns Grünen nicht akzeptabel ist. Das schließt natürlich nicht aus, daß das eine oder andere Detail auch aus unserer Sicht richtig ist.

Ich hätte es auch vorgezogen, wenn die eine oder andere steuerliche Maßnahme ersetzt worden wäre durch einen befristeten Zuschlag zur Einkommensteuer, mit einem von vornherein angegebenen degressiven Abbauplan, um den Druck zu erhöhen, daß die berühmten Strukturreformen, die immer angekündigt werden, auch kommen. – Übrigens, Kollege Trattner: Sie können sich bestimmt daran erinnern, daß auch Professor Holzmann diesen Vorschlag im Budgethearing gemacht hat. (Abg. Böhacker: Wissenschaftliche Meinung!) Natürlich.

Brigitte Ederer weist auch darauf hin, daß die Sozialtransfers dem untersten Einkommensdrittel überproportional zugute kommen. Das bestätigen auch die Wifo-Studien immer wieder. Und das ist ein großer Bereich, in dem Sie jetzt massive Kürzungen vornehmen: genau in jenen Bereichen, die für die untersten Einkommensklassen wesentlich sind, nämlich bei der Arbeitslosenunterstützung, der Notstandshilfe und der Sozialtransfers. Das ist ja gerade das Problem!

Abschließend zu Brigitte Ederer. Sie ermahnt uns, wenn wir schon die hohen Realzinsen beklagen, dann müßten wir doch auch für die Wirtschafts- und Währungsunion, vor allem für die letztere sein. – Na sicher! Ich glaube nicht, daß wir diese Ermahnung brauchen. Es ist keine zwei Tage her, daß ich hier an diesem Rednerpult massiv für die rasche Einführung der Währungsunion eingetreten bin. Probleme haben wir nur mit den Konvergenzkriterien, aber


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nicht mit der Währungsunion als solcher. Meinungsunterschiede gibt es, wie ich annehme, in allen Parteien, so auch innerhalb der Grünen, bezüglich des optimalen Zeitplanes, ob wir vielleicht doch ein bißchen verschieben sollen oder nicht. Aber hinsichtlich der Währungsunion als solcher gibt es keine Auseinandersetzungen. Ich glaube, das kann man inzwischen auch schon in irgendwelchen offiziellen Parteipapieren nachlesen. (Abg. Schwarzenberger: Vertritt das auch Voggenhuber? In Salzburg hat er in der Vergangenheit andere Aussagen gemacht!) Voggenhuber legt sehr starkes Gewicht auf die Kritik der Konvergenzkriterien – das habe auch ich hier getan –, aber die Währungsunion als solche sieht er durchaus positiv. Vielleicht nicht so positiv wie ich, das gebe ich gerne zu – da wird es schon Nuancen geben –, aber im großen und ganzen doch. (Abg. Schwarzenberger: Schon ein Fortschritt!)

Die Details der Kritik der Grünen wiederhole ich hier nicht, das kann man in der abweichenden Stellungnahme zum Bericht des Budgetausschusses, die Ihnen ja seit 14 Tagen schriftlich vorliegt, nachlesen.

Abschließend möchte ich einen Blick nach vorne machen. Was könnte man denn in den nächsten ein, zwei Jahren alles an Reformen innerhalb des Budgetprozesses angehen? – Wir warten mit einer gewissen Spannung auf das nächste Budgetprogramm. Das letzte war nicht so besonders – ich glaube, das brauche ich jetzt nicht im Detail zu wiederholen, es war halt auch das erste –: Es war binnen weniger Monate überholt, und – was für mich das Bedenklichste war – die an sich vorgesehenen Ausgabenplafonds für die einzelnen Ressorts wurden in der entscheidenden Ministerratssitzung gestrichen. Also wir sind jetzt sehr gespannt darauf, wie das nächste Budgetprogramm ausschauen wird, das ja spätestens im September 1996 vorzulegen ist.

Ich frage mich jedoch, ob diese Frist nicht verkürzt werden sollte. Denn es macht ja wenig Sinn, einerseits eine Regierungserklärung, ein Koalitionsübereinkommen vorzulegen und erst sechs Monate später das Budgetprogramm, das mit den Koalitionsvereinbarungen übereinstimmen muß, sonst macht es ja keinen Sinn. Abgeordnete von ÖVP und SPÖ haben ja hier vor ungefähr zwei Jahren etwas großspurig gesagt, daß das Budgetprogramm – wie hieß das noch? – das "in Zahlen gegossene Regierungsprogramm" ist. Also das war ein bißchen übertrieben, aber in der Tendenz stimmt es natürlich. Aus dem Budgetprogramm muß man ersehen können, wie ihr euch die nächsten vier Jahre Regierungsarbeit konkret vorstellt, und zwar nicht erst sechs Monate nach der Regierungserklärung, sondern eigentlich müßte man das gleichzeitig mit der Regierungserklärung wissen.

Die Kostenrechnungen: Es wird am 15. Mai hier im Parlament eine Enquete zur Frage der Kostenrechnungen in den einzelnen Ressorts beziehungsweise in der öffentlichen Verwaltung und zur Rolle des Budgetausschusses geben. Und ich sage ganz offen: Ich bin froh darüber, daß SPÖ und ÖVP diese Initiative sehr unterstützt und namentlich die Klubobleute Khol und Kostelka eben diese Enquete für 15. Mai organisiert haben. Ich bin sehr gespannt darauf, was herauskommen wird.

Inzwischen könnte man zum Beispiel folgendes machen: Es gibt ganz wenige Ressorts, die eine Kostenrechnung machen, obwohl der Ministerrat 1992 beschlossen hat, daß alle das tun sollen. Das Wirtschaftsministerium macht eine Kostenrechnung. Jetzt würde mich interessieren, zu welchen Konsequenzen das dort geführt hat. Ein Beamter hat mir einmal erzählt, sie hätten dort anläßlich der Durchführung dieser Kostenrechnung herausgefunden, daß bei Dienstreisen – ich habe jetzt die Zahl vergessen, aber sagen wir 10 000, 15 000 S, es war ein relativ hoher Betrag –, also bei Dienstreisen bis zu diesem Betrag die Abrechnung teurer ist als die Dienstreise selbst. – Ich meine, das ist ein interessantes Resultat. Das sagt einiges aus über den Papierkram, über die bürokratischen Reibungsverluste, die da auftreten. Da stimmt doch irgend etwas nicht.

Wenn allerdings eine Kostenrechnung zeigt, daß die Reisekostenabrechnung teurer ist als die Reise selbst, aber dann nichts passiert, dann ist das natürlich ein Unfug. Die Gefahr, die ich sehe, ist, daß wir Kostenrechnungen einführen und dadurch zusätzliche Kosten haben werden – nämlich für die Kostenrechnung und so weiter –, aber trotzdem keine Konsequenzen daraus


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gezogen werden. Wir müssen also einen Mechanismus überlegen – Sanktionen, Anreize –, damit diese Kostenrechnung tatsächlich zu etwas führt, nämlich zu einer Einsparung, zu einem effizienteren Ablauf des Verwaltungsprozesses.

Der nächste Punkt ist eine Kleinigkeit, aber er ist, glaube ich, seit 50, wenn nicht seit 200 Jahren bekannt: das "Dezemberfieber". Gibt es wirklich keine Möglichkeit, mit diesem "Dezemberfieber" anders umzugehen? Ich meine damit das Phänomen, daß man spätestens im Dezember ausgeben muß, was man noch zur Verfügung hat, weil es sonst verfällt. Und nicht nur das: Es verfällt nicht nur, sondern wenn man sparsam – sich gebärdet, hätte ich fast gesagt – gebart hat, läuft man Gefahr, im nächsten Jahr noch weniger Mittel zu bekommen, weil die Budgets die Tendenz haben, immer am Vorjahr anzuknüpfen. Es gibt relativ einfache Mechanismen, das zu ändern, zum Beispiel durch eine erleichterte Rücklagenzuführung. Allerdings müßte das damit verbunden sein, daß die Auflösung der Rücklage dann im Jahre t + 1 nicht auf den Ausgabenansatz des Jahres t + 1 angerechnet werden darf, denn sonst hat man ja erst nichts davon, wenn man eine Rücklage bildet.

Untersuchenswert wäre auch, warum bestimmte Instrumente, die das Bundeshaushaltsgesetz jetzt schon vorsieht, nicht oder jedenfalls unzureichend, zu wenig genützt werden. Eines davon ist § 17 Absatz 4 des Bundeshaushaltsgesetzes zur Durchführung von Kosten-Nutzen-Untersuchungen. Ich habe langsam den Eindruck, daß dieser Paragraph deswegen totes Recht geblieben ist, weil vielleicht im Finanzministerium, vielleicht auch anderswo zu strikte Vorstellungen bestanden haben, was eine KNU – eine Kosten- und Nutzen-Untersuchung – unbedingt sein muß. Jedenfalls ist die Verordnung, die das Finanzministerium zu erlassen hätte, schon seit anno Schnee ausständig. Ich halte gar nicht so viel davon, das mittels Verordnungen im Detail zu lösen. Jedes Ressort hat ganz unterschiedliche Problemfelder. Es ist ein großer Unterschied, ob eine Kosten-Nutzen-Untersuchung für ein Straßenprojekt oder beispielsweise im Gesundheitsbereich durchgeführt wird, und da sollte man nicht zu sehr mit einheitlichen Methoden drüberfahren.

Das andere ist ein ähnlicher Bereich: § 47 sieht vor, daß bei größeren Einzelvorhaben eine Erfolgskontrolle durchzuführen ist. Warum wird das nicht oder zu wenig gemacht? Warum haben beispielsweise Minister zuwenig Anreiz, sich zumindest ex post, also im nachhinein, darüber informieren zu lassen, ob ein Projekt funktioniert hat oder nicht, und wenn nein, warum nicht?

Nächster Punkt, der jetzt im auch Rahmen unserer Budgetberatungen eine gewisse Bedeutung hat: § 14. Dieser sieht vor, daß zumindest die finanziellen Auswirkungen von Regierungsvorlagen ausgewiesen sein müssen.

Ich kann mich daran erinnern, daß innerhalb der 98 Gesetze im Rahmen dieses Budgetpaketes vereinzelt – zum Beispiel im Rahmen der ASVG-Novellierungen – im Detail aufgelistet wird: das bringt 5 Millionen, das bringt 6,3 Millionen und so weiter, und daß es andere riesige Bereiche gibt – und das dürfte die große Mehrzahl sein –, wo überhaupt keine Abschätzung finanzieller Auswirkungen vorliegt. Gar keine!

Jeder von uns weiß, daß es laufend Regierungsvorlagen, also Gesetzentwürfe gibt, wo die Kostenschätzung offensichtlich unrichtig ist – wo drinsteht: keine Kosten, und ein Blinder merkt, das kann nicht stimmen –, und es gibt keine Konsequenzen daraus. Deswegen denke ich, der Ausschuß – sei es der Budgetausschuß, sei es in der Regel der Fachausschuß – sollte die Möglichkeit bekommen, beim Fehlen oder Vorliegen offensichtlich falscher Kostenschätzungen tätig zu werden. Das allein ist allerdings auch zu wenig, denn dann fährt die Mehrheit wieder drüber. Also muß es eine qualifizierte Minderheit des Ausschusses sein, die die Berechnung finanzieller Auswirkungen einfordern kann – oder zum Beispiel das Recht hat, den Rechnungshof zu beauftragen, seine Meinung dazu abzugeben, ob diese Kostenschätzung oder Steuerausfallschätzung einigermaßen plausibel ist oder nicht.

Letzter Punkt – auch das wird uns in der Enquete am 15. Mai beschäftigen –: die Frage, ob man nicht aufgrund von Erfahrungen im Ausland die Rolle des Budgetausschusses verstärken sollte


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und könnte. Das ist eine sehr komplexe Frage, ich gestehe das gerne zu, nicht nur im ökonomischen, sondern auch im juristischen Bereich. Ich bin sehr froh darüber, daß wir das Vergnügen haben werden, bei der Enquete den Vorsitzenden des deutschen Haushaltsausschusses zu hören. Der deutsche Haushaltsausschuß ist insofern interessant – ich bitte auch die anderen Kollegen, die nicht im Budgetausschuß sind, sich das zu überlegen –, als er parallel tätig wird. Es wäre also in Deutschland nicht möglich – ich konstruiere jetzt ein Beispiel –, daß der Bau des Brenner-Basistunnels im Verkehrsausschuß beschlossen wird, das dann ins Plenum kommt, und hier geht er eben durch oder nicht, sondern es würde parallel im Haushaltsausschuß geprüft werden, ob die Daten halbwegs plausibel sind und vor allem, wie die budgetären Auswirkungen für die Folgejahre ausschauen.

Derzeit gibt es bei uns im Parlament keinen Filter – ausgenommen das mögliche Veto des Finanzministers im Ministerrat, aber das kann er nicht allzu oft ausüben –, mit dem dafür gesorgt werden würde, daß die Arbeit der Fachausschüsse budgetär begleitet, geprüft wird – ich will nicht sagen, kontrolliert wird – im Hinblick auf budgetäre Auswirkungen. Ich sehe darin einen gewissen Mangel. (Abg. Mag. Trattner: Die ÖVP ist da immer dagegen!) Wir werden sehen.

Jetzt hoffe ich einmal auf den 15. Mai, und ich denke, wenn man eine Enquete dazu macht, dann bekommt das schon eine gewisse Eigendynamik. Wir werden sicher zu interessanten Ergebnissen kommen, und dann werden wir darüber diskutieren. Ich hoffe nicht, daß jetzt schon sozusagen die Betonierungsversuche einsetzen. Ich verstehe eigentlich nicht, warum eine Partei glauben sollte, daß das nur zu ihrem Nachteil wäre. Es kann uns durchaus wechselseitig Schwierigkeiten machen, wenn es nicht mehr so leicht ist wie bisher, Gesetze zu beschließen, deren Auswirkungen nicht nur im laufenden Jahr, sondern vor allem in den Folgejahren zu wenig bekannt sind. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. Er hat das Wort.

10.54

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Van der Bellen hat eingangs erwähnt, daß er nicht den Eindruck hat, daß dieses Budgetpaket mit den Strukturmaßnahmen beschäftigungspolitisch wirksam wird. Das ist möglicherweise vordergründig nicht erkennbar, allerdings glaube ich – und er hat es dann auch in späterer Folge selbst bestätigt –, daß die Ziele, die mit diesen beiden Budgets angestrebt werden, nämlich die Konvergenzkriterien zu erreichen, um an der Europäischen Währungsunion teilnehmen zu können, sehr wohl auch ganz massiven beschäftigungspolitischen Hintergrund aufweisen. Gerade in den letzten Jahren waren durch die Abwertungen in einigen der Weichwährungsländer massive Einbrüche in den österreichischen Wirtschaftsbereichen, die im intensiven Warenaustausch mit diesen Weichwährungsländern gestanden sind, zu verzeichnen. Das heißt, auch das Ziel, die Konvergenzkriterien zu erreichen, ist eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme, ist eine beschäftigungspolitische Maßnahme.

Ich möchte ganz kurz die Wochen seit den letzten Wahlen Revue passieren lassen. Wir können darauf verweisen, daß sich die beiden Regierungsfraktionen sehr effizient, sehr schlagkräftig und sehr schnell über die Regierungszusammenarbeit der nächsten vier Jahre geeinigt haben und daß sie in sehr kurzer Zeit ein wirksames Maßnahmenbündel für Strukturanpassungsgesetze auch inhaltlich erarbeitet haben.

Wenn Kollege Kier sagt, die Messer im Rasenmäher seien zum Teil sehr tief eingestellt, so mag das durchaus richtig sein. Ich will aber nicht ausschließen, daß durchaus auch strukturpolitisch gewünschte Effekte dadurch entstehen. Aus diesem Grund sehe ich das nicht nur negativ, sondern als eine durchaus mutige Aktivität dieser Bundesregierung.

Meine Damen und Herren! Das alles ist aber auch unter dem Aspekt zu betrachten, daß diese Beschlüsse, diese politischen Übereinkommen der Koalitionspartner sehr umfangreich waren und ein gewaltiges Bündel an Aktivitäten in unserer Gesetzgebung ausgelöst haben. Es ist auch


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eine ausgezeichnete Leistung dieser Ministerialbürokratie, in so kurzer Zeit diese 22,5 Kilogramm schweren Gesetzesveränderungen zu realisieren. Ich bitte darum, das auch unter diesem Aspekt zu betrachten.

Letztendlich ist klar, daß die Vertreter der Regierungsparteien – auch die parlamentarischen Fraktionen – natürlich besser in die Entscheidungsfindung und in die Entscheidungsprozesse eingebunden waren als unsere Kolleginnen und Kollegen von den Oppositionsparteien. Das ist richtig, aber es wäre auch nicht zu verstehen, wenn sich die Regierung auf etwas einigt und dann sechs oder sieben Monate lang in diesem Hohen Haus all das diskutiert und zerredet würde.

In diesem Sinne ein herzliches Dankeschön an die Mitglieder der Bundesregierung, die dieses Paket erstellt haben, an die Beamten, die intensiv daran gearbeitet haben, und an alle Kolleginnen und Kollegen, die sich an den Diskussionen in den letzten Wochen so intensiv beteiligt haben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Sie hat das Wort.

10.58

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich wollte ich über das Innenressort und über das Sicherheitsbudget in Anwesenheit von Innenminister Einem sprechen. Aber vielleicht ist es ganz gut, daß der Herr Finanzminister auch einmal aus berufenem Munde hört, wie die Sicherheitspolitik in Österreich überhaupt stattfindet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben in dieser Woche schon über das Innenressort gesprochen, besser gesagt über den Innenminister. Wir haben uns in seiner Anwesenheit damit auseinandergesetzt, daß er beabsichtigt, verstärkt mit Weisungen vorzugehen, und zwar nicht Weisungen entsprechend dem Gesetz, sondern eindeutig mit Weisungen contra legem. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben uns weiters schon mit seiner problematischen Haltung einer Schwester- oder Unterorganisation der PKK gegenüber auseinandergesetzt, daß er keinen Grund gefunden hat, ein Urteil des Obersten Gerichtshofes ernstzunehmen und die ERNK zu verbieten. Wir haben uns auch schon auseinandergesetzt mit seiner Absicht, den Heeres-Nachrichtendienst mit der STAPO zu einem großen Geheimdienst zusammenzulegen. Wir haben festgestellt – wieder einmal, muß man schon sagen –, daß dieser Innenminister für Österreich untragbar ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Journalist der "Kleinen Zeitung" hat unsere negative Einstellung zur Anfragebeantwortung des Innenministers folgendermaßen bezeichnet: Die Freiheitlichen haben einen kalten Mißtrauensantrag gegen den Minister gestellt.

Diese – zugegeben – sonderbare oder eigenwillige Formulierung sei ihm belassen, wir jedenfalls, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben ein heißes Bemühen, diesen Innenminister in Österreich abzusetzen und ihn Österreich und den Österreichern zu ersparen. Das ist ein sehr heißer Wunsch von uns, und zwar nicht nur wegen der Dinge, die wie bereits besprochen haben, sondern auch wegen seiner Einstellung zur Kriminalität, wegen seiner Bekämpfungsmaßnahmen der Kriminalität und auch wegen seiner Ausländerpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sowohl die hohe Kriminalität als auch die Ausländerpolitik sind derzeit die wichtigsten oder ziemlich wichtige Themen in der österreichischen Innenpolitik. Der Herr Bundesminister rühmt sich, daß die Statistik eine gesunkene Kriminalitätsrate aufweise, und tatsächlich, wenn man nur nach den Prozentsätzen geht, ist die Kriminalitätsrate gesunken. Der Innenminister übersieht aber, daß die organisierte Kriminalität, also die schwere Kriminalität, zugenommen hat. Experten, etwa der ehemalige Chef der Interpol, sagen: 30 Prozent aller Delikte sind bereits schwere,


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organisierte Kriminalität. In der Statistik wird das überhaupt nicht ausgewiesen. Ich kann auch nicht mitjubeln, wenn sich der Innenminister rühmt, daß die Kriminalitätsrate gesunken ist, daß die Zahl der strafbaren Handlungen jetzt unter 500 000 liegt, weil eine Anzeige in der Statistik soviel wiegt wie die andere. Der Diebstahl eines Mercedessterns wiegt in der Statistik genausoviel wie eine Betrügerkette, die zehn Verdächtige und eine riesige Schadenssumme aufweist. Das heißt also, die Statistik sagt relativ wenig aus.

Ich werde Ihnen beweisen, wie es tatsächlich mit der Kriminalität steht. Hofrat Stiedl, Polizeipräsident von Wien, sagte in einem Interview über die Kriminalität 1995: Die Eigentumskriminalität ging um 3 Prozent gesamt zurück, aber die Zahl der Geschäftseinbrüche ist gestiegen, die der Wohnungseinbrüche und die der Banküberfälle. Zurückgegangen sind die Fahrraddiebstähle um 7 Prozent. Anhand dessen können Sie sich schon vorstellen, wie diese Statistik in Wirklichkeit aussieht und wie ernst man sie in Wirklichkeit nehmen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich vermisse auch, daß sich der Innenminister mit der Drogenkriminalität beschäftigt. Kein einziges Mal hat er die schwere Ausuferung der Drogenkriminalität angeschnitten, er hat keine einzige Maßnahme vorgelegt, keinen Vorschlag erstattet, was er dagegen zu unternehmen gedenkt, und dabei hat die Drogenkriminalität einen Umfang angenommen, der besorgniserregend ist, und zwar nicht nur in Wien, sondern in Gesamtösterreich.

Ich gebe Ihnen jetzt ein Zustandsbild von den ersten schönen Tagen in Wien: Die Drogenszene greift im Stadtpark um sich, die Drogenszene verlagert sich mit der warmen Jahreszeit ins Freie. Der Stadthauptmann der Innenstadt sagt, wir machen zwar jede Menge Anzeigen und haben mitunter unzählige Amtshandlungen – in Wirklichkeit aber können wir das Ganze nur stören und nicht verhindern. Und er sagt weiters: Wir können die Suchtgiftler immer nur vertreiben. Aber nicht einmal das gelingt uns immer, klagt er. Selbst wenn wir es schaffen, sie zu vertreiben, gehen sie woanders hin. So wälzen wir das Problem von Bezirk zu Bezirk.

Das ist wirklich eine traurige Perspektive. Das heißt, das ist eigentlich die Kapitulation vor der Drogenkriminalität. Und daß Sie in Wirklichkeit kapitulieren, zeigt auch der neueste Entwurf zum Suchtgiftgesetz, den der Innenminister vorgelegt hat, ein Entwurf, der ja nichts anderes ist als ein weiterer Schritt zur Freigabe von Drogen. – Und das lehnen wir absolut ab, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Innenminister und auch der Justizminister schauen völlig cool und unbeteiligt zu, wie die Suchtgiftschmuggler ihre Ware ungehindert über die Grenze rollen. Das Heroin wird immer besser, immer feiner, immer billiger, und in den letzten drei Jahren hat es einen eklatanten Preisverfall gegeben: 1 Gramm hat früher 2 000 S gekostet und kostet jetzt 700 S, und damit wird das Suchtgift für viele weite Kreise leicht erreichbar. Aber, wie gesagt, man hört von keiner einzigen kriminalitätsbekämpfenden Maßnahme seitens des Innenministers. Ganz im Gegenteil: Sie von SPÖ und ÖVP gehen mit dem Justizminister diesen Weg, und Sie wollen auch noch die Gesetzeslage milder gestalten.

So zum Beispiel wird nichts gemacht, um den Drogenimport einzuschränken. Sogar der Chef der deutschen Grenzpolizei sagt, daß die österreichischen Grenzen absolut durchlässig sind. Der Chef der bayrischen Grenzpolizei, Herr Josef Heisl, war hier in Wien und hat gesagt: Eine Grenzgendarmerie, wie sie in Österreich geplant ist, hat keine Schlagkraft. Solche Kritik übt der Chef der bayrischen Grenzpolizei. Er sagt: Millionen Menschen sind in Richtung EU-Staaten unterwegs, unter ihnen viele Waffen-, Rauschgift- und Menschenhändler. Nur wenn wir gemeinsam vorgehen, kann diese Lawine gestoppt werden. Und weiters: Mit dieser Grenzgendarmerie, die bei uns nur einen halbjährigen Schnellsiedekurs absolvieren soll, ist das unmöglich.

Herr Einem aber saß dabei und lachte glücklich bei einem Glaserl Wein, anstatt daß er sich das zu Herzen nimmt und endlich etwas dagegen unternimmt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Aber nicht nur die Drogenkriminalität eskaliert, sondern es eskalieren auch der Menschenhandel, der Waffenschmuggel, die Geldwäsche. Und da kann ich wieder aus dem UNO-Suchtgiftkontrollbericht zitieren, der nämlich Wien als die Drehscheibe für schmutziges Geld ausweist; Wien wird als Stützpunkt der Ostmafia ausgewiesen. – Das ist eine sehr ernste Sache, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Sogar der Direktor der russischen Zentralbank Melnikov sagt, Österreich ist ein wahres Dorado für die professionellen Geldwäscher. – Aber es wird nichts getan! Der Herr Innenminister macht überhaupt keine Vorschläge, wie man diesem Phänomen begegnen soll. Jetzt sagt ihm schon ein deutscher Kollege: So wie er den Grenzschutz plant, so geht das nicht, es reisen so viele Verbrecher ein, ungehindert reisen sie durch Österreich, die Deutschen haben dann die Probleme an den Grenzen!, aber Sie machen überhaupt nichts dagegen. Wir müssen doch auf unser Renommee schauen, wenn uns schon die Sicherheit der Österreicher nichts wert ist. Da ist dringender Handlungsbedarf gegeben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber nicht nur, daß sich diese schweren Delikte ausbreiten, werden die Täter auch immer brutaler und immer roher in ihren Maßnahmen. Und wir stehen hilflos da, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein erfahrener Exekutivbeamter sagt: Die rumänische Mafia schlägt an Brutalität sogar die Russenmafia. Und weiters: Ein Hauptquartier des rumänischen Verbrechersyndikates ist Wien.

Ein Polizeifahnder sagte frustriert: Na ja, mich wundert ja gar nicht, daß einer von der rumänischen Verbrecherbande, die kürzlich ihr Unwesen getrieben hat, noch immer frei herumläuft, denn er wird von bezahlten Informanten immer wieder gewarnt, wenn es für ihn "eng" wird. Wir wissen, daß die Rumänen einen Maulwurf in der österreichischen Vertretung in Ungarn haben, wo äußerst unbürokratisch Visa ausgestellt werden, nämlich gegen einen kleinen "Unkostenbeitrag" von 5 000 S. – Das heißt also, daß unsere Behörden ebenfalls von Verbrechern und Leuten, die Bestechungsgeld nehmen, durchsetzt sind. Wir hören es ja, hin und wieder kommen solche Skandale an die Öffentlichkeit, daß aufgrund von Bestechungsgeldern Visa, Aufenthaltsbewilligungen ausgestellt werden und alles andere auch.

Das ist doch etwas, was man ernst nehmen muß, da muß man doch endlich handeln! Ich finde, es ist bedauerlich, daß der Innenminister keinen Handlungsbedarf sieht, daß Vranitzky diesem Innenminister immer noch sein Vertrauen ausspricht – und die ÖVP laviert hin und her. Vor der Wahl spricht sie Einem das Vertrauen ab, und nach der Wahl mauert sie wieder gemeinsam mit den Sozialisten. So kann man doch keine Sicherheitspolitik machen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist eine furchtbare und erschreckende Tatsache, daß die österreichische Exekutive dieser organisierten Kriminalität, dieser schweren Kriminalität überhaupt nicht gewachsen ist. Wir sind nicht gerüstet für den Kampf gegen die organisierte Kriminalität, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Mittlerweile haben wir ruhig zugesehen, wie sich die Mafiabosse hier in Österreich etabliert haben. Allein 30 russische Firmen werden pro Monat in Österreich gegründet. Ein Fahnder von der Exekutive sagt – das stammt nicht von mir –, daß diese Firmen nur gegründet werden, um hier Geldwäsche zu betreiben. Es wird gar keine echte Geschäftstätigkeit ausgeübt, sondern das sind nur Scheinfirmen. – 30 neue russische Firmen pro Monat!

Die Chefs, die Bosse der Mafia haben hier in Österreich wirklich ein ideales Feld gefunden. Sie haben eine bequeme Möglichkeit zur Geldwäsche. Sie bekommen leicht ein Visum. Sie bekommen leicht ein Visum für ihre Geschäftsfreunde. Und es hat sich international schon herumgesprochen, daß es überall schwerer ist als in Österreich, eine Einreisebewilligung zu bekommen. Diese Bosse bekommen auch leicht die Staatsbürgerschaft, und sie können auch sehr leicht Grundstücke kaufen. Warum sollen sie sich dann nicht in Österreich ansiedeln? All das fällt uns auf den Kopf – auch international. Österreich wird immer mehr zur Drehscheibe für das


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internationale Verbrechertum. – Und das wollen wir verhindern, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie von der SPÖ und auch Sie von der Österreichischen Volkspartei ermöglichen das mit Ihrer Politik. In dieser Situation, angesichts dieser schweren Kriminalität verzichtet der Innenminister ganz einfach auf 1000 Beamte. Zuerst habe ich geglaubt, er läßt sich vom Finanzminister über den Tisch ziehen, denn es ist doch unmöglich, daß man auf 1 000 Beamte verzichtet. Aber jetzt weiß ich, daß sich der Innenminister nicht vom Finanzminister über den Tisch ziehen hat lassen, sondern daß es offensichtlich zur Philosophie, zur Ideologie des Innenministers gehört, die Exekutive abzubauen. Am liebsten hätte er überhaupt nur Friedensrichter, die durch die Straßen gehen und mit Palmwedeln wacheln und immer nur "Friede! Friede!" rufen, aber keine Exekutive, die auch einschreitet. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dietachmayr. ) Aber nein. Wie wollen Sie denn die organisierte Kriminalität bekämpfen? – Doch nicht mit einer Exekutive, die überhaupt nicht dafür gerüstet ist.

Aber das wundert mich ja nicht mehr, und ich habe schon gesagt: Ich glaube, das ist die Philosophie dieses Innenministers. Der Innenminister glaubt nicht, daß die Bevölkerung Angst hat vor der Kriminalität. Er sagt, die Verunsicherung der Österreicher werde bloß geschürt, die Realität sehe ganz anders aus. Er sagt auch, für ihn ist die Sicherheit nicht nur durch Militär, Bewaffnung und Polizei gegeben, sondern der Begriff "Sicherheit" sei insofern wesentlich, als es um die Sicherheit gegen die Risken des Lebens geht. Damit sei gemeint, daß sich alle Kranken und nicht nur Wohlhabende medizinische Versorgung leisten können, daß Pensionisten die Rente bekommen, die ihnen zusteht, daß Arbeitslose nicht nur finanziell unterstützt würden, sondern auch Hilfe erhalten, um wieder Arbeit zu finden. – Das sagte Einem.

Der Innenminister meint also, daß die Ängste, die die Menschen haben, nur soziale Ängste sind. – Ich gebe schon zu, daß die Menschen auch soziale Ängste haben. Und aufgrund der Politik von SPÖ und ÖVP ist es ja kein Wunder, wenn die Menschen Angst haben um ihre Pensionen und Arbeitsplätze. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Leute haben aber auch – abgesehen von den Ängsten um die Sicherheit – Angst vor den Verbrechern, vor der Kriminalität. Der Staatsbürger stellt schon bang die Frage: Wie lange kann ich in der U-Bahn fahren, ohne daß mir etwas passiert? Kann ich um 7 Uhr am Abend noch fahren, ohne daß ich Angst haben muß, überfallen zu werden? Die Leute haben Angst, in einen Park zu gehen. Schauen Sie sich das doch einmal an! Setzen Sie sich doch mit den Ängsten der Bevölkerung auseinander. – Und dann hört man von Innenminister Einem, daß die Menschen in Wirklichkeit nur Angst um ihre Pension zu haben brauchen – und das, obwohl er überhaupt keine Lösung zur Frage der Kriminalitätsbekämpfung parat hat.

Ich glaube, daß man sich mit den Ängsten in der Bevölkerung so nicht auseinandersetzen kann. Ich glaube, daß man die Angst der Bevölkerung vor der Kriminalität ernst nehmen muß. Immerhin werden alleine in Wien 600 strafbare Handlungen an einem Tag begangen. – Und dazu sagt der Innenminister, diese Ängste sind nur eingeredet, sind nur herbeigeredet. – Das ist doch völlig absurd, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Aber anstatt Maßnahmen zu setzen, wie man die Kriminalität bekämpfen kann, wie man der Bevölkerung die Angst nehmen kann, ist es oberstes Ziel des Innenministers, die Ausländergesetze zu ändern, zu lockern. Ich war wirklich sehr enttäuscht: Ich habe mir erwartet, daß der Innenminister als erstes – angesichts von 500 000 Delikten, die im Jahr in Österreich begangen werden – Maßnahmen initiiert, die darauf abzielen, diese hohe Kriminalitätsrate zu senken. – Nein! Das erste Anliegen dieses Innenministers war es, die Ausländergesetze zu revidieren. Dieses Ausländerpaket liegt ja schon auf dem Tisch und wird nach den Budgetberatungen behandelt werden.

Einem will auch die Familienzusammenführung fördern. Herr Finanzminister, ich glaube schon, daß das auch für Sie von Interesse ist, denn das bedeutet nichts anderes, als daß zusätzlich rund 150 000 Ausländer nach Österreich kommen, 100 000 Kinder und 50 000 Ehegatten – und das bei einer derartigen Arbeitslosenrate! In Österreich haben wir jetzt ungefähr 300 000 Ar


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beitslose, davon sind etwa 150 000 arbeitslose Ausländer. Und dann sagt der Innenminister, es sollen noch mehr Ausländer nach Österreich hereinkommen!

Es gibt bei uns eine eklatante Wohnungsnot. Schauen Sie doch einmal zu Ihren Parteifreunden in Wien, die werden Ihnen ein Lied davon singen können, daß die Wohnbauaktivitäten nicht einmal Schritt halten können mit dem wachsenden Bedarf. Aber laut Innenminister Einem sollen noch mehr Menschen zu uns kommen.

Wir haben ein katastrophales Kostenfiasko bei den Sozialversicherungsanstalten. Wir müssen sogar kürzen. Es wird darüber diskutiert, daß das Krankengeld nicht mehr weitergezahlt wird, daß alle Rezeptgebühren und so weiter erhöht werden sollen. – Aber der Innenminister möchte, daß noch mehr Ausländer nach Österreich kommen! 100 000 Kinder! Was glauben Sie, welche Kosten damit für den Sozialstaat verbunden sind? Deshalb würde ich Sie schon bitten, Herr Finanzminister: Reden Sie einmal deutlich mit dem Innenminister! Schauen Sie nicht nur, daß er auf 1000 Polizisten verzichtet, was in Ihrem Interesse ist, sondern versuchen Sie auch mit ihm einmal darüber zu reden, wie er sich die finanzielle Lage vorstellt, wenn weitere 150 000 Ausländer nach Österreich kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch die österreichische Bevölkerung denkt so wie wir. Es hat eine Umfrage des IMAS-Instituts gegeben, die besagt, daß 62 Prozent der Bevölkerung gegen mehr Ausländer sind. Na klar, die Bevölkerung sieht ja, welche Lasten sie aufgebürdet bekommt, sie meint, daß man diese Lasten nicht noch vergrößern kann. Die Bevölkerung ist so klug und so realistisch, daß sie weiß, daß zusätzliche Ausländer eine noch größere Bürde bedeuten würden. Nein, wir sagen, es muß endlich einmal die Nullzuwanderung in Österreich Geltung haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Immer mehr Illegale kommen über die Grenze. Der Innenminister baut um Millionen Schilling ... (Abg. Murauer: Angenommen, wir hätten die Nullzuwanderung, wie geht es dann weiter?) Was heißt, wie geht es weiter? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Murauer. ) Ich erkläre Ihnen das einmal genauer. Schauen Sie, diese Nullzuwanderung ist ja sehr leicht vorstellbar. Wir haben 150 000 arbeitslose Ausländer, und wenn Sie die Beschäftigungslage ansprechen, dann muß man einmal schauen, daß diese arbeiten gehen und wieder einen Posten finden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Innenminister richtet einen Grenzschutz ein, der irrsinnig viel Geld kostet und ineffizient ist. Wie wir schon gehört haben, sind wir von unseren deutschen Nachbarn deswegen kritisiert worden. Immer mehr Iraker, Iraner, Albaner kommen illegal über die Grenze. Terrorfahnder befürchten, daß sich unter ihnen auch kurdische Aktivisten oder arbeitslose afghanische Freiheitskämpfer befinden, die nach Österreich geschickt werden, um hier auf ihre Einsätze zu warten. Und die gesamte Bundesregierung schaut zu. Der Innenminister ist ganz einfach nicht in der Lage, diese Probleme in den Griff zu bekommen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister! Sie sind der Mann, der den Innenminister ebenfalls zur Räson rufen kann, Sie können ihm sagen, daß seine Vorstellungen die Vorstellungen eines Träumers sind. Sie sind erstens einmal nicht finanzierbar, sie werden von der Bevölkerung nicht akzeptiert, und sie sind auch für die Bevölkerung und für die gesamte Wirtschaft nicht verkraftbar. Der Innenminister nimmt all das, was wir ihm sagen, nicht zur Kenntnis – leider Gottes! Er hat in der Schreibtischlade jetzt schon den Entwurf über ein neues Ausländergesetz liegen, mit dem, wie gesagt, diese Familienzusammenführung beschlossen werden soll. Es wird uns immer wieder erzählt, die Familienzusammenführung sei ein Menschenrecht. Das stimmt überhaupt nicht! Schauen Sie sich doch Artikel 11 der Menschenrechtskonvention an. Kein Wort steht da davon, daß eine Familienzusammenführung garantiert werden muß.

Es gibt auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, in dem es heißt: Es liegt in der Kompetenz der einzelnen Länder, die Zuwanderung von Familienangehörigen zu regeln. Aber der Herr Innenminister, die Linken in der SPÖ und die Grünen wollen uns einreden, wir würden gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen, wenn wir nicht gestatten, daß jeder, der einmal nach


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Österreich kommt, auch seine gesamte Familie nachholen darf. – Nein, wir stehen auf dem Boden des Gesetzes, und wir werden das auch weiterhin tun! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Innenminister möchte auf Kosten der Österreicher, auf Kosten unseres Budgets seine multikulturellen Träume verwirklichen – und da sind wir absolut dagegen. Wir werden nicht aufhören, all das aufzuzeigen, was dieser Innenminister hier in Österreich anstellt, was er den Österreichern zumutet. Wir sind nicht einverstanden mit diesem Innenminister. Und ich bitte Sie, Herr Finanzminister Klima, weil Sie heute hier sind, daß auch Sie dem Innenminister einmal sagen, daß seine Ressortführung ganz einfach nicht mehr tragbar ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.21

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Ich gebe folgendes bekannt: Mag. Stadler und Kollegen haben gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangt, und zwar zur Untersuchung

erstens der politischen und rechtlichen Verantwortung des Bundesministers für Inneres betreffend unterbliebene, unsachgemäße und verfehlte sicherheitspolitische behördliche Maßnahmen gegen die Kurdische Kommunistische Arbeiterpartei PKK und ihre Teil- und Unterorganisationen,

zweitens der politischen und rechtlichen Verantwortung des Bundesministers für Inneres betreffend unterbliebene, unsachgemäße und verfehlte Ermittlungsschritte im Zusammenhang mit der Aufklärung des Bombenterrors in Österreich, insbesondere der Briefbombenserien sowie der Terroranschläge in Klagenfurt, Oberwart, Stinatz und Ebergassing.

Die Antragsteller haben die Durchführung einer Debatte dazu verlangt. Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der heutigen Tagesordnung statt.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Steindl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.21

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gab kaum eine derart intensive und konzentrierte Arbeit im Hohes Haus wie in den letzten Wochen. Es wurde sehr vieles diskutiert, es wurde hin- und hergesprungen, wir haben ein 100-Milliarden-Schilling-Paket geschnürt (Abg. Ing. Reichhold: Abgesprungen, umgefallen!), es wurden zwei Budgets erstellt, und es gab 98 Gesetzesänderungen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Es geht in erster Linie um die Konsolidierung des Staatshaushaltes.

Einige beziehungsweise viele Wortmeldungen waren positiv und sehr konstruktiv – auch seitens der Opposition –, aber es gab auch sehr viele negative und destruktive Ausführungen hier. Das meiste Negative kam von freiheitlicher Seite – was aber gar nicht anders zu erwarten war.

Ich möchte, weil ich mich am Dienstag geärgert habe, insbesondere auf ein Thema eingehen, das Herr Dr. Haider und Herr Mag. Schweitzer in ihren Ausführungen hier abgehandelt haben, nämlich das Thema Ziel-1-Gebiet Burgenland. Sie haben das so salopp dargestellt, als würde das Geld beim Fenster hinausgeschmissen werden. Es wurde das so dargestellt, als würde eine immense Verschuldung seitens des Landes eingegangen werden, damit wir uns das Ziel-1-Gebiet leisten können. Und sie haben am Beispiel der Betriebsansiedlung Lenzing gemeint, es würden 10 Millionen Schilling für die Schaffung eines Arbeitsplatzes verwendet. Sie haben das so dargestellt, als gäbe es nur Lenzing und als wäre die burgenländische Bevölkerung nicht in der Lage, die Chancen, die sich durch die Einstufung als Ziel-1-Gebiet ergeben, zu nützen. – Diese Art der Darstellung kann hier im Hohen Haus nicht so stehen bleiben, das muß korrigiert werden. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wir haben am 2. Juni die Landtagswahlen im Burgenland. Ich merke schon: Diese Argumente, die diese Woche vorgetragen wurden, werden sich auch in den Wahlkampfreden des Dr. Haider im Burgenland finden – Argumente, gespickt mit Halbwahrheiten. Und solchen "Argumenten" muß entgegnet werden. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. )

Erstens einmal, Frau Aumayr: Ziel-1-Gebiet ist das Burgenland deswegen, weil wir im wirtschaftlichen Bereich Nachholbedarf haben. Im Vergleich zur Europäischen Union beträgt bei uns das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner 65 Prozent.

Zweitens: Wir haben aufgrund der Grenzöffnung eine neue Herausforderung und eine neue Situation zu bewältigen.

Drittens: Gerade im Burgenland müssen wir noch die Infrastruktur flächendeckend ausbauen. Und deshalb gibt es die verschiedensten Möglichkeiten – und nicht nur diese, die dargestellt wurden, wie eben die Betriebsansiedlung von Lenzing. Es gibt verschiedene Chancen und Möglichkeiten, und diese werden wir Burgenländer vollstens nützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Angefangen bei den EU-Programmen – da gibt es eine Menge von Projekten, ich könnte sie Ihnen überreichen, und das hat nichts mit Ziel-1-Gebiet zu tun. Aber wir haben auch im Ziel-1-Bereich sehr viele Projekte, die realisiert werden, insgesamt sind im Burgenland 375 Projekte eingereicht worden. Und wir werden sicherlich alles unternehmen, um jeden Groschen, den wir von der EU und natürlich auch vom Bund bekommen, entsprechend umsetzen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Schweitzer! Nun zum Thema Lyocell. Sie meinen, es werden quasi (Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold ) 10 Millionen Schilling für einen zusätzlichen Arbeitsplatz vergeudet. – Sie wissen ja gar nicht, Herr Kollege Reichhold, was sich im Südburgenland abspielt. Dort gibt es nämlich zu wenige Arbeitsplätze, ja fast keine Arbeitsplätze. Das wissen Sie nicht! (Abg. Mag. Schweitzer: O ja, das wissen wir!) Und es lag letztendlich die Entscheidung zwischen Österreich und Thüringen, und es ist dann die Entscheidung zugunsten Österreichs, zugunsten des Burgenlandes gefallen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Die Aufträge wurden an andere Bundesländer vergeben!)

Herr Kollege Schweitzer! Bedenken Sie doch, was das für Zulieferbetriebe, Gewerbe und Industrie bedeutet! Eine ganze Region wird damit belebt, und das ist gut so. Wir haben wirklich sehr viel erreicht.

Herr Kollege Schweitzer! Ich möchte dir nur sagen: Wir haben viel erreicht, und zwar nicht nur als Ziel-1-Gebiet, sondern auch für unsere Bauern. Du stellst in deinen Sonntagsreden immer irgendwelche Halbwahrheiten dar. (Abg. Mag. Schweitzer: Zwischenfrage!) Wir haben aber für unsere Bauern 310 Millionen Schilling erkämpft, und das werden wir unseren Bauern auch sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben für den Tourismusbereich eine halbe Milliarde Schilling herausgeholt, wir haben 200 Millionen Schilling für die Kleinbetriebe verwendet –, und wir haben 100 Millionen Schilling für Kleinst- und Kleinbetriebe bereitgestellt. (Abg. Mag. Stadler: Haben Sie ein Pulverl genommen?) Also, wie Sie hier die Wirtschaftspolitik des Burgenlandes darzustellen versuchen, das stimmt keinesfalls. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Schweitzer! In diesen zwei Wochen sind keine wirklichen Vorschläge von Ihnen gekommen, wie man das Budget sanieren kann. – Ich kenne nur einen Vorschlag von Ihnen, und das betrifft eine Kürzung der Parteienförderung. Sie wissen ganz genau, daß die zwei Großparteien dafür stimmen werden – und wenn sie dagegen stimmen würden, wäre Ihre Partei ganz besonders davon betroffen. Warum betreiben Sie eine Wahlanfechtung im Burgenland bezüglich der Nationalratswahlen? – Weil es Ihnen um das Geld geht! Das ist doch die Wahrheit! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Herr Kollege Schweitzer! Warum ist Herr Rumpold als Bundesgeschäftsführer ausgetauscht worden? – Weil er vergessen hat, um Förderung anzusuchen. Es geht Ihnen also um das Geld! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Statt Rumpold hat sich Haider jetzt Kollegen Schweitzer geholt. Warum? – Weil er ganz genau weiß, wie man Sozialfonds anlegen kann, wie man wieder zu Geld kommt. – Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Schweitzer! Sie plakatieren im Burgenland – der Wahlkampf hat ja schon begonnen (Abg. Mag. Schweitzer: Darf ich eine Frage stellen?) –: "Zwei, die für euch den Kopf hinhalten". – Sie haben noch nie den Kopf hingehalten, Sie haben in diesem Land noch nie Verantwortung getragen, und Sie werden auch keine Verantwortung tragen. Sie haben nicht den Kopf hingehalten im Burgenland, sondern die Hand aufgehalten! Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den Freiheitlichen im Burgenland fällt mir nur eines ein, da halte ich es mit Karl Kraus, der gemeint hat: "Wenn die Sonne am tiefsten steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten." (Beifall bei der ÖVP.)

Zurück zum Budget: Wir haben in diesen beiden Budgetvoranschlägen 1996 und 1997 genug Möglichkeiten, um uns auch im Burgenland wirtschaftspolitisch zu entfalten. Ich verweise auch auf die 600 Millionen für Kindergarteneinrichtungen, ich verweise auf die Möglichkeiten, die wir zugunsten der Bauern bekommen haben – ohne diese Möglichkeiten wären wir in diesem Bereich abgestürzt –, ich verweise auf die Beschäftigungs- und Standortsicherungspolitik. Ich glaube, daß wir die Probleme der nächsten Jahre nur dann bewältigen können, wenn wir Mut zum Risiko haben, Mut zur Veränderung, Mut zur Wahrheit und vor allem Mut, über den eigenen Gartenzaun zu schauen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das sind unsere Bekenntnisse für die Zukunft, und diese lassen wir uns von Oppositionspolitikern, wie Sie es sind, nicht zerreden und schon gar nicht vermiesen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Ich erteile es ihm. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ.)

11.31

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Liberalen haben ihre Position zum Kapitel Umwelt schon letzte Woche im Rahmen der Diskussion um das Strukturanpassungsgesetz hier im Hause deponiert. Ich möchte daher heute aus aktuellem Anlaß über etwas anderes sprechen, und zwar mich in jene Diskussion betreffend Wassernutzung und auch Wassersteuern einklinken, die es neuerdings in Österreich geben soll. Ich möchte mich also damit auseinandersetzen, insbesondere auch deshalb, weil Frau Bundesministerin Krammer mittlerweile einen Entwurf für eine neue Trinkwasserverordnung herausgegeben hat, wodurch die 30 Milligramm Nitrat pro Liter, die ab 1999 vorgesehen sind, außer Kraft gesetzt werden sollen.

Wir meinen, meine Damen und Herren, daß es kein Argument ist, daß man, weil man diese Werte nicht erreichen kann, jetzt einfach die Verordnung abändert, denn damit muß jede Umweltpolitik ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Wenn man nur beharrlich genug auf den Strukturen sitzenbleibt, dann reagiert die Politik dahin gehend, Änderungen einfach nicht durchzuziehen, sondern sie den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen.

Meine Damen und Herren! Es geht uns von seiten der Liberalen nicht um eine Diskussion des "Schadstoffs des Monats", und wir sind auch nicht dafür, utopische Ziele zu formulieren, aber wir vermissen, daß die Bundesregierung ihre Umweltpolitik an den von ihr selbst vorgegebenen Zielen ausrichtet. – Das, meine Damen und Herren, kritisieren wir massiv! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)


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In diesem Zusammenhang ist diese Wassersteuer, die der Steiermärkische Landtag am 23. April beschlossen hat, ein ganz besonders wichtiger Aspekt, denn es kann kein Zweifel daran bestehen, daß der Beweggrund für diese Steuer eine einnahmenseitige Budgetsanierung des steirischen Landesbudgets ist – das aber unter dem Deckmäntelchen der Ökologie. Es sei der Steiermark unbenommen – und das sage ich gerade als steirischer Abgeordneter –, es sei dem Steiermärkischen Landtag unbenommen, eine solche Maßnahme zu setzen, aber es darf nicht so weit gehen, daß die Maßnahmen sachlich nicht mehr gerechtfertigt sind und insbesondere auch Bundesinteressen massiv davon betroffen sind. Ich will jetzt überhaupt nicht davon reden, daß wir hier im Hause intensiv Verhandlungen darüber führen, eine Enquete-Kommission betreffend ökologische Steuerreform zu etablieren, und daß solche Maßnahmen des Steiermärkischen Landtages natürlich den Handlungsspielraum, der für eine ökologische Steuerreform besteht – das heißt Ressourcenbesteuerung ja, aber gleichzeitige Entlastung der menschlichen Arbeitskraft von Steuerlasten –, konterkarieren. Aber, meine Damen und Herren, es geht darum, daß der Finanzausgleich durch diese Maßnahme des Steiermärkischen Landtages massiv betroffen sein wird.

Das, meine Damen und Herren, macht es unserer Auffassung nach notwendig, daß die Bundesregierung Einspruch gegen dieses Gesetz erhebt. Es ist nicht nur gerechtfertigt, diesen Gesetzesbeschluß zu beeinspruchen, sondern sogar notwendig.

Wir haben uns daher auch entschlossen, meine Damen und Herren, einen Entschließungsantrag einzubringen, und wir laden Sie auch recht herzlich ein, diesem Entschließungsantrag beizutreten. Ich möchte jetzt, ohne der Bundesregierung bei der Gewichtung der einzelnen Gründe vorzugreifen, ein paar Aspekte herausgreifen:

Einerseits wird die Einführung eines "Wasserschillings" seit Jahren diskutiert – sowohl auf Bundesebene seit Mitte der siebziger Jahre, man hat dann davon Abstand genommen, aber auch in der Steiermark ist diese Diskussion immer wieder aufgeflammt –, aber man hat es andererseits nicht durchgezogen. Angesichts dieses langen Zeitraumes von Mitte der siebziger Jahre bis jetzt ist es unverständlich – gerade auch angesichts dessen, daß eine solche neue Art von Steuern eine grundsätzliche Änderung bedeutet –, daß in der Steiermark jene Volksrechte um die Einbindung der Landesbürgerinnen und Landesbürger, die nach § 36 der Steiermärkischen Landesverfassung vorgesehen sind, einfach außer Kraft gesetzt worden sind. Es ist nicht glaubwürdig, daß eine Dringlichkeit in dem Maße besteht, daß man nicht einmal die Volksrechte, die sich die Steiermark selbst auferlegt hat, einhalten will, obwohl natürlich gerade die privaten Haushalte von dieser Steuer massiv betroffen sein werden.

Die angeblich primär ökologischen Gründe, die zu diesem Gesetzesbeschluß geführt haben, sind nicht glaubhaft. Sie sind deshalb nicht glaubhaft, weil in den Erläuternden Bemerkungen des Gesetzesbeschlusses ausdrücklich gesagt wird, daß die ökologische Lenkungswirkung, der ökologische Lenkungseffekt dieser Abgabe derzeit nicht abgeschätzt werden kann. Das heißt, obwohl umweltpolitische Gründe genannt wurden, hat man es nicht einmal der Mühe wert gefunden, sich auch darüber Gedanken zu machen, welche Veränderungen das zeitigen wird – insbesondere deshalb, meine Damen und Herren, weil man in diesem Gesetz auch sehr weitreichende Ausnahmen eingeführt hat.

Die Ausnahmen betreffen zum Beispiel die Massentierhaltung. Da gibt es den Konnex zum Verordnungsentwurf von Frau Bundesministerin Krammer. Daß im Leibnitzer Feld das Grundwasser so hoch mit Nitraten belastet ist, liegt daran, daß es dort eine intensive Schweinezucht gibt, die insbesondere in Schwemmställen geführt wird, und das macht dann dieses große Ausmaß an Gülle aus, die ohne vorherige Behandlung ... – ohne daß eine etwaige Nutzung dieses Produktes, so sage ich jetzt einmal, für eine Biogas-Gewinnung, die dann auch weniger ökologische Belastung bedeutet, vorangetrieben wird. – Nein, man spritzt das einfach auf die Felder, und es wird zum Teil natürlich ins Grundwasser ausgeschwemmt. – Nichtsdestotrotz sieht das steirische Gesetz eine Ausnahme für die Massentierhaltung vor.

Es sind auch die steirischen Unternehmen von dieser Wasserabgabe befreit, wenn sie das Wasser entnehmen und gleich wieder zurückführen. Es ist nicht einmal vorgesehen, daß be


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stimmte Grenzwerte, die etwa aufgrund anderer materiellrechtlicher Vorschriften vorgesehen sind, eingehalten werden, damit eine Befreiung eintritt, sondern nur der Umstand der Entnahme und Wiederzurückführung begründet die Ausnahme.

Es ist aber sachlich nicht einzusehen, daß etwa jene Unternehmen in Wien – und das betrifft hauptsächlich Wiener Unternehmen –, die das naturgemäß nicht tun können, aber sehr wohl steirisches Wasser beziehen, von dieser Ausnahme nicht umfaßt werden. Wenn es eine sachliche Rechtfertigung gibt, den Unternehmensbereich auszunehmen, dann muß er für die steirischen Unternehmen genauso wie für die Wiener Unternehmen gelten. Wir von seiten der Liberalen sind nicht bereit, eine solche Gleichheitswidrigkeit einfach unwidersprochen hinzunehmen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Konstruktion der Ausnahmen, meine Damen und Herren, zeigt auch ganz klar, daß es wirklich nur um eine möglichst große Lukrierung von Einnahmen geht, und das sieht man auch bei der Verteilung der Einnahmen: Bei geschätzten Einnahmen von 500 bis 600 Millionen Schilling aus dieser "Wassersteuer" werden allein 300 bis 400 Millionen Schilling auf Wien entfallen.

Wir sind der Meinung, daß damit ein ganz massives Bundesinteresse berührt ist, denn die Erreichung der Maastricht-Kriterien darf nicht von einzelnen Gebietskörperschaften auf Kosten anderer Gebietskörperschaften betrieben werden. Es geht nicht an, daß Verwaltungseinsparpotentiale nicht lukriert werden, daß Verwaltungsreformen nicht stattfinden, daß eine ausgabenseitige Sanierung eines Budgets nicht stattfindet, sich aber ein Bundesland auf Kosten eines anderen Bundeslandes sein Budget einnahmenseitig zu sanieren versucht.

Das ist ein Weg, der an den Maastricht-Kriterien zwangsläufig vorbeiführen muß, weil die Maastricht-Kriterien von allen österreichischen Gebietskörperschaften gemeinsam erreicht werden müssen. – Wenn aber dieses Beispiel Schule macht, dann werden die schwächsten Gebietskörperschaften in dieser Auseinandersetzung auf der Strecke bleiben, und das sind die Gemeinden.

Meine Damen und Herren! Noch einmal: Es kann nicht sinnvoll sein, daß die Gemeinden, die ohnehin schon von der Aufgabenstellung her sehr belastet sind und, was die finanziellen Auswirkungen des Budgets anlangt, schwach berücksichtigt werden, noch weiter unter Druck gesetzt werden.

Letzter Punkt, meine Damen und Herren, der uns veranlaßt hat, diesen Entschließungsantrag vorzubereiten und einzubringen, ist, daß es in den Erläuternden Bemerkungen dieses steirischen Gesetzes überhaupt keine Erwähnung der Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gibt; in den Erläuternden Bemerkungen ist das nicht erwähnt. Es gibt nicht einmal Eckdaten, die die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit abschätzbar machen. Das heißt aber auch, meine Damen und Herren, daß negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt nicht ausgeschlossen, aber auch nicht vorhersehbar sind und man daher auch politisch nicht darauf reagieren kann.

Meine Damen und Herren! Aus diesen Gründen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller, Dr. Volker Kier, Klara Motter und Kollegen betreffend Gefährdung von Bundesinteressen durch den Gesetzesbeschluß des Steiermärkischen Landtages über ein Naturnutzungsabgabegesetz

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, gegen den Gesetzesbeschluß des Steiermärkischen Landtages vom 23. April 1996 über die Erhebung von Abgaben für die über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung der Natur (Steiermärkisches Naturnutzungsabgabegesetz 1996)


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Einspruch zu erheben und diesen auch im Falle eines Beharrungsbeschlusses des Steiermärkischen Landtages nicht zurückzuziehen."

Wir machen das deshalb, meine Damen und Herren, denn wenn ein solcher Einspruch erhoben und nicht zurückgezogen wird, auch nicht im Falle eines Beharrungsbeschusses des Steiermärkischen Landtages, ist ein gemeinsamer Ausschuß von Nationalrat und Bundesrat zuständig, über diese Materie und den Einspruch zu entscheiden. Ich meine, es ist angebracht, daß es bei einer Maßnahme, die derart massiv den Finanzausgleich und damit auch die Politik auf Bundesebene betreffen wird, zu einer Abstimmung zwischen Nationalrat als Bundeskammer und Bundesrat als Länderkammer kommt. Das wäre endlich gelebter Föderalismus, der in Österreich Berechtigung hätte. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Riedler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.42

Abgeordneter Dr. Wolfgang Riedler (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister! Wir haben von dieser Stelle aus eine Menge Kritik an den Budgetverhandlungen, am Budgetentwurf gehört. Es wird die Zeit weisen, was daran berechtigt war und was nicht. Mir scheint nur, daß es auch an der Zeit wäre und daß hier der richtige Ort ist, darauf hinzuweisen, daß es absolut intelligente, kluge und zukunftsweisende Lösungen gibt, die mit den folgenden beiden Konsolidierungsbudgets, die wir zu beschließen haben, verbunden sind.

Da ich aus der Steiermark, aus Graz, komme, möchte ich auf einen Bereich hinweisen, der für die Steiermark von besonderer Bedeutung ist, und zwar auf das im Zusammenhang mit den Strukturanpassungsgesetzen beschlossene Finanzierungsgesetz für die Schieneninfrastruktur.

Meine Damen und Herren! Die Finanzierung des Schienenausbaus, der für Österreich unbestritten von besonderer Bedeutung ist – wir sind zweifellos in einem Infrastruktur-Defizit –, hing bisher in Zeiten von Budgetrücknahmen davon ab, daß in solchen Fällen sehr wenig Geld für diese wichtigen und notwendigen Ausbaumaßnahmen vorhanden war. Das heißt also, Konsolidierungsmaßnahmen bringen in Hinblick auf den Schienenausbau zwangsläufig Probleme mit sich.

Die bisher geltende Regelung hat dazu geführt, daß die ÖBB über Kredite und zum Teil über die ASFINAG die Finanzierung ihres Schienennetzes durchzuführen hatten. Diese Mittel reichen heute – das ist klar und deutlich zu sehen – nicht mehr aus. Daher war die Gründung einer Fondsgesellschaft, nämlich der Schieneninfrastruktur GmbH, ein richtiger Schritt, der im Zusammenhang mit diesen Strukturanpassungsgesetzen gesetzt wurde. Für Investitionen der ÖBB, für Investitionen der HL-AG, also der Hochleistungs-AG, und der Brenner Eisenbahngesellschaft stehen diese Mittel nunmehr zur Verfügung, und zwar in einer Art und Weise, daß über den Mittelrückfluß, auch der nun kommenden Schienenmaut, ein 60prozentiger Investitionsrückfluß erwartet werden kann. Das heißt also, es war eine intelligente Lösung, die dazu führt, daß auch in Zukunft Geld zur Verfügung stehen wird, um den Schienenausbau in Österreich voranzutreiben.

Gleichzeitig wurde mit dem bereits beschlossenen Regierungsentwurf die Möglichkeit geschaffen, auch private Gelder in den Schienenausbau zu bekommen. Wenn man einer Wifo-Studie glauben darf, dann kann das dazu führen, daß das Schienenausbauprogramm, mittelfristig gesehen, schlußendlich kostenneutral durchgeführt werden kann, was eine sinnvolle, intelligente und meiner Auffassung nach auch im Sinne der Umwelt logische und richtige Idee ist, die mit diesem Gesetz durchgesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Investitionsvolumen beträgt immerhin 12 Milliarden Schilling pro Jahr, die direkt in den Ausbau, direkt in den Tiefbau fließen, die Infrastruktur verbessern und gleichzeitig zweifellos positive arbeitsmarktpolitische Effekte haben. Der Großteil der Investitionen besteht vorderhand noch


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aus Budgetmitteln – das kann nicht anders sein –, bedeutet aber natürlich, daß die Kontrolle des Finanzministers wesentlich ist, weil es eben um öffentliche Mittel geht.

Jetzt möchte ich aber auf die besondere Bedeutung für die Steiermark in diesem Zusammenhang zu sprechen kommen. Für uns gibt es im Moment drei wesentliche Ausbauvorhaben im Bereich des Bahnausbaus. Das erste Vorhaben ist der Semmering-Basistunnel. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Nicht nur für die SPÖ-Fraktion, sondern meines Wissens auch für die steirischen ÖVP-Abgeordneten und in Wirklichkeit für alle steirischen Abgeordneten muß der Semmering-Basistunnel ein vordringliches Projekt sein. (Beifall bei der SPÖ.) Ohne Semmering-Basistunnel wird die Steiermark in einen nicht aufholbaren wirtschaftlichen Rückstand geraten.

Der zweite Punkt, der von wesentlicher Bedeutung ist, ist der Ausbau der Koralm-Strecke, der direkt mit dem Semmering-Basistunnel und dem Ausbau der Schieneninfrastruktur zusammenhängt. Das ist ein Projekt, das sich erst im Planungsstadium befindet, das aber auch für unsere Kärntner Kollegen von ganz wesentlicher Bedeutung ist.

Der dritte Punkt, auf den ich hinweisen möchte, ist der notwendige zweigleisige Ausbau der Strecke Graz – Spielfeld, insbesondere mit dem Hintergedanken eines Anschlusses an Koper. Je schneller gebaut werden kann, desto besser, daher bin ich der Meinung, daß das Geld, das zur Verfügung gestellt wird, auch von besonderer Bedeutung ist. Ohne dieses Gesetz ginge das nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Im übrigen sind diese Infrastrukturmaßnahmen auch international anerkannt. Bei der Zentraleuropäischen Verkehrsministerkonferenz im Jahr 1994 wurde zum Beispiel der Ausbau nach Koper als vordringliches Projekt bezeichnet. Wenn man sich vorstellt, daß die billigen Wasserwege, von denen die Steiermark im Moment abgeschnitten ist, in Wirklichkeit besonders der industriellen Produktion die Zukunftschancen erst ermöglichen, die wir brauchen, kann man sich ausmalen, welche Bedeutung dieses Investitionsprogramm für die Steiermark hat.

Das bedeutet ganz konkret, daß innerhalb von 17 Jahren 200 Milliarden Schilling in ganz Österreich auf Preisbasis 1995 investiert werden sollen und damit eine Beschäftigung für zirka 26 000 Menschen 17 Jahre lang gewährleistet wird. – Da möchte ich denjenigen sehen, der noch sagen kann, daß diese Maßnahmen nicht beschäftigungswirksam sind und nicht von wesentlicher Bedeutung für dieses Land sein können.

Meine Damen und Herren! Die Geldrückflüsse an die öffentliche Hand betragen insgesamt 160 Milliarden Schilling in dieser Zeit, und davon gehen 120 Milliarden Schilling an den Bund.

Ich glaube also, daß das ein Beispiel ist, das eine gelungene Maßnahme im Zusammenhang mit den Strukturanpassungen beziehungsweise mit dem uns vorgelegten Zweijahresbudget darstellt, und daß das eine Arbeit ist, für die man dem Verkehrsminister als auch dem Finanzminister herzlich gratulieren darf. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, bei meiner ersten Rede hier etwas zu sagen, was meinen Eindruck aus den vergangenen Wochen betrifft, den ich hier gewinnen konnte. Ich komme – ich hatte bereits seit drei Jahren ein Mandat innegehabt – aus dem Grazer Gemeinderat; ich war dort ein Jahr gemeinsam mit Kollegin Rossmann. Das, was Herr Abgeordneter Mühlbachler gesagt hat, ist völlig richtig: In den Gemeindestuben herrscht ein anderer Ton. (Abg. Wabl: Eine harte Schule!) – Auch wenn das eine harte Schule ist, muß ich sagen, ist es eine sehr gute Schule gewesen, und es herrscht dort etwas, was ich hier zeitweise vermissen muß, nämlich gegenseitiger persönlicher Respekt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Kollegin Rossmann habe ich kennengelernt als jemanden, mit dem man sehr gut reden kann, jemand, der durchaus in der Lage ist, persönliche Sympathien zu verbreiten, also eine nette Gesprächspartnerin. Gestern ist sie hier heruntergekommen und hat in einer Sache, von der ich nichts weiß, über eine Person, die ich nicht persönlich kenne, nämlich Herrn Abgeordneten Stummvoll, Dinge gesagt, die einen schlicht und einfach sprachlos


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machen – insbesondere dann, wenn sie von jemandem wie Frau Rossmann gesagt werden, ohne einen einzigen Beweis zu hinterlegen.

Ich bin nicht der Verteidiger des Herrn Stummvoll – er ist redegewandt genug, und er hat in seinen Reihen auch sehr gute Verteidiger seiner Sache –, aber, meine Damen und Herren, das, was Frau Rossmann hier getan hat, nämlich jemanden persönlich zu attackieren, persönlich in den Dreck zu ziehen, ohne einen einzigen Beweis zu liefern, so etwas wäre im Grazer Gemeinderat schlicht und einfach nicht passiert. – Meine Damen und Herren! Das Plenum könnte sich an manchem Gemeinderat tatsächlich ein Beispiel nehmen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Ofner: Daher gehe ich jetzt wieder in den Grazer Gemeinderat zurück – das muß jetzt kommen! – Abg. Dr. Khol: Daher verändere ich jetzt den Nationalrat!) – Jawohl!

Meine Damen und Herren! Worum es hier meiner Auffassung nach geht, ist in Wirklichkeit ein taktisches Geplänkel, das allerdings mit sehr scharfen Waffen ausgefochten wird, das Florett ist der Mistgabel gewichen. In Wirklichkeit geht es dabei darum, daß unsere Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei eine Hoffnung haben, sie haben nämlich die Hoffnung, es würde ihnen gelingen, diese Koalition zu spalten. Sie versuchen es an Personen, und sie versuchen es am Thema.

Meine Damen und Herren! Als junger und vielleicht nicht sehr erfahrener Abgeordneter sage ich Ihnen trotzdem: Dieses Vorhaben wird Ihnen auch im Jahre 1998 nicht gelingen! Die Koalition wird diese Legislaturperiode durchstehen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Damit man die Methoden sehen kann, was die Mistgabel in Wirklichkeit ist, ein Beispiel: Der vielgescholtene Kollege Stadler muß eine Elefantenhaut haben, denn so, wie er in den Wald hineinruft, kommt es wieder zurück, er wird nicht schlecht attackiert. Dieser Herr Kollege Stadler hat – heute werden wir es wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gegen den Innenminister wieder hören – unter anderem behauptet – frei heraus und natürlich ohne einen einzigen Beweis zu liefern –, daß das Ebergassing-Attentat nicht aufgeklärt worden wäre. Er hat eine sehr lange Reihe von Behauptungen aufgestellt. Dann hat er behauptet, daß eines der Vergehen beziehungsweise einer der Fehler des Innenministers gewesen wäre, daß er nicht die niederösterreichische Kriminalabteilung arbeiten ließ. Sein Pech war nur, daß Major Franz Polzer von der niederösterreichischen Kriminalabteilung oben gesessen ist, sich das angehört hat und dann zu diesen Beiträgen gesagt hat: Mit sachlicher Recherche hat das nichts zu tun. – Ebergassing-Attentat aufgeklärt, meine Damen und Herren!

In Wirklichkeit ist das eine Spiegelfechterei. Es geht ausschließlich darum, jemanden anzuschütten, von dem man vermeintlich der Auffassung ist ... (Abg. Dr. Ofner: Zum Beispiel den Stadler, der nicht da ist!) Den "Standard" gestern hat er ja wohl gelesen. (Abg. Dr. Ofner: Ihnen geht es darum, jemanden anzuschütten! Das ist die Beweisführung für Sie selbst!) – Ich hindere ihn ja nicht, hier zu sein. Ich wäre sehr froh, wenn er hier wäre, ich wäre sehr froh, wenn er hier wäre. (Abg. Dr. Ofner: Sie können sich nicht als Biedermann herstellen und jemanden anschütten! – Weitere Zwischenrufe.) Meine Damen und Herren! Diese Konfrontation gehe ich jederzeit wieder ein, wenn er einmal dasitzt! Ich habe keine Angst vor Herrn Stadler! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Aber abgesehen davon ist es symptomatisch, daß die Herren nach ihren Attacken sofort wieder den Saal verlassen, weil es ihnen unangenehm wird, wenn sie dann die Antworten auf ihre Anschüttungsaktionen bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Nicht ich habe das gesagt, sondern das steht im "Standard", das ist zitiert, und das sagt Herr Major Franz Polzer. – Es ist schlicht und einfach ein Blödsinn, was Stadler da geredet hat, um es auf deutsch zu sagen, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Ofner: Ohne einen Beweis zu liefern, der Major! Das könnte man auch sagen!)


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17. Sitzung / Seite 552

Herr Kollege Ofner! Bei allem Respekt muß ich Ihnen sagen: Das ist ein taktisches Spiel, es wird nicht aufgehen. Ich freue mich auf die kommenden dreieinhalb Jahre, die noch vor uns liegen. Es wird eine fruchtbare Gesetzgebungsperiode sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Öllinger. – Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

11.56

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, die Gesetzgebungsperiode wird nicht so fruchtbar, was die Anzahl der Gesetze betrifft, wie mein Vorredner jetzt versucht hat, es sich herbeizuwünschen. Das ist schon fruchtbar genug, was Sie uns hier mit Ihren 98 oder 99 Änderungen im Rahmen der Strukturanpassungsgesetze angetan haben. Das wollen wir eigentlich in dieser Art und Weise nicht mehr fortschreiben, und ich denke, ich bin mit Ihnen in dieser Frage, mit einigen aus Ihren Reihen zumindest, einig. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! "Mut zum Risiko" hat Abgeordneter Steindl für die nächsten Jahre verlangt – von sich, von den Mitgliedern der Regierung und von den Mitgliedern des Parlaments beziehungsweise der Koalitionsparteien. – Ich würde mir mehr Mut zum Selbstverständlichen wünschen. Was meine ich damit? – Mehr Mut zum Selbstverständlichen beispielsweise in der Frage, wie man Gesetze hier in diesem Hohen Haus behandelt, daß man sich auch die Zeit nimmt, tatsächlich auf die Gesetze einzugehen, und zwar nicht in den Plenarberatungen, sondern in den Ausschüssen. Diese Zeit hatten wir nicht.

Mehr Mut zum Selbstverständlichen wäre beispielsweise auch gewesen, wenn man – wie beim Sparpaket 1 – beispielsweise die Schwangeren bei der Geburtenbeihilfe, beim Karenzurlaubsgeld zumindest für eine Übergangsfrist ausgenommen hätte. Damals war es immerhin noch möglich, von Ihnen zu erreichen, daß in Form einer Übergangsfrist schon schwangere Frauen von der Geburtenbeihilfe und vom Karenzurlaubsgeld – damals war es das Karenzurlaubsgeld – ausgenommen worden sind.

Jetzt gilt das Inkrafttreten bezüglich Geburtenbeihilfe mit 1. Juli, das betrifft also Frauen, die schon schwanger sind, und ebenso ist es beim Karenzurlaubsgeld. Es wäre selbstverständlich gewesen, jene Frauen, die schon schwanger sind, die sich nicht mehr auf diese gesetzlichen Änderungen einstellen können, auszunehmen, indem man ihnen eine Übergangsfrist bis zum 1. Jänner 1997 bietet. Das war aber nicht möglich.

Sie hatten nicht die Courage und wollten nicht das Risiko eingehen, hier dieser Abänderung zuzustimmen. Wir haben im Ausschuß und hier in den Plenarberatungen einen Abänderungsantrag eingebracht. Sie waren nicht bereit und willens, dieser Abänderung zuzustimmen, obwohl das eigentlich selbstverständlich gewesen wäre. (Abg. Dr. Puttinger: Lesen! Die kriegen sie noch! Lesen Sie es einmal gescheit! – Rufe bei der ÖVP: Lesen! Lesen!) Ich habe es gelesen. (Abg. Dr. Puttinger: Bis 1997 bekommen sie sie!) Bis 1997. Es geht nicht darum, daß die Geburtenbeihilfe bis 1997 ausbezahlt wird, sondern daß es Frauen betrifft, die jetzt schwanger werden. (Bundesminister Mag. Klima: Nein! Bis 31. 12. 1996 kann die Frau schwanger werden, dann kriegt sie die Beiträge 1996 und 1997 ...!) Es betrifft trotzdem Frauen, die in diesen ... (Bundesminister Mag. Klima: Geburt bis 31. 12. 1996!) Ja, das sind die neun Monate, das geht sich nicht mehr aus, Herr Minister! (Bundesminister Mag. Klima: Bei der Budgetrede habe ich noch gesagt: Tummeln, tummeln! – Abg. Tichy-Schreder: Herr Kollege Öllinger! Die Frauen werden doch nicht wegen des Geldes schwanger!)

Es betrifft ja auch das Karenzurlaubsgeld. Beim Karenzurlaubsgeld wäre es möglich gewesen, so wie beim Sparpaket 1, eine Ausnahme zu machen. – Aber Sie waren nicht imstande beziehungsweise bereit dazu.


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Ich denke, das ist ja das mindeste, was man – jetzt nicht von Ihnen, Herr Finanzminister, es ist schon klar, daß Sie Ihre Groschen beisammenhalten wollen – hier in diesem Hohen Haus von den Parlamentariern hätte erwarten können.

Es war Ihnen nicht möglich, das aufzuschnüren für eine Übergangsfrist für dermaßen Betroffene, es war Ihnen aber sehr wohl möglich, das bei der Mediaprint und bei den Werkverträgen aufzuschnüren, und zwar nicht nur im Ausschuß, sondern auch dann im Plenum; im Ausschuß durch einen Abänderungsantrag, der offensichtlich so schlecht konstruiert war, daß er dann im Plenum durch einen neuerlichen Abänderungsantrag noch einmal ergänzt werden mußte.

Da hat es keine Rolle gespielt, daß möglicherweise Einnahmen dadurch verlorengehen, daß die Mediaprint und andere Betriebe ausgenommen werden. Da war es egal, wie viele Millionen oder Hunderttausende Schilling – in diesem Fall sind es ja Millionen – dadurch verlorengehen, daß man einem sehr reichen Betrieb eine Ausnahme erteilt. Spielt keine Rolle! Dafür waren Sie bereit, das Risiko einzugehen, daß dadurch Ihr 100-Milliarden-Paket gefährdet wird. Sonst haben Sie immer argumentiert, wir können keine Ausnahmen zubilligen, weil ansonsten dieses 100-Milliarden-Paket in Frage gestellt wäre.

Ich denke, es ist hier bei der Beschlußfassung über dieses 100-Milliarden-Paket einiges passiert, und darum werde ich mir erlauben, dann im Anschluß an diese Rede eine Broschüre zu verteilen, die im Rahmen der Vordiskussionen zu diesem Budget von Wissenschaftern und Politikern in einer Enquete oder einem Workshop erstellt wurde, wo beraten wurde, wie ein Budget aussehen könnte, wie Budgetsanierung aussehen sollte – anders, als sie derzeit in Österreich funktioniert.

Darin sind auch einige Festlegungen getroffen und einige Bemerkungen zu dieser Art der Budgeterstellung gemacht worden, und ich möchte die Zeit auch dazu nützen, Ihnen ganz kurz etwas daraus vorzulesen, um Ihnen Appetit darauf zu machen, diese Broschüre zu lesen und sie vielleicht auch dazu zu verwenden, für das Jahr 1998 ein besseres Budget zu erstellen oder sich zumindest einige Gedanken, die darin enthalten sind, näher zu Gemüte zu führen, weil ich hoffe und auch daran glaube, daß Sie besserungs- und auch lernfähig sind und daß dieses Budget – denn ich halte es in der Summe für ein schlechtes Budget – nicht das letzte Wort gewesen sein kann, das Ihnen einfällt, um die gesellschaftlichen Probleme in unserem Land zu bewältigen.

Ich lese Ihnen ganz kurz nur vor: "Der Rechtskultur in diesem Land, ohnehin ein zunehmend vernachlässigter Grundwert, wurde schwerer Schaden zugefügt. Man ändert handstreichartig aus ausschließlich fiskalischen Gründen Regelungen, die eine anerkannte Funktion haben. Man wirbelt das Rechtssystem durch die Hüftschüsse einer eiligen Geldbeschaffungsaktion durcheinander. Man ändert die Rahmenbedingungen für zentrale ökonomische und lebensbezogene Dispositionen der Menschen im Zickzackkurs." – Das betrifft genau die Frage der Geburtenbeihilfe, des Karenzurlaubsgeldes, der Notstandshilfe und so weiter.

"Jede minimale gesetzliche Änderung wird nach der österreichischen Rechtstradition gründlich begutachtet und beraten. Jetzt werden Änderungen der Rechtsordnung im Umfang von 100 Milliarden schlicht dekretiert und Kritik daran mit dem ,Stigma’ des Aufschnürens versehen." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Es wäre notwendig gewesen, wenn Sie Strukturreformen in diesem Land vorantreiben wollen, daß Sie etwa das beherzigen, was Ihnen von der ÖVP beispielsweise so wichtig ist: Kampf der Gesetzesflut. Es ist dies eine Initiative, die Sie ausgerechnet in diesen Tagen – mit 70 000 oder 100 000 Unterschriften – vorgestellt, aber kein Wort darüber verloren haben, daß "Kampf der Gesetzesflut" von denselben Leuten betrieben wird, die hier in diesem Hohen Hause die Gesetze, die Gesetzesflut verabschieden. Es ist doch ein Unding, ein Paradoxon für sich, "Kampf der Gesetzesflut" zu formulieren und hier herinnen fleißig abstimmen zu wollen und zu müssen, brav die Hand zu heben zu der Erstellung von 100 Gesetzen, meine Damen und Herren von der ÖVP! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger .)


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Sie machen dies, ohne darüber nachzudenken, Herr Abgeordneter Puttinger, was Sie mit diesen Gesetzen an Änderungen, an mehr Bürokratie tatsächlich verursachen. Das ist doch das Problem, das wir dabei haben: daß Sie mit diesen hundert Gesetzen, die Sie hier im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes verabschieden, ja noch mehr an Bürokratie, noch mehr an Unlesbarkeit von Gesetzen verursachen, aber nur in minimalen Bereichen tatsächlich Strukturreformen in einem effektiven Sinn, im Sinn von mehr Effizienz erreichen.

Was machen Sie? Was wäre notwendig gewesen? – Lösungen woanders zu suchen! Lösungen zu suchen in den Diagnosen von Problemen, die wir hier in Österreich in einigen Bereichen durchaus auch gemeinsam feststellen können. Dann dürften Sie aber nicht 100 Gesetze verabschieden, sondern dann müßten Sie in einem intensiven Prozeß, so, wie wir das aus anderen Ländern kennen und wie es durchaus auch der Tradition, der Gesetzgebungstradition in diesem Hause entspricht, sich Zeit nehmen dafür, um in einigen bestimmten Bereichen, in denen Strukturreformen notwendig sind, tatsächlich effektive Lösungen zu erreichen. Und das sind dann die klaren und schlanken Lösungen – aber nicht ein barockes Gesetz, das in seiner Monstrosität alles übertrifft. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Puttinger: Ihre Lösung heißt subventionieren! Wir zahlen alles! Wir subventionieren alles!) Nein! (Abg. Dr. Puttinger: Das haben Sie doch gerade gesagt!) Nein!

Sie sind doch derjenige, Herr Abgeordneter Puttinger, der mit diesen 100 Gesetzen eine hypertrophe Bürokratie geradezu nährt. Das ist doch die Nährlösung für eine Bürokratie, die Sie hier beschließen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Puttinger: Wie schaut es denn bei den Sonderausgaben aus?) Sie brauchen doch uns nicht vorzuwerfen, daß wir in bestimmten Bereichen für staatliche Regulierungen eintreten. (Abg. Dr. Puttinger: Wie schaut es denn aus bei den Sonderausgaben? Geben Sie eine Antwort!) Wir sind natürlich dafür, aber wir sind für klare, einfache und saubere Lösungen. (Abg. Dr. Puttinger: Geben Sie eine Antwort! Geben Sie bitte eine Antwort!)

Herr Abgeordneter Puttinger! Ich habe schon mehrmals in diesem Hohen Hause gesagt: Eine einfache und klare Lösung wäre beispielsweise in einem Bereich denkbar gewesen, wo wir das alle gemeinsam – zumindest in den Worten – wünschen, nämlich ein klares, harmonisiertes Pensionssystem zu schaffen. Da verweigern Sie sich, obwohl Sie noch vor den Wahlen gesagt haben, da stimmen wir überein. Jetzt verweigern Sie sich! Kein Thema mehr für Ihre Partei! Kein Thema mehr für Sie! Keine Frage mehr! (Abg. Dr. Puttinger: Hat sich nichts geändert?!) Da haben wir Lösungen parat, Herr Abgeordneter Puttinger, die tatsächlich klar und einfach sind. (Abg. Dr. Puttinger: Wo ist die zusätzliche Bürokratie?) Ich zeige Ihnen das. Wir würden dadurch erheblich an Bürokratie einsparen können, Herr Abgeordneter Puttinger! (Abg. Dr. Puttinger: Bitte zeigen Sie uns das!)

Es wäre auch möglich, nicht in jenen Bereichen zu sparen, wo Sie jetzt sparen, nämlich bei den Arbeitslosen und Notstandshilfeempfängern, sondern in Bereichen zu sparen, wo man nicht jemandem etwas wegnehmen muß. Das ist möglich und denkbar! Beispielsweise im Gesundheitsbereich: Es wäre das möglich durch den Ausbau einer dezentralen Altenbetreuung und Altenversorgung, durch eine extramurale Altenbetreuung und Altenversorgung. Diesen Weg gehen Sie aber nicht! (Abg. Rosemarie Bauer: Aber das geschieht ja schon! In Vorarlberg! In Salzburg! – Abg. Dr. Puttinger: Das gibt es ja schon!) Es wäre möglich durch den Abbau einer Apparatemedizin. Diesen Weg gehen Sie nicht!

Es wäre auch möglich durch die Entschlackung – ich sage das ganz bewußt – im Bereich der Wohnbauförderung, einer Wohnbauförderung, die derzeit an komplizierten Vorschriften, an kartellierten Baupreisen erstickt. Das ist doch das Problem bei der Wohnbauförderung, daß wir hier Strukturen vorfinden, komplizierte Vorschriften, überhöhte Baupreise, überhöhte Preise für die Leistungen, die erbracht werden, die diese Wohnbauförderung zu einer Förderung von Bauunternehmen machen, aber nicht zu einer Förderung von Leuten, die eine Wohnung suchen.

Das ist doch das Problem, das wir in diesem Bereich vorfinden! Da haben Sie sich immer verweigert und waren keineswegs bereit, im Rahmen der Gesetze, die Sie hier verabschieden,


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17. Sitzung / Seite 555

Änderungen vorzunehmen. (Abg. Rosemarie Bauer: Dann schauen Sie sich doch das neue Wohnbauförderungsmodell an!)

Sie haben die Budgetsanierung in vielen Bereichen tatsächlich nach dem Motto betrieben: Wer leistet den geringsten Widerstand? Wer kann keinen Widerstand leisten? Wer hat hier in dieser Republik und auch hier in diesem Hohen Hause das geringste Sprachrohr? – Nach diesem Motto haben Sie versucht, die Budgetbelastungen zu verteilen. Und das ist kein guter Weg für die Gesellschaft von morgen.

Wenn Abgeordneter Steindl hier vom "Mut zum Risiko" spricht, dann sollten Sie sich dieser Aufgabe auch tatsächlich überantworten und das Risiko suchen, das Risiko, das auch darin begründet liegt, daß man sich vielleicht auch die eigenen Antworten etwas genauer ansieht, daß Sie sich ansehen, was Sie mit diesen 100 Gesetzen, die Sie hier verabschiedet haben, und mit diesen Budgetgesetzen, die Sie heute noch verabschieden, tatsächlich anrichten an verfehlten Weichenstellungen für das Österreich von morgen.

Ich hoffe, Herr Abgeordneter Puttinger, wenn ich die genannte Broschüre an Sie verteile, daß Sie auch eine Blick in diese Broschüre werfen, daß Sie die Diskussion und die Auseinandersetzung suchen, daß Sie gemeinsam mit uns die Debatte über eine Gesellschaft von morgen, über ein Österreich von morgen, die wir dringend nötig haben, dringend nötig haben in der Analyse, dringend nötig haben in anderen strategischen Entwürfen, mit uns aufnehmen. – Danke. Herr Abgeordneter Puttinger, Ihnen ganz besonders! (Abg. Dr. Puttinger: Bitte sehr! – Beifall bei den Grünen. – Während der letzten Worte des Redners hat Abg. Wabl bereits einige Exemplare einer Broschüre an Abg. Puttinger und einige andere ÖVP-Abgeordnete verteilt.)

12.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Sehr verehrter Herr Abgeordneter Öllinger! Entschuldigen Sie, daß ich Sie auf etwas aufmerksam mache. Sie haben die Verteilung einer Broschüre angekündigt. Ich nehme an, Sie meinen eine Verteilung dieser Broschüre im Haus, aber nicht im Plenarsaal. Ich gehe davon aus, daß die im Plenarsaal zur Verteilung gelangenden Drucksorten in der Geschäftsordnung taxativ aufgezählt sind und die Verteilung derartiger Broschüren nicht darunterfällt. Sollte es dennoch zur Verteilung dieser Broschüre kommen, würde ich in der nächsten Präsidialsitzung diese Frage einer Klärung zuführen. – Danke schön.

Herr Abgeordneter Wabl! Sie haben sich zur Geschäftsordnung gemeldet. – Bitte.

12.10

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Ich nehme an, daß Sie hier nicht das Weiterreichen von Informationen von Abgeordneten zu Abgeordneten verbieten wollen. (Abg. Mag. Stadler: Das steht in der Geschäftsordnung!)

12.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Durchaus nicht, aber ich bin nicht überzeugt davon, daß das von der Geschäftsordnung her gedeckt ist, und ich glaube, wir sollten in der Präsidiale darüber sprechen. Ich hindere Sie auch jetzt nicht an der Verteilung. – Danke schön. (Abg. Wabl: Dürfen dann Zeitungen regelmäßig verteilt werden?)

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Kurzbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.11

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Verehrte Damen und Herren! Mit dem heutigen Tag gehen zwei Parlamentswochen zu Ende, zwei Wochen, in denen durch den Gesetzgeber die Grundlage geschaffen beziehungsweise die Richtung angegeben wurde, wie wir uns in den nächsten Jahren weiterentwickeln werden beziehungsweise weiterentwickeln sollen.

In der Vorwoche erfolgte die Beschlußfassung über das Strukturanpassungsgesetz 1996. In dieser Woche erfolgten die Beratungen über die Bundesfinanzgesetze 1996 und 1997, welche wir mit dem heutigen Tag zur Abstimmung bringen.


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Der Budgetansatz für das Jahr 1997 sieht auf der Ausgabenseite eine Reduzierung gegenüber 1995 von 25 Milliarden Schilling vor und beträgt rund 740 Milliarden Schilling. Auf der Einnahmenseite sind Mehreinnahmen von zirka 26 Milliarden Schilling gegenüber 1995 vorgesehen; die Einnahmen insgesamt werden mit 672 Milliarden Schilling veranschlagt. Dies bedeutet, daß bei Umsetzung der geplanten Maßnahmen die Neuverschuldung im Jahr 1997 auf 68 Milliarden Schilling zurückgeführt wird. Laut Prognose des Wifo vom Dezember wird das Bruttoinlandsprodukt im Jahre 1997 auf 2 516 Milliarden Schilling wachsen. Somit wird die Neuverschuldung in der Höhe von 68 Milliarden Schilling 2,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt geht es darum, das vorliegende Konsolidierungsprogramm, welches mehrheitlich von der Bevölkerung akzeptiert wird, konsequent umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ziel dieses Reformprogramms sind erstens die Budgetkonsolidierung und zweitens die Sicherung bestehender beziehungsweise Schaffung neuer Arbeitsplätze, also die Herbeiführung eines gesunden Wirtschaftsklimas. Lassen Sie mich einige Beispiel nennen, welche Maßnahmen mit dazu beitragen sollen, dieses gesunde Wirtschaftsklima herbeizuführen.

Erstens das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz: In diesem Gesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird die Voraussetzung dafür geschaffen, daß jährlich 12 Milliarden Schilling für Investitionen in die Schieneninfrastruktur, also für den Bahnausbau, zur Verfügung stehen. Insgesamt sind das in den kommenden fünf Jahren 60 Milliarden Schilling.

Zweitens das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz: Neben der Bemautung ein Bündel, ein Paket von Maßnahmen, wobei in den kommenden Jahren 33 Milliarden Schilling für den Straßenausbau beziehungsweise für Straßensanierungen zur Verfügung gestellt werden.

Drittens der Siedlungswasserwirtschaftsfonds: Per anno wird ein Förderungsvolumen von 3,9 Milliarden Schilling für die kommunale Wasserwirtschaft eingesetzt, zusätzlich wird für die Jahre 1996/97 eine Sondertranche in der Höhe von 1 Milliarde Schilling fixiert.

Vierter Punkt: Im Umweltförderungsgesetz wurde im Bereich der Altlastensanierung für 1996 und 1997 zusätzlich 1 Milliarde Schilling fixiert.

All das, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind Maßnahmen, um Arbeitsplätze zu sichern.

In einer Tageszeitung ist eine neueste Umfrage bekanntgegeben worden, wonach derzeit 80 Prozent der Bevölkerung meinen, daß die Arbeitsplätze unsicher sind. Bei den Gründen für die hohe Arbeitslosigkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, steht an erster Stelle, daß es in manchen Regionen zu wenig offene Stellen gibt. Oder: 83 Prozent der Befragten glauben, daß zu wenig gegen den Mißbrauch beim Bezug des Arbeitslosengeldes getan wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das zeigt aber auch, daß wir mit diesem vorliegenden Reformprogramm auf dem richtigen Weg sind. Jetzt ist es unsere Aufgabe, unsere Aufgabe hier im Hohen Haus, der Bevölkerung Mut zu machen – damit möchte mich vor allem auch an die Opposition wenden – und ihr die Botschaft zu übermitteln, daß wir sehr wohl optimistisch in die Zukunft blicken können. (Beifall bei der ÖVP.)

12.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Blünegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.17

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Herr Abgeordneter Dr. Riedler hat heute als junger Abgeordneter gesagt, daß er enttäuscht ist von dieser Debatte und von deren Stil. Ich kann ihm als ebenfalls junger Abgeordneter, der das erste Mal bei einer Budgetdebatte in diesem Hohen Haus dabei ist, nur


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17. Sitzung / Seite 557

sagen: Er könnte unter anderem auch die guten Anträge, die wir Freiheitlichen eingebracht haben, in seiner Fraktion so empfehlen, daß sie auch angenommen werden. Dann würde diese Vorgangsweise im Parlament vielleicht demokratischer sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn was haben wir denn in dieser Budgetdebatte eigentlich alles miterlebt? – Wir haben gesehen, daß es eine Schlagwortdebatte ist, wir haben gesehen, daß Abgeordneter Koppler ruhig sagen kann, daß der Industriestandort Österreich gesichert sei, daß neue Arbeitsplätze geschaffen würden. Genau eines hat er dabei aber nicht erwähnt: daß eben durch die schlechte Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung Arbeitsplätze vernichtet worden sind. Das muß man genauso dazusagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Mertel! Sie machen auch immer wieder gern einen kleinen Zwischenruf. Ich darf Ihnen sagen: Mich stören Ihre Zwischenrufe sicher nicht. Wenn Sie sachlich wären, würde ich sie gern beantworten. Aber das, was Sie jetzt gesagt haben, ist ja nicht sachlich, daher brauche ich das nicht zu beantworten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Was habe ich gesagt?)

Für mich als Arbeitnehmer in der Industrie ist es eine der wichtigsten Aufgaben, die Lage in der Industrie zu kommentieren. Denn was geschieht? Ein Drittel der österreichischen Wirtschaftsleistungen wird von der Industrie erbracht; das entspricht einem Volumen von zirka 700 Milliarden Schilling, meine Damen und Herren. Die Industrie hat eine Motorfunktion, und sie ist verantwortlich für Wachstum, soziale Sicherheit, Steueraufkommen und Leistungsbilanz. Aber die Wirtschaft und die Industrie befinden sich heute in einer wirklich schweren Strukturkrise.

Die Zahl der Industriebeschäftigten, meine Damen und Herren, ist 1995 um 2 Prozent gesunken – ich freue mich, daß Kollege Koppler hier ist, damit er das auch hört (Abg. Koppler: Wenn ich gewußt hätte, daß du redest, wäre ich draußen geblieben. – Abg. Dr. Graf: Wenn es so weitergeht wie bisher, ist der Koppler bald der letzte Industriearbeiter!) – , die Zahl der Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft ging um 7,9 Prozent zurück, und die Aussichten für 1996 und 1997 sind nicht rosig, sondern trist.

Die Sektion Industrie in der Bundeswirtschaftskammer – das könnten wir einmal dem Präsidenten Maderthaner sagen – befürchtet einen Verlust von 15 000 bis 20 000 Arbeitsplätzen im Jahr 1997. – Das, meine sehr geschätzten Damen und Herren, sollten wir in diesem Hohen Haus verhindern, und zwar durch gute Gesetze. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Durchschnittszahl an Arbeitslosen wird sich weiterhin erhöhen. Für das Jahr 1996 sind 217 000 Arbeitslose zu erwarten, für 1997 241 000 Arbeitslose. Dabei glaube ich, daß Österreich eigentlich bei der Erstellung der Statistik für die Arbeitslosen an Fälschung nicht zu übertreffen ist. Das kann ich folgendermaßen dokumentieren: Wenn wir die Tabellen der OECD-Staaten und der EU mit der Tabelle der Arbeitslosenstatistik von Österreich vergleichen, sieht man, daß in diesem Fall ein Fälschen dadurch erfolgt, daß erstens einmal die Arbeitnehmer, die in den Arbeitsprozeß einsteigen wollen, die also noch nie beschäftigt waren, aber keinen Arbeitsplatz bekommen, nicht in die Statistik aufgenommen werden. Das erzeugt also eine Verfälschung. Zweitens würden die Invaliditätspensionen – in Österreich gehen wir ja vorrangig den Weg der Invaliditätspensionen – in die Arbeitslosenstatistik genauso hineingehören, denn das sind nämlich Arbeitslose, die sozusagen weggefälscht wurden.

Daher ist unsere Arbeitslosenstatistik in Österreich nicht so gut, wie sie dargestellt wird, sondern sie hat genau die gleiche Höhe wie in der Europäischen Union, und das ist doch bedenklich.

Wie sieht es mit den von Ihnen verantwortlichen Pleiten aus, meine sehr geschätzten Damen und Herren von der Regierungskoalition? – Die Pleitewelle rollt ungehindert über Österreich. 1995 gab es mit 2 043 die in der Nachkriegszeit höchste Zahl an Insolvenzen; sie umfassen Passiva von 63,1 Milliarden Schilling. 1996 wird sich diese Horrorentwicklung nicht abschwächen, und auch Pleiten, meine sehr geschätzten Damen und Herren, werden Sie nicht verhindern, denn Sie können sich ja auf Kosten der Industrie und des Gewerbes wieder sanieren und dann vielleicht sagen: Wir haben eine gute Wirtschaftspolitik gemacht.


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17. Sitzung / Seite 558

Was haben Sie in den zehn Jahren der großen Koalition dazugelernt? – Ich glaube, sehr wenig, denn wenn ich heute diese Husch-Pfusch-Gesetze, die jetzt schon reformbedürftig sind, betrachte, dann brauche ich ja nur das Beispiel Energiesteuer herauszunehmen: Da gibt es seitens der ÖVP einen klaren Bruch des Wahlversprechens, keine Steuern einzuführen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das haben Sie gesagt, aber jetzt haben Sie neue Steuern eingeführt. Schauen Sie sich doch die Energiesteuer an! Was bewirkt die? – Arbeitsplatzvernichtend ist sie! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen haben ja zum Thema Energiesteuer im Zuge der Debatte über das Strukturanpassungsgesetz einen Antrag eingebracht. Was haben Sie gemacht, meine sehr geschätzten Damen und Herren von der Regierungskoalition? – Sie haben diesen Antrag abgelehnt, obwohl Sie wissen, daß Sie mit dieser Energiesteuer im Schnitt 8 000 Arbeitsplätze vernichten. (Abg. Dr. Lukesch: Das ist ja gar nicht wahr!)

Für die Forschung haben Sie überhaupt nichts übrig (Abg. Dr. Lukesch: Das stimmt ja nicht!), und das kann ich dadurch beweisen, daß Sie nicht einmal bereit waren, für Forschungszwecke einer Steuerbefreiung bei Erdgas zuzustimmen. – Da sieht man genau, wie Sie daran interessiert sind, daß Forschung betrieben und Arbeitsplätze gesichert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Für Forschungen sind im Budget bescheidene 720 Millionen Schilling vorgesehen – und Sie glauben, mit dem das große Glück gefunden zu haben. Damit werden Sie bestimmt nicht durchkommen!

Geschätzte Damen und Herren! Durch wirtschaftsfeindliche Gesetze und durch eine neue Steuerbelastung vernichten Sie Arbeitsplätze und gefährden den Wirtschaftsstandort Österreich. Die Schlagwörter und die Ankündigungen, die ich bis jetzt von Ihnen gehört habe, stellen keine Problemlösungen dar. Ich erinnere Sie nur an einige Schlagwörter, die Sie hier gebracht haben: Beschäftigungsoffensive, Innovationsoffensive, Qualifikationsoffensive. Alle diese Worte habe ich schon sehr oft von Ihnen gehört. Zur Qualifikationsoffensive und zum Thema Lehrlingsausbildung: Tatsache ist, daß viele Betriebe ihre Lehrwerkstätten aus Kostengründen zusperren müssen. In einem Artikel im "Kurier" vom 20. Feber 1996 wird das genau aufgezeigt.

Aber wir sollten versuchen, Änderungen herbeizuführen. Und da gibt es ein wunderbares Beispiel dafür, wie es in Deutschland praktiziert wird. In Deutschland werden Lehrwerkstätten zusammengelegt. Es gibt Betriebe, die Lehrlinge aufnehmen, die von anderen Betrieben kommen (Abg. Koppler: Das gibt es bei uns auch!), und das sollte unter anderem auch bei uns in Österreich viel mehr gefördert werden. Kollege Koppler, du weißt ganz genau, nur mit Reden allein werden wir das nicht erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Situation der Lehrstellensuchenden in Tirol. 1995 ist die Zahl der Lehrstellensuchenden um 14,2 Prozent gestiegen, die Zahl der Lehrstellen aber um 52,1 Prozent zurückgegangen. – Und das, Kollege Koppler, ist meiner Ansicht nach sehr gefährlich! So wird genau jene Zukunftsstruktur, die wir brauchen, damit Facharbeiter ausgebildet werden können, von euch verhindert. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Da hast du mir nicht zugehört vorgestern! Da hast du nur geschrien, aber nicht zugehört!)

Der Durchschnitt in Tirol, was Lehrstellensuchende anlangt, liegt mit 30,9 Prozent sogar über dem österreichischen, und das ist sicher nicht schlecht.

Ein Slogan, den ich von den Sozialdemokraten immer wieder höre, lautet "Karriere mit Lehre". Was ist "Karriere mit Lehre"? Mit Ihrer Wirtschaftspolitik ist das ein leeres Schlagwort, Kollege Koppler, ein purer Hohn für diejenigen Menschen, die eine "Karriere mit Lehre" machen wollen.

Bundeskanzler Vranitzky und Vizekanzler Schüssel sagten – das steht im Wirtschaftsteil des "Kurier" vom 20. Feber auf Seite 17 zu lesen –, es soll die Lehrlingsausbildung weiter aufgewertet werden. Jetzt frage ich Sie, meine Damen und Herren: wann, wie, wo? Werte Abgeordnete, wo wollen wir das machen? Was ist bis jetzt geschehen? Nur Schlagworte! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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17. Sitzung / Seite 559

Wo bleibt Ihre Offensive zur Sicherung der Wirtschaft und zur Erhaltung von Arbeitsplätzen? Wo bleibt Ihre "Gründungswelle", die Sie angekündigt haben? Nichts anderes ist zu sehen als lediglich Ansätze, aber keine dementsprechende Ausführung dazu. Im "Kurier" vom 20. Februar 1996 ist dazu zu lesen, daß der Herr Vizekanzler Schüssel gesagt hat, daß bis Ende dieser Legislaturperiode 50 000 neue Betriebe gegründet werden sollen. – Na das werden wir uns anschauen!

Oder Herr Bundeskanzler Vranitzky: Er versprach 80 000 neue Arbeitsplätze. Aber viele Arbeitnehmer, die sich eine Betriebsgründung überlegen, werden wahrscheinlich angesichts der bürokratischen Hürden, die es bei uns in Österreich gibt, schon vorher das Handtuch werfen.

Dazu gibt es eine wunderbare Statistik: Jeder Betrieb wendet durchschnittlich 560 Arbeitsstunden auf, um für den Staat unbezahlte bürokratische Arbeiten zu erledigen. Aus einer weiteren Statistik ist zu ersehen: Für die komplizierte Lohnverrechnung braucht ein Betrieb durchschnittlich 42 Stunden im Jahr; Kleinbetriebe investieren dafür 14mal mehr Zeit als Großbetriebe. Und noch etwas Kurioses gibt es in Österreich: Es gibt noch 110 diesbezügliche österreichische Gesetze als Relikt aus dem vorigen Jahrhundert, die aber immer noch bestehen.

Wenn wir neue Arbeitsplätze schaffen wollen, dann können wir das nur durch die Förderung der Klein- und Mittelbetriebe erreichen. – Aber diesbezüglich habe ich bis jetzt von Ihnen, meine Damen und Herren, noch keine Ansätze gesehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Strukturanpassungsgesetz mit seinen rückwirkenden Bestimmungen – insbesondere der Streichung der Verlustvorträge oder der Erhöhung der Mindestkörperschaftsteuer von 15 000 S auf 50 000 S – kann nach meinem Dafürhalten nicht dazu beitragen, daß in Österreich jene Arbeitsplatzsicherung Platz greift, die wir eigentlich brauchen. Im Gegenteil: Dadurch wird die Arbeitsplatzsicherung meiner Meinung nach erschwert.

Als Arbeitnehmer und gleichwertiger Partner in unserem Wirtschaftssystem wollen wir sicher unseren Anteil dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs und den Wirtschaftsstandort Österreich abzusichern. Aber Österreich geht sicherlich nicht an den hohen Lohnnebenkosten zugrunde. Das sind Themen, die man braucht, um etwas zu verschleiern. Meiner Ansicht nach sind die Lohnnebenkosten nicht entscheidend, denn sie sind meiner Meinung nach so zu kalkulieren, daß man eben auf ein entsprechendes Jahreseinkommen kommt und kein Einkommensverlust entsteht. (Abg. Koppler: Da bist du unterschiedlicher Meinung zu deinem Parteiobmann! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ja erlaubt bei uns!)

Ich brauche meinen Parteiobmann sicher nicht zu verteidigen, der kann das wahrscheinlich besser; er ist, so meine ich, doch sehr redegewandt. Aber dir kann ich eines sagen, Kollege Koppler: Die Lohnnebenkosten, die jetzt als arbeitsplatzvernichtend bezeichnet werden, aufgrund derer angeblich die Wirtschaftsstruktur nicht angekurbelt wird – was nicht stimmt –, sind meiner Ansicht nach nicht entscheidend. (Abg. Koppler: Bravo!) Entscheidend sind die Arbeitsplatzkosten, diesbezüglich müssen wir in Österreich gegenüber dem Ausland konkurrenzfähig sein. Da muß man aber eine gesunde Wirtschaftspolitik betreiben, und diese vermisse ich bei uns! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn worin liegen die österreichischen Arbeitskosten – betrachten wir die Statistik; Deutschland hat höhere Arbeitskosten –: Die österreichischen Arbeitskosten sind gegenüber denen Deutschlands um 29 Prozent günstiger, gegenüber der Schweiz sind sie um 25 Prozent günstiger. Daher sind die Lohnnebenkosten nicht entscheidend, sondern entscheidend ist, daß eine Wirtschaftspolitik betrieben wird, die die Sicherheit der Arbeitsplätze gewährleistet. Das wollen wir haben, das wollen viele, viele Österreicher. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meiner Ansicht nach ist aber noch eines entscheidend, meine sehr geschätzten Damen und Herren – da immer von der "Flexibilisierung der Arbeitswelt" gesprochen wird –: Man muß auch die entsprechenden Ansätze vornehmen, und nicht immer nur sagen: Flexibilisierung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer!, sondern es sollen beide Teile gemeinsam am Tisch sitzen und dieses Gesetz gemeinsam beschließen.


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Ein abschließender Satz: Meine Damen und Herren! Niemand in Österreich will sich heute mehr auf ein unternehmerisches Risiko einlassen, weil der Wirtschaftspolitik dieser Regierung nicht mehr zu trauen ist. Daher lehnen wir Freiheitlichen die Budgets für 1996 und 1997 ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Müller. – Bitte.

12.34

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, den Wohlstand, die wirtschaftliche Stabilität und die soziale Sicherheit in Österreich zu gewährleisten. Die Budgetkonsolidierung ist daher unumgänglich, und die damit verbundenen Konvergenzkriterien spielen vor allem im Finanzausgleichsgesetz eine wesentliche Rolle.

Die Obergrenze mit 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes an Neuverschuldung pro Jahr stellt sicherlich eine hohe Latte dar, aber diese Grenze kann durch die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen erreicht werden.

Die Verpflichtung zur gemeinsamen Erreichung dieses Zieles aller drei Gebietskörperschaften bedarf natürlich auch innerstaatlicher Maßnahmen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es muß uns klar sein, daß es bei Budgetkürzungen des Bundes automatisch auch zu finanziellen Kürzungen auf Landes- und Gemeindeebene kommen muß. Daher stellt das Ergebnis der Finanzausgleichsverhandlungen mit den Gebietskörperschaften die rechtlich gesicherte Basis dar, die erforderlich ist, um das Konvergenzprogramm gemeinsam erfüllen zu können und Einnahmenausfälle aufzufangen. Gerade in einem Bundesstaat wie Österreich sind Fragen des Finanzausgleichs nicht nur Ausdruck der Kompetenzverteilung im Sinne der staatlichen Aufgabenerfüllung, sondern auch der notwendigen Autonomie in der Haushaltspolitik.

Wenn wir uns heute unter anderem mit dem Finanzausgleich zu beschäftigen haben – ein Gesetz, das aus dem Jahr 1948 stammt –, möchte ich dabei doch kritisch anmerken, daß mit jeder Neuauflage dieses Finanzausgleichsgesetzes dieses unübersichtlicher wird. Mir ist klar, daß es schwierig ist, große strukturelle Veränderungen vorzunehmen – welche Gebietskörperschaft verzichtet schon auf Einnahmen zugunsten einer anderen Gebietskörperschaft? –, die Sonderbehandlung der Stadt Wien ist aber einem Bundesländerabgeordneten natürlich sehr schwer zu erklären – wiewohl ich Wien aber zubillige, daß es aufgrund der Größe und aufgrund dessen, daß es Regierungssitz und auch Sitz internationaler Organisationen ist, eine Sonderbehandlung erfährt.

Meine kritischen Anmerkungen gehen hauptsächlich in Richtung Aufteilung der Wohnbauförderungsmittel. Obwohl bei jeder Verhandlung der Versuch unternommen wird, den Aufteilungsschlüssel weg vom abgestuften Bevölkerungsschlüssel hin zur verfassungskonformeren Aufteilung nach der Volkszahl zu verändern, bleibt die Tatsache, daß die Bundeshauptstadt allein aus diesem Titel doch etliches an Mehreinnahmen verbuchen kann. Würde man diesen Teil der zweckgebundenen Wohnbauförderungsmittel allein nach der Volkszahl aufteilen, müßte Wien auf 6,6 Prozent, das sind knapp 1,6 Milliarden Schilling, zugunsten aller übrigen Bundesländer verzichten.

Erfreulich ist, daß 1996 die Gemeinden in Summe zusätzlich 2,25 Milliarden und 1997 zusätzlich 4,15 Milliarden Schilling an Mehreinnahmen verzeichnen werden können. Die Länderbudgets werden 1996 um 3,6 und 1997 um 8 Milliarden Schilling aufgestockt.

Ebenso hervorheben möchte ich, daß die angekündigte "Kindergartenmilliarde" trotz des notwendigen Sparkurses in diesem Gesetz mit 600 Millionen Schilling ihren Niederschlag findet. Die Grundidee, dadurch die fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen aktivieren zu können, wird sicherlich größtenteils Wirklichkeit werden. Meine Freude hält sich aber etwas in Grenzen, weil die Aufteilung dieser Mittel wieder nach dem Wien begünstigenden Wohnbauförderungsschlüssel erfolgen wird.


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Die Landesumlagen, welche die Ertragsanteile der Gemeinden kürzen – mag schon sein, daß sie in vielen Bereichen auf Umwegen wieder an die Gemeinden zurückfließen –, sind zwar aus den Anfängen mit 25 Prozent in den achtziger Jahren dann auf 10,5 Prozent und seit 1989 auf 8,3 Prozent gekürzt worden, dem lobenswerten Vorpreschen der Niederösterreicher, die die Landesumlage abgeschafft haben, konnten sich die übrigen Bundesländer aber leider bis heute noch nicht anschließen.

In diesem Finanzgesetz wird die Palette von Zweckzuschüssen von Verhandlung zu Verhandlung immer mehr erweitert. Man müßte meiner Meinung nach für die nächsten Ausgleichsverhandlungen eine leichter nachvollziehbare Lösung anstreben. Ich hoffe, daß es einmal gelingen wird, von den Finanzierungen abzugehen, wo eine Gebietskörperschaft anschafft und alle übrigen automatisch mitzahlen. Die Problematik rund um die Krankenanstaltenfinanzierung hat uns ja gezeigt, wie die Kosten explodieren können.

Im gesamten Finanzausgleich vermisse ich die stärkere finanzielle Berücksichtigung jener Gemeinden, die aufgrund ihrer Lage keine Chance auf wirtschaftliche Impulse durch Betriebsansiedelungen haben. Die Ursachen hiefür können unter anderem raumordnerischer, aber auch verkehrspolitischer Natur sein. Ich stelle in meiner Gemeinde beispielsweise fest, daß durch Umweltauflagen, zu denen wir selbstverständlich alle stehen müssen, die Möglichkeiten, Betriebsareale zu gewinnen, äußerst eingeschränkt werden.

Das heißt im Klartext, daß jene Gemeinden, in denen Naturschutz schon immer Priorität hatte, sich ungleich schwerer tun, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Der richtige Weg wird sein, in Zukunft jenen Regionen und Gemeinden jene finanziellen Ausfälle abzugelten, die sie mangels ihrer Möglichkeiten an Einnahmenerschließungen haben.

Es ist ein Teufelskreis: Geringere wirtschaftliche Tätigkeit bedeutet geringere Einheitswerte, und das bedeutet wiederum geringere Einnahmen aus der Grundsteuer für die Gemeinde; weniger Betriebe bedeuten weniger Beschäftigte und geringere Kommunalabgaben für die Gemeinde, und so weiter, und so weiter. Die Ausgaben jedoch bleiben, weil natürlich auch in diesen Kommunen die Bevölkerung auf die Standard-Infrastruktur nicht verzichten will.

Daher können wir nicht umhin zu fordern, daß bei der Aufteilung der Mittel jeder Kopf unserer Bürger gleich viel wert sein muß und daß nicht nur die Wirtschaftskraft bei Finanzzuweisungen das allein ausschlaggebende Kriterium für die Aufteilung sein darf. Die Infrastrukturfrage muß ebenso Niederschlag finden, wie das soziale Gefälle verstärkt berücksichtigt werden müßte. Ebenso müßten die Naturressourcen, die bisher überhaupt keine Rolle spielen, endlich jenen Stellenwert bekommen, der ihnen von ihrer Bedeutung her zusteht. Mit den vorgesehenen Finanzzuweisungen wird zwar in gewissem Maße Rücksicht darauf genommen: Ein vollkommen gerechter Ausgleich aber kann meines Erachtens darin noch nicht erblickt werden.

Festzustellen ist jedenfalls, daß das vorliegende Ergebnis – auch wenn es nach weiteren Veränderungen ruft – ein mit allen Ländervertretern ausgehandelter Kompromiß, ein ausgehandeltes Paktum ist und daher bis Ende des Jahres 2000 seine Gültigkeit haben wird. Es sind Strukturreformen im Finanzausgleich anzustreben, die schrittweise haushaltswirksam werden müssen, damit Österreich mit seinen Bundesländern und Gemeinden auch in Zukunft eine wesentliche Rolle als wirtschaftlich gesundes Land und als sozialer Wohlfahrtsstaat in Europa einnimmt. (Beifall bei der SPÖ.)

12.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Wabl. – Abg. Mag. Firlinger: Wabl, Wabl, das wird ein böses Ende nehmen!)

12.42

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist noch nicht so lange her, daß Kollege Van der Bellen hier gemeint hat: Die Luft ist draußen, das Budget wird beschlossen, sehr viel gibt es eigentlich nicht zu diskutieren.


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Den Eindruck hat man wohl – Herr Bundesminister, Sie lächeln –, aber ich bin der Meinung, wir hätten noch eine Reihe von Budgetkapiteln zu besprechen. Ich muß schon sagen: Nur der Herr Bundesminister für Justiz hat seine Aufgabe hier ernst genommen und ist zumindest bei der Abhandlung dieses Teilkapitels erschienen. Alle anderen Minister – außer dem Herrn Finanzminister – glänzen durch Abwesenheit. Ich hätte mir wenigstens erwartet, daß Bundesminister Molterer, der hier zwei Kapitel zu vertreten hat, noch einmal kurz ins Parlament hereinschaut. Die Tatsache, daß das nicht der Fall ist, macht deutlich, wie "ernst" dieses Budget auch auf Regierungsseite genommen wird. Das gestatten Sie mir bitte schon noch als Einstieg anzumerken. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Aber man darf nicht "Marionetten" sagen zu den Abgeordneten!) Nein, das darf man nicht, Herr Kollege. Das ist verboten, da riskiert man allerhand.

Kurz noch einmal zur Sache, meine Damen und Herren. – Daß wir Liberale diesem Budget die Zustimmung verweigern werden, daran haben wir, glaube ich, keinen Zweifel gelassen. – Ich möchte ein idealtypisches Kapitel des Bundesbudgets herausgreifen, nämlich das Kapitel ... (Ruf bei der SPÖ: Molterer ist gekommen!) Molterer ist da – hervorragend, ausgezeichnet, paßt wie gerufen! Herr Bundesminister, ich darf Sie herzlich begrüßen, und ich komme sogleich zum Kapitel 77, Österreichische Bundesforste. (Abg. Auer: Nehmen Sie alles zurück, was vorher gesagt wurde?) Alles nicht! Molterer hat seine Aufgabe auch ernst genommen und ist noch rechtzeitig erschienen. Danke schön.

Meine Damen und Herren! Dieses Kapitel 77 des Bundesbudgets, Österreichische Bundesforste, stellt ein idealtypisches Kapitel dar, an welchem echte Reformüberlegungen meines Erachtens nicht vorbeigehen können. So gesehen – ich möchte das ausdrücklich betonen – bin ich froh darüber, daß man die Ausgliederung der Österreichischen Bundesforste nicht auch noch in das Strukturanpassungsgesetz integriert hat, wie das bei manch anderen Dingen passiert ist.

Der Grund, warum man in diesem Bereich nicht so vorgegangen ist wie beispielsweise bei der Ausgliederung der Österreichischen Post, Herr Bundesminister, liegt meines Erachtens nicht darin, daß plötzlich die große Liebe, die große Bereitschaft seitens der SPÖ und ÖVP entstanden wäre, die Oppositionsparteien stärker in die Beratungen zu integrieren, liegt nicht darin, daß plötzlich ein gesteigertes Bedürfnis nach einer Allparteien-Diskussion entstanden wäre, sondern der Grund, warum es jetzt nicht mehr im Budget behandelt ist, ist meines Erachtens schlicht und ergreifend die Tatsache, daß sich die Regierungsparteien in dieser Frage nicht oder noch nicht einigen konnten.

Meine Damen und Herren! Das soll uns aber nicht davon abhalten, dieses Thema in den nächsten zwei Jahren nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Daß man auf dem Sektor Bundesforste alles so beläßt, wie es ist, daß man sagt: Na ja, da haben wir noch ein zukünftiges Privatisierungs- und Reformpotential, das man eines Tages in aller Gemächlichkeit angehen wird, so, meine Damen und Herren, soll es nicht sein.

Wir Liberale sehen auf diesem Gebiet die Notwendigkeit eines durchgreifenden Reformansatzes, der nach unserem Dafürhalten nicht mit einer Privatstiftung – wie es Bundesminister Molterer vorschwebt – oder mit einer Beibehaltung des Status quo – wie es vielleicht bei den Grünen diskutiert wird – oder einer oberflächlichen Veränderung der Führungsstruktur zu beantworten ist, sondern, meine Damen und Herren, das Kernstück einer Reform der ÖBF kann nur in einer Ausgliederung aus dem Bundesbudget und in einem daran anschließenden geordneten Rückzug des Staates aus der Forstwirtschaft bestehen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Ruf: Der Minister hört ja gar nicht zu!) Molterer wird schon zuhören. (Abg. Wabl: Was machen wir mit den Schutzwäldern, Kollege Firlinger?) Da gebe ich dir jede Menge Antworten, Kollege, wir werden das noch ausführlich diskutieren. (Abg. Wabl: Eine Antwort genügt! Das würde mir schon ein bißchen helfen!) Da gibt es viele Antworten, aber alle sind klar, Kollege Wabl. Jede Menge Argumente gibt es, die wir dir, Kollege Wabl, zur Verfügung stellen können.

Meine Damen und Herren! Dieser geordnete Rückzug aus der Forstwirtschaft heißt im Klartext auch eine Privatisierung, zumindest eine mehrheitliche Privatisierung in einem längerfristigen


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Zeitraum – das möchte ich auch dazusagen; kurzfristig ist das sicher nicht zu bewerkstelligen –, in einem Zeitraum von 15 bis 25 Jahren. Darüber kann man sicherlich diskutieren und auch darüber, meine Damen und Herren, wie die Details aussehen.

Wir Liberale haben uns daher erlaubt, der Tätigkeit des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft einen kräftigen Impuls in diese Richtung zu geben. Ich hoffe, dieser Entschließungsantrag, den wir Liberalen eingebracht haben, wird in Kürze behandelt und nicht schubladisiert wird, Herr Bundesminister. Ich hoffe, man wartet nicht, bis die Bundesregierung endlich soweit ist, sich zu einigen, sondern der Antrag wird, wie es sich gehört, in angemessener Frist in diesem Ausschuß behandelt.

Ich will Sie jetzt nicht noch mit diesen Details ... (Abg. Wabl: Bitte, das mit den Schutzwäldern noch, dieses kleine Detail!) Ja, Kollege, nur Geduld, es gibt noch einen Ausschuß! (Abg. Wabl: Er vertröstet mich auf den Ausschuß! – Das ist Populismus!) Herr Kollege Wabl! Die Österreichischen Bundesforste bestehen nicht nur aus Schutzwäldern. Der Schutzwaldanteil – um eine Frage vorweg zu beantworten – beträgt 27 Prozent des gesamten staatlichen Forstbesitzes. Es bleibt aber genug übrig, das man einer geordneten Privatisierung zuführen kann. Es bleibt genug übrig. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Wabl: Wer zahlt das? – Der Staat heute!) Kollege Wabl, das ist fürs erste einmal genug. Im Ausschuß können wir nächtelang, tagelang diskutieren; ich freue mich auf die Auseinandersetzungen mit dir darüber.

Meine Damen und Herren! Was wollen wir mit diesem Entschließungsantrag in Bewegung setzen? Ich möchte hier noch kurz einige Punkte erwähnen, die geeignet sind, diesen geordneten Rückzug des Staates zu ermöglichen.

Wir wollen, bis es dahin kommt, erstens eine Verwaltungsvereinfachung und die Schaffung einer effizienten Führung der Forstbetriebe ermöglichen; das ist derzeit nicht beziehungsweise nicht in ausreichendem Maße der Fall.

Zweitens wollen wir ebenfalls bis dahin, bis es soweit ist, etliche Jahre noch eine nachhaltige und ertragreiche Bewirtschaftung der Vermögenswerte der Bundesforste sicherstellen.

Ein dritter Punkt: Wir wollen die Verbesserung der Substanz durch Arrondierungs- und Sanierungsmaßnahmen gewährleisten. Auch das wird nur sehr halbherzig betrieben. Die Österreichischen Bundesforste können zwar verkaufen, können auch zukaufen, aber jede einzelne Grundstückstransaktion unterliegt dem Nationalrat. So kann ein ordnungsgemäß geführtes Unternehmen sicherlich nicht arbeiten. Daher besteht also auch in dieser Hinsicht Reformbedarf. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Natürlich, selbstverständlich geht es uns auch – und das ist sehr wesentlich – um das Einbringen von Flächen der derzeitigen Österreichischen Bundesforste in bereits bestehende sowie in Zukunft zu errichtende Nationalparks. Eine wichtige Frage, die gelöst werden muß, aber sie wird nicht dadurch gelöst, daß wir das in weite Ferne schieben.

Ein letzter Punkt, der mir ebenfalls sehr wichtig zu sein scheint und der mit diesem Entschließungsantrag in Gang gesetzt werden soll, ist schließlich die Befreiung des Bundes von finanziellen Verpflichtungen, wie einer Haftung für mögliche Verluste der Österreichischen Bundesforste. Sie wissen ja, meine Damen und Herren, es gibt hier stark schwankende Erfolge. Immer dann, wenn die Holzpreise einigermaßen in Ordnung sind ... (Abg. Mag. Barmüller – in Anspielung darauf, daß die Minister Mag. Klima, Mag. Molterer und Hums , hinter der Regierungsbank stehend, in ein Gespräch vertieft sind –: Deine Rede hat Erfolg, die Budgetverhandlungen gehen schon weiter!)

Die Budgetverhandlungen setzen sich, wie man sieht, intensiv fort, und ich nehme auch an, daß vielleicht auch gleichzeitig das Strukturanpassungsgesetz eine erste Korrektur erfährt. Das freut mich, meine Damen und Herren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Abschließend: Diese fünf von mir genannten Kernpunkte müssen einer sachlichen, ordnungsgemäßen Diskussion unter Beteiligung aller politischen Parteien unterzogen werden. Ich bin


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17. Sitzung / Seite 564

sicher, daß alle fünf Parteien hier entsprechend vorbereitete Standpunkte einbringen können, und so gesehen freue ich mich auf die diesbezügliche Tätigkeit im Ausschuß und dann auch im Plenum.

Wir Liberale werden unsere Vorschläge und Forderungen mit dem notwendigen Nachdruck, mit der notwendigen inhaltlichen Akzentuierung vortragen, und wir hoffen darauf, daß Sie, meine Damen und Herren, sich dieser Diskussion offen und sachlich stellen werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.54

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach zwei Wochen intensiver Debatten um das Strukturanpassungsgesetz 1996 und über die Budgets 1996 und 1997 sowie intensiver vorausgehender Ausschußarbeit beschäftigen wir uns heute noch mit weiteren Teilen der Bundesfinanzgesetze 1996 und 1997.

Natürlich haben sich sowohl die Regierung als auch die Opposition die Frage zu stellen: Sind diese Budgets, ist diese Politik geeignet, die Aufgaben für die Zukunft bewältigen zu können? – Ich meine, meine Damen und Herren, daß dieses Reformpaket geradezu die Garantie dafür ist, Österreichs Position als eines der wirtschaftlich stabilsten Länder in der Welt zu festigen.

Österreich ist ein Industrieland, das in der internationalen Rangliste, je nach Einstufung oder Sichtweise der Kriterien, zwischen dem vierten und achten Platz zu finden ist.

Und wenn es überhaupt eine Währungsunion geben wird – und ich bin optimistisch, daß diese kommen wird –, wird Österreich als eines der wenigen Länder von Anfang an – aufgrund dieses Reformpakets – dabeisein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wir sind – und darauf können wir stolz sein –, was die Sozialleistungen anlangt, Weltspitze, und um die österreichische Sozialpartnerschaft beneiden uns viele.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister für Finanzen! – Er ist derzeit nicht da, aber es ist ein Zufall, daß der Herr Bundesminister für Soziales jetzt auf der Regierungsbank sitzt. Ich war der Meinung, daß dieses Reformpaket, das dieses Budget und somit irgendwo auch die Zukunft Österreichs absichert, gemeinsam getragen wird. Ich stelle aber fest, daß man in einem Büchlein der "Gesellschaft Wagen" – der Druck erfolgt mit freundlicher Unterstützung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie der "Bewegung rotes Wien", meine Damen und Herren! – so manch Interessantes lesen kann. (Abg. Dr. Khol: Was? Und von der Grünen Bildungswerkstatt! – Abg. Mag. Stadler: Da schau her!)

Da lese ich, Herr Bundesminister für Soziales: Mit politischer Intelligenz könnte für Bürgerinnen und Staat viel getan werden, ohne zur Primitivmaßnahme ... (Abg. Mag. Haupt steht an der Regierungsbank und spricht mit Bundesminister Hums. – Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Zur Geschäftsbehandlung!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder (das Glockenzeichen gebend): Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter Auer!

Zur Geschäftsbehandlung Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte!

12.57

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich bitte um gleichmäßige Anwendung der Praxis, daß, wenn ein Redner einen Minister anspricht, der Minister nicht mit einem Abgeordneten schwätzen soll.

12.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich danke für diesen Hinweis. Ich komme diesem Wunsch auch sehr gerne nach.


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17. Sitzung / Seite 565

Wir haben gestern mehrfach festgestellt, daß sich diese Auskunftserteilung oder was immer auf der Regierungsbank in möglichst engen Grenzen halten soll. – Ich bitte alle Gesprächspartner, das zu beachten. Ich glaube, es gibt genug Möglichkeiten, in anderen Räumen des Hohen Hauses derartige Gespräche zu führen.

Ich danke Ihnen noch einmal für diesen Hinweis.

Ich bitte den Redner, fortzusetzen.

Abgeordneter Jakob Auer (fortsetzend): Sehr geehrter Herr Präsident, ich danke Ihnen sehr herzlich für diese Unterstützung, die Sie mir auf Anregung des Klubobmannes Dr. Khol jetzt zuteil werden lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meinen Damen und Herren! Herr Bundesminister für Arbeit und Soziales! In diesem Büchlein, das von Ihrem Ministerium unterstützt wird, nämlich von der "Bewegung rotes Wien", lese ich auf der Seite 13:

Mit politischer Intelligenz könnte für Bürgerinnen und Staat viel getan werden, ohne zur Primitivmaßnahme des Abkassierens greifen zu müssen. Jene, die jetzt zur Kasse gebeten werden, zahlen für politische Versäumnisse, für mangelnde Vorausschau, für Kurzatmigkeit der Politik. – Zitatende.

Also da muß ich schon die Frage stellen, was es bedeuten soll, daß Ihr Ministerium etwas unterstützt, was sozusagen den Ansichten des Bundesministeriums für Finanzen zuwiderläuft. Das sollte man einmal dringend abklären, meine Damen und Herren!

In diesem Büchlein steht ein weiterer bemerkenswerter Satz, und zwar – ich zitiere –:

In der Bevölkerung besteht Sparbereitschaft. Sparen im positiven Sinne hat mit Effizienz zu tun. Es ist möglich, zu sparen, ohne jemandem etwas wegzunehmen. Mit dem vorläufigen Sparvorhaben ändert sich nichts an der Maschinerie des ineffizienten Umgangs mit öffentlichen Mitteln, an Fehlsteuerungen und Vergeudungen. – Zitatende.

Herr Bundesminister, ich würde Sie dringend ersuchen, da ein bißchen für Ordnung zu sorgen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich heute aber speziell mit einer anderen Frage beschäftigen, nämlich mit der Frage des ländlichen Raumes. Ich habe hier einen bemerkenswerten Artikel von Josef Ertl im "Standard" von vorgestern, mit dem Titel: "Das Land verödet".

Das Bundesministerium für Justiz will sparen und will Bezirksgerichte zusperren. Der Innenminister will auch sparen und sperrt Gendarmerieposten zu. Die ÖBB wollen oder können sich die Defizite der Nebenbahnen nicht mehr leisten und wollen auch sparen. (Abg. Aumayr: Und die ÖVP sperrt die Bauernhöfe zu!)

Meine Damen und Herren! Da alle sparen wollen, wollen auch die FPÖler sparen: Sie wollen in Niederösterreich die Bezirkshauptmannschaften zusperren. (Abg. Aumayr: Die ÖVP spart bei den Bauern!)

Meine Damen und Herren! Jetzt mag aus der Sicht einzelner die jeweilige Maßnahme durchaus den einen oder anderen vernünftigen Grund haben. In Summe jedoch bedeuten all diese Maßnahmen dramatische Einschnitte bei den kleinen und mittleren Gemeinden, Einschnitte im ländlichen Bereich also! (Beifall bei der ÖVP.)

Das alles hat nichts mehr mit Sparen zu tun, sondern das ist die Zerstörung gewachsener Strukturen, das ist die verordnete Entsiedelung des ländlichen Raumes, und dagegen verwahre ich mich ganz entschieden (Beifall bei der ÖVP), denn da geht mehr verloren, ungleich mehr, als sonst durch Zusammenlegung oder Zentralisierung erreicht werden kann. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)


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17. Sitzung / Seite 566

Natürlich muß und wird es – und wir sollten die Augen davor nicht verschließen – einen Strukturwandel immer geben, aber Strukturen kann man auch beeinflussen: entweder positiv oder negativ. Aber wir müssen dafür sorgen, daß positive Strukturen geschaffen werden.

Es kann nicht so sein, meine Damen und Herren, daß das Land, der ländliche Raum, das Dorf, die kleinen und finanzschwachen Gemeinden ausgehungert werden! Ich danke dem Kollegen Müller von der SPÖ, daß er durchaus kritische Worte im Hinblick auf die Bevorzugung unserer Bundeshauptstadt gefunden hat. Wo bleibt denn da die Solidarität, der Ausgleich, nach dem sonst immer laut gerufen wird?

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich ist es für die Städte, für die großen Zentren notwendig, daß zusätzliche Mittel für den Nahverkehr aus dem Finanzausgleich beansprucht werden. Selbstverständlich ist es für die Großstadt Wien notwendig, daß für den U-Bahn-Bau zusätzliche Mittel aus dem Bundesfinanzausgleich beansprucht werden. Selbstverständlich ist es aus der Sicht der großen Städte offenkundig, daß die Pro-Kopf-Gewichtung im Finanzausgleich weiterhin ungerecht ist.

Meine Damen und Herren! Schamlos rekrutiert man auch bei Volkszählungen Gemeindebürger aus kleinen und finanzschwachen Gemeinden. Es ist heute selbstverständlich, daß in jeder größeren Stadt für das Parken pro Stunde zirka 15 S zu zahlen sind. Aber es ist, meine Damen und Herren, nicht selbstverständlich, daß auch die Wälder zu öffnen sind, daß der Grundbesitzer nicht mehr gefragt wird. Ich nenne nur Stichwort "Mountainbiking".

Große Firmen wollen und müssen an große und internationale Verkehrswege anbinden, um dann den großen Städten die lukrativen Kanalsteuereinnahmen zur Verfügung stellen zu können.

Meine Damen und Herren! Wenn jedoch Wasserschutz, Naturschutz, Landschaft und Erholung notwendig sind, ist der ländliche Raum gefragt. Dies alles soll aber kostenlos zur Verfügung gestellt werden – und wehe, wenn ein Bundesland über einen "Wasserschilling" nachdenkt oder etwas ähnliches beschließt.

Meine Damen und Herren! Wenn eine Naturschutzabgabe eingeführt wird, dann gibt es ein Rauschen im Blätterwald, dann, meine Damen und Herren, ist der Aufschrei unüberhörbar. – Ich bekenne mich zur Einführung eines "Wasserschillings", meine Damen und Herren, und ich bekenne mich auch zur Einführung einer Naturschutzabgabe. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verlange jedoch auch konkret, daß 50 Prozent dieser Mittel für die Kommune, für die dort betroffenen Bürger zur Verfügung gestellt werden, damit die Nachteile, die jeder Gemeindebürger in diesen Regionen auf sich nehmen muß, ausgeglichen werden, denn in derartigen Gemeinden, in denen Wasserschutz und Schongebiete, in denen Naturschutzgebiete eingerichtet werden, gibt es keine Betriebsansiedelung, da gibt es keine Landwirtschaft im herkömmlichen Sinn, weil da eine Bewirtschaftung nur mit Einschränkungen möglich ist. Da muß jeder kleine Hausbesitzer zusätzliche Wasserrechtsverhandlungen und Kosten auf sich nehmen, wenn er nur die kleinste betriebliche Änderung vornehmen will, die kleinste Änderung an seinem eigenen Heim, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist daher notwendig, daß diese Abgaben zum Großteil für die benachteiligten Gemeinden, für die Bürger der benachteiligten Gemeinden zur Verfügung gestellt werden. Ich habe noch nie gehört, daß eine große Stadt Einnahmen aus Kommunal- oder Gewerbe- oder Lohnsummensteuern an das Land abführt.

Hier steht (der Redner hält eine Broschüre in Händen): Will zurück auf das Land, dorthin, woher er gekommen ist. – Dem wird man auch in Zukunft unterstützend zur Seite stehen müssen. Aber es ist notwendig, daß die kleinen Gemeinden ihre Infrastruktur auch finanzieren, daß sie ihren Aufgaben gerecht werden können. – Wenn man dies alles nicht berücksichtigt, verkommen sie zur Schlafstätte – mit all den negativen Folgen, die damit verbunden sind. Meine Damen und


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17. Sitzung / Seite 567

Herren! Wir alle sollten uns merken: Ohne Land wird es auch keine Stadt geben! (Beifall bei der ÖVP.)

13.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Bundesminister Hums hat sich nunmehr zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

13.05

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu der Broschüre, aus der soeben zitiert wurde, darf ich feststellen: Ich kenne sie im einzelnen nicht, ich habe sie soeben bekommen, aber ich möchte grundsätzlich feststellen, daß natürlich so wie in anderen Ressorts auch im Sozialministerium für Diskussionen in ressortspezifischen Problemen Beiträge geleistet werden. Das ist keine Besonderheit. Aber ich stehe auch dazu, daß man Meinungen nicht unterdrücken soll. Das ist genauso wie bei der Presseförderung: Es gibt sie, ohne daß man absolut nur die eigene Meinung durchsetzen wollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde das nicht für richtig halten. Ich habe diese Broschüre nicht gelesen, ich kann mich daher mit deren Inhalt jetzt nicht auseinandersetzen. Aber zu dem Grundsatz, daß man all das unterdrücken sollte, was Kritik bedeutet, kann ich mich von meinem Demokratieverständnis her nicht festlegen. (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Wer redet denn von Unterdrückung! – Abg. Dr. Khol: Es wird Ihnen auf den Kopf gemacht – und dann wird es noch verrieben! – Abg. Wabl: Das Demokratieverständnis des Herrn Khol geht schon außerhalb des "Verfassungsbogens" spazieren!)

13.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.07

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es sehr aufschlußreich ist, wenn man die Broschüre, die soeben Kollege Auer zur Diskussion gestellt hat, analysiert: Sie konterkariert nämlich das, was der Herr Bundesminister zu Beginn dieser Debatte gesagt hat.

Da sitzt ein Finanzminister auf der Regierungsbank und ist damit konfrontiert, daß sein eigener ... (Abg. Dr. Feurstein spricht mit Bundesminister Hums. ) Ich würde bitten, Herr Kollege Feurstein, daß Sie dem Herrn Sozialminister die Möglichkeit bieten, zuzuhören.

Der Sozialminister fördert eine Broschüre – diese wird auch von der "Bewegung rotes Wien" und von der Grünen Bildungswerkstätte unterstützt; also eine schöne "Ampelkoalition" (Abg. Mag. Firlinger: Das ist keine Ampel!) –, in welcher die eigene Regierung kritisiert wird. Darin steht nämlich, Herr Bundesminister für Finanzen, im Resümee: "Diese Aufgaben kann ein Sanierungspaket nicht lösen" – nämlich die wirtschaftliche Sanierung. "Dieses Paket langt kräftig zu, aber es nimmt ohne Perspektive. Es bringt keine zukunftsbezogenen Potentiale zur Entfaltung. Die Schnitte sind besonders schmerzhaft, wo sie dringend zu vermeiden gewesen wären. Ein Konzept, Strukturreformen schleunigst nachzuholen, oder gar eine Verpflichtung dazu liegt nicht vor." (Abg. Öllinger: Das habe ich schon zitiert! Sie waren nicht hier!)

Das heißt, der Herr Sozialminister fördert eine Broschüre, in welcher steht, diese Regierungspolitik gehe in die völlig falsche Richtung: kein Strukturkonzept, man langt dort zu, wo die Schwächsten betroffen sind.

Meine Damen und Herren von der Regierung, treten Sie schleunigst zurück, wenn Sie schon Ihre eigene Kritik finanzieren müssen, denn wenn Sie so etwas unterstützen, dann haben Sie bei diesen Dingen in Wirklichkeit ein schlechtes Gewissen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das ist unglaublich!)


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17. Sitzung / Seite 568

Aber ich meine noch etwas anderes, und das ist der Grund, warum ich mich zu Wort gemeldet habe. (Abg. Öllinger: Sie waren ja nicht da! Das ist schon diskutiert worden! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Kollege Öllinger! Sie als einer der Mitherausgeber staatlich besoldeter Aktivitäten sind natürlich in Nervosität versetzt. Aber ich möchte Ihnen heute noch eine andere Freude bereiten: Ihr besonderer Schützling, der Herr Innenminister Einem, hat uns wieder mit einer besonderen Freundlichkeit bedacht. Sie wissen, daß wir in den vergangenen Tagen eine heftige Diskussion über die Frage der Konsequenzen aus einem oberstgerichtlichen Urteil im Zusammenhang mit einer kriminellen Organisation geführt haben.

Wir ... (Abgeordnete der Freiheitlichen weisen Präsident Dr. Neisser darauf hin, daß Bundesminister Hums durch ein Gespräch mit Abg. Dr. Kostelka am Zuhören gehindert wird.)

Bitte schön, meine Damen und Herren, wenn, dann gilt das für alle, das möchte ich schon sagen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie!

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Es gibt natürlich kein ausdrückliches Verbot, daß ein Abgeordneter mit einem Minister, der auf der Regierungsbank sitzt, spricht. Das möchte ich hier festhalten. Ich will auch diese Praxis nicht völlig unterbinden. Nur: Wenn der Redner am Rednerpult das als Unhöflichkeit empfindet, muß man dem wohl Rechnung tragen.

Ich würde bitten, weil dieses Thema schon so oft angesprochen wurde, daß wir uns vornehmen, für den Rest der Debatte des heutigen Tages nach Möglichkeit – ich möchte nicht sagen: die Regierungsbank zu meiden – die Gespräche an der Regierungsbank einzustellen.

Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort!

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! Ich setze fort. – Der Bundesminister für Inneres ist in Diskussion und in die Schlagzeilen gekommen, weil er – entgegen einem oberstgerichtlichen Urteil – noch immer gestattet, daß sich die kurdische Befreiungsorganisation PKK mit ihrem Büro in Österreich aufhält, eine kriminelle Organisation, auf deren Konto Brandanschläge in Österreich gehen und bei der Schutzgelderpressungen zur Finanzierung ihrer Tätigkeit auf der Tagesordnung sind.

Das hat dazu geführt, daß die Beamten des Herrn Ministers ihm in einem Akt die Frage vorgelegt haben: Was sollen wir tun, denn wenn wir nach diesem Urteil des Obersten Gerichtshofes nichts tun, würden wir uns den Vorwurf der Untätigkeit oder des Amtsmißbrauchs einhandeln, weil wir uns ja dann, wenn eine kriminelle Organisation nicht bekämpft wird, von Amts wegen schuldig machen, nicht für Recht und Ordnung und für die Einhaltung der gesetzlichen Zustände in diesem Lande zu sorgen?

Wir haben das diskutiert, und das hat dazu geführt, daß gegen den Herrn Minister Einem, weil er nicht dem oberstgerichtlichen Urteil Rechnung getragen hat, sondern gesagt hat: Nein, wir kümmern uns um das Urteil des Obersten Gerichtshofes nicht, wir beobachten die Szene, bis wieder was passiert, dann erst entscheiden wir!, das hat also dazu geführt, daß auch die Staatsanwaltschaft gegen Herrn Minister Einem ermittelt. – So weit, so schlecht.

Heute gab Minister Einem eine Pressekonferenz in Linz, über die in der "APA" folgendes berichtet wird:

"Der Umstand", so Minister Einem – wörtliches Zitat –, "daß man eine politische Debatte auf Bassena-Niveau bringt, indem man zum Staatsanwalt rennt, qualifiziert sich von selbst und hat


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mit Sachfragen und deren Entscheidungen nicht besonders viel zu tun." (Abg. Mag. Stadler: Ungeheuerlich! Der Rechtsstaat ist die "Bassena"!)

Meine Damen und Herren – insbesondere Sie von der Österreichischen Volkspartei –, Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß Ihnen Ihr eigener Regierungskollege Einem ausrichten läßt, daß Sie auf "Bassena-Niveau" die Fragen der Sicherheit Österreichs diskutieren, daß ein Minister, der auf die Verfassung vereidigt ist, den Versuch des Parlaments, die Befolgung von oberstgerichtlichen Entscheidungen bei einer Regierung durchzusetzen, damit quittiert, daß er sagt: Ihr diskutiert das auf Bassena-Niveau, mich interessiert das nicht. Ich, der Herr Einem, habe meine eigene Gesetzgebung!

Das, meine Damen und Herren, kann vom Parlament nicht akzeptiert werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das, was sich hier abspielt, das, was sich in den letzten Tagen aufgrund von Aussagen dieses Ministers abspielte, bedeutet eine brutale Mißachtung jeglicher rechtsstaatlicher Grundsätze. Dieser Minister verhält sich wie ein Elefant im Porzellanladen, der auf dem herumtrampelt, was Verfassungsprinzipien sind, was Gesetz heißt und was Richterentscheidung heißt, Dinge, die von jedem zu respektieren sind, der ein einigermaßen rechtsstaatliches Denken hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es geht ja noch weiter, das ist ja nur der erste Teil der Erklärung des Herrn Ministers. Er sagte dann – wörtliches Zitat –: "Denn die Frage, ob wir weiter so vorgehen wie bisher in der Sache kriminelle Organisation, ist eine politische und nicht etwas" – und jetzt kommt es! –, "was ein Richter zu entscheiden hat" – fügte der Innenminister hinzu. (Abg. Mag. Stadler: Unglaublich! Ein Schlag in das Gesicht des Rechtsstaates!)

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie jetzt auch als Sozialdemokraten: Sind Sie der Meinung, daß es wirklich in Ordnung ist, daß ein Minister, der als Hüter von Recht und Ordnung im Sicherheitsressort besonders gesetzestreu sein müßte, sagt: Was kümmert mich ein oberstgerichtlicher Entscheid? Das ist nicht eine Sache, die Richter zu entscheiden haben! Ich kümmere mich nicht darum! Ich fühle mich nicht gebunden!

Das ist eine Verweigerung der Anerkennung des Rechtsstaates! Ein Minister, der sich weigert, rechtsstaatliche Prinzipien anzuerkennen, hat doch auf der Regierungsbank einer demokratischen Regierung nichts mehr verloren! Das kann doch nicht toleriert werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist der wahre Hintergrund! Minister Einem erteilt Weisungen, damit Leute, die illegal in Österreich sind, in unserem Land bleiben können – gegen das Gesetz! Er erteilt Weisungen, daß Leute einreisen können, die in Wahrheit in diesem Lande nichts verloren haben – gegen das Gesetz! Er will Weisungen geben, damit die Ausländergesetze in seinem Sinne und nicht so, wie es wir im Parlament beschlossen haben, vollzogen werden.

Weisung!, Selbstherrlichkeit eines Ministers!, Überheblichkeit!, Verweigerung des Rechtsstaates und Mißachtung demokratischer Prinzipien!: Das ist das, was wir hier in diesem Parlament nicht mehr zur Kenntnis nehmen!

Wenn Sie sich das gefallen lassen, dann stimmt das, wofür ein Abgeordneter gerügt worden ist: daß dieses Haus schön langsam nur mehr aus Marionetten besteht, die man beschimpfen kann. Hier wird der Rechtsstaat mit Füßen getreten, weil die Selbstherrlichkeit der Minister dazu führt, daß sie sagen: Was kümmern wir uns um die Gesetze! Was kümmern wir uns um den Inhalt des Gesetzgebers! Was kümmern wir uns um die Entscheidung eines Gerichtshofes! Wir sind selbstherrliche Minister, und wir machen unsere eigene Politik!

Noch ist es nicht so weit, daß es diese Regierung schaffen kann, die Verfassung zu mißachten, noch gibt es ein Parlament, das das einklagt, und noch werden wir versuchen, die kritischen Abgeordneten in den anderen Parteien, insbesondere jene in den Regierungsparteien, zu mobilisieren, doch einmal darüber nachzudenken, zu welcher Entwicklung es hier gekommen ist.


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Da braucht sich der Herr Cap nicht mehr herauszustellen und gegen die Freiheitlichen zu polemisieren. Wenn jemand die Verfassung mißachtet, dann ist es die Sozialdemokratie, die einen solchen Minister im Amt behält, die mitmacht, daß man den Rechtsstaat mit Füßen treten kann! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir werden daher heute die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen (Abg. Wabl: Das ist schon passiert! Da waren Sie nicht hier!) und auch eine namentliche Abstimmung darüber verlangen, um zu dokumentieren, wie die einzelnen Abgeordneten zu den Vorgängen stehen. Wir erwarten uns auch von den anderen Parteien, daß sie unmißverständlich klar machen – insbesondere Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP (Abg. Wabl: Vom heimlichen Koalitionspartner!) – , daß ein solcher Minister für Sie nicht tragbar ist.

Wenn Sie ihm jetzt wieder das Vertrauen aussprechen, dann brauchen Sie in der Öffentlichkeit keine Kritik mehr an seiner Amtsführung zu üben, denn dann sind Sie damit einverstanden, daß jemand genau das Gegenteil von dem tut, was Kollege Khol hier vor einigen Tagen eingefordert hat (Beifall bei den Freiheitlichen), als er meinte, es gebe so etwas wie ein rechtsstaatliches Konzept.

Es gibt auch so etwas wie einen Respekt vor oberstgerichtlichen Entscheidungen. Es gibt auch eine amtliche Verpflichtung eines Ministers, entsprechend den oberstgerichtlichen Entscheidungen zu handeln, um nicht selbst straffällig zu werden. Aber er tut es einfach nicht! Er richtet uns von außen noch aus, daß wir eigentlich ohnehin nur eine Versammlung von Deppen sind, die auf "Bassena-Niveau" eine wichtige Frage des Staates diskutieren.

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Ein solcher Minister, der von Ihnen im Amt gehalten wird, macht Sie zu Mitschuldigen in einem Prozeß, in dem die Sicherheit, die Demokratie und der Rechtsstaat durch solche Subjekte untergraben wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.18

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Der Klubobmann der Freiheitlichen Partei hat soeben aus eigener Machtvollkommenheit versucht, die Tagesordnung zu ändern. (Abg. Mag. Stadler: Nein! Inneres ist auf der Tagesordnung! Inneres steht zur Verhandlung!)

Die Debatte über den Untersuchungsausschußantrag kommt meines Wissens nach der Budgetdebatte dran, und daher meine ich, daß es sinnvoll wäre ... (Abg. Mag. Stadler: Biedern Sie sich den Roten an? ...)

Herr Stadler! Ich verbitte mir, mir von Ihnen sagen lassen zu müssen, ich würde Blödsinn reden. (Abg. Mag. Stadler: Herr Präsident! Sagen Sie, daß das auf der Tagesordnung steht!) Sie können hier bellen, wie Sie wollen, aber Sie haben mir keinen Blödsinn vorzuwerfen. Das entspricht Ihrer Geisteshaltung, aber nicht der meinen, Herr Stadler! (Beifall beim Liberalen Forum, bei der ÖVP und bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Inneres steht auf der Tagesordnung! Lassen Sie sich von Ihrer Vorsitzenden aufklären, die sonst so gescheit ist!)

Wir befinden uns nach wie vor beim Tagesordnungspunkt Budget, und wir haben im Anschluß daran genug Gelegenheit und Zeit, über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu reden. Ich werde mich jetzt der Budgetfrage zuwenden.

Wir verstehen ja, daß Herr Stadler nach acht Tagen intensiver Beratungen etwas überlastet und nervös ist. (Abg. Mag. Stadler: Ich bin nicht überlastet! Sie sind völlig uninformiert! Lassen Sie sich von Ihrer Vorsitzenden informieren!) Aber dennoch sollten wir darauf eingehen, wie es zu der schwierigen ... (Abg. Mag. Stadler: Heute ist Inneres auf der Tagesordnung, falls Sie es


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nicht gemerkt haben sollten!) Meine Damen und Herren! Ich bin ganz sicher, einmal hört er auf. (Abg. Mag. Stadler: Wenn Sie vernünftiger reden!) Ich schlage vor, wir lassen ihn jetzt einfach weiterreden, bis er fertig ist. (Abg. Mag. Stadler: Das ist mir recht!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren! Wir fahren jetzt wieder normal in der Debatte fort. – Am Wort ist Herr Abgeordneter Mag. Peter! – Bitte, Herr Abgeordneter. (Weitere Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler. )

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (fortsetzend): Ich habe Gott sei Dank keine Zeitnot, weil wir noch relativ viel Redezeit haben. Aber Stadler redet gerne, lassen wir ihn doch reden. (Abg. Mag. Stadler: Ich rede wenigstens etwas Gescheites daher!) Wunderbar!

Der Herr Finanzminister hat uns im Zuge dieser Debatte wissen lassen, in welcher schwierigen Situation sich unser Land befindet, und mir ist es schon wichtig, gerade am Ende der Budgetdebatte darauf hinzuweisen, wer die Verantwortung für diese schwierige Situation trägt, in der sich unsere Republik, unser Gemeinwesen befindet.

Die Österreichische Volkspartei und die Sozialdemokraten, die seit 1986 an der Regierung sind und daher die Verantwortung für unser Land tragen, haben es – neben Erfolgen, die sie ohne Zweifel erzielt haben – zu verantworten, daß unser Staatswesen heute leider überschuldet ist und daß unser unverzichtbares soziales Netz finanziell überdehnt wurde. Die Massierung der Ressourcen im öffentlichen Sektor schnürt den privaten Sektor ab. Die Kluft zwischen den Mitarbeitern in der Wettbewerbswirtschaft und jenen im öffentlichen Dienst wird immer größer.

Meine Damen und Herren! Nicht einmal die Frage des parteipolitischen Proporzes konnte in den letzten zehn Jahren gelöst werden. Nach wie vor wird Österreich regiert nach der Aufteilung: hier rot, dort schwarz; hier schwarz, dort rot. Dazu kommt die Eigenkapitalschwäche der österreichischen Wirtschaft, und nur 6 Prozent der Menschen in unserem Land sind Selbständige. Die Gefahr der Zweidrittelgesellschaft droht. Wir müssen daher – und da zitiere ich Klima – zu besonderen Maßnahmen greifen, und zwar zu besonderen Maßnahmen zur Konsolidierung des Staatshaushaltes und zur Erreichung der Wirtschafts- und Währungsunion.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Sie haben Ihren Weg gewählt, und Sie werden Ihren Weg mit Ihren Stimmen beschließen. Ich halte den Weg, wie Sie dieses Ziel erreichen wollen, für bedenklich. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie haben das Parlament de facto – nicht de jure – praktisch ausgeschaltet und zu einer Abstimmungsmaschine degradiert. Professor Nowotny meint, daß die rückwirkenden Bestimmungen im Verfassungsrang zwar nicht elegant, aber effizient wären. Ich zitiere in diesem Zusammenhang die Meinung des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, der zu dieser prinzipiellen Frage Stellung nimmt und sagt – Beginn des Zitats –: "Derzeit besteht ganz offensichtlich die Gefahr, daß der Gesetzwerdungsprozeß als leeres Ritual betrachtet wird. Das ist auch demokratiepolitisch gefährlich. Wenn eine Verfassung ausdrücklich erklärt, daß das Recht vom Volk ausgeht und sowohl Repräsentanten des Volkes als auch offensichtlich die Bevölkerung selbst nicht mehr wissen, wem durch die Gesetzgebung gedient wird, liegt eine kritische Situation vor."

Meine Damen und Herren! Ich halte es nicht für effizient, was Sie tun, sondern ich halte es für am Rande der Verfassung gehend. Wir mußten heute noch die letzten Abänderungsanträge vom Obmann des Budgetausschusses zur Kenntnis nehmen und müssen mit Bedauern feststellen, daß die Chance für wirkliche Reformen aufgrund des Zeitdrucks, in den Sie sich selbst, Sie, die Koalitionsparteien – seit August 1995 verhandeln Sie –, gebracht haben, nicht genutzt wurde.

Ein Notprogramm ist auf die Welt gebracht worden. Sie werden das Geld beschaffen, das Sie brauchen, um unser gemeinsames Ziel, die Wirtschafts- und Währungsunion, zu erreichen, allerdings auf einem bedenklichen Weg, der Auswirkungen auf Investitionen und Beschäftigung haben wird und leider Insolvenzen zur Folge haben wird.


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Wir Liberale werden die Budgets 1996/97 daher ablehnen. Aber, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, wir bieten Ihnen weiterhin unsere Zusammenarbeit zur Erreichung der gemeinsamen Ziele für unser Land an: der Konsolidierung des Staatshaushaltes und des Beitrittes zur Wirtschafts- und Währungsunion.

Ich bitte Sie, zu verstehen: Wir stehen an der Bruchlinie einer Entwicklung unseres Landes. Alte Antworten, alte Positionen genügen nicht mehr für neue Herausforderungen. Es ist kein Platz mehr für Hausherrenmentalitäten von Interessenvertretungen. Mir san mir!, das wird in Zukunft zuwenig sein. Das ist endgültig überholt.

Die Chance liegt nicht im Blablabla, Herr Stadler. Es ist bedauerlich, daß Sie, wenn Sie Dinge nicht verstehen, einfach dazwischenschreien. Das ist offensichtlich Ihre Art. (Abg. Mag. Stadler: Sie haben einen Profilierungsbedarf gegenüber Haselsteiner! Der Haselsteiner ringt Ihnen bei der Schmidt den Rang ab!) Okay, ich habe einen Profilierungsbedarf. Einverstanden. Es ist erstaunlich: Er redet und redet und weiß gar nicht, was. "Denn Sie wissen nicht, was Sie tun!" (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Stadler: Das ist Ihr Problem!)

Unter Wahrung des sozialen Netzes und unter Wahrung der Gesprächskultur, nämlich dessen, was ich unter Sozialpartnerschaft verstehe, sollten wir gemeinsam zusammenarbeiten. Ich möchte klar betonen, meine Damen und Herren: Ich bedauere, daß ich während dieser Debatte in diesen acht Tagen Spannungen zwischen den Regierungsfraktionen bemerkt habe, die teilweise Feindseligkeit statt Partnerschaft andeuten. Ich glaube nicht, daß wir uns in der heutigen wirtschaftlichen und ökonomischen Lage unseres Landes parteipolitische Streitereien wirklich leisten können. Die Bevölkerung hat Sie mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Sie haben ausgiebig – viel zu ausgiebig! – von dieser Zweidrittelmehrheit Gebrauch gemacht. Aber das, was unser Land in den kommenden zwei, drei Jahren braucht, ist die Stabilität als Basis für die Umsetzung einschneidender Reformen, die Konzentration auf den internationalen Wettbewerb für den wirtschaftlichen Erfolg und für das Halten des Beschäftigungsniveaus.

Meine Damen und Herren! Internationales Vertrauen müssen wir durch Stabilität absichern. Trotz aller Gegenseitigkeit der politischen Positionen und Ansichten und obwohl wir mit Ihrer Vorgangsweise, die Sie hier in diesen letzten Wochen und Monaten praktiziert haben, nicht einverstanden sind, bieten wir Liberale als konstruktive Opposition Ihnen die Zusammenarbeit zur Lösung der gemeinsamen Probleme unseres Landes an. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

13.26

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die Entschließungsanträge des Kollegen Firlinger und der Entschließungsantrag des Abgeordneten Barmüller verlangen nach einer gewissen Klarstellung auch seitens der Grünen. Ich weiß schon, daß die Problematik mit der "Wassersteuer", die in der Steiermark, in der Steiermärkischen Landesregierung und dann im Landtag beschlossen wurde, das allgemeine Interesse weckt und daß darüber eine heftige Diskussion entbrannt ist, weil bei der Verteilung der Gelder naturgemäß Konflikte entstehen.

Meine Damen und Herren! Ich halte es aber für gerechtfertigt, daß bei einem der wichtigsten Schätze, die wir haben, klar wird, daß dieser Schatz wertvoll ist. Wir leben in einem System, in dem Werte meist mit Geld bemessen werden. Wenn dann eine Landesregierung oder eine gesetzgebende Körperschaft zur Überzeugung gelangt, daß diese Werte in Geld abgegolten werden sollen und daß darüber nachgedacht werden soll, ob daraus ein Lenkungseffekt entsteht, dann halte ich das für legitim und korrekt. Jedes Bundesland versucht, Standortvorteile, Schätze, Ressourcen, die es hat, gut zu vemarkten und auch gewinnbringend für das Budget zu lukrieren.

Meine Damen und Herren! Ich halte die Kritik des Kollegen Barmüller und seiner Fraktionskollegen dort für richtig – und da waren wir ja im steirischen Landtag einer Meinung –, wo versucht wird, über Ausnahmeregelungen wichtige Bereiche in der Wirtschaft, in der Industrie


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herauszunehmen. Da wird der Gleichheitsgrundsatz verletzt. Herr Abgeordneter Barmüller! Sie haben nicht ganz recht, wenn Sie meinen, daß hier Bundesinteressen ... Ich weiß nicht, was genau Sie damit gemeint haben, wahrscheinlich, daß da im Finanzausgleich große Unterschiede entstehen und daß da ein neuer Konflikt entsteht, so wie das der Herr Bundeskanzler in den letzten Tagen gemeint hat.

Ich halte es für falsch, daß in der Steiermark die intensive Landwirtschaft herausgenommen wird, daß in der Steiermark die Industriebereiche herausgenommen werden, aber ich halte es für richtig, daß die Steiermark diese Einnahmen selbstverständlich für die Ökologisierung im steiermärkischen Bereich und selbstverständlich für die Ökologisierung in der Landwirtschaft und auch für die Ökologisierung im wirtschaftlichen Bereich verwendet. Daß das für die steirische Industrie und für die steirische Landwirtschaft Vorteile bringt, halte ich für korrekt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Herr Abgeordneter Barmüller! Wir haben diesem Gesetz in Graz nicht zugestimmt, aber wir halten die grundsätzliche Intention für richtig.

Ein anderer Aspekt ist natürlich, daß die Steirer diese Abgabe schon etwas länger in der Schublade haben. Nur: Vor der Landtagswahl hatten sie nicht den Mut, das in der Landesregierung durchzusetzen. Vor der Landtagswahl haben sie das aus opportunistischen Gründen hintangehalten. Jetzt, nach der Landtagswahl, kommen sie mit dieser Abgabe heraus.

In Wien ist genau dasselbe: Herr Häupl und seine Regierungsmitglieder haben schon längst einen Entwurf einer Abgabe in der Schublade. (Abg. Brix: Woher wissen Sie das?) Nur: Der Häupl weiß, daß die Gemeinderatswahlen kurz vor der Tür stehen, da will man es sich natürlich nicht verscherzen mit seinen Wählerinnen und Wählern. – Das ist Opportunismus in Reinkultur, das hat mit Föderalismus nichts zu tun, das hat mit Bundesinteressen nichts zu tun, und das hat auch nichts mit dem Gleichheitsgrundsatz zu tun, sondern das ist ganz gewöhnlicher politischer Opportunismus.

Ob die Lenkungseffekte, Herr Barmüller, von denen geredet wird, tatsächlich eintreten, ist eine andere Frage. Ich gebe Ihnen recht – und deshalb haben wir auch diesem Antrag in Graz nicht zugestimmt –, daß da sehr zweifelhaft vorgegangen wurde. Aber am Grundsätzlichen halten wir fest, und wir halten es für richtig, daß ein Rohstoff auch bezahlt wird.

Meine Damen und Herren! Wir werden deshalb diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen, wir werden aber dafür sorgen und weiterkämpfen, daß die steirische Landesregierung und der steirische Landtag mehrheitlich eine korrekte Naturschutzabgabe einbringen, eine Naturschutzabgabe, die tatsächlich Lenkungseffekte hat. (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Herr Kollege Barmüller! Ich weiß schon, Sie sind grundsätzlich gegen Ordnungsmaßnahmen, diesbezüglich sind Sie hier etwas belastet. Ein paar Worte zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Firlinger: Ich habe schon befürchtet, er macht wieder blindwütigen Aktionismus und kommt mit seinen Zetteln zum Rednerpult, faltet Düsenjäger, um den Forderungen des Moser Nachdruck zu verleihen. – Zum Glück hat er das nicht gemacht; er hat einen sehr seriösen Antrag bezüglich Reform der Österreichischen Bundesforste eingebracht.

Herr Abgeordneter Firlinger! Es gibt da nur ein Problem: Sie sollten in einer der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit den Bundesforsten offensiv diskutieren. Es stellt sich nämlich die Frage, wenn man sie privatisiert, was mit jenen großen Teilen passiert, aus denen kein Gewinn zu erzielen ist, sondern wo – ganz im Gegenteil – seit Jahrzehnten große Verluste geschrieben werden. Es handelt sich da um den ganzen Komplex der Schutzwälder, um die Biotope, um die Wälder, aus denen wir keinen Profit ziehen wollen.

Ich habe ein bißchen den Eindruck, daß so – wie das auch in der Verstaatlichten zum Teil versucht worden ist – vorgegangen wird; der Koppler kann ja davon ein Lied singen: Jene Betriebe, die die Goldstückerln sind, die Gewinne schreiben, werden privatisiert, während jene, die Verluste schreiben, weiterhin sozialisiert werden, und für die soll der Staat weiterhin voll reinpecken.


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Kollege Firlinger! Ich glaube nicht, daß Sie das unter Ihrem liberalen Konzept verstehen, aber ich finde keinen Ansatz für diesen schweren Brocken bei den Bundesforsten. (Abg. Mag. Firlinger: Das ist ein Entschließungsantrag und kein Initiativantrag!) Da gibt es viele Vorschläge. Ich glaube, die ÖVP sieht diesbezüglich ein Stiftungsmodell vor, die SPÖ hat ein AG-Modell vorgeschlagen. Darüber sollen wir diskutieren. Der Ansatz ist grundsätzlich richtig, aber Sie von den Liberalen sollten sich an dieser Frage nicht vorbeischwindeln, so, wie das Abgeordneter Moser bei der Finanzierung der Nachfolge des Draken getan hat. Das sollten Sie nicht tun, Herr Firlinger! Ich habe die wichtigsten Punkte genau gelesen: Da steht nichts vom Schutzwald und da steht nichts von den defizitbringenden Bereichen der Bundesforste, was mit diesen geschehen soll.

Selbstverständlich wird es Käufer geben! Da warten schon die Flicks und andere, um endlich den österreichischen Wald kaufen zu können, damit sie ihre Jagdreviere ausweiten können. Da warten selbstverständlich auch Bauern, für die es ein großer Vorteil wäre. Selbstverständlich, darüber kann man reden, das ist sinnvoll, das ist gar keine Frage. (Abg. Mag. Firlinger: Ich glaube aber, ihr wollt nicht reden!)

Meine Damen und Herren! Nun komme ich zu dieser Broschüre, die Kollege Auer von der "F"-Bewegung hier massiv kritisiert hat. (Rufe bei der ÖVP: He! He!) Entschuldigung: von der ÖVP. (Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Wir sagen ja auch nicht: Der Wabl von den Kommunisten!)

Meine Damen und Herren! Da kommt Auer hier zum Rednerpult, zitiert Passagen aus dieser Broschüre, die – zugegebenermaßen – eine offene Kritik an der Sozialpolitik in Österreich darstellen. Unglaublich! Da wird glatt in Österreich von staatlicher Stelle – stellen Sie sich das vor! – ein Druckwerk finanziert, in dem massiv die Regierungspolitik kritisiert wird! Das ist ja unglaublich! Herr Auer hat sich auch regelmäßig hier über die Presseförderung aufgeregt, weil die Zeitungen diese Regierung immer so unverschämt durch den Dreck ziehen: Die "Kronen-Zeitung", der "Kurier", der "Standard", das "profil", diese unglaublichen Zeitungen! Er läßt sich auch noch "auf den Kopf scheißen und verreibt’s dann noch", wie es Herr Khol gesagt hat. (Abg. Mag. Stadler: Herr Präsident! Das sind unflätige Ausdrücke!) Er beschimpft den Herrn Hums, weil eine ... (Abg. Mag. Stadler: Das ist ja unflätig!) – Das war eine Geste des Herrn Khol und der begleitende Satz dazu, den er gesagt hat; ich habe nur zitiert. Wenn ich Sie zitiere, dann wird’s noch unflätiger. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Klubobmann Khol hat offensichtlich in seinem Demokratieverständnis eine sehr interessante Bewegung vollzogen. Ich habe noch nicht genau gewußt, wohin, aber im heutigen "Standard" stand für mich ein Hinweis darauf, und das ist beachtlich: Andreas Khol ortet bei der "F" eine Bewegung in Richtung "Verfassungsbogen". – Ich habe mich gefragt: Was ist da passiert? (Heiterkeit bei den Grünen.) Was geht da vor? Wie schaut dieser Sachverhalt aus?

Nach dieser heutigen Aussage, in der Khol dem Herrn Sozialminister vorgeworfen hat: "Es wird Ihnen auf den Kopf gemacht – und dann wird es noch verrieben!", weil hier ein regierungskritisches Papier finanziert wird, habe ich gewußt, welchen Schritt Khol vollzieht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. )

Er hat nämlich etwas verwechselt: Er tritt nämlich bei seinem Demokratieverständnis ein paar Schritte hinaus aus dem "Verfassungsbogen" und hat sich optisch getäuscht: Er hat geglaubt, die FPÖ bewege sich auf ihn zu. Der Irrtum war: Er ist aus dem Demokratie-Verfassungsbogen getreten, während er glaubt, die FPÖ bewege sich auf ihn zu. Die FPÖ hat zwei Schritte zurückgemacht, Sie drei Schritte vor, aber aus dem "Verfassungsbogen", Herr Khol. Das ist Ihr Problem, das Sie haben. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Kier. )

Meine Damen und Herren! Kollege Auer von der "F" – von der ÖVP, Entschuldigung!, ich verspreche mich immer wieder ... (Zwischenruf des Abg. Auer. ) Es ist nämlich so, daß meine sinnliche Wahrnehmung oft mehr Wirkung auf meine Sprache hat als das, was aus seinem Mund herauskommt beziehungsweise was in seinem Parteibuch steht. Das ist ein bißchen ein


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Problem, das ich mit dem Herrn Auer habe. (Abg. Mag. Stadler: Das ist nicht Ihr einziges Problem!)

Meine Damen und Herren! Dann habe ich mir gedacht: Was ist noch alles dran an dem "Verfassungsbogen", dem sich angeblich Herr Haider und seine Partei annähern? Ich habe da hier heute die Probe erlebt: Da geht ein Oppositionsführer zum Rednerpult und ... (Abg. Dr. Graf: Kritisiert einen Minister!) Daß er den Minister kritisiert, ist korrekt. Ich finde, man kann die Minister nicht genug kritisieren, die brauchen das jeden Tag. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Dieser Oppositionsführer behauptet im Zusammenhang mit der PKK, daß der Minister ein Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes nicht nur ignoriere, sondern sogar Gesetze verletze. – Daß er das behauptet, ist eine interessante Sache. – Ich hoffe, die Sozialdemokraten werden ihren eigenen Minister noch selbst verteidigen, nur auf eines, bitte schön, möchte ich Sie von der ÖVP wie Kiss und andere und Sie von der FPÖ schon hinweisen, die Sie meinen, der Minister für innere Sicherheit müsse entscheiden, welches Mittel angemessen ist, Herr Haider: Es gibt keinen Zweifel daran (Abg. Dr. Haider: Das ist ein Urteil!) , daß die PKK in vielen europäischen Ländern terroristisch agiert, gewaltsame Auseinandersetzungen sucht (Abg. Mag. Stadler: Schutzgelderpressung! – Abg. Dr. Haider: Bombenanschläge!) und Gesetze verletzt. Es gibt keinen Zweifel daran, daß dieses Erkenntnis ebenso lautet, wie es lautet. (Abg. Dr. Haider: Aber in Österreich bereits nachgewiesen!) – Gut, dann sollen die österreichischen Behörden gegen die Schutzgelderpressung vorgehen. (Abg. Dr. Haider: Ja, aber das will er ja nicht!)

Herr Abgeordneter Haider! Es besteht hier ein ganz feiner Unterschied, und das ist für Ihr Ohr und für das Ihres Kollegen Stadler halt sehr schwierig, herauszuhören. Man kann klar feststellen, daß, wenn in einer Bank ein Bankraub mit Geiselnahme stattgefunden hat, das ein Gesetzesbruch ist. Gar keine Frage! Aber es ist ein Unterschied, ob man sofort hineinschießt, Tränengas sprüht und ein Feuer entfacht – oder ob man versucht, diesen Konflikt anders zu lösen. Zu entscheiden, welches Mittel für angemessen erachtet wird, dafür ist der Innenminister verantwortlich! Es ist nicht darum gegangen, Gewalt zu legalisieren! (Beifall bei den Grünen, bei der SPÖ sowie beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Stadler: Das waren Ihre Freunde vom "Revolutionsbräuhof"! Das waren Ihre Freunde vom Kirchweger-Haus!)

Meine Damen und Herren! Es ist nicht darum gegangen, Terror zu legalisieren – denn dann müßte ja der Einem der größte Freund der Freiheitlichen Partei sein (Beifall bei den Grünen) –, sondern es ist darum gegangen, daß der Innenminister für die Sicherheit in diesem Land verantwortlich ist. (Abg. Mag. Stadler: Er ist unser Wahlhelfer!) Nur, wenn Sie die Wählerinnen und Wähler täuschen können, dann vielleicht.

Der Innenminister ist dafür zuständig, die angemessenen Mittel anzuwenden. (Abg. Dr. Haider: Gilt jetzt der Rechtsstaat oder gilt er nicht?) – Man kann den Rechtsstaat durchsetzen, wie Sie ihn sich wünschen: mit der Faust und mit Gewaltmaßnahmen und mehr Gefängnissen, man kann den Rechtsstaat aber auch durchsetzen, indem man sich um das Gespräch bemüht, um die gütliche Beilegung von Konflikten und um die Austrocknung von Gewaltbereitschaft. – So kann man den Rechtsstaat und Sicherheit auch durchsetzen! (Beifall bei den Grünen, bei der SPÖ sowie beim Liberalen Forum.) Genau das ist der ideologische Unterschied!

Frau Partik-Pablé! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind ein Träumer!) Sie haben vorhin über die Suchtgiftproblematik geredet. – Ich halte das Ganze für eine Tragödie, auch in Österreich. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. ) Die Kriminellen, die hier ihre Geschäfte machen, müssen verfolgt werden, das ist richtig, aber warum machen Sie nicht darauf aufmerksam, daß die Suchtgiftkranken monatelang, ja sogar jahrelang auf einen Platz warten müssen, damit sie in einem Krankenhaus behandelt werden können? – Da Maßnahmen zu setzen würde helfen, dieses Problem zu entschärfen! (Beifall bei den Grünen, bei der SPÖ sowie beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. )

Aber nein: Sie rufen nach mehr Polizei, Sie rufen nach mehr, nach härterem Durchgreifen. Das ist notwendig, wenn Gewalt eskaliert, aber davor, bitte schön, müssen wir in einer Demokratie


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alles versuchen, um zu deeskalieren, um zu vermitteln, um Kommunikation aufzubauen – auch mit Gruppen, die gefährdet sind. Aber das ist offensichtlich ein Weg, den Sie von den Freiheitlichen nicht nachvollziehen können.

Meine Damen und Herren! Wir werden im Zusammenhang mit dem Antrag der "F" auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses noch darüber diskutieren können (Abg. Mag. Stadler: Wir wollen mit den Gs immer gerne diskutieren, aber das erfordert bessere G-Beiträge!) , und wir werden dann auch ausführlich über Ihre Rolle diskutieren, Herr Stadler, ob Sie nun ein Desperado sind oder nicht.

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter Wabl! Bitte, wir wollen die Debatte heute noch in einigermaßen akzeptablem Diskussionsstil über die Bühne bringen! Bitte solche Ausdrücke nicht zu verwenden!

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Herr Präsident! Ich habe eine Frage gestellt. Ein Desperado ist einer, der sich nicht an die Gesetze hält: Ich habe gefragt, ob er ein Desperado ist. Fragen wird man noch stellen dürfen, Herr Präsident. Aber gut! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir werden darüber diskutieren müssen, ob Mag. Stadler ein Irrlicht in einer demokratischen Organisation ist oder ob Herr Bundesminister Einem Gesetze verletzt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich frage Sie, ob Sie ein Verwirrter sind!?) Ein Desperado, ein Verzweifelter, ein Verirrter – aber Sie sind ein Irrlicht in der FPÖ. (Beifall bei den Grünen.)

13.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.43

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Zum wiederholten Male hat Herr Dr. Haider es vor wenigen Minuten für notwendig befunden, sich mit Herrn Bundesminister Einem und seiner Amtsführung auseinanderzusetzen (Abg. Dr. Haider: Wird man ja wohl noch dürfen!) , und er hat in diesem Zusammenhang den Vorwurf erhoben, daß Herr Bundesminister Einem den Rechtsstaat mit Füßen getreten hätte und darüber hinaus – unter anderem durch einen Zwischenruf – vermeint, daß Bundesminister Einem in keiner Weise beabsichtige, die PKK durch die Polizei und Gendarmerie verfolgen zu lassen.

Sehr geehrter Herr Dr. Haider! Zum ersten: Mit der gebotenen Zurückhaltung und mit dem Ton, der in diesem Haus gesprochen werden sollte, möchte ich Ihnen sagen (Abg. Dr. Haider: Da redet der Richtige! Du hast schon mit der Faust auf das Pult gehauen, Herr Klubobmann!) : Sie als Jurist müßten wissen, was Rechtsstaat bedeutet. Rechtsstaat bedeutet die Garantie einer gesetzeskonformen Entscheidung und zur Sicherstellung dessen ein gehöriges Rechtsschutzverfahren. All das ist gerade im Innenministerium in ausreichendem Maße, in international vorbildlichem Maße gegeben.

Wenn Sie in diesem Zusammenhang einen Vorwurf erheben (Zwischenrufe des Abg. Dr. Haider ) , dann ist das eine Ungeheuerlichkeit, die nur eines zum Ziel hat: eine Diffamierungspolitik ohne jeden Beweis. Sie wollen Beweise gar nicht erbringen! (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

Lieber Herr Dr. Haider! (Abg. Dr. Haider: Lies vor, was er gesagt hat!) Sie behaupten allen Ernstes, daß ein OGH-Urteil vorliege, das besagt, daß die PKK eine terroristische Organisation sei. (Abg. Dr. Haider: Kriminelle Organisation!) Ich will Ihnen überhaupt nicht die Mühe machen, ein mehrseitiges Erkenntnis des OGH, das Sie vielleicht auch schon in Händen gehabt haben, wirklich zu analysieren – die Zeit nehmen Sie sich wahrscheinlich nicht –, aber nehmen Sie "Die Presse" von gestern zur Hand. (Abg. Dr. Haider: Kriminelle Terroristen!) Auf Seite 6 ist ein Interview mit dem auch für Sie sicherlich unverdächtigen Präsidenten des OGH nachzulesen. Ich zitiere:


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Im Gespräch mit der "Presse" sagte OGH-Präsident Herbert Steininger, er würde sich hüten, aus dem Urteil verallgemeinernd etwas herauszulesen. (Abg. Dr. Haider: Das ist eine kriminelle Organisation! Das steht im Urteil!) Damit nicht genug: Die Gerichtsentscheidung habe einen einzelnen Straffall und die dort beteiligten Personen betroffen, so Steininger. Er bezweifle, daß daraus generelle Schlüsse über die Struktur der PKK gezogen werden können, es sei auch nicht Sache des OGH, diesbezügliche generelle Aussagen zu treffen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das Urteil sagt aber etwas anderes! – Abg. Dr. Haider: Im Gerichtsurteil steht es aber!)

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang hat Herr Dr. Haider nicht mehr und nicht weniger behauptet, als daß der OGH die PKK ausdrücklich als kriminelle Organisation bezeichnet hat; der Präsident des OGH sagt genau das Gegenteil. Das ist Ihre Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen. – Zwischenrufe der Abg. Dr. Haider und Dr. Partik-Pablé. )

Weiters: Sie sagen in Ihrer Rede, aber auch in Zwischenrufen, Herr Bundesminister Einem würde seine Behörden, würde die Exekutive daran hindern, daß in diesem Zusammenhang gegen die PKK vorgegangen wird. Sie haben mehrfach eine Presseaussendung von Bundesminister Einem zitiert. Ganz am Anfang findet sich dort der Satz: Wir haben in der Exekutive eine klare Haltung: Wir beobachten die Aktivitäten ausländischer politischer Gruppierungen, und dort, wo wir den Eindruck haben, daß sie den gesetzlichen Rahmen verlassen, schreiten wir ein. – Auch hier gilt für Sie, Herr Dr. Haider: Ihre Dichtung und die Wahrheit sind zweierlei. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie verlangen im Zusammenhang mit Ihren Vorwürfen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Das ist als Opposition Ihr gutes Recht, aber ich sage Ihnen: Der Vorwurf, den Rechtsstaat mit Füßen zu treten, ist Ihnen in viel höherem Maße zu machen, wenn Sie das Ergebnis eines Gerichtsverfahrens und das Ergebnis eines Untersuchungsausschusses, bevor noch darüber abgestimmt werden kann, vorwegnehmen. Sie sind es im Grunde genommen, der hier in diesem Haus Dinge behauptet (Abg. Dr. Haider: Was schreist denn schon wieder so?) , die in keiner Weise – nicht einmal von Ihnen! – bewiesen werden können. Das ist Infamie! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Dr. Haider! Sie beweisen mit solchen Vorgängen, daß es guten Grund hat, warum die Österreicherinnen und Österreicher verhindert wissen wollen, daß Sie und Ihre Mannen und Damen jemals in der Bundesregierung vertreten sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich werfe Ihnen nicht mehr und nicht weniger vor, als daß Sie einen sehr zynischen Umgang mit der Wahrheit und mit den Grundwerten dieses Staates haben. Nicht vorzustellen, was passieren würde, wenn jemand wie Sie mit dieser Einstellung über einen Apparat wie beispielsweise das Innenministerium zu verfügen hätte! Das werden wir Sozialdemokraten in diesem Land zu verhindern wissen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Handlungen, die Sie setzen – auch in diesem Haus –, sind eine Negation jener Grundwerte, die Sie permanent auf den Lippen führen, nämlich der Grundwerte des Anstandes, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie.

Wundern Sie sich nicht über die Ausgrenzung, die Sie erfahren. Sie rechtfertigen sie beispielsweise jetzt, hier und heute durch Ihre Handlungsweise. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Abg. Dr. Van der Bellen und Ing. Reichhold. – Allgemeine Heiterkeit wegen des irrtümlichen Beifalls des freiheitlichen Abgeordneten Ing. Reichhold .)

13.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Ich kann den Grund Ihrer Heiterkeit nicht ganz nachvollziehen, aber bitte. (Abg. Dr. Khol: Der Reichhold hat dem Kostelka applaudiert!)

Wir fahren in der Debatte fort.


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17. Sitzung / Seite 578

Abgeordneter Dr. Haider hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Herr Abgeordneter Dr. Haider, Sie haben das Wort. Ich bitte, mit dem Sachverhalt zu beginnen, den Sie berichtigen wollen.

13.50

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Herr Dr. Kostelka hat mir vorgeworfen, daß ich zu Unrecht die PKK als eine terroristische und kriminelle Organisation bezeichnet hätte. – Tatsache ist, daß in dem von mir bereits einmal zitierten Verschlußakt vom 30. März 1995 steht, daß das Ministerium das selbst festgestellt hat. Hier steht wörtlich – ich zitiere –:

Es steht fest, daß die ERNK in Österreich weder als Verein noch als Partei existent ist. Allerdings muß darauf verwiesen werden, daß es sich bei dieser Organisation nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes um eine kriminelle Vereinigung nach § 278a Strafgesetzbuch handelt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Na bitte, Herr Kostelka!)

Ich zitiere weiters: Folgen: Aufgrund der zitierten oberstgerichtlichen Entscheidung kann das ERNK-Büro nach hiesiger Ansicht nicht unbeobachtet bleiben. Nach § 84 Strafprozeßordnung sind die Sicherheitsbehörden in diesem Fall zu Ermittlungen und zu einer Anzeige verpflichtet. Um sich keinen öffentlichen Vorwürfen auszusetzen, wäre beabsichtigt, Ermittlungen gegen die offiziellen Vertreter dieses Büros wegen des Verdachtes der Mitgliedschaft einer kriminellen Vereinigung zu veranlassen. Im Hinblick auf allfällige Anschläge in nächster Zukunft könnte bei Nichteinschreiten jedoch auch der Vorwurf der Untätigkeit beziehungsweise des Amtsmißbrauches in den Medien laut werden. (Abg. Dr. Kostelka: Das stimmt ja alles nicht!)

Das schreibt das Ministerium selbst. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, daß Ihr eigener Minister diesen Akt für gut befunden hat, und ich ersuche Sie, mir nicht vorzuwerfen, daß ich zitiere, was der Oberste Gerichtshof gesagt hat und was die Beamten des Herrn Ministers Einem ihm selbst unterlegt und ihn gebeten haben, im Sinne einer oberstgerichtlichen Entscheidung ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Dr. Haider! Das ist nicht mehr Gegenstand einer Berichtigung. Sie haben schon berichtigt.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): ... endlich vorzugehen und die entsprechenden Konsequenzen auch zu ziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Anschober. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

13.53

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen nur zwei Sätze zum Bassena-Niveau des Herrn Dr. Haider (Abg. Mag. Stadler: Des Einem, nicht des Haider!) , mehr verdient es nicht.

Ich sage Ihnen: Wer in den letzten Tagen in diesem Haus diese angezündete Terrorismusdebatte verfolgt hat, wer gesehen und gehört hat, wie von Herrn Dr. Haider und Herrn Stadler hier laufend mit Unwahrheiten gearbeitet wird, laufend Verdrehungen präsentiert werden, wie hier laufend gezeigt wird, daß es überhaupt nicht um die Sache geht, sondern ausschließlich und allein um die politische Beschädigung einer Person, wer gesehen hat (Zwischenrufe der Abg. Mag. Stadler und Dr. Krüger ) , wie hier deutsche Verhältnisse der Gewalt herbeigeredet werden sollen, meine sehr verehrten Damen und Herren, der muß zum Schluß kommen, daß der Ausdruck "Bassena-Niveau" für diese Methoden eine äußerst charmante Verharmlosung ist. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun zum zweiten Punkt: Wer seine Rede mit dem Ausdruck "die Subjekte auf der Regierungsbank" schließt (Abg. Dr. Haider: Giftspritzen!) , der


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bedient sich einer gewalttätigen Sprache und agiert menschenverachtend. – Beides ist abzulehnen. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht dabei nicht um die elementaren, vitalen Probleme in diesem Land, sondern es geht ausschließlich um parteipolitisches Gezänk. Ich möchte deswegen den Schritt weiter machen.

Heute ist aus mehrerlei Hinsicht ein wichtiger Tag. Es findet eine wesentliche Budgetdebatte statt, gleichzeitig begehen wir aber auch einen Gedenktag, einen Gedenktag, der – und darauf komme ich noch – mit dieser Budgetdebatte einiges zu tun hat: den Gedenktag 10 Jahre Tschernobyl. Ein Gedenktag der verheerendsten Katastrophe im Umweltbereich, die über 100 000 Opfer gefordert hat, die unglaubliches menschliches Leid gefordert hat, ein Gedenktag, der uns aber auch gezeigt hat, wie sich das Verharmlosen untragbarer Risken der Industrie, in diesem Fall der Atomindustrie, auch finanziell niederschlägt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Berechnungen des Gesundheitsministeriums selbst besagen, daß die Folgekosten von Tschernobyl bis heute – und diese Folgekosten laufen tagtäglich weiter – nicht weniger als 1 Milliarde Schilling ausmachen, trotz dieser Riesendistanz zur nördlichen Ukraine. Das betrifft nur die Konsequenzen des dortigen GAUs für Österreich.

Ich habe mich deswegen zu Wort gemeldet, um vom Herrn Finanzminister eine Klärung zu bekommen. Wir haben bereits vorgestern in diesem Hohen Haus thematisiert, daß zehn Jahre nach dieser Reaktorkatastrophe nun mit österreichischer Kapitalbeteiligung über die Ost-Wiederaufbaubank, über EBRD, neue Reaktoren, neue Atomkraftwerke in der Ukraine errichtet beziehungsweise fertiggebaut werden sollen. Es sind dies die Reaktoren Khmelinsky und Rovno. Es gibt eine Empfehlung der G 7, die EBRD und damit auch Österreich – Österreich ist ja beteiligt an der EBRD – möge diese Finanzierung in einer Größenordnung von 10 Milliarden Schilling durchführen.

Ich glaube, daß es erforderlich, daß es wirklich notwendig ist, daß der Finanzminister an diesem 10. Gedenktag von Tschernobyl hier klar und deutlich formuliert, was die Regierungsposition dazu ist und ob es tatsächlich möglich ist, daß zehn Jahre nach Tschernobyl wieder österreichisches Kapital in neue Hochrisikoreaktoren in die Ukraine fließt – oder ob es nicht sinnvoller wäre, daß Österreich innerhalb dieser Ost-Wiederaufbaubank Anträge stellt, daß es zwar Kredite seitens der EBRD gibt, aber Kredite für nichtnukleare Energieerzeugungsprojekte: im Wasserkraftbereich, im Alternativenergiebereich, im Bereich des Energiesparens.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erwarte mir diesbezüglich heute eine Klärung, eine Klarstellung, eine Verdeutlichung der österreichischen Position.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ausrechnen lassen, das Schließen der zwölf gefährlichsten Reaktoren in Osteuropa, der zwölf größten Risken, der zwölf atomaren Zeitbomben in Osteuropa würde rund 200 Milliarden Schilling kosten. Das ist eine scheinbar enorm hohe Summe, die aber, wenn man sie mit anderen Budgetansätzen vergleicht, durchaus finanzierbar wäre, wenn es tatsächlich internationale Anstrengungen in diese Richtung gibt.

Diese Summe macht etwa nur 2 Prozent des Budgets der NATO eines einzigen Jahres aus. Also mit nur 2 Prozent eines einzigen NATO-Budgets könnten die zwölf gefährlichsten Schrottreaktoren Osteuropas geschlossen und umweltfreundlich ersetzt werden. – Das wäre eine sicherheitspolitische Offensive, das wäre eine sicherheitspolitische Vision, zu der Österreich einiges beitragen könnte.

In diesem Zusammenhang erwarte ich mir in Hinkunft massiv verstärkte österreichische Positionen, eine Neuoffensive der österreichischen Regierungspolitik, denn die Bundesregierung ist nach vielen Ankündigungen und Versprechungen in dieser Frage mittlerweile in einen festen Anti-Atom-Tiefschlaf verfallen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier im Nationalrat vor einem Jahr ganz hervorragende offensive Aufträge an die Bundesregierung bezüglich ihrer Anti-Atompolitik ver


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abschiedet, Aufträge, Euratom umzuwandeln, es zumindest zu beantragen, den Auftrag, die Atomfrage auf die Tagesordnung der EU-Regierungskonferenz zu nehmen, Anträge und Aufträge an die Bundesregierung, etwa auch die Öko-Fondsmittel massiv zu erhöhen, damit tatsächlich Hilfskonzepte erstellt werden können, Aufträge an die Bundesregierung, Koalitionen mit anderen atomfreien Staaten zu schließen, et cetera.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von diesen einhellig in diesem Hohen Haus, einstimmig von allen fünf Parteien verabschiedeten Anträgen ist bis zum heutigen Tag kein einziger nach einem Jahr umgesetzt. Kein einziger! Und der Herr Außenminister teilt uns sogar mit: Da die Legislaturperiode, in der im vergangenen Jahr diese Aufträge beschlossen wurden, abgelaufen ist, seien diese Aufträge, seien diese Beschlüsse des Hohen Hauses null und nichtig, und die Bundesregierung müsse sich nicht mehr an diese Beschlüsse halten.

Es gibt noch einen letzten Punkt, der hier diskutiert werden muß, wozu wir heute keinen Beschluß erreichen werden, wozu es aber gestern im Oberösterreichischen Landtag eine erste Resolution gegeben hat, nämlich die Frage, ob nicht die österreichische Bundesregierung im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen Tschechiens und der Slowakei auch diese Frage Atomkraftwerke, Bedrohung Europas durch Schrottreaktoren ganz massiv und deutlich thematisieren muß.

Es ist die Frage, ob es nicht, so wie es etwa die EU mit Österreich in bezug auf den Transitvertrag gemacht hat, eine Art Atomvertrag geben sollte, der im Rahmen dieser Beitrittsverhandlungen abzuschließen ist, in dem konkrete Ausstiegsszenarien, konkrete Zeitpläne, konkrete Etappenschritte und konkrete Finanzierungspläne, wie man diesen beiden Nachbarländern bei diesem Ausstieg hilft, festgeschrieben und damit fixiert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch dazu würde ich mir vom Finanzminister ein klares Wort erwarten, ob er derartige Überlegungen teilt. Die harte Phase, die Intensivphase, die konkrete Phase der Beitrittsverhandlungen mit der Slowakei und mit Tschechien wird voraussichtlich im Herbst sein. Das heißt, bis allerspätestens zu diesem Zeitpunkt muß sich der Nationalrat eine klare Meinung darüber bilden.

Ich glaube, es muß einen derartigen Atomvertrag mit jenen Ländern, die der EU beitreten wollen, eben mit unseren nördlichen Nachbarn geben. Ich glaube, daß das eine historische Chance ist, diese Anti-Atomdebatte, diese Frage der notwendigen Entschärfung der Schrottreaktoren an unserer Grenze – ich erwähne nur die AKWs Temelin, Bohuni#e, Dukovany, Mochovce – und natürlich in Konsequenz auch Krško neu zu thematisieren, und ich glaube, daß da die österreichische Bundesregierung ein klares Wort bei diesen Beitrittsverhandlungen sprechen muß.

In diesem Sinn möchte ich Ihnen anschließend noch eine Denkschrift der Grünen zum 10. Gedenktag von Tschernobyl überreichen. (Der Redner zeigt eine Broschüre vor.) Tatsächlich eine Denkschrift! – Und vielleicht ist zwischen aller Hetze, die hier passiert, auch noch zum Nachdenken Zeit. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Anschober beginnt, unterstützt vom Abg. Öllinger , mit der Verteilung einer Denkschrift im Saale.)

14.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Johann Schuster. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

14.03

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ein Sprichwort lautet: Den Fortschritt verdanken die Menschen den Unzufriedenen. (Heiterkeit.) Es darf daher in manchen Bereichen Unzufriedenheit an den Tag gelegt werden, wenn wir bereit sind, den Fortschritt positiv zu beeinflussen.

Bei der Budgetdebatte 1996/1997 wurden einige Schwerpunkte besonders herausgearbeitet: Es geht um die Thematik der Gentechnik, es geht um die Sorge, ob Österreich frei von BSE-Fleisch ist, beziehungsweise wir gedenken der zehn Jahre nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl.


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Wir wissen, daß man in Österreich sehr bemüht ist, eine Achse zu bilden zwischen den Produzenten einerseits und den Konsumenten andererseits. Was die Ernährung in unserem Staate anlangt, so können wir doch feststellen, daß Österreich mit seiner naturgerechten Produktion einerseits, aber auch mit der staatlichen Kontrolle, was die Qualität anlangt, in Europa gut unterwegs ist.

Es wurde gestern beim Kapitel Gesundheit darauf hingewiesen, daß alle Parteien von der Gesundheitsministerin verstärkte Kontrollen beziehungsweise Kennzeichnungspflicht und Genehmigungspflicht von allen gentechnisch veränderten und mit gentechnischen Verfahren hergestellten Nahrungsmitteln fordern.

Wir wissen aber auch, daß Österreich dank dieser Initiativen frei von BSE-Fleisch ist. Diesbezüglich haben die wichtigsten Handelsorganisationen, die Bundesinnung der Fleischer und der Fachverband der Fleischwarenindustrie schriftlich ein Bekenntnis abgegeben.

Ich darf diesbezüglich bei der heutigen Abschlußdiskussion folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Auer, Gradwohl, Schuster, Wimmer und Kollegen betreffend Kennzeichnung von Fleisch und Fleischprodukten zum Kapitel 17, Gesundheit und Konsumentenschutz, des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1996 samt Anlagen (70 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (96 der Beilagen)

Die Verunsicherungen der Konsumenten im Zusammenhang mit der hauptsächlich in Großbritannien aufgetretenen Rinderseuche BSE und einer möglichen Übertragung dieser Krankheit auf Menschen erfordern verbesserte Maßnahmen zur Kennzeichnung von Fleisch und Fleischprodukten zum Schutz der Verbraucher.

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft werden ersucht, einen Vorschlag auszuarbeiten, demzufolge ein neues System zur Kennzeichnung von Fleisch- und Fleischprodukten eingeführt wird, bei dem es sich um eine verständliche und praktikable Kennzeichnung mit verpflichtender und kontrollierbarer Herkunftsangabe handeln muß."

*****

Ich ersuche auch alle anderen Parteien, diesem Entschließungsantrag ihre Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Schuster vorgetragene Entschließungsantrag wird in die Verhandlungen miteinbezogen; er ist ausreichend unterstützt.

Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr zum zweiten Mal Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

14.07

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Haider hat sich in einem bezeichnenden Akt der geistigen Selbstentblößung hier herausgestellt (Abg. Dr. Ofner: Was ist das für eine Ausdrucksweise? – Abg. Mag. Stadler: Aber wenn man "Subjekt" sagt! Die Selbstgerechtigkeiten der Linken! Der Ultralinken!) und die Tatsache kritisiert, daß das Bundesministerium für Arbeit und Soziales diese Broschüre mitfinanziert oder subventioniert hat.

Ich kann mich noch daran erinnern: Vor einer Woche war es, da hat derselbe Abgeordnete Haider die Regierung deswegen kritisiert, weil sie in der Medienpolitik beziehungsweise in der


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Politik gegenüber dem ORF versage, weil sie sich einen Staatsrundfunk halte, ein Staatsfernsehen, in dem nur mehr die eigene Meinung publiziert werden darf. (Abg. Mag. Stadler: Er hat die Doppelzüngigkeit der Regierung kritisiert, wenn Sie das nicht begriffen haben!)

Noch jünger, da wollte sich Herr Abgeordneter Haider – das war vor wenigen Tagen –, nicht hier in diesem Hohen Haus, sondern durch die Unterstützung des "profil"-Herausgebers Hubertus Czernin, mit einem Zitat von Voltaire rühmen, wonach er einer derjenigen ist, die die Meinung der anderen auch dann schützen und für sie eintreten werden, wenn sie nicht dieser Meinung sind.

Da stellt sich derselbe Herr Abgeordnete Haider hier heraus und kritisiert Bundesminister Hums deswegen, weil er eine Broschüre subventioniert, in der etwas steht, was eigentlich der Bundesminister Hums nicht vertreten kann, weil es seiner eigenen Meinung widerspricht. (Abg. Mag. Stadler: Das haben Sie nicht verstanden!) Das ist Doppelbödigkeit, Herr Abgeordneter Stadler, und wenn Sie das nicht begriffen haben (Abg. Mag. Stadler: Sie haben es nicht verstanden!) , dann tut es mir leid! (Abg. Mag. Stadler: Sie haben es nicht begriffen! Das ist das Problem!) Das ist Ihre Art, wie Sie mit Meinungsfreiheit, Ihre Art, wie Sie mit Demokratiepolitik umgehen. (Beifall bei den Grünen, bei der SPÖ sowie beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Stadler: Er kritisiert, daß die Regierung zu doppelbödig ist!)

Herr Abgeordneter Stadler, Sie kennen das. (Der Redner weist eine Broschüre vor.) Darf ich daraus einige Sachen zitieren. Es handelt sich um eine Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie mit dem Titel: "NATO-Beitritt Österreichs", Autor: Erich Reiter. Erich Reiter ist Sektionschef und Leiter der Präsidial- und Rechtssektion des Bundesministeriums für Landesverteidigung.

Dieser Herr Reiter, ein ehemaliges oder Noch-Mitglied der Freiheitlichen nimmt in diesem Buch sehr ausführlich nicht nur zu dem möglichen NATO-Beitritt Stellung, sondern auch zur Neutralitätspolitik Österreichs. Er charakterisiert diese Neutralitätspolitik zum Beispiel als demütige Neutralität, er charakterisiert sie an anderer Stelle als politische Fesselung durch das österreichische Neutralitätsdenken.

Er sagt, eine verkrampfte Neutralitätsideologie herrsche in Österreich. – Das ist der Versuch eines hohen Beamten im Landesverteidigungsministerium, der das Neutralitätsgesetz verantwortlich zu exekutieren und zu vertreten hat, die Neutralitätspolitik Österreichs zu verändern.

Es ist natürlich eine interessante Frage, wie man das bewertet. Es ist das eine offizielle Schrift des Verteidigungsministeriums, und da geht es nicht darum, ob das Verteidigungsministerium Herrn Reiter erlaubt, dazu Stellung zu nehmen, was ich absolut für legitim halten würde, daß selbstverständlich auch ein hoher Beamter des Verteidigungsministeriums die Möglichkeit haben muß, mit seiner Kritik an einer offiziellen Politik, mit seiner Kritik an den Gesetzen in einem bestimmten Rahmen nicht hinter dem Berg halten zu müssen. Selbstverständlich gestehe ich ihm das zu! – Aber es ist etwas anderes, wenn das Verteidigungsministerium in seiner eigenen Publikation die eigenen Gesetze, nämlich das Neutralitätsgesetz, faktisch schlecht macht und das Neutralitätsgesetz ad absurdum führen will durch diese Argumentation.

Das wäre etwas, worüber wir ernsthaft diskutieren sollten, ob das tatsächlich noch etwas ist, was das Bundesministerium, in diesem Fall das für Landesverteidigung, finanzieren und fördern soll. Das wäre etwas, worüber wir uns Gedanken machen sollten.

Ich meine: Im Zweifelsfall ist auch da Herrn Reiter und seiner persönlichen Meinung der Vorzug vor der möglichen Einschränkung dieser Meinungsfreiheit durch das Ministerium zu geben. Aber ich halte es tatsächlich für eine problematische Sache, wenn ein ganz wichtiges Gesetz, das diese Republik begründet, nämlich das Neutralitätsgesetz, quasi durch das Verteidigungsministerium oder einen hohen, einen der höchsten Beamten in diesem Ministerium ad absurdum geführt wird, wenn versucht wird, das aufzulösen. Das halte ich für eine bedenkenswerte Frage.

Ganz anders ist es bei dieser Broschüre. (Der Redner hält eine Broschüre in die Höhe.) Da ich in dieser Broschüre namentlich angeführt werde, kann ich Ihnen sagen: Ich stimme, Herr


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Haider, mit der Broschüre auch nicht – und das wird Sie vielleicht überraschen – in allen Punkten überein. Aber das ist nicht das Thema. Es wird Sie vielleicht überraschen, daß ich diese Broschüre vor ihrer Publikation nicht gelesen, nicht Zensur geübt habe, ob hierin wirklich meine Meinung in allen Punkten wiedergegeben ist. Das war auch nicht das Thema.

Es gab eine Enquete, ein Workshop, in dem verschiedene Beiträge zu diesem Thema gesammelt und von einem Autorenteam zusammengetragen wurden. Selbstverständlich halte ich es für legitim, daß dieses Autorenteam seine Meinung publiziert, ohne daß der Herr Öllinger oder ohne daß der Herr Bundesminister für Arbeit und Soziales und schon gar nicht der Herr Haider oder sonst irgend jemand vorher diese Broschüre abnehmen muß, damit die Zustimmung zu ihrer Subventionierung geben werden kann.

Mögen die Bürger dieser Republik uns davor behüten, Herr Haider, daß sich Ihr Demokratieverständnis, Ihre Auffassung von Meinungsfreiheit, Ihre Auffassung von Subventionsfähigkeit von Broschüren, von Zeitungen und Zeitschriften in dieser Republik jemals durchsetzen kann! (Beifall bei den Grünen, bei der SPÖ sowie beim Liberalen Forum.)

14.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. Zweite Wortmeldung.

14.14

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Kurz replizierend auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Wabl.

Es ist überhaupt keine Frage – das haben die Liberalen oft und oft, und das möchte ich hier noch einmal tun, gesagt und festgelegt –: Wir sind für eine Ressourcenbesteuerung, aber wir wollen, wenn es zu einer Ressourcenbesteuerung kommt, eine steuerliche Entlastung der menschlichen Arbeitskraft. Das ist eine ökologische Steuerreform – alles andere ist Geldbeschaffung, Herr Abgeordneter Wabl.

Ich verstehe nicht, daß es dir – und ich sage das nur von einem steirischen Nationalratsabgeordneten zu einem anderen steirischen Nationalratsabgeordneten, Herr Abgeordneter Wabl – völlig einerlei ist, daß jene Rechte, die die steirischen Landesbürgerinnen und Landesbürger nach der Landesverfassung haben – lies dir einmal den § 36 der Landesverfassung durch –, in dieser Frage einfach übergangen wurden.

Herr Abgeordneter Wabl, der sich an sich für Demokratisierungsprozesse auch hier, wie wir vorhin gemerkt haben, stark macht, nimmt es einfach hin, daß Rechte, die die steirischen Landesbürgerinnen und Landesbürger haben, übergangen werden. Das findet er vielleicht auch noch lustig, wir jedoch nicht! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Und das zeigt auch, Herr Abgeordneter Wabl, daß es um etwas ganz anderes gegangen ist, als in den Erläuternden Bemerkungen dieser Gesetzesvorlage des Steiermärkischen Landtages genannt wir: Die Ausnahmen zeigen, daß es wirklich nur um eine panikartige Geldbeschaffung gegangen ist, mit der man möglichst versucht, die eigene Klientel zu schonen. Die ökologischen Lenkungseffekte sind deshalb nicht abgeschätzt worden, weil sie auch nicht eintreten werden – vollkommen klar! –, denn dort, wo der Lenkungseffekt eintreten sollte, sind ja die Ausnahmen plaziert. Daher werden jene, die sich ohnehin ökologisch richtig verhalten, zur Kasse gebeten, aber jene, die das nicht tun, sind ausgenommen. Wo da der Sinn dahintersteckt, das mußt du mir erst einmal erklären! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Zweckwidmung, die angesprochen wurde, auch vom Abgeordneten Wabl, ist dermaßen weich und widerspricht völlig dem sonstigen Gehalt dieses Gesetzes, daß man nicht ernsthaft darauf Bezug zu nehmen braucht.

Was generell von allen Fraktionen in dieser Sache unterschätzt wird, ist die Präjudizwirkung, meine Damen und Herren! Diese Maßnahme wird, wenn sie durchgeht, Präjudizwirkung auch


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für alle anderen Bundesländer haben. Die Niederösterreicher denken doch nicht umsonst schon darüber nach, ob sie das nicht auch machen könnten. Jetzt sagen sie, wir warten einmal, wie das für die Steirer ausgeht, und wenn es geht, dann drücken auch wir, wo wir können, den anderen eine solche Steuer aufs Auge.

Wenn dein Aufruf, Andreas Wabl, zur Kommunikation hier vom Pult aus wirklich ernst gemeint war, dann müßtest du eigentlich ein Befürworter des Entschließungsantrages von uns Liberalen sein, der verlangt, daß ein Gespräch zwischen Nationalrat und Bundesrat herbeigeführt wird, nämlich so, wie es auch in unserer Verfassung vorgesehen ist, um diese Frage diskutieren zu können. – Da geht es um Kommunikation und nicht um ein Drüberfahren! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Noch einmal: Diese Vorgangsweise, wie sie in diesem Falle von der Steiermark – meinetwegen durchaus im besten Glauben – eingeschlagen wurde, schadet der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, schadet der Durchsetzung einer ökologischen Steuerreform und schadet insbesondere einer Zusammenarbeit der einzelnen Bundesländer untereinander. Und das ist genau das, was wir im Hinblick auf die Maastricht-Kriterien nicht brauchen können. (Abg. Schieder: Sehr richtig!)

Wenn das richtig ist, Herr Abgeordneter Schieder, dann würde ich mich freuen, wenn auch Sie unserem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung geben würden. (Abg. Schieder: Das geht leider nicht! – Heiterkeit.) Das ist genau eines jener Probleme, daß die Regierungsfraktionen immer wieder sagen: Das ist eine richtige Maßnahme, aber zustimmen können wir leider nicht! (Abg. Dr. Khol – zum Abg. Schieder gewendet –: Sehr elegant!)

Meine Damen und Herren! Uns Liberalen ist der Preis, der mit dieser Abgabe eingegangen werden soll, einfach zu hoch. Wir haben im Landtag diese Maßnahme abgelehnt. Wir versuchen noch einmal mit unserem Entschließungsantrag, Andreas Wabl, hier auf Nationalratsebene ein Gespräch in Gang zu bringen, um einen konfliktfreien Interessensausgleich herbeizuführen und nicht die Verantwortung auf den Verfassungsgerichtshof abzuschieben, wie das immer wieder in politisch heiklen Fragen geschieht, statt dann, wenn der Verfassungsgerichtshof entschieden hat, zu sagen: Beim Verfassungsgerichtshof muß man aufpassen, das ist nämlich mittlerweile schon der negative Gesetzgeber!

Das ist genau der falsche Weg, der nicht Politik ist, denn Politik würde bedeuten, Maßnahmen zu setzen, die wirklich im Einklang mit dem stehen, was die ganze Zeit hier beim Rednerpult behauptet wird – mittlerweile auch von den Grünen, ohne daß sie es dann wirklich tun. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte.

14.19

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Lange hat es gedauert, bis sich endlich einer von der ersten Garde der sozialistischen Abgeordneten in der Person des Klubobmannes Kostelka ans Rednerpult gewagt hat, und eine eher schwache Verteidigung für seinen angeschlagenen Innenminister von der Rostra aus gegeben hat, eine Rede, die eigentlich gar keine Verteidigung war, sondern nur ein Angriff auf unseren Klubobmann Haider, weil niemand mehr bereit ist, innerhalb der SPÖ diesen Minister noch zu verteidigen, weil jeder weiß, daß Einem wahrscheinlich schon intern zur Abschreibung auf den Erinnerungsschilling freigegeben wurde, meine Damen und Herren.

Gestern konnte man ja lesen, daß nur mehr pragmatisierte und weisungsgebundene Beamte Minister Einem in den Medien verteidigen – und außer den Grünen verteidigt ihn hier im Hohes Haus überhaupt niemand mehr. Die Grünen werden ihn demnächst wahrscheinlich zum Ehrenmitglied des linken Flügels innerhalb der Grünen machen, meine Damen und Herren (Beifall bei den Freiheitlichen), und ich möchte der grünen Fraktion heute schon zu dieser hervorragenden Erwerbung gratulieren. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Aber Kollege Kostelka hat in bemerkenswert beredter Weise versucht, gegenüber dem Nationalrat den Eindruck zu erwecken (Abg. Dr. Kostelka: Beredt? Sie müssen sich schon entscheiden!) – in diesem Punkt waren Sie wirklich einmal beredt, sonst sind Ihre Reden ja denkbar schwach –, also Sie haben versucht, dem Hohen Haus gegenüber den Eindruck zu erwecken, das Kürzel "PKK" stünde wahrscheinlich für eine nette Organisation, das ist ein lieber Verein, da wird Karten gespielt, da trifft man sich. "PKK" steht wahrscheinlich für "Proletarisches Kaffeekränzchen", aber nicht für eine Terrororganisation, meine Damen und Herren, Hohes Haus! – Damit täuschen Sie natürlich die österreichische Öffentlichkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Damit täuschen Sie die österreichische Öffentlichkeit! Das hat zwar etwas mit proletarisch zu tun, aber nichts mehr mit Kaffeekränzchen, wie der OGH festgestellt hat. Sie haben dieses Erkenntnis des OGH offensichtlich nicht zur Gänze gelesen – oder aber Ihre Sekretäre haben Ihnen nicht vollständig berichtet, wenn Sie sich nicht die Mühe getan haben, dieses Erkenntnis selbst zu lesen. Der OGH sagt zwar völlig richtig und im Einklang mit unserem Strafrecht, daß es sich bei der ERNK, einer Tochterorganisation der PKK, um eine kriminelle Organisation im Sinne des § 278 StGB handelt, wo ja der § 278 "kriminell" als Oberbegriff verwendet. Da können Sie es sich jetzt aussuchen, ob das eine gewöhnlich kriminelle Verbrecherorganisation ist, ob das gewöhnliche Banditen und Ganoven sind, oder ob das Terroristen sind oder die Mafia ist.

Aber weiter hinten, Herr Kollege Kostelka, und zwar auf Seite 7 – ich empfehle Ihnen die Lektüre dieses Absatzes –, heißt es wörtlich – ich zitiere –: "Es wertete" – gemeint ist das Gericht – "dabei als erschwerend, daß I." – das ist einer der Beschuldigten – "eine einschlägige Vorverurteilung hatte, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit drei Vergehen, und er eine" – und jetzt hören Sie besonders zu – "besonders aktive Rolle als Terrorist" – als Terrorist! – "im Sinne der Zielsetzung der Organisation gespielt hat."

Meine Damen und Herren! In diesem Erkenntnis ist also im Zusammenhang mit dieser kriminellen Organisation ganz eindeutig von einem "Terroristen" die Rede. Kollege Kostelka aber kommt hier heraus und sagt: Das ist eine nette Organisation, ein lieber Verein, und der böse Abgeordnete Dr. Haider will daraus einen Terroristenverein machen. Das ist doch eine so nette Organisation, daß der Innenminister Einem doch wirklich zu Recht aufgrund seiner Nähe zu seinem Freund Prader die besondere Patronanz für diese nette, proletarische Kaffeekränzchen-Runde übernehmen darf. Nur die bösen Freiheitlichen finden etwas Schlimmes daran!

Aber verlassen Sie sich darauf, meine Damen und Herren, Hohes Haus: Herr Kollege Haider hat nämlich nicht alles aus diesem Verschlußakt zitiert. Er hat Ihnen, meine Damen und Herren von der SPÖ, jetzt einmal ein bißchen mehr daraus zitiert. Denn ich habe den Eindruck, wenn man Sie so reagieren sieht, daß Sie offensichtlich von Ihren eigenen Leuten nicht ordentlich informiert werden, sondern daß man von Ihnen nur erwartet, daß Sie wirklich wie die Marionetten die Händchen hochhalten oder sitzenbleiben, wenn es um Abstimmungen gegen den Minister geht (Beifall bei den Freiheitlichen), daß man Ihnen aber keinen reinen Wein einschenkt.

Wie schaut denn diese "proletarische Kaffeekränzchen-Runde" in Österreich aus? – Da wird es so geschildert: Brandanschlag in Bregenz am 23. März 1995; Ziel dieses Brandanschlages war der Türkische Kulturverein. Beim Newroz-Fest in der Kurhalle in Wien-Oberlaa war die Durchführung gewalttätiger Aktionen geplant. Die Bundespolizeidirektion Innsbruck und die Sicherheitsdirektion Tirol weisen das Innenministerium darauf hin, daß Spendengelderpressungen vorgenommen wurden, und zwar im großen Stil, wobei im ERNK-Büro die entsprechenden Blöcke gefunden wurden. (Abg. Schieder: Wir kennen den Akt nicht!)

Das ist ja das Problem, daß er ein selektives Wahrnehmungsbedürfnis hat: Immer dann, wenn es gegen einen Sozialisten geht, werden die Ohren dicht gemacht und wird vor allem das Gehirn ausgeschaltet. Und dann, wenn es wieder gegen den Dr. Haider geht, wird die Diskette gegen Haider eingeschoben, und dann wird fleißig von der Rostra aus gegen Dr. Haider gewettert. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt schaut er peinlich berührt weg!)


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Aber das Interessante, Hohes Haus, ist ja, daß sich diese Patronanz des Innenministers in diesem Verschlußakt wiederfindet, und daß das sogar soweit geht, daß die PKK ihren Hauptsitz nach Österreich verlegen möchte. Ich darf zitieren: "In PKK-Kreisen wird neben ehemaligen Ostblockländern" – das ist auch interessant! – "nun auch Österreich als möglicher Standort für dieses Exil-Parlament diskutiert." (Abg. Schieder: Aber das ist ja nicht der Hauptsitz der PKK!) Nein, Österreich soll nur der Hauptsitz werden für die PKK, dort, wo das Exil-Parlament tagt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Das Exil-Parlament ist etwas ganz anderes! Das ist unglaublich!)

Herr Kollege Schieder! Sie werden wahrscheinlich auch zu jenen gehören, die jetzt genannt werden. Ich darf zitieren: "Gründe dafür sind: Der hohe Verfolgungsdruck in den Ländern Frankreich und Deutschland" – das sind wahrscheinlich "üble Polizeistaaten", mit denen wir in der Europäischen Union als Partner leben – "sowie" – und jetzt wird es interessant! – "andererseits die sehr guten Beziehungen der PKK-Vertreter zu österreichischen Politikern und Parteien". – Ende des Zitats, meine Damen und Herren!

Dreimal dürfen Sie raten, wer da gemeint ist, Herr Kollege Schieder! Sie werden auch dabei sein, wenn ich Ihnen da so zuhöre, wie Sie sich darüber alterieren, daß die PKK ihr Exil-Parlament nicht nach Österreich verlegen soll. (Abg. Schieder: Nein, da sind sie im Parlament, das ist eine Einrichtung der Kurden und nicht der PKK!) Schauen Sie, ich brauche von denen weder ein Büro noch ein Exil-Parlament! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Das Parlament ist vom Europarat anerkannt!) Solange hier Schutzgelderpressungen vorgenommen werden, solange hier Waffenhandel und Drogenhandel betrieben wird, solange hier mit terroristischen Aktivitäten ein Krieg in unser Land getragen wird, mit dem unser Land nichts zu tun hat, ist mir auch ein Büro zuviel! (Abg. Schieder: Ihre Vertreter sind auch zusammengetroffen mit dem Parlament!) Da brauche ich kein Exil-Parlament der Kurden in Österreich, wo die PKK den Ton angibt. (Abg. Schieder: Aber das Exil-Parlament ist nicht die PKK!)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe immer geglaubt, daß nur Minister Einem und der internationale Sekretär Schramm für die PKK sind, aber ich höre nun, daß es hier offensichtlich prominente Abgeordnete, bis hin zum Obmann des Außenpolitischen Ausschusses gibt, die eine besondere Erregung empfinden, wenn man die PKK ihrer terroristischen Aktivität zeiht. (Abg. Schieder: Nein, wenn man das Exil-Parlament mit der PKK gleichstellt!)

Schauen Sie, dort geben ja die PKK-Leute den Ton an! Tun Sie doch nicht so blauäugig! Sie wissen ganz genau, daß die in diesem nicht-proletarischen Nicht-Kaffeekränzchen, das sich PKK mit den ganzen Tochterorganisationen nennt, den Ton angeben in diesem Exil-Parlament! (Abg. Öllinger: Sie haben ja überhaupt keine Ahnung!)

Jedenfalls sehen das Ihre Ministerialbeamten so, teilen das ihren Ministern mit, worauf der Minister eine Weisung erläßt, daß diese Organisationen besonders pfleglich zu behandeln sind. (Abg. Schieder: Auch die FPÖ-Vertreter sind mit dem Exil-Parlament zusammengetroffen!)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wie "nett" diese PKK agiert, darf ich Ihnen aus einem Inserat einer in Deutschland herausgegebenen, aber insbesondere in Wien unter Kurden sehr häufig vertriebenen Zeitung namens "Serxwebun" – ich nehme an, ich habe richtig kurdisch gesprochen, "Serxwebun" – in Übersetzung zur Kenntnis bringen. Im März 1995 tauchte in dieser Zeitung folgender Aufruf auf – ich zitiere –:

"Alle zum Krieg! Wir rufen unser Volk zum Krieg auf! Im Freiheitskrieg Kurdistans räumen wir jedem zwischen sieben und siebzig einen Platz ein! Es wird zum Heiligen Revolutionskrieg aufgerufen!"

Eine "nette" Organisation! Eine ganz "friedliche" Geschichte! Ein "Kaffeekränzchen"-Krieg dürfte das sein! (Zwischenruf der Abg. Ing. Langthaler. ) Sie können ja auch mitspielen! Sie werden ja auch eingeladen! Sie dürfen ja auch mitspielen in diesem Krieg!

"Unsere Organisation gewährt diese Chance und diese Gelegenheit allen, die kämpfen wollen!", heißt es da weiter. – Frau Kollegin Langthaler, Sie können sich melden! Ich sage Ihnen auch


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gleich wo: "Jeder, der in den Bergen, in den Metropolen und in anderen Gebieten kämpfen will, soll sich sofort anmelden!" – Frau Kollegin Langthaler! Sie sind auch dabei! Und weiters: "Die Zeit ist gekommen, am totalen Krieg teilzunehmen und den Tag des Triumphes zu feiern. ERNK, Europa-Organisation." – Zitatende, meine Damen und Herren.

Ein "netter" Klub, wo der Herr Innenminister die Patronanz übernommen hat. Der totale Krieg wird verkündet, jeder soll sich in die Berge begeben oder in die Metropolen und dort Krieg für die PKK führen, so wie sich das der Herr Minister wahrscheinlich "Im wilden Kurdistan", bei der Lektüre des Karl-May-Buches, vorstellt, meine Damen und Herren, Hohes Haus! Nur: Er soll bei seiner Karl-May-Lektüre bleiben und soll Österreich damit in Ruhe lassen! Österreich gefährdet er damit, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Welche Dimension dieser Konflikt bereits innerhalb der Regierung angenommen hat, erkennt man, wenn man sich die gestrige Schlagzeile im "Kurier" vor Augen führt, wo es heißt: "Der ÖVP fehlt die Koalitionskultur". – Wer nicht für die Terroristen ist, dem fehlt die "Koalitionskultur", meine Damen und Herren! (Abg. Öllinger: Ihnen fehlt die Diskussionskultur!)

Man versucht, der ÖVP klarzumachen, daß sie zur Ordnung gerufen wird. Man versucht, der ÖVP mit einer Disziplinierung und mit einer Dressurnummer klarzumachen, daß das Ganze zum Koalitionsthema wird, wenn man nicht für die PKK und ihre Unterorganisationen ist.

Meine Damen und Herren! Kollege Khol war es, der mit einem bemerkenswerten Zitat im Hohen Haus einmal Aufsehen erregt hat, als er nämlich gesagt hat, die SPÖ-Abgeordneten würden sich am Nasenring durchs Hohe Haus führen lassen. – Ich hoffe, ich habe Sie sinngemäß richtig zitiert, Herr Kollege Khol.

Das, was Ihnen heute droht, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, ist, daß Sie jetzt an den Nasenring gelegt werden, und das in einer Causa, für die es in Österreich unter der Bevölkerung nicht einmal mehr Reste an Prozenten gibt, die Verständnis dafür haben.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Daher ersuche ich Sie heute dringend, sich dagegen zur Wehr zu setzen, daß Ihnen der sozialistische "Verfassungsbogen" Broschüren auf den Tisch knallt, in denen Ihre eigenen Ergebnisse der Regierungsverhandlungen lächerlich gemacht werden – es geht mir nicht um Zensur, sondern es geht mir um die Doppelbödigkeit dabei – und daß man Ihnen heute zumutet, einem Innenminister die Mauer zu machen, von dem Sie selber sagen, daß dieser Innenminister untragbar ist, insbesondere weil er eben eine für einen Innenminister unerträgliche Nähe zu ausländischen Terrororganisationen aufweist und sogar eine besondere Patronanz für diese Organisationen übernimmt.

Daher sage ich Ihnen heute: Wenn Sie von der ÖVP dem Vorwurf, Marionetten zu sein, tatsächlich begegnen wollen, so haben Sie heute Gelegenheit dazu. (Abg. Öllinger: Das ist eine Einladung!) Wenn Sie das heute wieder nicht tun, dann werden Sie auch die Reste an Glaubwürdigkeit und an Kompetenzen, insbesondere im Sicherheitsbereich, wo Sie zugegebenermaßen noch rudimentär einige Kompetenzen haben, verspielen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Sie sind kein Dobermann, sondern ein grauer Wolf!)

14.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

14.32

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Kollege Schuster veranlaßte mich dazu, mich noch einmal kurz zu Wort zu melden, und zwar zu einem Thema, das uns in der Vergangenheit sehr intensiv beschäftigt hat. Es geht um den Rinderwahnsinn und um den BSE-Plan der Europäischen Union zur Ausrottung dieser Seuche zum Schutz der österreichischen Konsumenten.


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17. Sitzung / Seite 588

Kollege Schuster hat heute einen Entschließungsantrag der ÖVP eingebracht, in dem eine verpflichtende, eine kontrollierbare Herkunftsangabe gefordert wird. – Nun, mich freut es, daß die ÖVP diese Forderung jetzt aufgegriffen hat, zumal bereits vor einer Woche, vorigen Freitag, ein gemeinsamer Antrag der grünen Fraktion, der Liberalen und der Freiheitlichen hier in diesem Haus eingebracht wurde, der eben diese Forderung zum Inhalt hatte. Dieser Antrag wurde im Hohen Haus von der ÖVP niedergestimmt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es freut mich, daß die ÖVP es sich bereits nach einer Woche anders überlegt hat und offenbar draufgekommen ist, daß der Schutz der Konsumenten wichtig ist, weil dieser auch Grundlage für die Existenz tausender Bauern in Österreich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist das eine vernünftige Forderung, aber die Vorgangsweise ist eben typisch für die ÖVP. Ich habe ein bißchen darüber nachgedacht, warum sie diesen Antrag jetzt einbringt. Das ist ja doch ein bißchen verdächtig. Wie immer muß man sehr genau hinterfragen, wenn die ÖVP einen Antrag einbringt und bereits nach einer Woche eine andere Meinung zu einem sehr wichtigen Thema hat. Da ist mir aufgefallen, daß ja auch Verhandlungen in der Europäischen Union stattfinden und daß Gesundheitsministerin Krammer vor kurzem auch in Straßburg einen Vorstoß in diese Richtung gemacht hat.

Wissen Sie, was Kommissar Fischler, Ihr Parteifreund, heute in der "Presse" Frau Gesundheitsministerin Krammer ausrichten läßt? Ich zitiere: "Fischler erteilte übrigens auch einer Idee von Gesundheitsministerin Christa Krammer eine Abfuhr. Sie hatte sich für die Einführung einer geographischen Herkunftsbezeichnung für Rinder ausgesprochen." – Das heißt nichts anderes, als daß hier in Österreich, hier in diesem Haus eine Fraktion einen Antrag einbringt, von dem sie jetzt schon weiß, daß er in der Europäischen Union nicht durchgesetzt wird, weil ihr eigener Mandatar, ihr Mann aus den eigenen Reihen diesen Antrag in Brüssel niederstimmen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist eine Doppelbödigkeit, die es wert ist, aufgezeigt zu werden. Und ich appelliere an die sozialistische Fraktion, alles zu unternehmen, um der Politik mehr Wahrhaftigkeit abzuringen. Ich appelliere auch an Sie, Frau Gesundheitsministerin Krammer, nicht lockerzulassen – auch nicht auf europäischer Ebene –, um dieser berechtigten Forderung Nachdruck zu verleihen.

Wenn ich schon am Wort bin, möchte ich einen Schritt weitergehen. Es ist ja zu wenig, nur eine Herkunftsbezeichnung zu fordern, sondern man muß auch die Situation der österreichischen Bauern genauer analysieren. Dieser katastrophale Markteinbruch, den der Rinderwahnsinn mit sich gebracht hat, stellt ja viele tausende Bauern vor wirkliche Existenzprobleme. Es war ein sehr langer Winter, die Futtervorräte neigen sich dem Ende zu, aber die Rinder können derzeit nicht verkauft werden. Daher wäre es auch wichtig, jetzt endlich ein Notprogramm für die österreichischen Bauern durchzusetzen.

Ich kann es nicht hinnehmen und nicht verstehen, Frau Gesundheitsministerin, daß von österreichischer Seite, von der österreichischen Regierung aus keinerlei Vorstöße auf europäischer Ebene unternommen werden, um auch die österreichischen Bauern mit EU-Geldern zu entschädigen. Ich finde es einfach falsch, daß die britischen Rindfleischerzeuger, die die Verursacher dieser Krise sind, entschädigt werden, während die österreichischen Geschädigten leer ausgehen und von ihrer Regierung im Regen stehen gelassen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher möchte ich jetzt folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Robert Wenitsch, Anna Elisabeth Aumayr, Ing. Mathias Reichhold, Franz Koller und Dr. Stefan Salzl betreffend EU-Preisausgleich für österreichische Rinderbauern

Der Nationalrat wolle beschließen:


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17. Sitzung / Seite 589

"Die Bundesregierung wird ersucht, zur Existenzsicherung der österreichischen Rinderbauern angesichts des zusammengebrochenen Marktes für Lebendvieh und Rindfleisch in den EU-Gremien für den vollen Ausgleich des Preisverfalls aus Mitteln der EU-Rindermarktordnung einzutreten."

*****

Meine Damen und Herren! Wir stellen diesen Antrag auch nicht zuletzt deshalb, weil ein hochrangiger Funktionär der Österreichischen Volkspartei vor kurzer Zeit diese Forderungen in der Öffentlichkeit gestellt hat. Präsident Schwarzböck war es, der in den Zeitungen verkündete, daß es jetzt an der Zeit sei, auch den österreichischen Bauern zu helfen. Er hat recht! Er hat heute Gelegenheit, unseren Antrag zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Herrn Abgeordneten Ing. Reichhold verlesene Entschließungsantrag, der ausreichend unterstützt ist, wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort ist nunmehr Abgeordneter Dr. Krüger gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.38

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn ich ein vorläufiges Resümee dieser zweiwöchigen Budgetdebatte ziehen darf, so ist einmal festzustellen, daß sich im Grundsätzlichen am Strukturanpassungsgesetz 1996, an den Abänderungsanträgen und an den Bundesfinanzgesetzen 1996/97 nichts geändert hat.

Doch halt, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Ausnahme gibt es, und auf diese will ich nun zu sprechen kommen: Diese Ausnahme betrifft die Bezirksgerichte. Ich darf die Situation kurz resümieren. In der Regierungsvorlage war zunächst eine Bestimmung enthalten, die die Schließung der Bezirksgerichte vorsah. (Abg. Dr. Kräuter: Die Zusammenlegung!) Dann wurde sehr schnell erkannt, daß mit der Schließung der Bezirksgerichte massiv in Länderinteressen eingegriffen wird. Es hätte sich an der Vollziehung in den Ländern wesentliches geändert. Und die Folge, wie wir wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre gewesen, daß der Bundesrat mit einer Zweidrittelmehrheit die Zustimmung hätte geben müssen. Das war auch der Grund, wieso es dann einen eigenen Gesetzesantrag des Budgetausschusses gegeben hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren, zwei Abgeordnete der Regierungsparteien, oberösterreichische Kollegen, haben diesen Gesetzesantrag eingebracht, und dieser war wortgleich mit jenem in der Regierungsvorlage.

Es besteht kein Zweifel, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß am 9. Mai 1996, also zu dem Zeitpunkt, zu dem über diesen Gesetzesantrag zu debattieren gewesen wäre, mit den Stimmen der Koalitionsparteien die erforderliche Mehrheit gefunden worden wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe diesen Umstand im Laufe dieser Woche herausgegriffen und der ÖVP die Doppelbödigkeit vorgehalten. Die Doppelbödigkeit besteht nämlich darin, daß man sich auf Landesebene als Behüter der Bezirksgerichte aufspielt und auf Bundesebene dem Justizminister den Schlüssel zur Schließung der Bezirksgerichte aushändigen will.

Ich freue mich sehr – und ich möchte das für mich als durchaus positives Resümee hervorstreichen –, daß die ÖVP da einen bemerkenswerten Gesinnungswandel vollzogen hat. (Abg. Mag. Kukacka: Wir sind lernfähig!) Die Bürgermeister in Oberösterreich sind eingeschritten, und ich freue mich, Herr Kollege Kukacka, daß Sie hier sagen: "Wir sind lernfähig." Ich begrüße diese Lernfähigkeit, weil das auch davon zeugt, daß doch noch ein demokratisches Verständnis in der ÖVP zu wichtigen Fragen, die in Bundesländerrechte eingreifen, vorhanden ist.

Ich halte es auch für einen Akt der Ehrlichkeit, daß Abgeordneter Mühlbachler wortwörtlich und mit erfrischender Offenheit und Ehrlichkeit erklärt hat, er hätte sich vom Saulus zum Paulus


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gewandelt, und zwar deshalb, weil jetzt auch er mit aller Vehemenz dagegen eintritt, daß in Oberösterreich 16 Bezirksgerichte geschlossen werden.

So habe ich mit großer Genugtuung gestern direkt von Herrn Kollegen Mühlbachler erfahren, daß der für den 9. Mai vorgesehene Tagesordnungspunkt "Schließung der Bezirksgerichte" wieder abgesetzt wurde und daß die ÖVP, aber auch die SPÖ jetzt geschlossen für einen Weiterverbleib der kleinen Bezirksgerichte eintreten. – Das ist selbstverständlich auch darauf zurückzuführen, daß die freiheitliche Landtagsfraktion im oberösterreichischen Landtag einen Dringlichkeitsantrag eingebracht hat, der darauf abzielte, die Schließung der Bezirksgerichte zu verhindern.

Es freut mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, feststellen zu können, daß alle im oberösterreichischen Landtag vertretenen Parteien diesen Dringlichkeitsantrag unterzeichnet haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Das ist in erster Linie natürlich ein Erfolg, ein Sieg der freiheitlichen Opposition. Das ist aber auch ein Sieg des Föderalismus, und es ist vor allen Dingen ein Sieg der Bundesländer gegen die Wiener Zentralbürokratie. Vor allem ist es aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Sieg der Vernunft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt eine zweite Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Haider vor. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

14.43

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich nütze die Gelegenheit, daß auch Herr Präsident Fischer in der Abgeordnetenbank sitzt, um am Ende dieser Budgetdebatte eine sehr grundsätzliche Frage anklingen zu lassen.

Es wurden im Laufe dieser Woche, im Zuge der Debattenbeiträge über sehr viele Fragen des Parlamentarismus zum Teil unterschiedliche, aber in vielen Bereichen auch übereinstimmende Meinungen geäußert. Es hat sich herausgestellt, daß niemand mit der Art und Weise, wie dieses Strukturanpassungsgesetz und die Budgets durchgepeitscht wurden, zufrieden ist. Aber das ist immerhin ein Instrument, das eingesetzt werden konnte, weil es eben eine Mehrheit von zwei Regierungsparteien gibt, die diesen Vorgang gewählt haben.

Es gibt aber die Bundesverfassung, und darin ist festgeschrieben, daß die gesamte Verwaltung nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden darf. Daher ist es auch ein relativ aufwendiges Procedere, zu einem Gesetz zu kommen. Und ein Gesetz wirkt in der Republik Österreich erst dann, wenn es verlautbart ist – wenn das im Gesetz festgehalten ist –, wenn es in Kraft tritt und die Stationen der Gesetzwerdung durchgeführt wurden.

Nun habe ich hier ein Schreiben der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft in Händen, die schon vorige Woche ihren zwangsversicherten Mitgliedern folgende Mitteilung gemacht hat – ich zitiere –:

"Information: Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft. Erhöhung des Beitragsatzes in der gewerblichen Pensionsversicherung ab 1 April 1996. Im Rahmen des Sparpaketes hat die Regierung auch eine Erhöhung des Beitragsatzes in der gewerblichen Pensionsversicherung beschlossen. Ab 1. April 1996 macht der Beitragsatz in der gewerblichen Pensionsversicherung 13,5 Prozent aus." – Und es liegt bereits der Einzahlungsschein bei.

Jetzt frage ich Sie wirklich: Wie gehen wir mit dem Parlamentarismus um? – Heute nachmittag wird das Strukturanpassungsgesetz erst im Bundesrat behandelt, es ist noch überhaupt nicht erledigt (Abg. Dr. Khol: Es ist gestern beschlossen worden!), Entschuldigung, gestern ist es im Bundesrat behandelt worden, heute nachmittag wird es ab 16 Uhr aufgelegt, um in Kraft zu treten.


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17. Sitzung / Seite 591

Ich weiß nicht, ob es wirklich der entsprechende Umgang mit dem Parlament ist, wenn hier, meine Damen und Herren ... (Abg. Ing. Langthaler: Das sagen gerade Sie!) Ja, das sagen gerade wir, weil Sie sich dort, wo es wirklich um das Parlament geht, verschweigen und sich auf Nebenfronten zurückziehen, wo es wirklich nicht um die Demokratie geht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt stellt sich eben wirklich die Frage, ob das Parlamentarismus ist, ob das eine demokratische Einstellung ist, die Sie haben. Ich bekämpfe und kritisiere das, aber es kann ja auch nicht im Interesse der Regierungsparteien sein, daß den Leuten Beitragsvorschreibungen zu einem Zeitpunkt gemacht werden, zu dem die Gesetze, die die Beitragserhöhungen verfügen, noch überhaupt nicht in Kraft sind, ja noch nicht einmal das Procedere abgelaufen ist. Es ist also so, daß die Verwaltung, die Sozialversicherung bereits vorige Woche die Belastungsvorschreibungen ausgeschickt hat, weil sie es gar nicht mehr erwarten konnte, das Geld zu kassieren.

Das ist eine echte Verwahrlosung des Rechtsstaates. Das ist wirklich ein Bruch mit den Traditionen der Verfassung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das wollten wir am Schluß auch hier einmahnen. Denn wenn Herr Kollege Nowotny vor einigen Tagen hier heraußen gesagt hat, die Freiheitlichen wollen das Parlament zerstören (Abg. Dr. Nowotny: Das stimmt auch!), dann kann ich nur sagen, Herr Kollege Nowotny: Mit solchen Akten wird das Parlament zerstört, indem man uns alle zu Marionetten stempelt und Gesetze bereits vollzogen werden, bevor sie überhaupt im Haus beschlossen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt eine zweite Wortmeldung des Abgeordneten Wabl vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.47

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich habe heute ein kleines erfreuliches Ergebnis zu vermelden, das mir gerade vor einer Viertelstunde von ÖVP- und SPÖ-Abgeordneten übermittelt wurde: Es ist ein Antrag auf Produktdeklaration.

Herr Abgeordneter Schwarzenberger, ich nehme an, daran haben Sie fleißig mitgearbeitet. Es geht um einen Entschließungsantrag, wonach aufgrund der Katastrophen in Großbritannien in Österreich jetzt endlich eine lesbare, nachvollziehbare Produktdeklaration eingeführt werden soll. Der Landwirtschaftsminister wird von SPÖ und ÖVP gemeinsam aufgefordert, im Ministerium ein diesbezügliches Konzept zu erarbeiten.

Ich möchte die Kollegen Schwarzenberger, Schwarzböck und andere in der ÖVP, die monatelang die Anträge der Grünen nicht verhandelt haben, nur daran erinnern, daß es im Landwirtschaftsministerium bereits eine Gruppe gibt, die daran arbeitet. Ich wundere mich, warum Sie jetzt ersuchen, daß etwas erarbeitet werden soll, obwohl das schon längst geschieht. Ich bin etwas überrascht, aber das macht nichts.

Ich bin jedenfalls sehr froh über Ihren Antrag. Es hat – zugegebenermaßen – etwas länger gedauert, aber es ist gut, daß das jetzt endlich kommen soll. Wir von der grünen Fraktion werden natürlich mit Freuden diesem Antrag zustimmen, auch wenn unser eigener Antrag jahrelang ignoriert wurde und im Unterausschuß verkommen ist, weil der Vorsitzende dafür keine Sitzung einberufen konnte oder wollte.

Meine Damen und Herren! Einen Satz noch zu den Ausführungen des Kollegen Barmüller. Herr Kollege Barmüller, im Zusammenhang mit der Ökosteuer ist mir schon klar, daß Sie das erfunden haben. Darüber wollen wir nicht streiten. Aber im Zusammenhang mit den steirischen Aktivitäten hinsichtlich Wasserabgabe und Problemen in der Steiermark sollten Sie sich besser informieren oder besser absprechen.


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17. Sitzung / Seite 592

Die Liberalen im steirischen Landtag haben dagegen gestimmt. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was die Grünen dort gemacht haben: Sie sind massiv aufgetreten gegen diese Form des Gesetzes. Aber, Herr Abgeordneter Barmüller, Sie und Ihre Fraktion in Graz sollten sich irgendwann einmal entscheiden, was Sie wirklich wollen. – Sie haben Probleme gehabt bezüglich der Ennstrasse: Sie waren dagegen, Keshmiri und Brünner sind dafür. Im Zusammenhang mit der Parteienfinanzierung war Brünner zuerst dagegen, dann hat er aus dem vollen geschöpft. Bei der Wasserabgabe waren Sie zuerst dafür, jetzt sind Sie grenzenlos dagegen. Jetzt kämpfen Sie sogar dafür beim Obersten Gerichtshof. Das ist Ihr gutes Recht, aber ich erwarte mir, daß es irgendwann einmal doch eine Konsolidierungsphase in der liberalen Partei gibt, in der die Partner untereinander ein bißchen Informationen austauschen, Herr Barmüller! (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller .)

Das ist etwas schwierig bei Ihnen, ich weiß schon, weil diese Partner aus unterschiedlichen soziologischen Gruppen und gesellschaftlichen Bereichen kommen, aber es wird schon noch werden! Moser kommt jetzt wieder zurück und wird Frau Schmidt erzählen, wie das mit dem Nachfolgeprojekt Draken ist. Das wird sicher noch funktionieren: Die eine Hälfte kommt aus den Parteienfinanzierungen, die Brünner eingestreift hat, und die andere Hälfte werden die Freiheitlichen zusteuern.

Meine Damen und Herren! Es kommt noch eine wunderschöne Debatte zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf uns zu. Ich halte Sie also nicht mehr auf – falls die Liberalen oder andere wildgewordene Oppositionsparteien glauben, die Grünen hier rügen zu müssen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Firlinger: Deine Witze waren auch schon besser!)

14.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

14.52

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Das Strukturanpassungsgesetz 1996 war der eine Teil der parlamentarischen Maßnahmen, die wir vorige Woche abgehandelt und beschlossen haben; das Budget für die Jahre 1996 und 1997 ist der zweite Teil, der heute zur Abstimmung ansteht.

Herr Abgeordneter Dr. Haider hat heute hier festgestellt, daß die Sozialversicherungen eigentlich bereits in vorauseilendem Gehorsam tätig sind und Maßnahmen setzen, die den Bürger in höchstem Maße verunsichern und von denen er glaubt, daß das Parlament damit ausgeschaltet sei oder daß der parlamentarischen Entscheidung bereits vorgegriffen werde.

Ich habe mir diese Information angesehen und kann Ihnen dazu folgendes mitteilen: Es handelt sich im gegenständlichen Fall um eine Information aufgrund zu beschließender Gesetze, die demnächst – nach Beschlußfassung – auch in Kraft treten. (Abg. Dr. Haider: Das steht aber nicht in der Information!) Einen kleinen Moment bitte! Hier steht: "Information"!

Zum zweiten steht hier: Die Regierung hat eine Erhöhung beschlossen. – Gemeint war der Beschluß der Regierung zur Regierungsvorlage, die dem Parlament zugeleitet wurde. Der Zahlschein, Herr Dr. Haider – und man kann das ganz emotionslos und klar sagen –, der beigelegt wurde, bezieht sich noch auf die alte Beitragsregelung, auf den Beitragsatz mit 12,5 Prozent, weil die Quartalsbeiträge im nachhinein einkassiert beziehungsweise eingefordert werden. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Herr Dr. Haider! Ein System hat eben gewisse Ordnungsläufe, und die kann man wohl nicht so leichtfertig anzweifeln. Es braucht hier schon eine klare gesetzliche Vorgabe, die im GSVG genauso geregelt ist wie im ASVG und im BSVG. Ich glaube, daß man diese Dinge richtig darstellen sollte.

Der Grund der Anhebung des Beitragsatzes von 12,5 auf 13,5 Prozent sowohl im GSVG als auch im BSVG ist darin zu sehen, daß der Eigenfinanzierungsgrad in beiden Systemen angehoben werden mußte, um einen Beitrag zur Budgetkonsolidierung zu leisten.


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17. Sitzung / Seite 593

Ich bitte darum, daß dieser Sachverhalt auch so gesehen wird, damit die Richtigkeit dargestellt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

14.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ebenfalls eine zweite Wortmeldung kommt von Herrn Abgeordneten Dr. Kier. – Herr Abgeordneter, aufgrund der freiwilligen Vereinbarung einer Redezeitbeschränkung stehen Ihnen noch 3 Minuten zur Verfügung.

14.55

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Kollege Donabauer hat mir die einmalige Gelegenheit verschafft, hier noch einmal betonen zu können, daß das eben ein schlechter Umgang mit dem Parlament ist und ein schlechter Umgang mit unserer Verfassung. Ich hatte schon bei meiner ersten Wortmeldung Gelegenheit, auf einen vergleichbaren Fall hinzuweisen, wo nämlich das Finanzamt für Körperschaften Rundschreiben verfaßt hat mit einem Datum, das auch deutlich vor der Beschlußfassung in diesem Haus gelegen ist.

Herr Kollege Donabauer, es tröstet mich überhaupt nicht, wenn sich dieses Dokument auf einen Beschluß der Bundesregierung bezieht. Im Gegenteil: Das macht mir noch mehr Sorge, Herr Kollege Donabauer, weil die Bundesregierung kann beschließen, was sie für richtig hält, aber es hat keine gesetzgebende Wirkung.

Daher bitte ich Sie, Herr Kollege Donabauer, sich zu solchen Verteidigungsreden vielleicht etwas mehr zu überlegen. Sie haben damit eigentlich noch einmal bestätigt, daß der Vorwurf, den ich schon bei meinem ersten Debattenbeitrag erhoben habe – daß nämlich mit dem Gesetzgeber hier umgegangen wird, als ob er eigentlich nur mehr eine Verzierung wäre –, richtig ist.

Was mich allerdings außerdem noch dazu bewegt, hier kurz zu sprechen, ist Kollege Haider, der am Schluß einer Debatte, in der sich seine Fraktion – obwohl der nächste Tagesordnungspunkt eine Debatte über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sein wird – fast ausschließlich nur noch mit Fragen der Kurden, der PKK und der Verantwortlichkeit des Herrn Innenministers beschäftigt hat, plötzlich hier auftritt und uns erklären will, wie es sich mit seiner Redlichkeit dem Parlament gegenüber verhält.

Das ist für mich nicht akzeptabel! Es ist nicht akzeptabel, daß jemand, dessen Fraktion eine Stunde lang die Budgetdebatte dazu verwendet hat, politisches Kleingeld zu schlagen – obwohl am selben Tag, gleich anschließend, eine Debatte genau zu diesem Punkt stattfinden wird; aber offenbar mußte das mit Blickpunkt auf Redaktionsschluß und ähnliches vorverlegt werden –, der Obmann derselben Fraktion uns dann hier erklärt, daß er für den Parlamentarismus eintritt. Das halte ich für gelinde gesagt doppelbödig und nicht einmal mehr schade. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

14.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum zweiten Mal hat sich Herr Abgeordneter Mag. Stadler zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

14.57

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Spur, die die Liberalen bei den Sozialisten in die Regierungspartnerschaft innerhalb des sozialistischen Koalitionsbogens zu ziehen versuchen, ist wieder ein bißchen breiter geworden. Das ist nach diesen wirklich lächerlichen und aus der Sicht einer Oppositionspartei nicht mehr zu rechtfertigenden und auch nicht mehr zu verstehenden Ausführungen einfach deutlich geworden.

Meine Damen und Herren vom Liberalen Forum! Sie sind zu Recht der "Blinddarm" der SPÖ. – Das sage ich Ihnen als jemand, der derzeit Probleme mit dem Blinddarm hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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17. Sitzung / Seite 594

Meine Damen und Herren! Kollege Donabauer versucht uns als Mitglied des Verfassungsausschusses – das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen, Sie sind sogar, glaube ich, Obmann-Stellvertreter im Verfassungsausschuß – klarzumachen, daß dieser Wisch der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft in Ordnung sei. Da steht drinnen: "Die Regierung hat beschlossen". – Die Regierung beschließt also jetzt in Österreich schon Gesetze! Kollege Donabauer geht als Verfassungsrechtsexperte der ÖVP hier heraus und findet nichts daran, daß die Regierung Gesetze beschließt und wir hier nur mehr als die Marionetten der Regierung den Nachvollzug zu tätigen haben, meine Damen und Herren! – Das legt ja ein Denken offen, das einem Parlamentarismus geradezu Hohn spricht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Er geht hier heraus, im Wissen, daß Kollege Kier uns gestern in einem Anflug von einer Restportion an Mut einen Fall geschildert hat, wo das Finanzamt für Verkehrssteuern bereits Vorschreibungen tätigt, obwohl das Gesetz noch gar nicht in Kraft ist. Das weiß er. Heute rechtfertigt er die nächste Praxis der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft, nur weil er dort ein fettes Direktorengehalt hat, meine Damen und Herren! (Rufe: Bei den Bauern!) Bei den Bauern, Pardon! Die Sozialversicherungsanstalten sind sich in dieser Frage alle einig. Wahrscheinlich müßte man nur bei den Bauern nachfragen, um zu ähnlichen Vorschreibungen zu kommen. Und er findet nichts daran, daß man den Zahlschein beilegt.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Donabauer! Sie finden wahrscheinlich auch nichts dabei, daß – wie ich einem Lohnzettel eines Bundesbeamten entnehme – beim Monatsbezug April 1996 bereits die Einmalzahlung von 2 700 S dabei ist, obwohl das entsprechende Gesetz noch gar nicht in Kraft ist. Das ist unglaublich! Derzeit häufen sich die Fälle, an denen man sieht, wie diese Regierung das Parlament mißachtet, und das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine weitere Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Herr Berichterstatter, wünschen Sie ein Schlußwort? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt einige Abstimmungen durchzuführen, und ich bitte Sie um besondere Aufmerksamkeit.

Wir stimmen jetzt hinsichtlich der beiden Ausschußanträge betreffend die Bundesvoranschläge 1996 und 1997 getrennt ab.

Zunächst steht zur Abstimmung der Entwurf des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1996 samt Anlagen in 70 und Zu 70 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 96 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Ing. Gartlehner und Genossen Abänderungsanträge eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner hat der Abgeordnete Mag. Trattner getrennte Abstimmung verlangt.

Darüber hinaus haben die Abgeordneten Motter und Öllinger getrennte Abstimmung verlangt.

Ich werde zunächst über die erwähnten Abänderungsanträge sowie über jene Teile, hinsichtlich derer getrennte Abstimmung verlangt wurde, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Anlagen abstimmen lassen.

Zur Abstimmung stehen nun die Voranschlags-Ansätze 1/02107, 1/02207, 1/02400 und 1/02403 des Kapitels 02 der Anlage I Bundesgesetzgebung in der Fassung des Ausschußberichtes 96 der Beilagen.


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17. Sitzung / Seite 595

Ich bitte jene Damen und Herren, die hier zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über die restlichen Voranschlags-Ansätze des Kapitels 02 der Anlage I Bundesgesetzgebung in der Fassung des Ausschußberichtes 96 der Beilagen.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag wurde mit Mehrheit angenommen.

Ich bringe jetzt den Voranschlags-Ansatz 1/06000 des Kapitels 06 Rechnungshof in der Fassung des Ausschußberichtes 96 der Beilagen zur Abstimmung und bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist mit Mehrheit angenommen worden.

Zu Kapitel 10 Bundeskanzleramt mit Dienststellen liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Graf und Genossen vor.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag wurde abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Kapitel 10 des Bundesvoranschlages in der Fassung der Regierungsvorlage 70 der Beilagen abstimmen und ersuche jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieses Kapitel ist mehrheitlich angenommen worden.

Ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Ing. Gartlehner und Genossen bezieht sich auf die Änderung des Aufgabenbereiches beim Voranschlags-Ansatz 2/54854.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Abänderungsantrag ist mit Mehrheit angenommen worden.

Zur Abstimmung gelangen nun die Voranschlags-Ansätze 1/6311, 1/63116, 1/6315, 1/63156, 1/6317 und 1/63176 des Kapitels 63 Handel, Gewerbe, Industrie, Fremdenverkehr in der Fassung des Ausschußberichtes 96 der Beilagen.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Anlage I Bundesvoranschlag 1996 einschließlich Gesamtübersichten (Anlagen 1a bis 1c) – unter Berücksichtigung der vorhin angenommenen Abänderung –, ferner den Konjunkturausgleichs-Voranschlag (Anlage II) samt dessen summarischer Aufgliederung (Anlage IIa) sowie die Anlagen III – Stellenplan, IV – Fahrzeugplan und V – Plan für Datenverarbeitungsanlagen – jeweils in 70 und Zu 70 der Beilagen unter Berücksichtigung der sich aus dem Ausschußbericht 96 der Beilagen ergebenden Änderungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dieser Teil des Bundesvoranschlages ist mit Mehrheit angenommen worden.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Text des Bundesfinanzgesetzes 1996 in der Fassung des Ausschußberichtes 96 der Beilagen.

Die Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Ing. Gartlehner und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel III Abs. 2 eingebracht.

Ich lasse über Artikel III Abs. 2 unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Mühlbachler, Ing. Gartlehner und Genossen abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Artikel III Abs. 2 ist unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages mehrheitlich angenommen worden.


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17. Sitzung / Seite 596

Zur Abstimmung stehen schließlich die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Textes des Bundesfinanzgesetzes samt Titel und Eingang in 70 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 96 der Beilagen.

Wer hier zustimmt, möge das durch ein entsprechendes Zeichen kundtun. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Damit ist die zweite Lesung über das Bundesfinanzgesetz 1996 samt Anlagen beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Gesetzentwurf auch in dritter Lesung stimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Damit ist das Budget für das Jahr 1996 verabschiedet.

Wir kommen nun zur Abstimmung über einen Entschließungsantrag, der unmittelbar mit diesem Budget zusammenhängt, und zwar lasse ich nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Auer, Gradwohl und Genossen betreffend Vorschlag eines neuen Systems zur Kennzeichnung von Fleisch und Fleischprodukten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Dieser Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen worden. (E 10.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entwurf des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 1997 samt Anlagen in 71 und Zu 71 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 97 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Ing. Gartlehner und Genossen Abänderungsanträge eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner hat der Abgeordnete Mag. Trattner getrennte Abstimmung verlangt.

Darüber hinaus haben die Abgeordneten Motter und Öllinger getrennte Abstimmung verlangt.

Ich werde zunächst über die erwähnten Abänderungsanträge sowie über jene Teile, hinsichtlich derer getrennte Abstimmung verlangt wurde, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Anlagen abstimmen lassen.

Zur Abstimmung stehen nun die Voranschlags-Ansätze 1/02107, 1/02207, 1/02400 und 1/02403 des Kapitels 02 der Anlage I Bundesgesetzgebung in der Fassung des Ausschußberichtes 97 der Beilagen.

Wer hier zustimmt, der möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Diese Ansätze sind einstimmig beschlossen worden.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über die restlichen Voranschlags-Ansätze des Kapitels 02 der Anlage I Bundesgesetzgebung in der Fassung des Ausschußberichtes 97 der Beilagen.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Teil ist mit Mehrheit angenommen worden.

Ich bringe jetzt den Voranschlags-Ansatz 1/06000 des Kapitels 06 Rechnungshof in der Fassung des Ausschußberichtes 97 der Beilagen zur Abstimmung und bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Voranschlags-Ansatz ist mehrheitlich angenommen worden.


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17. Sitzung / Seite 597

Zu Kapitel 10 Bundeskanzleramt mit Dienststellen liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Graf und Genossen vor.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über Kapitel 10 des Bundesvoranschlages in der Fassung der Regierungsvorlage 71 der Beilagen abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Kapitel 10 des Bundesvoranschlages in der Fassung der Regierungsvorlage ist mehrheitlich angenommen worden.

Ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Ing. Gartlehner und Genossen bezieht sich auf die Änderung des Aufgabenbereiches beim Voranschlags-Ansatz 2/54854.

Wer hier zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Der Abänderungsantrag ist mehrheitlich angenommen worden.

Zur Abstimmung gelangen nun die Voranschlags-Ansätze 1/6311, 1/63116, 1/6315, 1/63156, 1/6317 und 1/63176 des Kapitels 63 Handel, Gewerbe, Industrie und Fremdenverkehr in der Fassung des Ausschußberichtes 97 der Beilagen.

Wer hier zustimmt, möge das durch ein entsprechendes Zeichen kundtun. – Das ist die Mehrheit. Die genannten Voranschlags-Ansätze sind mit Mehrheit angenommen worden.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Anlage I Bundesvoranschlag 1997 einschließlich Gesamtübersichten (Anlagen Ia bis Ic) – unter Berücksichtigung der vorhin angenommenen Abänderung –, ferner den Konjunkturausgleich-Voranschlag (Anlage II) samt dessen summarischer Aufgliederung (Anlage IIa) sowie die Anlagen III – Stellenplan, IV – Fahrzeugplan und V – Plan für Datenverarbeitungsanlagen – jeweils in 71 und Zu 71 der Beilagen unter Berücksichtigung der sich aus dem Ausschußbericht in 97 der Beilagen ergebenden Änderungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen Teilen des Bundesvoranschlages ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Diese Teile sind mit Mehrheit angenommen worden.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Text des Bundesfinanzgesetzes 1997 in der Fassung des Ausschußberichtes 97 der Beilagen.

Die Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Ing. Gartlehner und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel III Abs. 2, Artikel VII Ziffer 12 und 13 sowie Artikel X Abs. 1 Ziffer 2 eingebracht.

Ich lasse über Artikel III Abs. 2, Artikel VII Ziffer 12 und 13 sowie Artikel X Abs. 1 Ziffer 2 unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Ing. Gartlehner und Genossen abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Die erwähnten Teile sind unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages mehrheitlich angenommen worden.

Zur Abstimmung steht nun Artikel V Abs. 1 Ziffer 24 in der Fassung des Ausschußberichtes, und ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist mit Mehrheit angenommen worden.

Ich lasse nun über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Textes des Bundesfinanzgesetzes samt Titel und Eingang in 71 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 97 der Beilagen abstimmen.

Wer hier zustimmt, möge das durch ein entsprechendes Zeichen kundtun. – Das ist die Mehrheit. Auch diese Teile des Voranschlages sind mit Mehrheit angenommen worden.

Damit ist die zweite Lesung über das Bundesfinanzgesetz 1997 samt Anlagen beendet.


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17. Sitzung / Seite 598

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen worden.

Damit ist auch das Budget für das Jahr 1997 verabschiedet.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen betreffend die besondere Förderung der Volksgruppen im "Milleniumsjahr".

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Genossen betreffend die Erhöhung des Landesverteidigungsbudgets in der XX. Gesetzgebungsperiode auf vergleichbares europäisches Niveau.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, der möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist nicht angenommen worden.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Zweytick, Leikam, Mag. Schweitzer, Mag. Barmüller, Wabl und Genossen betreffend die Kernkraftwerke an Österreichs Grenzen.

Wer hier zustimmt, der möge dies durch ein Zeichen bekunden. – Dieser Antrag ist einstimmig angenommen worden. (E 9.)

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Schöggl und Genossen betreffend die Sicherstellung der Zuführung von Privatisierungserlösen an die Forschungs- und Technologieförderung.

Wer diesem Antrag zustimmt, der möge das durch ein Zeichen kundtun. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist nicht angenommen worden.

Ich lasse jetzt über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Genossen betreffend die Novellierung des 2. Verstaatlichungsgesetzes abstimmen.

Wer dafür ist, der möge dies durch ein Zeichen bekunden. – Auch das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist nicht angenommen worden.

Zur Abstimmung steht der Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen betreffend die Verhinderung der Doppelmaut infolge der Einführung des "Mautpickerls".

Wer für diesen Antrag ist, der möge das durch ein Zeichen kundtun. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen betreffend die Verhinderung der Maut auf Stadtautobahnen.

Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, der möge dies durch ein Zeichen bekunden. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Preisinger und Genossen betreffend Mautpickerl für Fahrzeuge mit Wechselkennzeichen.

Wer dafür ist, der möge dies zum Ausdruck bringen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen betreffend grünes Licht für Gruppenpraxen und Erwerbsgesellschaften für Angehörige von Gesundheitsberufen.


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17. Sitzung / Seite 599

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, der möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Povysil und Genossen betreffend LKF-Anwendung auch auf Tageskliniken und Sanatorien.

Wer hier zustimmt, der möge dies durch ein Zeichen bekunden. – Das ist die Minderheit. Der Antrag hat keine Zustimmung gefunden.

Zur Abstimmung steht der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Povysil und Genossen betreffend Gesundheitsvorsorge als vordringliches Anliegen der Gesundheitspolitik des Bundes.

Wer diesem Antrag zustimmt, der möge das durch ein Zeichen kundtun. – Das ist die Minderheit . Dieser Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen betreffend das Fleischuntersuchungsgesetz 1982.

Wer für diesen Antrag ist, der möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt .

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen betreffend Suchtgiftprävention.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, der möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt .

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen betreffend Konsumentenschutz anhand von Heilpraktikerschulen.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt .

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen betreffend Einführung von verbindlichen Herkunftsbezeichnungen für Fleisch und Fleischprodukte.

Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, der möge das durch ein entsprechendes Zeichen kundtun. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt .

Ich lasse jetzt abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen betreffend Einführung von Kontroll- und Qualitätssicherungsmaßnahmen im Rahmen der LKF.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt worden.

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen betreffend Gefährdung von Bundesinteressen durch den Gesetzesbeschluß des Steiermärkischen Landtages über ein Naturnutzungsabgabegesetz.

Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, der möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Das ist die Minderheit . Der Entschließungsantrag ist abgelehnt .

Als letzten Entschließungsantrag in diesem Zusammenhang lasse ich abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wenitsch und Genossen betreffend EU-Preisausgleich für österreichische Rinderbauern.

Wer dafür eintritt, der möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Dieser Entschließungsantrag hat nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


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17. Sitzung / Seite 600

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres im Zusammenhang mit Maßnahmen gegen die PKK sowie zweitens die Untersuchung des Bombenterrors.

Dieser Antrag ist inzwischen an alle Abgeordneten verteilt worden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR zur näheren Untersuchung der Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres im Zusammenhang

1. mit der Unterlassung sicherheitsbehördlicher Maßnahmen gegen die kommunistische kurdische Arbeiterpartei PKK und ihre Teil- und Unterorganisationen sowie

2. mit der Untersuchung des Bombenterrors in Österreich, insbesondere der Briefbombenserien sowie den Terroranschlägen von Klagenfurt, Oberwart, Stinatz und Ebergassing.

Der Bombenterror hat in den letzten Jahren auch Österreich nicht verschont und auch hierzulande blutige Spuren gezogen. Um so mehr gilt es, die sicherheitsbehördlichen Ermittlungen in jeder Weise zu unterstützen. Durch den gegenwärtigen Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem werden diese Ermittlungen jedoch nicht nur nicht unterstützt, sondern sogar behindert:

Der Oberste Gerichtshof hat mit Urteil vom 18. Oktober 1994, 11 Os 112, 114/94-14 bestätigt, daß es sich bei der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die aufgrund ihrer terroristischen Aktivitäten in zahlreichen anderen europäischen Staaten verboten ist, sowie deren Teil- und Unterorganisationen um kriminelle Organisationen im Sinne des § 278a StGB handelt. Anläßlich der Eröffnung eines Büros der Nationalen Kurdischen Befreiungsfront (ERNK), einer Unterorganisation der PKK, haben die zuständigen Beamten des Innenministeriums den Bundesminister darauf hingewiesen, daß die Sicherheitsbehörden aufgrund des genannten Urteils zu Ermittlungen und Anzeigen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation verpflichtet seien. Am 21. April 1995 wurde vom Bundesminister entschieden, daß keine Konsequenzen zu ziehen seien. Erst dann, wenn es wieder zu weiteren Anschlägen komme, solle ermittelt werden. Die Staatsanwaltschaft Wien hat diese ungeheuerliche Entscheidung, die den Import des Terrors begünstigt, zum Anlaß genommen, wegen des Verdachts der Erteilung einer rechtswidrigen Weisung gegen den Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem Vorerhebungen wegen Amtsmißbrauch gemäß § 302 StGB einzuleiten.

Die von den Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Bombenterror der letzten Jahre, insbesondere den Briefbombenserien, sowie den Terroranschlägen von Klagenfurt, Oberwart, Stinatz und Ebergassing durchgeführten Ermittlungen haben nur im letztgenannten Fall zu greifbaren Ergebnissen bezüglich der Täterschaft geführt. Angesichts der – nicht nur durch den sogenannten Briefbomben-Prozeß – bisher bekannt gewordenen Äußerungen des verantwortlichen Bundesministers und anderer hoher Sicherheitsfunktionäre (zum Beispiel des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit Dr. Sika) entsteht der Eindruck, daß die Ermittlungstätigkeit der Sicherheitsorgane durch politische Einflußnahmen massiv behindert und ideologisch intendiert wurde. Es liegt auf der Hand, daß dies neben anderen Gründen, wie etwa mangelhafter Logistik und Ausrüstung, ein weiterer wesentlicher Grund für die bisherige Erfolglosigkeit der Ermittlungstätigkeit sein könnte.

Es stellt sich die Frage, ob vom gegenwärtigen Bundesminister für Inneres, dessen Sympathien zu gewaltbereiten linksanarchistischen Kreisen nicht nur durch die mehrmaligen "TATblatt"-Spenden offenkundig geworden sind, eine unvoreingenommene und dem Rechtsstaat verpflichtete rechtmäßige und erfolgreiche Amtsführung im sensiblen Sicherheitsbereich überhaupt


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17. Sitzung / Seite 601

erwartet werden kann oder ob er nicht vielmehr als Sicherheitsrisiko ersten Ranges einzustufen ist.

Wie sich in der Vergangenheit, zum Beispiel bei den Untersuchungsausschüssen zu den Fällen Lucona oder Noricum, gezeigt hat, ist es geboten, im Rahmen von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen nicht nur die rechtliche, sondern vor allem die politische Verantwortlichkeit des Ressortleiters zu klären, und zwar ungeachtet der gleichzeitigen Tätigkeit der Justizorgane insbesondere auch der unabhängigen Gerichte.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle gemäß § 33 Abs. 1 GOG-NR beschließen:

"Zur Untersuchung

1. der politischen und rechtlichen Verantwortung des Bundesministers für Inneres betreffend unterbliebener, unsachgemäßer und verfehlter sicherheitsbehördlicher Maßnahmen gegen die kurdische kommunistische Arbeiterpartei PKK und ihre Teil- und Unterorganisationen, und

2. der politischen und rechtlichen Verantwortung des Bundesministers für Inneres betreffend unterbliebener, unsachgemäßer und verfehlter Ermittlungsschritte im Zusammenhang mit der Aufklärung des Bombenterros in Österreich, insbesondere der Briefbombenserien sowie der Terroranschläge von Klagenfurt, Oberwart, Stinatz und Ebergassing

wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der aus insgesamt 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ : 5 ÖVP : 4 FPÖ : 1 LIF : 1 Grüne besteht."

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen gemäß § 33 Abs. 2 GOG die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gehen in die Debatte ein.

Im Sinne des § 59 Abs. 3 der Geschäftsordnung beschränke ich die Redezeit in dieser Debatte auf 5 Minuten.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Ederer. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.

15.21

Abgeordnete Mag. Brigitte Ederer (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Ich bin der festen Überzeugung, daß Politik von unterschiedlichen politischen Positionen gekennzeichnet ist. Ich glaube auch, daß es richtig ist, daß man diese inhaltlich unterschiedlichen Positionen immer wieder in Auseinandersetzungen austrägt. Ich bin auch der Meinung, daß es durchaus harte politische Auseinandersetzungen sein sollen, weil das Teil der Politik ist. Wogegen ich mich aber stelle, ist eine Vorgangsweise, bei der nicht mehr das inhaltliche Anliegen im Vordergrund steht, sondern persönliche Angriffe, wobei es letztendlich darum geht, einen Politiker oder eine Politikerin schlechtzumachen. Ich glaube, daß das aus mehreren Gründen falsch ist.

Der erste Grund ist, daß alle Politiker – auch die Bundesregierung, die Landesregierungen, die Landtage – eines gemeinsam haben, nämlich das Berufsbild des Politikers. Und wenn einer oder eine hier immer wieder abgeurteilt wird, dann trifft uns das alle. Das Berufsbild des Politikers wird in Frage gestellt, und letztendlich haben die Menschen in diesem Lande dann das Gefühl, die sind alle gleich, mit denen ist nicht sehr viel anzufangen. Das heißt, es ist dies zum einen eine Untergrabung des demokratischen Systems, und zum anderen auch eine sehr persönliche und psychologische Frage.


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17. Sitzung / Seite 602

Politiker sind im Gegensatz zu anderen Menschen in diesem Land einer öffentlichen Beurteilung ausgesetzt. Das heißt, wenn wir hier etwas falsch machen oder wenn ein Minister etwas falsch macht, dann haben wir nicht die Chance, daß das Versagen in einem kleinen Kreis bleibt, daß es nicht an die Öffentlichkeit kommt. Im Gegenteil: Als Politiker oder als Politikerin findet man seine Beurteilung in jeder Zeitung. Jede und jeder in Österreich bekommt diese Beurteilung mit, und das ist oft ein sehr persönliches Problem und geht tief in die persönlichen und psychischen Bereiche hinein.

Es hat in den letzten Jahren Menschen in der österreichischen Innenpolitik gegeben, die von den Medien und von einigen Politikern vorverurteilt wurden. Ich glaube, sie haben eine sehr hohe Rechnung bezahlt, und man sollte hier sehr vorsichtig sein. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es liegt nun ein Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vor. Ein Untersuchungsausschuß ist dazu da, daß man die politische Verantwortung klärt, nicht nur die rechtliche, sondern auch die politische. Ich habe aber den Eindruck, daß die Antragsteller keine Aufklärung über die politische Verantwortung brauchen, weil sie längst ihre Schlüsse über den österreichischen Innenminister gezogen haben. Ich möchte Ihnen nur zwei Beispiele vorlesen.

Es sind dies zwei Zitate des Herrn Klubobmann Haider, in denen er sagt: "Einem ist kein Demokrat, daher ist es notwendig, einen anderen Innenminister zu bekommen."

Das zweite Zitat lautet: "Herr Minister Einem hat nicht mehr unser Vertrauen. Ich glaube, daß er in der Gefahr steht, eine Kumpanei mit den linken Terroristen einzugehen." – Das ist klassische Vorverurteilung, das ist eine klassische Verurteilung einer Person, ohne irgendwelche Beweise zu haben. Und genau so sollte man in der österreichischen Innenpolitik nicht vorgehen. Ein Untersuchungsausschuß würde von den Antragstellern, sehr geehrte Damen und Herren, nicht dazu verwendet werden, um inhaltliche Positionen zu klären, um letztendlich auch die politische Verantwortung zu klären, sondern er würde als Plattform verwendet werden, um mit den politischen Beschuldigungen weiter fortsetzen zu können. Und das werden wir nicht zulassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch folgendes sagen. Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, daß es den Antragstellern gar nicht um die PKK geht – ich gehe in erster Linie von Klubobmann Haider aus –, sondern es geht darum, daß man zum ersten keinen Innenminister will, der einmal Bewährungshelfer war, weil das nicht in das System paßt. Ein Mensch, der selbst sagt, dem Innenminister gehört eine g’sunde Watsch’n, der hat mit einem Bewährungshelfer, der ganz andere Formen der Konfliktbewältigung vorsieht, überhaupt nichts zu tun und will ihn auch nicht als Innenminister. Das ist das erste. (Beifall bei der SPÖ.)

Das zweite: Es ist auch ein Ablenkungsmanöver. Ein Mensch, der sagt, rote und schwarze Filzläuse sollten mit Blausäure bekämpft werden, der nicht davon spricht, daß die braune Brut eine Gefahr ist, sondern das rote Gesindel – er meint uns, liebe Kollegen – und der letztendlich bei Waffen-SS-Treffen teilnimmt, der braucht ein Ablenkungsmanöver, nämlich daß es linke Terroristen in dem Land gibt, denn dann ist er hoffähig und möglicherweise auch in der Lage, in irgendeine Regierung einzutreten. (Abg. Dr. Krüger: Bestreiten Sie, daß es linke Terroristen gibt?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, die Redezeit beachten!

Abgeordnete Mag. Brigitte Ederer (fortsetzend): Ihnen geht es nicht um die PKK (Abg. Mag. Stadler: Schlußsatz!), Ihnen geht es um ein Ablenkungsmanöver mit hohen persönlichen Kosten. (Beifall bei der SPÖ.)

15.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Sie hat das Wort.


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17. Sitzung / Seite 603

15.27

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ausführungen der Frau Ederer hier haben mich eigentlich überhaupt nicht überrascht, denn ich kenne ja den chronischen Unwillen von SPÖ und ÖVP, wenn es darum geht, einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu behandeln.

Schon der Noricum-Ausschuß und der Lucona-Untersuchungsausschuß sind nur gegen den größten Widerstand von SPÖ und ÖVP zustande gekommen. Siebenmal haben wir einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt, und dann ist – zugegebenermaßen mit Hilfe der Grünen – aufgrund eines ganz eklatanten Wahlmißerfolges endlich einmal dieser Ausschuß eingesetzt worden. Wir wissen ja, daß Sie mauern, und ich sehe schon ein, daß die Sozialisten in diesem Fall ganz besonders daran interessiert sind, daß kein Untersuchungsausschuß eingesetzt wird, im Rahmen dessen Innenminister Einem beziehungsweise seine Handlungsweise überprüft wird.

Aber Sie von der Österreichischen Volkspartei sollten jetzt einmal doch zeigen, daß Sie nicht dieser falsch verstandenen Koalitionstreue unterliegen, sondern Sie sollen einmal das untersuchen, was Herr Abgeordneter Kiss schon im Wahlkampf gesagt hat. Er hat gesagt, daß der Herr Innenminister eine rechtswidrige Weisung gegeben hat, als es um die Untersuchung oder Nichtuntersuchung der PKK gegangen ist. Jetzt haben Sie die Gelegenheit, Herr Abgeordneter Kiss, zu untersuchen, ob diese Weisung rechtswidrig war oder nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Mag. Ederer! Sie haben schon recht, daß das Berufsbild des Politikers ungeheuer wichtig ist und daß in der Öffentlichkeit immer wieder diskutiert wird, wie ein Politiker handelt. Aber glauben Sie nicht, daß ein Politiker aufgrund dieses Vorwurfs, wie er Einem gemacht wird, in der Öffentlichkeit schon sehr schlecht dasteht? Glauben Sie nicht, daß es auch im Interesse der Politiker allgemein wäre, zu untersuchen: Warum ist eine Weisung erteilt worden? Welche Weisung hat es überhaupt gegeben? – Denn daß es eine gab, das haben wir schon aus einem Aktenvermerk gesehen, den Abgeordneter Haider präsentierte. Aber es wäre doch auch interessant zu überprüfen, warum der Innenminister geleugnet hat, daß er eine solche Weisung gab. Das muß doch uns Parlamentarier – egal, ob sie von einer Regierungsfraktion sind oder nicht – interessieren. Das Kontrollrecht ist doch eines der wichtigsten Rechte. Wir haben uns ohnehin schon alle anderen Rechte nehmen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Gesetzgebung macht ja in Wirklichkeit nicht mehr das Parlament, sondern die macht schon der Minister beziehungsweise die Regierung, wie wir jetzt wieder bei diesen ominösen Beschlüssen gesehen haben. Die Kontrollfunktion wird ja auch ununterbrochen mit derart dubiosen Anfragebeantwortungen beschnitten. Ein letzter Rest dieser Kontrollfunktion ist ja noch ein Untersuchungsausschuß. Und da sind Sie regelmäßig diejenigen, die mauern, die sagen, nein, das wollen wir nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier geht es nicht um eine Sache, die vom Gericht überprüft werden muß, sondern hier geht es um die politische Verantwortung eines Ministers. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist nicht eine Frage der Gerichte, ob die Exekutive auf einem Auge blind ist und in der Sache Briefbombenterror nur nach rechts und nicht auch nach links ermittelt hat. Das hat ein Gericht nicht zu klären, sondern das haben die politisch Verantwortlichen zu klären. Und dafür ist der Untersuchungsausschuß die einzig richtige Art!

Frau Abgeordnete Ederer! Noch einmal zu Ihnen: Sie haben in Ihrer Rede genau das gemacht, was Sie uns vorhalten. Sie haben gesagt, wir würden diese Einsetzung des Untersuchungsausschusses nur als Ablenkungsmanöver verlangen. Sie haben gesagt, wir würden alles nur zu Lasten des Innenministers Einem auslegen. – Diese Vorverurteilung haben Sie vorgenommen! Und uns werfen Sie vor, daß wir immer Vorverurteilungen machen! – Also das finde ich wirklich merkwürdig, daß Sie genau das machen, was Sie uns vorwerfen. (Abg. Dr. Haider: Wie der Schelm ist, so denkt er!) – Das ist richtig!


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17. Sitzung / Seite 604

Ich bitte Sie, daß Sie diese Koalitionstreue aufgeben – ich spreche Sie von der Österreichischen Volkspartei an –, daß Sie einmal zeigen, daß wir nicht nur eine blinde Abstimmungsmaschine sind, sondern daß wir unabhängig sind, daß wir jene Abgeordneten sind, wie es in der Verfassung steht, die unabhängig sind von jedem Parteiauftrag und die auch ein Kontrollrecht haben und dieses Kontrollrecht auch einmal ausüben sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. Sie hat das Wort.

15.32

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Österreichische Volkspartei ist in der jahrzehntelangen Tradition ihrer Außenpolitik immer für Rechte von Minderheiten und für Minderheiten selbst, im Inland wie im Ausland, eingetreten. Und in dieser Tradition hat die Österreichische Volkspartei auch immer Anteil genommen am Schicksal des kurdischen Volkes.

Wir sind auch immer dafür eingetreten, den Dialog mit dem kurdischen Volk zu führen, und zwar mit all jenen Kräften, die auf demokratische und gewaltfreie Art ihre Rechte durchsetzen möchten. Die Österreichische Volkspartei hat sich aber immer distanziert von terroristischen Organisationen oder Organisationen, die versuchen, ihre Rechte mit verbrecherischen Mitteln durchzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Urteil des Obersten Gerichtshofes und eine damit im Zusammenhang stehende entsprechende Weisung des Innenministers sind in der Zwischenzeit Gegenstand einer Untersuchung des Staatsanwaltes und damit in der österreichischen Rechtssprechung verankert. (Abg. Dr. Haider: Nicht Rechtsprechung?) – Entschuldigung. Wir sind damit bei österreichischen Gerichten anhängig. Wir vertrauen auf die Unabhängigkeit der österreichischen Gerichte, und wir sind daher nicht der Meinung, daß eine entsprechende Vorverurteilung durch einen Untersuchungsausschuß dieses Urteil beeinflussen sollte. Wir werden daher diesem Antrag nicht zustimmen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Er hat das Wort.

15.34

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Khol, Klubobmann der ÖVP und auch oberster Hüter des "Verfassungsbogens", ist ein ehrenwerter Mann. Was er sagt, das hat Gewicht und muß auch ernstgenommen werden. Ich konnte beobachten, wie er mit roten Karten im Laufe dieser Woche seine Fraktion diszipliniert hat. Die Fraktion hat das getan, was er mit den roten Karten befohlen hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Vieles von dem, was er bis jetzt gesagt hat, hat auch Hand und Fuß; auch das, was er im Zusammenhang mit dem nun zur Diskussion stehenden Innenminister Einem gesagt hat, hat Hand und Fuß gehabt. Er hat nämlich von Einem gesagt – Pauli, zu dir komme ich gleich, etwas Geduld –, Einem ist eine Gefahr für dieses Land. – Das hat dieser ehrenwerte Mann Dr. Khol richtig erkannt. Und dieser ehrenwerte Dr. Khol hat gesagt: Wenn dieser Einem in einer Regierung sitzen sollte, so stehe ich für diese Regierung nicht zur Verfügung. – Gut. Dieser ehrenwerte Mann hat einmal gefehlt. Aber was soll’s, das kann passieren. Herr Kollege Khol! Heute haben Sie die Chance, Ihre Ehre wiederherzustellen. Sie stehen dafür mit Ihrer ÖVP nicht zur Verfügung, haben Sie gesagt, Herr Khol! (Abg. Parnigoni: Der Khol ist nicht in der Regierung! – Abg. Mag. Stadler: Das ist auf die ÖVP bezogen! – Abg. Dr. Khol: Ich bin nicht in der Regierung!)

Aber Herr Pauli Kiss, der es nicht erwarten kann, bis wir zu ihm kommen, hat am 14. Dezember 1995 eine Pressekonferenz gegeben mit dem Titel "Einem – ein Fall". Und dann beschrieb er unter dem Schlagwort "Faktum" folgendes: Der österreichische Innenminister als Hüter der österreichischen Rechtsordnung erteilt eine rechtswidrige Weisung, wonach – so Pauli Kiss! – Terroristen in Österreich von den Sicherheitsorganen nicht bekämpft werden dürfen. Und damit –


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17. Sitzung / Seite 605

so Pauli Kiss – stellt er einen Freibrief für alle terroristischen Aktivitäten der PKK in Österreich aus.

Er sagte weiters: Hier handelt es sich um eine kriminelle Organisation, und hier hat der Minister gegen die Rechtsgrundsätze in Österreich verstoßen, vor allem deshalb verstoßen, weil es – wie er dann in einer Anweisung vom 21. April 1995 entschieden hat – keine Konsequenzen zu ziehen gibt, erst dann, wenn es zu Anschlägen kommt, die auf dieses Büro zurückgeführt werden können. – Darüber hat sich der ehrenwerte Pauli Kiss in einer Pressekonferenz entsprechend mokiert.

Und Kiss hat Konsequenzen gefordert! Er hat gesagt: Aufgrund der Tatsache, daß der Innenminister nicht nur auf die Gesetze der Republik vereidigt ist, sondern auch in seiner Funktion einer der obersten Hüter der österreichischen Rechtsordnung ist – womit er recht hat –, ist der wissentliche Bruch der österreichischen Gesetze durch ihn nicht tolerierbar. – So der ehrenwerte Pauli Kiss, wie er hier steht. Und dann sagte er: Die einzig sinnvolle Lösung erscheint daher ein sofortiger Rücktritt dieses Herrn Minister Einem! – So der ehrenwerte Pauli Kiss. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun gut, wir wollen heute gar nicht den Rücktritt dieses Herrn Ministers Einem fordern, obwohl er längst fällig wäre und er von sich aus diesen Schritt setzen müßte, aber wir wollen die Vorgänge rund um diese Weisung untersuchen lassen. Und wir wollen den ehrenwerten ÖVPlern Kiss und Klubobmann Khol die Gelegenheit geben, ihre Ehre in der Form wiederherzustellen, daß Sie unserem Antrag zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Er hat das Wort. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.38

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Fragestellung, die wir beantworten müssen, um unser Stimmverhalten für den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu entscheiden, ist eine politische. Sie hat schon auch ein paar strafrechtliche Facetten, aber sie ist in erster Linie eine politische Fragestellung. Ich wende mich zuerst den strafrechtlichen Aspekten zu.

Es gibt eine Voruntersuchung. Daß darüber diskutiert wird, ist im übrigen ein Problem eigener Art, weil das Wesen der Voruntersuchung ist... (Abg. Dr. Fuhrmann: Es gibt keine Voruntersuchung! Das ist eine Vorerhebung!)

Es gibt Vorerhebungen. Ich bedanke mich herzlich, denn das ist ein wesentlicher Unterschied! Ich war kurz unkonzentriert.

Es gibt Vorerhebungen, und daß darüber diskutiert wird, ist eben ein Problem besonderer Art, denn es ist die unterste Ebene der Prüfung über die mögliche Einleitung eines tatsächlichen Strafverfahrens, allerdings bereits in einer Form, daß man es eben untersucht; üblicherweise sind Vorerhebungen daher kein Gegenstand öffentlicher Erörterungen.

Daß dieses Verfahrensstadium in diesem Fall zum Gegenstand öffentlicher Erörterungen gemacht wird, ist für sich genommen ein Zeichen einer gewissen Rechtsunkultur. Denn Sinn der Vorerhebungen ist es ja, Abklärungen zu treffen und dann eine Entscheidung zu finden, ob man weiter fortfährt oder nicht, ohne dabei die möglicherweise in der Folge nicht einmal in den Anklagestand versetzten Personen sofort öffentlich zu diskreditieren. Ich erwähne das nur.

Aber jedenfalls wissen wir jetzt, daß es das gibt. Daher steht die Frage, ob hier Rechtswidrigkeiten vorgelegen sind oder nicht, auf einer ganz bestimmten Ebene unseres Rechtsstaates in Erörterung, und das soll so sein. Das soll so sein, das wird seinen Gang nehmen. – Soweit der rechtliche Aspekt.


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17. Sitzung / Seite 606

Ein zweiter Aspekt ist das Urteil des Obersten Gerichtshofes. Wer das Urteil des Obersten Gerichtshofes genauer studiert hat, findet dort eigentlich nichts, was er nicht schon vorher gewußt hat. Ich muß das ganz deutlich sagen. Es sind nämlich dort im Rahmen eines Strafverfahrens und eben eines Rechtsmittels, das ergriffen wurde, vom Obersten Gerichtshof Sachverhalte im Gesamtzusammenhang mit Straftaten festgestellt worden, die eigentlich – so meine ich – jeder von uns ähnlich schon vorher gewußt haben muß. Denn daß es in der Türkei Terror gibt, und zwar zum Teil reziproken Terror, daß es aus kurdischen Kreisen in Deutschland Terroranschläge gibt, das wissen wir. Und daß es sich dabei um terroristische Vorgänge handelt, das wissen wir. Die Frage war in dem konkreten Fall nur anhand von konkreten Tathandlungen abzugrenzen, ob die Täter, die in dem Fall den Obersten Gerichtshof mit einem Rechtsmittel angerufen haben, unter diesen Täterkreis zu subsumieren sind oder nicht. Und diese Frage hat der Oberste Gerichtshof beantwortet – und sonst nichts.

Er hat keine politischen Feststellungen, die darüber hinaus gehen, getroffen. Das heißt, dieses Urteil ist natürlich ernst zu nehmen, aber es ist eigentlich überhaupt nichts Neues, denn daß es Terror gibt, der von Kurden ausgeübt wird, wissen wir. Wir sollten dabei allerdings nicht verschweigen, daß dieser Terror durch eine andere Form von Terror, nämlich die gröblichste Mißachtung von Menschenrechten in der Türkei, ausgelöst ist. (Beifall beim Liberalen Forum, bei Abgeordneten der SPÖ sowie bei den Grünen.)

Und das ist keine Aufrechnung, wenn ich das erwähne. Ich meine nur, man darf eben nicht einäugig sein.

Gerade die Antragsteller dieses Antrages, die gelegentlich anderen und ihren politischen Gegnern Einäugigkeit vorwerfen, liefern einen Beweis der eigenen Einäugigkeit, weil ihnen die Menschenrechte der Kurden in der Türkei offenbar nicht wichtig sind, sonst würden sie diesen Zusammenhang sehen. Aber es ist natürlich das eine keine Begründung und keine Legitimation für das andere. Das möchte ich auch festhalten.

Aber nun zur politischen Frage, damit ich zum Ende komme: Die politische Frage ist zu diskutieren. Es ist eine politische Linienfrage. Aber diese politische Linie ist auch nicht ganz neu. Diese hat nicht der jetzige Innenminister erfunden, sie hat in Österreich Tradition. Wir sollten das politisch diskutieren, aber nicht in der Form, daß wir ein Regierungsmitglied, das wir jetzt zufällig vorfinden, in einen Untersuchungsausschuß verwickeln, sondern daß wir diese Frage diskutieren und gemeinsam entscheiden und nicht kriminalisieren. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich weiß schon, daß die Kollegen von der FPÖ zu diesen Fragen deswegen ein gestörtes Verhältnis haben, weil für sie offenbar Politik und Kriminalität so eng beeinanderliegen, daß sie das manchmal nicht unterscheiden können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

15.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Er hat das Wort.

15.44

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Es war naturgemäß für uns Freiheitliche nicht überraschend, daß sich der liberale Abgeordnete Kier abermals als Pflichtverteidiger des Herrn Innenministers aufgespielt hat, nämlich ausgerechnet jener Abgeordneter, der immer wieder die Gesetze zitiert, Gesetzesauslegungen, Spitzfindigkeiten findet und der Verfassung das Wort redet. Das ist wirklich ein ganz eigenartiger Umgang. Ich glaube, Sie sind wirklich auf einem Auge blind, sehr geehrter Herr Kollege Kier! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kier: Das ist eine Sauerei! – Weitere Zwischenrufe beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Ich verstehe völlig, daß Sie sich darüber alterieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Überlegungen über Vorverurteilungen et cetera wurden bereits angesprochen. Ich pflichte der SPÖ bei, daß es im strafrechtlichen Sinn eine Vorverurteilung nicht gibt. Aber, Frau Zentralsekretärin Ederer, ebensowenig wie es im


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17. Sitzung / Seite 607

strafrechtlichen Sinn eine Vorverurteilung gibt, gibt es naturgemäß weder strafrechtlich noch politisch einen Vorweg-Persilschein. Und das ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren! Darum geht es. Diesen Vorweg-Persilschein wollen Sie dem Innenminister vorweg ausstellen, und die ÖVP macht sich zum willfährigen Gefährten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch eines, Herr Kollege Kier! Das sei Ihnen auch ins Stammbuch geschrieben. Es gibt doch zwei Ebenen, die hier zu untersuchen sind: Die eine Ebene ist die strafrechtliche Ebene, da geht es um die strafrechtliche Verantwortung. In einem Untersuchungsausschuß geht es um die politische Verantwortung. Und Sie als Jurist, Herr Kollege Kier, wissen das sehr wohl zu unterscheiden. Gerade aus diesem Umstand ist es so unerklärlich, daß Sie sich hier abermals mit unsachlichen Gründen zum Pflichtverteidiger des Herrn Innenministers aufspielen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Tatsache wurde heute bereits angesprochen, nämlich die unfaßbare Äußerung des Innenministers Einem in Linz. Einem sagte wortwörtlich heute, daß man eine politische Debatte auf "Bassena-Niveau" bringt, indem man zum Staatsanwalt rennt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Innenminister geht davon aus, daß die Staatsanwaltschaft einer Bassena gleichzusetzen ist. (Abg. Dr. Nowotny: Nein!) Er sagt es. Die Aussage, daß man eine politische Debatte auf "Bassena-Niveau" bringt, indem man zur Staatsanwaltschaft rennt, ist doch ganz eindeutig. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )

Sehen Sie, Herr Kollege Nowotny, das ist der springende Punkt: Herr Minister Einem fühlt sich einem Monarchen gleich, einem legibus solutis. Ich, Einem, stehe über den Gesetzen. (Abg. Mag. Stadler: Ich, "von Einem"!) Ich stehe über den Gesetzen. Mich interessiert das nicht. – Oder ist etwa diese unfaßbare Beleidigung der Staatsanwaltschaft und der Justiz, für die sich der Justizminister eigentlich schützend vor die Staatsanwälte stellen müßte, so zu interpretieren, daß Herr Minister Einem schon mit einer Verurteilung rechnet und daher vorweg gleich aus diesem Grund sagt, da geht es um ein "Bassena-Niveau" bei der Staatsanwaltschaft? – Das ist eine unglaubliche Entgleisung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es Ihnen um eine Wahrheitsfindung im politischen Sinn geht, wenn es Ihnen um eine vollständige Erfassung des Sachverhaltes geht – ja was steht denn dann einem Untersuchungsausschuß entgegen? Was ist denn ein Untersuchungsausschuß für ein furchtbares Gremium? – Es werden Zeugen befragt, es wird ein Sachverhalt ermittelt, und dann werden Schlußfolgerungen gezogen. Die Schlußfolgerungen können durchaus unterschiedlicher Natur sein.

Aber sich von vornherein dagegen auszusprechen, mit dem Hinweis – jetzt an die Adresse der Volkspartei gerichtet –, es ermittle ohnedies das Gericht, das ist zu billig, denn Sie wissen genau, daß das Gericht eine völlig andere Tatsachen- und Entscheidungsebene untersucht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, daß wir eine namentliche Abstimmung beantragt haben. Und ich bin sehr dankbar dafür, daß jeder einzelne ÖVP-Abgeordnete, der sich abermals aus sachwidrigen Motiven hinter Einem stellt, namentlich im Protokoll erfaßt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Sie hat das Wort.

15.49

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Der Enthusiasmus, der förmlich aus Ihrer Rede sprüht, und die Überzeugungskraft, die Sie an den Tag legen, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, zeigen, wie wichtig und wie ernst Ihnen das Ganze ist. Die Kür haben Sie schon hinter sich, diese haben Sie nämlich noch im Rahmen der Tagesordnung geliefert. Und das ist jetzt das lästige Pflichtprogramm, das Sie absolvieren. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )


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17. Sitzung / Seite 608

Es ist immer dasselbe: Es ist eine billige Komödie, die Sie liefern, die offensichtlich den Hintergrund hat, daß Sie fürchten, ihren Einfluß im Innenministerium zu verlieren, denn es ist bekannt, daß gegen mehrere Beamte ein Verfahren in diese Richtung läuft. (Abg. Mag. Stadler: Schottengasse!)

Sie haben Angst, daß Sie diesen Einfluß verlieren und daß Sie bei diesen Erhebungen nicht mehr mitmischen und mitmixen können. Dazu soll offensichtlich ein Untersuchungsausschuß dienen, der dann nichts anderes zur Folge hätte, als die eigentlichen Erhebungen zur Aufklärung der Attentate zu behindern. Das scheint dahinterzustehen.

Aber das Theater, das Sie hier machen, ist ja immer dasselbe. Schauen Sie sich die Protokolle der letzten Woche und dieser Woche an. Sie sind gespickt mit Zwischenrufen, die ungeheuerlich sind. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie stecken voll Vorurteilen!) In Ihren eigenen Wortmeldungen gibt es eine Mixtur von Anschuldigungen, von Diffamierungen und Verleumdungen gegen Personen, die nicht hier sind, die sich überhaupt nicht wehren können, Vorwürfe, die jeder Grundlage entbehren.

Wo immer solche Personen den Weg zum Gericht gefunden und die Mühe auf sich genommen haben, bis in die höchste Instanz zu gehen, haben Sie verloren. Immer wieder zeigt es sich, daß Sie eine Mischung aus Dichtung und Halbwahrheiten haben, die Sie präsentieren und die Sie versuchen, auf eine populistische Art und Weise auszunutzen. (Beifall bei den Grünen.). – Dazu ist Ihnen wirklich jedes Mittel recht.

Folgendes sei Ihnen auch noch gesagt – ich war ja vorige Woche bei dieser Sitzung nicht anwesend, weil ich auf einer parlamentarischen Dienstreise war –: Wenn Sie glauben, daß Sie erfolgreich sind, indem Sie versuchen, mich mit irgendwelchen Behauptungen, die nicht einmal nachvollziehbar sind, die mir nicht einmal erklärlich sind, in ein schräges Licht zu bringen oder in eine Optik zu bringen, die Ihrer Argumentation, Ihren Absichten folgen könnte, dann merken Sie sich: Sie sind auf dem Holzweg!

Da Sie hier offensichtlich permanent aus Verschlußakten zitieren, kann ich annehmen, daß Sie auch über meine Akten bei der Staatspolizei und beim Heeres-Abwehramt Bescheid wissen. Ich kann Ihnen sagen, Sie können ruhig weiter zitieren, denn das entbehrt jeder Verbindung und jeder Behauptung, die Sie in diesem Zusammenhang aufstellen. Ich kann Ihnen sagen, Sie sind komplett auf dem Holzweg.

Zitieren Sie ruhig weiter, aber suchen Sie sich dann wenigstens die richtigen Akten heraus! Stöbern Sie nicht in falschen Akten, und bringen Sie nicht andere unschuldige Personen in ein solches Licht, daß diese Personen sich nicht wehren und nie wieder rehabilitieren können. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist nicht nur unsauber und unlauter, sondern wie man sieht, sind damit auch nicht sehr viel mehr Stimmen zu lukrieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Er hat das Wort.

15.53

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zurück zu den nüchternen Fakten. Hier im Haus hat vor wenigen Stunden – es ist also noch gar nicht lange her – der Innenminister auf eine direkte Frage in dieser Richtung erklärt, daß er in dem in Rede stehenden Zusammenhang keine Weisung gegeben habe. Eine Viertelstunde später ist ihm aus einem Akt des Innenministeriums vorgelesen worden, daß er die Weisung gegeben hat und wie sie gelautet hat.

Es hat also der Innenminister hier im Parlament gegenüber den Abgeordneten und damit gegenüber der Öffentlichkeit nicht die Wahrheit gesagt, um es vornehm auszudrücken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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17. Sitzung / Seite 609

Faktum 2: Spitzenbeamte des Innenressorts haben sich nicht einmal, sondern mehrmals hilferufend und hilfesuchend an die Öffentlichkeit gewendet und unter anderem darauf hingewiesen, daß sie bei Terroranschlägen mit ihren Beamten nur in einer ganz bestimmten Richtung ermitteln haben dürfen.

Faktum 3: Von einer großen Serie von Sprengstoffanschlägen sind tatsächlich nur sechs oder sieben aufgeklärt worden, und diese auch nur deshalb, weil einer schiefgegangen ist, die Attentäter dabei den Tod gefunden haben und aus den Körpern der Getöteten die entsprechenden Erhebungsschlüsse abgeleitet werden konnten.

Alle anderen Anschläge, die Briefbombenattentate, Klagenfurt, Oberwart, Stinatz et cetera, sind nach langer Zeit unaufgeklärt – bis heute. Und es ist offen, ob das in Zusammenhang damit steht, daß, wie Spitzenbeamte – ich wiederhole es – behaupten, nur in einer ganz bestimmten Richtung ermittelt werden durfte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist unabhängig davon bei den Ermittlungen hinsichtlich dieser Anschläge angeblich zu Ungereimtheiten in größerer Zahl gekommen.

Soviel zu den Fakten. Es geht nicht um Wertungen, es geht nicht um das Drumherum – es geht um die Fakten. Der Innenminister hat hier im Parlament nicht die Wahrheit gesagt, das ist noch gar nicht lange her, wir haben es alle frisch in Erinnerung. Es sind Sprengstoffanschläge unaufgeklärt. Spitzenbeamte bedauern, daß das so ist, und sie stellen in den Raum, daß sie mit ihren Leuten nur in einer bestimmten Richtung ermitteln hätten dürfen.

Nun zu der Problematik gerichtliches Verfahren, denn ein Vorverfahren ist ein Verfahren; gerichtliches Verfahren auf der einen Seite und Untersuchungsausschuß auf der anderen: Das hat dieses Haus bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen noch nie gestört.

Ich erinnere nur an die Ausschüsse, die mir einfallen: AKH, WBO, NORICUM und "Lucona". Überall hat es parallel die gerichtlichen Verfahren und die Ausschußverfahren gegeben. Das ist auch ganz klar, es geht ja um unterschiedliche Arbeitsziele: Das Gericht ist dazu da, ein strafrechtlich relevantes Verhalten herauszuarbeiten und die Konsequenzen daraus zu ziehen. Der parlamentarische Untersuchungsausschuß hat den Auftrag, politische Verantwortlichkeiten und die zugrunde liegenden Sachverhalte festzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist immer so, meine Damen und Herren, daß dann, wenn es Anträge auf Einsetzung solcher Ausschüsse gibt, zunächst einmal Widerstand geleistet wird. Aber immer kommt letztendlich der Ausschuß. Je länger Widerstand geleistet wird, desto peinlicher wird es dann für die Betroffenen.

Ich erinnere mich, wie lange es beim AKH gedauert hat. Ich erinnere mich, wie schwierig es bei der WBO war, wie schwierig bei "Lucona", da war es am Schluß Gratz selbst, der den Ausschuß haben wollte. Jeder hat gefragt: Was will er jetzt? – Der Ausschuß hat ihn und noch einen anderen Minister hinweggerafft, und bei NORICUM war es nicht anders.

Ich sage Ihnen: Wenn der Minister nicht vorher erkrankt oder sich ein ähnliches diplomatisches Geschehen ereignen sollte, dann wird dieser Ausschuß kommen! Und er wird im Interesse aller – auch und nicht zuletzt des betroffenen Ministers – feststellen, was geschehen ist und feststellen, was für politische Verantwortlichkeiten es gibt, die von wem zu tragen sind. – Das wird kommen; und es wird im Interesse aller kommen. Und jene, die sich bemühen, zu mauern, werden umso schiefer im Licht dastehen, je länger es dauert, bis der Ausschuß eingesetzt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Ich erteile es ihm.

15.58

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich rufe in Erinnerung, um das Umfeld des Herrn Ministers Einem auszuleuchten, daß er in seinen


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17. Sitzung / Seite 610

Kommunen Waldhäusl und Friedersbach einen RAF-Mann untergebracht hat und diese Kommunen erst aufgelöst wurden, nachdem sich dort ein Drogenabhängiger, weil auch eine Drogenszene dort war, durch eine Selbstverbrennung getötet hat.

Ich rufe in Erinnerung, daß dieser Innenminister durch "TATblatt"-Spenden in die Schlagzeilen gekommen ist – für eine Druckmaschine und für Prozeßkosten, die das "TATblatt" aufzubringen hatte, weil es Prozesse, um eine der Vorrednerinnen zu falsifizieren, gegen die FPÖ verloren hat.

Ich rufe in Erinnerung, daß Herr Innenminister Caspar von Einem, der Herr Baron von Einem, in seiner Machtvollkommenheit, die er uns dieser Tage präsentiert, dadurch aufgefallen ist, daß er einen der getöteten Attentäter aus Ebergassing persönlich kannte und das drei Tage lang abgestritten hat, nämlich Herrn Thaler, mit dem er bereits in der Hausbesetzerszene Aegidi-/Spalowskygasse – darüber gibt es ein Video – aufgefallen ist und eine entsprechende Spendenabwicklung mit diesem Herrn getätigt hat.

Ich rufe in Erinnerung, daß dieser Minister sofort nach Bekanntwerden des Anschlages in Ebergassing zwar nicht wußte, daß es eine politische Zuordnung gibt – diese hat er drei Tage lang abgestritten –, aber er hat von vornherein jeden politischen Zusammenhang des Attentates in Ebergassing mit jenen in Oberwart, Stinatz und Klagenfurt abgestritten, obwohl bis dorthin nicht ein Funken eines Ermittlungsergebnisses auf dem Tisch gelegen ist, meine Damen und Herren! Ich frage mich, wieso?

Ich rufe in Erinnerung, daß dieser Innenminister unwahre Angaben in der Öffentlichkeit und hier im Haus über den Zeitpunkt des Abtauchens des gesuchten Attentäters Bassam al Taher gemacht hat.

Ich rufe in Erinnerung, daß dieser Mann als PKK-Patron für die ERNK und insbesondere über seinen Freund Prader bis hin zu einer Weisung gegangen ist, um diese Terrororganisation vor dem Zugriff der Polizei zu schützen.

Und ich rufe in Erinnerung, meine Damen und Herren, daß es vier Strafanzeigen gibt – vier Strafanzeigen! –: eine Anzeige des "Forum"-Herausgebers Oberschlick, der weiß Gott ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Sekunde, Kollege Stadler! Ich bitte die Herren auf der Galerie, sich jeglicher Einmischung in den Verlauf der Verhandlung zu enthalten und auch keinen Dialog zu führen. (Einige Männer auf dem Balkon beugen sich über die Brüstung und versuchen offensichtlich, die Aufmerksamkeit von ÖVP-Abgeordneten auf sich zu lenken; einer macht auch nach der Aufforderung des Präsidenten noch weiter.)

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Die haben das nicht kapiert, Herr Präsident! – Kriege ich wieder das Mikrophon?

Ich rufe in Erinnerung, daß es vier Strafanzeigen gibt: Oberschlick-Strafanzeige wegen der Organisation des "Herzeigetäters", eine Strafanzeige des Abgeordneten Kiss, die jetzt zur parlamentarischen Debatte geführt hat, und die für Abgeordneten Kiss ein blamables Kapitel seiner parlamentarischen Laufbahn ist, meine Damen und Herren, Hohes Haus (Beifall bei den Freiheitlichen) , weil er sich heute in keuscher Zurückhaltung und in Koalitionsdisziplin üben muß. Ich rufe in Erinnerung, daß es eine Strafanzeige eines Anwaltes gibt, weil sich der Herr Innenminister die Karteikarten im Wiener Sicherheitsbüro durch EBT-Beamte abholen hat lassen, und ich rufe in Erinnerung, daß es eine umfangreiche Strafanzeige von mir gibt, die die ominösen Vorgänge bei der Behinderung der Ermittlungen zur Aufklärung der Terroranschläge zum Inhalt hat.

Vor diesem Hintergrund ist es heute nicht mehr Zeit für falsche Koalitionsdisziplin, meine Damen und Herren von der Volkspartei, für falsche Genossentreue bis hin zur Selbstverleugnung, meine Damen und Herren bis hin zu den Exministern auf der Abgeordnetenbank der SPÖ, wie das bei der SPÖ derzeit der Fall ist, es ist nicht mehr die Zeit für eine Parlamentsdressur, wie sie heute die Regierung versucht.


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17. Sitzung / Seite 611

Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kier! Ich rufe ganz persönlich Ihnen in Erinnerung, daß derselbe Kollege Kier, der heute die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ablehnt, nach meiner Rede am vergangenen Freitag, also am Freitag vor einer Woche, einen Untersuchungsausschuß verlangt hat. (Abg. Dr. Haider: Ach so?! – Abg. Ing. Reichhold: So ist das!) Heute will er nichts mehr davon wissen, daher erinnere ich ihn daran, daß er selbst einen Untersuchungsausschuß verlangt hat nach meiner Rede und ihn heute ablehnen wird bei einer namentlichen Abstimmung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Aufklärung! Die Öffentlichkeit und das Parlament haben ein Recht auf Aufklärung, und das hat nichts mit einer gerichtlichen Klärung des Falles Einem zu tun. Die Öffentlichkeit ist beunruhigt, sie ist zu Recht beunruhigt, und sie hat das parlamentarische Recht, von uns zu erfahren, was sich rund um diesen Innenminister Einem abgespielt hat und wie die politische Aufklärung in diesem Lande gehandhabt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mag. Barmüller vor. – Bitte sehr.

16.03

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da tatsächliche Berichtigungen bei solchen Debatten nicht zulässig sind, sei von meiner Seite hier nur angemerkt, daß es unrichtig ist, was Herr Abgeordneter Stadler behauptet hat: Herr Abgeordneter Kier hat keineswegs die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefordert. (Abg. Mag. Stadler: Ich habe ja die Rede!)

Aber Sie haben mich "überzeugt", Herr Abgeordneter Stadler. Das ist meine Antwort! (Der Redner zeigt die rote Abstimmungskarte.) – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Dieses Verlangen ist von 20 Abgeordneten gestellt, es wird daher in diesem Sinne vorgegangen.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnungen "Ja", das sind die grauen, und "Nein", das sind die rosafarbenen Stimmzettel. Ausschließlich diese Stimmzettel sind gültig.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen. Die Prozedur ist bekannt.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stimmen, "Ja"-Stimmzettel abzugeben, jene, die dagegen stimmen, "Nein"-Stimmzettel abzugeben.

Frau Abgeordnete Reitsamer wird mit dem Namensaufruf beginnen, und Frau Abgeordnete Ute Apfelbeck wird zum gegebenen Zeitpunkt fortsetzen.

Ich bitte nunmehr Frau Abgeordnete Reitsamer, mit dem Namensaufruf zu beginnen, und ich mache darauf aufmerksam, wenn Frau Abgeordnete Haidlmayr nicht selbst abstimmen will, wird ein Beamter des Hauses ihren Stimmzettel übernehmen und in die Wahlurne werfen. Wir haben das kürzlich so festgelegt.

Bitte, Frau Schriftführerin.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Reitsamer und Apfelbeck werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hiermit erkläre ich die Stimmenabgabe für beendet.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
17. Sitzung / Seite 612

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen. Die Sitzung wird für die dafür erforderliche Zeit unterbrochen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 16.13 Uhr unterbrochen und um 16.20 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis wie folgt bekannt:

Abgegebene gültige Stimmen: 166, davon "Ja"-Stimmen 37, "Nein"-Stimmen 129.

Damit ist der gestellte Antrag abgelehnt.

Gemäß § 66 Abs. 7 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Apfelbeck, Aumayr;

Blünegger, Böhacker, Brauneder;

Dolinschek;

Graf, Grollitsch;

Haider, Haller, Haupt;

Jung;

Koller, Krüger;

Lafer, Linser;

Madl, Meischberger, Meisinger, Mentil;

Ofner;

Partik-Pablé, Preisinger, Prinzhorn, Pumberger;

Reichhold, Rosenstingl, Rossmann, Ruthofer;

Salzl, Scheibner, Schöggl, Schweitzer, Stadler;

Trattner, Trenk;

Wenitsch.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Achs, Amon, Anschober, Antoni, Auer;

Barmüller, Bauer Rosemarie, Bauer Sophie, Binder, Brader, Brinek, Brix, Buder, Bures;

Cap;

Dietachmayr, Donabauer, Dunst;

Eder, Ederer, Edler, Ellmauer, Elmecker;


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
17. Sitzung / Seite 613

Fekter, Feurstein, Fink, Firlinger, Fischer, Freund, Frieser, Frischenschlager, Fuchs, Fuhrmann;

Gaál, Gartlehner, Gatterer, Grabner, Gradwohl, Guggenberger, Gusenbauer;

Hagenhofer, Heindl, Hlavac, Horngacher, Hostasch, Huber;

Jäger;

Kaipel, Kaiser, Kammerlander, Kampichler, Kaufmann, Keppelmüller, Khol, Kier, Kiermaier, Kiss, Kopf, Koppler, Kostelka, Kräuter, Kröll, Kukacka, Kummerer, Kurzbauer;

Lackner, Langthaler, Leikam, Leiner, Löschnak, Lukesch;

Maderthaner, Maier, Maitz, Marizzi, Mertel, Mock, Morak, Moser Sonja, Motter, Mühlbachler, Müller;

Neisser, Neugebauer, Niederwieser, Nowotny;

Oberhaidinger, Onodi, Öllinger;

Parfuss, Parnigoni, Peter, Pittermann, Platter, Posch, Puttinger;

Rasinger, Rauch-Kallat, Reitsamer, Riedler, Riepl;

Sauer, Schieder, Schrefel, Schuster, Schwarzböck, Schwarzenberger, Schwemlein, Schwimmer, Seidinger, Sigl, Silhavy, Stampler, Steibl, Steindl, Stippel, Stoisits, Stummvoll;

Tegischer, Tichy-Schreder, Trinkl, Tychtl;

Wabl, Wallner, Wimmer, Wurm, Wurmitzer;

Zweytick.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 167/A (E) bis 179/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 447/J bis 510/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage des Abgeordneten Mag. Stadler an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

Verlesung des Amtlichen Protokolls

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Abgeordneten vor, das Amtliche Protokoll dieser Sitzung zu verlesen, damit es mit Schluß der Sitzung als genehmigt gilt. Dadurch soll die umgehende Ausfertigung der vom Nationalrat ausgehenden Beschlüsse ermöglicht werden.

Es ist bei einem entsprechenden Verlangen in diesem Sinne vorzugehen, und ich werde das Amtliche Protokoll rasch, aber präzise verlesen:

"Tagesordnung laut Anlage A.

Gegen den Vorschlag des Präsidenten, die Tagesordnungspunkte 1 und 2 unter einem zu verhandeln, wird kein Einwand erhoben.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
17. Sitzung / Seite 614

Tagesordnungspunkte 1 und 2:

Die Abgeordneten Dr. Graf und Genossen bringen die Abänderungsanträge Beilagen 1/1 und 2/1 ein. Der Präsident verfügt die Verteilung der in den Kernpunkten erläuterten Abänderungsanträge Beilage 1/1 und 2/1 gemäß § 53 Abs. 4 GOG.

Die Abgeordneten Dr. Ofner und Genossen bringen einen Entschließungsantrag Beilage 1/2 EA ein.

Die Abgeordneten Scheibner und Genossen bringen den Entschließungsantrag Beilage 1/3 EA ein.

Die Abgeordneten Zweytick, Leikam, Mag. Schweitzer, Mag. Barmüller und Wabl bringen den Entschließungsantrag 1/4 EA ein.

Die Abgeordneten Schöggl und Genossen bringen den Entschließungsantrag Beilage 1/5 EA ein.

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Genossen bringen den Entschließungsantrag Beilage 1/6 EA ein.

Es liegen Verlangen auf getrennte Abstimmung Beilagen I und II/1 sowie I und II/2 vor.

Die Abgeordneten Rosenstingl und Genossen bringen die Entschließungsanträge Beilagen 2/2 EA und 2/3 EA ein.

Die Abgeordneten Preisinger und Genossen bringen den Entschließungsantrag Beilage 2/4 EA ein.

Die Abgeordneten Pumberger und Genossen bringen den Entschließungsantrag Beilage 1/7 EA ein.

Die Abgeordneten Dr. Povysil und Genossen bringen den Entschließungsantrag Beilage 1/8 EA ein.

Es liegt das Verlangen von 20 Abgeordneten nach Verlesung des Amtlichen Protokolls der 17. Sitzung (Beilage D) vor.

Die Abgeordneten Povysil und Genossen bringen den Entschließungsantrag Beilage 1/9 EA ein.

Die Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen bringen den Entschließungsantrag Beilage 1/10 EA ein.

Die Abgeordneten Pumberger und Genossen bringen die Entschließungsanträge Beilagen 1/11 EA und 1/12 EA ein.

Die Abgeordneten Haidlmayr und Genossen bringen die Entschließungsanträge Beilagen 1/13 EA und 1/14 EA ein.

Die Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Gartlehner und Genossen bringen die Abänderungsanträge Beilagen 1/15 und 1/16 sowie 2/5 und 2/6 ein.

Die Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen bringen den Entschließungsantrag Beilage 1/17 EA ein.

Die Abgeordneten Auer, Gradwohl und Genossen bringen den Entschließungsantrag Beilage 1/18 EA ein.

Die Abgeordneten Wenitsch und Genossen bringen den Entschließungsantrag Beilage 1/19 EA ein.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
17. Sitzung / Seite 615

Die Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen bringen den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein und verlangen die Durchführung einer Debatte, (Beilage E).

Es liegt das Verlangen von 20 Abgeordneten auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung vor, die auch durchgeführt wird.

Abstimmung:

Zu TO-Punkt 1:

Der Entwurf des Bundesfinanzgesetzes für 1996 sowie dessen Anlagen werden gemäß dem Ausschußantrag in 96 der Beilagen unter Berücksichtigung der Abänderungsanträge Beilagen 1/15 und 1/16 in zweiter Lesung in getrennter Abstimmung teils einstimmig, teils mit Stimmenmehrheit und in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Der Abänderungsantrag Beilage 1/1 wird abgelehnt.

Zu TO-Punkt 2:

Der Entwurf des Bundesfinanzgesetzes für 1997 sowie dessen Anlagen werden gemäß dem Ausschußantrag in 97 der Beilagen unter Berücksichtigung der Abänderungsanträge Beilagen 2/5 und 2/6 in zweiter Lesung in getrennter Abstimmung teils einstimmig, teils mit Stimmenmehrheit und in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Der Abänderungsantrag Beilage 2/1 wird abgelehnt.

Die Entschließungsanträge Beilagen 1/2 EA, 1/3 EA, 1/5 EA bis 1/14 EA, 1/17 EA und 1/19 EA sowie 2/2 EA bis 2/4 EA werden abgelehnt.

Die Entschließungsanträge Beilagen 1/4 EA und 1/18 EA werden einstimmig angenommen.

Durchführung der Debatte über den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (Beilage E).

Der Antrag Beilage E betreffend Untersuchungsausschuß wird in namentlicher Abstimmung abgelehnt.

Abgegebene gültige Stimmen: 166, davon Ja-Stimmen: 37, Nein-Stimmen: 129."

*****

Soweit der von der Parlamentsdirektion verfaßte Wortlaut des Amtlichen Protokolls.

Werden gegen diese Fassung Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Damit gilt das Amtliche Protokoll gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsordnung mit Schluß dieser Sitzung als genehmigt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe weiters bekannt, daß in dieser Sitzung die Selbständigen Anträge 167/A (E) bis 179/A eingebracht wurden.

Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, habe ich das zwar schon bekanntgegeben, aber sicherheitshalber füge ich noch einmal hinzu, daß auch die Anfragen 447/J bis 510/J eingebracht wurden.

Schließlich wurde eine Anfrage des Abgeordneten Mag. Stadler an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
17. Sitzung / Seite 616

Sollte diese Mitteilung doppelt erfolgt sein, so sind es jedenfalls zwei identische Mitteilungen. (Abg. Mag. Stadler: Sie wird einmal zur Kenntnis genommen!)

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für unmittelbar im Anschluß an diese Sitzung ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Die Sitzung ist geschlossen .

Schluß der Sitzung: 16.27 Uhr